Keine Vertraulichkeit unter Freunden? Das „Social Web“ und das Äußerungsrecht im Arbeitsverhältnis
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Der nachfolgende Text ist der 3. Teil meiner Beitragsreihe für die Fachzeitschrift ”Computer und Arbeit” (CuA) zu den rechtlichen Problemfeldern bei der Nutzung sozialer Netzwerke durch Unternehmen und ihre Mitarbeiter[1]. Er ist in der Ausgabe Juli/August 2013 erschienen und befasst sich mit dem Äußerungsrecht im Arbeitsverhältnis und stellt die wesentlichen Grundsätze sowie die typischen Promblemstellungen dar, wie sie sich im Zusammenhang mit der Betätigung von Mitarbeiter(inne)n in sozialen Netzwerken ergeben. Nachstehend veröffentlicht finden Sie das Autoren-Original des Beitrags:
„Kündigung nach Facebook-Pöbelei“, „Facebook Funktion „Gefällt mir“ als Kündigungsgrund!?“, „Lästern auf Facebook ein Kündigungsgrund?“ oder gar: „Kündigungsfalle Facebook“ – so lauteten nur einige der Schlagzeilen unzähliger Publikationen zu dem Thema in den vergangenen beiden Jahren.
Es zeigt sich also: Auch die sozialen Netzwerke sind längst im Arbeitsleben angekommen.
Aktuellen Untersuchungen zufolge sind inzwischen fast drei Viertel (74%) der mittlerweile über 52 Mio. Internetnutzer in Deutschland Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk[2] – also ca. 38 Mio. Und etwa 9 Mio. Menschen nutzen soziale Netzwerke auch während ihrer Arbeitszeit zu privaten Zwecken[3].
Unabhängig von den sonstigen grundsätzlichen rechtlichen Fragestellungen und Problemen bringen es die mittlerweile hohen und stetig zunehmenden Nutzerzahlen sowie die Funktionsweise bzw. der Zweck sozialer Netzwerke daher nachvollziehbar mit sich, dass sich mittlerweile bereits in einer ganzen Reihe von Fällen Gerichte mit der Zulässigkeit von Kommunikationsinhalten befassen mussten, die Mitarbeiter(innen) über Kolleg(inn)en, ihren Arbeitsplatz oder das Unternehmen innerhalb von sozialen Medien verbreitet haben.
Und ja: In nahezu allen bislang bekannt gewordenen gerichtlichen Streitigkeiten mit Bezug zu sozialen Netzwerken – das waren in der Regel Kündigungsschutzverfahren – waren tatsächlich Aktivitäten der jeweiligen Mitarbeiter(innen) bei Facebook der Anlass – was angesichts der Tatsache, dass diese Plattform mittlerweile allein in Deutschland knapp 25 Millionen Mitglieder hat[4], nicht sehr erstaunlich ist.
Die Bandbreite des persönlichen und beruflichen Hintergrundes (Alter, Geschlecht, Ausbildung, Tätigkeit, Status etc.) der Beteiligten sowie der “betroffenen” Branchen und Berufsbereiche ist dabei sehr groß – hier ist praktisch alles vertreten:
Die Auszubildende des Friseur-Handwerks, die via Facebook nicht nur ihre Krankschreibung sondern gleichzeitig auch ihre im direkten Anschluss daran geplante Mallorca-Reise ankündigt – und in der Folge auch mit Fotos illustriert[5], die schwangere Angestellte im öffentlichen Dienst, die sich negativ über einen Mobilfunkprovider äußert, der dummerweise ein Kunde ihres Arbeitgebers ist[6], der Einzelhandelskaufmann, der sich mit deftigen Worten über den Charakter von Kolleg(inn)en äußert, die hinter seinem Rücken über sein vermeintliches Simulantentum lästern[7], der Produktionsmitarbeiter einer Kaltwalzfabrik, der ausgerechnet in seiner für alle „Freunde“ einsehbaren Facebook-„Chronik“ eine eigentlich nur für einen Kollegen persönlich bestimmte Mitteilung veröffentlicht, in der er sich mit drastischen Schimpfworten zu zwei kürzlich erhaltenen Abmahnungen sowie zur Person des Abmahnenden äußert[8] oder auch der Altenpfleger, der sich mit Kraftausdrücken seine Meinung über den miesen Charakter seines Chefs und die Geschäftspraktiken seiner Firma formuliert[9] – sie alle trugen zur richterlichen Rechtsfortbildung in diesem Bereich ebenso bei, wie die leitende Bankangestellte, der man vorwarf, sie habe einen beleidigenden Beitrag ihres Ehemanns über ihre Arbeitgeberin durch Anklicken des sog. „Gefällt mir”-Links („Like-Button“) gebilligt – und ihn eigentlich ohnehin hätte verhindern müssen[10].
Für reichlich (sozial-)mediale Anteilnahme sorgten zuletzt auch die zehn Feuerwehrleute der Berufsfeuerwehr Düsseldorf, die von ihrem Dienstherrn im Februar dieses Jahres postwendend (im wahrsten Wortsinn) für drei Monate suspendiert wurden, nachdem einer der Kollegen aus Anlass einer Auseinandersetzung mit der Stadt über die Auszahlung von Überstunden kritische Kommentare bei Facebook verbreitet hatte und die übrigen neun durch das Betätigen des „Gefällt mir“-Links ihre Zustimmung dokumentiert hatten[11].
Nicht bei Facebook sondern bei dem Video-Mitmachnetzwerk „YouTube“ spielte sich dagegen ein Sachverhalt ab, den das Verwaltungsgericht Berlin im Herbst vergangenen Jahres zu entscheiden hatte[12]: Hier ging es um einen Professor, der sich im Rahmen einer Vorlesung sehr ausführlich und kritisch zum Umgang seiner Hochschule mit einem internen Plagiatsfall geäußert und seine Zuhörer dazu ermutigt hatte, die Aufzeichnung seiner „Brandrede“ bei YouTube „ins Netz zu stellen”. Was dann auch geschah – und ihm ein Bußgeld einbrachte.
Allen dieser gerade beispielhaft genannten Fälle ist gemeinsam, dass sie zum einen die grundsätzliche Frage aufwerfen, welche Äußerungen (Art und Inhalt) innerhalb eines Arbeitsverhältnisses überhaupt zulässig sind, ggf. unter welchen Voraussetzungen.
Und zum anderen geht es darum, die Besonderheiten rechtlich richtig einzuordnen, die die Kommunikationsvorgänge von Nutzern in sozialen Netzwerken mit sich bringen:
Insbesondere ist zu klären, ob und ggf. welche Aktivitäten bei der Nutzung von Social Media (noch) zur “vertraulichen Kommunikation” zu zählen – und damit rechtlich schützenswert – und welche demgegenüber als “öffentliche Äußerung” einzustufen sind.
Mit anderen Worten: Wann sind persönliche (Meinungs-)Äußerungen in sozialen Netzwerken tatsächlich noch privat?
Dies ist u.a. auch deshalb wichtig, weil sich bei jedem etwaigen Verstoß stets die Frage stellt, welche arbeitsrechtliche Reaktion angemessen ist und sich dies regelmäßig auch nach den Auswirkungen des Pflichtverstoßes und dem Grad der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen richtet.
Ebenfalls von Bedeutung ist hier dann die weitere Frage, welche Sorgfaltspflichten den Arbeitnehmer bei der Nutzung sozialer Medien und der Verwendung einzelner Funktionen des jeweiligen Netzwerkes hinsichtlich der Verbreitung von Äußerungen ggf. treffen. Also z.B. bestimmte Einstellungen vorzunehmen, den Adressatenkreis zu beschränken oder bestimmte Features für bestimmte Mitteilungen zu deaktivieren.
Und schließlich ist natürlich auch von Interesse, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber überhaupt (private) Äußerungen von Mitarbeitern zur Kenntnis nehmen und ggf. zum Gegenstand arbeitsrechtlicher Maßnahmen machen darf[13].
Im Folgenden sollen zunächst die allgemeinen (äußerungs-)rechtlich zu beachtenden Spielregeln kurz angesprochen werden, wie sie generell – also auch außerhalb der Kommunikation in sozialen Netzwerken – für das Arbeitsverhältnis gelten.
Am Beispiel verschiedener Nutzungsoptionen bei Facebook werden im Anschluss dann die Besonderheiten erläutert, die bei einer (arbeits-)rechtlichen Bewertung der Social- Media-Kommunikation eine Rolle spielen.
Allgemeines
Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) erlaubt es Jedem, sagen und veröffentlichen zu dürfen, was er denkt – und zwar unabhängig davon, in welcher Form, d.h. mit welchem Medium das geschieht. Das gilt grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis.
Allerdings ist die Ausübung des Grundrechts der sog. Meinungsfreiheit nicht grenzenlos erlaubt. Sie wird durch andere Grundrechte beschränkt, wie z.B. das der persönlichen Ehre in Art. 5 Abs. 2 GG oder auch das des Eigentums in Art. 14 GG sowie die hierfür einschlägigen allgemeinen Gesetze – wie z.B. das Strafgesetzbuch (StGB), die Pressegesetze, das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).
Im Betriebsalltag häufig in Betracht kommende Straftatbestände sind etwa § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen), sowie die Beleidigungstatbestände der §§ 185 ff. StGB (Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung).
Beleidigungen des Vorgesetzten, Schmähungen des eigenen Unternehmens oder gar verleumderische Aussagen über andere Mitarbeiter sind daher nie vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, sondern führen selbstverständlich stets zu arbeits- und ggf. auch strafrechtlichen Konsequenzen, sobald jemand an derartigen Äußerungen berechtigterweise Anstoß nimmt[14].
Auch die bloße Behauptung von Tatsachen über eine Person oder ein Unternehmen ist dann nicht erlaubt, wenn diese Tatsache objektiv unwahr ist: Tatsachen müssen stimmen, um überhaupt dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen zu können. Das ist jedoch lediglich die Mindestanforderung und bedeutet nicht, dass jede wahre Tatsachenbehauptung stets auch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist[15]. Dazu gleich noch etwas näher.
