Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 01. Dez. 2016 - 9 S 911/14

bei uns veröffentlicht am01.12.2016

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. März 2014 - 1 K 848/13 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität ... auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität .... Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität ... tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
1. Strafverfahren
Bereits im Januar und März 2007 war der Kläger in an das Amtsgericht ... gerichteten anonymen Schreiben einer mutmaßlichen Mitarbeiterin des Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Der Beklagte wurde am 22.03.2007 über die anonymen Anzeigen informiert. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts ... vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der Fa. M GmbH (Fa. M) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. M zu beziehen.
§ 6 Abs. 3 des Vertrages lautet:
Für alle in dem Lieferprogramm (siehe § 5) genannten Artikel gelten die zwischen der Fa. M und dem UKF vereinbarten Preisrabatte für die festgelegte Vertragsdauer bis 31.12.2011 (bei einer allgemeinen Preiserhöhung eines oder mehrerer Artikel durch einen Lieferanten, die durch die Fa. M nicht zu vermeiden ist, werden die dann unrabattierten Marktpreise des jeweiligen Artikel als Basispreis für die Rabattstaffel genommen).
Die Preise der Artikel des Lieferprogramms unterliegen der in der Anlage 1 festgelegten Rabattstaffel. Die jeweiligen Rabatte haben den zum 01.08.2006 aktuellen Preis des UKF für die jeweiligen Artikel des Lieferprogramms als Ausgangspreis.
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Anlage 1 zum Rahmenvertrag enthält die Rabattstaffel. Die Rabatthöhe betrug zunächst 5 %, sie stieg in den folgenden Jahren jeweils um 2,5 % an, bis sie im Jahr 2011 15 % erreichte.
11 
Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. M erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „A M GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
12 
Mit Schreiben vom 07.01.2008 unterrichtete das Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - die Universität ... über den Verdacht eines verfolgbaren Dienstvergehens.
13 
Die Staatsanwaltschaft ... erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger und drei Mitangeschuldigte zum Amtsgericht - Schöffengericht - .... Er wurde beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf in fünf rechtlich selbständigen Handlungen Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme in einem Fall begangen zu haben. Gegenüber den zugleich angeklagten weiteren Personen (D, C, E) wurde das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 10.03.2010 ordnete das Amtsgericht zur Aufklärung des Sachverhalts weitere Zeugenvernehmungen an (vgl. den Ergänzungsbericht der LPD ... vom 06.07.2010). Mit Verfügung vom 06.08.2010 nahm die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis der Nachermittlungen Stellung. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO angesichts des besonderen Umfangs und der besonderen Bedeutung des Falles der Großen Strafkammer des Landgerichts... zur Entscheidung vor. Bei Eröffnung des Hauptverfahrens werde eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen sein. Die Vorwürfe würden vollumfänglich bestritten. Unmittelbare Beweismittel lägen nicht vor, es handele sich ausschließlich um eine Indizienbeweislage. Die Sachlage sei komplex, da der Angeschuldigte umfangreiche Einlassungen zu den aus seiner Sicht wirklichen Hintergründen des objektiven Geschehens abgegeben habe. Diesen „Alternativmöglichkeiten“ sei „substantiiert nachzugehen“.
14 
Mit Beschluss vom 14.09.2012 übernahm das Landgericht ... das Strafverfahren vom Amtsgericht ..., eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft ... vom 17.07.2009 - verbunden mit dem Hinweis, dass die Tat Nr. 4 der Anklageschrift im Falle einer Verurteilung möglicherweise als Vorteilsannahme beurteilt werden könne - zur Hauptverhandlung zu. Mit Beschluss vom 12.02.2014 stellte das Landgericht ... das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein und erteilte dem Kläger die Auflage, bis zum 11.08.2014 insgesamt 15.000,-- EUR an mehrere gemeinnützige Einrichtungen zu zahlen. Die endgültige Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Beschluss vom 12.02.2014.
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2. Kündigungen und Abberufung von der Abteilungsleitung
16 
Auf die Aufforderung des Beklagten in Schreiben vom 11.12.2007 und 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 19.12.2007 und 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt (vgl. das Protokoll vom 23.01.2008).
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Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum ... enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. X. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
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Gegen die Kündigung des Dienstvertrags erhob der Kläger am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht ... Klage (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 erklärte das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht .... Dieses stellte mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) fest, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Die von ihm zugelassene Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wies der Senat mit Urteil vom 02.08.2012 (9 S 2752/11, juris) zurück. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos (BVerwG, Beschluss vom 27.03.2013 - 6 B 50.12 -, juris).
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In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten auf der Grundlage einer Vorlage vom 25.09.2009 folgende Beschlüsse:
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1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. X wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
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2. Der Klinikumsvorstand spricht sich dafür aus, dass im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät die Universität beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst einen Antrag stellt, die Funktionsbeschreibung und die Dienstaufgaben von Herrn Prof. X zu ändern. Das Universitätsklinikum unterstützt den Antrag der Universität nach § 46 Abs. 2 Landeshochschulgesetz ausdrücklich. Die Funktionsbeschreibung und Dienstaufgaben sind insofern zu ändern, als Herrn Prof. X die Leitung des Zentrallabors entzogen wird. Hierzu soll das Ministerium die Einweisungsverfügung vom 22.02.1984 zurücknehmen und die Berufungszusage vom 17.08.1983 kündigen. Daneben ist Herrn Prof. X die Leitung der Abt. Klinische Chemie zu entziehen.
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3. Das Universitätsklinikum ... erklärt die Abberufung von der Abteilungsleitung. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät wird hierzu unverzüglich eingeholt. Da Herrn Prof. X die Leitungsfunktion im Wege der Bestellung am 09.07.1990 durch ministeriellen Erlass übertragen worden war, soll das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ebenfalls die Abberufung der Abteilungsleitung erklären.
23 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären. Vorausgegangen war das Schreiben des Dekans der Medizinischen Fakultät an die Mitglieder des Fakultätsvorstands vom 29.09.2009 einschließlich der Beschlussvorlage vom gleichen Tage (vgl. auch den „Ergänzender Aktenvermerk zum Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät ... vom 30.09.2009 über die „Kündigung einer Chefarztvereinbarung“ des Fakultätsgeschäftsführers ... vom 05.07.2012).
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Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Hiergegen erhob der Kläger am 26.10.2009 Widerspruch.
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Der Beklagte ging davon aus, dass die Kündigung vom 30.09.2009 auch die Abberufung von der Abteilungsleitung umfasst. Auf Weisung des MWK (Schreiben vom 03.11.2009) teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.01.2010 die Abberufung von der Abteilungsleitung mit. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 17.02.2010 Widerspruch.
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3. Weitere Maßnahmen
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a) Disziplinarverfahren
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Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete das MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
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Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
30 
Unter dem 29.09.2015 stellte die Universität ... das Disziplinarverfahren ein.
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b) Zuweisung von Personal- und Sachmitteln, Zutrittsverbot
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Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, es beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
33 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand mit Beschluss vom 15.09.2009 - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000,-- EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe. Außerdem wurde einer für das Wintersemester 2009/2010 erarbeiteten Lehrkoordination sowie Lehrverpflichtung des Klägers zugestimmt. Auf die gegen diese Maßnahmen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage des Klägers vom 11.12.2009 stellte das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 08.08.2012 (1 K 2582/09) fest, dass die Entscheidung des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 15.09.2009 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Rektors vom 06.11.2009, soweit sie die Grundausstattung des Klägers betrafen, rechtswidrig waren und der Kläger über die Grundausstattung neu zu bescheiden gewesen wäre.
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Vorausgegangen war ein Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Personal- und Sachausstattung. Das Verwaltungsgericht hatte diesen Antrag mit Beschluss vom 15.07.2010 (1 K 2586/09) zurückgewiesen. Dabei ging es der Sache nach davon aus, dass die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffen dürften. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers verpflichtete der Senat mit Beschluss vom 04.10.2011 (9 S 1948/10) - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - die Universität ..., unverzüglich ein erforderliches Einvernehmen zu dem seit Januar 2008 praktizierten, am 23.08.2010 vom Klinikumsvorstand des Beklagten förmlich beschlossenen Zutrittsverbot des Klägers zum Zentrallabor einzufordern. Am 25.10.2011 beschloss der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät einstimmig, sein (mittlerweile eingefordertes) Einvernehmen zu dem vom Klinikumsvorstand des Beklagten mit Beschluss vom 23.08.2010 gegenüber dem Kläger erteilten Haus- bzw. Betretungsverbot zu erklären. Mit Beschluss vom 21.12.2011 hielt der Klinikumsvorstand des Beklagten weiterhin am Betretungsverbot vom 23.08.2010 fest, nachdem vom Kläger auf ein Anschreiben vom 08.11.2011 nichts vorgebracht worden war. Mit Beschluss vom 24.01.2012 erklärte der Vorstand der Medizinischen Fakultät sein Einvernehmen.
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c) Lehrveranstaltungen
36 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht ... mit rechtskräftigem Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) ab.
37 
d) Krankenversorgung
38 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim MWK einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
39 
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 forderte der Vorstand des Beklagten den Kläger auf, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen. Diese Aufforderung wurde in der Folge mehrfach erfolglos wiederholt.
40 
e) Änderung der Funktionsbeschreibung
41 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum.... Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
42 
f) Zahlungs- bzw. Hinterlegungsklage
43 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht ... (u.a.) Klage auf Zahlung bzw. Hinterlegung wegen der ihm bis 31.03.2010 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Urteil vom 18.07.2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 23.08.2015 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt (9 S 1801/15).
44 
4. Ruhestand
45 
Mit Ablauf des 31.03.2012 trat der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand.
46 
5. Prozessgeschichte
47 
Gegen die Kündigung vom 30.09.2009 hat der Kläger am 28.09.2010 Klage zum Verwaltungsgericht ... (1 K 1803/10) erhoben. Er hat die Feststellung der Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 30.09.2009 ausgesprochenen Kündigung des Dienstvertrages vom 24.07.2007 sowie des Fortbestehens des Dienstverhältnisses zwischen ihm und dem Beklagten bis 31.03.2012 begehrt, hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten, den Bescheid vom 30.09.2009 aufzuheben, weiter hilfsweise, den Widerspruch vom 19.10.2009 gegen den Bescheid vom 30.09.2009 zu bescheiden.
48 
Nach Wiederaufnahme des zwischenzeitlich wegen Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits um die Kündigung vom 24./25.01.2008 ausgesetzten Verfahrens hat das Verwaltungsgericht ... mit Urteil vom 11.03.2014 festgestellt, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2009 ausgesprochene Kündigung des Dienstvertrages vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012 fortbestanden hat (1 K 848/13). Zur Begründung hat es ausgeführt:
49 
Die Kündigung sei formell und materiell rechtswidrig und unwirksam.
50 
Da die Kündigung eine erneute Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung dargestellt habe, habe sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG (hier in der bis zum 14.02.2011 geltenden Fassung) das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erfordert. Dieses Einvernehmen habe im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwar vorgelegen, ohne indessen ordnungsgemäß erklärt worden zu sein. Das Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät sei inhaltlich nicht dem grundrechtswahrenden Gehalt des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG gerecht geworden. Es komme nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an, vielmehr müsse sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht werde. Der Herstellung des Einvernehmens müsse daher eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen. Ferner müsse die Abwägung insbesondere für den von ihr betroffenen Hochschullehrer hinreichend dokumentiert sein. An beiden Voraussetzungen fehle es.
51 
Die Kündigung sei ferner materiell rechtswidrig gewesen. Ob die Kündigung aufgrund einer Verletzung von Rechtspositionen des Klägers aus dem Beamtenverhältnis materiell rechtswidrig gewesen sei, sei fraglich. Letztlich könne dies hier jedoch dahinstehen. Denn der vom Beklagten beanspruchte Kündigungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 des Chefarztvertrages i.V.m. § 1 Abs. 2 KSchG habe nicht vorgelegen. Die Kündigung vom 30.09.2009 sei eine sog. Verdachtskündigung gewesen. Ob eine Verdachtskündigung wegen der Eigenart der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger als beamtetem Hochschullehrer mit Dienstaufgaben in Forschung, Lehre sowie Krankenversorgung (letztere in Leitungsstellung) und dem Beklagten sowie dem Land Baden-Württemberg von vornherein unzulässig gewesen sei, könne dahinstehen. Denn es habe jedenfalls an den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung gefehlt.
52 
Eine Verdachtskündigung komme nur in Betracht, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorlägen und diese geeignet seien, das für die Fortsetzung des Dienstverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Dienstberechtigten zu zerstören. Der notwendige, schwerwiegende Verdacht müsse ferner dringend sein, d.h., bei einer kritischen Prüfung müsse eine auf Beweisanzeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Dienstverpflichteten bestehen. Die in der Anklageschrift vom 17.07.2009 aufgeführten Ermittlungsergebnisse hätten zwar zunächst Anlass für eine erneute Verdachtskündigung geliefert. Diese schwerwiegenden Verdachtsmomente seien indessen durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert, dass sich - mangels strafgerichtlicher Sachentscheidung bis heute - die für einen Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse.
53 
Das Ergebnis der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion vom Juli 2010 habe beachtliche Indizien gegen Dienstpflichtverletzungen des Klägers und gegen das Ziel der ehemals Mitangeschuldigten C, D und E enthalten, dem Kläger Vorteile zu gewähren, um auf dessen künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren. So hätten alle früheren Mitangeschuldigten bekräftigt, dass die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen sei und hierüber Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten bestanden habe. Eine Information der Fa. M im Februar 2006 durch den Kläger über Einkaufspreise des Zentrallabors sowie die Überlassung von 17 Originalrechnungen der Fa. ... im März 2006 hätten folglich, träfe dies zu, keine Verschwiegenheitspflichten verletzt. Ferner hätten die früheren Mitangeschuldigten D und E übereinstimmend erklärt, dass es von ihrer Seite zu keiner Zeit Zahlungen an den Kläger gegeben und dieser auch keine verlangt habe. Soweit ein Darlehen von 8.000,- EUR durch die von ihm vertretene Fa. A an den Kläger gegeben worden sei, so D, habe dies nicht mit der Vertragsanbahnung zum Beklagten, sondern mit der davon unabhängigen Entwicklung eines Brustkrebsmittels im Zusammenhang gestanden. Herr D und Herr E hätten nach ihrer Aussage schließlich nichts von den Zahlungen gewusst, die vom Mitangeschuldigten Herrn C an den Kläger geleistet worden seien. Herr C, der die als Darlehen und Gewinnbeteiligung bezeichneten Zahlungen an den Kläger nicht bestritten habe, habe diese Zuwendungen erklärt mit seiner spezifischen - sowohl gesellschaftsrechtlichen als auch privaten - Beziehung zum Kläger, die bereits Jahre vor der Einleitung der Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten sowie Gründung der Fa. M bestanden gehabt habe. Überdies habe der Kläger nicht gewusst, dass diese von ihm (Herrn C) zugewendeten Beträge aus Mitteln gestammt hätten, die er zuvor als Gewinnausschüttung bzw. Darlehen von der Fa. M und deren Muttergesellschaft in G erhalten habe.
54 
Ergänzt worden seien diese Ermittlungsergebnisse durch eine ausführliche Entgegnung des Klägers vom 16.12.2009 zur Anklage. Darin sei erläutert worden, dass sich der Kläger und Herr D bereits aus Zeiten weit vor Zusammenarbeit zwischen der Fa. M und dem Beklagten gekannt hätten und insbesondere Herr C mit dem Kläger seit 1999 geschäftlich und privat eng verbunden gewesen sei und ab 2004 mit Blick auf die finanzielle Situation des Klägers diesen unterstützt habe. In der Anklageerwiderung habe sich der Kläger weiter eingehend damit auseinandergesetzt, dass und warum Zahlungen im Jahr 2005 schon vor einer vermeintlichen ersten Unrechtsvereinbarung und vor Gründung der Fa. M sowie Zusammentreffen der Mitangeschuldigten C, D und E geflossen seien und damit keine Relevanz für eine Vorteilsgewährung/-annahme gehabt haben könnten. Weiterhin habe der Kläger eine Darstellung dazu gegeben, dass sein - von der Anklage als Gegenleistung für ein Vorteilsversprechen gewerteter - Einsatz gegen eine Kooperation des Beklagten mit den Firmen ... und ... vor Gesprächen mit den ehemaligen Mitangeschuldigten erfolgt sei und es sich bei den beiden Firmen nicht um Marktkonkurrenten der Fa. M gehandelt habe. Auch habe er näher dargelegt, dass es sich bei der von der Anklage thematisierten Besprechung vom 20.02.2006 nicht um eine solche des Klinikumsvorstandes (Entscheidungsorgan des Beklagten), sondern des Vorstandes der Klinik für Innere Medizin (eines rein ärztlich besetzten Gremiums) gehandelt habe und dass die Weitergabe einer solchen Information an Herrn C (der erst im Juli/August 2006 Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. M geworden sei) ohne Vorteil gewesen sei. Der Kläger habe in seiner Anklageerwiderung auf bereits langjährige persönliche und gesellschaftsrechtliche Verbindungen zu Herrn C sowie die mit D erfolgte Kooperation bei der Entwicklung eines Brustkrebsmittels (Aromatasehemmer) und die daraus resultierenden Zuwendungen dieser beiden ehemaligen Mitangeschuldigten in den Jahren 2005 und 2006 hingewiesen und dies näher erläutert. Auch die vorgeworfenen Unrechtsvereinbarungen in den Tatzeiträumen Oktober 2006 bis Juli 2007 schließlich habe der Kläger durch substantiierte Erläuterungen zu entkräften versucht.
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Trotz entgegenstehender Zeugenaussagen der zuständigen Klinikumsmitarbeiter (betreffend Geheimhaltung bisheriger Einkaufspreise) sowie weitere den Kläger belastende Indizien (u.a. zeitnahe Geldflüsse zu den Vertragsverhandlungen; wirtschaftliche Situation des Klägers; im Jahr 2002 eingestelltes früheres Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme/Bestechlichkeit) hätten die Ergebnisse der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion und die Verteidigung des Klägers doch eine erhebliche Plausibilität für einen anderen Geschehensablauf besessen. Das Gewicht der Verdachtsmomente sei hierdurch nach Auffassung der Kammer seit Juli 2010 derart verringert gewesen, dass angesichts ihrer einschneidenden Wirkungen für den möglicherweise unschuldigen Kläger eine Verdachtskündigung nicht gerechtfertigt gewesen sei.
56 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
57 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig.
58 
Das gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät habe im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2014 im vorliegenden Rechtsstreit die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Einvernehmens des Vorstands der Medizinischen Fakultät nicht zu prüfen. Es sei nicht seine, des Beklagten Aufgabe zu überprüfen, ob die Entscheidung der Medizinischen Fakultät materiell-rechtlich zutreffend sei und ob sie das Grundrecht des Klägers aus Art. 5 Abs. 3 GG wahre. Für die Rechtmäßigkeit der Kündigung genüge das Vorliegen des Einvernehmens der Medizinischen Fakultät. Wenn der Kläger das Einvernehmen für rechtswidrig halte, könne er dies nicht im Kündigungsschutzprozess gegen das Universitätsklinikum geltend machen, sondern nur gegenüber der Medizinischen Fakultät. Die abweichende Auffassung des OVG Münster wie auch des erkennenden Senats im Urteil vom 02.08.2012 betreffend die Kündigung vom 24./25.01.2008 habe das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich abgelehnt.
59 
Hilfsweise werde dargelegt, dass die Erteilung des Einvernehmens entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ... rechtmäßig sei. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht angenommen, der Herstellung des Einvernehmens müsse eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen und diese Abwägung müsse schriftlich dokumentiert sein. Jedenfalls habe der Vorstand der Medizinischen Fakultät vor Erteilung des Einvernehmens eine ausreichende Sachprüfung und Abwägung vorgenommen. Schließlich seien die für die Entscheidung der Medizinischen Fakultät maßgebenden Gesichtspunkte ausreichend dokumentiert.
60 
Die Kündigung sei auch materiell rechtmäßig.
61 
Im Urteil vom 02.08.2012 habe der Senat entschieden, mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 sei der Kläger rechtswidrig seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben worden, da er, der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise habe beenden wollen. Dieser vom Senat angenommene Mangel hafte der Kündigung vom 30.09.2009 nicht an. Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 30.09.2009 lasse die Kündigung die aus dem Beamtenverhältnis resultierten Aufgaben des Klägers in der Krankenversorgung unberührt. Im Übrigen verstoße die Kündigung auch nicht gegen Art. 33 Abs. 5 oder Art. 5 Abs. 3 GG.
62 
Das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an das Vorliegen einer Verdachtskündigung überspannt.
63 
Das Verhalten, dessen der Kläger nach der Anklageschrift vom 17.07.2009 und dem Strafverfahren verdächtig sei, würde - wäre es erwiesen - zweifellos eine außerordentliche Kündigung des Dienstvertrages rechtfertigen. Er, der Beklagte mache sich den Inhalt der Anklageschrift vom 17.07.2009 und der dort erhobenen Vorwürfe zu eigen. Nach der Anklageschrift habe der Kläger zwischen 2005 und 2007 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit weiteren Angeschuldigten verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten begangen. Der Kläger werde beschuldigt, in fünf rechtlich selbständigen Handlungen in den Fällen 1 bis 4 als Amtsträger einen Vorteil als Gegenleistung dafür angenommen zu haben, dass er künftig eine Diensthandlung vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletze, im Falle 5, als Amtsträger einen Vorteil für die Dienstausübung angenommen zu haben, strafbar als Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme gemäß §§ 331 Abs. 1, 332 Abs. 1 und Abs. 3, 11 Abs. 1 Nr. 2 a, 53 StGB.
64 
Die Anklageschrift gehe von fünf Unrechtsvereinbarungen im Zeitraum 2. Halbjahr 2005 bis Juli 2007 aus:
65 
- Anbahnung der Kooperation zwischen dem Universitätsklinikum und der XY (2. Halbjahr 2005 bis Ende März 2006),
- Taten im Zusammenhang mit der Gründung der Fa. M und dem Abschluss des Rahmenvertrags zwischen der Fa. M und dem Beklagten (April 2006 bis September 2006),
- Erteilung von geheimen Informationen über das Labor ... im Gegenzug zu einer weiteren finanziellen Zuwendung (Anfang Oktober 2006 bis 26. Oktober 2006),
- endgültige Vereinbarung über eine verdeckte Gewinnbeteiligung an der Fa. M (27.10.2006 bis 25.01.2007),
- Auszahlung von verdeckten Gewinnausschüttungen durch die Fa. M (Februar 2007 bis Juli 2007).
66 
Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung völlig außer Acht gelassen, dass das Landgericht ... in Kenntnis des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 und in Kenntnis der Entgegnung des Klägers vom 16.12.2009 zur Anklage mit Beschluss vom 14.09.2012 das Verfahren des Amtsgerichts ... übernommen, das Hauptverfahren bezüglich des Klägers eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 17.07.2009 zur Hauptverhandlung zugelassen habe. Die Eröffnung des Hauptverfahrens sei nach der Anklageerhebung ein weiterer und besonders gewichtiger Anhaltspunkt für die Dringlichkeit des Verdachts. Die Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO räume den Verdacht nicht aus, vielmehr bestätige sie ihn, und zwar auf der Grundlage einer Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit wie auch der Schuld. Nicht nur durch die Erhebung der öffentlichen Anklage, sondern insbesondere auch durch die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO habe der Verdacht gegen den Kläger „eine andere Qualität“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erhalten.
67 
Dieser Verdacht machte es ihm, dem Beklagten unzumutbar, das Dienstverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen. Die Straftaten und Dienstpflichtverletzungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Klägers. Dies habe zum Verlust des Vertrauens und zur Störung des Vertrauensverhältnisses geführt. Hinzu komme, dass gegen den Kläger bereits früher bei der Staatsanwaltschaft ... ein - später gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestelltes - Ermittlungsverfahren anhängig gewesen sei wegen des Verdachts der Bestechlichkeit/Vorteilsannahme im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit für das Universitätsklinikum.... Auch sei bei der Bewertung die besondere herausgehobene Stellung des Klägers zu berücksichtigen. Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungs- und Strafverfahrens sei der Kläger nicht (mehr) geeignet gewesen, als Führungsperson mit Leitungsaufgaben, insbesondere mit den Aufgaben eines Chefarztes, betraut zu sein.
68 
Die Bewertung des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem Verfahrensfehler, nämlich einem Verstoß gegen §§ 86, 96, 108 VwGO. Allein aufgrund des Ergänzungsberichts der Polizeidirektion vom 06.07.2010, der die Aussagen der ergänzend vernommenen Zeugen nur in gekürzter Fassung wiedergebe, habe die Beurteilung des dringenden Tatverdachts nicht in prozessual fehlerfreier Weise getroffen werden können. Vielmehr wäre es notwendig gewesen, dazu die gesamten Ermittlungsakten beizuziehen und die Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ebenfalls Anklage erhoben gehabt habe und die früher Mitbeschuldigte gewesen seien, als Zeugen zu vernehmen.
69 
Auch weitere Gründe begründeten den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Klägers und einer strafbaren Handlung des Klägers zu seinen Lasten.
70 
Gewinnbeteiligung des Klägers an der Fa. M
71 
Aufgrund der Vereinbarung vom 27.10.2006 hätten dem Kläger 24,5% der Gewinne der Fa. M zugestanden. Diese Vereinbarung zwischen dem Kläger und Herrn C sei bereits vor Abschluss der Rahmenvereinbarung zwischen der Fa. M und dem Beklagten am 01.09.2006 getroffen worden. Die vom Kläger betriebene Anbahnung und der vom Kläger geförderte Abschluss des Vertrages des Beklagten mit der Fa. M hätten somit von Anfang an dem Gewinnstreben des Klägers gedient, ohne dass er dies gegenüber ihm, dem Beklagten offengelegt habe. Insoweit liege nicht nur ein Verdacht vor, vielmehr sei die Pflichtverletzung erwiesen.
72 
Anbahnung des Vertrages mit der Fa. M
73 
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei belegten, dass der Kläger im Eigeninteresse und aus wirtschaftlichen Gründen den Vertragsschluss mit der Fa. M initiiert und forciert habe und dass er dabei pflichtwidrig Preise der Konkurrenz und damit vertrauliche Daten an die Fa. M weitergegeben habe:
74 
Nach der Anklageschrift habe der Kläger zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, kurz vor dem 24.04.2006, die früheren mitangeschuldigten Vertreter der Fa. M davon unterrichtet, dass er zur Auflösung einer seiner diversen Firmenbeteiligungen, die maßgeblich für seine erheblichen Schulden verantwortlich gewesen seien, ein Darlehen in Höhe von 25.000 EUR benötige, das er zur Auffüllung des Stammkapitals und sodann zur Liquidierung der betroffenen Gesellschaft habe nutzen wollen. Dies passe zusammen mit dem Anruf des Klägers bei Herrn A vom Beklagten am 27.03.2006, der durch die Aktennotiz vom 27.03.2006 belegt sei. Der Kläger habe mitgeteilt, er beabsichtige, alternative Einkaufsquellen für seine Diagnostika zu erschließen. Diese Einkaufsquelle habe die Fa. M sein sollen, die zu diesem Zweck habe gegründet werden sollen und deren Gewinne nach der Verabredung mit Herrn C dem Kläger zumindest teilweise hätten zufließen sollen.
75 
In der der Anklageschrift werde ferner festgestellt, dass im Rahmen einer geschäftlichen Besprechung in ... am 24.04.2006 die früheren Angeschuldigten C, E und D übereingekommen seien, zur noch effektiveren Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen des ... auf dem ...er Markt die Fa. M zu gründen und dem Kläger als einem vermeintlichen angestellten Arzt eine verdeckte Gewinnbeteiligung in Höhe von 49% zu gewähren. Es sei vereinbart worden, dass dem Kläger die für die Firmenauflösung begehrten 25.000 EUR in Form einer Verrechnung mit den ersten Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen aus der neu zu gründenden Fa. M hätten zukommen sollen. Daraus resultiere das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Zustandekommen des Rahmenvertrags zwischen der Fa. M und dem Beklagten. Dies werde dadurch bestätigt, dass nach der Anklageschrift die vier Angeschuldigten, also auch der Kläger, in einer gemeinsamen Besprechung am 30.05.2006 und in der Folge in persönlicher und schriftlicher Korrespondenz den Entwurf eines Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten ausgearbeitet hätten.
76 
Der Kläger habe bereits früher eine entsprechende Zusammenarbeit mit der Fa. M angestrebt und dazu vertrauliche Daten an die früheren Mitangeschuldigten übergeben. In einer E-Mail vom 04.01.2006, also lange vor Beginn der Vertragsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der Fa. M, habe der Kläger an Herrn E, der später für die Fa. M gehandelt habe, eine Diskette mit der Notiz „Anforderungen 2004 Kosten" übermittelt. Der Diskette angeschlossen seien acht Einzelblätter mit einer Auflistung von Artikeln des Laborbedarfs gewesen, sortiert in alphabetischer Reihenfolge. Davon seien auf zwei Einzelblättern mit der handschriftlichen Notiz „Kosten" die Einzelpreise zahlreicher aufgeführter Artikel in alphabetischer Reihenfolge zu entnehmen gewesen. Die E-Mail sei im E-Mail-Postfach des Klägers gefunden worden.
77 
Dem Auskunftsersuchen der Landespolizeidirektion vom 22.04.2008 an ihn seien eine handschriftliche Notiz einer Besprechung bei XY vom 10.03.2006 und das Protokoll über die Besprechung vom 10.03.2006 beigefügt gewesen. An der Besprechung hätten D, Prof. Dr. H, Herr E, der Kläger, Herr C teilgenommen. Letzterer habe das Protokoll verfasst. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass bereits vor Beginn der Vertragsverhandlungen die Gründung der „Gemeinsamen GmbH", also unter Einschluss des Klägers, besprochen worden sei, ebenso das grundsätzliche Geschäftsmodell. Der Kläger habe am 10.03.2006 zugesagt, Rechnungen der Fa. ... an XY bzw. Herrn E per Telefax zu übermitteln.
78 
Das erste Gespräch zwischen ihm, dem Beklagten, und den Vertretern von M zum beabsichtigten Rahmenvertrag sei - wie dargestellt - am 23.05.2006 geführt worden. Nach diesem Gespräch sei bei Herrn B von dem Beklagten eine Anforderung des Zentrallabors für eine ABC-Analyse des Diagnostikaverbrauchs 2005, Kostenstelle 928922 eingegangen. Herrn B sei der Gedanke gekommen, dass diese Anforderung auch mit dem Wunsch des Klägers nach einer Kooperation mit M zusammenhängen könnte. Er habe sich deshalb entschlossen, die erbetenen Daten an das Zentrallabor zwar weiterzugeben und trotz interner Bedenken, dass sich die Leitung des Zentrallabors dadurch brüskiert habe fühlen können, in die Antwort aufgenommen, dass die gelieferten Daten nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt seien (E-Mail vom 29.05.2006).
79 
Trotz dieses ausdrücklichen Hinweises habe der Kläger die Einkaufspreise der Lieferanten des Zentrallabors an die Fa. M weitergeleitet. Er habe außerdem selbst oder durch Mitarbeiter der Abteilung Klinische Chemie Einkaufs- und Preislisten erstellen lassen und diese an die Fa. M weitergeleitet. Dem Auskunftsersuchen der Landespolizeidirektion ... vom 22.04.2008 seien als Anlage 4 „Einzelblätter mit Preisen 03/04“ beigefügt, die im Büro des Klägers im Klinikum aufgefunden worden seien. Diese Listen seien nicht von der Verwaltung des Beklagten und nicht von der Abteilung Materialwirtschaft erstellt worden, diese führten solche Listen nicht. Diese Listen seien vielmehr von der Abteilung Klinische Chemie erstellt worden, der der Kläger vorgestanden habe. Darin liege eine schwerwiegende Vertragsverletzung. Er sei nicht berechtigt gewesen, Preise von Lieferanten mitzuteilen, die das Universitätsklinikum bisher beliefert hätten und deshalb Konkurrenten der Fa. M gewesen seien. Durch die Weitergabe der Preise der bisherigen Lieferanten des Universitätsklinikums habe der Kläger die Verhandlungsposition des Universitätsklinikums nachhaltig geschwächt, weil die Fa. M aufgrund der Kenntnis der Preise habe beurteilen können, bei welchem Preisangebot sie zum Zuge und zum Abschluss des Rahmenvertrages kommen könne.
80 
Das Verwaltungsgericht meine, alle früheren Mitangeschuldigten des Klägers hätten bekräftigt, dass die bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen seien und hierüber Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten bestanden habe. Eine Information der Fa. M im Februar 2006 über die Einkaufspreise des Zentrallabors sowie die Überlassung von 17 Originalrechnungen der Fa. ... im März 2006 hätten folglich, träfe dies zu, keine Verschwiegenheitspflichten verletzt. Diese Auffassung sei unzutreffend:
81 
Der Zeuge B habe erklärt, die E-Mail von Herrn C vom 24.05.2006, in der C zum Ausdruck bringe, er werde die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Prof. X abholen, sei ihm nicht bekannt. Der Zeuge B habe weiter erklärt, bei dem Gespräch am 23.05.2006 mit den Verantwortlichen der Fa. M sei nicht besprochen worden, dass die Einkaufspreise der XY übergeben würden, da kein erfahrener Einkäufer vor Vertragsschluss Preise bekanntgebe. Der Zeuge E habe bekundet, dass er die Einkaufsliste von C bekommen habe, entweder per Stick, per E-Mail oder durch persönliche Übergabe. C habe die Einkaufslisten vom Kläger erhalten. Die zuständigen Mitarbeiter der Verwaltung hätten vor Abschluss des Vertrages am 01.09.2006 zu keinem Zeitpunkt Einkaufslisten an die Fa. M übergeben. Sie hätten die Übergabe der Listen nie zugesagt und der Übergabe der Listen durch den Kläger an die Fa. M nicht zugestimmt. In der E-Mail C an A vom 24.05.2006 heiße es, Herr C werde wie besprochen die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Prof. X abholen. Herr B habe zum Gespräch vom 23.05.2006 klargestellt, dass während der Anwesenheit von Herrn A und von ihm im Gespräch am 23.05.2006 definitiv keine Zusage dazu gegeben worden sei, Preise gegenüber die Fa. M bekanntzugeben. Als Herr A und er die Gesprächsrunde verlassen hätten, seien die Mitarbeiter der Fa. M zu weiteren Gesprächen beim Kläger geblieben. Herr A und er seien gemeinsam zum Gespräch hingegangen und hätten es gemeinsam verlassen. Das Gespräch habe bei Prof. X im Büro stattgefunden. Herr B habe ausdrücklich bestätigt, dass die Preise nie weitergegeben worden seien. Es sei zumindest völlig entgegen jeder Gepflogenheit, die er bisher bei Vertragsverhandlungen erlebt habe. Er kenne Herrn A seit 15 Jahren. Er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass er die Preise offengelegt hätte. Die Preisliste habe Herr C mit Sicherheit nicht direkt aus der Reagenzienzentrale. Er habe die Listen auf Weisung des Klägers diesem zukommen lassen. Die Übersicht sei von ihm auf Anforderung des Klägers erstellt worden. Dieser habe um eine Liste aller Artikel gebeten, aus denen Mengen und Preise der Artikel zu entnehmen waren.
82 
In seiner Stellungnahme vom 02.05.2008 führe Herr A aus, er bleibe bei seiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an die Fa. M erst ab September 2006 (also nach Abschluss des Vertrages am 01.09.2006) erfolgt sei. Die E-Mail von Herrn C (vom 24.05.2006) habe er nie erhalten. Er habe von Herrn C oder einem anderen Mitarbeiter von M vor Vertragsschluss nie eine E-Mail dieses oder vergleichbaren Inhalts erhalten. Hätte er diese oder eine vergleichbare E-Mail erhalten, hätte er unverzüglich Herrn C benachrichtigt, dass er ihn missverstanden haben müsse und hätte die E-Mail (an die Vorgesetzten) Herren R und J weitergeleitet. Zudem bestünden Zweifel an der Authentizität der E-Mail. Inhaltlich lege die E-Mail den Schluss nahe, bereits beim Kennenlern-Gespräch am 23.05.2006 mit dem Labor XY und der M sei eine vollumfängliche Weitergabe von Daten, insbesondere Preisen, vereinbart worden. Dies entspreche nicht den Tatsachen.
83 
Diese eindeutigen Aussagen der Zeugen A und B, die durch schriftliche Stellungnahmen von Dr. W, dem damaligen Kaufmännischen Direktor des Beklagten, bekräftigt worden seien, habe das Verwaltungsgericht nicht ausreichend gewürdigt. Diese eindeutigen und klaren Aussagen der Zeugen schlössen die Annahme des Verwaltungsgerichts aus, es habe „Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten“ bestanden, dass die Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigen Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen sei. Das Gegenteil sei richtig. Die Richtigkeit der Ausführungen der Zeugen B und A werde bestätigt durch das Protokoll über die Besprechung vom 23.05.2006, in dem die angebliche Weitergabe von Einkaufspreisen nicht erwähnt sei. Der Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen könne dadurch erklärt werden, dass sehr wahrscheinlich der Kläger - ohne Ermächtigung und unter Verstoß gegen den Dienstvertrag - den Vertretern der Fa. M zugesagt habe, die Einkaufspreise mitzuteilen.
84 
Gleichermaßen unrichtig sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors sei für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen und deshalb keine vertrauliche, der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Information. Das Gegenteil sei richtig. Die Mitteilung der Einkaufspreise habe die Fa. M in die Lage versetzt, die Angebotspreise so zu kalkulieren, dass sie knapp unter den Preisen der Konkurrenz gelegen hätten und dass sie deshalb für die Vertreter des Beklagten akzeptabel erschienen seien. Eine Preisbildung im Wettbewerb sei dadurch unmöglich gemacht worden. Hätte die Fa. M die Preise nicht gekannt, die die Lieferanten des Beklagten bisher berechneten, hätte sie möglicherweise ein weit günstigeres Angebot abgegeben. Es sei eine weltfremde, durch die Aussagen der Zeugen A und B widerlegte Annahme, wenn das Verwaltungsgericht meine, ein Einkäufer gebe die bisherigen Einkaufspreise preis, um einem Anbieter, der die bisherigen Lieferanten „verdrängen“ wolle, eine Kalkulation zu ermöglichen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Preisregelung in § 6 Abs. 3, 4 des Rahmenvertrages vom 01.09.2006 die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Beklagten vorausgesetzt habe.
85 
Bei fehlerfreier Bewertung der Ergebnisse der Zeugenvernehmungen sowie der Aktenlage bestehe deshalb nicht nur der Verdacht, sondern die Gewissheit, dass der Kläger durch die Weitergabe der Einkaufslisten seine Pflicht zur Verschwiegenheit nachhaltig und schwerwiegend verletzt habe.
86 
Bestechlichkeit und Vorteilsannahme
87 
Nach den nach wie vor richtigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ... in seinem Beschluss vom 15.07.2010 (1 K 2586/09, S. 15 ff.) habe der Kläger - ohne dazu berechtigt zu sein - im Vorfeld des Vertragsabschlusses mit der Fa. M an deren Repräsentanten bzw. an die Repräsentanten ihrer Muttergesellschaft rechtswidrig vertrauliche interne Klinikumsinformationen weitergegeben. Darüber hinaus bestehe der schwerwiegende Verdacht, dass der Kläger die in der Anklageschrift vom 17.07.2009 aufgelisteten finanziellen Zuwendungen von insgesamt 77.910 EUR für sein pflichtwidriges Verhalten empfangen habe und dadurch das Vergehen der Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsannahme begangen habe. Dass die ehemaligen Mitangeschuldigten des Klägers in ihrer polizeilichen Vernehmung bei ihrer früheren Darstellung geblieben seien und dies nicht bestätigen, sei nicht überraschend und entlaste den Kläger nicht. Es bleibe bei der Feststellung des Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 15.07.2010, dass die aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M stammenden Aufzeichnungen, vertraulichen Protokolle und Korrespondenzen besonderes Gewicht für die Nachweisbarkeit der Dienstpflichtverletzungen hätten. Das Verwaltungsgericht habe weiter festgestellt, dass im Empfang der namhaften Summen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Dienstpflichtverletzungen lägen. Zu auffällig und ungewöhnlich seien die im zeitnahen Umfeld zu den persönlichen Kontakten erfolgten Zahlungen in den Jahren 2005 bis 2007. Das Verwaltungsgericht stelle weiter fest, gegen den Einwand, es habe sich sämtlich um privat motivierte Darlehen unter Freunden gehandelt, spreche zum Teil vehement die Aussagekraft der aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M stammenden Beweismittel. Diese belegten offensichtlich, dass ausnahmslos alle Zahlungen an den hochverschuldeten Kläger von den Konten der zur XY gehörenden Firmen erfolgt seien und die als Darlehen behaupteten Beträge zum größten Teil noch nicht zurückgezahlt worden seien.
88 
In der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 zum Ergebnis der Nachermittlung habe diese zutreffend festgestellt, dass sich hinsichtlich der Einkaufspreise die Einlassung des neutralen Zeugen B bestätigt habe, dass es sich um ein Dienstgeheimnis gehandelt habe. Die abweichenden Angaben der ehemaligen Angeschuldigten seien so zu erwarten gewesen. Zudem erklärten sie sich dadurch, dass wahrscheinlich der Kläger, der dazu nicht befugt gewesen sei, entsprechende Erklärungen abgegeben habe. Die Staatsanwaltschaft habe zutreffend festgestellt, dass wiederholt bei „heiklen“ Fragen keine konkrete Erinnerung behauptet werde. Der eindeutige Inhalt von E-Mails werde wenig plausibel erklärt. Der Ex-Angeschuldigte C habe die verdeckte Gewinnbeteiligung des Klägers mit kaum tragfähigen Schutzbehauptungen erklärt. Aufgrund der urkundlichen Beweismittel, der Einlassung der Zeugen von Universitätsseite und der in der Summe nicht plausibel mit Zufällen zu erklärenden zeitlichen Koinzidenzen von wiederholten erheblichen Geldleistungen an den Kläger bestehe nach wie vor der Verdacht eines zumindest konkludenten Abschlusses von Unrechts-Vereinbarungen in der in der Anklageschrift geschilderten Form.
89 
Aufgrund der objektiven Umstände sowohl bei Ausspruch der Kündigung als auch nach den inzwischen ergänzend vorliegenden Informationen bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger seine Dienstpflichten in erheblichem Maße verletzt habe.
90 
Bei der Bewertung sei die höchst prekäre wirtschaftliche Situation des Klägers zu berücksichtigen, der sich im Jahr 2005 bereits seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Er habe gegenüber dem Finanzamt ... sowie gegenüber anderen Gläubigern Schulden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Diese Umstände ergäben ein handfestes Motiv für das Verhalten des Klägers, den Abschluss des Vertrages mit der Fa. M zu forcieren, weil er sich davon erhebliche finanzielle Vorteile versprochen habe.
91 
Die erheblichen und mehrfachen finanziellen Zuwendungen an den Kläger, insbesondere von Herrn C, seien nicht als private Darlehen aufgrund rein persönlicher Bindung zu erklären. Dies ergebe sich u.a. aus dem zeitlichen Zusammenhang mit der Anbahnung des Rahmenvertrages vom 01.09.2006 zwischen der Fa. M und dem Beklagten. Zum anderen widerlegten die besonderen Umstände der Zahlungsflüsse die Behauptungen u.a. von Herrn C, die Zahlungen seien nur aus persönlicher Beziehung zum Kläger erfolgt. Die „Darlehen“ habe der Kläger nur zu einem sehr geringen Teil zurückbezahlt. Es sei außerdem auffällig und höchst ungewöhnlich, dass die angeblich privaten Darlehen nicht vom Privatkonto des Herrn C überwiesen worden seien, sondern über diverse Firmenkonten, z.B. das Konto der Fa. A M GmbH, dessen nomineller Inhaber Herr C gewesen sei. Es sei bewiesen, dass kurz vor der Auszahlung des angeblichen Darlehens korrespondierende Geldbeträge von der Fa. M zur Verfügung gestellt worden seien. Die zeitliche Nähe zwischen dem Abschluss des Rahmenvertrages am 01.09.2006 und zwischen der am 27.10.2006 zwischen dem Kläger und Herrn C getroffenen schriftlichen Vereinbarung, nach der der Kläger am Geschäftsanteil des Herrn C an der Fa. M in Höhe von 49% zur Hälfte beteiligt sei, spreche für das Vorliegen strafbarer Handlungen. Die verdeckte Gewinnbeteiligung des Klägers an der Fa. M sei durch eine Abtretungsvereinbarung zwischen Herrn C und dem Kläger am 27.10.2006 erfolgt, einen Tag nach der Weitergabe vertraulicher Informationen durch den Kläger über eine an diesem Tag stattgefundene Besprechung mit Entscheidungsträgern des bundesweit tätigen Labors ..., einem Konkurrenten der XY.
92 
Die Abberufung von der Abteilungsleitung vom 20.01.2010 sei nicht Gegenstand des Klageantrags und mithin auch nicht Streitgegenstand. Jedenfalls sei sie formell und materiell rechtmäßig.
93 
Der Beklagte beantragt,
94 
das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 11. März 2014 - 1 K 848/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
95 
Der Kläger beantragt,
96 
die Berufung zurückzuweisen.
97 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor:
98 
Die Kündigung sei formell rechtswidrig.
99 
Dem Beklagten fehle für eine Kündigung, wie sie gegenüber ihm ausgesprochen worden sei, die Zuständigkeit. Die Kündigung vom 30.09.2009 habe das Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung durch den Klinikumsvorstand perpetuiert. Dadurch sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches Amt bzw. sein abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben gewesen sei. Er sei in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG verletzt.
100 
Tatsächlich sei er seit der Kündigung vom 24./25.01.2008 aller Positionen enthoben gewesen, was sich auch durch die Kündigung vom 30.09.2009 nicht geändert habe. Der Passus dieser Kündigung „..soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe..." sei eine leere Phrase. Durch die Kündigung sei er von langjährigen Studien ausgeschlossen worden und habe er seine umfangreichen Forschungsprojekte und -vorhaben auch nach dem 30.09.2009 nicht weiter fortführen können. Ferner sei er auch im Bereich der Krankenversorgung von einer amtsangemessenen Beschäftigung ausgeschlossen worden. Diese habe nicht nur Lehre, Forschung und Krankenversorgung schlechthin, sondern auch die Leitung des Zentrallabors bzw. die Leitung der Abteilung Klinische Chemie umfasst. Die ihm aufgegebene Tätigkeit sei nicht als geeignete Aufgabe in der Krankenversorgung anzusehen. Sie sei nicht nur seiner dienstlicher Stellung unwürdig, sondern darüber hinaus medizinisch unangebracht und gefährlich. Es habe sich um eine schikanierende Pseudotätigkeit gehandelt.
101 
Wie Krankenversorgung, Forschung und Lehre sei auch die Leitung des Zentrallabors untrennbarer Bestandteil des ihm verfassungsrechtlich garantierten Statusamtes und Amtes im abstrakt-funktionellen Sinn und zähle folglich zu seinen hauptberuflichen Aufgaben. Wenigstens sei sie als Amt im abstrakt-funktionellen Sinn zu verstehen. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, die Kündigung greife nur in das konkret-funktionelle Amt ein, könne sie nicht als rechtmäßig qualifiziert werden. Denn der dem Dienstherrn bei organisatorischen Maßnahmen zustehende Ermessenspielraum sei hier aufgrund schutzwürdigen Vertrauens auf Beibehaltung seiner Funktion eingeschränkt gewesen. Für seine Abberufung von der Abteilungsleitung sei der Beklagte nicht zuständig. Daher sei auch die Kündigung des Chefarztvertrages vom 30.09.2009, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, durch den Klinikumsvorstand nicht möglich. Die Kündigung sei des Weiteren auch deshalb rechtswidrig, weil seine Abberufung nicht rechtzeitig erfolgt sei.
102 
Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages unter die Voraussetzung einer formell rechtmäßigen, insbesondere das Einvernehmenserfordernis des § 7 Absatz 1 Satz 3 UKG beachtende - Abberufung von der Abteilungsleitung gestellt habe, werde durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2014 nicht in Frage gestellt. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Rechtmäßigkeit des Einvernehmens des Fachbereichsrates/Fakultätsrats durch den Klinikumsvorstand nicht geprüft werden müsse, könne nicht auf seinen Fall übertragen werden, in dem es um das Einvernehmen des Fakultätsvorstands gehe. Es handele sich insoweit um völlig unterschiedliche Organe mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Funktion. Außerdem sei er im Zeitpunkt der Kündigung vom 30.09.2009 vom Universitäts- wie vom Klinikumsalltag ausgeschlossen gewesen. Er habe folglich keine Möglichkeit gehabt, sich gegen diesen rechtlich zur Wehr zu setzen. Die Verweisung auf den gegen den Fakultätsvorstand gerichteten Rechtsschutz verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Rein vorsorglich und nur aus Gründen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht werde beantragt, die Klage auf den Fakultätsvorstand zu erweitern und diesen zu verpflichten, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen.
103 
Die Kündigung sei somit gemäß § 7 Abs. 1 UKG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 33 Abs. 5 GG bereits formell rechtswidrig. Dies folge im Übrigen auch aus der Nichtbeachtung des Erfordernisses der Zustimmung des Aufsichtsrats aus § 9 Absatz 2 UKG.
104 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig.
105 
Sie stelle einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt dar, weil ihm durch diese die ministeriell zugewiesene Abteilungsleitung und darüber hinaus die Dienstaufgaben Krankenversorgung, Forschung und Lehre dauerhaft entzogen worden seien. Er sei dadurch in seinen Grundrechten aus Art. 5 Absatz 3 GG, Art 12 Absatz 1 GG, Art. 14 GG und Art 33 Absatz 5 GG verletzt. Eine Rechtfertigung dieser Grundrechtsverletzungen komme wegen der Unschuldsvermutung nicht in Betracht.
106 
Auch § 11 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB stelle keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Kündigung dar.
107 
Im Übrigen lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. An objektiven tatsächlichen Anhaltspunkten für einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung fehle es. Dies gelte schon deshalb, weil sich der Beklagte mit seiner Verdachtskündigung allein auf die Anklageschrift stütze.