Zuvor ist noch auf die inhaltliche Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und bloßer Meinungsäußerung hinzuweisen:
Während der wesentliche Inhalt einer Meinungsäußerung eine lediglich subjektive und daher objektiv nicht nachweisbare Aussage enthält (z.B.: „Mein Vorgesetzter ist ein Blödbommel“), bezieht sich eine Tatsachenbehauptung immer auf etwas, das objektiv feststellbar, also einem tatsächlichem Beweis zugänglich ist (z.B. „Draußen regnet es“)[16].
Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Anforderungen an die rechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Äußerung:
Da Meinungsäußerungen im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung nicht „wahr“ oder „falsch“ sein können, kommt es bei ihnen ausschließlich darauf an, ob sie im konkreten Fall dem Betroffenen zugemutet werden können oder aber dessen Persönlichkeitsrecht unangemessen beeinträchtigen. Bei der Beurteilung, was bei einer Äußerung zumutbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung stets auf alle Umstände des Einzelfalls an, insbesondere etwa darauf, was zu der Äußerung geführt hat, den betrieblichen und branchenüblichen „Umgangston“, den Bildungsgrad und psychischen Zustand des Betroffenen sowie die Äußerungssituation.
Sodann: Auch Meinungsäußerungen, die nicht strafbar oder rechtswidrig sind, oder wahre Tatsachenbehauptungen können dennoch unzulässig sein:
Wie in jedem Vertragsverhältnis bestehen auch im Arbeitsverhältnis vertragliche Nebenpflichten für die Beteiligten. Für den Arbeitnehmer etwa eine grundsätzliche Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflicht demjenigen gegenüber, der ihn beschäftigt und bezahlt. Ganz allgemein hat er daher gem. § 241 Abs. 2 BGB die Pflicht, sich nach besten Kräften für die Interessen des eigenen Unternehmens einzusetzen und vor allem alles zu unterlassen, was nachteilig für seinen Arbeitgeber bzw. für dessen Geschäft ist.
Eine nach „normalen“ Maßstäben noch zulässige kritische Äußerung über die Firma kann daher wegen des besonderen Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnisses eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellen und deshalb unzulässig sein.
Die Loyalitätspflicht verbietet daher i.d.R. eine herabsetzende öffentliche – also z.B. in einem sozialen Netzwerk weit verbreitete – Bewertung des Arbeitgebers durch seine Angestellten, selbst wenn sie in der Sache nachvollziehbar wäre.
Ob eine Äußerung noch erlaubt oder schon pflichtwidrig ist, im Einzelfall also entweder die Meinungsäußerungsfreiheit oder doch die Rücksichtnahmepflicht schwerer wiegt, ist im Rahmen einer – wie bereits erwähnt auf den konkreten Einzelfall bezogenen – Gesamtabwägung vorzunehmen. Hierbei kommt es neben den bereits vorhin genannten Faktoren vor allem auf die Schwere der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen bzw. des Unternehmens an. Dies lässt sich wesentlich vor allem am Grad der Verbreitung und an den Begleitumständen (z.B. Anlass, Kontext, Aufmachung, Größe des Unternehmens) der Äußerung festmachen.
Ebenfalls bereits unmittelbar aus der arbeitsrechtlichen Rücksichtnahmepflicht ergibt sich auch die Verpflichtung des Mitarbeiters zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen[17].
Die Veröffentlichung solcher Informationen stellt nicht nur eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, sondern kann gem. § 17 UWG sogar eine Straftat sein.
Noch weitergehende Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit, die sich aus der Besonderheit des jeweiligen Vertrags- bzw. Rechtsverhältnisses ergeben, bestehen vor allem in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen, bei den sog. Tendenzbetrieben gem. § 118 Abs. 1 BetrVG und auch für Betriebsräte:
Letztere müssen bei etwaigen öffentlichen Äußerungen vor allem die speziell u.a. für Betriebsräte und sonstige betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertreter(innen) geltenden Strafvorschriften des § 120 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und § 120 Abs. 2 BetrVG beachten: Wer gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 79 Abs. 1 BetrVG verstößt, macht sich ebenso strafbar wie derjenige, der unbefugt ein fremdes Geheimnis eines Kollegen offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied oder Ersatzmitglied einer Interessenvertretung bekannt geworden ist.
Kommunikation in Social Media
Wenden wir uns nun den Besonderheiten zu, die bei Äußerungen im „Social Web“ zu beachten sind.
Wesentliches Element bei der Beurteilung, ob eine Äußerung als zumutbar angesehen wird, ist – wie wir bereits gesehen haben – eine Abwägung der beiderseitigen Interessen: Des Persönlichkeitsrecht des Äußernden und dessen Recht auf freie Meinungsäußerung einerseits und andererseits das Persönlichkeitsrecht oder – im Fall des Unternehmens bzw. Arbeitgebers – auch das Eigentumsrecht des Betroffenen.
Ist demnach die Beeinträchtigung für den von einer Äußerung Betroffenen z.B. wegen ihrer Kurzzeitigkeit und recht überschaubaren Verbreitung nicht sonderlich groß, wird man i.d.R. der Meinungsfreiheit bzw. dem Persönlichkeitsrecht des Äußernden den Vorrang einräumen.
Die ständige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung unterscheidet vor diesem Hintergrund u.a. maßgeblich danach, ob eine Äußerung im privaten Bereich (vertraulich) oder öffentlich getätigt wurde.
Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist über das Persönlichkeitsrecht geschützt. Selbst beleidigende oder ehrverletzende Äußerungen rechtfertigen dementsprechend im Normalfall ohne Weiteres z.B. noch keine verhaltensbedingte Kündigung, sofern sie im vertraulichen Gespräch unter Arbeitskollegen gemacht wurden[18].
Während arbeitgeberkritische Äußerungen in der Kantine oder im Freundes-/ und Bekanntenkreis allerdings i.d.R. auch dort bleiben, sieht das bei entsprechenden Mitteilungen via Social Media meist anders aus: Je nach den vom Nutzer vorgenommenen Privatsphäre- Einstellungen, dem von ihm benutzten Veröffentlichungsmodus, der Anzahl seiner Netzwerkfreunde etc., variiert die hergestellte Öffentlichkeit – und damit auch das Ausmaß der Beeinträchtigung des Betroffenen.
Die u.U. enorme Reichweite einer Mitteilung spielt hier ebenso eine Rolle wie die fehlende „Flüchtigkeit“ einer mal so eben dahin „geposteten“ Mitteilung.
Denn die potenzielle Dauerhaftigkeit (Speicherung an unzähligen unbekannten Orten, praktisch jederzeitige Reproduktionsmöglichkeit – „Das Netz vergißt nicht!“) und fehlende Beherrschbarkeit sowie die immense Verbreitungsgeschwindigkeit von Kommunikationsinhalten, die durch die Nutzer von Social Media veröffentlicht und – dann oft ohne Wissen oder auch gegen den Willen – weiterverbreitet werden, sind für die Annahme privater Kommunikation sehr problematische Aspekte.
Der Kreis der potenziellen Empfänger ist faktisch vom Sender nach Veröffentlichung der Nachricht kaum noch beeinflussbar – ebenso wenig sind die Reaktionen der „Netzgemeinde“ auf einzelne Postings beherrschbar. Hier spielt auch die hohe Verbreitungsgeschwindigkeit von Äußerungen im Internet eine Rolle: Beleidigende Äußerungen können durch die Art der Verbreitung in sehr kurzer Zeit einen großen Personenkreis erreichen. Dagegen hilft ggf. auch schnelles Löschen eines Eintrags nichts mehr – der Absender verliert schnell die Kontrolle über seine eigene Äußerung, die durch andere „geteilt“ oder via „Gefällt mir-Button“ indirekt weiterverbreitet werden kann.
Man muss sich in diesem Zusammenhang zudem klar machen, dass immer wieder auch gänzlich falsche Meldungen aller Art im Social Web plaziert werden, die sich dann teilweise wie das sprichwörtliche Lauffeuer verbreiten und dann nur schwer wieder richtig zu stellen sind.
Ein aktuelles Beispiel: Während des Hochwassers, das seit Anfang Juni 2013 einige Regionen Deutschlands stark betrifft, wurde via Facebook die Meldung verbreitet, dass die Baumarktkette „Max Bahr“ (Praktiker) in der ebenfalls stark betroffenen Stadt Magdeburg angeblich die Preise für Sandsäcke kurzfristig deutlich erhöht hätte. Man solle diesen Hinweis doch bitte teilen, um auch andere darauf aufmerksam zu machen, wie ungeniert sich der Konzern an der Not der Mitmenschen bereichere. Nicht nur, dass das Gegenteil richtig war (tatsächlich wurden die Preise mit Blick auf die ernste Situation drastisch gesenkt) – das Unternehmen gewährte Betroffenen der Region sogar einen 30%igen „Nothilfe-Rabatt“. Nur ließ sich die Welle der Empörung nicht zurückholen, die daraufhin bereits über das Unternehmen hinweggegangen war – und wegen des vieltausendfachen „Teilens“ der Nachricht ließ sich auch letztlich nicht mehr klären, wer die Falschmeldung denn nun eigentlich ursprünglich veröffentlicht hatte[19].
Hinzu kommt, dass über soziale Medien nicht nur Geschriebenes, sondern häufig auch Bilder und Tonaufnahmen oder auch gleich beides zusammen als Videoclip in sozialen Medien veröffentlicht wird. Damit intensiviert sich ggf. die Wirkung erheblich, die von einem Kommunikationsinhalt ausgeht.
Und noch weniger als beim bereits erwähnten „Kantinentratsch“ im Kollegenkreis kann der Mitarbeiter, der sich in einem sozialen Netzwerk äußert, hier grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht verbreitet werden: Das Wesen sozialer Netzwerke ist ja gerade die Verbreitung von Inhalten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die bereits zu Beginn dieses Beitrags angedeutete „Gretchen-Frage“, ob Äußerungen in Social Media überhaupt privat (im Sinne von „vertraulich“) sein können.