108 
Der Fa. M sei es möglich gewesen, einen Rabatt auf die von dem Beklagten bislang für Laborreagenzien gezahlten Preise zu gewähren. Es sei offensichtlich, dass die Höhe eines solchen Rabattes nur dann festgelegt werden könne, wenn zuvor die Höhe des Preises, der bislang von dem Beklagten gezahlt worden sei, bekannt sei. Daher seien diese Zahlen von dem Beklagten an die Fa. M weitergegeben worden. Es bestehe kein objektiver Anhaltspunkt, der für eine Weitergabe dieser Daten an die Fa. M durch ihn sprechen würde. Vielmehr seien diese Daten von den Herren B und A an die Fa. M wohl im Einverständnis mit Herrn Dr. W gegeben worden.
109 
Die Zeugen A und B hätten nachweislich die Unwahrheit gesagt. Eine Beteiligung seiner Person an der ihm vorgeworfenen Weitergabe der Einzelpreise von Artikeln sei nicht gegeben. Die Preisliste sei durch den Zeugen B, der dem Zeugen A unmittelbar unterstellt sei, am Freitag, den 26.05.2006, um 10:04 Uhr erstellt und am Montag, den 29.05.2006 um 10:45 Uhr von dem Zeugen B via E-Mail an sein Sekretariat, Frau C, versandt worden. Frau C habe diese E-Mail um 12:38 Uhr an den Zeugen C weitergeleitet. Er, der Kläger habe den 24. Mai, den 25. Mai (Christi Himmelfahrt), den 26. Mai sowie das darauf folgende Wochenende frei genommen und diese Tage anlässlich seines 35. Hochzeitstages im Kreise seiner Familie verbracht. Der Zeuge B sage zu diesem Geschehensablauf falsch und widersprüchlich aus, was sich nicht zuletzt aus der E-Mail des Zeugen C an den Zeugen A vom 24.05.2006 ergebe. Im Verlauf der Vernehmung habe der Zeuge B im Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage angegeben, er habe die Liste auf seine, des Klägers Anforderung erstellt, und begründe dies mit der Behauptung, dass dies ein gewöhnlicher Vorgang sei, weil er, der Kläger die Kosten des Zentrallabors übersehen müsse. Diese Aussage sei nicht nur widersprüchlich, sondern falsch. Er habe während seiner 25-jährigen Amtszeit noch nie eine Anfrage derartigen Inhalts an die Reagenzienzentrale gestellt. Er könne seine Kosten aus seiner Abteilung selbst errechnen lassen, was aus dem Verzeichnis, erstellt von Dr. G, ersichtlich sei. Im Unterschied dazu könne ihm die Reagenzienzentrale eine realistische Übersicht über seine Kosten nicht liefern, da der Reagenzienzentrale die GOÄ-Punkte nicht vorlägen. Im Übrigen würde er sich niemals direkt an den Zeugen B als untergebenen Sachbearbeiter der Abteilung Reagenzienzentrale wenden, sondern immer an dessen Vorgesetzten und Leiter der Abteilung, den Zeugen A, wie das auch der Zeuge Kesselmeier getan habe. Auch sei aus den Ermittlungsakten nicht einmal ersichtlich, dass er sich mit Herrn B in Verbindung gesetzt habe.
110 
Der Zeuge B sage im Widerspruch zu den anderen im Rahmen der Nachermittlung vernommenen Zeugen C, D und E weiterhin aus, dass die vom Beklagten bislang zu bezahlenden Preise ein Geheimnis gewesen seien und im Rahmen der Verhandlungen zu dem Rahmenvertrag nicht an die Fa. M weitergegeben hätten werden dürfen. Diese Aussage sei falsch, was sich ebenfalls aus der E-Mail des Zeugen C ergebe. Die Weitergabe von Einzelpreisen möge bei der Verhandlung über einzelne Reagenzien unvorteilhaft sein, bei dem Rahmenvertrag mit der Fa. M sei es jedoch um die Errechnung eines Einsparpotenzials bei der Lieferung eines allumfassenden Reagenzienstammes gegangen.
111 
Die Auswertung des in dem Strafverfahren vorliegenden Beweismaterials habe ergeben, dass die ihn inkriminierende anonyme Anzeige u.a. von der Absicht motiviert gewesen sei, die strafrechtlich relevante Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften durch den damaligen Vorstand des Beklagten, vertreten durch den kaufmännischen Direktor Dr. W, bei dem Vertragsschluss mit der Fa. M zu verdecken. Darüber hinaus habe der Beklagte ein erhebliches wirtschaftliches Interesse gehabt, ihm die Einnahmen aus der Privatliquidation zu entziehen und selbst darüber zu verfügen. Insgesamt sei festzustellen, dass er Opfer einer Intrige geworden sei.
112 
Weitere objektive Anhaltspunkte für eine Vertragsverletzung, etwa in Form des Verstoßes gegen eine Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 45 Abs. 1 LHG, § 2 Abs. 4 des Vertrags), lägen nicht vor. Er habe die - auch vertragliche vereinbarte - Aufgabe, die Abteilung wirtschaftlich zu führen. Vor diesem Hintergrund sei auch die Verschwiegenheitspflicht selbstverständlich nicht absolut zu sehen.
113 
Auch ein objektiver Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Pflicht zu unparteiischer Dienstausübung sei nicht ersichtlich. Das Geschäftsmodell der Fa. M sei so neu gewesen, dass es schlicht keine Mitbewerber gegeben habe. Das habe dazu geführt, dass eben keine Ausschreibung erforderlich gewesen sei. Es habe keine Partei gegeben, die von ihm hätte bevorzugt werden können.
114 
Auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Pflicht zu uneigennütziger Aufgabenwahrnehmung habe kein objektiver Anhaltspunkt bestanden. Die von der Staatsanwaltschaft inkriminierten Zahlungen hätten ihre Hintergründe in privaten und anderen geschäftlichen Beziehungen der ehemals gemeinsam Angeschuldigten. Insbesondere zu Herrn D und Herrn C hätten schon Jahre zuvor enge freundschaftliche Beziehungen bestanden. Dies sei dem Beklagten bereits vor Vertragsschluss bekannt gewesen.
115 
Der Beklagte habe nach eigenem Vortrag bereits mehrere Monate, offensichtlich aber schon zum Zeitpunkt des Verfassens der anonymen Anzeige, bevor er mit ihm den Chefarztvertrag geschlossen habe, von den Vorwürfen gewusst, wegen derer er dann die Kündigung erklärt habe. Dies stelle eine missbräuchliche Rechtsausübung dar.
116 
Dem Senat liegen vor: 3 Leitzordner und 1 Heft Akten des Beklagten, 2 Ordner und 1 Heft Akten der Universität ..., Medizinische Fakultät, 6 Heft Akten des MWK, Akten des Verwaltungsgerichts ... zu den Verfahren 1 K 848/13, 3 K 2749/08, 1 K 2594/11, 1 K 1803/10, 1 K 1011/09, 1 K 1167/09, 1 K 2582/09, 1 K 2586/09, Akten des Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 sowie des Berufungsverfahrens 9 S 2752/11. Ferner sind beigezogen worden 9 Bd. Akten des Landgerichts ... 2 KLs 420Js 3275/07 AK 32/10 (Bd. I-IX), 2 Bd. Akten des Landgerichts ... zum selben Az (Bd. VI und VII, Mehrfertigung), 2 Bd. Akten der Staatsanwaltschaft ... 420 Js 3275/07 (Sonderband, Auszug aus 47 Js 11807/98, [Bd. XIV]) und 430 AR 1218/07 = 420 Js 3275/07 (Sonderband, Auszug aus 81M2086/07 Ag FR), 4 Leitzordner der Staatsanwaltschaft ... 420 Js 3275/07 Ermittlungsverfahren (3 Sonderbände, 1 Beweismittelordner) sowie 1 Bd. Akten der Staatsanwaltschaft ... 420 Js 17109/11.
117 
Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
118 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter A.) und begründet (unter B.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012 fortbestanden hat. Einer Entscheidung über die Hilfsanträge bedarf es nicht (unter C.).
A.
119 
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen zur Zulässigkeit der Feststellungsklage des Klägers gegen die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 im Senatsurteil vom 02.08.2012 (- 9 S 2752/11 -, juris, Entscheidungsgründe unter 1.). Die diesbezüglichen Erwägungen gelten für die denselben Dienstvertrag betreffende, hier gegenständliche ordentliche Kündigung vom 30.09.2009 entsprechend.
B.
120 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 ist unwirksam.
I.
121 
Die Kündigung ist allerdings nicht bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft.
122 
1. Mit Schreiben vom 30.09.2009 hat der Beklagte - die Zuständigkeit des Klinikumsvorstands folgt aus § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Beklagten (Amtliche Bekanntmachungen der Universität..., Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.) - den Dienstvertrag vom 24.07.2007 „vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin, das heißt zum 31.03.2010“, gekündigt. Er hat damit - wie sich auch aus dem in der Sitzung vom 28.09.2009 gefassten Beschluss des Vorstands des Beklagten ergibt - sein in § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags vertraglich vereinbartes Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeübt mit dem Ziel, eine Beendigung des öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses herbeizuführen. Danach kann „der Vertrag, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen, mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden“.
123 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf die vertraglich vereinbarte ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags die in § 60 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG statuierte grundsätzliche Begründungspflicht (zu den ohnehin eingeschränkten Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 61 Rn. 36) ebenso wenig Anwendung findet wie die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.
124 
Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht das in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Wiederholungsverbot für Kündigungen bei gleichbleibendem Kündigungsgrund entgegen. Das Wiederholungsverbot lässt sich sowohl prozessrechtlich als auch aus der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungserklärung herleiten. Das Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Der Arbeitgeber kann allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus nicht materiell-rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc.) unwirksam war (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 485/02 -, juris). Da der Senat in seinem Urteil vom 02.08.2012 lediglich die formelle Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen Verfahrens- bzw. Zuständigkeitsmängeln festgestellt hat, steht das Wiederholungsverbot der Kündigung schon deshalb nicht entgegen.
125 
2. Die Kündigung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam. Zwar erforderte sie das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität ... (a). Dieses lag indes zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung vor (b). Über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens hinausgehende Anforderungen waren weder vom Beklagten noch vom Senat zu prüfen (c).
126 
a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
127 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der - auf den Kläger anwendbaren (vgl. Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.) - Bestimmung lagen vor. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 30.09.2009 nach dessen objektiver Erklärungsbedeutung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.) ergibt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Hierfür spricht vor allem, dass das Schreiben vom 30.09.2009 den Gegenstand der Kündigung explizit und mit ersichtlich klarstellender Zielrichtung dahingehend beschreibt, dass sie „die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten“ betrifft. Bereits angesichts dieser Formulierung konnte es aus dem maßgeblichen „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete (zu dem durch die Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags begründeten Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.). Diese Beurteilung wird vom Beklagten ausdrücklich geteilt. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung aufrechterhaltenen tatsächlichen Folgen für den Kläger, dem sämtliche Befugnisse als Abteilungsleiter vorenthalten bzw. entzogen blieben.
128 
Dieses Verständnis wird auch nicht durch den der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz in Frage gestellt, „soweit er [der Dienstvertrag] nicht Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, sollte mit diesem Zusatz (lediglich) rechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden, der Beklagte könne zumindest die „beamtenrechtlichen Regelungen“ des Chefarztvertrags nicht ohne Mitwirkung des MWK kündigen (zur mangelnden Zuständigkeit des Beklagten, den Kläger seiner mit dem Amt als Universitätsprofessor am Klinikum verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung zu entheben vgl. im Einzelnen das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.). Mit der Formulierung sollte klargestellt werden, dass sich die Kündigung des Chefarztvertrags nur auf die „Rechte und Pflichten“ des Klägers beziehen soll, „die nicht der Beamtenstellung innewohnen“ (vgl. das Schreiben des Beklagten an das MWK vom 20.10.2009). Dem entspricht es im Übrigen, dass der Beklagte im Zusammenhang damit in der Folgezeit auch versucht hat, den Kläger dazu zu bringen, wieder Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen (vgl. hierzu das Schreiben des Beklagten vom 22.12.2009 sowie die Folgeschreiben). Ob es sich bei den für den Kläger vorgesehenen Aufgaben um eine amtsgemäße Verwendung gehandelt hat, ist - entgegen der Auffassung des Klägers - jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang ohne Belang.
129 
b) Das danach erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät, für dessen Erteilung gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5, § 23 Abs. 3 Satz 6 LHG der Fakultätsvorstand zuständig war, lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger (30.09.2009) vor.
130 
c) Das Verwaltungsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 02.08.2012 - die formelle Unwirksamkeit der Kündigung damit begründet, das Einvernehmen sei inhaltlich nicht dem grundrechtswahrenden Gehalt des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG gerecht geworden. Dieser Auffassung vermag der Senat aus den im Folgenden darzulegenden Gründen nicht zu folgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens hinausgehende Anforderungen weder vom beklagten Universitätsklinikum noch vom Senat zu prüfen sind.
131 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem - dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bekannten - Urteil vom 19.03.2014 (- 6 C 8.13 -, BVerwGE 149, 194), ausgeführt, durch die in der dortigen Fallgestaltung (Klage eines Universitätsprofessors gegen die Schließung einer Bettenstation einer Nuklearmedizinischen Klinik an einem Universitätsklinikum) erhobene Forderung, das beklagte Universitätsklinikum habe zu überprüfen und dafür einzustehen, dass das von dem beigeladenen Fachbereich Medizin im tatsächlichen Sinne erteilte Einvernehmen unter Beachtung der Erfordernisse der Wissenschaftsfreiheit des Klägers zustande gekommen sei, habe das Oberverwaltungsgericht bei der Anwendung des Landeshochschulrechts den für die Organisation der Hochschulmedizin nach Bundesverfassungsrecht erforderlichen angemessenen Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits verfehlt. Dieser Ausgleich verbiete eine Belastung des Universitätsklinikums mit der ihm von dem Oberverwaltungsgericht angesonnenen Kontrollaufgabe. Vielmehr könne der Kläger die Vereinbarkeit des von seinem Fachbereich tatsächlich erteilten Einvernehmens mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit generell gerichtlich nur im Verhältnis zu dem Fachbereich klären lassen. Eine Schmälerung des dem Kläger nach Art. 19 Abs. 4 GG zustehenden effektiven Rechtsschutzes sei damit nicht verbunden (BVerwG, a.a.O.).
132 
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung im Einzelnen wie folgt begründet (juris Rn. 20-31):
133 
„cc) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO angenommen, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffende Schließung der Station O. durch das beklagte Universitätsklinikum verstoße gegen die landesrechtlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. des § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW, deren Einhaltung der Kläger als medizinischer Hochschullehrer beanspruchen kann (zu dieser Schutzfunktion im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 29). Mit Bundesverfassungsrecht unvereinbar ist die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass für das nach den genannten Vorschriften erforderliche Einvernehmen des beigeladenen Fachbereichs Medizin mit der Stationsschließungsentscheidung des beklagten Universitätsklinikums und damit für die Rechtmäßigkeit der Schließung der Station O. nicht die - von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte - tatsächliche Erteilung durch eines der Fachbereichsorgane genüge, sondern eine von dem Universitätsklinikum nachzuprüfende Erteilung auf Grund eines von dem Fachbereich grundrechtskonform durchgeführten Verfahrens erforderlich sei. Hierdurch hat das Oberverwaltungsgericht Anforderungen gestellt, die den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen und den verfassungsrechtlich geschützten Interessen, die sich im Bereich der universitären Krankenversorgung gegenüberstehen, in nachhaltiger Weise stören (aaa). Der besagte Ausgleich gebietet auch unter Berücksichtigung des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes, dass der Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Verletzung seiner Wissenschaftsfreiheit den beigeladenen Fachbereich Medizin im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf eine Rücknahme des in tatsächlicher Weise erklärten Einvernehmens mit der Stationsschließung durch das Universitätsklinikum hätte in Anspruch nehmen müssen (bbb).
134 
aaa) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft - verstanden als Oberbegriff für Forschung und Lehre (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 u.a. - BVerfGE 35, 79 <113>) - als einen grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Zur Sicherung dieses Bereichs garantiert das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - BVerfGE 111, 333 <354> und vom 20. Juli 2010 - 1 BvR 748/06 - BVerfGE 127, 87 <115>; BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - BVerwG 6 CN 1.11 - BVerwGE 144, 195 = Buchholz 11 Art. 5 Abs. 3 GG Nr. 3 Rn. 21). Die Einflussmöglichkeiten, die mit dem Recht der an einer Hochschule tätigen Hochschullehrer auf Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, dienen dem Schutz der Grundrechtsträger vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen, die ihre eigene Freiheit zu forschen und zu lehren gefährden können (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 354, 356 und vom 20. Juli 2010 a.a.O. S. 115, 117; Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 a.a.O. Rn. 25). Die Hochschullehrer können überdies in materiell-rechtlicher Hinsicht beanspruchen, dass ihnen bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel diejenigen Personal- und Sachmittel zugewiesen werden, die sie überhaupt erst in die Lage versetzen, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben. Grundrechtlich verbürgt ist die hiernach erforderliche Grund- oder Mindestausstattung (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 1 BvR 79/70 u.a. - BVerfGE 43, 242 <285>, Beschlüsse vom 8. Juli 1980 - 1 BvR 1472/78 - BVerfGE 54, 363 <390> und vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 362, Kammerbeschluss vom 15. September 1997 - 1 BvR 406/96 u.a. - NVwZ-RR 1998, 175).
135 
Für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergeben sich Besonderheiten aus dem Umstand, dass diesen neben Forschung und Lehre als Zusatzaufgabe die Krankenversorgung obliegt, die in den Universitätskliniken stattfindet. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 8. April 1981 - 1 BvR 608/79 - BVerfGE 57, 70 <96 ff.>) hat - zunächst noch im Hinblick auf Universitätskliniken, die nach dem betroffenen (hessischen) Landesrecht organisatorisch nicht verselbständigt waren - festgestellt, dass die Organisation der Krankenversorgung nicht ohne weiteres den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegt, die ansonsten im Bereich der Selbstverwaltung wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten und im Rahmen der Tätigkeit der Hochschullehrer in Forschung und Lehre Geltung beanspruchen, der Krankenhausbetrieb vielmehr im Interesse einer bestmöglichen Versorgung der Patienten eine gegenüber dem allgemeinen Wissenschaftsbetrieb der Universität straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche Entscheidungen ermöglichende Organisation erfordert. Allerdings darf, da in der Humanmedizin Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung miteinander verflochten sind, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei ihrer Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber muss vielmehr bei der Organisation der Universitätskliniken zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits einen angemessenen Ausgleich finden. Hierfür bedarf es geeigneter Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten und einer sachgerechten organisatorischen Verzahnung beider Funktionsbereiche.
136 
Dass die in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2000 erlassenen Regelungen, durch die die Universitätskliniken organisatorisch verselbständigt und damit die medizinischen Fachbereiche von der unmittelbaren Verantwortung für eine effektive Krankenversorgung als solche entlastet wurden, den beschriebenen Ausgleich bei sachgerechter Auslegung erreichen und deshalb mit der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer vereinbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2002 entschieden (Kammerbeschluss vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. - NVwZ 2003, 600). Es hat dies durch die bereits genannten Kammerbeschlüsse bestätigt, die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen sind, das der Kläger gegen das beklagte Universitätsklinikum geführt hat. Tragend hierfür sind zwei Aspekte (vgl. zum Folgenden: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 11. November 2002 a.a.O. S. 601, vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 27 ff., vom 2. Juli 2008 - 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 25 ff. und vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 28 f.).
137 
Zum einen wird zwar die für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer relevante Unterscheidung zwischen universitärer Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits nach der Verselbständigung der Universitätskliniken auch in der Organisationsstruktur der Hochschulmedizin sichtbar. Dabei sichert es jedoch die Wissenschaftsfreiheit, dass die Aufgabe medizinischer Forschung und Lehre in erster Linie bei den Universitäten und dort bei den medizinischen Fachbereichen verblieben ist. Die Fachbereiche, als diejenigen universitären Organisationseinheiten, über deren Organe die Hochschullehrer Einfluss innerhalb des organisierten Wissenschaftsbetriebs ausüben können, entscheiden gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 31b Abs. 2 HG NW insbesondere über die für Forschung und Lehre vorgesehenen Stellen und Mittel. Die Universitätskliniken haben insoweit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW nur eine dienende Funktion. Ihre Entscheidungskompetenzen beziehen sich vor allem auf die Organisation der Krankenversorgung mit dem Ziel, den dort bestehenden Effektivitätsanforderungen gerecht zu werden.
138 
Zum anderen wird im Rahmen dieser Aufgaben- und Verantwortungsteilung die primäre Zuständigkeit der medizinischen Fachbereiche für die Wissenschaftsfreiheit dadurch organisatorisch gewährleistet, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW Entscheidungen der verselbständigten Universitätskliniken im Bereich der Krankenversorgung, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen der medizinischen Fachbereiche rückgebunden sind. In Gestalt dieses Einvernehmenserfordernisses hat der Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber den Fachbereichen das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Instrument zur Verfügung gestellt, das es ihnen ermöglicht, die Erfordernisse, die sich aus der Grundrechtswahrnehmung der medizinischen Hochschullehrer ergeben, in den Verantwortungsbereich der verselbständigten Universitätskliniken zu transportieren. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich damit als eine andere Art des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Teil des Klinikumsbetriebs dar. Ihm kommt eine Sicherungsfunktion für die Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer zu. Diese können ihren grundrechtlich garantierten Einfluss mittels der Einvernehmensregelung über die Fachbereichsorgane auch auf wissenschaftsrelevante Maßnahmen der Universitätskliniken ausüben. Durch die Handhabung dieser Regelung können die Fachbereiche zudem den materiellen (Grund-)Ausstattungsansprüchen der Hochschullehrer gegenüber den Universitätskliniken zum Durchbruch verhelfen.
139 
Das auf diese Weise strukturierte landesrechtliche Regelungssystem kann seine auf Grund bundesverfassungsrechtlicher Vorgabe beruhende Ausgleichsfunktion indes nur erfüllen, wenn sich die Universitätskliniken, was die Wahrung der Belange von Forschung und Lehre in der Krankenversorgung anbelangt, auf ihre dienende Funktion nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW beschränken können, wie andererseits auch die medizinischen Fachbereiche von ihrer unmittelbaren Verantwortung für die Krankenversorgung jenseits ihres mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs entlastet sind. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben, die Universitätskliniken hingegen die Erklärungen durch eines der Organe der medizinischen Fachbereiche über die Erteilung oder Nichterteilung des Einvernehmens im tatsächlichen Sinne als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ihrer Entscheidungen übernehmen können und müssen und die Fachbereichsbeschlüsse weder - wie von dem Oberverwaltungsgericht gefordert (im Ansatz ebenso: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August 2012 - 9 S 2752/11 - DVBl 2013, 326 <328>) - auf ihr grundrechtswahrendes Zustandekommen im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer noch - weitergehend - auf ihre materielle Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht, insbesondere mit dem Recht auf eine für die wissenschaftliche Betätigung erforderliche Grundausstattung zu überprüfen haben. Die für die Universitätskliniken handelnden Vorstände wären einer solchen Kontrollaufgabe schon von ihrer nach § 5 Abs. 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 5 HG NW speziell auf die effektive Bewältigung der Krankenversorgung ausgerichteten personellen Zusammensetzung her nicht gewachsen. Würden sie mit dieser Aufgabe zur Kontrolle belastet und hätten sie für deren Ergebnis einzustehen, würden die mit der organisatorischen Verselbständigung der Universitätskliniken verbundenen Effektivitätsgewinne für die Krankenversorgung weitgehend zunichte gemacht, mit entsprechenden Gefahren für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter.
140 
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass einer tatsächlichen Einvernehmenserteilung durch einen medizinischen Fachbereich auch dann Relevanz zukommt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem die Klinikumsentscheidung, auf die sich das Einvernehmen bezieht, bereits - jedenfalls teilweise - vollzogen worden ist (a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August 2012 a.a.O. S. 329). Auch insoweit darf das Universitätsklinikum nicht mit der Prüfung belastet werden, ob das tatsächlich erteilte Einvernehmen noch eine Schutzwirkung zu Gunsten der Wissenschaftsfreiheit der von der Entscheidung betroffenen medizinischen Hochschullehrer entfalten kann.
141 
Das Oberverwaltungsgericht und der Kläger können sich für ihre Annahme einer Verantwortlichkeit der Universitätskliniken für die Vereinbarkeit von Einvernehmenserklärungen der medizinischen Fachbereiche mit Anforderungen aus der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer nicht auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berufen, die der Kläger im Verlauf des gegen das beklagte Universitätsklinikum geführten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erwirkt hat. Dies gilt auch für den Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 und die in diesem (a.a.O. Rn. 32) enthaltene Erwägung, dass es für eine Prognose, ob von der Nachholung eines noch nicht erteilten Einvernehmens ausgegangen werden könne, nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens, sondern darauf ankomme, ob mit der Erteilung in einer Weise zu rechnen sei, die dem grundrechtswahrenden Gehalt der Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht werde. Denn diese Erwägung hat keinen verallgemeinerungsfähigen Inhalt. Das Bundesverfassungsgericht stand bei Erlass des besagten Kammerbeschlusses vor der Situation, dass zum einen der Kläger ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren über Jahre hinweg und von dem Oberverwaltungsgericht unbeanstandet nur gegen das beklagte Universitätsklinikum und nicht - zumindest auch - gegen den beigeladenen Fachbereich Medizin geführt hatte, und zum anderen das Oberverwaltungsgericht in seinen bisherigen, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Entscheidungen die Bedeutung des in § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW vorgesehenen Einvernehmenserfordernisses für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verkannt hatte. In diesem Stadium des Verfahrens ging es dem Bundesverfassungsgericht, das in seinen zuvor ergangenen Kammerbeschlüssen (vom 27. November 2007 a.a.O. Rn. 31, 42 und vom 2. Juli 2008 a.a.O. Rn. 24 ff.) die Inanspruchnahme - auch - des Fachbereichs aus verfassungsrechtlicher Sicht als vorzugswürdig aufgezeigt, wenn auch in Anbetracht des Eilcharakters des Verfahrens nicht abschließend für geboten erklärt hatte, ersichtlich nur noch darum, im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt noch eine die Wissenschaftsfreiheit des Klägers hinreichend berücksichtigende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts - und sei es isoliert gegen das beklagte Universitätsklinikum - zu erreichen.
142 
bbb) Durch die beschriebene alleinige Verantwortlichkeit der medizinischen Fachbereiche für die Grundrechtskonformität ihres tatsächlich erklärten Einvernehmens zu den wissenschaftsrelevanten Entscheidungen der Universitätskliniken wird ein medizinischer Hochschullehrer, der sich - wie der Kläger - durch eine Klinikumsentscheidung in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt sieht, nicht an der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gehindert.
143 
Solange der medizinische Fachbereich ein erforderliches Einvernehmen auch im tatsächlichen Sinne nicht erteilt hat, kann der Hochschullehrer von dem Universitätsklinikum im Wege der allgemeinen Leistungsklage Unterlassung verlangen bzw. diesem das fehlende Einvernehmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO entgegenhalten. Gegebenenfalls muss er durch ein zusätzliches, gegen den Fachbereich gerichtetes (Eil-)Verfahren zu erreichen suchen, dass der dem Dekan vorbehaltene Antrag auf eine Schlichtungsentscheidung des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums nach § 2 Abs. 2 Satz 4 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 4 UKVO NW nicht gestellt und dadurch die Klinikumsentscheidung blockiert wird (vgl. dazu: Böhmann, in: Leuze/Epping, HG NW, Bd. 2, Stand November 2012, § 31a Rn. 70; Pallme König, WissR, Beiheft 17 <2006>, 63 <91, 101 f.>).
144 
Hat jedoch der Fachbereich - wie im vorliegenden Fall - sein Einvernehmen im tatsächlichen Sinne erteilt, muss der Hochschullehrer diesen mit einer allgemeinen Leistungsklage darauf in Anspruch nehmen, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen und dadurch dem Universitätsklinikum die Grundlage für die Rechtmäßigkeit seiner Forschung und Lehre betreffenden Entscheidung zu entziehen. Ein solcher actus contrarius ist - vorbehaltlich von durch den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen - im Fall einer die Wissenschaftsfreiheit verletzenden Einvernehmenserteilung wegen der grundrechtlichen Sicherungsfunktion des Einvernehmenserfordernisses geboten (entsprechend zur Maßgeblichkeit des Fachrechts für die Rücknahme des Mitwirkungsakts bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt: Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 24.95 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 51 S. 2 - verneinend, Urteil vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 37.03 - BVerwGE 122, 58 <62 ff.> = Buchholz 230 § 123 BRRG Nr. 5 S. 6 ff. - bejahend). Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes steht wiederum das Verfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung.“
145 
Der Senat schließt sich aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit dieser Rechtsprechung an und hält an seiner gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest.
146 
Die Einwände des Klägers gegen die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung verfangen nicht.
147 
Der Kläger trägt vor, in der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fallgestaltung sei das Einvernehmen des Fakultätsrats bzw. Fachbereichsrats erforderlich gewesen, während es in seinem Fall um das Einvernehmen des Fakultätsvorstands gegangen sei. Dabei handele es sich um unterschiedliche Organe mit unterschiedlicher Funktion und Zusammensetzung, was einer Übertragung der Rechtsprechung entgegenstehe. Der Kläger nimmt indes insoweit nicht hinreichend in den Blick, dass der für die Organisation der Hochschulmedizin nach Bundesverfassungsrecht erforderliche angemessene Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits bereits grundsätzlich eine Belastung des Universitätsklinikums mit der Aufgabe der (inhaltlichen) Kontrolle des Einvernehmenserfordernisses verbietet. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben. Vor diesem Hintergrund kommt insoweit der vom Kläger in den Vordergrund gerückten unterschiedlichen Funktion und Zusammensetzung universitärer Gremien keine maßgebliche Bedeutung zu, zumal ersichtlich keine (vollständige) Identität zwischen dem Vorstand des Beklagten und dem der Medizinischen Fakultät besteht.
148 
Die Übertragung der aufgezeigten Rechtsprechung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes keinen durchgreifenden Bedenken. Der Kläger dürfte nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, spätestens aber durch die Übersendung des Schriftsatzes des Beklagten vom 12.08.2014 (dort wird die Notwendigkeit einer „Klage gegen die Fakultät“ angesprochen), gehalten gewesen sein, den im Urteil gewiesenen Weg zur Erlangung von Rechtsschutz gegen das vom Fakultätsvorstand erteilte Einvernehmen zu beschreiten. Hierzu hätte er in erster Linie Verpflichtungsklage gegen die Medizinische Fakultät bzw. die Universität ... auf Rücknahme des erteilten Einvernehmens erheben müssen. Dies hat er - soweit ersichtlich - bislang nicht getan. Den im Schriftsatz vom 31.10.2014 (vorsorglich) angekündigten Antrag, „die Klage auf den Fakultätsvorstand zu erweitern und diesen zu verpflichten, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen“, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Im Übrigen würde es sich um eine unzulässige Klageänderung handeln. Eine Klageänderung ist auch im Berufungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO möglich. Danach ist die Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 91 Abs. 1 VwGO). Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO). Dies gilt auch für Klagänderungen im Berufungsverfahren (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO und dazu Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014 § 125 Rn. 29). Eine - auch konkludente - Einwilligung des Beklagten liegt nicht vor. Die Sachdienlichkeit wäre zu verneinen, weil die Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben wäre und es deshalb an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs fehlte.
149 
3. Auch die Rüge der Nichtbeachtung des Zustimmungserfordernisses aus § 9 Abs. 2 UKG hat keinen Erfolg.
150 
Nach dieser Bestimmung bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Rechtsgeschäfte, Maßnahmen und Regelungen. Zu den zustimmungsbedürftigen Maßnahmen zählen insbesondere
151 
1. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien sowie sonstigen Verpflichtungen in Bezug auf fremde Verbindlichkeiten außerhalb der von ihm bestimmten Wertgrenzen,
2. die Gründung von und Beteiligung an anderen Unternehmen,
3. der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten,
4. die Aufnahme von Krediten und die Gewährung von Darlehen außerhalb der von ihm bestimmten Wertgrenzen.
152 
Danach bedurfte die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung ersichtlich nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats. Im Katalog des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG wird diese Maßnahme nicht genannt. Sie kann aber auch nicht als „außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Maßnahme“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 UKG verstanden werden. Mit der Vorschrift sollen „wirtschaftlich bedeutende Geschäftsvorgänge“ (vgl. Sandberger, Landeshochschulgesetz, 2. Aufl. 2015, § 9 UKG Rn. 2) von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden. Als Vergleichsmaßstab für die „außergewöhnliche“ wirtschaftliche Bedeutung dürfte insoweit der Katalog der insbesondere zustimmungsbedürftigen Maßnahmen des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG heranzuziehen zu sein. Ausgehend hiervon wird eine einzelne Personalmaßnahme wie die Abberufung eines Abteilungsleiters ersichtlich nicht von der Zustimmungspflicht erfasst.
153 
4. In seiner die „erste“ Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffenden Entscheidung vom 02.08.2012 hatte der Senat entschieden, dass sich die formelle Unwirksamkeit dieser Kündigung auch daraus ergebe, dass der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung (vgl. § 53 Abs. 1 LHG) bewirkt und es insoweit an seiner Zuständigkeit gefehlt habe. Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung habe der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit habe er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handele sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig sei (Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.).
154 
Die hier gegenständliche Kündigung leidet nicht mehr an diesem Zuständigkeitsmangel. Mit dem bereits angesprochenen, der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz „soweit er [der Dienstvertrag] nicht Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“ hat der Beklagte ausdrücklich klargestellt, dass die beamtenrechtliche Stellung des Klägers von der Kündigung unberührt bleiben soll und demgemäß insbesondere seine Aufgaben in der Krankenversorgung nicht tangiert sein sollen (vgl. bereits hierzu das Senatsurteil vom 23.08.2012, a.a.O., S. 37 des Entscheidungsabdrucks). Wie erwähnt, hat der Beklagte dementsprechend den Kläger in der Folgezeit auch aufgefordert, wieder Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen. Der Wille des Beklagten zielt auch nicht auf eine unzulässige Teil-Kündigung des Dienstvertrags ab, weil sämtliche vertraglichen Rechte und Pflichten zur Krankenversorgung gekündigt werden.
155 
Schließlich traten die Wirkungen der Kündigung erst ein, nachdem das MWK in jedenfalls wirksamer Weise die Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers geändert hatte. Mithin war die Abberufung von der Abteilungsleitung auch vom Willen des beamtenrechtlichen Dienstherrn gedeckt.
II.
156 
Das Verwaltungsgericht hat die Kündigung vom 30.09.2009 indes im Ergebnis zu Recht in materiell-rechtlicher Hinsicht als unwirksam angesehen.
157 
1. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem vom Kläger erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs.
158 
Zwar hat der Beklagte jedenfalls bereits im März 2007 (und wohl auch schon im Januar 2007) von den anonymen Anzeigen und damit von den gegen den Kläger gerichteten Vorwürfen Kenntnis erhalten. Auch hat ihn dies nicht gehindert, die vertraglichen Beziehungen zu diesem mit dem unter dem 24.07.2007 geschlossenen „Dienstvertrag“ auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieser Chefarztvertrag sah wiederum eine Liquidationsbefugnis des Klägers vor, nachdem seit dem 01.03.2004 die Berechtigung des Klägers, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, beendet worden war. Allerdings lassen diese Umstände die Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Dies gilt schon deshalb, weil die ausreichende Kenntnis verdachtsverstärkender Indizien erneut zur Verdachtskündigung berechtigen kann (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE 137, 54). Hier waren die in der Anklageschrift vom 17.07.2009 aufgeführten Ermittlungsergebnisse hinreichender Anlass für die erneute Verdachtskündigung.
159 
2. Die materielle Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich auch nicht aus den vom Kläger behaupteten Verstößen gegen Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 33 Abs. 5 GG herleiten.
160 
Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet kein Recht auf den Besitzstand „wohlerworbener Rechte“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [62 ff.]). Demgemäß vermittelt auch die dem Kläger verliehene Stellung als Universitätsprofessor keinen Anspruch auf ungeschmälerte Aufrechterhaltung des bestehenden Aufgabenbereichs. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Tätigkeit als leitender Klinikarzt mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert ist. Auch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt nicht, dass ein Hochschullehrer Leitungsfunktionen an der wissenschaftlichen Einrichtung, an welcher er tätig ist, ausüben muss. Im Bereich der Krankenversorgung ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine Zusatzaufgabe handelt, die vom ärztlichen Hochschullehrer neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre betrieben wird (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 - und Beschluss vom 04.10.2011 - 9 S 1948/10 - jeweils m.w.N.).
161 
Soweit der Kläger unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG die unzureichende Ausstattung mit sächlichen und personellen Mitteln geltend macht (aufgabengerechte Mindestausstattung, angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel) und u.a. eine Beeinträchtigung seiner Forschungsprojekte und Ausbildungsvorhaben vorträgt, vermag er damit die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Kündigung nicht zu begründen. Entsprechende Ansprüche wären gegen die Medizinische Fakultät der Universität ... zu richten (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 04.10.2011, a.a.O.; vgl. auch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 08.08.2012 [1 K 2582/09]).
162 
Unabhängig davon hat das MWK dem Antrag der Universität auf Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers stattgegeben und mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 mitgeteilt, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum.... Trotz des vom Kläger erhobenen Widerspruchs ist die Änderung der Funktionsbeschreibung wirksam geworden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) und lag deshalb zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung (01.04.2010) vor.
163 
3. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich indes daraus, dass der vom Beklagten in Anspruch genommene Kündigungsgrund nicht vorliegt.
164 
a) Rechtliche Grundlage der ordentlichen Kündigung ist § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags, wonach der Vertrag mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden kann, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
165 
Bei der Kündigung vom 30.09.2009 handelt es sich unstreitig um eine Verdachtskündigung, was sich schon aus der Bezugnahme („kündigen wir den Dienstvertrag vorsorglich erneut“) auf die explizit als „Verdachtskündigung“ bezeichnete Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ergibt. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine - verhaltens- bzw. personenbedingte - Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen (BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris).
166 
b) Die Maßstäbe, nach denen die Rechtmäßigkeit einer Verdachtskündigung zu beurteilen sind, sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Bereich des Arbeitsrechts entwickelt und konkretisiert worden. Einer Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung stehen durchgreifende rechtliche Bedenken nicht entgegen. Wie sich aus § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags ergibt, entsprach es dem klaren und eindeutigen Willen der vertragsschließenden Parteien, im Hinblick auf die eine ordentliche Kündigung rechtfertigenden Gründe auf die „Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz“ Bezug zu nehmen. Damit liegt die Anwendbarkeit der Grundsätze für Verdachtskündigungen nahe, die - wie dargelegt - als personen- bzw. verhaltensbedingte Kündigungsgründe i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt sind. Zwar ist vom öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 auszugehen (vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.; vgl. auch VG ..., Urteil vom 08.07.2015 - 1 K 849/13 -, juris). Es ist aber weder vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich, dass die Besonderheiten der zwischen dem Kläger auf der einen und dem Beklagten, dem Land Baden-Württemberg und der Universität ... auf der anderen Seite bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen bzw. die insoweit bestehende - durchaus komplexe - Interessenlage einer Übertragung der im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze der Verdachtskündigung entgegenstehen.
167 
c) Wie dargelegt, kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
168 
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. des BAG, Urteile vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris, vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -, juris, vom 25.10.2012 - 2 AZ2 AZR 700/11 -, Rn. 13, und vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, Rn. 16).
169 
Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG, Urteile vom 23.05.2013, a.a.O, vom 25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
170 
Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O., und vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 -, Rn. 32, BAGE 146, 303).
171 
Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 -, Rn. 17, a.a.O.).
172 
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, juris, Rn. 17, vom 05.06.2008 - 2 AZR 234/07 -, juris, Rn. 25). Derartige Umstände können bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein. Dies gilt beispielsweise für die Erhebung der öffentlichen Klage. Zwar kann diese für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen. Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (BAG, Urteil vom 27. 01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE 137, 54 m.w.N.).
173 
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (zum Haftbefehl vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom 29.11.2007 - 2 AZR 724/06 -, Rn. 38). Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011, a.a.O. m.w.N.).
174 
Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG, Urteile vom 18.11.1999 - 2 AZR 852/98 -, BAGE 93, 12, und vom 26.03.1992 - 2 AZR 519/91 -). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
175 
d) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, juris, Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG, Urteile vom 23.05.2013, a.a.O., und vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 -, juris, Rn. 21, und vom 04.06.1997 - 2 AZR 362/96 -, BAGE 86, 88).
176 
Sowohl bei lediglich verdachtserhärtenden neuen Tatsachen als auch bei Tatsachen, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es keiner erneuten Anhörung des Arbeitnehmers. Er kann sich gegen den verstärkten bzw. neuen Verdacht ohne weiteres im anhängigen Kündigungsschutzverfahren verteidigen (vgl. BAG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.).
177 
e) Eine Abschwächung der vorstehenden Anforderungen im Hinblick darauf, dass die Stellung des Klägers als C3-Professor und insbesondere die damit verbundenen Einkünfte von der gegenständlichen Kündigung unberührt blieben, erscheint nach Auffassung des Senats auch mit Blick auf den bereits oben aufgezeigten Willen der vertragsschließenden Parteien, die Grundsätze des arbeitsrechtlichen Kündigungsrechts für anwendbar zu erklären, nicht gerechtfertigt.
178 
f) An diesem Maßstab gemessen lagen bezogen auf den Kündigungszeitpunkt die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vor. Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die zunächst schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen den Kläger seien durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert, dass sich die für einen Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
179 
(1) Allerdings konnte die Verdachtskündigung nicht allein auf den Tatverdacht bejahende Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden oder der Gerichte (etwa die Beschlüsse des Amtsgerichts ... über die Anordnung von Durchsuchungen nach §§ 103, 105 StPO sowie die Beschlüsse des Landgerichts... vom 14.09.2012 über die Eröffnung des Hauptverfahrens sowie vom 12.02.2014 über die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO) gestützt werden. Auch durfte sich das Verwaltungsgericht nicht darauf beschränken, zur Beurteilung des dringenden Tatverdachts allein den Ergänzungsbericht der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 und die schriftsätzliche Einlassung des Kläger im Strafverfahren heranzuziehen. Wie dargelegt sind die Arbeitsgerichte auch im Kündigungsschutzprozess um eine Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten (siehe bereits oben unter c). Mit Blick auf die in § 86 Abs. 1 Satz 1 und § 96 Abs. 1 VwGO normierten Grundsätze der Amtsermittlung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme muss dies erst recht für die Verwaltungsgerichte gelten, wenn ihnen - wie hier - die Überprüfung einer Verdachtskündigung obliegt. Danach war insbesondere die Einvernahme der Zeugen aus den „Lagern“ des Beklagten (A, B) und der XY bzw. der Fa. M (D, E und C) prozessrechtlich geboten. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass durch die Nachermittlungen, die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO wie auch durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens (Einstellungsverfügung vom 29.09.2015) eine Änderung der Verfahrens- und Beweislage zugunsten des Klägers eingetreten war.
180 
(2) Nach dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat sich nicht feststellen lassen, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt einer im oben aufgezeigten Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen ist. Dies gilt für die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße gegen seine Verschwiegenheitspflicht (im Folgenden unter [a]) ebenso wie für die behaupteten Verstöße gegen die Pflicht, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen (im Folgenden unter [b]).
181 
(a) Als eine die Verdachtskündigung rechtfertigende schwerwiegende Pflichtverletzung kann grundsätzlich auch ein Verstoß gegen eine dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht in Betracht kommen. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass die schuldhafte Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Arbeitnehmer grundsätzlich auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Auch ohne besondere arbeitsvertragliche Vereinbarung gehören nach § 241 Abs. 2 BGB zahlreiche vertragliche Nebenpflichten zu den zu beachtenden Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers. Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 -, BAGE 107, 36; Beschluss vom 23.10.2008 - 2 ABR 59/07 -, juris; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl. 2017 Rn. 710). Im vorliegenden Fall ist die Verschwiegenheitspflicht explizit vertraglich geregelt (§ 2 Abs. 4 des Dienstvertrags vom 24.07.2007: „Über interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums bewahrt der Ärztliche Direktor Stillschweigen. Dies gilt auch für die Zeit, in der er nicht mehr im Universitätsklinikum tätig ist“).
182 
(aa) Vorwurf der Weitergabe von Informationen aus Geschäftsbeziehungen des Beklagten zu Lieferanten von Laborverbrauchsbedarf (Rechnungen, Preislisten u.Ä.)
183 
(aaa) Soweit dem Kläger unter Bezugnahme auf den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und dem Zeugen E (vgl. Beweismittelordner - im Folgenden BMO - Reg.-Nr. 6) vorgeworfen wird, zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 28.02.2006 Detailinformationen an den Zeugen E weitergegeben zu haben, hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass es sich insoweit um geheimhaltungsbedürftige Tatsachen gehandelt hat.
184 
Sowohl für die vertragliche wie für die spezialgesetzliche Geheimhaltungspflicht ist der Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses wesentlich. Hierunter versteht man Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, nicht offenkundig sind, nach dem (ausdrücklich oder konkludent) bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat (BAG, Urteil vom 15.12.1987 - 3 AZR 474/86 -, BAGE 57, 159). Der Arbeitgeber muss ein sachliches und objektiv berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung, also zur Anerkennung bestimmter Tatsachen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis haben (BAG, Beschluss vom 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 -, BAGE 55, 96; vgl. Preis, a.a.O., § 611 Rn. 713). Insoweit sind auch einer einzelvertraglichen Erweiterung der Geheimhaltungspflichten Grenzen gesetzt (vgl. Preis, a.a.O., § 611 Rn. 714). Auch eine - wie im vorliegenden Fall - weit gefasste („interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums“) - Verschwiegenheitsvereinbarung kann nur insoweit zulässig sein, als die Geheimhaltung durch berechtigte betriebliche Interessen gedeckt ist (Preis, a.a.O.). Angesichts der vergleichbaren Interessenlage hält der Senat trotz des öffentlich-rechtlichen Charakters und der sonstigen Besonderheiten der zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsbeziehung eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung für angezeigt.
185 
Im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. V, Schriftsatz vom 16.12.2009, S. 669 ff.) hat der Kläger geltend gemacht, bei den betreffenden Informationen habe es sich um ein sogenanntes Mengengerüst gehandelt. Daraus sei lediglich die Menge der verbrauchten Reagenzien zu entnehmen. Insbesondere bei einem Labor, das auch Forschungsaufgaben habe, lasse sich aus dem Mengengerüst kein Rückschluss auf die Anzahl der durchgeführten Analysen oder die entsprechenden Kosten ziehen, da die Reagenzien nicht nur für die Analysen, sondern auch für die Kalibrierung der Geräte und für besondere Forschungsprojekte verwendet würden. Aus dem Mengengerüst seien insbesondere die Artikelpreise der einzelnen Reagenzien nicht zu entnehmen, auch sei nicht erkennbar, welche Firmen lieferten. Anhand solcher Informationen könne lediglich etwas über den Umfang der im Zentrallabor verbrauchten Reagenzien ausgesagt werden. Dem entspricht jedenfalls im maßgeblichen Kern die Aussage des Zeugen E zu der ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Liste (Überschrift „Kosten“, Preise 2003/2004, BMO Reg.-Nr. 6). Abgesehen davon, dass er nicht mehr sagen konnte, „durch wen oder was“ er die Liste erhalten habe, und er „am ehesten“ vermutete, dass der Zeuge C ihm diese Unterlagen „irgendwann mal“ geschickt oder weitergegeben habe, hat er sie als „Controllingkostenübersicht“ mit sehr geringer Aussagekraft eingestuft, da „kein Mensch wirklich einschätzen [könne], wieviel Anteile von irgendwas da rein gerechnet wurden“, und damit insbesondere die tatsächlichen oder reinen Materialkosten nicht bestimmt werden könnten. Vor diesem Hintergrund, der im Rahmen der Vernehmung deutlich gewordenen Fachkompetenz des Zeugen E und mit Blick darauf, dass die Listen weder die Artikelpreise der Laborverbrauchsmaterialien noch die Namen der Lieferanten erkennen lassen, erscheint dem Senat die von der Klägerseite vorgenommene Qualifizierung als „Mengengerüst“ nachvollziehbar, zumal der Zeuge B angegeben hat, dass der Kläger ein Mengengerüst ohne Probleme aus der eigenen Labor-EDV darlegen konnte. Die Zeugen A und B haben in ihren Vernehmungen vor dem erkennenden Senat übereinstimmend bekundet, dass im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen die Weitergabe eines Mengengerüsts an mögliche Vertragspartner notwendig sei, damit diese kalkulieren könnten (Niederschrift, Anlage 1, S. 2; Anlage 2, S. 4). Deshalb spricht nach Auffassung des Senats Überwiegendes dafür, dass der Weitergabe der in der E-Mail vom 28.02.2006 thematisierten Informationen bereits keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten entgegenstanden. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich die Beweislage in Rechnung gestellt wird, die sich nach Durchführung der Beweisaufnahme im Hinblick auf den weiteren Vorwurf ergeben hat, der Kläger habe im Anschluss an die Besprechung am 23.05.2006 eine Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) weitergegeben bzw. deren Weitergabe veranlasst. Danach begegnet die Darstellung des Beklagten, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, erheblichen Zweifeln (vgl. dazu noch im Einzelnen unten unter (ccc). Wird dies zusätzlich berücksichtigt, stellen sich die gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente als noch einmal erheblich abgeschwächt dar.
186 
Selbst wenn insoweit von dem Verdacht eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht ausgegangen werden müsste, könnte nicht angenommen werden, dass dieser den Beklagten zu einer Kündigung berechtigt hätte. Entscheidend für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist der mit dem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verbundene Vertrauensbruch. Es begegnet indes erheblichen Zweifeln, ob das Gewicht des in Rede stehenden Pflichtverstoßes geeignet gewesen wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis ernsthaft in Frage zu stellen.