Die bisherige Rechtsprechung nimmt zu diesem Punkt momentan noch eine recht indifferente „schwarz-weiß-Sicht“ ein:
Während z.B. die obersten bayerischen Verwaltungsrichter augenscheinlich kein Problem damit haben, die Aktivitäten einer Mitarbeiterin innerhalb ihres Facebook-Accounts grundsätzlich als „vertrauliche Kommunikation mit ihren Internetfreunden“ zu bewerten, die persönlichkeitsrechtlichen Schutz genießt[20], gehen die bisherigen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen überwiegend ebenso unproblematisch davon aus, dass jegliche Äußerungen in sozialen Netzwerken grundsätzlich keinen vertraulichen Charakter haben.[21]
Für eine Vielzahl der Fälle dürfte die Sichtweise der Arbeitsgerichte sicherlich dichter dran sein an der Realität, als die Annahme, jeder virtuelle Freund sei auch vertrauenswürdig wie ein analoger.
Sinnvoll dürfte es aber sein, die Antwort nicht pauschal mit Blick auf das Medium als solches zu geben, sondern in Abhängigkeit von den jeweiligen tatsächlichen Umständen, unter denen die Kommunikation sich vollzieht.[22]
Da es in den sozialen Netzwerken regelmäßig verschiedene Privatsphäre-Levels/-Einstellungsmöglichkeiten und zudem auch unterschiedliche „Kommunikationswerkzeuge“ und –funktionalitäten gibt, sollte eine sachgerechte Einschätzung daran anknüpfen, welchen Grad der Vertraulichkeit die konkret gewählte Kommunikationsform aufweist.
Sehen wir uns das am Beispiel der prominentesten Parameter bzw. Features bei Facebook also einmal näher an:
Nutzerprofil
Wesentlicher Bestandteil jeder Kommunikation im Social Web ist zunächst das Nutzerprofil. Nicht nur bei Facebook werden hier außer den „klassischen“ personenbezogenen Daten wie Name, Wohnort, Kontaktdaten etc. insbesondere auch persönliche Nutzer-Angaben zu Ausbildung und Arbeitgeber ermöglicht. Wer das Profil zu sehen bekommt – und wie viel davon, legt der Nutzer selbst fest. In der „schwächsten“ Einstellung sind alle dortigen Angaben für alle im World Wide Web öffentlich sichtbar, unabhängig davon, ob jemand überhaupt Mitglied bei Facebook ist.[23]
Wenn also etwa ein Mitarbeiter wie der (immerhin schon 26-jährige) Auszubildende in einem vom Landesarbeitsgericht Hamm entschiedenen Fall[24] – in seinem privaten Facebook-Profil die Angaben “Arbeitgeber: menschenschinder & ausbeuterLeibeigener?? Bochum daemliche scheisse für mindestlohn – 20% erledigen[25]“ veröffentlicht, äußert er sich sicherlich nicht vertraulich über seine Ausbildungsstätte.
Das dürfte selbst dann gelten, wenn sein Profil nicht „öffentlich“ sondern z.B. nur für „Freunde“ und „Freunde von Freunden“ zugänglich ist:
Legt man zugrunde, dass die durchschnittliche „Freundeszahl“ eines Facebook-Users aktuell jedenfalls bei deutlich über 100 liegt[26], wird deutlich, welche Öffentlichkeit und hohe Anzahl u.U. völlig unbekannter Adressaten sich bereits auf der Stufe „Freunde von Freunden“ ergibt. Und selbst die eigenen „Freunde“ sind in aller Regel keine Sammlung guter privater Bekannter oder befreundeter Arbeitskollegen, mit denen man sich tatsächlich auch im „echten Leben“ über persönliche Dinge unterhält. Häufig steckt nicht mehr als eine flüchtige Bekanntschaft „über Eck“ und eine bestätigte Freundschaftsanfrage dahinter[27].
Berücksichtigt man, dass es bei Profilangaben in einem sozialen Netzwerk von vornherein wenig Sinn ergibt, Einträge vorzunehmen, die danach niemand außer einem selbst noch sehen kann (und entsprechende Beschränkungen bei den Einstellungen also normalerweise nicht vorgenommen werden, wenn jemand dort Angaben zu einzelnen Rubriken macht), dürfte hier also im Normalfall nie von vertraulichen Angaben auszugehen sein[28].
Facebook-Chronik[29]
Die „Chronik“ ist sozusagen das „Logbuch“ bei Facebook. Hier tauchen – je nach persönlicher Einstellung diverse – meist eigene, oft selbstverfasste, häufig aber auch nur selbst veranlasste – Einträge über Aktivitäten des betreffenden Mitglieds auf, die – ebenfalls je nach Voreinstellung von anderen gesehen, kommentiert, „geteilt“ (=weiterverbreitet) oder auch „geliked“ werden können. Wenn der Accountinhaber es zuläßt, können aber auch Dritte Inhalte verschiedenster Art in der Chronik hinterlassen.
Für Beiträge, die der Nutzer selbst verfasst und in die Chronik einstellt, gilt sinngemäß das Gleiche, wie für die Profilangaben: Je nach gewählter Voreinstellung kann die ganze Web-Welt lesen oder auch mitveröffentlichen – oder auch nur ausgewählte Personen oder Gruppen.
Wer – wie der bereits erwähnte Produktionsmitarbeiter in dem vom Arbeitsgericht Hagen entschiedenen Fall[30] – seinem Unmut über seine Abmahnungen mit beleidigenden Ausdrücken über den (auch namentlich genannten) Vorgesetzten dort Luft und für alle seine Facebook-Freunde zugänglich macht, äußert sich selbst dann nicht mehr „vertraulich“, wenn er seine Mitteilung eigentlich nur für einen seiner Kollegen verfasst, die Zahl seiner Facebook-Freunde nur unterdurchschnittlich groß sein mag und sich unter ihnen u.U. auch eine hohe Anzahl Arbeitskollegen befinden mag[31].
Denn anders als z.B. in der Situation eines „Flurgesprächs“ unter vier Augen hat der sich hier online Äußernde tatsächlich gar keine Ahnung, wer alles, wann, wo und bei welcher Gelegenheit seine Äußerung zur Kenntnis nimmt. Von einem irgend gearteten Vertrauen auf die Verschwiegenheit jedes der potenziellen Adressaten kann daher keine Rede sein. Und gerade der Umstand, dass nicht nur ein einzelner, sondern eine Vielzahl von Arbeitskolleg(inn)en die Beleidigung des Chefs zur Kenntnis nehmen können, spricht gegen eine vertrauliche Äußerung, denn dadurch – so das Gericht – habe der Mitarbeiter seine Schmähungen „quasi betriebsöffentlich, vergleichbar einem Aushang am “Schwarzen Brett”“ vorgenommen.
Es kommt der bereits erwähnte „Kontrollverlust“ hinzu: Jeder, der berechtigt ist, bestimmte Facebook-Inhalte sehen zu dürfen, kann diese Inhalte nach Belieben gezielt („mit anderen teilen“) oder auch automatisiert (etwa durch Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“) weiterverbreiten.
Entsprechendes gilt selbstverständlich auch für Einträge, die ein Mitarbeiter in der Chronik eines anderen Nutzers hinterlässt. Hier ist die mangelnde Beherrschbarkeit sogar offensichtlich noch größer, denn im Normalfall sind die „Freunde“ des Chronik-Besitzers nicht zugleich auch solche desjenigen, der dort z.B. einen Kommentar hinterlässt, sondern zu einem großen Teil Unbekannte. Auch hat der Eintragende keinerlei Kontrolle darüber, wem der Chronik-Besitzer die dortigen Inhalte zugänglich macht, da der Empfängerkreis vom Berechtigten jederzeit nachträglich noch geändert (also auch erweitert) werden kann und sämtliche Äußerungen u.U. auch nachträglich noch öffentlich werden können.
Soweit es Einträge in die Facebook-Chronik betrifft, dürfte eine vertrauliche Kommunikation daher allenfalls dann anzunehmen sein, wenn die konkrete Äußerung tatsächlich nur einem persönlich nahestehenden kleinen Personenkreis zugänglich ist, dem gegenüber der Äußernde üblicherweise von einer vertraulichen Behandlung seiner Äußerungen ausgehen kann (Familie, enge Freunde bzw. Vertrauenspersonen, befreundete Kollegen o.ä.).
Wenn dies jedoch der Fall ist, spricht nichts dagegen, diese Kommunikation dem gleichen rechtlichen Schutz zu unterstellen, wie sie z.B. einer in der Kantine gegenüber Kollegen geäußerten Beleidigung des Vorgesetzten zukommt.
„Gefällt mir“-Funktion
Einen besonderen Fall der Meinungsäußerung stellt die Nutzung des bereits wiederholt genannten sog. „Gefällt mir-Buttons“ („Like-Button“) dar:
Facebook macht seinen Nutzern das Kommentieren von Beiträgen (das können fremde sein, bei eigenen geht das aber genauso) dadurch noch etwas leichter, das es zu jedem Beitrag u.a. einen Link mit dem Text „Gefällt mir“ anzeigt. Wird dieser durch einen Leser angeklickt, erscheinen dessen Profilname sowie Profilfoto – für alle übrigen Leser des Beitrags sichtbar – hinter einem Symbol mit erhobenem Daumen, zusammen mit allen anderen, die den Link ebenfalls angeklickt haben. Ebenfalls angezeigt wird die Gesamtanzahl der Leser, denen der Beitrag „gefällt“. Gleichzeitig erfolgt eine automatische Benachrichtigung aller Freunde des Beitragsverfassers sowie der des Klickenden darüber, dass dieser die Option „Gefällt mir“ zu dem konkreten Beitrag angeklickt hat. Für Beiträge, die ursprünglich außerhalb von Facebook verfasst wurden, besteht die Möglichkeit, auf diese durch Verwendung eines „zum Einbau“ durch Facebook bereit gestellten Buttons mit der entsprechenden Aufschrift in gleicher Weise aufmerksam zu machen.