187 
Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus der Sicht des Klägers Inhalt und Grenzen der ihm auferlegten Verschwiegenheitspflicht als unklar darstellen mussten. Insoweit bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob eine etwaige Pflichtverletzung überhaupt auf einem Verschulden des Klägers beruhte (vgl. Thüsing, in: Hennsler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 611 Rn. 352). So hat es der Beklagte ersichtlich unterlassen, den denkbar weiten Inhalt dieser Pflicht („interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums“) in handhabbarer und für die Verpflichteten nachvollziehbarer Weise - etwa durch die Aufstellung schriftlicher Vorgaben - zu konkretisieren. Zwar hat der ehemalige Kaufmännische Direktor des Beklagten in der Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 den Eindruck erweckt, dass Klarheit über die Geheimhaltungspflichten des Klägers bzw. der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale bestanden habe. So hat er etwa bekundet, „Herr Professor W war und ist nicht autorisiert, Informationen über Einkaufsmengen und Einkaufspreise an Dritte ohne Rücksprache mit der Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, weiterzugeben.“ sowie „Jede unbefugte Weitergabe interner Vorgänge an Externe stellt eine Dienstpflichtverletzung dar“. Indes hat die Beweisaufnahme ergeben, dass mit den Angaben des ehemaligen Kaufmännischen Direktors die Praxis des Beklagten, insbesondere der Reagenzienzentrale, nicht zutreffend wiedergeben worden ist. Wie dargelegt, haben die Zeugen A und B übereinstimmend angegeben, dass im Rahmen von Vertragsverhandlungen jedenfalls immer auch ein Mengengerüst an den künftigen Vertragspartner mitzuteilen ist. Auch die zahlreichen Protokolle des Zeugen C über im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags geführte Gespräche haben eindrucksvoll belegt, dass etwa zwischen den Zeugen A und C ein offener Informationsaustausch stattgefunden hat (siehe noch unten), der mit der Absolutheit der Darstellung des vormaligen Kaufmännischen Direktors nicht in Einklang zu bringen ist.
188 
Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger als Ärztlichem Direktor der Abteilung Klinische Chemie und Leiter des Zentrallabors nach dem Dienstvertrag vom 24.07.2007 die Pflicht auferlegt war, für die Wirtschaftlichkeit der Abteilung zu sorgen (§ 4 Abs. 1 des Dienstvertrags). Deshalb war auch die dem Kläger gemäß § 2 Absatz 4 des Dienstvertrages vom 27.04.2007 pauschal und ohne jede Differenzierung oder Konkretisierung auferlegte Pflicht zur Verschwiegenheit im Lichte dieses Wirtschaftlichkeitsgebots zu konkretisieren. Mit Blick auf die - vom Beklagten nicht in Frage gestellte - sehr angespannte wirtschaftliche Situation der Abteilung sowie den - unstreitigen - Umstand eines zum Nachteil der Universitätsklinika gespaltenen Markts beim Einkauf von Laborreagenzien konnte davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund des Dienstvertrags auch gehalten war, konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um die wirtschaftliche Situation der Abteilung zu verbessern. Der Senat hat nach Auswertung der ihm vorliegenden Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Kollegen D wie die Bemühungen um die Anbahnung eines geschäftlichen Kontakts zur XY und insbesondere auch die hier gegenständliche Weitergabe von Informationen maßgeblich von der Motivation des Klägers getragen waren, die wirtschaftliche Situation seiner Abteilung zu verbessern (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, unter II. 1.c), Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 987; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229 ff.; vgl. auch die Aussage des Zeugen E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1871 „er [E] hatte den Eindruck, Prof. X habe alles getan, um für das Klinikum günstigere Konditionen und Verbesserungen in den Budgets zu erwirken.“).
189 
Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass hier weder besonders aussagekräftige noch besonders schutzbedürftige, insbesondere bestimmten Lieferanten individuell zurechenbare Daten weitergegeben wurden, spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung eher formaler Natur auszugehen wäre, die allenfalls mit einer Abmahnung zu ahnden gewesen wäre.
190 
(bbb) Bezogen auf den in der Anklageschrift und damit auch in der Kündigung erhobenen Vorwurf, der Kläger habe dem Zeugen E Ende März 2006 insgesamt 17 Originalrechnungen der Firma ... an den Beklagten (von Februar 2005 bis März 2006) zugeleitet, bestehen zwar Verdachtsmomente gegen den Kläger. Denn diese Rechnungen (BMO Reg.-Nr. 10) sind anlässlich der Durchsuchung des Büros des Klägers im Universitätsklinikum dort aufgefunden worden. Auch trägt die 1. Rechnung vom 09.03.2006 den handschriftlichen Vermerk „Für Herrn E von H. X“ und hat die ehemalige Sekretärin des Klägers, Frau C., im Strafverfahren bekundet, dass es sich insoweit um die Handschrift des Klägers handelt (Akte Strafverfahren, Bd. II, S. 231). Allerdings fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Rechnungen tatsächlich jemals in die Verfügungsgewalt des Zeugen E bzw. anderer Mitarbeiter der XY gelangt sind. Der Zeuge E hat sowohl bei seiner Vernehmung im Strafverfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bekundet, die Rechnungen nicht erhalten zu haben. Dabei hat er - nachvollziehbar - auch darauf verwiesen, dass diese Dokumente auch bei der Durchsuchung der Geschäftsräume von XY nicht gefunden worden seien. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge die Unwahrheit gesagt hat, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
191 
Nichts anderes gilt, wenn der Inhalt des vom Zeugen C erstellten Protokolls eines am 10.03.2006 erfolgten Treffens bei XY in ... hinzugenommen wird. Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hat der Zeuge E bestritten, dass der Kläger ihm Originalrechnungen der Klinik, Lieferverträge und Unterlagen über „Artikelstamm auf SAP“ zugänglich gemacht hat (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1849). Für die im Protokoll unter der Überschrift „3. Aufgaben“ aufgeführte Aufgabe „Sendung von Originalrechnungen der Klinik, evtl. Lieferverträge und Artikelstamm auf SAP an XX“ wird im Übrigen „XXX“, also der Zeuge C selbst - und nicht etwa der Kläger - für zuständig erklärt. Schließlich hat der Zeuge C bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, diese Aufgabe sei nie ausgeführt worden, vielmehr sei die erste Zuverfügungstellung von Rechnungen durch den Zeugen A erfolgt (Niederschrift, Anlage 3, S. 9, 34). Auch insoweit vermag der Senat hinreichende Anhaltspunkte für eine Unglaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen E und C nicht festzustellen.
192 
Unabhängig davon bestünden angesichts des begrenzten Umfangs und der beschränkten Aussagekraft der Rechnungen sowie der Beweislage zum Vorwurf der Weitergabe einer Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) erhebliche Zweifel daran, dass der Beklagte ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen hatte. Jedenfalls spräche auch insoweit nach den unter (aaa) dargestellten Grundsätzen vieles dafür, dass allenfalls vom Verdacht einer geringfügigen, ggf. mit einer Abmahnung zu ahndenden Pflichtverletzung eher formaler Natur auszugehen wäre.
193 
(ccc) Dem Kläger wurde weiter vorgeworfen, unter Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht im Anschluss an ein Gespräch mit Vertretern der XY am 23.05.2006 veranlasst zu haben, dass der Zeuge B eine sog. Liste „ABC Analyse“ erstellte, aus der die Standardartikel des Zentrallabors mit Artikelbezeichnung und Namen der Lieferfirmen, Mengen und letzten Einkaufspreisen hervorgehen, und dass diese Liste per E-Mail an das Büro des Klägers und letztlich an den Zeugen C weitergeleitet wurde.
194 
(α) Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Weitergabe dieser Liste auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist.
195 
Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung vor dem erkennenden Senat bekundet, aus dem Laborbereich die Aufforderung bekommen zu haben, eine ABC-Analyse zu erstellen der Artikel vom Zentrallabor mit entsprechendem Mengen- und Preisgerüst (Hervorhebung nur hier). Er wisse nicht mehr, ob die Aufforderung direkt vom Kläger gekommen sei oder von dessen Sekretärin. Auch konkrete Angaben zur Form der Aufforderung konnte der Zeuge nicht machen. In seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte er bekundet, wäre der Zeuge A damals nicht im Urlaub gewesen, hätte er den Auftrag, die Einkaufslisten mit Preisen zu erstellen, sicherlich direkt vom Zeugen A bekommen und nicht von dem Kläger oder dessen Sekretariat.
196 
Demgegenüber hat der Zeuge C angegeben, nach dem am 23.05.2006 erfolgten Treffen von Vertretern der XY und Verantwortlichen des Beklagten, vermutlich am 24.05.2006, ein weiteres, persönliches Treffen allein mit dem Zeugen A gehabt zu haben, bei dem vereinbart worden sei, dass der Zeuge A eine Liste ABC-Analyse der Reagenzien des Zentrallabors erstellen lässt und der Zeuge C diese - wohl durch den Zeugen B zu erstellende - Liste im Labor des Klägers abholen kann.
197 
Zwar hat der Zeuge A bestritten, dass es in dieser Zeit, insbesondere am 24.05.2006 ein Treffen mit dem Zeugen C gegeben hat. Nach Auswertung der dem Senat vorliegenden Akten und Würdigung der einschlägigen Zeugenaussagen spricht indes vieles für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C.
198 
(αα) Einen erheblichen Beweiswert für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C zu dem persönlichen Gespräch mit dem Zeugen A am 24.05.2006 und im Übrigen auch für die Glaubhaftigkeit des Vortrags, bereits im Gespräch am 23.05.2016 sei seitens der Vertreter von XY darum gebeten worden, die Einkaufspreise des Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen, misst der Senat in diesem Zusammenhang der - auf dem Laptop des Zeugen C gesicherten - E-Mail vom 24.05.2006 bei (Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1421; vgl. auch den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010, Akten Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2131). Diese weist den Zeugen C als Ersteller, den Zeugen A als Empfänger und den Zeugen E als Kopie-Empfänger aus. Inhaltlich knüpft der Zeuge C darin an das „heutige Gespräch“ mit dem Zeugen A an und teilt mit, „Wie besprochen“ „die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Professor W abholen und auf Basis dieser Zahlen bis zum 12. Juni 2006 einen entsprechenden Vertragsentwurf zukommen zu lassen.“
199 
Auch wenn der Zeuge A in der mündlichen Verhandlung energisch bestritten hat, diese E-Mail jemals erhalten zu haben, deuten jedenfalls gewichtige Indizien auf das Gegenteil hin. Als objektives Beweismittel hervorzuheben ist dabei der Untersuchungsbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion Kriminaltechnische Untersuchungsstelle - vom 30.09.2010. Danach kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die betreffende E-Mail vom 24.05.2006 über Pegasus-Mail versandt wurde, und konnten keine Spuren, Hinweise oder Anhaltspunkte für eine Manipulation des besagten Mail-Verkehrs aufgefunden werden. Ferner hat der Zeuge E sowohl bei seiner Vernehmung im Strafverfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung bekundet, eine Kopie dieser E-Mail erhalten zu haben. Hinzu kommt, dass sich die E-Mail in besonderer Weise in die Chronologie der unstreitigen Geschehnisse im Anschluss an das am 23.05.2006 erfolgte Treffen einfügt: Der 24.05.2006 war der letzte Arbeitstag des Zeugen A vor seinem Urlaub. Der Kläger hatte nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben den 24.05., den 25.05. (Christi Himmelfahrt), den 26.05. sowie das darauf folgende Wochenende frei genommen und diese Tage anlässlich seines 35. Hochzeitstages im Kreise seiner Familie verbracht. Auf der Grundlage der Angaben des Zeugen B und dessen E-Mail vom 29.05.2006 ist davon auszugehen, dass er die Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (bereits) am Freitag, den 26.05.2006, gefertigt und am Montag, den 29.05.2006 um 10.45 Uhr per E-Mail an die Sekretärin den Klägers, Frau C, übermittelt hat. Diese hat die Liste am selben Tag um 12.38 Uhr per-E-Mail an den Zeugen C weitergeleitet. Zu diesem Ablauf stünde ein persönliches Gespräch des Zeugen C mit dem Zeugen A am 24.05.2006, in dem dieser die Zurverfügungstellung der ABC-Analyse durch die Reagenzienzentrale zusagt, nicht nur in keinem Widerspruch, es ließe die konkreten Abläufe einschließlich der raschen Ausführung des Auftrags nachvollziehbar und stimmig erscheinen.
200 
Soweit der Zeuge A dem entgegenhält, von der Telefonzentrale des Beklagten seien praktisch die Gespräche bzw. die Verbindungen dieses Tages rekonstruiert worden und man habe kein Telefongespräch mit dem Zeugen C gefunden, ist darauf zu verwiesen, dass der Zeuge C explizit und unter Nennung weiterer Einzelheiten von einem persönlichen Gespräch und nicht von einem Telefonat gesprochen hat. Der Zeuge A habe ihm noch erzählt, dass er danach in Urlaub gehen würde, über den Urlaub des Zeugen A sei gesprochen worden. Mit dem weiteren Einwand, der 24.05.2006 sei sein letzter Arbeitstag vor dem Urlaub gewesen und es wäre technisch nicht möglich gewesen, umfangreiche Listen überhaupt zu erstellen, wird die Plausibilität der Darstellung des Zeugen C, wonach die Erstellung der Liste an den Zeugen B delegiert worden sei, nicht ernsthaft in Frage gestellt. Dass andere E-Mails von Herrn C, die an ihn gingen, einen anderen Absender hatten als die in der E-Mail vom 24.05.2006 enthaltene Adresse „....C.com“, kann damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die Fa. M noch nicht existierte und demgemäß auch nicht die diesbezügliche E-Mail-Adresse. Dass der Zeuge A - im Unterschied zu der persönlicheren Anrede in späteren E-Mails - mit „Sehr geehrter Herr A“ angeredet wurde, erscheint mit Blick darauf, dass sich die beiden Zeugen unstreitig erstmals am 23.05.2006 kennengelernt hatten, nicht ungewöhnlich.
201 
(ββ) Dagegen, dass die Erstellung der sog. Liste „ABC Analyse“ und die Weiterleitung an den Zeugen C tatsächlich auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist, spricht auch die Darstellung des Zeugen E zur mangelnden Fachkompetenz des Klägers im Hinblick auf die mit einer derartigen Liste verbundenen Fragen. Er hat in nachvollziehbarer Weise auf die Frage, ob darüber gesprochen worden sei, wann und wie und durch wen die Übermittlung der Informationen, auch der Preisinformationen, habe erfolgen sollen, bekundet, aus seiner Erinnerung sei dies in erster Linie die Reagenzienzentrale gewesen. Aus seinen Gesprächen als Kaufmann habe er nicht den Eindruck gehabt, dass der Kläger wirklich verstehe, was er an Daten und Information gebraucht habe. Die einzigen, die ihn verstanden hätten, seien „mehr die Leute aus der Reagenzienzentrale, wie auch aus der Verwaltung, …“ gewesen (Niederschrift, Anlage 5, S. 5). Entsprechendes hat er auch an anderen Stellen seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht (Niederschrift, Anlage 5, S. 3, 9; vgl. auch die Ausführungen des Zeugen D, Anlage 4, S. 4).
202 
(γγ) Darüber hinaus fügt sich die Aussage des Zeugen C zu dem mit dem Zeugen A am 24.05.2006 geführten Gespräch in die übereinstimmende Darstellung der Geschehnisse im Vorfeld durch die Zeugen C, D und E ein. Die drei Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren bekundet, allen Teilnehmern des Gesprächs am 23.05.2006 sei klar gewesen, dass die Bekanntgabe der bisherigen Einkaufspreise aus den Lieferbeziehungen des Beklagten seitens der Vertreter von XY als notwendig angesehen wurde, um ein Angebot abgeben zu können; die Vertreter des Beklagten seien deshalb um die Zurverfügungstellung entsprechender Informationen gebeten worden. Nach dem Ergebnis der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion vom Juli 2010 bekräftigten alle Zeugen, dass die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich war und hierüber Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten bestand. Dies haben die Zeugen C und E in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat im Kern bestätigt. Der Zeuge D konnte zwar - anders als noch im Strafverfahren - nicht mehr sagen, ob die Vertreter des Klinikums gerade bei diesem Gespräch gebeten worden waren, die Einkaufspreise des Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen. Letzteres ist indes in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs und der verblassenden Erinnerung nachvollziehbar und nicht geeignet, den Beweiswert der anderen Bekundungen zu mindern. Nach der Überzeugung des Senats spricht vieles für deren Richtigkeit. Auch der Kläger hatte sich von Anfang an in dem Sinne eingelassen, dass immer klar gewesen sei, dass die Preise zwischen den Verhandlungspartnern kein Geheimnis gewesen seien (Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008 an den Beklagten, Akten Beklagter; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 963).
203 
Der hiergegen vom Beklagten erhobene Einwand, es sei nicht plausibel, weshalb die Verantwortlichen der XY die Einkaufspreise hätten kennen müssen, um ein Angebot zu erstellen, ist nicht geeignet, die Darstellung der Zeugen grundlegend in Zweifel zu ziehen.
204 
Der Zeuge D hat bekundet, man habe von der Verwaltung des Beklagten Daten haben müssen, um das Delta des Einsparvolumens zu bestimmen, und in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass er sich insoweit um Details nicht gekümmert habe (Niederschrift, Anlage 4, S. 4).
205 
Die Zeugen C und E sind in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und ausführlich zu diesem Punkt befragt worden. Auch wenn insoweit nicht alle Zweifelsfragen geklärt werden konnten, erscheint ihre Darstellung, die Ermittlung des Einsparpotenzials für den Beklagten und der Gewinnspanne für die XY sei ohne Kenntnis der Einkaufspreise mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, jedenfalls nachvollziehbar. Im Kern übereinstimmend haben die beiden Zeugen angegeben, Ziel sei ein „Pilotprojekt“ bzw. ein „einzigartiges Modell“ gewesen, dass es dem Beklagten habe ermöglichen sollen, sämtliche Produkte weiter bei den bisherigen Lieferanten zu den jeweils mit diesen individuell vereinbarten Konditionen einzukaufen (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 2; Anlage 3, S. 21). Die jeweils individuell vereinbarten Vorgaben bezüglich der Verträge mit den Lieferfirmen sollten erhalten bleiben, die XY sollte insoweit keinen inhaltlichen Einfluss ausüben (Anlage 5, S. 3). Dies hat der Zeuge A der Sache nach bestätigt (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 21: „Wir haben unsere Lieferantenstruktur, so wie sie war, beibehalten.“). Auch wenn für alle Beteiligten klar war, dass der Reagenzienmarkt ein „gespaltener Markt“ war und die niedergelassenen Ärzte und Labors weit weniger für Reagenzien und Diagnosemittel bezahlten als die Kliniken, erscheint doch plausibel, dass sich gerade eine Quantifizierung des Einsparvolumens auch mit Blick auf die Besonderheit der angestrebten Vertragsbeziehung schwierig darstellte, weil die Einkaufspreise abhängig waren von jeweils individuell mit den Lieferfirmen vereinbarten Konditionen. Insoweit hat insbesondere der Zeuge E die Komplexität eines aussagekräftigen Abgleichs der Reagenzienpreise anschaulich aufgezeigt (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 7 und 19). Für seine Glaubwürdigkeit sprechen dabei seine temporeichen und farbigen Schilderungen sowie die Konsistenz seiner Ausführungen auch bei wiederholten Fragen des Gerichts wie des Beklagten-Vertreters.
206 
Unabhängig davon dürfte es für die Glaubhaftigkeit der Darstellungen der Zeugen C, D und E, wonach im Rahmen des Gesprächs am 23.05.2006 um die Offenlegung von Einkaufspreisen des Beklagten gebeten wurde, nicht entscheidend darauf ankommen, ob es tatsächlich im engeren Sinne für die Erstellung eines Angebots durch die XY erforderlich war, die Einkaufspreise des Beklagten zu kennen. Denn auf der Grundlage der vorliegenden Akten und der Aussagen der Zeugen ist davon auszugehen, dass die Kenntnis der vom Beklagten tatsächlich gezahlten Einkaufspreise aus der Sicht der Vertreter der XY im Vorfeld des geplanten neuen Geschäftsmodells jedenfalls von Vorteil bzw. nützlich war, um die mögliche Gewinnspanne für die XY bzw. das unternehmerische Risiko, aber auch das konkrete Einsparvolumen für den Beklagten auszuloten (Anlage 5, S. 22, 26). Auch dieser Aspekt ließe das Verlangen nach einer Offenlegung der Preise nachvollziehbar erscheinen. Auch deshalb geht der Senat davon aus, dass dem vom Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zitierten Auszug aus einem Protokoll des Rechtsanwalts ... über eine Besprechung im März 2008 mit den Zeugen D und E, wonach diese ausgeführt haben sollen, dass sie die Konditionen zu den Kliniken und sonstigen Laboren, die Produkte bezögen, die Gegenstand des Rahmenvertrages seien, sehr genau abschätzen könnten, so dass sie Preislisten, wie sie im Vorfeld des Rahmenvertrages gefaxt worden seien, nicht benötigten, und dass M seit 20 Jahren Kliniken mit Reagenzien beliefere und man den Markt kenne, letztlich keine entscheidende Bedeutung zukommt.
207 
Allerdings verkennt der Senat nicht, dass die Zeugen A und B wie bereits zuvor im Strafverfahren auch in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend bekundet haben, in dem Gespräch vom 23.05.2006 seien sie nicht gebeten worden, die Einkaufspreise aus Verträgen mit Lieferanten von Laborbedarf zur Verfügung zu stellen, über Einkaufspreise sei nicht gesprochen worden. Der Zeuge A hat sogar explizit ausgesagt, er erinnere sich genau, dass über Preise nicht gesprochen worden sei. Der Beweiswert dieser - mit den Bekundungen der Zeugen C, D und E unvereinbaren - Darstellungen wird indes erheblich dadurch gemindert, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Darstellungen der beiden Zeugen in diesem und in anderem Zusammenhang in zahlreichen wesentlichen Punkten gravierenden Zweifeln begegnen. Diese Zweifel erstrecken sich vor allem auch auf die Behauptung, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat ohne Durchführung einer Gegenüberstellung der Zeugen der beiden „Lager“, die er (u.a.) mit Blick auf die grundsätzliche Beibehaltung der im Strafverfahren getätigten Aussagen nicht für sachdienlich gehalten hat (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 394 Abs. 2 ZPO).
208 
Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung auf die Frage, ob er mit dem Zeugen A über die Anforderung der Liste gesprochen hat, angegeben, über seine Bedenken habe er mit ihm gesprochen. Auf konkrete Nachfrage hat er bekundet, vor Versenden der E-Mail mit der ABC-Analyse noch mit dem Zeugen A gesprochen zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 9 f.). Demgegenüber hat der Zeuge A angegeben, die E-Mail erst nach seinem bis 11.06.2006 dauernden Urlaub gesehen und sich mit dem Zeugen B darüber unterhalten zu haben; insbesondere habe dieser nochmal darauf hingewiesen, dass sie nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen sei. Eine plausible Erklärung für diese unterschiedliche Darstellung ist trotz des erheblichen Zeitablaufs nicht ersichtlich. Unterschiede weisen auch die Angaben der beiden Zeugen zum Kontext der Anforderung der ABC-Analyse auf. So hat der Zeuge A die Anforderung der Liste zunächst vor den Hintergrund der Tätigkeit der Unternehmensberatung ... gestellt (Niederschrift, Anlage 1, S. 16: „ …in dieser Zeit gab es einen größeren Bedarf an Auswertung, weil wir die Unternehmensberater ... im Haus hatten und wir aufgefordert waren, immer wieder auch Analysen zu erstellen und für diese Gespräche bereitzustellen“). Auf die Frage, ob der Zeuge sagen könne, ob vom Zentrallabor bzw. vom Kläger schon einmal eine vergleichbare Liste angefordert worden sei, hat er geantwortet, diese Listen seien Standard für die Gespräche mit ... gewesen und seien ständig erstellt und auch dann regelmäßig an den Kläger über sein Sekretariat eingereicht worden (Niederschrift, Anlage 1, S. 18). Demgegenüber hat der Zeuge B im Zusammenhang mit der angeforderten Liste die Beratungsfirma ... unerwähnt gelassen und - im Übrigen im Einklang mit dem Vortrag des Klägers - angegeben, eine solche Liste für den Kläger „seines Wissens“ noch nie erstellt zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 8). Auf Nachfrage hat er erklärt, dass ihm nicht bekannt sei, dass der Kläger jemals eine solche Liste angefordert habe (ebenda). Auch mit Blick darauf, dass der Zeuge die Frage, ob das der „normale Weg“ sei, die Liste bei ihm, dem Zeugen B, anzufordern, bejaht hat, werfen diese Divergenzen in den Angaben der beiden Zeugen erhebliche Fragen auf. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Reagenzienzentrale um eine kleine Abteilung handelt, die Zeugen in „sehr engem Kontakt“ standen (Niederschrift, Anlage 2, S. 10) und deshalb von einem guten Informationsfluss auszugehen sein dürfte.
209 
Die Bekundungen der Zeugen A und B werfen weitere Fragen auf.
210 
Aus den Angaben des Zeugen B ergibt sich, dass dieser angesichts der zeitlichen Nähe der Anforderung der Liste (durch den Kläger oder sein Sekretariat) zu dem am 23.05.2006 mit den Vertretern der XY geführten Gespräch konkret die Gefahr gesehen hat, dass die Liste den Vertretern von XY zur Verfügung gestellt wird (vgl. Niederschrift, Anlage 2, S. 7). Legt man zugrunde, dass beide Zeugen mit Nachdruck bekundet haben, dass es die generelle und klare Haltung der Abteilung gewesen sei, Preise vor Vertragsschluss nie nach außen zu geben (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 13 f.; 17; Anlage 2, S. 4 f.), hätte es nahe gelegen, dass der Zeuge B mit Blick auf die konkret erkannte Gefahr unmittelbar einen Vorgesetzten informiert. Für den Fall der Urlaubsabwesenheit des Zeugen A hätte insoweit die Möglichkeit bestanden, sich bei weiteren Vorgesetzten (Herr R, Abteilungsleiter Materialwirtschaft, Herr J, Geschäftsbereichsleiter) abzusichern. Um zu verhindern, dass sich das vom Zeugen angenommene Risiko realisiert, erscheint der von ihm in der E-Mail gewählte Hinweis („Bitte gestatten Sie mir eine kleine Anmerkung, die Veröffentlichung von Einkaufspreisen könnte sich eventuell negativ auf die Angebotsausarbeitung eines Mitbewerbers auswirken“) als eher untaugliche Maßnahme, und stellt sich deshalb auch der diesbezügliche Vortrag als wenig schlüssig dar. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass - auf der Grundlage der obigen Feststellungen - sowohl der Zeuge A wie der Zeuge B schon zum damaligen Zeitpunkt übereinstimmend im Grundsatz davon ausgingen, dass es keine Mitbewerber gab, die etwas Vergleichbares anbieten konnten wie die XY. Vor diesem Hintergrund hätte der vom Zeugen B formulierten Befürchtung von vornherein eine reale Grundlage gefehlt und musste er damit rechnen, dass der Adressat der E-Mail den Hinweis nach seinem „Empfängerhorizont“ nicht als Beschränkung (im Sinne eines „nur für den internen Gebrauch“) verstand, sondern eine Weitergabe an die Vertreter der XY nicht als unzulässig ansah, weil - aus seiner Sicht - alle Beteiligten von deren Sonderstellung und Konkurrenzlosigkeit ausgingen. Dem Zeugen B ist diese - vom Zeugen A explizit eingeräumte (Anlage 1, S. 22) - Unzulänglichkeit der Formulierung in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat darauf erklärt, die Ausdrucksweise gewählt zu haben, „Weil es für mich ein grundsätzliches Thema gewesen ist“. Außerdem hat er darauf verwiesen, dass der Beklagte ja Konditionen mit sämtlichen im Laborbereich tätigen Lieferanten gehabt habe und es kein „luftleerer Raum“ gewesen sei, „wo wir dann gesagt haben, er soll ein Angebot machen und dann nehmen wir das einfach so an, sondern wir haben ja vergleichbare Preise gehabt“ (Anlage 2, S. 12). Diese Erklärungen sind nicht geeignet, die mit der gewählten Formulierung verbundenen Unstimmigkeiten auszuräumen, zumal es nicht fern liegt, dass mit der Formulierung eine Art „Freizeichnung“ der Reagenzienzentrale im Hinblick auf etwaige Dienstpflichtverletzungen bezweckt war. Dies gilt auch, wenn man miteinbezieht, dass der Zeuge B in der „Hierarchie“ des Beklagten deutlich unter dem Kläger stand und ihn dies bei der Formulierung der E-Mail ggf. beeinflusst haben mag (vgl. Anlage 1, S. 22; Anlage 2, S. 7). Ergänzend ist zu bemerken, dass die Angaben des Zeugen zu dem mit dem Zeugen A über die E-Mail geführten Gespräch auch insoweit Fragen aufwerfen, als der Zeuge keinerlei Angaben zum konkreten Inhalt des Gesprächs und insbesondere zur Reaktion des Zeugen A machen konnte (Anlage 2, S. 10). Trotz Nachfrage beschränkte er sich insoweit auf Bekundungen zum grundsätzlichen Verhältnis zu seinem Vorgesetzten („kollegiales Miteinander“, Anlage 2, S. 10 f.) und schloss auf dessen Reaktion lediglich aus der sonstigen Kenntnis seiner Person („Konkret kann ich es auch nicht sagen, also gefühlt, würde ich sagen, so wie ich ihn kenne, ich kenne ihn schon sehr lange, würde er zu mir sagen, wenn man so ein Gefühl hat, dann soll man es äußern.“, Anlage 2, S. 11). Dies kann - auch wenn der Zeitablauf und die damit schwindende Erinnerung berücksichtigt wird - mit Blick auf die ersichtliche Bedeutung der Angelegenheit („gewichtiges Thema“, Anlage 2, S. 10) und angesichts des Umstands, dass dem Zeugen andere Sachverhalte aus dieser Zeit noch durchaus erinnerlich waren, nur schwer nachvollzogen werden.
211 
Unabhängig davon und auch für den Fall, dass der Zeuge A erst nach seinem Urlaub von der E-Mail Kenntnis erhielt, erscheint dem Senat jedenfalls die von den beiden Zeugen beschriebene Reaktion des Zeugen A auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung und auf die vom Zeugen B auch persönlich mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste nicht nachvollziehbar. Obwohl er mit Blick auf den ihm nachrichtlich mitgeteilten Inhalt der E-Mail einschließlich der „unglücklichen Formulierung“ und das Gespräch mit dem Zeugen B ausdrücklich einräumt, erkannt zu haben, dass der Zeuge B angesichts des zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch am 23.05.2006 die konkrete Gefahr gesehen hat, dass die Liste in die Hände der Vertreter der XY und damit „nach außen“ gelangt ist, hat er weder unmittelbar nach Kenntniserlangung noch später etwas in dieser Angelegenheit unternommen. So hätte zunächst jedenfalls eine Aufklärung des Sachverhalts durch Kontaktaufnahme mit dem Kläger bzw. mit Frau C sowie die Information von Vorgesetzen nahe gelegen. Durchaus angezeigt gewesen wäre aber auch eine Kontaktaufnahme mit den Verhandlungspartnern und - für den Fall, dass diese tatsächlich im Besitz der Liste sind - ggf. Absprachen über die weitere Verwendung der Liste sowie die Klarstellung gewesen, dass sich derartige Informationen oder deren Benutzung bis zum Abschluss des Vertrags verbieten. Dass derartiges passiert wäre, ist nicht ersichtlich, obwohl die Beteiligten in dieser Phase der Verhandlungen in häufigem und engem Kontakt standen und der Zeuge A von der realen Möglichkeit ausgehen musste, dass die Vertreter des Verhandlungspartners mit der Liste arbeiten. Dabei ist insbesondere darauf abzuheben, dass der Zeuge A unstreitig eng mit dem mutmaßlichen Empfänger der Liste, Herrn C, zusammenarbeitete. Vor diesem Hintergrund steht das im Umgang mit der an das Zentrallabor übersandten Liste zum Ausdruck kommende „Desinteresse“ des Zeugen A in einem klaren und nicht erklärbaren Missverhältnis zu der Absolutheit, mit der er die Praxis der Reagenzienzentrale in Bezug auf die Geheimhaltung von Preisen beschrieben hat.
212 
Widersprüchlich erscheint dieses Verhalten des Zeugen A ferner mit Blick auf seine Ausführungen in der Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419 ff.). Dort hat er u.a. erklärt, hätte er tatsächlich die E-Mail des Zeugen C vom 24.05.2006 erhalten, hätte er dieses Missverständnis unverzüglich ausgeräumt. Gerade vor dem Hintergrund der vom Zeugen A bekundeten Haltung, die Mitteilung von Preisen nach außen sei generell tabu gewesen, und angesichts seiner Funktion als Leiter der Reagenzienzentrale und Vorgesetzter des Zeugen B vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, dass die anzunehmende Gefahr eines - mutmaßlich - gravierenden Pflichtverstoßes bzw. mittlerweile dessen Realisierung ohne ersichtliche Reaktion seinerseits geblieben ist. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung anhand der insoweit ausweichenden Einlassung des Zeugen den Eindruck gewonnen, dass dieser es erkennbar vermied, die eigene Verantwortung als Leiter der Reagenzienzentrale für diesen Vorgang überhaupt in den Blick zu nehmen. So hat er sich insbesondere darauf konzentriert, die Vorgehensweise des Zeugen B zu beschreiben und kritisch zu bewerten („Ich habe ja mit Herrn B auch nochmal über diese Formulierung gesprochen. Also ich hätte sie für mich so nicht gewählt.“), seine eigene Haltung und sein diesbezügliches Verhalten aber ausgeblendet. Dies ist nach Auffassung des Senats insbesondere in Anbetracht der Funktion des Zeugen nicht plausibel (vgl. Anlage 1, S. 16, 22).
213 
Erheblich verstärkt werden diese Widersprüche und Ungereimtheiten durch Angaben, die der Zeuge A zu der von ihm verfassten Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J, den Leiter des Geschäftsbereichs Personal, Kooperationen und Wirtschaft, gemacht hat. Unter dem 28.04.2008 hatte ihn dieser davon in Kenntnis gesetzt, dass in einem Ersuchen der Landespolizeidirektion ... an das Universitätsklinikum vom 22.04.2008 Sachverhalte geschildert würden, die zum Teil im Widerspruch zu bisher von ihm, dem Zeugen A, getätigten Aussagen stünden, und (unter auszugsweiser Wiedergabe einer Passage aus dem Schriftsatz von Rechtsanwalt ... vom 21.02.2008) aufgefordert, u.a. zum Vorwurf Stellung zu nehmen, vor Vertragsschluss mit der Fa. M seien von offiziellen Verhandlungsführern der Uniklinik nicht nur Einzelinformationen gegeben worden, sondern sei eine Liste der Preise des Beklagten über die Laborreagenzien überlassen worden. In der daraufhin verfassten Stellungnahme hat der Zeuge A allerdings weder die E-Mail des Zeugen B noch die dieser beigefügte ABC-Analyse erwähnt. Vor allem ist er mit keinem Wort auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung oder auf die vom Zeugen B auch persönlich mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste eingegangen. Dies vermag der Senat mit Blick darauf, dass der Zeuge doch jedenfalls unmittelbar nach seiner Urlaubsrückkehr im Juni 2006 Kenntnis von der Weitergabe der ABC-Analyse und der damit vom Zeugen B und ihm selbst gleichermaßen erkannten Gefahr erhalten hat, dass diese Daten an Verantwortliche der XY gelangt sind, nicht nachzuvollziehen.
214 
Dieser Sachverhalt ist dem Zeugen A in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat daraufhin der Sache nach erklärt, die Fragestellung [im Schreiben von Herrn J] sei mehr auf seine Person bezogen gewesen bzw. er habe sich darauf konzentriert, welche Rolle er gespielt habe (Niederschrift, Anlage 1, S. 17 f.). Ferner hat er ausgeführt, er erinnere sich so, dass er gesagt habe, er sei in diesem Zeitraum in Urlaub gewesen und deshalb mache er zu diesem Zeitraum keine Angaben. Deshalb habe er diese Frage dort nicht näher beleuchtet bzw. nicht in der Stellungnahme festgehalten. Diese Einlassung überzeugt nicht. Mit Blick auf Sinn und Zweck des Schreibens von Herrn J vom 28.04.2008 konnte kein Zweifel daran bestehen, dass hier nicht lediglich eine auf die Person des Zeugen A beschränkte Stellungnahme erbeten wurde. Auch steht die Einlassung des Zeugen ersichtlich im Widerspruch zum Inhalt seiner Stellungnahme. Denn dort hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich seine Angaben nicht auf die gegen seine Person gerichteten Vorwürfe beschränken, sondern sich - im Übrigen auch dem Untersuchungszweck und seiner Verantwortlichkeit als Leiter der Reagenzienzentrale entsprechend - auf den Vorwurf der Weitergabe von Preisinformationen durch die Reagenzienzentrale beziehen. Deutlich wird dies etwa an den Formulierungen „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an die Fa. M erst ab September 2006 erfolgte!“ (Stellungnahme vom 08.05.2008, S. 4) sowie „eine Datenweitergabe am Tag danach [nach dem 23.05.2006] oder während meines Urlaub schließe ich aus“ (S. 8). Diese Darstellung bezieht sich zweifellos auf eine Datenweitergabe der gesamten Reagenzienzentrale unter Einschluss eines etwaigen Verhaltens des Zeugen B. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat eine hinreichend plausible Erklärung dafür, weshalb der Zeuge A in der Stellungnahme seinem Vorgesetzten Informationen über die vom Zeugen B übersandte Liste mit der ABC-Analyse und die diesbezüglich auch von ihm gehegte bzw. nachvollzogene konkrete Befürchtung einer Weitergabe an die Verantwortlichen von XY vorenthalten hat, nicht zu erkennen. Die insoweit hervorgerufenen Glaubwürdigkeitszweifel werden im Übrigen unterstrichen durch das Aussageverhalten des Zeugen im Anschluss an den gerichtlichen Vorhalt. Der Zeuge ist an diesem Punkt der Vernehmung ersichtlich „ins Schwimmen gekommen“, wie einzelne Wendungen des ansonsten eher förmlich und gewandt formulierenden Zeugen belegen (vgl. im Einzelnen Niederschrift, Anlage 1, S. 17 f.). Die in den Akten enthaltene Aktennotiz des Zeugen vom 08.05.2008 (enthalten in einem der Leitzordner des Beklagten) ist nicht geeignet, die aufgezeigten Zweifel aufzulösen.
215 
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen A, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, ergeben sich aus weiteren Gesichtspunkten. In seiner Stellungnahme an Herrn J vom 08.05.2008 (Akten Strafverfahren, Bd. II, 419 ff.) hat der Zeuge im Betreff auf die „angebliche Übermittlung von Preisinformationen in großem Umfang an M“ Bezug genommen. Auf Seite 3 hat er ausgeführt „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an M erst ab September 2006 erfolgte.“ und auf Seite 5 „Inhaltlich legt die E-Mail von Herrn C den Schluss nahe, bereits beim Kennenlerngespräch am 23. Mai 2006 mit dem Labor XY und der M sei eine vollumfängliche Weitergabe von Daten, insbesondere Preisen vereinbart worden.“ (Hervorhebungen jeweils nur hier). In der mündlichen Verhandlung sind diese Formulierungen dem Zeugen vorgehalten worden mit dem Hinweis darauf, dass diese dahingehend verstanden werden könnten, dass er in der Stellungnahme nicht ausgeschlossen habe, dass es mit seinem Wissen jedenfalls in kleinem bzw. kleinerem Umfang oder in Einzelfällen zu einer Übermittlung von internen Daten des Klinikums, insbesondere Einkaufspreisen an die Fa. M gekommen ist.
216 
Er hat daraufhin zunächst erklärt, diesen Begriff „vollumfänglich“ nur deshalb gewählt zu haben, um auf die Diskrepanz zu dem Zustand nach dem Vertragsschluss aufmerksam zu machen, in dem praktisch täglich in großem Umfange diese Informationen an den Zeugen C geflossen seien, der sie dann weitergeleitet habe an XY. Auch im Detail seien aber keine Preise weitergeben worden vor dem 01.09.2006. Auf weitere Nachfrage hat er bekundet, es gebe „natürlich immer einen Bereich, den sie weitergeben können“. So müsse man immer ein Mengengerüst einem möglichen Partner oder jemandem, der ein Angebot abgeben möchte, zur Verfügung stellen (Niederschrift, Anlage 1, S. 20). Zu seinem Verständnis der von ihm gewählten Formulierung hat er ausgeführt: „Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie sagen, dass ich immer von vollumfänglichen und von großen Mengen rede, um zu sagen, das natürlich nicht, aber im Detail darf man schon mal Preise. Preise definitiv nicht. Also gemeint ist damit, wenn ich über Konditionen rede, vollumfänglich heißt, ich gebe alles preis, ich sage Menge und Preis dazu.“ Diese Einlassung überzeugt nicht. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Zeuge das Adjektiv „vollumfänglich“ bzw. „umfassend“ ausweislich der ihm vorgehaltenen Formulierungen durchgehend (lediglich) auf „Preisinformationen“ bezogen hat und nicht allgemein auf Vertrags-Konditionen. Damit liegt eine Lesart, wonach er mit den Formulierungen lediglich die Möglichkeit der Preisgabe anderer als Preisinformationen, etwa die Mitteilung eines Mengengerüsts, impliziert habe, fern. Hiergegen spricht auch, dass auch andere der damals von ihm verwandten Formulierungen das im vorliegenden Verfahren behauptete „absolute“ Verbot der Weitergabe von Preisinformationen nicht nahelegen. So hatte er etwa in einer E-Mail vom 22.01.2008 an Frau Dr. O (enthalten in den Akten des Beklagten) explizit von einem „Ermessenspielraum der Reagenzienzentrale“ bei der Weitergabe von internen Daten gesprochen, wobei Preisinformationen nicht ausgespart wurden („Es hätte den Ermessenspielraum der Reagenzienzentrale bei weitem überschritten, wenn wir interne Daten in großem Maßstab am M weitergeben.“). Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch ein vom Zeugen C erstelltes Protokoll vom 07.07.2006 über ein im Vorfeld des Rahmenvertrags erfolgtes Gespräch mit dem Zeugen A darauf hindeutet, dass letzterer diesem durchaus Informationen über Einkaufspreise mitgeteilt hat (BMO Reg.-Nr. 20: „Laut A zahlt die UKF ca. 10.000,-- EUR pro PCR-Analyse. A verwies auf die Lizenzproblematik bei der PCR[?] Sollte durch die Fa. M eine Reduktion der Kosten pro PCR-Analyse erreichbar seien, so könnte er direkt an Herrn Dr. W melden, dass die Klärung der U-Frage für eine unmittelbare Lösung des Problems der Kosten für die PCR-Analysen dringend zu erfolgen hat. Dies würde den Druck auf Herrn R erhöhen.“).
217 
Danach hat der Senat ganz erhebliche Zweifel an den Aussagen der Zeugen A und B zum absoluten Ausschluss einer Preisweitergabe. Diese Zweifel werden durch drei weitere Gesichtspunkte erhärtet, denen der Senat besondere Bedeutung für die Beweiswürdigung beimisst.
218 
Erstens hat der Senat die Überzeugung davon gewonnen, dass bei den Mitarbeitern des Beklagten, insbesondere bei dem Zeugen A, von Anfang an ein außerordentlich großes Interesse bestand, die mit dem „gespaltenen Markt“ verbundene unbefriedigende Kostensituation mit Hilfe der XY zu „überwinden“ und dieses Ziel so schnell wie möglich zu verwirklichen. Nach eigenen Angaben bemühte sich der Beklagte mindestens seit dem Jahr 1999, die mit dem gespaltenen Markt (Preise insbesondere für niedergelassene Labormediziner sowie Laborgesellschaften bis zu 10mal günstiger als für Krankenhäuser) verbundenen Kostennachteile für das Klinikum bei der Beschaffung von Reagenzien und Diagnostika zu beseitigen bzw. zu mindern. Durch die Kontaktaufnahme mit der XY und dem Angebot eines Rahmenvertrags bot sich aus der Sicht des Beklagten erstmals die Chance, den gespaltenen Markt „aufzubrechen“ und damit enorme Kosteneinsparungen zu realisieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 07.01.2008; Gutachten Prof. Dr. B vom 13.01.2008, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1095 ff., 1097 f.). Der Sache nach wird dies durch die Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen bestätigt. So hat der Zeuge A dort ausdrücklich erklärt, dass von Anfang an ein Einsparpotenzial im sechsstelligen Bereich, d.h. ein Betrag von über 100.000,-- EUR zur Diskussion gestanden und dass ein großes Interesse seitens des Beklagten bestanden habe, dieses Einsparpotential mit Hilfe der XY zügig zu realisieren (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 4, 6; vgl. auch dessen Protokolle vom 23.05.2006, vom 13.06.2006 und vom 18.08.2006 mit der Überschrift „Optimierung des Einkaufs von Reagenzien“, VGH-Akte, S. 345 f., S. 349 f., 353 f.). Die Zeugen C und E haben plastisch und überzeugend geschildert, mit welchem Einsatz und Nachdruck die Vertreter des Beklagten, insbesondere der Zeuge A, das Ziel eines Vertragsabschlusses verfolgten (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 11; Anlage 4, S. 2, 21, 25). Tatsächlich konnten durch den Rahmenvertrag in der Folge ganz erhebliche Kosteneinsparungen zugunsten des Beklagten realisiert werden (vgl. Schreiben des damaligen Kaufmännischen Direktors an das MWK vom 19.05.2009, S. 742 der Akte des Beklagten; vgl. auch den Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007, enthalten in der Akte des Beklagten). Das außergewöhnlich starke Interesse der Mitarbeiter des Beklagten an der Realisierung des Rahmenvertrags fand nicht zuletzt darin Ausdruck, dass dem Zeugen C mietweise Räumlichkeiten im Gebäude bzw. auf dem Klinikumsgelände des Beklagten zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 227; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 963).
219 
Zusätzlich ist festzuhalten, dass der Zeuge A die Frage, ob er mit dem Zeugen C kommuniziert und zusammengewirkt habe, auch um Voraussetzungen für den Rahmenvertrag im eigenen Haus zu schaffen, ausdrücklich bejaht hat (Niederschrift, Anlage 1, S. 6). An anderer Stelle hat er einen gegenseitigen Informationsaustausch mit dem Zeugen C, etwa im Hinblick auf ein Treffen mit der U, bestätigt (Niederschrift, Anlage 1, S. 24 f.). Dem entspricht es, dass die zahlreichen vom Zeugen C gefertigten Protokolle über Treffen und Gespräche mit dem Zeugen A ein sehr kooperatives Vorgehen und einen sehr offenen Austausch der Verhandlungspartner, insbesondere der Zeugen A und C, etwa auch beim Umgang mit „Hindernissen“ im Vorfeld des Rahmenvertrags belegen. Exemplarisch kann auf das Protokoll des Zeugen C vom 27.07.2006 verwiesen werden, wonach der Zeuge A den Zeugen C vom Inhalt seines Anrufs bei Herrn K, dem Sprecher der U, in Kenntnis gesetzt und dabei auch über die Einladung zu einer Arbeitsgruppensitzung der U am 14.08.2006 in ... informiert hat (vgl. die in der mündlichen Verhandlung vorgehaltenen Protokolle vom 07.07.2006, BMO Reg.-Nr. 20, sowie vom 13.07.2006, BMO Reg.-Nr. 21).
220 
Zweitens ist der Senat nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Vertreter des Beklagten von Anfang an davon ausgingen, dass die XY nicht als Wettbewerber im Verhältnis zu anderen Lieferanten auftrat, sondern vielmehr als ein mit besonderer Einkaufsmacht ausgestatteter „Großhändler“, der in der Lage war, eine Win-win-Situation herbeizuführen: Bei Beibehaltung der Lieferantenstruktur und der Konditionen mit sämtlichen Lieferanten sollten dem Beklagten erhebliche Einsparungen ermöglicht und gleichzeitig noch ein Gewinn für die Fa. M erwirtschaftet werden.
221 
Die Zeugen A und B gingen jedenfalls im Grundsatz bereits nach dem ersten persönlichen Kontakt am 23.05.2006 davon aus, dass es sich um ein neues Geschäftsmodell handelte, für das eine Konkurrenz nicht ersichtlich war, dass die Fa. M mithin nicht in Konkurrenz zu Mitbewerbern stand (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 9 [„Wir haben das als Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes Labor als Großhändler fungiert.“], 10 f., 21 f. [Absolut. Mitbewerber gab es nicht und vor allem, es wurde ja an der Lieferantenstruktur nichts geändert.], 29: [„Und dann war es an für sich so, dass hier uns eröffnet wurde, wie das Geschäftsmodell aussehen könnte, nämlich XY mit nur einer Ausgründung M als Großhändler für uns.“; 34 [„Und es war für Sie ein neues Modell, dass Sie bisher noch nicht gekannt haben? Ja.“]; vgl. auch A, Stellungnahme vom 08.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419, sowie Protokoll vom 23.05.2006, VGH-Akte, S. 345; B, Niederschrift, Anlage 2, S. 3 f., 12). Das gilt umso mehr, als der Kläger unstreitig bereits vor dem Gespräch am 23.05.2006 Kontakt mit dem Zeugen A aufgenommen hatte und einiges dafür spricht, dass hierbei - jedenfalls in groben Zügen - die Möglichkeit des neuartigen Geschäftsmodells einschließlich der Rolle der XY als „Großhändler“ beschrieben worden war (vgl. die Vernehmung des Zeugen A im Strafverfahren, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226 f.; Telefonprotokoll vom 27.03.2006, VGH-Akte, S. 343).
222 
Diese etwa auch durch die Bekundungen des Zeugen C (Niederschrift, Anlage 3, S. 8, 28 ff.) gestützte Würdigung wird mit der - auf die Frage des Beklagten-Vertreters erfolgte - Angabe des Zeugen A, die Frage des Vergabeverfahrens sei zu diesem Zeitpunkt (29.05.2006) noch nicht diskutiert worden bzw. es müsse nach seinem Urlaub (11.06.2006) gewesen und in die Zeit Juni/Juli 2006 gefallen sein, als man das habe eruieren können, dass hier keine Mitbewerber da seien (Niederschrift, Anlage 1, S. 34), nicht ernsthaft in Frage gestellt. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt noch keine förmliche Prüfung und Feststellung erfolgt war, schließt das nicht aus, dass die Vertreter des Beklagten von Anfang an von der Annahme ausgingen, dass es für dieses Angebot keine Mitbewerber gab. Darauf deutet etwa die Aussage des Zeugen A hin: „Nur wir hatten diese [vergaberechtliche Frage] intern eigentlich so besprochen: Wir haben das als Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes Labor als Großhändler fungiert.“ (Anlage 1, S. 9). Unabhängig davon wirft das Procedere des Beklagten im Vorfeld des Rahmenvertrags mit der Fa. M im Zusammenhang mit den Vorgaben des Vergaberechts ohnehin zahlreiche Fragen auf, was den Beweiswert der diesbezüglichen Angaben des Zeugen A mindert. Hinzuweisen ist insbesondere auf die deutliche Kritik, die in einem Vermerk des MWK vom 04.06.2009 („Rechtsaufsicht gegenüber dem Universitätsklinikum ... im Hinblick auf Rahmenvertrag mit M GmbH wegen Vergaberechtsverstößen und Vorteilsannahme“) und einem späteren Schreiben des Ministerialdirektors vom 20.07.2009 (Akten des MWK, S. 636) geäußert wurde. So erscheint nach wie vor nicht hinreichend geklärt, warum ein Vergabevermerk erst nach Vertragsschluss, nämlich am 28.09.2006 gefertigt wurde, und ob bzw. inwieweit man überhaupt vergaberechtliche Überlegungen im Vorfeld des Vertragsschlusses angestellt hat. Unklar bleibt auch, warum das Gutachten von Prof. Dr. B vom 13.01.2008 erst so spät beauftragt wurde. Die Bekundungen des Zeugen A zu dem Vermerk vom 28.09.2008 bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung haben sich jedenfalls als widersprüchlich und außerordentlich unzureichend erwiesen (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 7 ff.). Namentlich hat er in eindeutigem Widerspruch zu seiner Aussage im Strafverfahren („Ich habe hierüber einen Aktenvermerk zu diesem Rahmenvertrag gefertigt. Er datiert vom 28.09.2006.“) in der mündlichen Verhandlung bekundet, er kenne diesen Vermerk nicht (Anlage 1, S. 8), was nicht mit nachlassender Erinnerung erklärt werden kann angesichts seiner Erinnerungsfähigkeit in Bezug auf andere Fragen. Auch bei seinen weiteren Antworten in diesem Zusammenhang hatte der Senat den Eindruck, der Zeuge weiche einer Darstellung der tatsächlichen Vorgänge und Überlegungen im Zusammenhang mit dem Vergaberecht aus (vgl. Anlage 1, S. 8 ff.). Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte der Zeuge in diesem Zusammenhang wenig konkrete Angaben gemacht (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 229). Erhärtet wird dieser Befund durch die sehr unbestimmten Angaben des Geschäftsbereichsleiters J in seinem Aktenvermerk vom 07.01.2008 unter 2. Prüfung des Vergabeverfahrens.
223 
Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass die Problematik des Vergaberechts trotz des erheblichen Umfangs der geplanten Vertragsbeziehung von den Vertretern des Beklagten jedenfalls zunächst nicht oder nicht hinreichend gesehen worden war, weil das Angebot von Anfang an als neues und ausschließlich von der XY angebotenes Geschäftsmodell mit Pilotcharakter verstanden wurde und weil das enorme Interesse an der Realisierung der sich bietenden Möglichkeit den Blick auf etwaige rechtliche bzw. vergaberechtlichen Hindernisse verstellte. Dabei deutet einiges darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Ausschreibung jedenfalls nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt in den Blick genommen wurde (vgl. auch den Vermerk des MWK vom 04.06.2009).
224 
Auch vor diesem Hintergrund und auch mit Blick darauf, dass die XY aufgrund ihrer Stellung auf dem Markt bzw. ihrer Einkaufsmacht in den Verhandlungen mit dem Beklagten über eine starke Position verfügte, liegt es deshalb nahe, dass seitens der Mitarbeiter des Beklagten eine grundsätzliche Bereitschaft und Neigung bestand, vom künftigen Vertragspartner angeforderte bzw. erbetene Informationen diesem zur Verfügung zu stellen, um sich die sich erstmals bietende Chance nicht entgehen zu lassen.
225 
Drittens dürfte bei der Würdigung des (Aussage-) Verhaltens des Zeugen A dem Umstand Bedeutung zukommen, dass seine Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Landespolizeidirektion vom 22.04.2008 stand, in dem der Beklagte um eine Stellungnahme auch zu gegen die Mitarbeiter der Reagenzienzentrale erhobenen Vorwürfen gebeten worden war. Dies wurde seitens der Verwaltung des Beklagten zum Anlass genommen, den Sachverhalt näher aufzuklären und insbesondere den Zeugen A mit diesen Vorwürfen zu konfrontieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 28.04.2008 sowie dessen Schreiben an den Zeugen A vom gleichen Tage; vgl. auch bereits die E-Mail der Leiterin der Stabsstelle Rechtsangelegenheiten vom 22.01.2008 an den Zeugen A, enthalten in den Akten des Beklagten). Hinzu kommt, dass der ehemalige Kaufmännische Direktor des Beklagten in der diesbezüglichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 die Geheimhaltungspflichten der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der - ihrer Informationspraxis widersprechenden - Aussage konkretisiert hatte: „Zur Weitergabe von Informationen über Einkaufsmengen und Einkaufspreisen an Dritte ohne Rücksprache mit der Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, ist niemand autorisiert.“ Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, dass hier von dem Zeugen A das ernsthafte Risiko gesehen wurde, sich bzw. seinen Mitarbeiter durch entsprechende Angaben dem Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auszusetzen und sich selbst zu belasten. Ferner kann es erklären, weshalb in dem vom Zeugen A gefertigten Protokoll über die Sitzung vom 23.05.2006 ein seitens der Verantwortlichen der XY geäußerter Wunsch nach Offenlegung der Einkaufspreise nicht thematisiert worden ist. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 erfolgte Einstufung des Zeugen B als „neutral“ Zweifeln.
226 
Schließlich ist festzuhalten, dass die - den Vorgang um die E-Mail des Zeugen B und die Übersendung der ABC-Analyse an das Zentrallabor aussparende - Stellungnahme des Zeugen A im Ergebnis dazu führte, dass dieser Vorgang auch nicht Eingang in die genannte Stellungnahme des Kaufmännischen Direktors des Beklagten fand, in der in erheblichem Umfang auf die Stellungnahme des Zeugen A Bezug genommen bzw. diese wiedergegeben wurde (vgl. insbesondere die Ausführungen zu den Sachverhalten 4 und 7). Obwohl nach der damaligen Beurteilung der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der Übersendung der ABC-Analyse die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht verbunden war und dies ersichtlich Relevanz für die Beurteilung der im Strafverfahren gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe hatte, wurde damit letztlich „vermieden“, dass dieser Vorgang seitens des Beklagten zum Gegenstand des Ermittlungsverfahren gemacht wurde. Diese Vorgehensweise gibt jedenfalls Anlass zu Zweifeln an der Bereitschaft bzw. am Willen des Zeugen A, vorbehaltlos und uneingeschränkt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.
227 
(β) Selbst wenn von dem Verdacht auszugehen wäre, dass der Kläger die Weitergabe der Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ veranlasst hätte, bestünden jedenfalls erhebliche Zweifel daran, dass es sich insoweit um einen hinreichend gewichtigen, eine sofortige Kündigung rechtfertigenden Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht handeln würde. Zusätzlich zu den bereits oben unter (aaa) aufgezeigten Gesichtspunkten spräche insoweit gegen einen durch den Pflichtverstoß begründeten Vertrauensbruch, dass sich der Kläger mit diesem Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach lediglich im Rahmen der Praxis der Reagenzienzentrale bewegt hätte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme spricht vieles dafür, dass die Mitarbeiter der Reagenzienzentrale jedenfalls gegenüber den Verantwortlichen von XY im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags Einkaufspreise nicht als geheimhaltungsbedürftig behandelt haben. Zur weiteren Begründung wird auf die Darstellungen unter (α) Bezug genommen. Wäre ein entsprechendes Verhalten des Klägers somit in das Handeln der zuständigen Mitarbeiter aus der Reagenzienzentrale eingebettet gewesen, trüge die Verwaltung des Beklagten in erheblichem Maße Mitverantwortung für die Pflichtverletzung. Auch dies stünde der Annahme eines Vertrauensbruchs entgegen.
228 
(bb) Preisgabe sonstiger Interna des Beklagten
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(aaa) In der Anklageschrift vom 17.07.2009, auf die der Beklagte zur Begründung der Verdachtskündigung Bezug genommen hat, wurde dem Kläger ferner vorgeworfen, den Zeugen C am 08.02.2006 davon unterrichtet zu haben, dass am 20.02.2006 eine Besprechung des Vorstands des Beklagten stattfinden werde, im Rahmen dessen das Thema „.../...“ behandelt werden solle. Gestützt wird dieser Vorwurf auf eine E-Mail des Zeugen C an den Zeugen E vom 08.02.2006, in der es über die genannten Informationen hinausgehend heißt: „Meine Vermutung geht dahin, dass der Klinikvorstand ein MVZ mit ... nahe legen will. Meine Bitte wäre daher an Sie, uns eine grobe Skizze für ein gemeinsames MVZ zukommen zu lassen, damit Prof. X bei dem Treffen am 20. Februar gezielt agieren kann“ (BMO Reg.-Nr. 5).
230 
Tatsächlich fand am 20.02.2006 keine Klinikumsvorstandssitzung, sondern ein „internes Gespräch“ statt, an dem „Herr Professor B, Herr Dr. W, Herr B, Herr J und Herr Professor X“ teilgenommen haben und in dem der Vorschlag von ... - einer Ausgründung des Beklagten - erörtert wurde, die ... als Mitgesellschafter in die ... aufzunehmen; die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums war nicht Gesprächsgegenstand (vgl. die Stellungnahme des damaligen Kaufmännischen Direktors des Beklagten vom 09.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 403 ff., sowie die Einlassung des Klägers, Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 957). Worauf sich vor diesem Hintergrund die Vermutung des Zeugen C gründete, der Klinikvorstand werde ein MVZ mit ... nahe legen, ist nicht erkennbar. Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger geäußert hat, dass Thema des Gesprächs die Frage eines MVZ sein werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welchen objektiven Nutzen die Information des Klägers für den Zeugen C bzw. die Vertreter der XY - zumal in diesem sehr frühen Stadium der Kontakte zwischen dem Kläger und D bzw. den Vertretern der XY - gehabt haben sollte. Deshalb bestehen nach Auffassung des Senats aber auch erhebliche Zweifel daran, dass der Weitergabe der Information über das am 20.02.2006 stattfindende Gespräch nennenswerte Geheimhaltungsinteressen des Beklagten entgegenstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich bei den beiden Firmen nicht um Marktkonkurrenten der Fa. M gehandelt hat. Selbst wenn insoweit aber von dem Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht ausgegangen werden müsste, könnte keinesfalls angenommen werden, dass dessen Gewicht geeignet wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis ernsthaft in Frage zu stellen und eine Kündigung des Dienstvertrags zu rechtfertigen.
231 
(bbb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat außerdem bereits ernsthafte Zweifel daran, dass der Zeuge C die Information über ein am 28.07.2006 anstehendes Gespräch zwischen Verantwortlichen des Beklagten und einem Vertreter der Beratungsgesellschaft ... überhaupt vom Kläger erhalten hat.
232 
Der Zeuge C hat in der mündlichen Verhandlung zunächst angegeben, er könne nicht sagen, ob er die Information über das Treffen vom Zeugen A oder vom Kläger erhalten habe. Nachdem ihm das von ihm verfasste Protokoll vom 27.07.2006, BMO Reg.-Nr. 24, vorgelegt und auszugsweise vorgehalten worden war, hat er bekundet, dass der Zeuge A mit ihm über das Treffen gesprochen habe, und schließlich erklärt, dass er die Information vom Zeugen A habe und dass er ausschließe, sie vom Kläger zu haben (Niederschrift, Anlage 3, S. 12). Ein starkes Indiz für die Richtigkeit dieser Bekundung stellen die oben getroffenen Feststellungen zu dem sehr offenen Austausch dar, den die Zeugen A und C bei ihren Gesprächen im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags gepflegt haben. Insbesondere hat der Zeuge A den Zeugen C auch in anderen Zusammenhängen über Termine informiert (vgl. Protokoll vom 13.07.2006, BMO Reg.-Nr. 21, [Treffen am 17.07.2006 bei Herrn R]; Protokoll vom 27.07.2006 [Termin bei der U in ... am 14.08.2006]).
233 
Die sich hieraus ergebenden Zweifel an einer Verantwortlichkeit des Klägers werden durch die Bekundungen des Zeugen A nicht ausgeräumt. Er hat in der mündlichen Verhandlung nach Vorhalt der Protokolls vom 27.07.2006 auf die Frage, ob er mit dem Zeugen C über „diese beiden Treffen [..., U] im Vorfeld gesprochen“ habe, erklärt, sich in Bezug auf das Treffen mit ... nicht erinnern zu können. In seiner Stellungnahme vom 08.05.2008 hat er zwar bestritten, an dem - vom Zeugen C protokollierten - Termin am 26.07.2006 teilgenommen und hierbei Kenntnis von Gesprächen über ... erlangt zu haben. Dieser Stellungnahme misst der Senat allerdings lediglich einen begrenzten Beweiswert zu. Denn sie ist ersichtlich von der Motivation getragen, die gegen ihn der Sache nach erhobenen Vorwürfe von Dienstvergehen auszuräumen. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass der Zeuge den Versuch macht, an einzelnen Beispielen die Unzulänglichkeit der Aufzeichnungen des Zeugen C insgesamt aufzuzeigen: „Meine Ausführungen zu dieser Frage haben gezeigt, dass Herrn Cs Ausführungen nachweislich mit so wenig Akkuratesse gefertigt wurden, dass sie insgesamt zur Bewertung von Vorgängen nicht zweckdienlich sind.“ Diese ersichtlich zu weit gehende Schlussfolgerung wird dem Beweiswert der Protokolle des Zeugen C nicht gerecht. Auch wenn die Aufzeichnungen in wenigen einzelnen Punkten (etwa Daten, Gesprächsteilnehmer) unrichtig sein mögen, besteht für den Senat kein Zweifel, dass sie die sehr offene Kommunikation zwischen dem Zeugen A und dem Zeugen C im Vorfeld des Rahmenvertrags im Grundsatz zutreffend wiedergeben. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der Zeuge A den Zeugen C unabhängig von einem Gespräch am 26.07.2006 über das Treffen mit ... in Kenntnis gesetzt hat.
234 
Unabhängig davon bleibt die Bedeutung der angeblichen Information weitgehend im Unklaren. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass bei dem turnusmäßigen Gespräch mit einem Vertreter der Beratungsfirma ... am 28.07.2006 das Thema „M“ überhaupt nicht zur Sprache kam (vgl. die Stellungnahme des Zeugen A vom 08.05.2008). Deshalb dürfte kaum feststellbar sein, welche berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten hier berührt gewesen wären. Jedenfalls wäre der diesbezügliche Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht vor dem Hintergrund des sehr offenen Informationsaustauschs zwischen den Zeugen A und C auch im Hinblick auf Termine von Besprechungen zu sehen und zu bewerten. Gerade mit Blick auf die dem Beklagten danach zuzurechnende Mitverantwortung seiner Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung des Klägers auszugehen wäre, die allenfalls mit einer Abmahnung zu ahnden wäre.
235 
(ccc) Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht die Zeugen C, D und E am 26.10.2006 über den Inhalt einer Besprechung informiert zu haben, die er am 10.10.2006 mit Vertretern der ... bzw. des Labors ... geführt hatte. Aus dem vom Zeugen C gefertigten Protokoll vom 26.10.2006 (BMO Reg.-Nr. 28) ergibt sich, dass der Kläger den Zeugen C über dieses Treffen informiert hat.
236 
Gegen die Geheimhaltungsbedürftigkeit der dabei mitgeteilten Informationen spricht bereits der Zeitpunkt des Gesprächs, das ersichtlich nach dem am 01.09.2006 erfolgten Abschluss der fünfjährigen Rahmenvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Fa. M stattfand. Die Informationen über das Treffen waren deshalb ersichtlich nicht geeignet, den Inhalt oder die Gestaltung des Rahmenvertrags zu beeinflussen oder die Position des Beklagten zu beeinträchtigen (vgl. auch Niederschrift, Anlage 4, S. 27). Für den Senat ist aber auch nicht erkennbar, dass in anderer Hinsicht ein berechtigtes Interesse des Beklagten bestanden haben könnte, die anlässlich dieses Treffens mitgeteilten Inhalte gegenüber den Vertretern von XY geheim zu halten. Dies gilt umso mehr, als es sich bei diesen Informationen um völlig unverbindliche und - etwa zur „allgemeinen Laborplanung in ...“ außerordentlich unbestimmte Erklärungen des ... gehandelt hat, die zudem gegenüber dem Kläger und nicht gegenüber einem potenziellen Entscheidungsträger aus der Verwaltung des Beklagten erfolgt sind. Umgekehrt erscheint es jedenfalls nachvollziehbar, dem Partner des fünfjährigen Rahmenvertrags Kenntnis von dem Versuch der ... zu geben, diesen Partner „auszustechen“ bzw. vom Klinikum aktuell gezahlte Einkaufspreise für Reagenzien in Erfahrung zu bringen.
237 
(ddd) Aus den Beweismitteln, auf die in der Anklageschrift Bezug genommen wird, lassen sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Kläger den Zeugen C und D die „genaue Altersstruktur der Belegschaft des Zentrallabors“ (so die Formulierung in der Anklageschrift) mitgeteilt hat. Der vom Zeugen C erstellte Konzeptvorschlag vom 25.01.2007 für ein MVZ (BMO Reg.-Nr. 41) enthält die Feststellung „Die Altersstruktur der Belegschaft des Zentrallabors weist viele Mitarbeiter auf, die kurz vor der Verrentung stehen, so dass zügig eine „Verschlankung“ der Belegschaft erreicht werden kann.“ Weder dem Konzeptvorschlag selbst noch anderen Beweismitteln lassen sich im Übrigen Hinweise darauf entnehmen, dass der Zeuge C diese Information vom Kläger erhalten hat. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Strafverfahren hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge C bereits bei Vertragsanbahnung im Jahr 2006 in den Räumen des Zentrallabors ein und ausgegangen ist und ihm im weiteren Verlauf Räumlichkeiten auf dem Klinikumsgelände zur Verfügung gestellt wurden. Bei dieser Sachlage liegt es nicht fern, dass die der im Konzeptvorschlag enthaltenen Feststellung zur Altersstruktur zugrunde liegenden Informationen auf eigenen Beobachtungen des Zeugen C beruhen. Dies gilt umso mehr, als die Feststellung außerordentlich unbestimmt ist („viele Mitarbeiter“, „kurz vor“ der Verrentung) und ihr deshalb nur eine sehr begrenzte Aussagekraft zukommt. Daher erscheint es im Übrigen sehr fraglich, ob es sich überhaupt um geheimhaltungsbedürftige Umstände gehandelt hat. Denn sie dürfte nicht nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt gewesen sein.
238 
(b) Auch den dringenden Verdacht eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen, hat der Senat nicht festzustellen vermocht.
239 
(aa) Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Dabei reicht es aus, dass auf Grund des gewährten Vorteils das Vertrauen in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und in die Redlichkeit des Arbeitnehmers erheblich erschüttert wird. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG, Urteile vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01 -, juris, und vom 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 -). Eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrag erscheint geboten.
240 
Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG, Urteil vom 26.09.2002, a.a.O.). Die hierfür in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entwickelten Anforderungen gelten auch für eine Verdachtskündigung, die - wie hier - als ordentliche Kündigung erklärt worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O.).
241 
(bb) In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe in erheblichem Umfang Zuwendungen bzw. Vorteile angenommen bzw. sich versprechen lassen für eine den Interessen der XY dienende Dienstausübung, insbesondere für die Unterstützung deren Bemühungen um den Abschluss eines langfristigen Rahmenvertrags mit dem Beklagten über Laborverbrauchsmaterial. Dass es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verbindung zwischen der Gewährung finanzieller Vorteile und konkreten Verstößen des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht fehlt, ergibt sich bereits daraus, dass keine entsprechenden Dienstpflichtverletzungen festgestellt werden konnten (vgl. die Ausführungen unter [aa]). Aber auch eine Verknüpfung von Zuwendungen mit einer bloßen für die XY oder die Fa. M günstigen Dienstausübung des Klägers hat sich mit dem hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad nicht feststellen lassen. Dabei geht der Senat jedenfalls im Grundsatz davon aus, dass eine derartige Verknüpfung vorliegt, wenn der Vorteilsgeber mit dem Ziel handelt, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen oder und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren, und dass hierbei eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008 - 1 StR 260/08 -, BGHSt 53, 6 -, zur Unrechtsvereinbarung beim Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB).
242 
Bereits das Verwaltungsgericht hat in nachvollziehbarer Weise angenommen, dass die diesbezüglichen, seiner Ansicht nach schwerwiegenden Verdachtsmomente durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert worden seien, dass sich die für einen Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse. Unabhängig davon hat der erkennende Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen vermocht, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Verdachtskündigung eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der gegen den Kläger erhobene Verdacht zutrifft. Insbesondere sprechen erhebliche Gründe für die Richtigkeit der Einlassungen der Zeugen D und E, wonach diese dem Kläger weder Vorteile gewährt noch Vorteile versprochen hätten, die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten gestanden hätten, und der Kläger zu keinem Zeitpunkt Vorteile oder Zuwendungen gefordert oder verlangt habe (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1659; S. 1871).
243 
(aaa) Darlehen D
244 
α) Darlehen Dezember 2015
245 
Unstreitig hat der Zeuge D durch die von ihm vertretene Fa. L dem Kläger im Dezember 2015 ein Darlehen in Höhe von 10.000,-- EUR gewährt, das am 28.12.2005 zur Auszahlung kam (vgl. Akten Strafverfahren, BMO Reg.-Nr. 3). Der Senat geht davon aus, dass dieser Darlehensgewährung durch den Zeugen D altruistische Motive zugrunde lagen und sie - entgegen der Darstellung in der Anklageschrift - in keinem Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und dem Abschluss des Rahmenvertrags zwischen der Fa. M und dem Beklagten stand.
246 
In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge D bekundet, der Grund für das Darlehen sei die Unterstützung eines Not leidenden alten Kollegen bzw. „kollegiale Empathie“ gewesen (vgl. Niederschrift, Anlage 4, S. 10). Nach Auswertung der Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt.
247 
Unstreitig kannten sich der Kläger und der Zeuge D seit dem Jahre 1980 aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit als Oberärzte am Universitätsklinikum in .... Nach der Darstellung des Zeugen hatte ein im Medizinbereich tätiger Unternehmensberater, S, ihn im Jahre 2005 auf ein noch im Entwicklungsstadium befindliches Krebs-Medikament, den Aromatasehemmer, aufmerksam gemacht und insoweit sein Interesse geweckt, auch mit Blick darauf, dass die XY im gynäkologisch-endokrinologischen Bereich führend gewesen sei. Nachdem Herr S auf die Frage nach dem für das Präparat verantwortlichen Wissenschaftler - zunächst - lediglich darauf verwiesen gehabt habe, dass dieser aus ... komme, habe der Zeuge selbst erkannt, dass es sich bei dem ... Wissenschaftler um den Kläger handelte, der ihm als Inhaber zahlreicher Patente und Wissenschaftler mit innovativen Ideen bekannt gewesen sei. Daraufhin sei es zu einem Besuch des Klägers in ... gekommen. Die detaillierte, anschauliche und schlüssige Darstellung des Zeugen, die im Einklang mit seinen Bekundungen im Strafverfahren (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 241 ff.), aber auch mit der dortigen Einlassung des Klägers steht (Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Bd. V, S. 1017), erscheint dem Senat glaubhaft. Dies gilt insbesondere auch für die Schilderung der näheren Umstände des ersten Besuchs des Klägers in .... So hat der Zeuge plastisch, originell und unter Schilderung der eigenen Gefühlsregungen beschrieben, wie er den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen „Absturz“ des Klägers wahrgenommen hat (Anlage 4, S. 8: „aus edler Familie, ..., Nobelpreisträger, ...“; „Und X fuhr einen Saab Turbo und der S, mein damaliger Chef auch, ja. Mensch, ich hab ihn immer beneidet, muss ich ehrlich sagen, ja. Er hatte einen Saab-Turbo. Also er hatte Kohle, kurz gesagt, und ich nicht“; S. 9: „in dem verrosteten kleinen Panda kamen sie an“; „aber irgendwie, ich hab gesehen, der ist in argen Nöten. Er hat offenbar Millionen, ein großes Familienvermögen, das er hatte, der Wissenschaft geopfert und reingepulvert und ist auf die Schnauze gefallen, auf Deutsch gesagt.“). Insgesamt hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Zeugen das Schicksal bzw. die Situation des Klägers persönlich sehr nahegegangen ist und er sich, als der Kläger eine entsprechende Bitte äußerte, auch angesichts seiner komfortablen wirtschaftlichen Situation veranlasst sah, ihm aus kollegialer Verbundenheit „unter die Arme zu greifen“. Er hatte sich auch bereits im Strafverfahren in dieser Weise eingelassen (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 219, 263). Die altruistische Motivation liegt auch insoweit nahe, als der Zeuge in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt hat, dass die Zahlung derartiger Beträge für ihn keine nennenswerte Belastung darstellte (Anlage 4, S. 10: „relativ Kleingeld“) und er - anders als im Falle des zweiten Darlehens - keine Sorge dafür getragen hatte, dass das Darlehen zurückgezahlt wird.
248 
Für die Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen spricht schließlich auch der Zeitpunkt der Darlehensgewährung.
249 
Nach den übereinstimmenden Darlegungen der Zeugen D und E war - dem Anlass der Kontaktaufnahme mit dem Kläger entsprechend - Gegenstand der Gespräche mit diesem zunächst der Aromatesehemmer, für den sich der Zeuge D in besonderer Weise fachlich interessiert zeigte (Niederschrift, Anlage 4, S. 8 f.). Dies galt auch noch für die Besprechung, die am 31.01.2006 mit dem Kläger und dem Zeugen C im Labor XY in ... stattfand (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 265; Zeugenvernehmung E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841). Nach den Bekundungen des Zeugen E, der bis zu diesem Zeitpunkt weder den Kläger noch den Zeugen C kannte, war er zu der Besprechung hinzu gerufen worden, um gegenüber dem Kläger Möglichkeiten zu erläutern, wie man in ... im Klinikum Kosten einsparen könnte (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841; Niederschrift, Anlage 5, S. 2). Auch der Zeuge C, der spätere Geschäftsführer der Fa. M, traf bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal den Zeugen D. Konkrete Überlegungen zur Gründung der Fa. M sind erst im Laufe des Frühjahrs 2006 belegt (vgl. insbesondere die Protokolle des Zeugen C über Treffen in ... am 10.03.2006, BMO Reg.-Nr. 9, und in ... am 24.04.2006, BMO Reg.-Nr. 12).
250 
Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Dezember 2005 zwischen dem Kläger und dem Zeugen D weder bereits konkrete Einsparmöglichkeiten für den Beklagten thematisiert noch gar konkrete Schritte vereinbart bzw. unternommen worden waren in Richtung der Anbahnung einer Vertragsbeziehung zum Beklagten. Erst recht keine Anhaltspunkte bestehen dafür, dass zu diesem Zeitpunkt schon - wie in der Anklageschrift unterstellt - Bemühungen der XY um den Abschluss eines langfristigen Exklusivlieferungsvertrags mit dem Beklagten zu verzeichnen waren und hier bereits ein Zusammenhang mit der Dienstausübung des Klägers bestand bzw. hergestellt worden sein könnte.
251 
Dass der Zeuge D das Darlehen nicht aus seinem Privatvermögen sondern durch die Fa. L ausbezahlt hat, dürfte dabei nicht gegen eine persönliche Motivation sprechen. Er hat in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift, Anlage 4, S. 11 f.) schlüssig und plausibel dargelegt, dass er, um nach der Fusion von X und Y die Integration der verschiedenen Unternehmen zu ermöglichen, die M gegründet und alle Partner damit einbezogen habe, und deshalb die Fa. L nach der Fusion nur noch eine „leere Hülle“ gewesen sei. Als Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser Firma habe er nunmehr die alleinige, nicht von der Mitsprache anderer abhängige Verfügungsbefugnis gehabt.
252 
β) Darlehen Juni 2006
253 
Unstreitig hat der Zeuge D dem Kläger auf der Grundlage eines Darlehensvertrags der von ihm vertretenen Fa. A vom 23.06.2006 ein weiteres Darlehen in Höhe von 8.000,-- EUR gewährt (vgl. Akten Strafverfahren, BMO Reg.-Nr. 17), das dem Kläger am 05.07.2006 gutgeschrieben wurde. Auch hier stellt die Anklageschrift einen Zusammenhang zwischen diesem „vermeintlichen“ Darlehensvertrag und dem Tätigwerden des Klägers im Hinblick auf die Gründung der Fa. M und dem Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen dieser Firma und dem Beklagten her. Der Senat hat - trotz der zeitlichen Nähe von Darlehensgewährung und Abschluss des Rahmenvertrags (01.09.2006) - erhebliche Zweifel, ob dieser Zusammenhang tatsächlich bestand.
254 
αα) Der Zeuge D hatte bereits im Rahmen seiner Zeugenvernehmung im Strafverfahren erklärt, dass dieses Darlehen nichts mit dem Rahmenvertrag zu tun gehabt habe, sondern dass es insoweit allein um den Aromatasehemmer gegangen sei (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1641). Dies entspricht auch seiner schriftlichen Einlassung im Strafverfahren. Dort werden die diesbezüglichen Vorgänge detailliert und in sich stimmig beschrieben und auch ins Verhältnis zu den weiteren mit dem Kläger im Hinblick auf Kosteneinsparungen beim Beklagten erörterten Themenschwerpunkten „Gemeinsames Medizinisches Versorgungszentrum“ und „Abwicklung aller Bestellungen von Laborverbrauchsmaterial innerhalb des UKF durch die Fa. M ... [„Rahmenvertrag“]“ gestellt (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 239, 265 f.). Diese Darstellung hat der Zeuge im Kern in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat wiederholt (vgl. Anlage 4, S. 13 f.). Insbesondere hat er dabei, wie bereits aufgezeigt, dargelegt, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für den nach vielen Jahren zustande gekommenen Kontakt mit dem Kläger sein fachlich-wissenschaftliches, aber auch wirtschaftliches Interesse an dem Aromatasehemmer gewesen sei und dass er insoweit - gerade auch aus der Sicht seines Unternehmens als Marktführer bei der Versorgung der deutschen Gynäkologen - erhebliches medizinisches wie wirtschaftliches Potential gesehen habe (Anlage 4, S. 2 f., 7 ff., 28). Er habe sich als „Brückenbauer“ gesehen, dafür sorgen wollen, dass die Gynäkologen und Endokrinologen in seinem Unternehmen „das Thema mitkriegen“, und habe eine Studie ermöglichen wollen (S. 13). Demgemäß habe er auch die Partner in der Fa. A informiert und dem Kläger vorgeschlagen, eine Präsentation des Aromatasehemmers am Sitz der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... vorzunehmen (S. 13).
255 
Was den konkreten Anlass für das Darlehen anbelangt hat der Zeuge D auch in der mündlichen Verhandlung der Sache nach bekundet, er habe den Kläger im Zusammenhang mit dessen Bemühungen um Investoren für eine Beteiligung an den Entwicklungskosten unterstützen wollen; angesichts seiner desolaten Finanzlage - er habe nicht einmal seine diesbezüglichen Reisekosten decken können - habe er ihm - über die Fa. A, die langfristig von der Sache habe profitieren sollen - das Darlehen gewährt. Auch dieser Vortrag ist nachvollziehbar und fügt sich im Wesentlichen in seine bisherigen Darstellungen im Strafverfahren ein (vgl. Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akte Strafverfahren, S. 265 ff.). Ob und inwieweit neben dieser Motivation auch altruistische Überlegungen eine Rolle gespielt haben (vgl. etwa die Angaben des Zeugen D, Anlage 4, S. 29), kann letztlich dahinstehen.
256 
Ergänzend ist festzuhalten, dass der Zeuge - im Einklang mit seiner schriftsätzlichen Einlassung im Strafverfahren - mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, dass der Rahmenvertrag mit dem Beklagten auch mit Blick auf dessen wirtschaftliche Bedeutung aus seiner Sicht „Kleinkram“ bzw. lediglich „eine vertrauensbildende Maßnahme“ gewesen sei, sein eigentliches langfristiges Interesse aber der Einrichtung eines MVZ gegolten habe, wie man es am Klinikum in ... schon praktiziert habe. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser insgesamt nachvollziehbaren und mit der Aktenlage vereinbaren Darstellung zu zweifeln. Dies spricht indes gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme, der Zeuge habe der XY „eine beherrschende Stellung auf dem ...er Markt für Laborgeräte und -materialien“ verschaffen wollen.
257 
ββ) Die Darstellung des Zeugen D wird durch weitere Indizien gestützt.
258 
Unabhängig davon, dass sich auch der Kläger im Strafverfahren im Wesentlichen in diesem Sinne eingelassen hatte (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1025 ff.), hat auch der Zeuge E hat bei seiner Vernehmung im Strafverfahren bekundet, dass dieses Darlehen mit dem Rahmenvertrag nichts zu tun gehabt habe (S. 1971). Die Zeugen C (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 2) und E (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841) haben berichtet, dass auch noch beim Treffen am 10.03.2006 Thema (u.a.) der Aromatasehemmer gewesen sei. Der ebenfalls im Strafverfahren vernommene Zeuge S konnte bestätigen, dass er in der Sache „Aromatasehemmer“ Kontakt mit dem Zeugen D gehabt habe. Zum Entwicklungsstadium des Präparats im Jahre 2006 konnte er angeben, dass zunächst eine Kleinststudie mit Genehmigung der ärztlichen Ethikkommission in Auftrag gegeben worden sei; seines Wissens seien rund 70 erkrankte Frauen an der Studie beteiligt gewesen. Aufgrund fehlenden Geldes habe die Studie nicht ausgewertet werden können (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2079). Prof. Dr. H, Geschäftsführer des Medizinischen Versorgungszentrums ..., bekundete als Zeuge im Strafverfahren, das Thema „Aromatasehemmer" sei bei einer Besprechung in ... am 10.03.2006 erwähnt worden. Vertieft worden sei es aber erst in .... Dort habe der Kläger an der dortigen, zum Konzern [Fa. A] gehörenden Tagesklinik die wissenschaftlichen Zusammenhänge bei der von ihm entwickelten Behandlung von Brustkrebs mit einem Aromatasehemmer als Wirkstoff vorgestellt (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 2025 f.). Damit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie von D in dem Gespräch mit dem Kläger vorgeschlagen, (wohl am 06.10.2006, Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 267) am Sitz der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... eine Präsentation des Aromatasehemmers vorgenommen hat. All diese Gesichtspunkte sprechen für die Plausibilität der mit der Entwicklung des Aromatasehemmers verknüpften Zielsetzung der Zuwendung.
259 
γγ) Gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme eines „vermeintlichen“ Darlehens spricht, dass das Darlehen - im Unterschied zu dem unter α) behandelten - im Frühsommer 2007 durch den Zeugen C vollständig einschließlich der vereinbarten Zinsen zurückgezahlt worden ist (vgl. Vernehmung C, Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1331 -1333). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Rückzahlung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen gegen ihn für den Kläger noch nicht erkennbar gewesen sein dürfte. Schließlich deutet auch die Darlehensgewährung durch die Fa. A, die einen besonderen Schwerpunkt im Bereich der gynäkologischen und internistischen Endokrinologie aufweist, eher auf einen Zusammenhang mit der Entwicklung des Aromatasehemmers hin.
260 
δδ) In der Anklageschrift wird als „Gegenleistung“ für das Darlehen insbesondere genannt, dass es „am 01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme“ durch den Kläger auf Vertreter des Klinikvorstands zum Abschluss eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem Beklagten gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme nicht den Tatsachen entspricht, die Staatsanwaltschaft insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Auch dies lässt einen Zusammenhang der Dienstausübung des Klägers mit dem Darlehensvertrag als wenig wahrscheinlich erscheinen.
261 
Unstreitig war der Kläger weder rechtlich zu Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag befugt noch faktisch an diesen beteiligt. Dies wurde von Anfang an insbesondere auch von den Verantwortlichen auf Seiten des Beklagten so gesehen. Bereits in einem Aktenvermerk über die Besprechung im Verwaltungsgebäude des Klinikums ... am 26.03.2007 unter Beteiligung der Herren Dr. W und J sowie des Staatsanwalts Dr. A und des KHK N (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 63 ff.) wurde festgehalten: „An den Vertragsverhandlungen und der Vertragsgestaltung habe Prof. X aber nicht mitgewirkt" (S. 65). Entsprechendes ergibt sich aus den Vernehmungen im Strafverfahren (J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 69 ff.: “keinerlei Einfluss auf den Vertrag oder die Verhandlungen“; J, Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten; A, Bd. I, S. 231: nicht „im Verlauf der Verhandlungen, also vor Vertragsunterzeichnung, in irgendeiner Form eingebunden“) und in der mündlichen Verhandlung (A, Niederschrift, Anlage 1, S. 2 f.; C, Anlage 3, S. 2: an den Vertragsverhandlungen „überhaupt nicht beteiligt“). Auch hat der Zeuge A bekundet, der Kläger sei von Seiten der Verwaltung (nur) eingebunden worden, wenn dies aus fachlicher Sicht - etwa zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs des Zentrallabors - notwendig erschienen sei (Anlage 1, S. 2 f.). Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen, dass - wie erwähnt - mehrfach geäußert worden ist, der Kläger habe im Hinblick auf mit dem Rahmenvertrag verbundene Fragen nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfügt. Danach wurden die Vertragsverhandlungen mit der XY eigenverantwortlich und vollumfänglich von den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten geführt, eine Einbeziehung des Klägers erfolgte allenfalls auf deren Veranlassung im Einzelfall.
262 
Der tatsächliche Beitrag des Klägers im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag ist im Kern übereinstimmend dahingehend beschrieben worden, dass er an den Zeugen A herangetreten sei mit der „Idee“ eines günstigeren Einkaufs von Reagenzien mit Hilfe der XY (A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226; J, Bd. I, S. 71; J, Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten) und er - aufgrund des persönlichen Kontakts zu Herrn D - den Kontakt zu den Verantwortlichen der XY hergestellt habe (J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 71; A, Bd. I, S. 225, 227; C, Anlage 4, S. 1 f.). Beschränkte sich die Rolle des Klägers aber auf die Funktion eines „Türöffners“ (zu diesem Begriff vgl. den Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007) und waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags (23.06.2006) und der Auszahlung des Darlehens (05.07.2006) die Vertragsverhandlungen zwischen den Verantwortlichen aus der Verwaltung des Beklagten (insbesondere J und A) und den Vertretern der XY bzw. der Fa. M (insbesondere den Zeugen E und C) - auch wegen des außerordentlichen Interesses des Beklagten an einer Vereinbarung - bereits mit hoher Aussicht auf Erfolg im Gange, spricht dies dagegen, dass ein dienstliches Tätigkeitwerden des Klägers objektiv erforderlich war oder als erforderlich angesehen wurde, und damit gegen einen Zusammenhang zwischen der Gewährung des Darlehens mit einer „maßgeblichen Einflussnahme“ des Klägers auf den Abschluss des Rahmenvertrags. Dies gilt umso mehr, als die dem Senat vorliegenden Akten belegen, dass das von der Fa. M ursprünglich vorgelegte Vertragsangebot während der Vertragsverhandlungen auf Betreiben insbesondere des Geschäftsbereichsleiters J in zahlreichen Punkten zugunsten des Beklagten abgeändert worden ist (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 95 ff.). Dass mit dem Darlehen eine in der Vergangenheit liegende Dienstausübung, nämlich die „Türöffnung“, honoriert werden sollte, hält der Senat angesichts der vorstehenden Ausführungen insbesondere zum Zusammenhang mit der Entwicklung des Aromatasehemmers für wenig wahrscheinlich. Gegen eine Verknüpfung von Dienstausübung und zugewandtem Vorteil spricht im Übrigen, dass der Kläger den zum Zeugen D bestehenden persönlichen Kontakt nicht verheimlicht, sondern von Beginn an insbesondere auch vor den Mitarbeitern des Beklagten offen gelegt hatte (vgl. Vernehmung A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 231; Vernehmung J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 77).
263 
(bbb) Beteiligung des Klägers an Gewinnen der zu gründenden Fa. M
264 
Der Senat hegt weiter erhebliche Zweifel an dem in der Anklageschrift erhobenen Vorwurf, wonach die Zeugen C und E nach Beratung mit dem Zeugen D den Entschluss fassten, dem Klägers eine verdeckte Beteiligung an den Gewinnen der zu gründenden Fa. M bzw. die für eine Firmenauflösung begehrten 25.000,-- EUR in Form einer Verrechnung mit Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen zukommen zu lassen.
265 
α) Zwar ergeben sich diesbezügliche Verdachtsmomente aus Dokumenten über ein Treffen der Zeugen E und C in ... am 24.04.2006 (vgl. das Protokoll des Zeugen C vom 25.04.2006 sowie die E-Mail des Zeugen E an den Zeugen D vom 26.04.2006, jeweils BMO Reg.-Nr. 12). In der E-Mail vom 26.04.2006 informiert der Zeuge E den Zeugen D über anlässlich dieses Treffens getroffene Überlegungen betreffend die Gründung einer M GmbH (vgl. insbesondere die Punkte 2) und 3). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme spricht indes schon vieles dafür, dass die dort angestellten Überlegungen vorläufigen Charakter hatten, unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung durch den Zeugen D bzw. durch dessen Rechtsberater standen und letztlich nicht umgesetzt wurden.
266 
αα) Auf Vorhalt der E-Mail vom 26.04.2006 hat der Zeuge E in der mündlichen Verhandlung erklärt, sich mit dem Zeugen C allein getroffen und dabei „relativ viel philosophiert“ zu haben, um die Dinge „nach vorne zu treiben“. Nach seiner Rückkehr nach ... habe er indes „einen mächtigen Einlauf verpasst bekommen“, von Seiten des Zeugen D, insbesondere aber auch von Seiten des Rechtsanwalts Dr. B und des Wirtschafts- und Steuerberaters Q. Diese hätten - der Sache nach - erklärt, eine Beteiligung des Klägers „geht gar nicht“ (Niederschrift, Anlage 5, S. 13). Die Glaubhaftigkeit dieser Darstellung, wonach den von den Zeugen E und C am 25.04.2006 angestellten Überlegungen insbesondere durch die Rechtsberater des Zeugen D eine kategorische Absage erteilt worden sei, begegnet nach Auffassung des Senats keinen durchgreifenden Zweifeln. Der Zeuge hat seine Angaben detailliert, schlüssig und ersichtlich mit erheblicher emotionaler Anteilnahme vorgebracht. Sie fügen sich ein in seine diesbezüglichen Bekundungen im Rahmen der Vernehmung im Strafverfahren (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1853 ff.: „Gedankenspiele“ bzw. „Denkmodelle“). Im Kern werden sie durch die Bekundungen der Zeugen C und D bestätigt, die diese sowohl in der mündlichen Verhandlung wie bereits im Strafverfahren gemacht haben (C, Niederschrift, Anlage 3, S. 15: „Gedankenspiele von Herrn E und von mir“; Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1305, 1307; D, Anlage 4, S. 16 f.; Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1633: „Brainstorming“; vgl. auch die ausführliche Darstellung im Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 329 ff.). Der Zeuge C hat an seinen diesbezüglichen Angaben trotz wiederholter Nachfragen des Beklagten-Vertreters festgehalten. Alle drei Zeugen gaben insoweit durchgehend eine stimmige und im Wesentlichen einheitliche Darstellung ab, die auch keine erkennbaren Widersprüche zu den vorliegenden schriftlichen Unterlagen aufweist. So enthält etwa bereits die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine „Besprechung in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 bezüglich der zu gründenden M GmbH die eindeutige Aussage „Herr Prof. X kann sich an der Gesellschaft nicht beteiligen“ (BMO Reg.-Nr. 14).
267 
Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen der ohne weiteres nachvollziehbare Vortrag des Zeugen D (Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 227), in seinem Hause sei es Praxis gewesen, Vorschläge seiner Mitarbeiter vor der Umsetzung einer Prüfung durch seine Rechtsberater zu unterziehen, und diese Praxis sei jedenfalls dem Zeugen E bekannt gewesen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass es sich bei den Zeugen E und C ersichtlich um Nichtjuristen gehandelt hat. Die Möglichkeit bloßer „Gedankenspiele“ der Zeugen E und C liegt auch insoweit nicht fern, als sich sowohl aus Bekundungen von Zeugen (D, Anlage 4, S. 16, 19) wie auch aus dem von den beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine aktiv-vorpreschende Vorgehensweise durchaus mit deren Naturell in Einklang gebracht werden kann. Schließlich sind die von den beiden Zeugen angestellten Überlegungen auch insoweit nicht realisiert worden, als es um die angedachte Auflösung einer Firma des Klägers ging. Der Zeuge C hat insoweit schlüssig und nachvollziehbar erklärt, bei der angesprochenen Firma des Klägers sei es um die A M GmbH gegangen, diese sei aber nie aufgelöst worden, sondern bestehe immer noch (Niederschrift, Anlage 3, S. 16).
268 
Soweit in der Anklageschrift ausgeführt wird, die „handschriftliche Notiz des Angeschuldigten Prof. Dr. X vom 24.04.2006“ (BMO, Reg.-Nr. 11), in der durch einen Pfeil eine direkte Beziehung zwischen einem „Darlehen" und einer „Neugründung" hergestellt wird, wobei sich letztere Bemerkung nach Aktenlage nur auf die Gründung der Fa. M beziehen könne, spreche gegen persönliche Darlehensgewährungen, bedarf dies der Korrektur. Entgegen der Annahme in der Anklageschrift stammt diese Notiz nicht vom Kläger, sondern vom Zeugen C. Sie wurde am 24.04.2006 erstellt und steht damit aller Wahrscheinlichkeit nach im Zusammenhang mit dem erwähnten Gespräch mit dem Zeugen E am 24.04.2006 in .... Mithin ist die Aussagekraft dieser Notiz - wie gerade ausgeführt - begrenzt.
269 
ββ) Unabhängig davon wird in der Anklageschrift auch im Hinblick auf die „verdeckte“ Gewinnbeteiligung als „Gegenleistung“ genannt, dass es „am 01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme durch den Angeschuldigten Prof. Dr. X auf Vertreter des Klinikvorstands zum Abschluss eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ...“ gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme der Staatsanwaltschaft nicht den Tatsachen entspricht, diese insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Zur Begründung wird auf die Ausführungen oben unter (aaa), β), δδ) verwiesen.
270 
β) Auf der Grundlage der Anklageschrift ergaben sich Verdachtsmomente ferner aus Hinweisen auf eine am 30.05.2006 in ... erfolgte Besprechung, an der der Kläger, die Zeugen C, D und E sowie der Steuerberater Q teilgenommen hatten.
271 
In einem hierzu vom Zeugen C erstellten Protokoll vom 31.05.06 (BMO Reg.-Nr. 14) heißt es (unter dem Punkt „Strukturierungsmöglichkeiten eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Uniklinik ...“ u.a.:
272 
„Die Partizipation XX [Initialen des Klägers] resp. seine Einbindung innerhalb des MVZ kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Gesellschafter erfolgen (KV-Zulassung geht nicht und Ermächtigung könnte nur auf jeweils zwei Jahre erteilt werden). XX erhält die Position eines Ärztlichen Geschäftsführers im Angestelltenverhältnis und erhält eine Erfolgsbeteiligung i. H. seiner eigentlichen Beteiligung. Parallel soll eine alternative Beteiligungsform gesucht und überprüft werden, welche eine Gesellschafterposition XXs und somit eine Partizipation über seine Tätigkeitszeit hinaus und nicht auf das ... MVZ beschränkt, sicherstellt"
273 
In der ebenfalls zu diesem Treffen gefertigten Aktennotiz in Sachen „Kooperation Uniklinik ...“ des Steuerberaters Q ist u. a. vermerkt (BMO Reg.-Nr. 14):
274 
„In dem Telefongespräch mit Herrn Dr. B wurden die Möglichkeiten für Herrn Prof. X eingehend besprochen. Herr Prof. X kann beim MVZ als Arzt angestellt werden. Die Beteiligung ist problematisch, weil er die Voraussetzungen als Leistungserbringer wohl nicht erfüllen kann. Die Anstellung von Prof. X kann vergütungsmäßig so ausgestaltet werden, dass er ergebnisabhängig wie ein Beteiligter honoriert wird. ...“.
275 
Allerdings gaben die Zeugen C, E und D in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt dieser Dokumente übereinstimmend an, bei diesen Überlegungen sei es nicht um die Fa. M bzw. den Rahmenvertrag mit dem Beklagten gegangen, sondern allein um den mittelfristig geplanten Aufbau eines Medizinischen Versorgungszentrums am Universitätsklinikum, also um die Gründung einer „public private partnership“, die letztlich indes nie realisiert wurde (Niederschrift, Anlage 3, S. 18; Anlage 4, S. 18; Anlage 5, S. 15 f.). Diese Bekundungen stimmen mit den Angaben der Zeugen im Strafverfahren überein (Zeugenvernehmung E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1857; Zeugenvernehmung D, S. 1637, 1639; Zeugenvernehmung C, Bd. VI, S. 1313). Sie erscheinen auch gemessen am Inhalt der schriftlich vorliegenden Unterlagen stimmig und nachvollziehbar.
276 
Damit bestehen durchgreifende Zweifel an dem in der Anklageschrift unterstellten Zusammenhang mit dem Abschluss des „Rahmenvertrags“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ..., zumal auch insoweit die tatsächliche Rolle des Klägers beim Abschluss des Rahmenvertrags gegen das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung spricht.
277 
(ccc) Zwischen dem Zeugen C und dem Kläger am 27.10.2006 schriftlich vereinbarte Gewinnbeteiligung am Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M.