Nun ist unter Juristen noch einigermaßen umstritten, ob dieser Betätigung tatsächlich der Erklärungsgehalt einer echten Zustimmung, eines „Zu-Eigen-Machens“ des Inhalts im rechtlichen Sinne beizumessen ist[32]. Auch wird die Auffassung vertreten, dem geklickten „Gefällt mir“ solle man schon grundsätzlich keine zu hohe Bedeutung beimessen, weil es sich hierbei oftmals um eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung handele.[33]
Unstreitig dürfte zunächst sein, dass sämtliche Aussagen über die rasche, nicht beherrschbare Verbreitung wie sie für die in der Chronik erscheinenden Beiträge genannt wurden, hier ebenfalls zutreffen. Über eine etwaige Vertraulichkeit braucht man daher nicht zu streiten: Die ist sicher nicht gegeben. Und wenn es um die etwaigen Folgen für den Betroffenen geht, kann es im Rahmen einer Interessenabwägung über die grundsätzliche Zulässigkeit einer Äußerung zunächst keinen entscheidenden Unterschied machen, ob er nun das Opfer einer planvollen oder nur einer spontanen Beleidigung wurde[34].
Dann reduziert sich die entscheidende Frage auf den Erklärungswert einer via „Gefällt mir“-Klick erklärten Zustimmung. Hier sollte man die Antwort ebenfalls weniger allgemein vom gewählten Erklärungsinstrument abhängig machen, als vielmehr einzelfallbezogen im jeweiligen Kontext der gesamten Erklärung geben:
Längst nicht immer eignet sich der Inhalt eines Beitrags dazu, einen eindeutigen Rückschluß auf etwaige Motive desjenigen zu ziehen, der ihn „liked“ oder anderweitig teilt: Ein „Gefällt mir“ zu der Mitteilung etwa, man sei heute wegen mangelhafter Arbeitsleistung abgemahnt worden und habe daraufhin empört für den Rest des Tages das Büro verlassen, lässt objektiv völlig offen, ob der Kommentierende das Selbstbewußtsein des Abgemahnten gut findet oder aber eher die Tatsache, dass der Faulpelz endlich mal aufgefallen ist.
Und weil das Pendant zu „Gefällt mir“ – nämlich „Gefällt mir nicht“ – fehlt, kommt auch dem Anklicken nur dort eine eindeutige Botschaft zu, wo das aufgrund des Ausgangsbeitrags unzweifelhaft erscheint: Das „Gefällt mir“ zu der Mitteilung, dass ein geschätzter Kollege in der Firma unerwartet verstorben ist, wird in aller Regel richtigerweise als Anteilnahme zu verstehen sein – und nicht etwa als Ausdruck der Zufriedenheit mit dessen Ableben.
Nicht immer dürften die Dinge so eindeutig liegen. Dort jedoch, wo sich für jeden objektiven Betrachter ein erkennbares Motiv für das Betätigen des “Gefällt mir”-Buttons aufdrängt, muss dies auch dem klickenden Nutzer klar sein[35].
Wenn also – wie in dem vom Arbeitsgericht Dessau-Roßlau entschiedenen Fall[36] der Bankangestellten - jemand „Gefällt mir“ zu einem Beitrag anklickt, der die grafische Darstellung eines Fischs enthält, bei der das Mittelstück des Fisches durch ein Symbol des eigenen Unternehmens dargestellt ist sowie den dazu gehörigen Kommentar „Unser Fisch stinkt vom Kopf“, bringt damit recht unzweideutig zum Ausdruck, dass er diese Polemik gut findet. Und dadurch, dass er ihn mit dieser Aktion weiterverbreitet, sorgt er auch willentlich dafür, dass das möglichst auch noch viele andere ebenfalls zur Kenntnis nehmen.
Darin kann sicherlich ein „Zu-eigen-machen“ – und in der Konsequenz eine Verletzung der Loyalitätspflicht gesehen werden[37].
Facebook-Gruppe
Gruppen bei Facebook haben ebenfalls eine Chronik, in die die Mitglieder Veröffentlichungen aller Art einstellen können. Soweit es sich um eine „öffentliche“ – nämlich keiner Zugangsbeschränkung unterliegende Gruppe handelt, der sich jeder ohne Prüfung durch den Gruppeninhaber dazu gesellen kann, ist aus den bereits ausführlich dargestellten Gründen klar, dass vertrauliche Äußerungen hier fehl am Platz sind.
Anders kann das zu beurteilen sein, wenn es sich um eine „geschlossene“ (=zugangsbeschränkte aber sichtbare) oder gar „geheime“ (=zugangsbeschränkte und nicht für alle sichtbare) Gruppe handelt, deren Mitgliederzahl gering und innerhalb derer der Persönlichkeitsbezug (Freunde, Familienmitglieder, gute Kollegen u.ä.) hinreichend stark ist. Da hier nur die „handverlesenen“ Mitglieder am Informationsaustausch teilnehmen können, bei denen man auch im „analogen Leben“ von einer gewissen Verschwiegenheit ausgehen dürfte, wird man die Kommunikation hier als vertraulich einstufen können.
Facebook- Chat
Facebook bietet – wie fast alle anderen sozialen Netzwerke auch – neben der öffentlichen Kommunikation die Möglichkeit, über die Funktion „Nachrichten“ oder den „Chat“ einzelne Mitteilungen und Inhalte direkt an ausgewählte Teilnehmer zu schicken.
Der Sache nach ist das eine persönliche 1:1-Kommunikation wie z.B. bei einem Brief oder auch bei einer herkömmlichen E-Mail-Nachricht. Solange nicht plötzlich ein „Rundmail-Verteiler“ verwendet wird, sondern Nachrichten an Personen gesendet werden, von deren Verschwiegenheit der Absender auch in einem persönlichen Gespräch ausgehen dürfte, unterfallen solche Botschaften ohne Weiteres dem Vertraulichkeitsschutz und sind ungeachtet ihres etwaig negativen Inhalts und trotz der Tatsache, dass sie über ein soziales Netzwerk verschickt werden grundsätzlich zulässig.
Verantwortung für Andere
Grundsätzlich verantwortet jeder nur das, was er selbst veröffentlicht. Gerade aber die Tatsache, dass z.B. in der eigenen Chronik i.d.R. auch Besucher Einträge hinterlassen können, wirft natürlich die Frage auf, welche Verantwortung der Nutzer z.B. für beleidigende Inhalte Dritter trägt.
Im geschilderten Fall der Bankangestellten etwa, hat das Arbeitsgericht die Mitarbeiterin auf Grund der arbeitsvertraglichen Loyalitätspflicht grundsätzlich für verpflichtet gehalten, auf ihren Ehemann mit der Maßgabe einzuwirken, Äußerungen zu unterlassen, die das Ansehen ihres Unternehmens schädigen.
Nun mag man über das Bestehen und die Reichweite einer derartigen Verpflichtung, (pro)aktiv auf Dritte einzuwirken, beleidigende Äußerungen über den eigenen Arbeitgeber oder seine Kollegen zu unterlassen, sicherlich streiten.
Es dürfte aber jedenfalls eine Pflicht dazu bestehen, eine beleidigende Aussage, die ein Dritter in der Chronik hinterlassen hat, nach Kenntnis (also spätestens, wenn der Chronik-Inhaber von jemandem darauf aufmerksam gemacht wurde) zu entfernen. Je schwerer die Beleidigung wiegt und je größer der Kreis der potenziellen Adressaten ist, desto eher wird von einer solchen Löschungspflicht auszugehen sein.
Klarzustellen ist aber auch, dass eine etwa unterlassene Einwirkung auf einen Dritten oder auch das Nichtentfernen einer Beleidigung im Normalfall keine so schwere Pflichtverletzung ist wie ein entsprechender eigener Beitrag. Auch wird man hierin – anders als etwa beim Anklicken des „Gefällt mir“-Links – auch nicht ohne Weiteres eine Zustimmung zu einer (z.B.) beleidigenden Aussage sehen können.
Verhalten in der Freizeit
Sehr viel stärker als bei sonstigem privaten Tun stellt sich bei der Nutzung sozialer Netzwerke schließlich noch die Frage nach dem außerbetrieblichen Verhalten der Mitarbeiter.
Selbstverständlich reicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht so weit, dass er seinen Mitarbeitern vorschreiben könnte, wie sie sich zu Hause in sozialen Netzwerken zu verhalten haben.
Allerdings gilt natürlich auch außerhalb des Dienstes die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers und damit u.a. die Verpflichtung, dem Ansehen des Arbeitgebers nicht zu schaden.
Wer sich z.B. unter rechtswidriger Verbreitung verfassungsfeindlicher Äußerungen, fremder urheberrechtlich geschützer Werke, anstößigen Fotomaterials oder in anderer objektiv zweifelhafter Weise in sozialen Netzwerken tummelt und dabei im Profil für jedermann erkennbar seinen Arbeitgeber benennt, stellt einen Bezug her, der offensichtlich den vernünftigen Interessen jedes Arbeitsgebers zuwiderläuft – und begeht damit u.U. eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.
Ähnlich problematisch und vergleichsweise häufig kommt es auch vor, dass ein Mitarbeiter zwar keine Rechtsverstöße im eigentlichen Sinne begeht, sich jedoch in einer Form in einem sozialen Netzwerk bewegt bzw. äußert, dass der unzutreffende Eindruck entsteht, er repräsentiere das Unternehmen.
Vor allem bei der Teilnahme an Diskussionen in Foren kann hier schnell ein erheblicher Rufschaden für das Unternehmen entstehen, wenn objektiv nicht erkennbar ist, dass der Mitarbeiter ausschließlich seine private Meinung verbreitet und diese nicht zwingend mit der des Unternehmens identisch ist[38].
Fußnoten:
[1] Teil 1 (Einführung): Computer und Arbeit, Oktober 2012, Teil 2 (Urheberrecht): Computer und Arbeit, März 2013.
[2] Quelle: http://www.bitkom.org/de/markt_statistik/63995.as... (Abrufstand: 10.06.2013).
[3] Einen (ziemlich) aktuellen Überblick zu den Zahlen und Hintergründen gibt eine unter der Adresse http://www.bitkom.org/files/documents/SozialeNetz... abrufbare repräsentative Untersuchung (Stand: Ende 2011) zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM).
[4] Quelle: http://allfacebook.de/userdata/.
[5] ArbG Düsseldorf, 28.08.2011 – Az.: 7 Ca 2591/11.
[6] VGH München, 29.02.2012 – Az.: 12 C 12.264.