278 
In der Anklageschrift wird dem Kläger weiter vorgeworfen, am 27.10.2006 hätten der Angeschuldigte C und der Kläger mit Kenntnis und Billigung des Angeschuldigten D schriftlich vereinbart, dass der Kläger am Geschäftsanteil des Angeschuldigten C an der Fa. M in Höhe von 49% zur Hälfte beteiligt werden solle, da er das Unternehmen „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt" habe. Rechtlich sei die verdeckte Gewinnbeteiligung durch eine entsprechende Abtretungsvereinbarung zwischen dem Angeschuldigten C und dem Kläger erfolgt. Beiden sowie auch dem Angeschuldigten D sei bewusst gewesen, dass die geschlossene Vereinbarung geeignet gewesen sei, den Kläger in einen konkreten Interessenskonflikt zwischen seiner Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteilichen Dienstausübung im wohlverstandenen Interesse des Landes Baden-Württemberg einerseits und seiner Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung zu Gunsten der XY für die versprochene verdeckte Gewinnbeteiligung andererseits zu bringen (vgl. hierzu die Vereinbarung vom 27.10.2006, BMO Reg.-Nr. 30). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begegnet auch dieser Vorwurf gravierenden Zweifeln.
279 
α) Erste Zweifel ergeben sich bereits daraus, dass in der Anklageschrift der Inhalt der Vereinbarung in einem maßgeblichen Punkt unzutreffend wiedergegeben wird. In der Vertragsurkunde vom 27.10.2006 wird als Grund für die Abtretung unter 1. wörtlich angeführt: „Prof. Dr. X (XX) (Adresse) hat ... [Initialen des Zeugen C] bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt.“ (Hervorhebung nur hier). Obgleich hier somit ein deutlicher Bezug zu der Unterstützung hergestellt wird, die der Kläger dem Zeugen C persönlich hat zukommen lassen, spricht die Anklageschrift demgegenüber - in nicht nachvollziehbarer Abweichung vom Wortlaut - von einer aktiven Unterstützung des „Unternehmens“ „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M“. Mit dieser Formulierung wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, bereits aus der Vereinbarung ergebe sich eine unmittelbare Verknüpfung zwischen der den Kläger begünstigenden Abtretung und einem Tätigwerden des Klägers zugunsten der XY, der Fa. M ... oder der Fa. M.
280 
β) Ferner hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Vereinbarung mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, insbesondere des Zeugen D, geschlossen wurde.
281 
In der mündlichen Verhandlung ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 den Zeugen D und E vorgehalten worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese sei ihnen nicht bekannt gewesen bzw. erst im Laufe des Verfahrens bekannt geworden (Niederschrift, Anlage 4, S. 20 f.; Anlage 5, S. 16 f.). Konkrete Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit dieser Darstellung sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren so ausgesagt (E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1863; D, Bd. VII, S. 1648; vgl. auch die schriftliche Einlassung des Zeugen D, Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229) und im Übrigen auch der Zeuge C bestritten hat, dass der Zeuge D bzw. die beiden Zeugen etwas von der Vereinbarung gewusst haben (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1301; Niederschrift, Anlage 3, S. 23). Allein aus dem Umstand, dass am Ende der Vereinbarung die mit der Unterschrift zu bestätigende Kenntnisnahme durch den Zeugen D vorgesehen war, dort allerdings die Unterschrift fehlt, kann nichts Abweichendes geschlossen werden.
282 
Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung (und den unter eee) dargestellten Zahlungen an den Kläger) sprechen im Übrigen die Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer 2007 von eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen Kenntnis erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge E hat detailliert, stimmig und unter eindrucksvoller Schilderung seiner Gefühlsregungen („Lebemensch“, „Dann hat mir das irgendwann mal so gestunken, ...“, „klare Ansage“, „kein Murren und kein Meckern“) erklärt, dass sich diese Geldabhebungen durch den Zeugen C aus seiner Sicht verboten hätten, weil der Fa. M ..., 51% der Anteile an der Fa. M zugestanden hätten und im Übrigen erst einmal „Geld verdient“ hätte werden müssen, bevor man es ausschütten könne (Niederschrift, Anlage 5, S. 16 f.; vgl. auch den Gesellschaftsvertrag der Fa. M BMO Reg.-Nr. 22). Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl. Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung ließe sich schließlich auch nur schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M explizit eine Absage erteilt hatte.
283 
γ) Ist nach dem Vorstehenden davon auszugehen, dass die vereinbarte Abtretung des Gewinnanteils allein mit Kenntnis und Willen des Zeugen C und nicht auch von Verantwortlichen der XY erfolgt ist, bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran, dass das maßgebliche Motiv für die Zuwendung des Vorteils eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M gewesen ist oder die Honorierung einer solchen Dienstausübung. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die Gewinnbeteiligung im Zusammenhang stand mit der besonderen - privaten und geschäftlichen - Beziehung des Zeugen C zum Kläger bzw. - im Einklang mit dem Wortlaut der Vereinbarung - mit der Unterstützung, die der Zeuge C persönlich von Seiten des Klägers erfahren hat.
284 
Der Zeuge C und der Kläger stehen seit langem in Geschäftsbeziehungen und sind insbesondere auch gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden. Schon 1999 nahm der Kläger im Zusammenhang mit der Vermarktung des Aromatesehemmers die Dienste des Zeugen C in Anspruch, der damals als Berater bei der ... tätig war (Niederschrift, Anlage 3, S. 41). Beide sind seit 2005 Gesellschafter der A M GmbH, deren Gegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen und die Übernahme von deren Geschäftsführung ist (vgl. § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, BMO Reg.-Nr. 57). Tatsächlich ist die GmbH Inhaberin von Patenten und hält gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Klägers (etwa an der E-GmbH und der C-GmbH). Sie dient dabei (u.a.) dem Zweck der Vermarktung von Patenten und sonstigen Innovationen aus dem Gesundheitsbereich, die der Kläger mitentwickelt hat (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Bei Gründung der GmbH hatte der Zeuge C, der von Beginn an auch als Geschäftsführer fungierte, 20%, der Kläger 80% der Geschäftsanteile. Die Anteile des Zeugen C wurden (wohl) im Oktober 2007 auf 51% aufgestockt. In Bezug auf die Rollenverteilung bei der Verfolgung des Unternehmenszwecks tragen der Kläger und der Zeuge C übereinstimmend und schlüssig vor, der Kläger habe Patente und Beteiligungen eingebracht, die auf seinem wissenschaftlichen Know-How beruhten, der Zeuge C habe das kaufmännische Know-How eingebracht (Niederschrift, Anlage 3, S. 22; Protokoll vom 23.01.2008 über ein am 22.01.2008 geführtes Gespräch mit dem Kläger, S. 4, Akten des Beklagten).
285 
Neben der geschäftlichen bestand und besteht zwischen dem Zeugen und dem Kläger auch eine persönlich-freundschaftliche Beziehung. Diese geht auf die Unterstützung zurück, die der Kläger dem Zeugen und seiner Familie im Zusammenhang mit der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes des Zeugen und seiner Frau im Jahre 2002 hat zu teil werden lassen. Dieses Kind ist schwerstbehindert zur Welt gekommen und bis heute 100% pflegebedürftig. Der Kläger hat Kontakte zu ärztlichen Experten hergestellt und dazu beigetragen, dass das Kind - umgehend und in Abweichung von den üblichen langen Wartezeiten - einen Heimplatz in einem speziellen Pflegeheim in Karlsruhe erhalten hat (vgl. auch Schriftsatz RA ..., Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 991).
286 
Vor diesem Hintergrund mag es sein, dass der Zeuge C und der Kläger auch die Fa. M als gemeinsame Unternehmung betrachtet haben. Es kann jedoch - entgegen der Annahme in der Anklageschrift - nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es bei der internen hälftigen Beteiligung des Klägers an dem Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M das maßgebliche Motiv des Zeugen C war, auf eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY bzw. der Fa. M Einfluss zu nehmen. Vielmehr spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angesichts der sehr begrenzten Rolle des Klägers bei der Anbahnung des Rahmenvertrags und vor allem mit Blick auf die besondere persönliche wie geschäftliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen C einiges dafür, dass der Vortrag des Zeugen C zu den der Beteiligung zugrunde liegenden Motiven zutrifft.
287 
Der Kläger hatte bereits in seiner frühen schriftlichen Einlassung gegenüber dem Beklagten vorgetragen, alle Zuwendungen hätten auf persönlichen Beziehungen zum Zeugen C oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen diesem gegenüber beruht (Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008, Akten Beklagter). Nach den Bekundungen des Zeugen C hatten der Zeuge und der Kläger - jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom Oktober 2006 - die Vorstellung, die von beiden Seiten in gemeinsame Unternehmungen eingebrachten „Leistungen“ in der Weise zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, dass man jeweils eine hälftige Beteiligung an den Erträgen aus diesen Unternehmungen vorsah. Dem Zeugen ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat hierauf erklärt, die Grundlage sei gewesen, dass man gesagt habe, dass man alles „halbe/halbe“ mache (Niederschrift, Anlage 3, S. 22). Für die Glaubhaftigkeit einer grundsätzlichen Absprache, Erträge aus gemeinsamen Unternehmungen hälftig zu teilen, spricht dabei zunächst die nachvollziehbare Darstellung der Rollenverteilung zwischen dem Kläger und dem Zeugen im Zusammenhang mit gemeinsamen Unternehmungen, das unterschiedliche Gewicht der in die Unternehmungen jeweils eingebrachten wirtschaftlichen Werte und die dem Zeugen daraus erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile (Anlage 3, S. 22, 37). Der Sache bestätigt wird diese Darstellung auch durch die erste Reaktion des Klägers auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Rahmen einer Besprechung beim Beklagten am 22.01.2008 (Protokoll vom 23.01.2008, enthalten in den Akten des Beklagten). Ferner erscheint es insbesondere schlüssig, wenn der Zeuge der Sache nach die Abtretung des Gewinnanteils an der Fa. M auch damit begründet, dass sein Anteil an der Fa. M die einzige „werthaltige“ Beteiligung“ von seiner Seite gewesen sei, die er in gemeinsame Unternehmungen eingebracht habe (Anlage 3, S. 22, 24 f.). Ein weiteres Indiz für die behauptete generelle Absprache ist in dem Umstand zu sehen, dass etwa auch die zunächst 20%ige Beteiligung des Zeugen C an der A M GmbH im Oktober 2007 auf eine 51%ige Beteiligung aufgestockt wurde. Die Tatsache, dass dieser Vorgang erst eine gewisse Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarung erfolgte, stellt das Vorhandensein einer entsprechenden generellen Motivation zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht grundsätzlich in Frage. Für die Richtigkeit dieser Bekundungen spricht weiterhin, dass sie im Wesentlichen mit den Darstellungen des Zeugen im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1299; Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Bd. IV, S. 431) und mit den Einlassungen des Klägers übereinstimmen (vgl. bereits den über eine Besprechung am im Universitätsklinikum gefertigten Aktenvermerk des RA ... vom 25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten, sowie den Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1023). Der Beklagten-Vertreter hat dem Zeugen in der mündlichen Verhandlung der Sache nach vorgehalten, dass er im Strafverfahren in Bezug auf die Absprache einer hälftigen Beteiligung erklärt habe, das habe er zur Absicherung des Klägers gemacht, da sei nicht von gemeinsamen Geschäften in der Zukunft, sondern von einer grundsätzlichen, auch die Vergangenheit umfassenden Absprache gesprochen worden (Niederschrift, Anlage 3, S. 36 f.). Daraus, dass der Zeuge in der mündlichen Verhandlung auch erklärt hat, die Gewinnbeteiligung habe „einzig und allein damit zu tun, dass man gesagt hat, man macht zukünftige Geschäfte wirklich hälftig“ (Anlage 3, S. 23), vermag der Senat - auch mit Blick auf die übrigen Ausführungen des Zeugen etwa zum Ungleichgewicht der in die Unternehmungen eingebrachten wirtschaftlichen Werte und zu der engen persönlichen Beziehung zum Kläger - indes keine ernsthaften Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ableiten. Der Zeuge hat auf den Vorhalt des Beklagten-Vertreters der Sache nach erklärt, dass er im Zusammenhang mit der hälftigen Gewinnbeteiligung das Alter und die finanziellen Probleme des Klägers sowie die „menschliche persönliche Verpflichtung“ ihm gegenüber habe bedenken müssen und er sich insoweit moralisch verpflichtet gefühlt habe (Anlage 3, S. 37). Auch dies erscheint dem Senat vor allem angesichts der Unterstützung, die der Zeuge seitens des Kläger in einer ausgesprochen schwierigen Lebenssituation erfahren hat, gut nachvollziehbar. Insoweit hatte der Zeuge - an anderer Stelle - ersichtlich mit emotionaler Anteilnahme, schlüssig und überzeugend erklärt, wie der Kläger dem Zeugen und seiner Frau nach der Geburt des schwerstbehinderten Sohnes geholfen und ihnen „ein normales Leben ermöglicht“ habe (Anlage 3, S. 19).
288 
Vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger erweisen sich die Angaben des Zeugen auch nicht als widersprüchlich. Vielmehr erscheint insoweit die Annahme lebensnah, dass die Gewinnbeteiligung des Klägers nicht auf ein isoliertes Motiv zurückgeführt werden kann, sondern auf Seiten des Zeugen C ein „Motivbündel“ vorlag, das verschiedene wirtschaftliche wie persönliche Beweggründe umfasste. Hierfür spricht ein weiterer Aspekt. Denn als speziell der Person des Zeugen C zugutekommende Leistung des Klägers im Zusammenhang mit der Fa. M und damit korrespondierend als Grund für die Gewinnbeteiligung liegt auch nahe, dass der Zeuge C die für ihn lukrative Stellung als Geschäftsführer und Gesellschafter der Fa. M letztlich dem Kläger verdankte, weil dieser den Kontakt zu D hergestellt hatte (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags vom 28.08.2006, BMO Reg.-Nr. 25 „Der Geschäftsführer erhält ein monatliches Festgehalt von EUR 5.000,- “). Dass dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 27.10.2006 eine Rolle spielte, ist bereits im Strafverfahren nachvollziehbar vorgetragen (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Akten Strafverfahren, Bd. IV, S. 423; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Bd. III, S. 229) und vom Zeugen C bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung im Kern bestätigt worden (Anlage 3, S. 25).
289 
Schließlich erscheint auch der - durch den Wortlaut der Vereinbarung gestützte - Vortrag, der Kläger habe den Zeugen C - unabhängig vom Rahmenvertrag mit dem Beklagten - bei der strategischen Ausrichtung der Fa. M unterstützt, nicht aus der Luft gegriffen, sondern im Gegenteil schlüssig und nachvollziehbar. Sowohl aus den Akten des Strafverfahrens wie aus der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es - jenseits der rahmenvertraglichen Beziehung zum Beklagten - erhebliche weitere Aktivitäten der Fa. M und diesbezügliche beratende Unterstützung seitens des Klägers gegeben hat (vgl. u.a. die in den Schriftsätzen des RA Dr. ... vom 21.02.2008 und vom 04.05.2009 angesprochenen Planungen geschäftlicher Expansionen in Süddeutschland, in der Schweiz und in Österreich sowie die Protokolle der Fa. M vom 25.11.2006, BMO Reg.-Nr. 33 und 42, vom 30.11.2006, BMO Reg.-Nr. 35, vom 17.12.2006, BMO Reg.-Nr. 36 und den „Strukturvorschlag“ für Österreich, BMO Reg.-Nr. 38 sowie Unterlagen betreffend eine „M Schweiz AG“ BMO Reg.-Nr. 39; vgl. weiter die Ausführungen in den Schriftsätzen der RA ... vom 18.01.2008, S. 4 [Akten Beklagte], Dr. ... vom 21.02.2008 [S. 189 f.] und ... vom 16.12.2009 [S. 1023 f.]; vgl. schließlich die Angaben des Zeugen C, Anlage 3, S. 22). Dabei ist hervorzuheben, dass mit Blick darauf, dass die Fa. M zunächst allein zu dem Zweck gegründet worden war, den Rahmenvertrag mit dem Beklagten zu realisieren (vgl. das Protokoll des Zeugen C vom 25.04.2006 und die E-Mail des Zeugen E vom 26.04.2006, BMO Reg.-Nr. 12; Aktennotiz Steuerberater Q vom 30.05.2006, BMO Reg.-Nr. 14), die in der Vereinbarung vom 27.10.2006 - also nach Abschluss des Rahmenvertrags - enthaltene Formulierung der „strategischen Ausrichtung“ schon angesichts der Chronologie darauf hindeutet, dass als Gegenstand der angesprochenen Unterstützung durch den Kläger andere Tätigkeitsfelder der Fa. M gemeint waren als der Rahmenvertrag mit dem Beklagten.
290 
Vor dem Hintergrund der dargelegten Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer, in der Anklageschrift weitgehend ausgeblendeter Motive, bestehen gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit der den Kläger begünstigenden Abtretung das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M zu honorieren.
291 
Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil es angesichts seiner engen persönlichen Beziehung zum Kläger nicht nahe liegt, dass der Zeuge C - wie vom Beklagten angenommen - ohne weiteres dem „Lager“ der XY zugerechnet werden konnte und es an greifbaren Anhaltspunkten dafür fehlt, dass er einen Grund gehabt hätte, Einfluss auf das dienstliche Verhalten des Klägers zu nehmen.
292 
(ddd) Zuwendung eines Darlehens in Höhe von 15.000,-- EUR
293 
Bereits das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die im Ermittlungsverfahren durchgeführten Nachermittlungen festgestellt, dass die dem Kläger im November 2006 über den Zeugen C gezahlten 15.000,- EUR in keinem Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag zwischen der Fa. M und dem Beklagten standen, sondern aus einer Vertragsbeziehung des Klägers zu einer Fa. ... stammten (vgl. den Ergänzungsbericht des Regierungspräsidiums ..., Landespolizeidirektion, vom 06.07.2010, S. 19f.). Anhaltspunkte, die diese Feststellung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
294 
(eee) Gewinnausschüttungen der Fa. M in Höhe von 39.000,00 EUR im Zeitraum Februar bis Juli 2007
295 
In der Anklageschrift wurde dem Kläger schließlich vorgeworfen, im Zeitraum von Februar 2007 bis Juli 2007 wie ein echter Gesellschafter von der Fa. M verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt 39.000,- EUR erhalten zu haben, wobei die Einzelauszahlungen 11.000,- EUR am 09.02.2007, 5.000,- EUR am 17.04.2007, 8.400,-- EUR am 14.05.2007, 6.000,-- EUR am 01.06.2007, 5.500,- EUR am 20.06.2007 sowie 3.100,-- EUR am 16.07.2007 betragen hätten (vgl. das Dokument „Gewinnausschüttungen der Fa. M“, BMO Reg.-Nr. 39, sowie den diesbezüglichen Auswertungsbericht des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landespolizeidirektion, vom 22.01.2008). Die Zahlungen sollten - wie den Angeschuldigten Prof. Dr. X, D und C bewusst gewesen sei - dazu dienen, weiterhin den Angeschuldigten Prof. Dr. X im Sinne einer einseitigen Dienstausübung zu Gunsten von XY gewogen zu halten.
296 
Auch an der Berechtigung dieses Vorwurfs bestehen gewichtige Zweifel.
297 
α) Zunächst hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die vorgeworfenen Zahlungen mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, explizit der Zeugen D und E, erfolgt sind.
298 
In der mündlichen Verhandlung ist den Zeugen D und E das Dokument „Gewinnausschüttungen Fa. M“ vorgehalten worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese Aufstellung sei ihnen nicht bekannt gewesen und sie hätten auch anderweitig von den „Gewinnausschüttungen“ nicht gewusst (Anlage 4, S. 17 f.; Anlage 5, S. 21 f.). Konkrete und hinreichende Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit dieser Angaben sind für den Senat nicht ersichtlich. Sie stimmen überein mit ihren Bekundungen im Rahmen der Vernehmungen im Strafverfahren (E, Akte Strafverfahren, S. 1865; D, S. 1649; vgl. auch die schriftliche Einlassung des Zeugen D, Schriftsatz RA ..., S. 357). Auch der Zeuge C hat auf konkrete Frage des Senats in Abrede gestellt, dass die Zeugen D und E von den Zahlungen gewusst hätten (Anlage 3, S. 21). Im Übrigen hatten die Zeugen D und E bereits im Strafverfahren grundsätzlich erklärt, der Kläger habe von ihnen keine Zuwendungen erhalten, die im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag gestanden hätten; der Kläger habe auch nie Zuwendungen oder Vorteile gefordert (Akte Strafverfahren, S. 1659; S. 1871; vgl. auch bereits den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010 unter 3.1 zum Ergebnis der Nachermittlungen im Hinblick auf Zuwendungen an den Kläger).
299 
Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von den aufgezeigten Zahlungen an den Kläger sprechen ferner die glaubhaften Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer 2007 von eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen Kenntnis erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl. Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von den Zahlungen und damit von einer praktizierten Gewinnbeteiligung des Klägers ließe sich schließlich nur schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M eine Absage erteilt hatte.
300 
β) Damit geht der Senat davon aus, dass Zuwendungen an den Kläger aus Mitteln der Fa. M allein vom Zeugen C veranlasst worden sind.
301 
Aus dem Auswertungsbericht vom 22.10.2008 ergibt sich, dass die in der Liste (BMO Reg.-Nr. 39) aufgeführten Zahlungen der Fa. M in Höhe von 20.000 EUR an die Muttergesellschaft M GmbH sowie 90.000 EUR an den Geschäftsführer, den Zeugen C, anhand von Kontenunterlagen nachvollzogen werden konnten. Die Zahlungen wurden als „Gewinnvorab-ausschüttung oder Gewinnvorabentnahme" bezeichnet und tatsächlich geleistet. Ferner konnten in der Liste ausgewiesene, vom Zeugen C veranlasste Zahlungen in Höhe von 39.000,00 EUR an den Kläger über Kontoauszüge nachvollzogen werden.
302 
Der Senat hegt indes auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran, dass der Zeuge C mit den Zahlungen an den Kläger darauf abzielte, auf die künftige Dienstausübung des Klägers zugunsten der XY bzw. zugunsten von Fa. M Einfluss zu nehmen bzw. seine vergangene Dienstausübung zu honorieren.
303 
αα) Der Zeuge C hat auf Vorhalt der Liste „Gewinnausschüttung“ in der mündlichen Verhandlung erklärt, es handele sich um eine von ihm persönlich erstellte Aufstellung. Auf der linken Seite sei die Gewinnausschüttung der Fa. M zu sehen, die er bzw. die M GmbH bekommen habe. In dem rechten Feld, in dem „E, XX, Steuer und C“ aufgeführt sei, habe er nur vermerkt, was er mit diesem Geld gemacht habe. Es sei ein seiner privaten Buchhaltung entsprechendes Dokument gewesen über die Mittelverwendung. Diese Ausführungen erscheinen im Grundsatz nachvollziehbar.
304 
Der Senat hat dem Zeugen vorgehalten, er habe bei seiner Vernehmung im Strafverfahren auf die Frage nach direkter oder indirekter Partizipation des Klägers an den Gewinnen von M erklärt: „Herr Prof. X hat mittelbar daran partizipiert, weil die Zahlungen an Prof. Dr. X, die andere Gründe hatten, aus Mitteln der M GmbH stammten.“ Er hat daraufhin die Richtigkeit dieser Aussage bekräftigt und die „anderen Gründe“ als persönliche Gründe qualifiziert, die in keinem Zusammenhang mit der Fa. M gestanden hätten (vgl. Anlage 3, S. 27 f.). Nach der Auffassung des Senats spricht einiges dafür, dass diese Darstellung zutrifft.
305 
Der Zeuge C hat in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass es von seiner Seite Zahlungen an den Kläger bereits vor seiner Tätigkeit und auch nach seiner Tätigkeit für die Fa. M gegeben habe. Insbesondere habe es Überweisungen an den Kläger bereits im Jahr 2005 gegeben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er den Zeugen D noch nicht gekannt habe. Teilweise wird die Darstellung des Zeugen durch die dem Senat vorliegenden Akten bestätigt: Denn aus den sichergestellten Bankunterlagen sind beispielsweise zwei bereits im Dezember 2015 vom Zeugen C veranlasste Darlehensgewährungen an den Kläger zu entnehmen (vgl. den Sachstandsbericht vom 26.10.2007, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 559; vgl. ferner die Einlassung des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2009, „allein im zweiten Halbjahr 2005 erfolgten vier weitere Zahlungen auf das Konto 04, nämlich am 25.07.2005 ein Betrag in Höhe von 1.000 EUR, am 27.08.2005 ein Betrag in Höhe von 500 EUR, am 07.09.2005 ein Betrag in Höhe von 1.500 EUR und am 17.09.2005 ein Betrag in Höhe von 950 EUR“, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Damit trifft jedenfalls die Äußerung des Beklagten-Vertreters gegenüber dem Zeugen in der mündlichen Verhandlung, wonach es doch feststehe, „dass alles, was sie letztlich dem Herrn Prof. X zugeleitet haben an Geldmitteln, aus dem Bereich XY kam“, nicht zu. Greifbare Anhaltspunkte für eine Unglaubhaftigkeit der Darlegungen des Zeugen sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Angaben in der mündlichen Verhandlung stimmen mit seinen Bekundungen im Strafverfahren wie auch mit den dortigen schriftsätzlichen Einlassungen im Kern überein. Bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hat er angegeben, „auch in den Jahren davor immer wieder Prof. Dr. X Geld gegeben“ zu haben, „wenn es ihm möglich gewesen sei und er es gebraucht habe“. Er habe ihm meistens Geld geliehen (Akte Strafverfahren, S. 1297). Diese Bekundungen stehen im Kern im Einklang mit Angaben des Klägers bei einer Besprechung im Büro des Kaufmännischen Direktors am 22.10.2008 (Aktenvermerk vom 25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten) und mit der schriftlichen Einlassung des Klägers im Strafverfahren (RA ..., Schriftsatz vom 16.12.2009, Akte Strafverfahren, S. 991, mit dem Hinweis auf das für den Kläger eingerichtete Unterkonto). Sie können im Übrigen gerade auch vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zum Kläger sowie dessen desolater finanzieller Lage gut nachvollzogen werden.
306 
Darüber hinaus deutet die jeweilige Höhe der konkreten Beträge, die der Zeuge C nach der Liste dem Kläger jeweils hat zukommen lassen, nicht darauf hin, dass damit die Vereinbarung der hälftigen Beteiligung an den Gewinnen der Fa. M „erfüllt“ worden wäre. Auf einen entsprechenden Vorhalt des Beklagten-Vertreters hat der Zeuge in jedenfalls plausibler Weise darauf verwiesen, dass bei einem Vergleich der Gesamtausschüttung und der jeweils dem Zeugen und dem Kläger zugeteilten Beträge ein „Ungleichgewicht“ festzustellen sei.
307 
Indiz für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen sind auch seine Angaben, im Hinblick auf die einzelnen Zahlungen dem Kläger gegenüber keinen Zusammenhang mit den Gewinnen der Fa. M hergestellt zu haben und dass er sich sicher sei, dass der Kläger nie gewusst habe, welche Höhe die Gewinnausschüttung gehabt habe (Niederschrift, Anlage 3, S. 27).
308 
Der Senat geht schließlich davon aus, dass die oben in Bezug auf die den Kläger begünstigende Abtretung festgestellte Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer Motive der Zeugen C angesichts der Eigenart der Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger in gleicher Weise für die hier gegenständlichen Zuwendungen gelten. Auch insoweit verbleiben jedenfalls gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit diesen Zuwendungen das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder eine entsprechende vergangene Dienstausübung zu honorieren.
309 
(fff) Diese Bewertung der gegen den Kläger erhobenen Verdachtsgründe wird durch die vom Beklagten u.a. unter Bezugnahme auf die Anklageschrift, den Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010 - 1 K 2586/89 - sowie die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 in den Vordergrund gerückten belastenden Umstände nicht erschüttert.
310 
Der Senat verkennt nicht, dass die massive Verschuldung des Klägers im maßgeblichen Zeitraum ersichtlich für diesen ein Motiv hätte darstellen können, sich in seiner Dienstausübung etwa durch die vom Zeugen C erhaltenen Zuwendungen beeinflussen zu lassen. Er hatte beim Finanzamt ..., bei Kreditinstituten sowie bei privaten Gläubigern Schulden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Zahlreiche Gläubiger gingen im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Kläger vor, der nur sporadisch in der Lage war, gewisse Teilzahlungen zu leisten (zum Stand der wirtschaftlichen Situation des Klägers vgl. das Protokoll vom 01.11.2006, BMO Reg.-Nr. 32). Indes hat der Senat bei einer Gesamtschau aller Umstände hinreichend konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Zusammenhangs nicht festzustellen vermocht. Dies gilt umso mehr, als der Umstand der Verschuldung ohne weiteres mit den aufgezeigten alternativen Gründen für die Zuwendungen durch die Zeugen D und C in Einklang gebracht werden kann und sogar geeignet ist, diesen Gründen besondere Plausibilität zu verleihen. So kann etwa vor dem Hintergrund des engen persönlich-freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Zeugen C auf der Grundlage dessen glaubhafter Darstellungen davon ausgegangen werden, dass dieser gerade angesichts der finanziellen Lage des Klägers eine besondere Verantwortung verspürt hat, diesem immer wieder finanziell auszuhelfen. Dass Zahlungen höherer Beträge vermehrt in dem hier gegenständlichen Zeitraum stattfanden (in der Anklageschrift als „graduelle Steigerung des „Anfütterns“ des Klägers deklariert), lässt sich auch damit erklären, dass der Zeuge C - insbesondere aufgrund seiner Stellung in der Fa. M - in diesem Zeitraum über mehr Geldmittel verfügte, was nicht zwangsläufig eine Verknüpfung mit der Dienstausübung durch den Kläger belegt. Damit kommt auch dem Hinweis in der Anklageschrift auf das Protokoll der Fa. M vom 01.11.2006 (BMO Reg.-Nr. 32) kein entscheidender Beweiswert zu.
311 
Entsprechendes gilt letztlich, soweit zur Begründung des Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen, - letztlich pauschal - darauf abgehoben wird, dass die im zeitnahen Umfeld zu den persönlichen Kontakten erfolgten Zahlungen an den Kläger „zu auffällig und ungewöhnlich“ seien (so die Formulierung im Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010) bzw. „die zeitlichen Koinzidenzen von wiederholten Geldleistungen an den Kläger“ „in der Summe nicht plausibel mit Zufällen“ zu erklären seien (so die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 zum Ergebnis der Nachermittlungen). Demgemäß sind in dem genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts auch die dem Kläger vorgeworfenen Zahlungen von insgesamt 85.500,-- EUR in den Jahren 2005 bis 2007 pauschal aufgelistet und ist ausgeführt worden, dass ausnahmslos alle Zahlungen von Konten der zur XY gehörenden Firmen erfolgt seien. Indes hat eine eingehende und differenzierende Betrachtung der unterschiedlichen Zuwendungen auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der besonderen Beziehungen des Klägers insbesondere zum Zeugen D wie zum Zeugen C (vgl. oben unter [aaa] bis [eee]) jedenfalls hinreichend konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte dafür erbracht, dass den Zuwendungen andere Zielsetzungen zugrunde lagen als die vom Beklagten letztlich unterstellten konkludenten Unrechtsvereinbarungen. Dabei ist festzuhalten, dass den aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M stammenden Aufzeichnungen, vertraulichen Protokollen und Korrespondenzen auch Aussagekraft für die Annahme entlastender Umstände zukommt (vgl. etwa die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine „Besprechung in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 [BMO Reg.-Nr. 14]). Darüber hinaus lassen sich ausreichend konkrete dienstliche Berührungspunkte zwischen den potentiellen Vorteilsgebern D bzw. C und dem Kläger auch deshalb nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, weil letzterer - wie dargelegt - unstreitig auf die Verhandlungen und den Abschluss des Rahmenvertrags keinen Einfluss hatte. Bei dieser Sachlage entbehrt auch der bloße Hinweis auf die zeitliche Nähe der Geldflüsse zu den Vertragsverhandlungen einer hinreichend greifbaren Tatsachengrundlage für die Annahme der „großen Wahrscheinlichkeit“ einer konkludenten Unrechtsvereinbarung.
312 
Schließlich vermag auch der Umstand, dass gegen den Kläger bereits im Jahre 1999 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme bzw. der Untreue eingeleitet worden war (420 Js 11807(98), die Beweislage nicht entscheidend zu verändern. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 153a StPO gegen eine Geldauflage ein Höhe von 30.000,-- EUR eingestellt, da sich der Kläger nach den durchgeführten Ermittlungen selbst wirtschaftlich nicht bereichert hatte und ein wirtschaftlicher Schaden für andere nicht festzustellen war.
313 
(c) Insgesamt vermag der Senat trotz verbleibender Verdachtsmomente nicht festzustellen, dass im Kündigungszeitpunkt die für die Annahme des dringenden Tatverdachts erforderliche große Wahrscheinlichkeit erheblicher Pflichtverletzungen vorlag.
314 
dd) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen kann offen bleiben, ob die vor der Erklärung der Verdachtskündigung durchgeführte Anhörung des Klägers durch den Beklagten den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Anforderungen (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris, und vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -, juris; Eylert, NZA-RR 2014, 393, 400 ff.) gerecht geworden ist.
315 
ee) Ebenso wenig bedarf es einer Interessenabwägung. Zwar ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen und hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, Urteile vom 19.04.2012 - 2 AZR 258/11 -, juris, Rn. 14, vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 -, juris, und vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Hier hat der Senat indes auf der Grundlage des Ausführungen unter (bb) und (cc) bereits den dringenden Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen des Klägers und damit eine unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung nicht festzustellen vermocht.
III.
316 
Danach war die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam. Das Dienstverhältnis bestand somit bis zum 31.03.2012 fort (vgl. § 11 Abs. 4 2. Spiegelstrich des Dienstvertrags).
317 
Der Senat hat oben bereits festgestellt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch die Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Damit kam der weiteren, ausdrücklichen Abberufungsentscheidung vom 20.01.2010 keine eigenständige rechtliche Wirkung mehr zu. Unabhängig davon hat der Beklagte auch diese Entscheidung maßgeblich auf den Verdacht schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen gestützt. Da die Berechtigung dieses Verdachts nach den Ausführungen unter II. erheblichen Zweifeln begegnet, würde sich die weitere Abberufung jedenfalls als materiell rechtswidrig erweisen.
318 
Auch die mit Erlass des MWK vom 09.02.2010 ausgesprochenen Funktionsänderung, gegen die der Kläger Widerspruch erhoben hat, war nicht geeignet, aus, vor dem 31.03.2012 eine Beendigung des Dienstvertrags herbeizuführen (vgl. § 11 Abs. 4 erster bzw. dritter Spiegelstrich des Dienstvertrags).
C.
319 
Da der Kläger bereits mit dem Hauptantrag erfolgreich war, bedarf es keiner Entscheidung über die Hilfsanträge.
D.
320 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
321 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
322 
Beschluss vom 1. Dezember 2016
323 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 792.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG). Die Höhe des wirtschaftlichen Interesses des Klägers hat der Senat aus den sich im maßgeblichen Zeitraum (01.04.2010 bis 31.03.2012) nach § 8 Abs. 1 und 2 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 ergebenden Abschlagssummen abgeleitet (vgl. den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 11.03.2014).
324 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
118 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter A.) und begründet (unter B.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012 fortbestanden hat. Einer Entscheidung über die Hilfsanträge bedarf es nicht (unter C.).
A.
119 
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen zur Zulässigkeit der Feststellungsklage des Klägers gegen die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 im Senatsurteil vom 02.08.2012 (- 9 S 2752/11 -, juris, Entscheidungsgründe unter 1.). Die diesbezüglichen Erwägungen gelten für die denselben Dienstvertrag betreffende, hier gegenständliche ordentliche Kündigung vom 30.09.2009 entsprechend.
B.
120 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 ist unwirksam.
I.
121 
Die Kündigung ist allerdings nicht bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft.
122 
1. Mit Schreiben vom 30.09.2009 hat der Beklagte - die Zuständigkeit des Klinikumsvorstands folgt aus § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Beklagten (Amtliche Bekanntmachungen der Universität..., Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.) - den Dienstvertrag vom 24.07.2007 „vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin, das heißt zum 31.03.2010“, gekündigt. Er hat damit - wie sich auch aus dem in der Sitzung vom 28.09.2009 gefassten Beschluss des Vorstands des Beklagten ergibt - sein in § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags vertraglich vereinbartes Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeübt mit dem Ziel, eine Beendigung des öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses herbeizuführen. Danach kann „der Vertrag, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen, mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden“.
123 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf die vertraglich vereinbarte ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags die in § 60 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG statuierte grundsätzliche Begründungspflicht (zu den ohnehin eingeschränkten Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 61 Rn. 36) ebenso wenig Anwendung findet wie die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.
124 
Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht das in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Wiederholungsverbot für Kündigungen bei gleichbleibendem Kündigungsgrund entgegen. Das Wiederholungsverbot lässt sich sowohl prozessrechtlich als auch aus der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungserklärung herleiten. Das Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Der Arbeitgeber kann allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus nicht materiell-rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc.) unwirksam war (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 485/02 -, juris). Da der Senat in seinem Urteil vom 02.08.2012 lediglich die formelle Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen Verfahrens- bzw. Zuständigkeitsmängeln festgestellt hat, steht das Wiederholungsverbot der Kündigung schon deshalb nicht entgegen.
125 
2. Die Kündigung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam. Zwar erforderte sie das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität ... (a). Dieses lag indes zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung vor (b). Über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens hinausgehende Anforderungen waren weder vom Beklagten noch vom Senat zu prüfen (c).
126 
a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
127 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der - auf den Kläger anwendbaren (vgl. Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.) - Bestimmung lagen vor. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 30.09.2009 nach dessen objektiver Erklärungsbedeutung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.) ergibt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Hierfür spricht vor allem, dass das Schreiben vom 30.09.2009 den Gegenstand der Kündigung explizit und mit ersichtlich klarstellender Zielrichtung dahingehend beschreibt, dass sie „die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten“ betrifft. Bereits angesichts dieser Formulierung konnte es aus dem maßgeblichen „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete (zu dem durch die Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags begründeten Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.). Diese Beurteilung wird vom Beklagten ausdrücklich geteilt. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung aufrechterhaltenen tatsächlichen Folgen für den Kläger, dem sämtliche Befugnisse als Abteilungsleiter vorenthalten bzw. entzogen blieben.
128 
Dieses Verständnis wird auch nicht durch den der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz in Frage gestellt, „soweit er [der Dienstvertrag] nicht Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, sollte mit diesem Zusatz (lediglich) rechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden, der Beklagte könne zumindest die „beamtenrechtlichen Regelungen“ des Chefarztvertrags nicht ohne Mitwirkung des MWK kündigen (zur mangelnden Zuständigkeit des Beklagten, den Kläger seiner mit dem Amt als Universitätsprofessor am Klinikum verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung zu entheben vgl. im Einzelnen das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.). Mit der Formulierung sollte klargestellt werden, dass sich die Kündigung des Chefarztvertrags nur auf die „Rechte und Pflichten“ des Klägers beziehen soll, „die nicht der Beamtenstellung innewohnen“ (vgl. das Schreiben des Beklagten an das MWK vom 20.10.2009). Dem entspricht es im Übrigen, dass der Beklagte im Zusammenhang damit in der Folgezeit auch versucht hat, den Kläger dazu zu bringen, wieder Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen (vgl. hierzu das Schreiben des Beklagten vom 22.12.2009 sowie die Folgeschreiben). Ob es sich bei den für den Kläger vorgesehenen Aufgaben um eine amtsgemäße Verwendung gehandelt hat, ist - entgegen der Auffassung des Klägers - jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang ohne Belang.
129 
b) Das danach erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät, für dessen Erteilung gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5, § 23 Abs. 3 Satz 6 LHG der Fakultätsvorstand zuständig war, lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger (30.09.2009) vor.
130 
c) Das Verwaltungsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 02.08.2012 - die formelle Unwirksamkeit der Kündigung damit begründet, das Einvernehmen sei inhaltlich nicht dem grundrechtswahrenden Gehalt des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG gerecht geworden. Dieser Auffassung vermag der Senat aus den im Folgenden darzulegenden Gründen nicht zu folgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens hinausgehende Anforderungen weder vom beklagten Universitätsklinikum noch vom Senat zu prüfen sind.
131 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem - dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht bekannten - Urteil vom 19.03.2014 (- 6 C 8.13 -, BVerwGE 149, 194), ausgeführt, durch die in der dortigen Fallgestaltung (Klage eines Universitätsprofessors gegen die Schließung einer Bettenstation einer Nuklearmedizinischen Klinik an einem Universitätsklinikum) erhobene Forderung, das beklagte Universitätsklinikum habe zu überprüfen und dafür einzustehen, dass das von dem beigeladenen Fachbereich Medizin im tatsächlichen Sinne erteilte Einvernehmen unter Beachtung der Erfordernisse der Wissenschaftsfreiheit des Klägers zustande gekommen sei, habe das Oberverwaltungsgericht bei der Anwendung des Landeshochschulrechts den für die Organisation der Hochschulmedizin nach Bundesverfassungsrecht erforderlichen angemessenen Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits verfehlt. Dieser Ausgleich verbiete eine Belastung des Universitätsklinikums mit der ihm von dem Oberverwaltungsgericht angesonnenen Kontrollaufgabe. Vielmehr könne der Kläger die Vereinbarkeit des von seinem Fachbereich tatsächlich erteilten Einvernehmens mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit generell gerichtlich nur im Verhältnis zu dem Fachbereich klären lassen. Eine Schmälerung des dem Kläger nach Art. 19 Abs. 4 GG zustehenden effektiven Rechtsschutzes sei damit nicht verbunden (BVerwG, a.a.O.).
132 
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung im Einzelnen wie folgt begründet (juris Rn. 20-31):
133 
„cc) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO angenommen, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffende Schließung der Station O. durch das beklagte Universitätsklinikum verstoße gegen die landesrechtlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. des § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW, deren Einhaltung der Kläger als medizinischer Hochschullehrer beanspruchen kann (zu dieser Schutzfunktion im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes: BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 29). Mit Bundesverfassungsrecht unvereinbar ist die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass für das nach den genannten Vorschriften erforderliche Einvernehmen des beigeladenen Fachbereichs Medizin mit der Stationsschließungsentscheidung des beklagten Universitätsklinikums und damit für die Rechtmäßigkeit der Schließung der Station O. nicht die - von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte - tatsächliche Erteilung durch eines der Fachbereichsorgane genüge, sondern eine von dem Universitätsklinikum nachzuprüfende Erteilung auf Grund eines von dem Fachbereich grundrechtskonform durchgeführten Verfahrens erforderlich sei. Hierdurch hat das Oberverwaltungsgericht Anforderungen gestellt, die den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen und den verfassungsrechtlich geschützten Interessen, die sich im Bereich der universitären Krankenversorgung gegenüberstehen, in nachhaltiger Weise stören (aaa). Der besagte Ausgleich gebietet auch unter Berücksichtigung des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes, dass der Kläger wegen der von ihm geltend gemachten Verletzung seiner Wissenschaftsfreiheit den beigeladenen Fachbereich Medizin im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf eine Rücknahme des in tatsächlicher Weise erklärten Einvernehmens mit der Stationsschließung durch das Universitätsklinikum hätte in Anspruch nehmen müssen (bbb).
134 
aaa) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft - verstanden als Oberbegriff für Forschung und Lehre (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 u.a. - BVerfGE 35, 79 <113>) - als einen grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Zur Sicherung dieses Bereichs garantiert das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht nur die Freiheit von staatlichen Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - BVerfGE 111, 333 <354> und vom 20. Juli 2010 - 1 BvR 748/06 - BVerfGE 127, 87 <115>; BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - BVerwG 6 CN 1.11 - BVerwGE 144, 195 = Buchholz 11 Art. 5 Abs. 3 GG Nr. 3 Rn. 21). Die Einflussmöglichkeiten, die mit dem Recht der an einer Hochschule tätigen Hochschullehrer auf Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, dienen dem Schutz der Grundrechtsträger vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen, die ihre eigene Freiheit zu forschen und zu lehren gefährden können (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 354, 356 und vom 20. Juli 2010 a.a.O. S. 115, 117; Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 a.a.O. Rn. 25). Die Hochschullehrer können überdies in materiell-rechtlicher Hinsicht beanspruchen, dass ihnen bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel diejenigen Personal- und Sachmittel zugewiesen werden, die sie überhaupt erst in die Lage versetzen, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben. Grundrechtlich verbürgt ist die hiernach erforderliche Grund- oder Mindestausstattung (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 1 BvR 79/70 u.a. - BVerfGE 43, 242 <285>, Beschlüsse vom 8. Juli 1980 - 1 BvR 1472/78 - BVerfGE 54, 363 <390> und vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 362, Kammerbeschluss vom 15. September 1997 - 1 BvR 406/96 u.a. - NVwZ-RR 1998, 175).
135 
Für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ergeben sich Besonderheiten aus dem Umstand, dass diesen neben Forschung und Lehre als Zusatzaufgabe die Krankenversorgung obliegt, die in den Universitätskliniken stattfindet. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 8. April 1981 - 1 BvR 608/79 - BVerfGE 57, 70 <96 ff.>) hat - zunächst noch im Hinblick auf Universitätskliniken, die nach dem betroffenen (hessischen) Landesrecht organisatorisch nicht verselbständigt waren - festgestellt, dass die Organisation der Krankenversorgung nicht ohne weiteres den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegt, die ansonsten im Bereich der Selbstverwaltung wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten und im Rahmen der Tätigkeit der Hochschullehrer in Forschung und Lehre Geltung beanspruchen, der Krankenhausbetrieb vielmehr im Interesse einer bestmöglichen Versorgung der Patienten eine gegenüber dem allgemeinen Wissenschaftsbetrieb der Universität straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche Entscheidungen ermöglichende Organisation erfordert. Allerdings darf, da in der Humanmedizin Forschung, Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung miteinander verflochten sind, das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei ihrer Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber muss vielmehr bei der Organisation der Universitätskliniken zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits einen angemessenen Ausgleich finden. Hierfür bedarf es geeigneter Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten und einer sachgerechten organisatorischen Verzahnung beider Funktionsbereiche.
136 
Dass die in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2000 erlassenen Regelungen, durch die die Universitätskliniken organisatorisch verselbständigt und damit die medizinischen Fachbereiche von der unmittelbaren Verantwortung für eine effektive Krankenversorgung als solche entlastet wurden, den beschriebenen Ausgleich bei sachgerechter Auslegung erreichen und deshalb mit der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer vereinbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2002 entschieden (Kammerbeschluss vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. - NVwZ 2003, 600). Es hat dies durch die bereits genannten Kammerbeschlüsse bestätigt, die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen sind, das der Kläger gegen das beklagte Universitätsklinikum geführt hat. Tragend hierfür sind zwei Aspekte (vgl. zum Folgenden: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 11. November 2002 a.a.O. S. 601, vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 27 ff., vom 2. Juli 2008 - 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 25 ff. und vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 28 f.).
137 
Zum einen wird zwar die für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer relevante Unterscheidung zwischen universitärer Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits nach der Verselbständigung der Universitätskliniken auch in der Organisationsstruktur der Hochschulmedizin sichtbar. Dabei sichert es jedoch die Wissenschaftsfreiheit, dass die Aufgabe medizinischer Forschung und Lehre in erster Linie bei den Universitäten und dort bei den medizinischen Fachbereichen verblieben ist. Die Fachbereiche, als diejenigen universitären Organisationseinheiten, über deren Organe die Hochschullehrer Einfluss innerhalb des organisierten Wissenschaftsbetriebs ausüben können, entscheiden gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 31b Abs. 2 HG NW insbesondere über die für Forschung und Lehre vorgesehenen Stellen und Mittel. Die Universitätskliniken haben insoweit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW nur eine dienende Funktion. Ihre Entscheidungskompetenzen beziehen sich vor allem auf die Organisation der Krankenversorgung mit dem Ziel, den dort bestehenden Effektivitätsanforderungen gerecht zu werden.
138 
Zum anderen wird im Rahmen dieser Aufgaben- und Verantwortungsteilung die primäre Zuständigkeit der medizinischen Fachbereiche für die Wissenschaftsfreiheit dadurch organisatorisch gewährleistet, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW Entscheidungen der verselbständigten Universitätskliniken im Bereich der Krankenversorgung, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen der medizinischen Fachbereiche rückgebunden sind. In Gestalt dieses Einvernehmenserfordernisses hat der Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber den Fachbereichen das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Instrument zur Verfügung gestellt, das es ihnen ermöglicht, die Erfordernisse, die sich aus der Grundrechtswahrnehmung der medizinischen Hochschullehrer ergeben, in den Verantwortungsbereich der verselbständigten Universitätskliniken zu transportieren. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich damit als eine andere Art des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Teil des Klinikumsbetriebs dar. Ihm kommt eine Sicherungsfunktion für die Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer zu. Diese können ihren grundrechtlich garantierten Einfluss mittels der Einvernehmensregelung über die Fachbereichsorgane auch auf wissenschaftsrelevante Maßnahmen der Universitätskliniken ausüben. Durch die Handhabung dieser Regelung können die Fachbereiche zudem den materiellen (Grund-)Ausstattungsansprüchen der Hochschullehrer gegenüber den Universitätskliniken zum Durchbruch verhelfen.
139 
Das auf diese Weise strukturierte landesrechtliche Regelungssystem kann seine auf Grund bundesverfassungsrechtlicher Vorgabe beruhende Ausgleichsfunktion indes nur erfüllen, wenn sich die Universitätskliniken, was die Wahrung der Belange von Forschung und Lehre in der Krankenversorgung anbelangt, auf ihre dienende Funktion nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW beschränken können, wie andererseits auch die medizinischen Fachbereiche von ihrer unmittelbaren Verantwortung für die Krankenversorgung jenseits ihres mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs entlastet sind. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben, die Universitätskliniken hingegen die Erklärungen durch eines der Organe der medizinischen Fachbereiche über die Erteilung oder Nichterteilung des Einvernehmens im tatsächlichen Sinne als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ihrer Entscheidungen übernehmen können und müssen und die Fachbereichsbeschlüsse weder - wie von dem Oberverwaltungsgericht gefordert (im Ansatz ebenso: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August 2012 - 9 S 2752/11 - DVBl 2013, 326 <328>) - auf ihr grundrechtswahrendes Zustandekommen im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer noch - weitergehend - auf ihre materielle Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht, insbesondere mit dem Recht auf eine für die wissenschaftliche Betätigung erforderliche Grundausstattung zu überprüfen haben. Die für die Universitätskliniken handelnden Vorstände wären einer solchen Kontrollaufgabe schon von ihrer nach § 5 Abs. 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 5 HG NW speziell auf die effektive Bewältigung der Krankenversorgung ausgerichteten personellen Zusammensetzung her nicht gewachsen. Würden sie mit dieser Aufgabe zur Kontrolle belastet und hätten sie für deren Ergebnis einzustehen, würden die mit der organisatorischen Verselbständigung der Universitätskliniken verbundenen Effektivitätsgewinne für die Krankenversorgung weitgehend zunichte gemacht, mit entsprechenden Gefahren für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter.
140 
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass einer tatsächlichen Einvernehmenserteilung durch einen medizinischen Fachbereich auch dann Relevanz zukommt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem die Klinikumsentscheidung, auf die sich das Einvernehmen bezieht, bereits - jedenfalls teilweise - vollzogen worden ist (a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August 2012 a.a.O. S. 329). Auch insoweit darf das Universitätsklinikum nicht mit der Prüfung belastet werden, ob das tatsächlich erteilte Einvernehmen noch eine Schutzwirkung zu Gunsten der Wissenschaftsfreiheit der von der Entscheidung betroffenen medizinischen Hochschullehrer entfalten kann.
141 
Das Oberverwaltungsgericht und der Kläger können sich für ihre Annahme einer Verantwortlichkeit der Universitätskliniken für die Vereinbarkeit von Einvernehmenserklärungen der medizinischen Fachbereiche mit Anforderungen aus der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer nicht auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berufen, die der Kläger im Verlauf des gegen das beklagte Universitätsklinikum geführten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erwirkt hat. Dies gilt auch für den Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 und die in diesem (a.a.O. Rn. 32) enthaltene Erwägung, dass es für eine Prognose, ob von der Nachholung eines noch nicht erteilten Einvernehmens ausgegangen werden könne, nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens, sondern darauf ankomme, ob mit der Erteilung in einer Weise zu rechnen sei, die dem grundrechtswahrenden Gehalt der Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht werde. Denn diese Erwägung hat keinen verallgemeinerungsfähigen Inhalt. Das Bundesverfassungsgericht stand bei Erlass des besagten Kammerbeschlusses vor der Situation, dass zum einen der Kläger ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren über Jahre hinweg und von dem Oberverwaltungsgericht unbeanstandet nur gegen das beklagte Universitätsklinikum und nicht - zumindest auch - gegen den beigeladenen Fachbereich Medizin geführt hatte, und zum anderen das Oberverwaltungsgericht in seinen bisherigen, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Entscheidungen die Bedeutung des in § 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW vorgesehenen Einvernehmenserfordernisses für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verkannt hatte. In diesem Stadium des Verfahrens ging es dem Bundesverfassungsgericht, das in seinen zuvor ergangenen Kammerbeschlüssen (vom 27. November 2007 a.a.O. Rn. 31, 42 und vom 2. Juli 2008 a.a.O. Rn. 24 ff.) die Inanspruchnahme - auch - des Fachbereichs aus verfassungsrechtlicher Sicht als vorzugswürdig aufgezeigt, wenn auch in Anbetracht des Eilcharakters des Verfahrens nicht abschließend für geboten erklärt hatte, ersichtlich nur noch darum, im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt noch eine die Wissenschaftsfreiheit des Klägers hinreichend berücksichtigende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts - und sei es isoliert gegen das beklagte Universitätsklinikum - zu erreichen.
142 
bbb) Durch die beschriebene alleinige Verantwortlichkeit der medizinischen Fachbereiche für die Grundrechtskonformität ihres tatsächlich erklärten Einvernehmens zu den wissenschaftsrelevanten Entscheidungen der Universitätskliniken wird ein medizinischer Hochschullehrer, der sich - wie der Kläger - durch eine Klinikumsentscheidung in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt sieht, nicht an der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gehindert.
143 
Solange der medizinische Fachbereich ein erforderliches Einvernehmen auch im tatsächlichen Sinne nicht erteilt hat, kann der Hochschullehrer von dem Universitätsklinikum im Wege der allgemeinen Leistungsklage Unterlassung verlangen bzw. diesem das fehlende Einvernehmen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO entgegenhalten. Gegebenenfalls muss er durch ein zusätzliches, gegen den Fachbereich gerichtetes (Eil-)Verfahren zu erreichen suchen, dass der dem Dekan vorbehaltene Antrag auf eine Schlichtungsentscheidung des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums nach § 2 Abs. 2 Satz 4 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 4 UKVO NW nicht gestellt und dadurch die Klinikumsentscheidung blockiert wird (vgl. dazu: Böhmann, in: Leuze/Epping, HG NW, Bd. 2, Stand November 2012, § 31a Rn. 70; Pallme König, WissR, Beiheft 17 <2006>, 63 <91, 101 f.>).
144 
Hat jedoch der Fachbereich - wie im vorliegenden Fall - sein Einvernehmen im tatsächlichen Sinne erteilt, muss der Hochschullehrer diesen mit einer allgemeinen Leistungsklage darauf in Anspruch nehmen, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen und dadurch dem Universitätsklinikum die Grundlage für die Rechtmäßigkeit seiner Forschung und Lehre betreffenden Entscheidung zu entziehen. Ein solcher actus contrarius ist - vorbehaltlich von durch den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen - im Fall einer die Wissenschaftsfreiheit verletzenden Einvernehmenserteilung wegen der grundrechtlichen Sicherungsfunktion des Einvernehmenserfordernisses geboten (entsprechend zur Maßgeblichkeit des Fachrechts für die Rücknahme des Mitwirkungsakts bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt: Urteil vom 12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 24.95 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 51 S. 2 - verneinend, Urteil vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 37.03 - BVerwGE 122, 58 <62 ff.> = Buchholz 230 § 123 BRRG Nr. 5 S. 6 ff. - bejahend). Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes steht wiederum das Verfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung.“
145 
Der Senat schließt sich aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit dieser Rechtsprechung an und hält an seiner gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest.
146 
Die Einwände des Klägers gegen die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung verfangen nicht.
147 
Der Kläger trägt vor, in der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fallgestaltung sei das Einvernehmen des Fakultätsrats bzw. Fachbereichsrats erforderlich gewesen, während es in seinem Fall um das Einvernehmen des Fakultätsvorstands gegangen sei. Dabei handele es sich um unterschiedliche Organe mit unterschiedlicher Funktion und Zusammensetzung, was einer Übertragung der Rechtsprechung entgegenstehe. Der Kläger nimmt indes insoweit nicht hinreichend in den Blick, dass der für die Organisation der Hochschulmedizin nach Bundesverfassungsrecht erforderliche angemessene Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits bereits grundsätzlich eine Belastung des Universitätsklinikums mit der Aufgabe der (inhaltlichen) Kontrolle des Einvernehmenserfordernisses verbietet. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben. Vor diesem Hintergrund kommt insoweit der vom Kläger in den Vordergrund gerückten unterschiedlichen Funktion und Zusammensetzung universitärer Gremien keine maßgebliche Bedeutung zu, zumal ersichtlich keine (vollständige) Identität zwischen dem Vorstand des Beklagten und dem der Medizinischen Fakultät besteht.
148 
Die Übertragung der aufgezeigten Rechtsprechung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes keinen durchgreifenden Bedenken. Der Kläger dürfte nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, spätestens aber durch die Übersendung des Schriftsatzes des Beklagten vom 12.08.2014 (dort wird die Notwendigkeit einer „Klage gegen die Fakultät“ angesprochen), gehalten gewesen sein, den im Urteil gewiesenen Weg zur Erlangung von Rechtsschutz gegen das vom Fakultätsvorstand erteilte Einvernehmen zu beschreiten. Hierzu hätte er in erster Linie Verpflichtungsklage gegen die Medizinische Fakultät bzw. die Universität ... auf Rücknahme des erteilten Einvernehmens erheben müssen. Dies hat er - soweit ersichtlich - bislang nicht getan. Den im Schriftsatz vom 31.10.2014 (vorsorglich) angekündigten Antrag, „die Klage auf den Fakultätsvorstand zu erweitern und diesen zu verpflichten, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen“, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Im Übrigen würde es sich um eine unzulässige Klageänderung handeln. Eine Klageänderung ist auch im Berufungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO möglich. Danach ist die Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (§ 91 Abs. 1 VwGO). Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO). Dies gilt auch für Klagänderungen im Berufungsverfahren (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO und dazu Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014 § 125 Rn. 29). Eine - auch konkludente - Einwilligung des Beklagten liegt nicht vor. Die Sachdienlichkeit wäre zu verneinen, weil die Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben wäre und es deshalb an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs fehlte.
149 
3. Auch die Rüge der Nichtbeachtung des Zustimmungserfordernisses aus § 9 Abs. 2 UKG hat keinen Erfolg.
150 
Nach dieser Bestimmung bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Rechtsgeschäfte, Maßnahmen und Regelungen. Zu den zustimmungsbedürftigen Maßnahmen zählen insbesondere
151 
1. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien sowie sonstigen Verpflichtungen in Bezug auf fremde Verbindlichkeiten außerhalb der von ihm bestimmten Wertgrenzen,
2. die Gründung von und Beteiligung an anderen Unternehmen,
3. der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten,
4. die Aufnahme von Krediten und die Gewährung von Darlehen außerhalb der von ihm bestimmten Wertgrenzen.
152 
Danach bedurfte die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung ersichtlich nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats. Im Katalog des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG wird diese Maßnahme nicht genannt. Sie kann aber auch nicht als „außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Maßnahme“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 UKG verstanden werden. Mit der Vorschrift sollen „wirtschaftlich bedeutende Geschäftsvorgänge“ (vgl. Sandberger, Landeshochschulgesetz, 2. Aufl. 2015, § 9 UKG Rn. 2) von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden. Als Vergleichsmaßstab für die „außergewöhnliche“ wirtschaftliche Bedeutung dürfte insoweit der Katalog der insbesondere zustimmungsbedürftigen Maßnahmen des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG heranzuziehen zu sein. Ausgehend hiervon wird eine einzelne Personalmaßnahme wie die Abberufung eines Abteilungsleiters ersichtlich nicht von der Zustimmungspflicht erfasst.
153 
4. In seiner die „erste“ Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffenden Entscheidung vom 02.08.2012 hatte der Senat entschieden, dass sich die formelle Unwirksamkeit dieser Kündigung auch daraus ergebe, dass der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung (vgl. § 53 Abs. 1 LHG) bewirkt und es insoweit an seiner Zuständigkeit gefehlt habe. Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung habe der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit habe er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handele sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig sei (Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.).
154 
Die hier gegenständliche Kündigung leidet nicht mehr an diesem Zuständigkeitsmangel. Mit dem bereits angesprochenen, der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz „soweit er [der Dienstvertrag] nicht Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“ hat der Beklagte ausdrücklich klargestellt, dass die beamtenrechtliche Stellung des Klägers von der Kündigung unberührt bleiben soll und demgemäß insbesondere seine Aufgaben in der Krankenversorgung nicht tangiert sein sollen (vgl. bereits hierzu das Senatsurteil vom 23.08.2012, a.a.O., S. 37 des Entscheidungsabdrucks). Wie erwähnt, hat der Beklagte dementsprechend den Kläger in der Folgezeit auch aufgefordert, wieder Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen. Der Wille des Beklagten zielt auch nicht auf eine unzulässige Teil-Kündigung des Dienstvertrags ab, weil sämtliche vertraglichen Rechte und Pflichten zur Krankenversorgung gekündigt werden.
155 
Schließlich traten die Wirkungen der Kündigung erst ein, nachdem das MWK in jedenfalls wirksamer Weise die Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers geändert hatte. Mithin war die Abberufung von der Abteilungsleitung auch vom Willen des beamtenrechtlichen Dienstherrn gedeckt.
II.
156 
Das Verwaltungsgericht hat die Kündigung vom 30.09.2009 indes im Ergebnis zu Recht in materiell-rechtlicher Hinsicht als unwirksam angesehen.
157 
1. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem vom Kläger erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs.
158 
Zwar hat der Beklagte jedenfalls bereits im März 2007 (und wohl auch schon im Januar 2007) von den anonymen Anzeigen und damit von den gegen den Kläger gerichteten Vorwürfen Kenntnis erhalten. Auch hat ihn dies nicht gehindert, die vertraglichen Beziehungen zu diesem mit dem unter dem 24.07.2007 geschlossenen „Dienstvertrag“ auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieser Chefarztvertrag sah wiederum eine Liquidationsbefugnis des Klägers vor, nachdem seit dem 01.03.2004 die Berechtigung des Klägers, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, beendet worden war. Allerdings lassen diese Umstände die Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Dies gilt schon deshalb, weil die ausreichende Kenntnis verdachtsverstärkender Indizien erneut zur Verdachtskündigung berechtigen kann (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE 137, 54). Hier waren die in der Anklageschrift vom 17.07.2009 aufgeführten Ermittlungsergebnisse hinreichender Anlass für die erneute Verdachtskündigung.
159 
2. Die materielle Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich auch nicht aus den vom Kläger behaupteten Verstößen gegen Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 33 Abs. 5 GG herleiten.
160 
Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet kein Recht auf den Besitzstand „wohlerworbener Rechte“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [62 ff.]). Demgemäß vermittelt auch die dem Kläger verliehene Stellung als Universitätsprofessor keinen Anspruch auf ungeschmälerte Aufrechterhaltung des bestehenden Aufgabenbereichs. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Tätigkeit als leitender Klinikarzt mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert ist. Auch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt nicht, dass ein Hochschullehrer Leitungsfunktionen an der wissenschaftlichen Einrichtung, an welcher er tätig ist, ausüben muss. Im Bereich der Krankenversorgung ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine Zusatzaufgabe handelt, die vom ärztlichen Hochschullehrer neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre betrieben wird (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 - und Beschluss vom 04.10.2011 - 9 S 1948/10 - jeweils m.w.N.).
161 
Soweit der Kläger unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG die unzureichende Ausstattung mit sächlichen und personellen Mitteln geltend macht (aufgabengerechte Mindestausstattung, angemessene Berücksichtigung bei der Verteilung der vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel) und u.a. eine Beeinträchtigung seiner Forschungsprojekte und Ausbildungsvorhaben vorträgt, vermag er damit die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Kündigung nicht zu begründen. Entsprechende Ansprüche wären gegen die Medizinische Fakultät der Universität ... zu richten (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 04.10.2011, a.a.O.; vgl. auch das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 08.08.2012 [1 K 2582/09]).
162 
Unabhängig davon hat das MWK dem Antrag der Universität auf Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers stattgegeben und mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 mitgeteilt, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum.... Trotz des vom Kläger erhobenen Widerspruchs ist die Änderung der Funktionsbeschreibung wirksam geworden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) und lag deshalb zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung (01.04.2010) vor.
163 
3. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich indes daraus, dass der vom Beklagten in Anspruch genommene Kündigungsgrund nicht vorliegt.
164 
a) Rechtliche Grundlage der ordentlichen Kündigung ist § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags, wonach der Vertrag mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden kann, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
165 
Bei der Kündigung vom 30.09.2009 handelt es sich unstreitig um eine Verdachtskündigung, was sich schon aus der Bezugnahme („kündigen wir den Dienstvertrag vorsorglich erneut“) auf die explizit als „Verdachtskündigung“ bezeichnete Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ergibt. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine - verhaltens- bzw. personenbedingte - Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen (BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris).
166 
b) Die Maßstäbe, nach denen die Rechtmäßigkeit einer Verdachtskündigung zu beurteilen sind, sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Bereich des Arbeitsrechts entwickelt und konkretisiert worden. Einer Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung stehen durchgreifende rechtliche Bedenken nicht entgegen. Wie sich aus § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags ergibt, entsprach es dem klaren und eindeutigen Willen der vertragsschließenden Parteien, im Hinblick auf die eine ordentliche Kündigung rechtfertigenden Gründe auf die „Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz“ Bezug zu nehmen. Damit liegt die Anwendbarkeit der Grundsätze für Verdachtskündigungen nahe, die - wie dargelegt - als personen- bzw. verhaltensbedingte Kündigungsgründe i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt sind. Zwar ist vom öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 auszugehen (vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.; vgl. auch VG ..., Urteil vom 08.07.2015 - 1 K 849/13 -, juris). Es ist aber weder vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich, dass die Besonderheiten der zwischen dem Kläger auf der einen und dem Beklagten, dem Land Baden-Württemberg und der Universität ... auf der anderen Seite bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen bzw. die insoweit bestehende - durchaus komplexe - Interessenlage einer Übertragung der im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze der Verdachtskündigung entgegenstehen.
167 
c) Wie dargelegt, kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
168 
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. des BAG, Urteile vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris, vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -, juris, vom 25.10.2012 - 2 AZ2 AZR 700/11 -, Rn. 13, und vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, Rn. 16).
169 
Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG, Urteile vom 23.05.2013, a.a.O, vom 25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
170 
Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O., und vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 -, Rn. 32, BAGE 146, 303).
171 
Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 -, Rn. 17, a.a.O.).
172 
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, juris, Rn. 17, vom 05.06.2008 - 2 AZR 234/07 -, juris, Rn. 25). Derartige Umstände können bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein. Dies gilt beispielsweise für die Erhebung der öffentlichen Klage. Zwar kann diese für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen. Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (BAG, Urteil vom 27. 01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE 137, 54 m.w.N.).
173 
Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (zum Haftbefehl vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom 29.11.2007 - 2 AZR 724/06 -, Rn. 38). Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011, a.a.O. m.w.N.).
174 
Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG, Urteile vom 18.11.1999 - 2 AZR 852/98 -, BAGE 93, 12, und vom 26.03.1992 - 2 AZR 519/91 -). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
175 
d) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, juris, Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG, Urteile vom 23.05.2013, a.a.O., und vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 -, juris, Rn. 21, und vom 04.06.1997 - 2 AZR 362/96 -, BAGE 86, 88).
176 
Sowohl bei lediglich verdachtserhärtenden neuen Tatsachen als auch bei Tatsachen, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es keiner erneuten Anhörung des Arbeitnehmers. Er kann sich gegen den verstärkten bzw. neuen Verdacht ohne weiteres im anhängigen Kündigungsschutzverfahren verteidigen (vgl. BAG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.).
177 
e) Eine Abschwächung der vorstehenden Anforderungen im Hinblick darauf, dass die Stellung des Klägers als C3-Professor und insbesondere die damit verbundenen Einkünfte von der gegenständlichen Kündigung unberührt blieben, erscheint nach Auffassung des Senats auch mit Blick auf den bereits oben aufgezeigten Willen der vertragsschließenden Parteien, die Grundsätze des arbeitsrechtlichen Kündigungsrechts für anwendbar zu erklären, nicht gerechtfertigt.
178 
f) An diesem Maßstab gemessen lagen bezogen auf den Kündigungszeitpunkt die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung nicht vor. Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die zunächst schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen den Kläger seien durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert, dass sich die für einen Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
179 
(1) Allerdings konnte die Verdachtskündigung nicht allein auf den Tatverdacht bejahende Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden oder der Gerichte (etwa die Beschlüsse des Amtsgerichts ... über die Anordnung von Durchsuchungen nach §§ 103, 105 StPO sowie die Beschlüsse des Landgerichts... vom 14.09.2012 über die Eröffnung des Hauptverfahrens sowie vom 12.02.2014 über die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO) gestützt werden. Auch durfte sich das Verwaltungsgericht nicht darauf beschränken, zur Beurteilung des dringenden Tatverdachts allein den Ergänzungsbericht der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 und die schriftsätzliche Einlassung des Kläger im Strafverfahren heranzuziehen. Wie dargelegt sind die Arbeitsgerichte auch im Kündigungsschutzprozess um eine Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten (siehe bereits oben unter c). Mit Blick auf die in § 86 Abs. 1 Satz 1 und § 96 Abs. 1 VwGO normierten Grundsätze der Amtsermittlung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme muss dies erst recht für die Verwaltungsgerichte gelten, wenn ihnen - wie hier - die Überprüfung einer Verdachtskündigung obliegt. Danach war insbesondere die Einvernahme der Zeugen aus den „Lagern“ des Beklagten (A, B) und der XY bzw. der Fa. M (D, E und C) prozessrechtlich geboten. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass durch die Nachermittlungen, die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO wie auch durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens (Einstellungsverfügung vom 29.09.2015) eine Änderung der Verfahrens- und Beweislage zugunsten des Klägers eingetreten war.
180 
(2) Nach dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat sich nicht feststellen lassen, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt einer im oben aufgezeigten Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen ist. Dies gilt für die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße gegen seine Verschwiegenheitspflicht (im Folgenden unter [a]) ebenso wie für die behaupteten Verstöße gegen die Pflicht, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen (im Folgenden unter [b]).
181 
(a) Als eine die Verdachtskündigung rechtfertigende schwerwiegende Pflichtverletzung kann grundsätzlich auch ein Verstoß gegen eine dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht in Betracht kommen. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass die schuldhafte Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch einen Arbeitnehmer grundsätzlich auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Auch ohne besondere arbeitsvertragliche Vereinbarung gehören nach § 241 Abs. 2 BGB zahlreiche vertragliche Nebenpflichten zu den zu beachtenden Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers. Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 -, BAGE 107, 36; Beschluss vom 23.10.2008 - 2 ABR 59/07 -, juris; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl. 2017 Rn. 710). Im vorliegenden Fall ist die Verschwiegenheitspflicht explizit vertraglich geregelt (§ 2 Abs. 4 des Dienstvertrags vom 24.07.2007: „Über interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums bewahrt der Ärztliche Direktor Stillschweigen. Dies gilt auch für die Zeit, in der er nicht mehr im Universitätsklinikum tätig ist“).
182 
(aa) Vorwurf der Weitergabe von Informationen aus Geschäftsbeziehungen des Beklagten zu Lieferanten von Laborverbrauchsbedarf (Rechnungen, Preislisten u.Ä.)
183 
(aaa) Soweit dem Kläger unter Bezugnahme auf den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und dem Zeugen E (vgl. Beweismittelordner - im Folgenden BMO - Reg.-Nr. 6) vorgeworfen wird, zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 28.02.2006 Detailinformationen an den Zeugen E weitergegeben zu haben, hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass es sich insoweit um geheimhaltungsbedürftige Tatsachen gehandelt hat.
184 
Sowohl für die vertragliche wie für die spezialgesetzliche Geheimhaltungspflicht ist der Begriff des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses wesentlich. Hierunter versteht man Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind, nicht offenkundig sind, nach dem (ausdrücklich oder konkludent) bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat (BAG, Urteil vom 15.12.1987 - 3 AZR 474/86 -, BAGE 57, 159). Der Arbeitgeber muss ein sachliches und objektiv berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung, also zur Anerkennung bestimmter Tatsachen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis haben (BAG, Beschluss vom 26.02.1987 - 6 ABR 46/84 -, BAGE 55, 96; vgl. Preis, a.a.O., § 611 Rn. 713). Insoweit sind auch einer einzelvertraglichen Erweiterung der Geheimhaltungspflichten Grenzen gesetzt (vgl. Preis, a.a.O., § 611 Rn. 714). Auch eine - wie im vorliegenden Fall - weit gefasste („interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums“) - Verschwiegenheitsvereinbarung kann nur insoweit zulässig sein, als die Geheimhaltung durch berechtigte betriebliche Interessen gedeckt ist (Preis, a.a.O.). Angesichts der vergleichbaren Interessenlage hält der Senat trotz des öffentlich-rechtlichen Charakters und der sonstigen Besonderheiten der zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsbeziehung eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung für angezeigt.
185 
Im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. V, Schriftsatz vom 16.12.2009, S. 669 ff.) hat der Kläger geltend gemacht, bei den betreffenden Informationen habe es sich um ein sogenanntes Mengengerüst gehandelt. Daraus sei lediglich die Menge der verbrauchten Reagenzien zu entnehmen. Insbesondere bei einem Labor, das auch Forschungsaufgaben habe, lasse sich aus dem Mengengerüst kein Rückschluss auf die Anzahl der durchgeführten Analysen oder die entsprechenden Kosten ziehen, da die Reagenzien nicht nur für die Analysen, sondern auch für die Kalibrierung der Geräte und für besondere Forschungsprojekte verwendet würden. Aus dem Mengengerüst seien insbesondere die Artikelpreise der einzelnen Reagenzien nicht zu entnehmen, auch sei nicht erkennbar, welche Firmen lieferten. Anhand solcher Informationen könne lediglich etwas über den Umfang der im Zentrallabor verbrauchten Reagenzien ausgesagt werden. Dem entspricht jedenfalls im maßgeblichen Kern die Aussage des Zeugen E zu der ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Liste (Überschrift „Kosten“, Preise 2003/2004, BMO Reg.-Nr. 6). Abgesehen davon, dass er nicht mehr sagen konnte, „durch wen oder was“ er die Liste erhalten habe, und er „am ehesten“ vermutete, dass der Zeuge C ihm diese Unterlagen „irgendwann mal“ geschickt oder weitergegeben habe, hat er sie als „Controllingkostenübersicht“ mit sehr geringer Aussagekraft eingestuft, da „kein Mensch wirklich einschätzen [könne], wieviel Anteile von irgendwas da rein gerechnet wurden“, und damit insbesondere die tatsächlichen oder reinen Materialkosten nicht bestimmt werden könnten. Vor diesem Hintergrund, der im Rahmen der Vernehmung deutlich gewordenen Fachkompetenz des Zeugen E und mit Blick darauf, dass die Listen weder die Artikelpreise der Laborverbrauchsmaterialien noch die Namen der Lieferanten erkennen lassen, erscheint dem Senat die von der Klägerseite vorgenommene Qualifizierung als „Mengengerüst“ nachvollziehbar, zumal der Zeuge B angegeben hat, dass der Kläger ein Mengengerüst ohne Probleme aus der eigenen Labor-EDV darlegen konnte. Die Zeugen A und B haben in ihren Vernehmungen vor dem erkennenden Senat übereinstimmend bekundet, dass im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen die Weitergabe eines Mengengerüsts an mögliche Vertragspartner notwendig sei, damit diese kalkulieren könnten (Niederschrift, Anlage 1, S. 2; Anlage 2, S. 4). Deshalb spricht nach Auffassung des Senats Überwiegendes dafür, dass der Weitergabe der in der E-Mail vom 28.02.2006 thematisierten Informationen bereits keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten entgegenstanden. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich die Beweislage in Rechnung gestellt wird, die sich nach Durchführung der Beweisaufnahme im Hinblick auf den weiteren Vorwurf ergeben hat, der Kläger habe im Anschluss an die Besprechung am 23.05.2006 eine Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) weitergegeben bzw. deren Weitergabe veranlasst. Danach begegnet die Darstellung des Beklagten, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, erheblichen Zweifeln (vgl. dazu noch im Einzelnen unten unter (ccc). Wird dies zusätzlich berücksichtigt, stellen sich die gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente als noch einmal erheblich abgeschwächt dar.
186 
Selbst wenn insoweit von dem Verdacht eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht ausgegangen werden müsste, könnte nicht angenommen werden, dass dieser den Beklagten zu einer Kündigung berechtigt hätte. Entscheidend für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist der mit dem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verbundene Vertrauensbruch. Es begegnet indes erheblichen Zweifeln, ob das Gewicht des in Rede stehenden Pflichtverstoßes geeignet gewesen wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis ernsthaft in Frage zu stellen.
187 
Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus der Sicht des Klägers Inhalt und Grenzen der ihm auferlegten Verschwiegenheitspflicht als unklar darstellen mussten. Insoweit bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob eine etwaige Pflichtverletzung überhaupt auf einem Verschulden des Klägers beruhte (vgl. Thüsing, in: Hennsler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 611 Rn. 352). So hat es der Beklagte ersichtlich unterlassen, den denkbar weiten Inhalt dieser Pflicht („interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums“) in handhabbarer und für die Verpflichteten nachvollziehbarer Weise - etwa durch die Aufstellung schriftlicher Vorgaben - zu konkretisieren. Zwar hat der ehemalige Kaufmännische Direktor des Beklagten in der Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 den Eindruck erweckt, dass Klarheit über die Geheimhaltungspflichten des Klägers bzw. der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale bestanden habe. So hat er etwa bekundet, „Herr Professor W war und ist nicht autorisiert, Informationen über Einkaufsmengen und Einkaufspreise an Dritte ohne Rücksprache mit der Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, weiterzugeben.“ sowie „Jede unbefugte Weitergabe interner Vorgänge an Externe stellt eine Dienstpflichtverletzung dar“. Indes hat die Beweisaufnahme ergeben, dass mit den Angaben des ehemaligen Kaufmännischen Direktors die Praxis des Beklagten, insbesondere der Reagenzienzentrale, nicht zutreffend wiedergeben worden ist. Wie dargelegt, haben die Zeugen A und B übereinstimmend angegeben, dass im Rahmen von Vertragsverhandlungen jedenfalls immer auch ein Mengengerüst an den künftigen Vertragspartner mitzuteilen ist. Auch die zahlreichen Protokolle des Zeugen C über im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags geführte Gespräche haben eindrucksvoll belegt, dass etwa zwischen den Zeugen A und C ein offener Informationsaustausch stattgefunden hat (siehe noch unten), der mit der Absolutheit der Darstellung des vormaligen Kaufmännischen Direktors nicht in Einklang zu bringen ist.
188 
Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger als Ärztlichem Direktor der Abteilung Klinische Chemie und Leiter des Zentrallabors nach dem Dienstvertrag vom 24.07.2007 die Pflicht auferlegt war, für die Wirtschaftlichkeit der Abteilung zu sorgen (§ 4 Abs. 1 des Dienstvertrags). Deshalb war auch die dem Kläger gemäß § 2 Absatz 4 des Dienstvertrages vom 27.04.2007 pauschal und ohne jede Differenzierung oder Konkretisierung auferlegte Pflicht zur Verschwiegenheit im Lichte dieses Wirtschaftlichkeitsgebots zu konkretisieren. Mit Blick auf die - vom Beklagten nicht in Frage gestellte - sehr angespannte wirtschaftliche Situation der Abteilung sowie den - unstreitigen - Umstand eines zum Nachteil der Universitätsklinika gespaltenen Markts beim Einkauf von Laborreagenzien konnte davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund des Dienstvertrags auch gehalten war, konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um die wirtschaftliche Situation der Abteilung zu verbessern. Der Senat hat nach Auswertung der ihm vorliegenden Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Kollegen D wie die Bemühungen um die Anbahnung eines geschäftlichen Kontakts zur XY und insbesondere auch die hier gegenständliche Weitergabe von Informationen maßgeblich von der Motivation des Klägers getragen waren, die wirtschaftliche Situation seiner Abteilung zu verbessern (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, unter II. 1.c), Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 987; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229 ff.; vgl. auch die Aussage des Zeugen E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1871 „er [E] hatte den Eindruck, Prof. X habe alles getan, um für das Klinikum günstigere Konditionen und Verbesserungen in den Budgets zu erwirken.“).
189 
Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass hier weder besonders aussagekräftige noch besonders schutzbedürftige, insbesondere bestimmten Lieferanten individuell zurechenbare Daten weitergegeben wurden, spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung eher formaler Natur auszugehen wäre, die allenfalls mit einer Abmahnung zu ahnden gewesen wäre.
190 
(bbb) Bezogen auf den in der Anklageschrift und damit auch in der Kündigung erhobenen Vorwurf, der Kläger habe dem Zeugen E Ende März 2006 insgesamt 17 Originalrechnungen der Firma ... an den Beklagten (von Februar 2005 bis März 2006) zugeleitet, bestehen zwar Verdachtsmomente gegen den Kläger. Denn diese Rechnungen (BMO Reg.-Nr. 10) sind anlässlich der Durchsuchung des Büros des Klägers im Universitätsklinikum dort aufgefunden worden. Auch trägt die 1. Rechnung vom 09.03.2006 den handschriftlichen Vermerk „Für Herrn E von H. X“ und hat die ehemalige Sekretärin des Klägers, Frau C., im Strafverfahren bekundet, dass es sich insoweit um die Handschrift des Klägers handelt (Akte Strafverfahren, Bd. II, S. 231). Allerdings fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die Rechnungen tatsächlich jemals in die Verfügungsgewalt des Zeugen E bzw. anderer Mitarbeiter der XY gelangt sind. Der Zeuge E hat sowohl bei seiner Vernehmung im Strafverfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bekundet, die Rechnungen nicht erhalten zu haben. Dabei hat er - nachvollziehbar - auch darauf verwiesen, dass diese Dokumente auch bei der Durchsuchung der Geschäftsräume von XY nicht gefunden worden seien. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge die Unwahrheit gesagt hat, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
191 
Nichts anderes gilt, wenn der Inhalt des vom Zeugen C erstellten Protokolls eines am 10.03.2006 erfolgten Treffens bei XY in ... hinzugenommen wird. Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hat der Zeuge E bestritten, dass der Kläger ihm Originalrechnungen der Klinik, Lieferverträge und Unterlagen über „Artikelstamm auf SAP“ zugänglich gemacht hat (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1849). Für die im Protokoll unter der Überschrift „3. Aufgaben“ aufgeführte Aufgabe „Sendung von Originalrechnungen der Klinik, evtl. Lieferverträge und Artikelstamm auf SAP an XX“ wird im Übrigen „XXX“, also der Zeuge C selbst - und nicht etwa der Kläger - für zuständig erklärt. Schließlich hat der Zeuge C bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, diese Aufgabe sei nie ausgeführt worden, vielmehr sei die erste Zuverfügungstellung von Rechnungen durch den Zeugen A erfolgt (Niederschrift, Anlage 3, S. 9, 34). Auch insoweit vermag der Senat hinreichende Anhaltspunkte für eine Unglaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen E und C nicht festzustellen.
192 
Unabhängig davon bestünden angesichts des begrenzten Umfangs und der beschränkten Aussagekraft der Rechnungen sowie der Beweislage zum Vorwurf der Weitergabe einer Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) erhebliche Zweifel daran, dass der Beklagte ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen hatte. Jedenfalls spräche auch insoweit nach den unter (aaa) dargestellten Grundsätzen vieles dafür, dass allenfalls vom Verdacht einer geringfügigen, ggf. mit einer Abmahnung zu ahndenden Pflichtverletzung eher formaler Natur auszugehen wäre.
193 
(ccc) Dem Kläger wurde weiter vorgeworfen, unter Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht im Anschluss an ein Gespräch mit Vertretern der XY am 23.05.2006 veranlasst zu haben, dass der Zeuge B eine sog. Liste „ABC Analyse“ erstellte, aus der die Standardartikel des Zentrallabors mit Artikelbezeichnung und Namen der Lieferfirmen, Mengen und letzten Einkaufspreisen hervorgehen, und dass diese Liste per E-Mail an das Büro des Klägers und letztlich an den Zeugen C weitergeleitet wurde.
194 
(α) Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Weitergabe dieser Liste auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist.
195 
Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung vor dem erkennenden Senat bekundet, aus dem Laborbereich die Aufforderung bekommen zu haben, eine ABC-Analyse zu erstellen der Artikel vom Zentrallabor mit entsprechendem Mengen- und Preisgerüst (Hervorhebung nur hier). Er wisse nicht mehr, ob die Aufforderung direkt vom Kläger gekommen sei oder von dessen Sekretärin. Auch konkrete Angaben zur Form der Aufforderung konnte der Zeuge nicht machen. In seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte er bekundet, wäre der Zeuge A damals nicht im Urlaub gewesen, hätte er den Auftrag, die Einkaufslisten mit Preisen zu erstellen, sicherlich direkt vom Zeugen A bekommen und nicht von dem Kläger oder dessen Sekretariat.
196 
Demgegenüber hat der Zeuge C angegeben, nach dem am 23.05.2006 erfolgten Treffen von Vertretern der XY und Verantwortlichen des Beklagten, vermutlich am 24.05.2006, ein weiteres, persönliches Treffen allein mit dem Zeugen A gehabt zu haben, bei dem vereinbart worden sei, dass der Zeuge A eine Liste ABC-Analyse der Reagenzien des Zentrallabors erstellen lässt und der Zeuge C diese - wohl durch den Zeugen B zu erstellende - Liste im Labor des Klägers abholen kann.
197 
Zwar hat der Zeuge A bestritten, dass es in dieser Zeit, insbesondere am 24.05.2006 ein Treffen mit dem Zeugen C gegeben hat. Nach Auswertung der dem Senat vorliegenden Akten und Würdigung der einschlägigen Zeugenaussagen spricht indes vieles für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C.
198 
(αα) Einen erheblichen Beweiswert für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C zu dem persönlichen Gespräch mit dem Zeugen A am 24.05.2006 und im Übrigen auch für die Glaubhaftigkeit des Vortrags, bereits im Gespräch am 23.05.2016 sei seitens der Vertreter von XY darum gebeten worden, die Einkaufspreise des Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen, misst der Senat in diesem Zusammenhang der - auf dem Laptop des Zeugen C gesicherten - E-Mail vom 24.05.2006 bei (Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1421; vgl. auch den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010, Akten Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2131). Diese weist den Zeugen C als Ersteller, den Zeugen A als Empfänger und den Zeugen E als Kopie-Empfänger aus. Inhaltlich knüpft der Zeuge C darin an das „heutige Gespräch“ mit dem Zeugen A an und teilt mit, „Wie besprochen“ „die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Professor W abholen und auf Basis dieser Zahlen bis zum 12. Juni 2006 einen entsprechenden Vertragsentwurf zukommen zu lassen.“
199 
Auch wenn der Zeuge A in der mündlichen Verhandlung energisch bestritten hat, diese E-Mail jemals erhalten zu haben, deuten jedenfalls gewichtige Indizien auf das Gegenteil hin. Als objektives Beweismittel hervorzuheben ist dabei der Untersuchungsbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion Kriminaltechnische Untersuchungsstelle - vom 30.09.2010. Danach kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die betreffende E-Mail vom 24.05.2006 über Pegasus-Mail versandt wurde, und konnten keine Spuren, Hinweise oder Anhaltspunkte für eine Manipulation des besagten Mail-Verkehrs aufgefunden werden. Ferner hat der Zeuge E sowohl bei seiner Vernehmung im Strafverfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung bekundet, eine Kopie dieser E-Mail erhalten zu haben. Hinzu kommt, dass sich die E-Mail in besonderer Weise in die Chronologie der unstreitigen Geschehnisse im Anschluss an das am 23.05.2006 erfolgte Treffen einfügt: Der 24.05.2006 war der letzte Arbeitstag des Zeugen A vor seinem Urlaub. Der Kläger hatte nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben den 24.05., den 25.05. (Christi Himmelfahrt), den 26.05. sowie das darauf folgende Wochenende frei genommen und diese Tage anlässlich seines 35. Hochzeitstages im Kreise seiner Familie verbracht. Auf der Grundlage der Angaben des Zeugen B und dessen E-Mail vom 29.05.2006 ist davon auszugehen, dass er die Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (bereits) am Freitag, den 26.05.2006, gefertigt und am Montag, den 29.05.2006 um 10.45 Uhr per E-Mail an die Sekretärin den Klägers, Frau C, übermittelt hat. Diese hat die Liste am selben Tag um 12.38 Uhr per-E-Mail an den Zeugen C weitergeleitet. Zu diesem Ablauf stünde ein persönliches Gespräch des Zeugen C mit dem Zeugen A am 24.05.2006, in dem dieser die Zurverfügungstellung der ABC-Analyse durch die Reagenzienzentrale zusagt, nicht nur in keinem Widerspruch, es ließe die konkreten Abläufe einschließlich der raschen Ausführung des Auftrags nachvollziehbar und stimmig erscheinen.
200 
Soweit der Zeuge A dem entgegenhält, von der Telefonzentrale des Beklagten seien praktisch die Gespräche bzw. die Verbindungen dieses Tages rekonstruiert worden und man habe kein Telefongespräch mit dem Zeugen C gefunden, ist darauf zu verwiesen, dass der Zeuge C explizit und unter Nennung weiterer Einzelheiten von einem persönlichen Gespräch und nicht von einem Telefonat gesprochen hat. Der Zeuge A habe ihm noch erzählt, dass er danach in Urlaub gehen würde, über den Urlaub des Zeugen A sei gesprochen worden. Mit dem weiteren Einwand, der 24.05.2006 sei sein letzter Arbeitstag vor dem Urlaub gewesen und es wäre technisch nicht möglich gewesen, umfangreiche Listen überhaupt zu erstellen, wird die Plausibilität der Darstellung des Zeugen C, wonach die Erstellung der Liste an den Zeugen B delegiert worden sei, nicht ernsthaft in Frage gestellt. Dass andere E-Mails von Herrn C, die an ihn gingen, einen anderen Absender hatten als die in der E-Mail vom 24.05.2006 enthaltene Adresse „....C.com“, kann damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die Fa. M noch nicht existierte und demgemäß auch nicht die diesbezügliche E-Mail-Adresse. Dass der Zeuge A - im Unterschied zu der persönlicheren Anrede in späteren E-Mails - mit „Sehr geehrter Herr A“ angeredet wurde, erscheint mit Blick darauf, dass sich die beiden Zeugen unstreitig erstmals am 23.05.2006 kennengelernt hatten, nicht ungewöhnlich.
201 
(ββ) Dagegen, dass die Erstellung der sog. Liste „ABC Analyse“ und die Weiterleitung an den Zeugen C tatsächlich auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist, spricht auch die Darstellung des Zeugen E zur mangelnden Fachkompetenz des Klägers im Hinblick auf die mit einer derartigen Liste verbundenen Fragen. Er hat in nachvollziehbarer Weise auf die Frage, ob darüber gesprochen worden sei, wann und wie und durch wen die Übermittlung der Informationen, auch der Preisinformationen, habe erfolgen sollen, bekundet, aus seiner Erinnerung sei dies in erster Linie die Reagenzienzentrale gewesen. Aus seinen Gesprächen als Kaufmann habe er nicht den Eindruck gehabt, dass der Kläger wirklich verstehe, was er an Daten und Information gebraucht habe. Die einzigen, die ihn verstanden hätten, seien „mehr die Leute aus der Reagenzienzentrale, wie auch aus der Verwaltung, …“ gewesen (Niederschrift, Anlage 5, S. 5). Entsprechendes hat er auch an anderen Stellen seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht (Niederschrift, Anlage 5, S. 3, 9; vgl. auch die Ausführungen des Zeugen D, Anlage 4, S. 4).
202 
(γγ) Darüber hinaus fügt sich die Aussage des Zeugen C zu dem mit dem Zeugen A am 24.05.2006 geführten Gespräch in die übereinstimmende Darstellung der Geschehnisse im Vorfeld durch die Zeugen C, D und E ein. Die drei Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren bekundet, allen Teilnehmern des Gesprächs am 23.05.2006 sei klar gewesen, dass die Bekanntgabe der bisherigen Einkaufspreise aus den Lieferbeziehungen des Beklagten seitens der Vertreter von XY als notwendig angesehen wurde, um ein Angebot abgeben zu können; die Vertreter des Beklagten seien deshalb um die Zurverfügungstellung entsprechender Informationen gebeten worden. Nach dem Ergebnis der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion vom Juli 2010 bekräftigten alle Zeugen, dass die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich war und hierüber Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten bestand. Dies haben die Zeugen C und E in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat im Kern bestätigt. Der Zeuge D konnte zwar - anders als noch im Strafverfahren - nicht mehr sagen, ob die Vertreter des Klinikums gerade bei diesem Gespräch gebeten worden waren, die Einkaufspreise des Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen. Letzteres ist indes in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs und der verblassenden Erinnerung nachvollziehbar und nicht geeignet, den Beweiswert der anderen Bekundungen zu mindern. Nach der Überzeugung des Senats spricht vieles für deren Richtigkeit. Auch der Kläger hatte sich von Anfang an in dem Sinne eingelassen, dass immer klar gewesen sei, dass die Preise zwischen den Verhandlungspartnern kein Geheimnis gewesen seien (Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008 an den Beklagten, Akten Beklagter; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 963).
203 
Der hiergegen vom Beklagten erhobene Einwand, es sei nicht plausibel, weshalb die Verantwortlichen der XY die Einkaufspreise hätten kennen müssen, um ein Angebot zu erstellen, ist nicht geeignet, die Darstellung der Zeugen grundlegend in Zweifel zu ziehen.
204 
Der Zeuge D hat bekundet, man habe von der Verwaltung des Beklagten Daten haben müssen, um das Delta des Einsparvolumens zu bestimmen, und in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass er sich insoweit um Details nicht gekümmert habe (Niederschrift, Anlage 4, S. 4).
205 
Die Zeugen C und E sind in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und ausführlich zu diesem Punkt befragt worden. Auch wenn insoweit nicht alle Zweifelsfragen geklärt werden konnten, erscheint ihre Darstellung, die Ermittlung des Einsparpotenzials für den Beklagten und der Gewinnspanne für die XY sei ohne Kenntnis der Einkaufspreise mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, jedenfalls nachvollziehbar. Im Kern übereinstimmend haben die beiden Zeugen angegeben, Ziel sei ein „Pilotprojekt“ bzw. ein „einzigartiges Modell“ gewesen, dass es dem Beklagten habe ermöglichen sollen, sämtliche Produkte weiter bei den bisherigen Lieferanten zu den jeweils mit diesen individuell vereinbarten Konditionen einzukaufen (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 2; Anlage 3, S. 21). Die jeweils individuell vereinbarten Vorgaben bezüglich der Verträge mit den Lieferfirmen sollten erhalten bleiben, die XY sollte insoweit keinen inhaltlichen Einfluss ausüben (Anlage 5, S. 3). Dies hat der Zeuge A der Sache nach bestätigt (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 21: „Wir haben unsere Lieferantenstruktur, so wie sie war, beibehalten.“). Auch wenn für alle Beteiligten klar war, dass der Reagenzienmarkt ein „gespaltener Markt“ war und die niedergelassenen Ärzte und Labors weit weniger für Reagenzien und Diagnosemittel bezahlten als die Kliniken, erscheint doch plausibel, dass sich gerade eine Quantifizierung des Einsparvolumens auch mit Blick auf die Besonderheit der angestrebten Vertragsbeziehung schwierig darstellte, weil die Einkaufspreise abhängig waren von jeweils individuell mit den Lieferfirmen vereinbarten Konditionen. Insoweit hat insbesondere der Zeuge E die Komplexität eines aussagekräftigen Abgleichs der Reagenzienpreise anschaulich aufgezeigt (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 7 und 19). Für seine Glaubwürdigkeit sprechen dabei seine temporeichen und farbigen Schilderungen sowie die Konsistenz seiner Ausführungen auch bei wiederholten Fragen des Gerichts wie des Beklagten-Vertreters.
206 
Unabhängig davon dürfte es für die Glaubhaftigkeit der Darstellungen der Zeugen C, D und E, wonach im Rahmen des Gesprächs am 23.05.2006 um die Offenlegung von Einkaufspreisen des Beklagten gebeten wurde, nicht entscheidend darauf ankommen, ob es tatsächlich im engeren Sinne für die Erstellung eines Angebots durch die XY erforderlich war, die Einkaufspreise des Beklagten zu kennen. Denn auf der Grundlage der vorliegenden Akten und der Aussagen der Zeugen ist davon auszugehen, dass die Kenntnis der vom Beklagten tatsächlich gezahlten Einkaufspreise aus der Sicht der Vertreter der XY im Vorfeld des geplanten neuen Geschäftsmodells jedenfalls von Vorteil bzw. nützlich war, um die mögliche Gewinnspanne für die XY bzw. das unternehmerische Risiko, aber auch das konkrete Einsparvolumen für den Beklagten auszuloten (Anlage 5, S. 22, 26). Auch dieser Aspekt ließe das Verlangen nach einer Offenlegung der Preise nachvollziehbar erscheinen. Auch deshalb geht der Senat davon aus, dass dem vom Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zitierten Auszug aus einem Protokoll des Rechtsanwalts ... über eine Besprechung im März 2008 mit den Zeugen D und E, wonach diese ausgeführt haben sollen, dass sie die Konditionen zu den Kliniken und sonstigen Laboren, die Produkte bezögen, die Gegenstand des Rahmenvertrages seien, sehr genau abschätzen könnten, so dass sie Preislisten, wie sie im Vorfeld des Rahmenvertrages gefaxt worden seien, nicht benötigten, und dass M seit 20 Jahren Kliniken mit Reagenzien beliefere und man den Markt kenne, letztlich keine entscheidende Bedeutung zukommt.
207 
Allerdings verkennt der Senat nicht, dass die Zeugen A und B wie bereits zuvor im Strafverfahren auch in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend bekundet haben, in dem Gespräch vom 23.05.2006 seien sie nicht gebeten worden, die Einkaufspreise aus Verträgen mit Lieferanten von Laborbedarf zur Verfügung zu stellen, über Einkaufspreise sei nicht gesprochen worden. Der Zeuge A hat sogar explizit ausgesagt, er erinnere sich genau, dass über Preise nicht gesprochen worden sei. Der Beweiswert dieser - mit den Bekundungen der Zeugen C, D und E unvereinbaren - Darstellungen wird indes erheblich dadurch gemindert, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Darstellungen der beiden Zeugen in diesem und in anderem Zusammenhang in zahlreichen wesentlichen Punkten gravierenden Zweifeln begegnen. Diese Zweifel erstrecken sich vor allem auch auf die Behauptung, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat ohne Durchführung einer Gegenüberstellung der Zeugen der beiden „Lager“, die er (u.a.) mit Blick auf die grundsätzliche Beibehaltung der im Strafverfahren getätigten Aussagen nicht für sachdienlich gehalten hat (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 394 Abs. 2 ZPO).