[7] ArbG Duisburg, 26.09.2012 – Az.: 5 Ca 949/12.
[8] ArbG Hagen , 16. Mai 2012 – Az.: 3 Ca 2597/11.
[9] ArbG Bochum, 09.02.2012 – Az.: 3 Ca 1203/11 und LAG Hamm, 15.08.2012 – Az.: 5 Sa 451/12.
[10] ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.
[11] http://www.rp-online.de/region-duesseldorf/duesse... Die Suspendierung wurde wenige Tage später aufgehoben, die Disziplinarverfahren liefen allerdings anscheinend weiter (http://www.derwesten.de/staedte/duesseldorf/ob-elbers-hebt-suspendierung-der-feuerwehrleute-auf-id7586045.html).
[12] VerwG Berlin, 29.10.2012 – Az.: 80 K 23.12 OL.
[13] Auf diesen Aspekt wird im Rahmen einer weiteren Folge dieser Beitragsreihe näher eingegangen, der sich mit den datenschutzrechtlichen Fragen und Problemen der Social-Media-Nutzung befasst.
[14] Zuletzt hierzu etwa: BAG, 27.09.2012 – Az.: 2 AZR 646/11.
[15] Umgekehrt ist aber auch nicht gleich jede objektiv unwahre Tatsachenbehauptung rechtswidrig oder gar eine Straftat. Es hat nur niemand das verfassungsmäßig geschützte Recht, falsche Tatsachen zu verbreiten.
[16] Schwierig wird es u.U. dann, wenn ein Begriff, der einen objektiven Tatsachenkern enthält (z.B. „Gauner“), lediglich dazu benutzt werden soll, eine geringschätzende Meinung auszudrücken. Beispielhaft zur Abgrenzung zwischen Beleidigung (=Meinungsäußerung) und Behauptung einer unwahren Tatsache bei vorgeworfener Verwendung der Bezeichnung „Verbrecher“ siehe etwa: LAG Köln, 18.04.1997 – Az.: 11 Sa 995/96.
[17] Diese Pflicht besteht folglich ohne dass es hierzu erst noch einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung oder arbeitgeberseitigen Anordnung bedürfte. Grobe Unterscheidung beider Begriffe: Unter das Geschäftsgeheimnis fallen i.d.R. finanzielle und andere wirtschaftlich relevante Sachverhalte, während sich das Betriebsgeheimnis inhaltlich auf technische Informationen bezieht.
[18] BAG, 10.12.2009 – Az.: 2 AZR 534/08.
[19] Der in diesem Zusammenhang geprägte Begriff des sog. „shitstorms“ beschreibt diesen Teilaspekt sehr plastisch.
[20] VGH München, 29.02.2012 – Az.: 12 C 12.264, Rz. 35.
[21] Vgl. etwa: ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11; ArbG Duisburg, 26.09.2012 – Az.: 5 Ca 949/12.; LAG Hamm, 15.08.2012 – Az.: 5 Sa 451/12.
[22] Damit wird man auch systematisch sicherlich dem rechtlichen Erfordernis am ehesten gerecht, eine Einzelfallabwägung vorzunehmen.
[23] Insbesondere zugänglich auch für Suchmaschinen-Abfragen aller Art.
[24] LAG Hamm, 10.10.2012 – Az.: 3 Sa 644/12.
[25] Rechtschreibung des Originals wurde beibehalten.
[26] Im konkreten Fall waren es genau 112.
[27] Tatsächlich gibt es Zeitgenossen, die sich anscheinend maßgeblich über die – möglichst hohe – Zahl ihrer virtuellen „Freunde“ definieren.
[28] Anders allenfalls dann, wenn tatsächlich nur einzelne ausgewählte Personen oder eine nahestehende Gruppe – z.B. Familie – Einblick hat.
[29] Bis 2012 hieß die entsprechende Funktion „Pinnwand“.
[30] ArbG Hagen, 16. Mai 2012 – Az.: 3 Ca 2597/11.
[31] Im konkreten Fall waren es 70 „Freunde“, von denen 36 Arbeitskolleg(inn)en waren.
[32] Eindeutig bejahend: Bauer/Günther, NZA 2013, 67 (70) m.w.N. – anders etwa: LG Hamburg, 10.01.2013 – Az.: 327 O 438/11 („rein unverbindliche Gefallensäußerung“). Beim Business-Netzwerk XING hat man dieses Problem durch eine andere Terminologie etwas entschärft: Dort gibt es zum Kommentieren von sog. Statusmitteilungen u.a. die Optionen „Empfehlung“ und „Interessant“.
[33] In diesem Sinne: ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.
[34] Dieser Unterschied kann dagegen eine u.U. entscheidende Rolle spielen, wenn es um die arbeitsrechtliche Ahndung eines Verstoßes geht: Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen eines spontanen „Gefällt mir“ zum Beitrag eines anderen dürfte sehr viel schwerer zu rechtfertigen sein, als im Falle eines eigenen Textbeitrags, mit dem z.B. die eigene Firma beschimpft wird.
[35] In diesem Fall käme es sogar eigentlich schon darauf an, einen etwaigen falschen Eindruck gar nicht erst entstehen zu lassen.
[36] ArbG Dessau-Roßlau, 21.03.2012 – Az.: 1 Ca 148/11.
[37] Ob diese Pflichtverletzung als solche dann bereits für eine wirksame Kündigung ausreicht, steht auf einem anderen Blatt. Im konkreten Fall tat sie das nicht.
[38] Das gilt übrigens auch umgekehrt: Wenn sich herausstellt, dass eine scheinbar private positive Meinungsäußerung zu einem Unternehmen tatsächlich von einem Mitarbeiter stammt, ist das für das Image auch nicht förderlich. Das ist dann allerdings i.d.R. kein arbeitsrechtliches Problem…
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(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
- 1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, - 2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlußprüfung, - 3.
Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, - 3a.
Organ oder Mitglied eines Organs einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten, einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechtsanwälten oder europäischen niedergelassenen Rechtsanwälten oder einer Berufsausübungsgesellschaft von Patentanwälten oder niedergelassenen europäischen Patentanwälten im Zusammenhang mit der Beratung und Vertretung der Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Berufsausübungsgesellschaft im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Buchprüfung oder Hilfeleistung in Steuersachen oder ihrer rechtsanwaltlichen oder patentanwaltlichen Tätigkeit, - 4.
Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist, - 5.
Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, - 6.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder - 7.
Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
- 1.
Amtsträger oder Europäischer Amtsträger, - 2.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, - 3.
Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt, - 4.
Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates, - 5.
öffentlich bestelltem Sachverständigen, der auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist, oder - 6.
Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden ist,
(2a) (weggefallen)
(3) Kein Offenbaren im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Die in den Absätzen 1 und 2 Genannten dürfen fremde Geheimnisse gegenüber sonstigen Personen offenbaren, die an ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken, soweit dies für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Personen erforderlich ist; das Gleiche gilt für sonstige mitwirkende Personen, wenn diese sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in den Absätzen 1 und 2 Genannten mitwirken.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm bei der Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Tätigkeit als mitwirkende Person oder als bei den in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen tätiger Datenschutzbeauftragter bekannt geworden ist. Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als in den Absätzen 1 und 2 genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, - 2.
als im Absatz 3 genannte mitwirkende Person sich einer weiteren mitwirkenden Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, bedient und nicht dafür Sorge getragen hat, dass diese zur Geheimhaltung verpflichtet wurde; dies gilt nicht für sonstige mitwirkende Personen, die selbst eine in den Absätzen 1 oder 2 genannte Person sind, oder - 3.
nach dem Tod der nach Satz 1 oder nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichteten Person ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das er von dem Verstorbenen erfahren oder aus dessen Nachlass erlangt hat.
(5) Die Absätze 1 bis 4 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.
(6) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
- 1.
politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder - 2.
Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet,
(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform.
(1) Wer unbefugt ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als
- 1.
Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats oder einer der in § 79 Abs. 2 bezeichneten Stellen, - 2.
Vertreter einer Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung, - 3.
Sachverständiger, der vom Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 hinzugezogen oder von der Einigungsstelle nach § 109 Satz 3 angehört worden ist, - 3a.
Berater, der vom Betriebsrat nach § 111 Satz 2 hinzugezogen worden ist, - 3b.
Auskunftsperson, die dem Betriebsrat nach § 80 Absatz 2 Satz 4 zur Verfügung gestellt worden ist, oder - 4.
Arbeitnehmer, der vom Betriebsrat nach § 107 Abs. 3 Satz 3 oder vom Wirtschaftsausschuss nach § 108 Abs. 2 Satz 2 hinzugezogen worden ist,
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis eines Arbeitnehmers, namentlich ein zu dessen persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats oder einer der in § 79 Abs. 2 bezeichneten Stellen bekannt geworden ist und über das nach den Vorschriften dieses Gesetzes Stillschweigen zu bewahren ist.
(3) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, zu dessen Geheimhaltung er nach den Absätzen 1 oder 2 verpflichtet ist, verwertet.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem Tode des Betroffenen unbefugt offenbart oder verwertet.
(5) Die Tat wird nur auf Antrag des Verletzten verfolgt. Stirbt der Verletzte, so geht das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 des Strafgesetzbuches auf die Angehörigen über, wenn das Geheimnis zum persönlichen Lebensbereich des Verletzten gehört; in anderen Fällen geht es auf die Erben über. Offenbart der Täter das Geheimnis nach dem Tode des Betroffenen, so gilt Satz 2 sinngemäß.
(1) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Die Verpflichtung gilt nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats. Sie gilt ferner nicht gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, dem Konzernbetriebsrat, der Bordvertretung, dem Seebetriebsrat und den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat sowie im Verfahren vor der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86).
(2) Absatz 1 gilt sinngemäß für die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der gemäß § 3 Abs. 1 gebildeten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, der tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie für die Vertreter von Gewerkschaften oder von Arbeitgebervereinigungen.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 2011 - 11 Sa 58/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
- 2
-
Die 1956 geborene Klägerin war seit Mai 1982 bei der Beklagten - einer Bank für Privatkunden - als Kundenbetreuerin tätig. Seit Dezember 2006 war sie in einer Filiale in R eingesetzt. Die Zweigstelle gehört zum Vertriebsbereich D, für den ein Betriebsrat gewählt ist. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 15 Wochenstunden.