208 
Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung auf die Frage, ob er mit dem Zeugen A über die Anforderung der Liste gesprochen hat, angegeben, über seine Bedenken habe er mit ihm gesprochen. Auf konkrete Nachfrage hat er bekundet, vor Versenden der E-Mail mit der ABC-Analyse noch mit dem Zeugen A gesprochen zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 9 f.). Demgegenüber hat der Zeuge A angegeben, die E-Mail erst nach seinem bis 11.06.2006 dauernden Urlaub gesehen und sich mit dem Zeugen B darüber unterhalten zu haben; insbesondere habe dieser nochmal darauf hingewiesen, dass sie nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen sei. Eine plausible Erklärung für diese unterschiedliche Darstellung ist trotz des erheblichen Zeitablaufs nicht ersichtlich. Unterschiede weisen auch die Angaben der beiden Zeugen zum Kontext der Anforderung der ABC-Analyse auf. So hat der Zeuge A die Anforderung der Liste zunächst vor den Hintergrund der Tätigkeit der Unternehmensberatung ... gestellt (Niederschrift, Anlage 1, S. 16: „ …in dieser Zeit gab es einen größeren Bedarf an Auswertung, weil wir die Unternehmensberater ... im Haus hatten und wir aufgefordert waren, immer wieder auch Analysen zu erstellen und für diese Gespräche bereitzustellen“). Auf die Frage, ob der Zeuge sagen könne, ob vom Zentrallabor bzw. vom Kläger schon einmal eine vergleichbare Liste angefordert worden sei, hat er geantwortet, diese Listen seien Standard für die Gespräche mit ... gewesen und seien ständig erstellt und auch dann regelmäßig an den Kläger über sein Sekretariat eingereicht worden (Niederschrift, Anlage 1, S. 18). Demgegenüber hat der Zeuge B im Zusammenhang mit der angeforderten Liste die Beratungsfirma ... unerwähnt gelassen und - im Übrigen im Einklang mit dem Vortrag des Klägers - angegeben, eine solche Liste für den Kläger „seines Wissens“ noch nie erstellt zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 8). Auf Nachfrage hat er erklärt, dass ihm nicht bekannt sei, dass der Kläger jemals eine solche Liste angefordert habe (ebenda). Auch mit Blick darauf, dass der Zeuge die Frage, ob das der „normale Weg“ sei, die Liste bei ihm, dem Zeugen B, anzufordern, bejaht hat, werfen diese Divergenzen in den Angaben der beiden Zeugen erhebliche Fragen auf. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Reagenzienzentrale um eine kleine Abteilung handelt, die Zeugen in „sehr engem Kontakt“ standen (Niederschrift, Anlage 2, S. 10) und deshalb von einem guten Informationsfluss auszugehen sein dürfte.
209 
Die Bekundungen der Zeugen A und B werfen weitere Fragen auf.
210 
Aus den Angaben des Zeugen B ergibt sich, dass dieser angesichts der zeitlichen Nähe der Anforderung der Liste (durch den Kläger oder sein Sekretariat) zu dem am 23.05.2006 mit den Vertretern der XY geführten Gespräch konkret die Gefahr gesehen hat, dass die Liste den Vertretern von XY zur Verfügung gestellt wird (vgl. Niederschrift, Anlage 2, S. 7). Legt man zugrunde, dass beide Zeugen mit Nachdruck bekundet haben, dass es die generelle und klare Haltung der Abteilung gewesen sei, Preise vor Vertragsschluss nie nach außen zu geben (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 13 f.; 17; Anlage 2, S. 4 f.), hätte es nahe gelegen, dass der Zeuge B mit Blick auf die konkret erkannte Gefahr unmittelbar einen Vorgesetzten informiert. Für den Fall der Urlaubsabwesenheit des Zeugen A hätte insoweit die Möglichkeit bestanden, sich bei weiteren Vorgesetzten (Herr R, Abteilungsleiter Materialwirtschaft, Herr J, Geschäftsbereichsleiter) abzusichern. Um zu verhindern, dass sich das vom Zeugen angenommene Risiko realisiert, erscheint der von ihm in der E-Mail gewählte Hinweis („Bitte gestatten Sie mir eine kleine Anmerkung, die Veröffentlichung von Einkaufspreisen könnte sich eventuell negativ auf die Angebotsausarbeitung eines Mitbewerbers auswirken“) als eher untaugliche Maßnahme, und stellt sich deshalb auch der diesbezügliche Vortrag als wenig schlüssig dar. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass - auf der Grundlage der obigen Feststellungen - sowohl der Zeuge A wie der Zeuge B schon zum damaligen Zeitpunkt übereinstimmend im Grundsatz davon ausgingen, dass es keine Mitbewerber gab, die etwas Vergleichbares anbieten konnten wie die XY. Vor diesem Hintergrund hätte der vom Zeugen B formulierten Befürchtung von vornherein eine reale Grundlage gefehlt und musste er damit rechnen, dass der Adressat der E-Mail den Hinweis nach seinem „Empfängerhorizont“ nicht als Beschränkung (im Sinne eines „nur für den internen Gebrauch“) verstand, sondern eine Weitergabe an die Vertreter der XY nicht als unzulässig ansah, weil - aus seiner Sicht - alle Beteiligten von deren Sonderstellung und Konkurrenzlosigkeit ausgingen. Dem Zeugen B ist diese - vom Zeugen A explizit eingeräumte (Anlage 1, S. 22) - Unzulänglichkeit der Formulierung in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat darauf erklärt, die Ausdrucksweise gewählt zu haben, „Weil es für mich ein grundsätzliches Thema gewesen ist“. Außerdem hat er darauf verwiesen, dass der Beklagte ja Konditionen mit sämtlichen im Laborbereich tätigen Lieferanten gehabt habe und es kein „luftleerer Raum“ gewesen sei, „wo wir dann gesagt haben, er soll ein Angebot machen und dann nehmen wir das einfach so an, sondern wir haben ja vergleichbare Preise gehabt“ (Anlage 2, S. 12). Diese Erklärungen sind nicht geeignet, die mit der gewählten Formulierung verbundenen Unstimmigkeiten auszuräumen, zumal es nicht fern liegt, dass mit der Formulierung eine Art „Freizeichnung“ der Reagenzienzentrale im Hinblick auf etwaige Dienstpflichtverletzungen bezweckt war. Dies gilt auch, wenn man miteinbezieht, dass der Zeuge B in der „Hierarchie“ des Beklagten deutlich unter dem Kläger stand und ihn dies bei der Formulierung der E-Mail ggf. beeinflusst haben mag (vgl. Anlage 1, S. 22; Anlage 2, S. 7). Ergänzend ist zu bemerken, dass die Angaben des Zeugen zu dem mit dem Zeugen A über die E-Mail geführten Gespräch auch insoweit Fragen aufwerfen, als der Zeuge keinerlei Angaben zum konkreten Inhalt des Gesprächs und insbesondere zur Reaktion des Zeugen A machen konnte (Anlage 2, S. 10). Trotz Nachfrage beschränkte er sich insoweit auf Bekundungen zum grundsätzlichen Verhältnis zu seinem Vorgesetzten („kollegiales Miteinander“, Anlage 2, S. 10 f.) und schloss auf dessen Reaktion lediglich aus der sonstigen Kenntnis seiner Person („Konkret kann ich es auch nicht sagen, also gefühlt, würde ich sagen, so wie ich ihn kenne, ich kenne ihn schon sehr lange, würde er zu mir sagen, wenn man so ein Gefühl hat, dann soll man es äußern.“, Anlage 2, S. 11). Dies kann - auch wenn der Zeitablauf und die damit schwindende Erinnerung berücksichtigt wird - mit Blick auf die ersichtliche Bedeutung der Angelegenheit („gewichtiges Thema“, Anlage 2, S. 10) und angesichts des Umstands, dass dem Zeugen andere Sachverhalte aus dieser Zeit noch durchaus erinnerlich waren, nur schwer nachvollzogen werden.
211 
Unabhängig davon und auch für den Fall, dass der Zeuge A erst nach seinem Urlaub von der E-Mail Kenntnis erhielt, erscheint dem Senat jedenfalls die von den beiden Zeugen beschriebene Reaktion des Zeugen A auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung und auf die vom Zeugen B auch persönlich mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste nicht nachvollziehbar. Obwohl er mit Blick auf den ihm nachrichtlich mitgeteilten Inhalt der E-Mail einschließlich der „unglücklichen Formulierung“ und das Gespräch mit dem Zeugen B ausdrücklich einräumt, erkannt zu haben, dass der Zeuge B angesichts des zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch am 23.05.2006 die konkrete Gefahr gesehen hat, dass die Liste in die Hände der Vertreter der XY und damit „nach außen“ gelangt ist, hat er weder unmittelbar nach Kenntniserlangung noch später etwas in dieser Angelegenheit unternommen. So hätte zunächst jedenfalls eine Aufklärung des Sachverhalts durch Kontaktaufnahme mit dem Kläger bzw. mit Frau C sowie die Information von Vorgesetzen nahe gelegen. Durchaus angezeigt gewesen wäre aber auch eine Kontaktaufnahme mit den Verhandlungspartnern und - für den Fall, dass diese tatsächlich im Besitz der Liste sind - ggf. Absprachen über die weitere Verwendung der Liste sowie die Klarstellung gewesen, dass sich derartige Informationen oder deren Benutzung bis zum Abschluss des Vertrags verbieten. Dass derartiges passiert wäre, ist nicht ersichtlich, obwohl die Beteiligten in dieser Phase der Verhandlungen in häufigem und engem Kontakt standen und der Zeuge A von der realen Möglichkeit ausgehen musste, dass die Vertreter des Verhandlungspartners mit der Liste arbeiten. Dabei ist insbesondere darauf abzuheben, dass der Zeuge A unstreitig eng mit dem mutmaßlichen Empfänger der Liste, Herrn C, zusammenarbeitete. Vor diesem Hintergrund steht das im Umgang mit der an das Zentrallabor übersandten Liste zum Ausdruck kommende „Desinteresse“ des Zeugen A in einem klaren und nicht erklärbaren Missverhältnis zu der Absolutheit, mit der er die Praxis der Reagenzienzentrale in Bezug auf die Geheimhaltung von Preisen beschrieben hat.
212 
Widersprüchlich erscheint dieses Verhalten des Zeugen A ferner mit Blick auf seine Ausführungen in der Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419 ff.). Dort hat er u.a. erklärt, hätte er tatsächlich die E-Mail des Zeugen C vom 24.05.2006 erhalten, hätte er dieses Missverständnis unverzüglich ausgeräumt. Gerade vor dem Hintergrund der vom Zeugen A bekundeten Haltung, die Mitteilung von Preisen nach außen sei generell tabu gewesen, und angesichts seiner Funktion als Leiter der Reagenzienzentrale und Vorgesetzter des Zeugen B vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, dass die anzunehmende Gefahr eines - mutmaßlich - gravierenden Pflichtverstoßes bzw. mittlerweile dessen Realisierung ohne ersichtliche Reaktion seinerseits geblieben ist. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung anhand der insoweit ausweichenden Einlassung des Zeugen den Eindruck gewonnen, dass dieser es erkennbar vermied, die eigene Verantwortung als Leiter der Reagenzienzentrale für diesen Vorgang überhaupt in den Blick zu nehmen. So hat er sich insbesondere darauf konzentriert, die Vorgehensweise des Zeugen B zu beschreiben und kritisch zu bewerten („Ich habe ja mit Herrn B auch nochmal über diese Formulierung gesprochen. Also ich hätte sie für mich so nicht gewählt.“), seine eigene Haltung und sein diesbezügliches Verhalten aber ausgeblendet. Dies ist nach Auffassung des Senats insbesondere in Anbetracht der Funktion des Zeugen nicht plausibel (vgl. Anlage 1, S. 16, 22).
213 
Erheblich verstärkt werden diese Widersprüche und Ungereimtheiten durch Angaben, die der Zeuge A zu der von ihm verfassten Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J, den Leiter des Geschäftsbereichs Personal, Kooperationen und Wirtschaft, gemacht hat. Unter dem 28.04.2008 hatte ihn dieser davon in Kenntnis gesetzt, dass in einem Ersuchen der Landespolizeidirektion ... an das Universitätsklinikum vom 22.04.2008 Sachverhalte geschildert würden, die zum Teil im Widerspruch zu bisher von ihm, dem Zeugen A, getätigten Aussagen stünden, und (unter auszugsweiser Wiedergabe einer Passage aus dem Schriftsatz von Rechtsanwalt ... vom 21.02.2008) aufgefordert, u.a. zum Vorwurf Stellung zu nehmen, vor Vertragsschluss mit der Fa. M seien von offiziellen Verhandlungsführern der Uniklinik nicht nur Einzelinformationen gegeben worden, sondern sei eine Liste der Preise des Beklagten über die Laborreagenzien überlassen worden. In der daraufhin verfassten Stellungnahme hat der Zeuge A allerdings weder die E-Mail des Zeugen B noch die dieser beigefügte ABC-Analyse erwähnt. Vor allem ist er mit keinem Wort auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung oder auf die vom Zeugen B auch persönlich mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste eingegangen. Dies vermag der Senat mit Blick darauf, dass der Zeuge doch jedenfalls unmittelbar nach seiner Urlaubsrückkehr im Juni 2006 Kenntnis von der Weitergabe der ABC-Analyse und der damit vom Zeugen B und ihm selbst gleichermaßen erkannten Gefahr erhalten hat, dass diese Daten an Verantwortliche der XY gelangt sind, nicht nachzuvollziehen.
214 
Dieser Sachverhalt ist dem Zeugen A in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat daraufhin der Sache nach erklärt, die Fragestellung [im Schreiben von Herrn J] sei mehr auf seine Person bezogen gewesen bzw. er habe sich darauf konzentriert, welche Rolle er gespielt habe (Niederschrift, Anlage 1, S. 17 f.). Ferner hat er ausgeführt, er erinnere sich so, dass er gesagt habe, er sei in diesem Zeitraum in Urlaub gewesen und deshalb mache er zu diesem Zeitraum keine Angaben. Deshalb habe er diese Frage dort nicht näher beleuchtet bzw. nicht in der Stellungnahme festgehalten. Diese Einlassung überzeugt nicht. Mit Blick auf Sinn und Zweck des Schreibens von Herrn J vom 28.04.2008 konnte kein Zweifel daran bestehen, dass hier nicht lediglich eine auf die Person des Zeugen A beschränkte Stellungnahme erbeten wurde. Auch steht die Einlassung des Zeugen ersichtlich im Widerspruch zum Inhalt seiner Stellungnahme. Denn dort hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich seine Angaben nicht auf die gegen seine Person gerichteten Vorwürfe beschränken, sondern sich - im Übrigen auch dem Untersuchungszweck und seiner Verantwortlichkeit als Leiter der Reagenzienzentrale entsprechend - auf den Vorwurf der Weitergabe von Preisinformationen durch die Reagenzienzentrale beziehen. Deutlich wird dies etwa an den Formulierungen „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an die Fa. M erst ab September 2006 erfolgte!“ (Stellungnahme vom 08.05.2008, S. 4) sowie „eine Datenweitergabe am Tag danach [nach dem 23.05.2006] oder während meines Urlaub schließe ich aus“ (S. 8). Diese Darstellung bezieht sich zweifellos auf eine Datenweitergabe der gesamten Reagenzienzentrale unter Einschluss eines etwaigen Verhaltens des Zeugen B. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat eine hinreichend plausible Erklärung dafür, weshalb der Zeuge A in der Stellungnahme seinem Vorgesetzten Informationen über die vom Zeugen B übersandte Liste mit der ABC-Analyse und die diesbezüglich auch von ihm gehegte bzw. nachvollzogene konkrete Befürchtung einer Weitergabe an die Verantwortlichen von XY vorenthalten hat, nicht zu erkennen. Die insoweit hervorgerufenen Glaubwürdigkeitszweifel werden im Übrigen unterstrichen durch das Aussageverhalten des Zeugen im Anschluss an den gerichtlichen Vorhalt. Der Zeuge ist an diesem Punkt der Vernehmung ersichtlich „ins Schwimmen gekommen“, wie einzelne Wendungen des ansonsten eher förmlich und gewandt formulierenden Zeugen belegen (vgl. im Einzelnen Niederschrift, Anlage 1, S. 17 f.). Die in den Akten enthaltene Aktennotiz des Zeugen vom 08.05.2008 (enthalten in einem der Leitzordner des Beklagten) ist nicht geeignet, die aufgezeigten Zweifel aufzulösen.
215 
Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen A, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, ergeben sich aus weiteren Gesichtspunkten. In seiner Stellungnahme an Herrn J vom 08.05.2008 (Akten Strafverfahren, Bd. II, 419 ff.) hat der Zeuge im Betreff auf die „angebliche Übermittlung von Preisinformationen in großem Umfang an M“ Bezug genommen. Auf Seite 3 hat er ausgeführt „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an M erst ab September 2006 erfolgte.“ und auf Seite 5 „Inhaltlich legt die E-Mail von Herrn C den Schluss nahe, bereits beim Kennenlerngespräch am 23. Mai 2006 mit dem Labor XY und der M sei eine vollumfängliche Weitergabe von Daten, insbesondere Preisen vereinbart worden.“ (Hervorhebungen jeweils nur hier). In der mündlichen Verhandlung sind diese Formulierungen dem Zeugen vorgehalten worden mit dem Hinweis darauf, dass diese dahingehend verstanden werden könnten, dass er in der Stellungnahme nicht ausgeschlossen habe, dass es mit seinem Wissen jedenfalls in kleinem bzw. kleinerem Umfang oder in Einzelfällen zu einer Übermittlung von internen Daten des Klinikums, insbesondere Einkaufspreisen an die Fa. M gekommen ist.
216 
Er hat daraufhin zunächst erklärt, diesen Begriff „vollumfänglich“ nur deshalb gewählt zu haben, um auf die Diskrepanz zu dem Zustand nach dem Vertragsschluss aufmerksam zu machen, in dem praktisch täglich in großem Umfange diese Informationen an den Zeugen C geflossen seien, der sie dann weitergeleitet habe an XY. Auch im Detail seien aber keine Preise weitergeben worden vor dem 01.09.2006. Auf weitere Nachfrage hat er bekundet, es gebe „natürlich immer einen Bereich, den sie weitergeben können“. So müsse man immer ein Mengengerüst einem möglichen Partner oder jemandem, der ein Angebot abgeben möchte, zur Verfügung stellen (Niederschrift, Anlage 1, S. 20). Zu seinem Verständnis der von ihm gewählten Formulierung hat er ausgeführt: „Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie sagen, dass ich immer von vollumfänglichen und von großen Mengen rede, um zu sagen, das natürlich nicht, aber im Detail darf man schon mal Preise. Preise definitiv nicht. Also gemeint ist damit, wenn ich über Konditionen rede, vollumfänglich heißt, ich gebe alles preis, ich sage Menge und Preis dazu.“ Diese Einlassung überzeugt nicht. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Zeuge das Adjektiv „vollumfänglich“ bzw. „umfassend“ ausweislich der ihm vorgehaltenen Formulierungen durchgehend (lediglich) auf „Preisinformationen“ bezogen hat und nicht allgemein auf Vertrags-Konditionen. Damit liegt eine Lesart, wonach er mit den Formulierungen lediglich die Möglichkeit der Preisgabe anderer als Preisinformationen, etwa die Mitteilung eines Mengengerüsts, impliziert habe, fern. Hiergegen spricht auch, dass auch andere der damals von ihm verwandten Formulierungen das im vorliegenden Verfahren behauptete „absolute“ Verbot der Weitergabe von Preisinformationen nicht nahelegen. So hatte er etwa in einer E-Mail vom 22.01.2008 an Frau Dr. O (enthalten in den Akten des Beklagten) explizit von einem „Ermessenspielraum der Reagenzienzentrale“ bei der Weitergabe von internen Daten gesprochen, wobei Preisinformationen nicht ausgespart wurden („Es hätte den Ermessenspielraum der Reagenzienzentrale bei weitem überschritten, wenn wir interne Daten in großem Maßstab am M weitergeben.“). Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch ein vom Zeugen C erstelltes Protokoll vom 07.07.2006 über ein im Vorfeld des Rahmenvertrags erfolgtes Gespräch mit dem Zeugen A darauf hindeutet, dass letzterer diesem durchaus Informationen über Einkaufspreise mitgeteilt hat (BMO Reg.-Nr. 20: „Laut A zahlt die UKF ca. 10.000,-- EUR pro PCR-Analyse. A verwies auf die Lizenzproblematik bei der PCR[?] Sollte durch die Fa. M eine Reduktion der Kosten pro PCR-Analyse erreichbar seien, so könnte er direkt an Herrn Dr. W melden, dass die Klärung der U-Frage für eine unmittelbare Lösung des Problems der Kosten für die PCR-Analysen dringend zu erfolgen hat. Dies würde den Druck auf Herrn R erhöhen.“).
217 
Danach hat der Senat ganz erhebliche Zweifel an den Aussagen der Zeugen A und B zum absoluten Ausschluss einer Preisweitergabe. Diese Zweifel werden durch drei weitere Gesichtspunkte erhärtet, denen der Senat besondere Bedeutung für die Beweiswürdigung beimisst.
218 
Erstens hat der Senat die Überzeugung davon gewonnen, dass bei den Mitarbeitern des Beklagten, insbesondere bei dem Zeugen A, von Anfang an ein außerordentlich großes Interesse bestand, die mit dem „gespaltenen Markt“ verbundene unbefriedigende Kostensituation mit Hilfe der XY zu „überwinden“ und dieses Ziel so schnell wie möglich zu verwirklichen. Nach eigenen Angaben bemühte sich der Beklagte mindestens seit dem Jahr 1999, die mit dem gespaltenen Markt (Preise insbesondere für niedergelassene Labormediziner sowie Laborgesellschaften bis zu 10mal günstiger als für Krankenhäuser) verbundenen Kostennachteile für das Klinikum bei der Beschaffung von Reagenzien und Diagnostika zu beseitigen bzw. zu mindern. Durch die Kontaktaufnahme mit der XY und dem Angebot eines Rahmenvertrags bot sich aus der Sicht des Beklagten erstmals die Chance, den gespaltenen Markt „aufzubrechen“ und damit enorme Kosteneinsparungen zu realisieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 07.01.2008; Gutachten Prof. Dr. B vom 13.01.2008, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1095 ff., 1097 f.). Der Sache nach wird dies durch die Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen bestätigt. So hat der Zeuge A dort ausdrücklich erklärt, dass von Anfang an ein Einsparpotenzial im sechsstelligen Bereich, d.h. ein Betrag von über 100.000,-- EUR zur Diskussion gestanden und dass ein großes Interesse seitens des Beklagten bestanden habe, dieses Einsparpotential mit Hilfe der XY zügig zu realisieren (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 4, 6; vgl. auch dessen Protokolle vom 23.05.2006, vom 13.06.2006 und vom 18.08.2006 mit der Überschrift „Optimierung des Einkaufs von Reagenzien“, VGH-Akte, S. 345 f., S. 349 f., 353 f.). Die Zeugen C und E haben plastisch und überzeugend geschildert, mit welchem Einsatz und Nachdruck die Vertreter des Beklagten, insbesondere der Zeuge A, das Ziel eines Vertragsabschlusses verfolgten (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 11; Anlage 4, S. 2, 21, 25). Tatsächlich konnten durch den Rahmenvertrag in der Folge ganz erhebliche Kosteneinsparungen zugunsten des Beklagten realisiert werden (vgl. Schreiben des damaligen Kaufmännischen Direktors an das MWK vom 19.05.2009, S. 742 der Akte des Beklagten; vgl. auch den Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007, enthalten in der Akte des Beklagten). Das außergewöhnlich starke Interesse der Mitarbeiter des Beklagten an der Realisierung des Rahmenvertrags fand nicht zuletzt darin Ausdruck, dass dem Zeugen C mietweise Räumlichkeiten im Gebäude bzw. auf dem Klinikumsgelände des Beklagten zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 227; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 963).
219 
Zusätzlich ist festzuhalten, dass der Zeuge A die Frage, ob er mit dem Zeugen C kommuniziert und zusammengewirkt habe, auch um Voraussetzungen für den Rahmenvertrag im eigenen Haus zu schaffen, ausdrücklich bejaht hat (Niederschrift, Anlage 1, S. 6). An anderer Stelle hat er einen gegenseitigen Informationsaustausch mit dem Zeugen C, etwa im Hinblick auf ein Treffen mit der U, bestätigt (Niederschrift, Anlage 1, S. 24 f.). Dem entspricht es, dass die zahlreichen vom Zeugen C gefertigten Protokolle über Treffen und Gespräche mit dem Zeugen A ein sehr kooperatives Vorgehen und einen sehr offenen Austausch der Verhandlungspartner, insbesondere der Zeugen A und C, etwa auch beim Umgang mit „Hindernissen“ im Vorfeld des Rahmenvertrags belegen. Exemplarisch kann auf das Protokoll des Zeugen C vom 27.07.2006 verwiesen werden, wonach der Zeuge A den Zeugen C vom Inhalt seines Anrufs bei Herrn K, dem Sprecher der U, in Kenntnis gesetzt und dabei auch über die Einladung zu einer Arbeitsgruppensitzung der U am 14.08.2006 in ... informiert hat (vgl. die in der mündlichen Verhandlung vorgehaltenen Protokolle vom 07.07.2006, BMO Reg.-Nr. 20, sowie vom 13.07.2006, BMO Reg.-Nr. 21).
220 
Zweitens ist der Senat nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Vertreter des Beklagten von Anfang an davon ausgingen, dass die XY nicht als Wettbewerber im Verhältnis zu anderen Lieferanten auftrat, sondern vielmehr als ein mit besonderer Einkaufsmacht ausgestatteter „Großhändler“, der in der Lage war, eine Win-win-Situation herbeizuführen: Bei Beibehaltung der Lieferantenstruktur und der Konditionen mit sämtlichen Lieferanten sollten dem Beklagten erhebliche Einsparungen ermöglicht und gleichzeitig noch ein Gewinn für die Fa. M erwirtschaftet werden.
221 
Die Zeugen A und B gingen jedenfalls im Grundsatz bereits nach dem ersten persönlichen Kontakt am 23.05.2006 davon aus, dass es sich um ein neues Geschäftsmodell handelte, für das eine Konkurrenz nicht ersichtlich war, dass die Fa. M mithin nicht in Konkurrenz zu Mitbewerbern stand (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 9 [„Wir haben das als Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes Labor als Großhändler fungiert.“], 10 f., 21 f. [Absolut. Mitbewerber gab es nicht und vor allem, es wurde ja an der Lieferantenstruktur nichts geändert.], 29: [„Und dann war es an für sich so, dass hier uns eröffnet wurde, wie das Geschäftsmodell aussehen könnte, nämlich XY mit nur einer Ausgründung M als Großhändler für uns.“; 34 [„Und es war für Sie ein neues Modell, dass Sie bisher noch nicht gekannt haben? Ja.“]; vgl. auch A, Stellungnahme vom 08.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419, sowie Protokoll vom 23.05.2006, VGH-Akte, S. 345; B, Niederschrift, Anlage 2, S. 3 f., 12). Das gilt umso mehr, als der Kläger unstreitig bereits vor dem Gespräch am 23.05.2006 Kontakt mit dem Zeugen A aufgenommen hatte und einiges dafür spricht, dass hierbei - jedenfalls in groben Zügen - die Möglichkeit des neuartigen Geschäftsmodells einschließlich der Rolle der XY als „Großhändler“ beschrieben worden war (vgl. die Vernehmung des Zeugen A im Strafverfahren, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226 f.; Telefonprotokoll vom 27.03.2006, VGH-Akte, S. 343).
222 
Diese etwa auch durch die Bekundungen des Zeugen C (Niederschrift, Anlage 3, S. 8, 28 ff.) gestützte Würdigung wird mit der - auf die Frage des Beklagten-Vertreters erfolgte - Angabe des Zeugen A, die Frage des Vergabeverfahrens sei zu diesem Zeitpunkt (29.05.2006) noch nicht diskutiert worden bzw. es müsse nach seinem Urlaub (11.06.2006) gewesen und in die Zeit Juni/Juli 2006 gefallen sein, als man das habe eruieren können, dass hier keine Mitbewerber da seien (Niederschrift, Anlage 1, S. 34), nicht ernsthaft in Frage gestellt. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt noch keine förmliche Prüfung und Feststellung erfolgt war, schließt das nicht aus, dass die Vertreter des Beklagten von Anfang an von der Annahme ausgingen, dass es für dieses Angebot keine Mitbewerber gab. Darauf deutet etwa die Aussage des Zeugen A hin: „Nur wir hatten diese [vergaberechtliche Frage] intern eigentlich so besprochen: Wir haben das als Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes Labor als Großhändler fungiert.“ (Anlage 1, S. 9). Unabhängig davon wirft das Procedere des Beklagten im Vorfeld des Rahmenvertrags mit der Fa. M im Zusammenhang mit den Vorgaben des Vergaberechts ohnehin zahlreiche Fragen auf, was den Beweiswert der diesbezüglichen Angaben des Zeugen A mindert. Hinzuweisen ist insbesondere auf die deutliche Kritik, die in einem Vermerk des MWK vom 04.06.2009 („Rechtsaufsicht gegenüber dem Universitätsklinikum ... im Hinblick auf Rahmenvertrag mit M GmbH wegen Vergaberechtsverstößen und Vorteilsannahme“) und einem späteren Schreiben des Ministerialdirektors vom 20.07.2009 (Akten des MWK, S. 636) geäußert wurde. So erscheint nach wie vor nicht hinreichend geklärt, warum ein Vergabevermerk erst nach Vertragsschluss, nämlich am 28.09.2006 gefertigt wurde, und ob bzw. inwieweit man überhaupt vergaberechtliche Überlegungen im Vorfeld des Vertragsschlusses angestellt hat. Unklar bleibt auch, warum das Gutachten von Prof. Dr. B vom 13.01.2008 erst so spät beauftragt wurde. Die Bekundungen des Zeugen A zu dem Vermerk vom 28.09.2008 bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung haben sich jedenfalls als widersprüchlich und außerordentlich unzureichend erwiesen (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 7 ff.). Namentlich hat er in eindeutigem Widerspruch zu seiner Aussage im Strafverfahren („Ich habe hierüber einen Aktenvermerk zu diesem Rahmenvertrag gefertigt. Er datiert vom 28.09.2006.“) in der mündlichen Verhandlung bekundet, er kenne diesen Vermerk nicht (Anlage 1, S. 8), was nicht mit nachlassender Erinnerung erklärt werden kann angesichts seiner Erinnerungsfähigkeit in Bezug auf andere Fragen. Auch bei seinen weiteren Antworten in diesem Zusammenhang hatte der Senat den Eindruck, der Zeuge weiche einer Darstellung der tatsächlichen Vorgänge und Überlegungen im Zusammenhang mit dem Vergaberecht aus (vgl. Anlage 1, S. 8 ff.). Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte der Zeuge in diesem Zusammenhang wenig konkrete Angaben gemacht (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 229). Erhärtet wird dieser Befund durch die sehr unbestimmten Angaben des Geschäftsbereichsleiters J in seinem Aktenvermerk vom 07.01.2008 unter 2. Prüfung des Vergabeverfahrens.
223 
Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass die Problematik des Vergaberechts trotz des erheblichen Umfangs der geplanten Vertragsbeziehung von den Vertretern des Beklagten jedenfalls zunächst nicht oder nicht hinreichend gesehen worden war, weil das Angebot von Anfang an als neues und ausschließlich von der XY angebotenes Geschäftsmodell mit Pilotcharakter verstanden wurde und weil das enorme Interesse an der Realisierung der sich bietenden Möglichkeit den Blick auf etwaige rechtliche bzw. vergaberechtlichen Hindernisse verstellte. Dabei deutet einiges darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Ausschreibung jedenfalls nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt in den Blick genommen wurde (vgl. auch den Vermerk des MWK vom 04.06.2009).
224 
Auch vor diesem Hintergrund und auch mit Blick darauf, dass die XY aufgrund ihrer Stellung auf dem Markt bzw. ihrer Einkaufsmacht in den Verhandlungen mit dem Beklagten über eine starke Position verfügte, liegt es deshalb nahe, dass seitens der Mitarbeiter des Beklagten eine grundsätzliche Bereitschaft und Neigung bestand, vom künftigen Vertragspartner angeforderte bzw. erbetene Informationen diesem zur Verfügung zu stellen, um sich die sich erstmals bietende Chance nicht entgehen zu lassen.
225 
Drittens dürfte bei der Würdigung des (Aussage-) Verhaltens des Zeugen A dem Umstand Bedeutung zukommen, dass seine Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Landespolizeidirektion vom 22.04.2008 stand, in dem der Beklagte um eine Stellungnahme auch zu gegen die Mitarbeiter der Reagenzienzentrale erhobenen Vorwürfen gebeten worden war. Dies wurde seitens der Verwaltung des Beklagten zum Anlass genommen, den Sachverhalt näher aufzuklären und insbesondere den Zeugen A mit diesen Vorwürfen zu konfrontieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 28.04.2008 sowie dessen Schreiben an den Zeugen A vom gleichen Tage; vgl. auch bereits die E-Mail der Leiterin der Stabsstelle Rechtsangelegenheiten vom 22.01.2008 an den Zeugen A, enthalten in den Akten des Beklagten). Hinzu kommt, dass der ehemalige Kaufmännische Direktor des Beklagten in der diesbezüglichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 die Geheimhaltungspflichten der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der - ihrer Informationspraxis widersprechenden - Aussage konkretisiert hatte: „Zur Weitergabe von Informationen über Einkaufsmengen und Einkaufspreisen an Dritte ohne Rücksprache mit der Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, ist niemand autorisiert.“ Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, dass hier von dem Zeugen A das ernsthafte Risiko gesehen wurde, sich bzw. seinen Mitarbeiter durch entsprechende Angaben dem Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auszusetzen und sich selbst zu belasten. Ferner kann es erklären, weshalb in dem vom Zeugen A gefertigten Protokoll über die Sitzung vom 23.05.2006 ein seitens der Verantwortlichen der XY geäußerter Wunsch nach Offenlegung der Einkaufspreise nicht thematisiert worden ist. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 erfolgte Einstufung des Zeugen B als „neutral“ Zweifeln.
226 
Schließlich ist festzuhalten, dass die - den Vorgang um die E-Mail des Zeugen B und die Übersendung der ABC-Analyse an das Zentrallabor aussparende - Stellungnahme des Zeugen A im Ergebnis dazu führte, dass dieser Vorgang auch nicht Eingang in die genannte Stellungnahme des Kaufmännischen Direktors des Beklagten fand, in der in erheblichem Umfang auf die Stellungnahme des Zeugen A Bezug genommen bzw. diese wiedergegeben wurde (vgl. insbesondere die Ausführungen zu den Sachverhalten 4 und 7). Obwohl nach der damaligen Beurteilung der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der Übersendung der ABC-Analyse die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht verbunden war und dies ersichtlich Relevanz für die Beurteilung der im Strafverfahren gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe hatte, wurde damit letztlich „vermieden“, dass dieser Vorgang seitens des Beklagten zum Gegenstand des Ermittlungsverfahren gemacht wurde. Diese Vorgehensweise gibt jedenfalls Anlass zu Zweifeln an der Bereitschaft bzw. am Willen des Zeugen A, vorbehaltlos und uneingeschränkt an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.
227 
(β) Selbst wenn von dem Verdacht auszugehen wäre, dass der Kläger die Weitergabe der Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ veranlasst hätte, bestünden jedenfalls erhebliche Zweifel daran, dass es sich insoweit um einen hinreichend gewichtigen, eine sofortige Kündigung rechtfertigenden Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht handeln würde. Zusätzlich zu den bereits oben unter (aaa) aufgezeigten Gesichtspunkten spräche insoweit gegen einen durch den Pflichtverstoß begründeten Vertrauensbruch, dass sich der Kläger mit diesem Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach lediglich im Rahmen der Praxis der Reagenzienzentrale bewegt hätte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme spricht vieles dafür, dass die Mitarbeiter der Reagenzienzentrale jedenfalls gegenüber den Verantwortlichen von XY im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags Einkaufspreise nicht als geheimhaltungsbedürftig behandelt haben. Zur weiteren Begründung wird auf die Darstellungen unter (α) Bezug genommen. Wäre ein entsprechendes Verhalten des Klägers somit in das Handeln der zuständigen Mitarbeiter aus der Reagenzienzentrale eingebettet gewesen, trüge die Verwaltung des Beklagten in erheblichem Maße Mitverantwortung für die Pflichtverletzung. Auch dies stünde der Annahme eines Vertrauensbruchs entgegen.
228 
(bb) Preisgabe sonstiger Interna des Beklagten
229 
(aaa) In der Anklageschrift vom 17.07.2009, auf die der Beklagte zur Begründung der Verdachtskündigung Bezug genommen hat, wurde dem Kläger ferner vorgeworfen, den Zeugen C am 08.02.2006 davon unterrichtet zu haben, dass am 20.02.2006 eine Besprechung des Vorstands des Beklagten stattfinden werde, im Rahmen dessen das Thema „.../...“ behandelt werden solle. Gestützt wird dieser Vorwurf auf eine E-Mail des Zeugen C an den Zeugen E vom 08.02.2006, in der es über die genannten Informationen hinausgehend heißt: „Meine Vermutung geht dahin, dass der Klinikvorstand ein MVZ mit ... nahe legen will. Meine Bitte wäre daher an Sie, uns eine grobe Skizze für ein gemeinsames MVZ zukommen zu lassen, damit Prof. X bei dem Treffen am 20. Februar gezielt agieren kann“ (BMO Reg.-Nr. 5).
230 
Tatsächlich fand am 20.02.2006 keine Klinikumsvorstandssitzung, sondern ein „internes Gespräch“ statt, an dem „Herr Professor B, Herr Dr. W, Herr B, Herr J und Herr Professor X“ teilgenommen haben und in dem der Vorschlag von ... - einer Ausgründung des Beklagten - erörtert wurde, die ... als Mitgesellschafter in die ... aufzunehmen; die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums war nicht Gesprächsgegenstand (vgl. die Stellungnahme des damaligen Kaufmännischen Direktors des Beklagten vom 09.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 403 ff., sowie die Einlassung des Klägers, Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 957). Worauf sich vor diesem Hintergrund die Vermutung des Zeugen C gründete, der Klinikvorstand werde ein MVZ mit ... nahe legen, ist nicht erkennbar. Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger geäußert hat, dass Thema des Gesprächs die Frage eines MVZ sein werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welchen objektiven Nutzen die Information des Klägers für den Zeugen C bzw. die Vertreter der XY - zumal in diesem sehr frühen Stadium der Kontakte zwischen dem Kläger und D bzw. den Vertretern der XY - gehabt haben sollte. Deshalb bestehen nach Auffassung des Senats aber auch erhebliche Zweifel daran, dass der Weitergabe der Information über das am 20.02.2006 stattfindende Gespräch nennenswerte Geheimhaltungsinteressen des Beklagten entgegenstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich bei den beiden Firmen nicht um Marktkonkurrenten der Fa. M gehandelt hat. Selbst wenn insoweit aber von dem Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht ausgegangen werden müsste, könnte keinesfalls angenommen werden, dass dessen Gewicht geeignet wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis ernsthaft in Frage zu stellen und eine Kündigung des Dienstvertrags zu rechtfertigen.
231 
(bbb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat außerdem bereits ernsthafte Zweifel daran, dass der Zeuge C die Information über ein am 28.07.2006 anstehendes Gespräch zwischen Verantwortlichen des Beklagten und einem Vertreter der Beratungsgesellschaft ... überhaupt vom Kläger erhalten hat.
232 
Der Zeuge C hat in der mündlichen Verhandlung zunächst angegeben, er könne nicht sagen, ob er die Information über das Treffen vom Zeugen A oder vom Kläger erhalten habe. Nachdem ihm das von ihm verfasste Protokoll vom 27.07.2006, BMO Reg.-Nr. 24, vorgelegt und auszugsweise vorgehalten worden war, hat er bekundet, dass der Zeuge A mit ihm über das Treffen gesprochen habe, und schließlich erklärt, dass er die Information vom Zeugen A habe und dass er ausschließe, sie vom Kläger zu haben (Niederschrift, Anlage 3, S. 12). Ein starkes Indiz für die Richtigkeit dieser Bekundung stellen die oben getroffenen Feststellungen zu dem sehr offenen Austausch dar, den die Zeugen A und C bei ihren Gesprächen im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags gepflegt haben. Insbesondere hat der Zeuge A den Zeugen C auch in anderen Zusammenhängen über Termine informiert (vgl. Protokoll vom 13.07.2006, BMO Reg.-Nr. 21, [Treffen am 17.07.2006 bei Herrn R]; Protokoll vom 27.07.2006 [Termin bei der U in ... am 14.08.2006]).
233 
Die sich hieraus ergebenden Zweifel an einer Verantwortlichkeit des Klägers werden durch die Bekundungen des Zeugen A nicht ausgeräumt. Er hat in der mündlichen Verhandlung nach Vorhalt der Protokolls vom 27.07.2006 auf die Frage, ob er mit dem Zeugen C über „diese beiden Treffen [..., U] im Vorfeld gesprochen“ habe, erklärt, sich in Bezug auf das Treffen mit ... nicht erinnern zu können. In seiner Stellungnahme vom 08.05.2008 hat er zwar bestritten, an dem - vom Zeugen C protokollierten - Termin am 26.07.2006 teilgenommen und hierbei Kenntnis von Gesprächen über ... erlangt zu haben. Dieser Stellungnahme misst der Senat allerdings lediglich einen begrenzten Beweiswert zu. Denn sie ist ersichtlich von der Motivation getragen, die gegen ihn der Sache nach erhobenen Vorwürfe von Dienstvergehen auszuräumen. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass der Zeuge den Versuch macht, an einzelnen Beispielen die Unzulänglichkeit der Aufzeichnungen des Zeugen C insgesamt aufzuzeigen: „Meine Ausführungen zu dieser Frage haben gezeigt, dass Herrn Cs Ausführungen nachweislich mit so wenig Akkuratesse gefertigt wurden, dass sie insgesamt zur Bewertung von Vorgängen nicht zweckdienlich sind.“ Diese ersichtlich zu weit gehende Schlussfolgerung wird dem Beweiswert der Protokolle des Zeugen C nicht gerecht. Auch wenn die Aufzeichnungen in wenigen einzelnen Punkten (etwa Daten, Gesprächsteilnehmer) unrichtig sein mögen, besteht für den Senat kein Zweifel, dass sie die sehr offene Kommunikation zwischen dem Zeugen A und dem Zeugen C im Vorfeld des Rahmenvertrags im Grundsatz zutreffend wiedergeben. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der Zeuge A den Zeugen C unabhängig von einem Gespräch am 26.07.2006 über das Treffen mit ... in Kenntnis gesetzt hat.
234 
Unabhängig davon bleibt die Bedeutung der angeblichen Information weitgehend im Unklaren. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass bei dem turnusmäßigen Gespräch mit einem Vertreter der Beratungsfirma ... am 28.07.2006 das Thema „M“ überhaupt nicht zur Sprache kam (vgl. die Stellungnahme des Zeugen A vom 08.05.2008). Deshalb dürfte kaum feststellbar sein, welche berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten hier berührt gewesen wären. Jedenfalls wäre der diesbezügliche Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht vor dem Hintergrund des sehr offenen Informationsaustauschs zwischen den Zeugen A und C auch im Hinblick auf Termine von Besprechungen zu sehen und zu bewerten. Gerade mit Blick auf die dem Beklagten danach zuzurechnende Mitverantwortung seiner Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung des Klägers auszugehen wäre, die allenfalls mit einer Abmahnung zu ahnden wäre.
235 
(ccc) Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht die Zeugen C, D und E am 26.10.2006 über den Inhalt einer Besprechung informiert zu haben, die er am 10.10.2006 mit Vertretern der ... bzw. des Labors ... geführt hatte. Aus dem vom Zeugen C gefertigten Protokoll vom 26.10.2006 (BMO Reg.-Nr. 28) ergibt sich, dass der Kläger den Zeugen C über dieses Treffen informiert hat.
236 
Gegen die Geheimhaltungsbedürftigkeit der dabei mitgeteilten Informationen spricht bereits der Zeitpunkt des Gesprächs, das ersichtlich nach dem am 01.09.2006 erfolgten Abschluss der fünfjährigen Rahmenvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Fa. M stattfand. Die Informationen über das Treffen waren deshalb ersichtlich nicht geeignet, den Inhalt oder die Gestaltung des Rahmenvertrags zu beeinflussen oder die Position des Beklagten zu beeinträchtigen (vgl. auch Niederschrift, Anlage 4, S. 27). Für den Senat ist aber auch nicht erkennbar, dass in anderer Hinsicht ein berechtigtes Interesse des Beklagten bestanden haben könnte, die anlässlich dieses Treffens mitgeteilten Inhalte gegenüber den Vertretern von XY geheim zu halten. Dies gilt umso mehr, als es sich bei diesen Informationen um völlig unverbindliche und - etwa zur „allgemeinen Laborplanung in ...“ außerordentlich unbestimmte Erklärungen des ... gehandelt hat, die zudem gegenüber dem Kläger und nicht gegenüber einem potenziellen Entscheidungsträger aus der Verwaltung des Beklagten erfolgt sind. Umgekehrt erscheint es jedenfalls nachvollziehbar, dem Partner des fünfjährigen Rahmenvertrags Kenntnis von dem Versuch der ... zu geben, diesen Partner „auszustechen“ bzw. vom Klinikum aktuell gezahlte Einkaufspreise für Reagenzien in Erfahrung zu bringen.
237 
(ddd) Aus den Beweismitteln, auf die in der Anklageschrift Bezug genommen wird, lassen sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Kläger den Zeugen C und D die „genaue Altersstruktur der Belegschaft des Zentrallabors“ (so die Formulierung in der Anklageschrift) mitgeteilt hat. Der vom Zeugen C erstellte Konzeptvorschlag vom 25.01.2007 für ein MVZ (BMO Reg.-Nr. 41) enthält die Feststellung „Die Altersstruktur der Belegschaft des Zentrallabors weist viele Mitarbeiter auf, die kurz vor der Verrentung stehen, so dass zügig eine „Verschlankung“ der Belegschaft erreicht werden kann.“ Weder dem Konzeptvorschlag selbst noch anderen Beweismitteln lassen sich im Übrigen Hinweise darauf entnehmen, dass der Zeuge C diese Information vom Kläger erhalten hat. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Strafverfahren hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge C bereits bei Vertragsanbahnung im Jahr 2006 in den Räumen des Zentrallabors ein und ausgegangen ist und ihm im weiteren Verlauf Räumlichkeiten auf dem Klinikumsgelände zur Verfügung gestellt wurden. Bei dieser Sachlage liegt es nicht fern, dass die der im Konzeptvorschlag enthaltenen Feststellung zur Altersstruktur zugrunde liegenden Informationen auf eigenen Beobachtungen des Zeugen C beruhen. Dies gilt umso mehr, als die Feststellung außerordentlich unbestimmt ist („viele Mitarbeiter“, „kurz vor“ der Verrentung) und ihr deshalb nur eine sehr begrenzte Aussagekraft zukommt. Daher erscheint es im Übrigen sehr fraglich, ob es sich überhaupt um geheimhaltungsbedürftige Umstände gehandelt hat. Denn sie dürfte nicht nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt gewesen sein.
238 
(b) Auch den dringenden Verdacht eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen, hat der Senat nicht festzustellen vermocht.
239 
(aa) Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Dabei reicht es aus, dass auf Grund des gewährten Vorteils das Vertrauen in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und in die Redlichkeit des Arbeitnehmers erheblich erschüttert wird. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG, Urteile vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01 -, juris, und vom 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 -). Eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrag erscheint geboten.
240 
Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG, Urteil vom 26.09.2002, a.a.O.). Die hierfür in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entwickelten Anforderungen gelten auch für eine Verdachtskündigung, die - wie hier - als ordentliche Kündigung erklärt worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O.).
241 
(bb) In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe in erheblichem Umfang Zuwendungen bzw. Vorteile angenommen bzw. sich versprechen lassen für eine den Interessen der XY dienende Dienstausübung, insbesondere für die Unterstützung deren Bemühungen um den Abschluss eines langfristigen Rahmenvertrags mit dem Beklagten über Laborverbrauchsmaterial. Dass es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verbindung zwischen der Gewährung finanzieller Vorteile und konkreten Verstößen des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht fehlt, ergibt sich bereits daraus, dass keine entsprechenden Dienstpflichtverletzungen festgestellt werden konnten (vgl. die Ausführungen unter [aa]). Aber auch eine Verknüpfung von Zuwendungen mit einer bloßen für die XY oder die Fa. M günstigen Dienstausübung des Klägers hat sich mit dem hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad nicht feststellen lassen. Dabei geht der Senat jedenfalls im Grundsatz davon aus, dass eine derartige Verknüpfung vorliegt, wenn der Vorteilsgeber mit dem Ziel handelt, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen oder und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren, und dass hierbei eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2008 - 1 StR 260/08 -, BGHSt 53, 6 -, zur Unrechtsvereinbarung beim Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB).
242 
Bereits das Verwaltungsgericht hat in nachvollziehbarer Weise angenommen, dass die diesbezüglichen, seiner Ansicht nach schwerwiegenden Verdachtsmomente durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert worden seien, dass sich die für einen Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse. Unabhängig davon hat der erkennende Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen vermocht, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Verdachtskündigung eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der gegen den Kläger erhobene Verdacht zutrifft. Insbesondere sprechen erhebliche Gründe für die Richtigkeit der Einlassungen der Zeugen D und E, wonach diese dem Kläger weder Vorteile gewährt noch Vorteile versprochen hätten, die im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten gestanden hätten, und der Kläger zu keinem Zeitpunkt Vorteile oder Zuwendungen gefordert oder verlangt habe (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1659; S. 1871).
243 
(aaa) Darlehen D
244 
α) Darlehen Dezember 2015
245 
Unstreitig hat der Zeuge D durch die von ihm vertretene Fa. L dem Kläger im Dezember 2015 ein Darlehen in Höhe von 10.000,-- EUR gewährt, das am 28.12.2005 zur Auszahlung kam (vgl. Akten Strafverfahren, BMO Reg.-Nr. 3). Der Senat geht davon aus, dass dieser Darlehensgewährung durch den Zeugen D altruistische Motive zugrunde lagen und sie - entgegen der Darstellung in der Anklageschrift - in keinem Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und dem Abschluss des Rahmenvertrags zwischen der Fa. M und dem Beklagten stand.
246 
In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge D bekundet, der Grund für das Darlehen sei die Unterstützung eines Not leidenden alten Kollegen bzw. „kollegiale Empathie“ gewesen (vgl. Niederschrift, Anlage 4, S. 10). Nach Auswertung der Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt.