- 3
-
Im Jahr 2009 mahnte die Beklagte die Klägerin dreimal ab. Zwei Abmahnungen wurden zwischenzeitlich - in einem Fall nach gerichtlicher Entscheidung, im anderen Fall aufgrund eines Vergleichs - aus deren Personalakte entfernt. Die dritte Abmahnung wurde von der Klägerin nicht gerichtlich angegriffen.
- 4
-
Am 17. März 2010 war die Klägerin an der Kasse eingesetzt, als zwei Kunden - wohl ein Ehepaar - die R Filiale betraten. Diese wollten ein aktuelles Festgeldangebot nutzen und wandten sich für eine Beratung an die Kundenbetreuerin K. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu Unstimmigkeiten. Die Kundenbetreuerin hatte wegen einer ungewöhnlichen Farbschattierung Zweifel an der Echtheit eines der beiden Personalausweise, die ihr zu Identifikationszwecken vorgelegt wurden. Gegen 13:00 bis 13:10 Uhr setzte der Filialleiter die Betreuung der Kunden fort und bat diese in sein Büro. Die Mitarbeiterin K trat ihre Mittagspause an und begab sich zunächst in einen angrenzenden Sozialraum. Dort traf sie die Klägerin und eine andere Kollegin an. Nachdem Frau K ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte, übergab ihr der Filialleiter Unterlagen aus dem Kundengespräch zur weiteren Bearbeitung. Beigefügt waren Fotokopien von zwei Ausweisdokumenten, die den Vermerk trugen, das Original habe vorgelegen.
-
Mit Schreiben vom 22. März 2010 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Meldung eines Verstoßes gegen Sicherheitsrichtlinien“ an die „Zentrale Revision“ der Beklagten. Sie teilte - auszugsweise - Folgendes mit:
-
„...
ich zeige Ihnen hiermit einen schweren und vorsätzlichen Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinien der T und ggfls. gegen gesetzliche Richtlinien an.
Datum:
Mittwoch, 17.03.2010
Ort:
Filiale R
Verursacher:
Filialleiter …
Tathergang:
... An dem besagten Tage war ich an der Kasse eingesetzt. …
… Dabei stellte sich heraus, dass der Kunde statt eines Bundespersonalausweises nur eine Kopie davon mit bei sich hatte. Als die Kollegin dies bemängelte, übernahm der Zweigstellenleiter diesen Fall und bat den Kunden in einen separaten Raum. … Dabei kam es zu dem eklatanten Verstoß gegen die Sicherheitsregel: Der Kunde konnte keinen gültigen Personalausweis vorlegen: Er hatte wohl eine Fotokopie bei der Hand.
Der Zweigstellenleiter kopierte die Kopie und soll eigenhändig den Vermerk aufgeschrieben haben, das Original habe vorgelegen.
Letzteres durch Aussage der mit dem Fall befassten Kollegin.
Es obliegt Ihnen, die Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten.
Zeugnis zur möglicherweise notwendigen Befragung: Kollegin … K“
- 6
-
Am 7. April 2010 wurde die Klägerin vom Personalreferenten der Beklagten zu dem Vorfall befragt. Sie sollte sich ua. dazu äußern, ob und inwieweit sie von der Kasse aus habe erkennen können, dass es sich um einen „falschen“ Ausweis gehandelt habe. Sie gab an, diese Beobachtung habe ihre Kollegin gemacht. Die gleichfalls befragte Mitarbeiterin K führte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 16. April 2010 aus, der männliche Kunde habe auf ihre Bitte, sich zu legitimieren, verärgert und „offensichtlich ertappt“ reagiert. Auf ihren Versuch, die Ausweise zu kontrollieren, sei sie von beiden Kunden „in lautem, unverschämten Ton“ „angepöbelt“ worden. Dem Filialleiter, der daraufhin das Beratungsgespräch fortgeführt habe, seien die Papiere ebenfalls auffällig vorgekommen.
- 7
-
Am 30. April 2010 hörte die Beklagte den Filialleiter, der in der Zeit vom 23. März 2010 bis zum 12. April 2010 urlaubsabwesend war, zu den Vorwürfen an. Dieser erklärte, er habe die Ausweise unter einer im Kassenbereich angebrachten UV-Lampe überprüft. Dabei und bei der Datenaufnahme im Kundensystem habe er keine Unregelmäßigkeiten feststellen können.
- 8
-
Am 24. Juni 2010 unterhielten sich zwei Vertreter der Beklagten - darunter der Personalreferent - mit der Klägerin über das sich stetig verschlechternde Arbeitsklima in der Filiale. Dabei kam erneut die Anzeige vom 22. März 2010 zur Sprache. Diesbezüglich wurde ein weiteres Personalgespräch für den 13. Juli 2010 verabredet. Am 25. Juni 2010 fasste die Mitarbeiterin K auf Bitten der Beklagten nochmals die Vorgänge vom 17. März 2010 zusammen. Sie gab an, nach „Übernahme“ der Kunden durch den Filialleiter - „aufgeregt und erschrocken darüber“, dass dieser ihr in einer „so kniffligen Situation“ in den Rücken gefallen sei - „in die Küche“ gelaufen zu sein. Gegenüber ihren dort bereits anwesenden Kolleginnen - darunter die Klägerin - habe sie geäußert, die Kunden seien ihr „auf Anhieb komisch“ vorgekommen. Einer der Ausweise habe „so komisch“ ausgesehen als wäre er nicht echt; sie habe diesen nicht geprüft und wisse auch nicht, ob der Filialleiter, der die Kunden jetzt bediene, „das noch mache“. Sie habe nichts mehr mit dem Fall zu tun.
- 9
-
Am 26. Juni 2010 erhielt die Klägerin eine förmliche Einladung mit Tagesordnung zu dem anstehenden Gespräch. Mit E-Mail vom 28. Juni 2010 schrieb sie dem Personalreferenten, die Frage nach ihrer Motivation für die Anzeige vom 22. März 2010 habe in ihr „tiefste Zweifel“ ausgelöst. Das sei doch ihre „heiligste Pflicht“ gewesen. Sie habe eigentlich „Anerkennung für Pflichterfüllung … erwartet“. Sie habe bereits vorgehabt nachzufragen, ob die Sache nicht verfolgt würde oder „im Sande verlaufen sei“. Dies werde sie nunmehr „in Richtung Geschäftsführung/Zentralrevision“ erfragen.
- 10
-
Die Beklagte zog daraufhin das Personalgespräch auf den 2. Juli 2010 vor. An ihm nahmen neben einer weiteren Person der Personaldirektor der Beklagten, der Direktor „Human Resources Arbeitsrecht und Mitbestimmung“ und ein Mitglied des Betriebsrats teil. Der Klägerin wurde unter Fristsetzung aufgegeben, sich abschließend schriftlich zu dem Geschehen am 17. März 2010 zu äußern. Nach Eingang der Erklärung wollte die Beklagte über mögliche „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ entscheiden. Die am 4. Juli 2010 verfasste und an die vorgenannten Direktoren der Beklagten adressierte Stellungnahme der Klägerin ging am 5. Juli 2010 auf einem allgemein zugänglichen Faxgerät der Filiale R ein. Parallel leitete die Klägerin die Erklärung allen Gesprächsteilnehmern vom 2. Juli 2010 und der Geschäftsleitung der Beklagten zu. Ihrer Kollegin K und einer weiteren Filialmitarbeiterin überreichte sie jeweils eine Abschrift. Inhaltlich verwahrte sie sich gegen den Vorwurf, in ihrer Anzeige falsche Angaben gemacht zu haben. Sie führte aus, eine bankinterne Überprüfung des verdächtigen Ausweises sei während ihrer Anwesenheit unterblieben. Weiter schrieb sie: „Obwohl Sie die Ankündigung eines Verfahrens wegen ‚übler Nachrede‘ wohl eher als Drohung verstanden wissen wollten, bin ich mit einem Strafverfahren nach § 186 StGB mehr als einverstanden. … Ich bedanke mich für den … vorgeschlagenen Weg der externen Klärungsmöglichkeit und erwarte nunmehr Ihre angekündigte Anzeige wegen übler Nachrede innerhalb eines angemessenen Zeitraums …“
- 11
-
Die Beklagte forderte die Klägerin auf, die Behauptung, ihr sei mit einer Strafanzeige gedroht worden, unter Richtigstellung des Sachverhalts zu widerrufen. Mit E-Mail vom 6. Juli 2010 erklärte diese, die Worte „üble Nachrede“ seien von Vertretern der Beklagten in den Raum gestellt worden. In Ermangelung eines gemeinsamen Gesprächsprotokolls sei sie aber bereit, einzelne Darstellungen in der Sache oder der Tendenz nach zu revidieren, falls der Beklagten diese als falsch erschienen.
- 12
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Am Folgetag stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit „sozialer Auslauffrist“ zum 31. März 2011.
- 13
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Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Sie habe nicht bewusst falsche Anschuldigungen gegen den Filialleiter erhoben. Vielmehr habe sie über einen Vorfall berichtet, den die Beklagte bis zuletzt nicht vollständig aufgeklärt habe. Etwas anderes sei auch nicht ihrer im Vorprozess abgegebenen Erklärung zu entnehmen, sie habe „schon einige Filialleiter der Beklagten kommen und gehen sehen“ und werde auch den derzeitigen „aussitzen“. Sie habe sich durch die in kurzer zeitlicher Folge erteilten Abmahnungen unberechtigt angegriffen gefühlt und überreagiert. Ebenso wenig sei die Kündigung wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Stellungnahme vom 4. Juli 2010 gerechtfertigt. Während des Gesprächs am 2. Juli 2010 habe sie den Eindruck gewonnen, die Beklagte beabsichtige, sie wegen vermeintlich übler Nachrede anzuzeigen. Sie sei weiterhin bereit, die Aussage, ihr sei ein Strafverfahren „angedroht“ worden, zu korrigieren.
-
Die Klägerin hat beantragt
-
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 31. März 2011 aufgelöst worden ist.
- 15
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Die Klägerin habe den Filialleiter im Schreiben vom 22. März 2010 sinngemäß eines Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz bezichtigt. Dabei habe sie den Eindruck vermittelt, der beschriebene „Tathergang“ sei Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, obwohl die Anschuldigungen tatsächlich auf reinen Mutmaßungen beruhten. Am 7. April 2010 habe sie erklärt, mit Sicherheit ausschließen zu können, dass der Filialleiter die Ausweise vorschriftsmäßig geprüft habe. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass auch ihre als Zeugin benannte Kollegin den Vorfall nicht durchgängig beobachtet habe. In den nachfolgenden Gesprächen habe sie unverändert an ihrem Standpunkt festgehalten. Erstmals mit ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 habe sie ihre Behauptungen auf die Zeit ihrer Anwesenheit beschränkt. Allerdings habe sie zugleich unzutreffend und wider besseres Wissen behauptet, ihr sei in dem vorausgegangenen Personalgespräch durch Vertreter der Beklagten mit einer Strafanzeige gedroht worden. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten grob verletzt. Ihre falschen Anschuldigungen habe sie gegenüber einem sich stetig vergrößernden Empfängerkreis wiederholt bzw. publik gemacht und keine Einsicht gezeigt. Damit habe sie das Ansehen des Filialleiters beschädigt und nachhaltig den Betriebsfrieden gestört. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis sei ihr - der Beklagten - unzumutbar. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.
-
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 17
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Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch mit Ablauf einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aufgelöst worden.
- 18
-
I. Die fristlose Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV) unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.
- 19
-
1. Dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien zufolge fanden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken Anwendung. Gemäß § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV (in der maßgebenden, ab 22. April 2009 geltenden Fassung) sind Arbeitnehmer, die ihr 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören - vorbehaltlich im Streitfall nicht einschlägiger Ausnahmetatbestände - nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündbar. Die Regelung, deren persönliche Voraussetzungen die Klägerin im Kündigungszeitpunkt erfüllte, nimmt auf § 626 BGB Bezug(vgl. zu § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV in der ab 1. Oktober 1997 geltenden Fassung: BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 1 der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; allgemein zur Bedeutung des Begriffs „wichtiger Grund“ in Tarifverträgen: bspw. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA KSchG § 2 Nr. 80; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 9).
- 20
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2. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, auf den Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen (BAG 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 34, BAGE 118, 104). Aus § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.
- 21
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3. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).
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4. Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - aaO; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; zur ordentlichen Kündigung: 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).
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5. Von diesen Grundsätzen geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Seine Auffassung, das Verhalten der Klägerin stelle schon keinen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund „an sich“ dar, ist revisionsrechtlich zumindest insoweit nicht zu beanstanden, wie es davon ausgeht, die Klägerin habe weder im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 22. März 2010 noch im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Personalgespräch vom 2. Juli 2010 bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Schreiben vom 22. März 2010 sei unschwer zu entnehmen, dass die Anschuldigungen nicht durchgängig auf eigener Wahrnehmung der Klägerin beruhten. Das gelte insbesondere für die durch Fettdruck hervorgehobene Behauptung, hinsichtlich derer die Klägerin auf das Zeugnis der „mit dem Fall befassten Kollegin“ verwiesen habe. Spätestens aufgrund der anschließenden Befragungen habe der Beklagten klar sein müssen, dass weder die Klägerin noch die benannte Kollegin aus eigener Wahrnehmung hätten angeben können, der Filialleiter habe die erforderliche Kontrolle nicht vorgenommen. Verbleibende Zweifel habe die Beklagte durch eine persönliche Gegenüberstellung der Klägerin und des Filialleiters ausräumen können, was unterblieben sei. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, dass die Anschuldigungen, was die behaupteten Versäumnisse des Filialleiters im Rahmen der Legitimationsprüfung anbelange, unrichtig seien. Eine mögliche und zumutbare Befragung der Kunden sei nicht erfolgt. Was die Äußerungen der Klägerin im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 betreffe, sei nicht auszuschließen, dass sie die ihr gemachten Vorhaltungen als - konkludente - Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige missverstanden habe.
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b) Die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind nach § 286 ZPO nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht von den zutreffenden Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Gemessen daran zeigt die Beklagte keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf.
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aa) Soweit die Wertung des Landesarbeitsgerichts auf einer Auslegung der Erklärungen im Schreiben vom 22. März 2010 beruht, ist diese möglich. Die Klägerin beschrieb in ihrer „Anzeige“ einen Sachverhalt, für den sie sich im maßgebenden Punkt - dem behaupteten Verstoß gegen Sicherheitsrichtlinien bei der Legitimationsprüfung von Ausweispapieren - auf die Aussage einer Arbeitskollegin berief. Außerdem überließ sie es ausdrücklich weiteren Ermittlungen der Beklagten, die „Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten“. Das lässt nicht - schon gar nicht zwingend - den Schluss zu, die Klägerin habe behaupten wollen, ihre Angaben beruhten insgesamt auf eigener Wahrnehmung. Ebenso wenig ist dem Schreiben mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, die Klägerin habe bewusst den - falschen - Eindruck erweckt oder erwecken wollen, unmittelbare Wahrnehmungen ihrer Kollegin K wiederzugeben. Gegen eine solche Interpretation als einzig mögliche Deutung spricht, dass die Klägerin für eine „möglicherweise notwendige“ Befragung auf das Zeugnis der betreffenden Mitarbeiterin verwies. Ein verständiger Empfänger der „Anzeige“ musste angesichts dieser Angaben in Rechnung stellen, dass die Klägerin lediglich Umstände beschrieb, die sie zwar nicht selbst kannte, von denen sie aber annahm, sie aufgrund greifbarer Anhaltspunkte vermuten zu dürfen.
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bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einschließlich der ihr zugrunde liegenden Auslegung lässt, anders als die Revision meint, nicht den Inhalt der nachfolgend geführten Personalgespräche außer Acht. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin bei den Unterredungen am 7. April 2010, am 24. Juni 2010 und am 2. Juli 2010 jeweils an ihrer Anschuldigung festgehalten hat, der Filialleiter habe die Ausweise nicht wie vorgeschrieben überprüft. Auch dies ist kein evidentes, vernünftige Zweifel ausschließendes Indiz dafür, dass die Klägerin behaupten wollte, sie selbst habe dies beobachtet. Trotz der allgemein gehaltenen Formulierung kann den Umständen nach nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihre Aussage in der Annahme, dies sei der Beklagten klar, stillschweigend auf Zeiten ihrer Anwesenheit im Verkaufsraum der Filiale bezogen hat. Dafür sprechen jedenfalls ihre klarstellenden Ausführungen in der Stellungnahme vom 4. Juli 2010. Überdies konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagten ihr zeitweiliger Aufenthalt im Sozialraum bzw. der Küche bekannt war. Selbst wenn die Erklärung so zu verstehen sein sollte, die Klägerin habe behaupten wollen, der Filialleiter habe die fragliche Prüfung zu keiner Zeit, auch nicht während der Zeit ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz vorgenommen, folgte daraus nicht - zumindest nicht zwingend -, dass sie bewusst über den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung oder den der Beobachtungen ihrer Kollegin zu täuschen versucht hätte. Ebenso gut kann es sein, dass sie - im Sinne einer wertenden Schlussfolgerung - auf der Grundlage der Angaben ihrer Kollegin zum äußeren Erscheinungsbild der Ausweise und dem Verhalten der Kunden zu dem Ergebnis gelangt ist, die vorgeschriebene Überprüfung der Ausweise könne nicht wirklich stattgefunden haben.
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cc) Die Beklagte zeigt keinen materiellen Rechtsfehler auf, soweit sie sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, sie habe den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen nicht hinreichend aufgeklärt, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, die Behauptungen der Klägerin seien unwahr. Damit hat das Landesarbeitsgericht weder grundlegend die Darlegungs- und Beweislast verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an den Vortrag der Beklagten gestellt. Diese ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (zur Darlegungslast bezüglich behaupteter Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe: BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13). Es war somit grundsätzlich Sache der Beklagten, die Unwahrheit der Behauptungen der Klägerin darzutun, dh. aufzuzeigen, dass eine hinreichende Legitimationsprüfung stattgefunden hat. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es an Anhaltspunkten für ein - mögliches - pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters gänzlich gefehlt hätte, kann dahinstehen. So liegt der vorliegende Fall nicht. Die Klägerin hat ihre Vorwürfe nicht vollkommen „aus der Luft gegriffen“. Vielmehr stritten gewisse, wenngleich nicht zwingende Verdachtsmomente dafür, dass es sich bei einem der beiden Ausweispapiere nicht um ein echtes Dokument handelte. Wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, die Erklärung des Filialleiters, er habe die Ausweise unter der UV-Lampe im Kassenbereich geprüft, sei für sich genommen noch kein ausreichendes Indiz für die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien, ist dies jedenfalls vertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte es unterlassen hat, ihre Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine solche Möglichkeit bestand objektiv in der Befragung der Kunden, von denen die Papiere stammten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch bei vorsichtig formulierter Nachfrage mit einer konkreten Gefährdung der Geschäftsbeziehung hätte rechnen müssen und ihr deshalb eine weitere Aufklärung unzumutbar gewesen wäre, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Da sich schon aus dem Unterlassen einer Nachfrage bei den Kunden ergibt, dass die Beklagte ihre Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, kann dahinstehen, ob überdies eine persönliche „Gegenüberstellung“ der Klägerin und des Filialleiters angezeigt war, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat.
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dd) Die Beklagte bringt vor, das Landesarbeitsgericht habe auf der Grundlage seiner Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, die Behauptung der Klägerin, ihr sei im Personalgespräch am 2. Juli 2010 mit einer Strafanzeige gedroht worden, beruhe auf einem Missverständnis. Insbesondere böten die Erklärungen der Klägerin in der E-Mail vom 6. Juli 2010 dafür keinen genügenden Anhaltspunkt. Damit zeigt die Beklagte keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Sie will nur ihre eigene Bewertung der fraglichen individuellen Äußerungen an die Stelle einer zumindest vertretbaren Würdigung des Landesarbeitsgerichts setzen.
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ee) Mit ihren Verfahrensrügen dringt die Revision nicht durch.
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(1) Soweit die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es von der Zumutbarkeit einer Befragung des Kundenehepaars ausgehe, ist ihr Angriff unzulässig. Wird gerügt, das Berufungsgericht sei seiner richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO)nicht nachgekommen, muss der Rechtsmittelführer ua. im Einzelnen angeben, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss nachgeholt werden. Mit der Verfahrensrüge muss er für die erforderliche Schlüssigkeit bzw. Substantiierung seines Vortrags sorgen (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 39, AP BetrAVG § 7 Nr. 111 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 27). Darüber hinaus muss er die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung der Hinweispflicht dartun (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen - erheblichen - Vortrag sie im Hinblick auf den vermissten Hinweis hin geleistet und zu welchem entscheidungserheblichen Gesichtspunkt sie die Kunden als Zeugen benannt hätte.
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(2) Die Beklagte beanstandet weiter, das Landesarbeitsgericht habe es ohne Begründung unterlassen, ihren unter I 2.1 bis 2.4 der Revisionsbegründung näher bezeichneten Beweisangeboten nachzugehen. Dadurch habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßen. Das trifft nicht zu.
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(a) Die Rüge ist unzulässig, soweit die Beklagte meint, die Vernehmung einer weiteren namentlich genannten Filialmitarbeiterin hätte „zur Widerlegung der falschen Behauptungen der Klägerin beitragen können“. Es fehlt an der Darlegung, im Hinblick auf welche Tatsachen sie sich in welchem Schriftsatz auf das Zeugnis der betreffenden Arbeitnehmerin berufen hatte (zu den Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines Beweisantritts: vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 20, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Entsprechendes gilt für die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe es versäumt, die Teilnehmer des Gesprächs vom 2. Juli 2010 (nicht: 2011) zum Inhalt der Äußerungen ihrer Vertreter zu hören. Die Beklagte zeigt nicht auf, wo genau ihr vermeintlich übergangener Beweisantritt in den vorinstanzlichen Schriftsätzen zu finden sein soll und auf welchen dort gehaltenen Vortrag er sich bezieht.
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(b) Die weiteren Angriffe der Revision sind - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, dass die Klägerin noch im Gespräch vom 2. Juli 2010 an ihren Anschuldigungen gegenüber dem Filialleiter festgehalten hat. Den Inhalt der Stellungnahmen der Mitarbeiterin K hat es für unstreitig erachtet. Es brauchte deshalb den vermeintlich übergangenen Beweisantritten nicht nachzugehen.
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(3) Dem Berufungsurteil sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wäre, die Klägerin habe objektiv die Möglichkeit gehabt zu beobachten, ob der Filialleiter eine Überprüfung der Echtheit der Personalausweise mittels UV-Lampe vorgenommen habe. Ebenso wenig enthält es tatbestandliche Feststellungen, die den Ausführungen der Beklagten zu einem Aufenthalt der Klägerin und ihrer Kolleginnen im Sozialraum während der Mittagspause widersprechen. Soweit die Beklagte beanstandet, entgegen den Feststellungen im Berufungsurteil habe ihr Filialleiter seinen Urlaub nicht am 23. März 2010, sondern bereits am 22. März 2010 angetreten, fehlt es an der Darlegung, wo genau der betreffende Vortrag zu finden sein soll. Darüber hinaus fehlt es - auch unter Berücksichtigung der offenbar postalisch erfolgten Übermittlung der „Anzeige“ der Klägerin vom 22. März 2010 - an der Darlegung, inwieweit der Zeitpunkt des Urlaubsantritts entscheidungserheblich war. Aus diesen Gründen greift auch die Erwägung der Beklagten nicht, bei Urteilszustellung binnen der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO wäre ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung möglich gewesen.
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6. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Klägerin, auch wenn sie nicht bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben mag, ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB)dadurch verletzt hat, dass sie ihre Anschuldigungen nicht vorsichtiger vorgebracht, sondern ohne weitere Prüfung die rechtliche Schlussfolgerung eines „schweren und vorsätzlichen Verstoßes“ gegen Sicherheitsrichtlinien und ggf. „gesetzliche Richtlinien“ gezogen hat. Ebenso wenig hat es sich auf der ersten Prüfungsstufe des wichtigen Grundes mit der Frage befasst, ob die Klägerin ihre „Anzeige“ in der vorrangigen Absicht erstattet hat, ihrem Vorgesetzten zu schaden oder sich an diesem für die aus ihrer Sicht unberechtigten Abmahnungen zu rächen. Für eine solche Motivation könnte der Umstand sprechen, dass sie nicht das Gespräch mit dem Filialleiter gesucht hat. Überdies lassen ihre Ausführungen in der E-Mail vom 28. Juni 2010 eine erhebliche Belastungstendenz erkennen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, in einem solchen Verhalten „an sich“ einen wichtigen Grund zur Kündigung zu erkennen.
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a) Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 107, 36). Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen(EGMR 21. Juli 2011 - 28274/08 - [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus.
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b) Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher „Anzeigen“ zu übertragen. Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss ein Arbeitnehmer bei der Mitteilung vermeintlicher Missstände im Betrieb angemessen auf Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitskollegen und Vorgesetzten Rücksicht nehmen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens.
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c) Die damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen bedürfen im Streitfall keiner vertieften Erörterung. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung erweise sich zumindest im Rahmen einer ggf. vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung und Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., zuletzt bspw. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 43, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).
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bb) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind - neben der hier ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung - auch Abmahnung und Versetzung anzusehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309). Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung künftiger Störungen - zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37).
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cc) Dem Berufungsgericht kommt bei der Einzelfallprüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO). Daran gemessen liegt kein Abwägungsfehler des Landesarbeitsgerichts vor. Es hat die Kündigung - hinsichtlich beider Kündigungssachverhalte - als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin vorrangig abzumahnen. Damit hat das Landesarbeitsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht verletzt. Die in Rede stehenden Pflichtverletzungen der Klägerin wiegen nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Ebenso wenig liegen Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, auch ohne Abmahnung sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.
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(1) Den Nachweis falscher Tatsachenbehauptungen hat die Beklagte nicht geführt. Die Anschuldigungen der Klägerin betreffend ein pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters mögen auf „dürftigen“ Verdachtsmomenten beruht haben. Gleichwohl hat die Klägerin sie nicht „ins Blaue hinein“ erhoben. Ihre Pflicht zur Diskretion hat sie zumindest insofern gewahrt, als sie sich an die „Zentrale Revision“ der Beklagten gewandt hat. Selbst wenn die Klägerin - weil sie eine Pflichtverletzung allenfalls vermuten konnte - lediglich einen Verdacht hätte äußern dürfen, musste sie doch ihre Bedenken gegen ein ordnungsgemäßes Verhalten des Filialleiters nicht vollkommen zurückstellen. Einer damit möglicherweise verbundenen Pflichtverletzung der Klägerin hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive der Klägerin zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass sie sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen und ggf. genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Dies vermag der Senat, sollte das Landesarbeitsgericht diesen Aspekt bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht genügend berücksichtigt haben, selbst zu entscheiden.
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(2) Eine Abmahnung war auch nicht mit Blick auf die Behauptung der Klägerin entbehrlich, ihr sei im Personalgespräch vom 2. Juli 2010 eine Strafanzeige wegen übler Nachrede angedroht worden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin das ihr von den Vorinstanzen zugutegehaltene Missverständnis bei genauerer Prüfung hätte vermeiden können. Ihr Irrtum wäre auch dann nicht bedeutungslos (vgl. dazu BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160). Überdies hat die Klägerin mit ihrer E-Mail vom 6. Juli 2010 eine gewisse Einsicht gezeigt. Dass das Arbeitsverhältnis vor diesem Hintergrund durch das in Rede stehende Fehlverhalten so stark belastet wäre, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens in ein künftig redliches Vorgehen der Klägerin selbst nach einer Abmahnung ausgeschlossen erschiene, ist nicht erkennbar.
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(3) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Stellungnahme vom 4. Juli 2010 Personen zugänglich gemacht hat, die an dem vorhergehenden Personalgespräch nicht beteiligt waren. Unabhängig davon, ob darin eine Pflichtverletzung liegt, steht auch dies einem Abmahnungserfordernis nicht entgegen. Die Beklagte beruft sich auf eine tiefgreifende Störung des Betriebsfriedens. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge hat sie es aber versäumt aufzuzeigen, dass eine entsprechende Störung tatsächlich eingetreten wäre. Dessen hätte es bedurft, da die Darlegung der bloßen Möglichkeit einer Störung eine verhaltensbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe Vorbringen übergangen, zeigt sie nicht auf, wo genau sie welchen entscheidungserheblichen Vortrag zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geleistet haben will. Soweit sie einen richterlichen Hinweis vermisst, fehlt es an der Darlegung, was sie hierauf Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Schon aus diesen Gründen bleiben ihre Verfahrensrügen erfolglos.
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(4) Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor. Die in der Personalakte verbliebene Abmahnung aus dem Jahr 2009 hatte - soweit ersichtlich - ein verspätetes Erscheinen der Klägerin zu einem Personalgespräch zum Gegenstand.
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(5) Erweist sich die Kündigung wegen Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig, kann offenbleiben, ob die Beklagte vorrangig auch eine Versetzung der Klägerin hätte in Betracht ziehen müssen, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Einer Auseinandersetzung mit den hiergegen gerichteten Revisionsrügen bedarf es nicht.
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II. Die hilfsweise zum 31. März 2011 erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gleichfalls unwirksam. Auch insoweit fehlt es an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV. Das Landesarbeitsgericht geht fehlerfrei davon aus, dass es dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte, die Klägerin vor Ausspruch einer Kündigung abzumahnen. Ohne eine solche Warnung war es der Beklagten nicht - weder bis zum Ablauf einer (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist noch auf Dauer - unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen. Schon aus diesem Grund kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Bestand haben (zur Problematik: vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18, 20, NZA 2013, 224).
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III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Berger
Rinck
Rachor
Gans
Pitsch