247 
Unstreitig kannten sich der Kläger und der Zeuge D seit dem Jahre 1980 aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit als Oberärzte am Universitätsklinikum in .... Nach der Darstellung des Zeugen hatte ein im Medizinbereich tätiger Unternehmensberater, S, ihn im Jahre 2005 auf ein noch im Entwicklungsstadium befindliches Krebs-Medikament, den Aromatasehemmer, aufmerksam gemacht und insoweit sein Interesse geweckt, auch mit Blick darauf, dass die XY im gynäkologisch-endokrinologischen Bereich führend gewesen sei. Nachdem Herr S auf die Frage nach dem für das Präparat verantwortlichen Wissenschaftler - zunächst - lediglich darauf verwiesen gehabt habe, dass dieser aus ... komme, habe der Zeuge selbst erkannt, dass es sich bei dem ... Wissenschaftler um den Kläger handelte, der ihm als Inhaber zahlreicher Patente und Wissenschaftler mit innovativen Ideen bekannt gewesen sei. Daraufhin sei es zu einem Besuch des Klägers in ... gekommen. Die detaillierte, anschauliche und schlüssige Darstellung des Zeugen, die im Einklang mit seinen Bekundungen im Strafverfahren (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 241 ff.), aber auch mit der dortigen Einlassung des Klägers steht (Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Bd. V, S. 1017), erscheint dem Senat glaubhaft. Dies gilt insbesondere auch für die Schilderung der näheren Umstände des ersten Besuchs des Klägers in .... So hat der Zeuge plastisch, originell und unter Schilderung der eigenen Gefühlsregungen beschrieben, wie er den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen „Absturz“ des Klägers wahrgenommen hat (Anlage 4, S. 8: „aus edler Familie, ..., Nobelpreisträger, ...“; „Und X fuhr einen Saab Turbo und der S, mein damaliger Chef auch, ja. Mensch, ich hab ihn immer beneidet, muss ich ehrlich sagen, ja. Er hatte einen Saab-Turbo. Also er hatte Kohle, kurz gesagt, und ich nicht“; S. 9: „in dem verrosteten kleinen Panda kamen sie an“; „aber irgendwie, ich hab gesehen, der ist in argen Nöten. Er hat offenbar Millionen, ein großes Familienvermögen, das er hatte, der Wissenschaft geopfert und reingepulvert und ist auf die Schnauze gefallen, auf Deutsch gesagt.“). Insgesamt hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Zeugen das Schicksal bzw. die Situation des Klägers persönlich sehr nahegegangen ist und er sich, als der Kläger eine entsprechende Bitte äußerte, auch angesichts seiner komfortablen wirtschaftlichen Situation veranlasst sah, ihm aus kollegialer Verbundenheit „unter die Arme zu greifen“. Er hatte sich auch bereits im Strafverfahren in dieser Weise eingelassen (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 219, 263). Die altruistische Motivation liegt auch insoweit nahe, als der Zeuge in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt hat, dass die Zahlung derartiger Beträge für ihn keine nennenswerte Belastung darstellte (Anlage 4, S. 10: „relativ Kleingeld“) und er - anders als im Falle des zweiten Darlehens - keine Sorge dafür getragen hatte, dass das Darlehen zurückgezahlt wird.
248 
Für die Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen spricht schließlich auch der Zeitpunkt der Darlehensgewährung.
249 
Nach den übereinstimmenden Darlegungen der Zeugen D und E war - dem Anlass der Kontaktaufnahme mit dem Kläger entsprechend - Gegenstand der Gespräche mit diesem zunächst der Aromatesehemmer, für den sich der Zeuge D in besonderer Weise fachlich interessiert zeigte (Niederschrift, Anlage 4, S. 8 f.). Dies galt auch noch für die Besprechung, die am 31.01.2006 mit dem Kläger und dem Zeugen C im Labor XY in ... stattfand (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 265; Zeugenvernehmung E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841). Nach den Bekundungen des Zeugen E, der bis zu diesem Zeitpunkt weder den Kläger noch den Zeugen C kannte, war er zu der Besprechung hinzu gerufen worden, um gegenüber dem Kläger Möglichkeiten zu erläutern, wie man in ... im Klinikum Kosten einsparen könnte (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841; Niederschrift, Anlage 5, S. 2). Auch der Zeuge C, der spätere Geschäftsführer der Fa. M, traf bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal den Zeugen D. Konkrete Überlegungen zur Gründung der Fa. M sind erst im Laufe des Frühjahrs 2006 belegt (vgl. insbesondere die Protokolle des Zeugen C über Treffen in ... am 10.03.2006, BMO Reg.-Nr. 9, und in ... am 24.04.2006, BMO Reg.-Nr. 12).
250 
Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Dezember 2005 zwischen dem Kläger und dem Zeugen D weder bereits konkrete Einsparmöglichkeiten für den Beklagten thematisiert noch gar konkrete Schritte vereinbart bzw. unternommen worden waren in Richtung der Anbahnung einer Vertragsbeziehung zum Beklagten. Erst recht keine Anhaltspunkte bestehen dafür, dass zu diesem Zeitpunkt schon - wie in der Anklageschrift unterstellt - Bemühungen der XY um den Abschluss eines langfristigen Exklusivlieferungsvertrags mit dem Beklagten zu verzeichnen waren und hier bereits ein Zusammenhang mit der Dienstausübung des Klägers bestand bzw. hergestellt worden sein könnte.
251 
Dass der Zeuge D das Darlehen nicht aus seinem Privatvermögen sondern durch die Fa. L ausbezahlt hat, dürfte dabei nicht gegen eine persönliche Motivation sprechen. Er hat in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift, Anlage 4, S. 11 f.) schlüssig und plausibel dargelegt, dass er, um nach der Fusion von X und Y die Integration der verschiedenen Unternehmen zu ermöglichen, die M gegründet und alle Partner damit einbezogen habe, und deshalb die Fa. L nach der Fusion nur noch eine „leere Hülle“ gewesen sei. Als Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser Firma habe er nunmehr die alleinige, nicht von der Mitsprache anderer abhängige Verfügungsbefugnis gehabt.
252 
β) Darlehen Juni 2006
253 
Unstreitig hat der Zeuge D dem Kläger auf der Grundlage eines Darlehensvertrags der von ihm vertretenen Fa. A vom 23.06.2006 ein weiteres Darlehen in Höhe von 8.000,-- EUR gewährt (vgl. Akten Strafverfahren, BMO Reg.-Nr. 17), das dem Kläger am 05.07.2006 gutgeschrieben wurde. Auch hier stellt die Anklageschrift einen Zusammenhang zwischen diesem „vermeintlichen“ Darlehensvertrag und dem Tätigwerden des Klägers im Hinblick auf die Gründung der Fa. M und dem Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen dieser Firma und dem Beklagten her. Der Senat hat - trotz der zeitlichen Nähe von Darlehensgewährung und Abschluss des Rahmenvertrags (01.09.2006) - erhebliche Zweifel, ob dieser Zusammenhang tatsächlich bestand.
254 
αα) Der Zeuge D hatte bereits im Rahmen seiner Zeugenvernehmung im Strafverfahren erklärt, dass dieses Darlehen nichts mit dem Rahmenvertrag zu tun gehabt habe, sondern dass es insoweit allein um den Aromatasehemmer gegangen sei (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1641). Dies entspricht auch seiner schriftlichen Einlassung im Strafverfahren. Dort werden die diesbezüglichen Vorgänge detailliert und in sich stimmig beschrieben und auch ins Verhältnis zu den weiteren mit dem Kläger im Hinblick auf Kosteneinsparungen beim Beklagten erörterten Themenschwerpunkten „Gemeinsames Medizinisches Versorgungszentrum“ und „Abwicklung aller Bestellungen von Laborverbrauchsmaterial innerhalb des UKF durch die Fa. M ... [„Rahmenvertrag“]“ gestellt (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 239, 265 f.). Diese Darstellung hat der Zeuge im Kern in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat wiederholt (vgl. Anlage 4, S. 13 f.). Insbesondere hat er dabei, wie bereits aufgezeigt, dargelegt, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für den nach vielen Jahren zustande gekommenen Kontakt mit dem Kläger sein fachlich-wissenschaftliches, aber auch wirtschaftliches Interesse an dem Aromatasehemmer gewesen sei und dass er insoweit - gerade auch aus der Sicht seines Unternehmens als Marktführer bei der Versorgung der deutschen Gynäkologen - erhebliches medizinisches wie wirtschaftliches Potential gesehen habe (Anlage 4, S. 2 f., 7 ff., 28). Er habe sich als „Brückenbauer“ gesehen, dafür sorgen wollen, dass die Gynäkologen und Endokrinologen in seinem Unternehmen „das Thema mitkriegen“, und habe eine Studie ermöglichen wollen (S. 13). Demgemäß habe er auch die Partner in der Fa. A informiert und dem Kläger vorgeschlagen, eine Präsentation des Aromatasehemmers am Sitz der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... vorzunehmen (S. 13).
255 
Was den konkreten Anlass für das Darlehen anbelangt hat der Zeuge D auch in der mündlichen Verhandlung der Sache nach bekundet, er habe den Kläger im Zusammenhang mit dessen Bemühungen um Investoren für eine Beteiligung an den Entwicklungskosten unterstützen wollen; angesichts seiner desolaten Finanzlage - er habe nicht einmal seine diesbezüglichen Reisekosten decken können - habe er ihm - über die Fa. A, die langfristig von der Sache habe profitieren sollen - das Darlehen gewährt. Auch dieser Vortrag ist nachvollziehbar und fügt sich im Wesentlichen in seine bisherigen Darstellungen im Strafverfahren ein (vgl. Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akte Strafverfahren, S. 265 ff.). Ob und inwieweit neben dieser Motivation auch altruistische Überlegungen eine Rolle gespielt haben (vgl. etwa die Angaben des Zeugen D, Anlage 4, S. 29), kann letztlich dahinstehen.
256 
Ergänzend ist festzuhalten, dass der Zeuge - im Einklang mit seiner schriftsätzlichen Einlassung im Strafverfahren - mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, dass der Rahmenvertrag mit dem Beklagten auch mit Blick auf dessen wirtschaftliche Bedeutung aus seiner Sicht „Kleinkram“ bzw. lediglich „eine vertrauensbildende Maßnahme“ gewesen sei, sein eigentliches langfristiges Interesse aber der Einrichtung eines MVZ gegolten habe, wie man es am Klinikum in ... schon praktiziert habe. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser insgesamt nachvollziehbaren und mit der Aktenlage vereinbaren Darstellung zu zweifeln. Dies spricht indes gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme, der Zeuge habe der XY „eine beherrschende Stellung auf dem ...er Markt für Laborgeräte und -materialien“ verschaffen wollen.
257 
ββ) Die Darstellung des Zeugen D wird durch weitere Indizien gestützt.
258 
Unabhängig davon, dass sich auch der Kläger im Strafverfahren im Wesentlichen in diesem Sinne eingelassen hatte (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1025 ff.), hat auch der Zeuge E hat bei seiner Vernehmung im Strafverfahren bekundet, dass dieses Darlehen mit dem Rahmenvertrag nichts zu tun gehabt habe (S. 1971). Die Zeugen C (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 2) und E (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841) haben berichtet, dass auch noch beim Treffen am 10.03.2006 Thema (u.a.) der Aromatasehemmer gewesen sei. Der ebenfalls im Strafverfahren vernommene Zeuge S konnte bestätigen, dass er in der Sache „Aromatasehemmer“ Kontakt mit dem Zeugen D gehabt habe. Zum Entwicklungsstadium des Präparats im Jahre 2006 konnte er angeben, dass zunächst eine Kleinststudie mit Genehmigung der ärztlichen Ethikkommission in Auftrag gegeben worden sei; seines Wissens seien rund 70 erkrankte Frauen an der Studie beteiligt gewesen. Aufgrund fehlenden Geldes habe die Studie nicht ausgewertet werden können (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2079). Prof. Dr. H, Geschäftsführer des Medizinischen Versorgungszentrums ..., bekundete als Zeuge im Strafverfahren, das Thema „Aromatasehemmer" sei bei einer Besprechung in ... am 10.03.2006 erwähnt worden. Vertieft worden sei es aber erst in .... Dort habe der Kläger an der dortigen, zum Konzern [Fa. A] gehörenden Tagesklinik die wissenschaftlichen Zusammenhänge bei der von ihm entwickelten Behandlung von Brustkrebs mit einem Aromatasehemmer als Wirkstoff vorgestellt (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 2025 f.). Damit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie von D in dem Gespräch mit dem Kläger vorgeschlagen, (wohl am 06.10.2006, Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 267) am Sitz der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... eine Präsentation des Aromatasehemmers vorgenommen hat. All diese Gesichtspunkte sprechen für die Plausibilität der mit der Entwicklung des Aromatasehemmers verknüpften Zielsetzung der Zuwendung.
259 
γγ) Gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme eines „vermeintlichen“ Darlehens spricht, dass das Darlehen - im Unterschied zu dem unter α) behandelten - im Frühsommer 2007 durch den Zeugen C vollständig einschließlich der vereinbarten Zinsen zurückgezahlt worden ist (vgl. Vernehmung C, Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1331 -1333). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Rückzahlung bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen gegen ihn für den Kläger noch nicht erkennbar gewesen sein dürfte. Schließlich deutet auch die Darlehensgewährung durch die Fa. A, die einen besonderen Schwerpunkt im Bereich der gynäkologischen und internistischen Endokrinologie aufweist, eher auf einen Zusammenhang mit der Entwicklung des Aromatasehemmers hin.
260 
δδ) In der Anklageschrift wird als „Gegenleistung“ für das Darlehen insbesondere genannt, dass es „am 01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme“ durch den Kläger auf Vertreter des Klinikvorstands zum Abschluss eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem Beklagten gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme nicht den Tatsachen entspricht, die Staatsanwaltschaft insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Auch dies lässt einen Zusammenhang der Dienstausübung des Klägers mit dem Darlehensvertrag als wenig wahrscheinlich erscheinen.
261 
Unstreitig war der Kläger weder rechtlich zu Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag befugt noch faktisch an diesen beteiligt. Dies wurde von Anfang an insbesondere auch von den Verantwortlichen auf Seiten des Beklagten so gesehen. Bereits in einem Aktenvermerk über die Besprechung im Verwaltungsgebäude des Klinikums ... am 26.03.2007 unter Beteiligung der Herren Dr. W und J sowie des Staatsanwalts Dr. A und des KHK N (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 63 ff.) wurde festgehalten: „An den Vertragsverhandlungen und der Vertragsgestaltung habe Prof. X aber nicht mitgewirkt" (S. 65). Entsprechendes ergibt sich aus den Vernehmungen im Strafverfahren (J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 69 ff.: “keinerlei Einfluss auf den Vertrag oder die Verhandlungen“; J, Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten; A, Bd. I, S. 231: nicht „im Verlauf der Verhandlungen, also vor Vertragsunterzeichnung, in irgendeiner Form eingebunden“) und in der mündlichen Verhandlung (A, Niederschrift, Anlage 1, S. 2 f.; C, Anlage 3, S. 2: an den Vertragsverhandlungen „überhaupt nicht beteiligt“). Auch hat der Zeuge A bekundet, der Kläger sei von Seiten der Verwaltung (nur) eingebunden worden, wenn dies aus fachlicher Sicht - etwa zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs des Zentrallabors - notwendig erschienen sei (Anlage 1, S. 2 f.). Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen, dass - wie erwähnt - mehrfach geäußert worden ist, der Kläger habe im Hinblick auf mit dem Rahmenvertrag verbundene Fragen nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfügt. Danach wurden die Vertragsverhandlungen mit der XY eigenverantwortlich und vollumfänglich von den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten geführt, eine Einbeziehung des Klägers erfolgte allenfalls auf deren Veranlassung im Einzelfall.
262 
Der tatsächliche Beitrag des Klägers im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag ist im Kern übereinstimmend dahingehend beschrieben worden, dass er an den Zeugen A herangetreten sei mit der „Idee“ eines günstigeren Einkaufs von Reagenzien mit Hilfe der XY (A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226; J, Bd. I, S. 71; J, Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten) und er - aufgrund des persönlichen Kontakts zu Herrn D - den Kontakt zu den Verantwortlichen der XY hergestellt habe (J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 71; A, Bd. I, S. 225, 227; C, Anlage 4, S. 1 f.). Beschränkte sich die Rolle des Klägers aber auf die Funktion eines „Türöffners“ (zu diesem Begriff vgl. den Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007) und waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags (23.06.2006) und der Auszahlung des Darlehens (05.07.2006) die Vertragsverhandlungen zwischen den Verantwortlichen aus der Verwaltung des Beklagten (insbesondere J und A) und den Vertretern der XY bzw. der Fa. M (insbesondere den Zeugen E und C) - auch wegen des außerordentlichen Interesses des Beklagten an einer Vereinbarung - bereits mit hoher Aussicht auf Erfolg im Gange, spricht dies dagegen, dass ein dienstliches Tätigkeitwerden des Klägers objektiv erforderlich war oder als erforderlich angesehen wurde, und damit gegen einen Zusammenhang zwischen der Gewährung des Darlehens mit einer „maßgeblichen Einflussnahme“ des Klägers auf den Abschluss des Rahmenvertrags. Dies gilt umso mehr, als die dem Senat vorliegenden Akten belegen, dass das von der Fa. M ursprünglich vorgelegte Vertragsangebot während der Vertragsverhandlungen auf Betreiben insbesondere des Geschäftsbereichsleiters J in zahlreichen Punkten zugunsten des Beklagten abgeändert worden ist (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 95 ff.). Dass mit dem Darlehen eine in der Vergangenheit liegende Dienstausübung, nämlich die „Türöffnung“, honoriert werden sollte, hält der Senat angesichts der vorstehenden Ausführungen insbesondere zum Zusammenhang mit der Entwicklung des Aromatasehemmers für wenig wahrscheinlich. Gegen eine Verknüpfung von Dienstausübung und zugewandtem Vorteil spricht im Übrigen, dass der Kläger den zum Zeugen D bestehenden persönlichen Kontakt nicht verheimlicht, sondern von Beginn an insbesondere auch vor den Mitarbeitern des Beklagten offen gelegt hatte (vgl. Vernehmung A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 231; Vernehmung J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 77).
263 
(bbb) Beteiligung des Klägers an Gewinnen der zu gründenden Fa. M
264 
Der Senat hegt weiter erhebliche Zweifel an dem in der Anklageschrift erhobenen Vorwurf, wonach die Zeugen C und E nach Beratung mit dem Zeugen D den Entschluss fassten, dem Klägers eine verdeckte Beteiligung an den Gewinnen der zu gründenden Fa. M bzw. die für eine Firmenauflösung begehrten 25.000,-- EUR in Form einer Verrechnung mit Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen zukommen zu lassen.
265 
α) Zwar ergeben sich diesbezügliche Verdachtsmomente aus Dokumenten über ein Treffen der Zeugen E und C in ... am 24.04.2006 (vgl. das Protokoll des Zeugen C vom 25.04.2006 sowie die E-Mail des Zeugen E an den Zeugen D vom 26.04.2006, jeweils BMO Reg.-Nr. 12). In der E-Mail vom 26.04.2006 informiert der Zeuge E den Zeugen D über anlässlich dieses Treffens getroffene Überlegungen betreffend die Gründung einer M GmbH (vgl. insbesondere die Punkte 2) und 3). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme spricht indes schon vieles dafür, dass die dort angestellten Überlegungen vorläufigen Charakter hatten, unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung durch den Zeugen D bzw. durch dessen Rechtsberater standen und letztlich nicht umgesetzt wurden.
266 
αα) Auf Vorhalt der E-Mail vom 26.04.2006 hat der Zeuge E in der mündlichen Verhandlung erklärt, sich mit dem Zeugen C allein getroffen und dabei „relativ viel philosophiert“ zu haben, um die Dinge „nach vorne zu treiben“. Nach seiner Rückkehr nach ... habe er indes „einen mächtigen Einlauf verpasst bekommen“, von Seiten des Zeugen D, insbesondere aber auch von Seiten des Rechtsanwalts Dr. B und des Wirtschafts- und Steuerberaters Q. Diese hätten - der Sache nach - erklärt, eine Beteiligung des Klägers „geht gar nicht“ (Niederschrift, Anlage 5, S. 13). Die Glaubhaftigkeit dieser Darstellung, wonach den von den Zeugen E und C am 25.04.2006 angestellten Überlegungen insbesondere durch die Rechtsberater des Zeugen D eine kategorische Absage erteilt worden sei, begegnet nach Auffassung des Senats keinen durchgreifenden Zweifeln. Der Zeuge hat seine Angaben detailliert, schlüssig und ersichtlich mit erheblicher emotionaler Anteilnahme vorgebracht. Sie fügen sich ein in seine diesbezüglichen Bekundungen im Rahmen der Vernehmung im Strafverfahren (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1853 ff.: „Gedankenspiele“ bzw. „Denkmodelle“). Im Kern werden sie durch die Bekundungen der Zeugen C und D bestätigt, die diese sowohl in der mündlichen Verhandlung wie bereits im Strafverfahren gemacht haben (C, Niederschrift, Anlage 3, S. 15: „Gedankenspiele von Herrn E und von mir“; Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1305, 1307; D, Anlage 4, S. 16 f.; Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1633: „Brainstorming“; vgl. auch die ausführliche Darstellung im Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 329 ff.). Der Zeuge C hat an seinen diesbezüglichen Angaben trotz wiederholter Nachfragen des Beklagten-Vertreters festgehalten. Alle drei Zeugen gaben insoweit durchgehend eine stimmige und im Wesentlichen einheitliche Darstellung ab, die auch keine erkennbaren Widersprüche zu den vorliegenden schriftlichen Unterlagen aufweist. So enthält etwa bereits die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine „Besprechung in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 bezüglich der zu gründenden M GmbH die eindeutige Aussage „Herr Prof. X kann sich an der Gesellschaft nicht beteiligen“ (BMO Reg.-Nr. 14).
267 
Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen der ohne weiteres nachvollziehbare Vortrag des Zeugen D (Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 227), in seinem Hause sei es Praxis gewesen, Vorschläge seiner Mitarbeiter vor der Umsetzung einer Prüfung durch seine Rechtsberater zu unterziehen, und diese Praxis sei jedenfalls dem Zeugen E bekannt gewesen. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass es sich bei den Zeugen E und C ersichtlich um Nichtjuristen gehandelt hat. Die Möglichkeit bloßer „Gedankenspiele“ der Zeugen E und C liegt auch insoweit nicht fern, als sich sowohl aus Bekundungen von Zeugen (D, Anlage 4, S. 16, 19) wie auch aus dem von den beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine aktiv-vorpreschende Vorgehensweise durchaus mit deren Naturell in Einklang gebracht werden kann. Schließlich sind die von den beiden Zeugen angestellten Überlegungen auch insoweit nicht realisiert worden, als es um die angedachte Auflösung einer Firma des Klägers ging. Der Zeuge C hat insoweit schlüssig und nachvollziehbar erklärt, bei der angesprochenen Firma des Klägers sei es um die A M GmbH gegangen, diese sei aber nie aufgelöst worden, sondern bestehe immer noch (Niederschrift, Anlage 3, S. 16).
268 
Soweit in der Anklageschrift ausgeführt wird, die „handschriftliche Notiz des Angeschuldigten Prof. Dr. X vom 24.04.2006“ (BMO, Reg.-Nr. 11), in der durch einen Pfeil eine direkte Beziehung zwischen einem „Darlehen" und einer „Neugründung" hergestellt wird, wobei sich letztere Bemerkung nach Aktenlage nur auf die Gründung der Fa. M beziehen könne, spreche gegen persönliche Darlehensgewährungen, bedarf dies der Korrektur. Entgegen der Annahme in der Anklageschrift stammt diese Notiz nicht vom Kläger, sondern vom Zeugen C. Sie wurde am 24.04.2006 erstellt und steht damit aller Wahrscheinlichkeit nach im Zusammenhang mit dem erwähnten Gespräch mit dem Zeugen E am 24.04.2006 in .... Mithin ist die Aussagekraft dieser Notiz - wie gerade ausgeführt - begrenzt.
269 
ββ) Unabhängig davon wird in der Anklageschrift auch im Hinblick auf die „verdeckte“ Gewinnbeteiligung als „Gegenleistung“ genannt, dass es „am 01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme durch den Angeschuldigten Prof. Dr. X auf Vertreter des Klinikvorstands zum Abschluss eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ...“ gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme der Staatsanwaltschaft nicht den Tatsachen entspricht, diese insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Zur Begründung wird auf die Ausführungen oben unter (aaa), β), δδ) verwiesen.
270 
β) Auf der Grundlage der Anklageschrift ergaben sich Verdachtsmomente ferner aus Hinweisen auf eine am 30.05.2006 in ... erfolgte Besprechung, an der der Kläger, die Zeugen C, D und E sowie der Steuerberater Q teilgenommen hatten.
271 
In einem hierzu vom Zeugen C erstellten Protokoll vom 31.05.06 (BMO Reg.-Nr. 14) heißt es (unter dem Punkt „Strukturierungsmöglichkeiten eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Uniklinik ...“ u.a.:
272 
„Die Partizipation XX [Initialen des Klägers] resp. seine Einbindung innerhalb des MVZ kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Gesellschafter erfolgen (KV-Zulassung geht nicht und Ermächtigung könnte nur auf jeweils zwei Jahre erteilt werden). XX erhält die Position eines Ärztlichen Geschäftsführers im Angestelltenverhältnis und erhält eine Erfolgsbeteiligung i. H. seiner eigentlichen Beteiligung. Parallel soll eine alternative Beteiligungsform gesucht und überprüft werden, welche eine Gesellschafterposition XXs und somit eine Partizipation über seine Tätigkeitszeit hinaus und nicht auf das ... MVZ beschränkt, sicherstellt"
273 
In der ebenfalls zu diesem Treffen gefertigten Aktennotiz in Sachen „Kooperation Uniklinik ...“ des Steuerberaters Q ist u. a. vermerkt (BMO Reg.-Nr. 14):
274 
„In dem Telefongespräch mit Herrn Dr. B wurden die Möglichkeiten für Herrn Prof. X eingehend besprochen. Herr Prof. X kann beim MVZ als Arzt angestellt werden. Die Beteiligung ist problematisch, weil er die Voraussetzungen als Leistungserbringer wohl nicht erfüllen kann. Die Anstellung von Prof. X kann vergütungsmäßig so ausgestaltet werden, dass er ergebnisabhängig wie ein Beteiligter honoriert wird. ...“.
275 
Allerdings gaben die Zeugen C, E und D in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt dieser Dokumente übereinstimmend an, bei diesen Überlegungen sei es nicht um die Fa. M bzw. den Rahmenvertrag mit dem Beklagten gegangen, sondern allein um den mittelfristig geplanten Aufbau eines Medizinischen Versorgungszentrums am Universitätsklinikum, also um die Gründung einer „public private partnership“, die letztlich indes nie realisiert wurde (Niederschrift, Anlage 3, S. 18; Anlage 4, S. 18; Anlage 5, S. 15 f.). Diese Bekundungen stimmen mit den Angaben der Zeugen im Strafverfahren überein (Zeugenvernehmung E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1857; Zeugenvernehmung D, S. 1637, 1639; Zeugenvernehmung C, Bd. VI, S. 1313). Sie erscheinen auch gemessen am Inhalt der schriftlich vorliegenden Unterlagen stimmig und nachvollziehbar.
276 
Damit bestehen durchgreifende Zweifel an dem in der Anklageschrift unterstellten Zusammenhang mit dem Abschluss des „Rahmenvertrags“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ..., zumal auch insoweit die tatsächliche Rolle des Klägers beim Abschluss des Rahmenvertrags gegen das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung spricht.
277 
(ccc) Zwischen dem Zeugen C und dem Kläger am 27.10.2006 schriftlich vereinbarte Gewinnbeteiligung am Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M.
278 
In der Anklageschrift wird dem Kläger weiter vorgeworfen, am 27.10.2006 hätten der Angeschuldigte C und der Kläger mit Kenntnis und Billigung des Angeschuldigten D schriftlich vereinbart, dass der Kläger am Geschäftsanteil des Angeschuldigten C an der Fa. M in Höhe von 49% zur Hälfte beteiligt werden solle, da er das Unternehmen „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt" habe. Rechtlich sei die verdeckte Gewinnbeteiligung durch eine entsprechende Abtretungsvereinbarung zwischen dem Angeschuldigten C und dem Kläger erfolgt. Beiden sowie auch dem Angeschuldigten D sei bewusst gewesen, dass die geschlossene Vereinbarung geeignet gewesen sei, den Kläger in einen konkreten Interessenskonflikt zwischen seiner Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteilichen Dienstausübung im wohlverstandenen Interesse des Landes Baden-Württemberg einerseits und seiner Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung zu Gunsten der XY für die versprochene verdeckte Gewinnbeteiligung andererseits zu bringen (vgl. hierzu die Vereinbarung vom 27.10.2006, BMO Reg.-Nr. 30). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begegnet auch dieser Vorwurf gravierenden Zweifeln.
279 
α) Erste Zweifel ergeben sich bereits daraus, dass in der Anklageschrift der Inhalt der Vereinbarung in einem maßgeblichen Punkt unzutreffend wiedergegeben wird. In der Vertragsurkunde vom 27.10.2006 wird als Grund für die Abtretung unter 1. wörtlich angeführt: „Prof. Dr. X (XX) (Adresse) hat ... [Initialen des Zeugen C] bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt.“ (Hervorhebung nur hier). Obgleich hier somit ein deutlicher Bezug zu der Unterstützung hergestellt wird, die der Kläger dem Zeugen C persönlich hat zukommen lassen, spricht die Anklageschrift demgegenüber - in nicht nachvollziehbarer Abweichung vom Wortlaut - von einer aktiven Unterstützung des „Unternehmens“ „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M“. Mit dieser Formulierung wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, bereits aus der Vereinbarung ergebe sich eine unmittelbare Verknüpfung zwischen der den Kläger begünstigenden Abtretung und einem Tätigwerden des Klägers zugunsten der XY, der Fa. M ... oder der Fa. M.
280 
β) Ferner hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Vereinbarung mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, insbesondere des Zeugen D, geschlossen wurde.
281 
In der mündlichen Verhandlung ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 den Zeugen D und E vorgehalten worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese sei ihnen nicht bekannt gewesen bzw. erst im Laufe des Verfahrens bekannt geworden (Niederschrift, Anlage 4, S. 20 f.; Anlage 5, S. 16 f.). Konkrete Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit dieser Darstellung sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren so ausgesagt (E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1863; D, Bd. VII, S. 1648; vgl. auch die schriftliche Einlassung des Zeugen D, Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229) und im Übrigen auch der Zeuge C bestritten hat, dass der Zeuge D bzw. die beiden Zeugen etwas von der Vereinbarung gewusst haben (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1301; Niederschrift, Anlage 3, S. 23). Allein aus dem Umstand, dass am Ende der Vereinbarung die mit der Unterschrift zu bestätigende Kenntnisnahme durch den Zeugen D vorgesehen war, dort allerdings die Unterschrift fehlt, kann nichts Abweichendes geschlossen werden.
282 
Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung (und den unter eee) dargestellten Zahlungen an den Kläger) sprechen im Übrigen die Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer 2007 von eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen Kenntnis erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge E hat detailliert, stimmig und unter eindrucksvoller Schilderung seiner Gefühlsregungen („Lebemensch“, „Dann hat mir das irgendwann mal so gestunken, ...“, „klare Ansage“, „kein Murren und kein Meckern“) erklärt, dass sich diese Geldabhebungen durch den Zeugen C aus seiner Sicht verboten hätten, weil der Fa. M ..., 51% der Anteile an der Fa. M zugestanden hätten und im Übrigen erst einmal „Geld verdient“ hätte werden müssen, bevor man es ausschütten könne (Niederschrift, Anlage 5, S. 16 f.; vgl. auch den Gesellschaftsvertrag der Fa. M BMO Reg.-Nr. 22). Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl. Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung ließe sich schließlich auch nur schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M explizit eine Absage erteilt hatte.
283 
γ) Ist nach dem Vorstehenden davon auszugehen, dass die vereinbarte Abtretung des Gewinnanteils allein mit Kenntnis und Willen des Zeugen C und nicht auch von Verantwortlichen der XY erfolgt ist, bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran, dass das maßgebliche Motiv für die Zuwendung des Vorteils eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M gewesen ist oder die Honorierung einer solchen Dienstausübung. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die Gewinnbeteiligung im Zusammenhang stand mit der besonderen - privaten und geschäftlichen - Beziehung des Zeugen C zum Kläger bzw. - im Einklang mit dem Wortlaut der Vereinbarung - mit der Unterstützung, die der Zeuge C persönlich von Seiten des Klägers erfahren hat.
284 
Der Zeuge C und der Kläger stehen seit langem in Geschäftsbeziehungen und sind insbesondere auch gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden. Schon 1999 nahm der Kläger im Zusammenhang mit der Vermarktung des Aromatesehemmers die Dienste des Zeugen C in Anspruch, der damals als Berater bei der ... tätig war (Niederschrift, Anlage 3, S. 41). Beide sind seit 2005 Gesellschafter der A M GmbH, deren Gegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen und die Übernahme von deren Geschäftsführung ist (vgl. § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, BMO Reg.-Nr. 57). Tatsächlich ist die GmbH Inhaberin von Patenten und hält gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Klägers (etwa an der E-GmbH und der C-GmbH). Sie dient dabei (u.a.) dem Zweck der Vermarktung von Patenten und sonstigen Innovationen aus dem Gesundheitsbereich, die der Kläger mitentwickelt hat (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Bei Gründung der GmbH hatte der Zeuge C, der von Beginn an auch als Geschäftsführer fungierte, 20%, der Kläger 80% der Geschäftsanteile. Die Anteile des Zeugen C wurden (wohl) im Oktober 2007 auf 51% aufgestockt. In Bezug auf die Rollenverteilung bei der Verfolgung des Unternehmenszwecks tragen der Kläger und der Zeuge C übereinstimmend und schlüssig vor, der Kläger habe Patente und Beteiligungen eingebracht, die auf seinem wissenschaftlichen Know-How beruhten, der Zeuge C habe das kaufmännische Know-How eingebracht (Niederschrift, Anlage 3, S. 22; Protokoll vom 23.01.2008 über ein am 22.01.2008 geführtes Gespräch mit dem Kläger, S. 4, Akten des Beklagten).
285 
Neben der geschäftlichen bestand und besteht zwischen dem Zeugen und dem Kläger auch eine persönlich-freundschaftliche Beziehung. Diese geht auf die Unterstützung zurück, die der Kläger dem Zeugen und seiner Familie im Zusammenhang mit der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes des Zeugen und seiner Frau im Jahre 2002 hat zu teil werden lassen. Dieses Kind ist schwerstbehindert zur Welt gekommen und bis heute 100% pflegebedürftig. Der Kläger hat Kontakte zu ärztlichen Experten hergestellt und dazu beigetragen, dass das Kind - umgehend und in Abweichung von den üblichen langen Wartezeiten - einen Heimplatz in einem speziellen Pflegeheim in Karlsruhe erhalten hat (vgl. auch Schriftsatz RA ..., Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 991).
286 
Vor diesem Hintergrund mag es sein, dass der Zeuge C und der Kläger auch die Fa. M als gemeinsame Unternehmung betrachtet haben. Es kann jedoch - entgegen der Annahme in der Anklageschrift - nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es bei der internen hälftigen Beteiligung des Klägers an dem Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M das maßgebliche Motiv des Zeugen C war, auf eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY bzw. der Fa. M Einfluss zu nehmen. Vielmehr spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angesichts der sehr begrenzten Rolle des Klägers bei der Anbahnung des Rahmenvertrags und vor allem mit Blick auf die besondere persönliche wie geschäftliche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen C einiges dafür, dass der Vortrag des Zeugen C zu den der Beteiligung zugrunde liegenden Motiven zutrifft.
287 
Der Kläger hatte bereits in seiner frühen schriftlichen Einlassung gegenüber dem Beklagten vorgetragen, alle Zuwendungen hätten auf persönlichen Beziehungen zum Zeugen C oder gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen diesem gegenüber beruht (Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008, Akten Beklagter). Nach den Bekundungen des Zeugen C hatten der Zeuge und der Kläger - jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom Oktober 2006 - die Vorstellung, die von beiden Seiten in gemeinsame Unternehmungen eingebrachten „Leistungen“ in der Weise zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, dass man jeweils eine hälftige Beteiligung an den Erträgen aus diesen Unternehmungen vorsah. Dem Zeugen ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat hierauf erklärt, die Grundlage sei gewesen, dass man gesagt habe, dass man alles „halbe/halbe“ mache (Niederschrift, Anlage 3, S. 22). Für die Glaubhaftigkeit einer grundsätzlichen Absprache, Erträge aus gemeinsamen Unternehmungen hälftig zu teilen, spricht dabei zunächst die nachvollziehbare Darstellung der Rollenverteilung zwischen dem Kläger und dem Zeugen im Zusammenhang mit gemeinsamen Unternehmungen, das unterschiedliche Gewicht der in die Unternehmungen jeweils eingebrachten wirtschaftlichen Werte und die dem Zeugen daraus erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile (Anlage 3, S. 22, 37). Der Sache bestätigt wird diese Darstellung auch durch die erste Reaktion des Klägers auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Rahmen einer Besprechung beim Beklagten am 22.01.2008 (Protokoll vom 23.01.2008, enthalten in den Akten des Beklagten). Ferner erscheint es insbesondere schlüssig, wenn der Zeuge der Sache nach die Abtretung des Gewinnanteils an der Fa. M auch damit begründet, dass sein Anteil an der Fa. M die einzige „werthaltige“ Beteiligung“ von seiner Seite gewesen sei, die er in gemeinsame Unternehmungen eingebracht habe (Anlage 3, S. 22, 24 f.). Ein weiteres Indiz für die behauptete generelle Absprache ist in dem Umstand zu sehen, dass etwa auch die zunächst 20%ige Beteiligung des Zeugen C an der A M GmbH im Oktober 2007 auf eine 51%ige Beteiligung aufgestockt wurde. Die Tatsache, dass dieser Vorgang erst eine gewisse Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarung erfolgte, stellt das Vorhandensein einer entsprechenden generellen Motivation zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht grundsätzlich in Frage. Für die Richtigkeit dieser Bekundungen spricht weiterhin, dass sie im Wesentlichen mit den Darstellungen des Zeugen im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1299; Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Bd. IV, S. 431) und mit den Einlassungen des Klägers übereinstimmen (vgl. bereits den über eine Besprechung am im Universitätsklinikum gefertigten Aktenvermerk des RA ... vom 25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten, sowie den Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1023). Der Beklagten-Vertreter hat dem Zeugen in der mündlichen Verhandlung der Sache nach vorgehalten, dass er im Strafverfahren in Bezug auf die Absprache einer hälftigen Beteiligung erklärt habe, das habe er zur Absicherung des Klägers gemacht, da sei nicht von gemeinsamen Geschäften in der Zukunft, sondern von einer grundsätzlichen, auch die Vergangenheit umfassenden Absprache gesprochen worden (Niederschrift, Anlage 3, S. 36 f.). Daraus, dass der Zeuge in der mündlichen Verhandlung auch erklärt hat, die Gewinnbeteiligung habe „einzig und allein damit zu tun, dass man gesagt hat, man macht zukünftige Geschäfte wirklich hälftig“ (Anlage 3, S. 23), vermag der Senat - auch mit Blick auf die übrigen Ausführungen des Zeugen etwa zum Ungleichgewicht der in die Unternehmungen eingebrachten wirtschaftlichen Werte und zu der engen persönlichen Beziehung zum Kläger - indes keine ernsthaften Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ableiten. Der Zeuge hat auf den Vorhalt des Beklagten-Vertreters der Sache nach erklärt, dass er im Zusammenhang mit der hälftigen Gewinnbeteiligung das Alter und die finanziellen Probleme des Klägers sowie die „menschliche persönliche Verpflichtung“ ihm gegenüber habe bedenken müssen und er sich insoweit moralisch verpflichtet gefühlt habe (Anlage 3, S. 37). Auch dies erscheint dem Senat vor allem angesichts der Unterstützung, die der Zeuge seitens des Kläger in einer ausgesprochen schwierigen Lebenssituation erfahren hat, gut nachvollziehbar. Insoweit hatte der Zeuge - an anderer Stelle - ersichtlich mit emotionaler Anteilnahme, schlüssig und überzeugend erklärt, wie der Kläger dem Zeugen und seiner Frau nach der Geburt des schwerstbehinderten Sohnes geholfen und ihnen „ein normales Leben ermöglicht“ habe (Anlage 3, S. 19).
288 
Vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger erweisen sich die Angaben des Zeugen auch nicht als widersprüchlich. Vielmehr erscheint insoweit die Annahme lebensnah, dass die Gewinnbeteiligung des Klägers nicht auf ein isoliertes Motiv zurückgeführt werden kann, sondern auf Seiten des Zeugen C ein „Motivbündel“ vorlag, das verschiedene wirtschaftliche wie persönliche Beweggründe umfasste. Hierfür spricht ein weiterer Aspekt. Denn als speziell der Person des Zeugen C zugutekommende Leistung des Klägers im Zusammenhang mit der Fa. M und damit korrespondierend als Grund für die Gewinnbeteiligung liegt auch nahe, dass der Zeuge C die für ihn lukrative Stellung als Geschäftsführer und Gesellschafter der Fa. M letztlich dem Kläger verdankte, weil dieser den Kontakt zu D hergestellt hatte (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags vom 28.08.2006, BMO Reg.-Nr. 25 „Der Geschäftsführer erhält ein monatliches Festgehalt von EUR 5.000,- “). Dass dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 27.10.2006 eine Rolle spielte, ist bereits im Strafverfahren nachvollziehbar vorgetragen (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Akten Strafverfahren, Bd. IV, S. 423; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Bd. III, S. 229) und vom Zeugen C bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung im Kern bestätigt worden (Anlage 3, S. 25).
289 
Schließlich erscheint auch der - durch den Wortlaut der Vereinbarung gestützte - Vortrag, der Kläger habe den Zeugen C - unabhängig vom Rahmenvertrag mit dem Beklagten - bei der strategischen Ausrichtung der Fa. M unterstützt, nicht aus der Luft gegriffen, sondern im Gegenteil schlüssig und nachvollziehbar. Sowohl aus den Akten des Strafverfahrens wie aus der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es - jenseits der rahmenvertraglichen Beziehung zum Beklagten - erhebliche weitere Aktivitäten der Fa. M und diesbezügliche beratende Unterstützung seitens des Klägers gegeben hat (vgl. u.a. die in den Schriftsätzen des RA Dr. ... vom 21.02.2008 und vom 04.05.2009 angesprochenen Planungen geschäftlicher Expansionen in Süddeutschland, in der Schweiz und in Österreich sowie die Protokolle der Fa. M vom 25.11.2006, BMO Reg.-Nr. 33 und 42, vom 30.11.2006, BMO Reg.-Nr. 35, vom 17.12.2006, BMO Reg.-Nr. 36 und den „Strukturvorschlag“ für Österreich, BMO Reg.-Nr. 38 sowie Unterlagen betreffend eine „M Schweiz AG“ BMO Reg.-Nr. 39; vgl. weiter die Ausführungen in den Schriftsätzen der RA ... vom 18.01.2008, S. 4 [Akten Beklagte], Dr. ... vom 21.02.2008 [S. 189 f.] und ... vom 16.12.2009 [S. 1023 f.]; vgl. schließlich die Angaben des Zeugen C, Anlage 3, S. 22). Dabei ist hervorzuheben, dass mit Blick darauf, dass die Fa. M zunächst allein zu dem Zweck gegründet worden war, den Rahmenvertrag mit dem Beklagten zu realisieren (vgl. das Protokoll des Zeugen C vom 25.04.2006 und die E-Mail des Zeugen E vom 26.04.2006, BMO Reg.-Nr. 12; Aktennotiz Steuerberater Q vom 30.05.2006, BMO Reg.-Nr. 14), die in der Vereinbarung vom 27.10.2006 - also nach Abschluss des Rahmenvertrags - enthaltene Formulierung der „strategischen Ausrichtung“ schon angesichts der Chronologie darauf hindeutet, dass als Gegenstand der angesprochenen Unterstützung durch den Kläger andere Tätigkeitsfelder der Fa. M gemeint waren als der Rahmenvertrag mit dem Beklagten.
290 
Vor dem Hintergrund der dargelegten Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer, in der Anklageschrift weitgehend ausgeblendeter Motive, bestehen gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit der den Kläger begünstigenden Abtretung das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M zu honorieren.
291 
Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil es angesichts seiner engen persönlichen Beziehung zum Kläger nicht nahe liegt, dass der Zeuge C - wie vom Beklagten angenommen - ohne weiteres dem „Lager“ der XY zugerechnet werden konnte und es an greifbaren Anhaltspunkten dafür fehlt, dass er einen Grund gehabt hätte, Einfluss auf das dienstliche Verhalten des Klägers zu nehmen.
292 
(ddd) Zuwendung eines Darlehens in Höhe von 15.000,-- EUR
293 
Bereits das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die im Ermittlungsverfahren durchgeführten Nachermittlungen festgestellt, dass die dem Kläger im November 2006 über den Zeugen C gezahlten 15.000,- EUR in keinem Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag zwischen der Fa. M und dem Beklagten standen, sondern aus einer Vertragsbeziehung des Klägers zu einer Fa. ... stammten (vgl. den Ergänzungsbericht des Regierungspräsidiums ..., Landespolizeidirektion, vom 06.07.2010, S. 19f.). Anhaltspunkte, die diese Feststellung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
294 
(eee) Gewinnausschüttungen der Fa. M in Höhe von 39.000,00 EUR im Zeitraum Februar bis Juli 2007
295 
In der Anklageschrift wurde dem Kläger schließlich vorgeworfen, im Zeitraum von Februar 2007 bis Juli 2007 wie ein echter Gesellschafter von der Fa. M verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt 39.000,- EUR erhalten zu haben, wobei die Einzelauszahlungen 11.000,- EUR am 09.02.2007, 5.000,- EUR am 17.04.2007, 8.400,-- EUR am 14.05.2007, 6.000,-- EUR am 01.06.2007, 5.500,- EUR am 20.06.2007 sowie 3.100,-- EUR am 16.07.2007 betragen hätten (vgl. das Dokument „Gewinnausschüttungen der Fa. M“, BMO Reg.-Nr. 39, sowie den diesbezüglichen Auswertungsbericht des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landespolizeidirektion, vom 22.01.2008). Die Zahlungen sollten - wie den Angeschuldigten Prof. Dr. X, D und C bewusst gewesen sei - dazu dienen, weiterhin den Angeschuldigten Prof. Dr. X im Sinne einer einseitigen Dienstausübung zu Gunsten von XY gewogen zu halten.
296 
Auch an der Berechtigung dieses Vorwurfs bestehen gewichtige Zweifel.
297 
α) Zunächst hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die vorgeworfenen Zahlungen mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, explizit der Zeugen D und E, erfolgt sind.
298 
In der mündlichen Verhandlung ist den Zeugen D und E das Dokument „Gewinnausschüttungen Fa. M“ vorgehalten worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese Aufstellung sei ihnen nicht bekannt gewesen und sie hätten auch anderweitig von den „Gewinnausschüttungen“ nicht gewusst (Anlage 4, S. 17 f.; Anlage 5, S. 21 f.). Konkrete und hinreichende Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit dieser Angaben sind für den Senat nicht ersichtlich. Sie stimmen überein mit ihren Bekundungen im Rahmen der Vernehmungen im Strafverfahren (E, Akte Strafverfahren, S. 1865; D, S. 1649; vgl. auch die schriftliche Einlassung des Zeugen D, Schriftsatz RA ..., S. 357). Auch der Zeuge C hat auf konkrete Frage des Senats in Abrede gestellt, dass die Zeugen D und E von den Zahlungen gewusst hätten (Anlage 3, S. 21). Im Übrigen hatten die Zeugen D und E bereits im Strafverfahren grundsätzlich erklärt, der Kläger habe von ihnen keine Zuwendungen erhalten, die im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag gestanden hätten; der Kläger habe auch nie Zuwendungen oder Vorteile gefordert (Akte Strafverfahren, S. 1659; S. 1871; vgl. auch bereits den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010 unter 3.1 zum Ergebnis der Nachermittlungen im Hinblick auf Zuwendungen an den Kläger).
299 
Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von den aufgezeigten Zahlungen an den Kläger sprechen ferner die glaubhaften Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer 2007 von eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen Kenntnis erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl. Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von den Zahlungen und damit von einer praktizierten Gewinnbeteiligung des Klägers ließe sich schließlich nur schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M eine Absage erteilt hatte.
300 
β) Damit geht der Senat davon aus, dass Zuwendungen an den Kläger aus Mitteln der Fa. M allein vom Zeugen C veranlasst worden sind.
301 
Aus dem Auswertungsbericht vom 22.10.2008 ergibt sich, dass die in der Liste (BMO Reg.-Nr. 39) aufgeführten Zahlungen der Fa. M in Höhe von 20.000 EUR an die Muttergesellschaft M GmbH sowie 90.000 EUR an den Geschäftsführer, den Zeugen C, anhand von Kontenunterlagen nachvollzogen werden konnten. Die Zahlungen wurden als „Gewinnvorab-ausschüttung oder Gewinnvorabentnahme" bezeichnet und tatsächlich geleistet. Ferner konnten in der Liste ausgewiesene, vom Zeugen C veranlasste Zahlungen in Höhe von 39.000,00 EUR an den Kläger über Kontoauszüge nachvollzogen werden.
302 
Der Senat hegt indes auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran, dass der Zeuge C mit den Zahlungen an den Kläger darauf abzielte, auf die künftige Dienstausübung des Klägers zugunsten der XY bzw. zugunsten von Fa. M Einfluss zu nehmen bzw. seine vergangene Dienstausübung zu honorieren.
303 
αα) Der Zeuge C hat auf Vorhalt der Liste „Gewinnausschüttung“ in der mündlichen Verhandlung erklärt, es handele sich um eine von ihm persönlich erstellte Aufstellung. Auf der linken Seite sei die Gewinnausschüttung der Fa. M zu sehen, die er bzw. die M GmbH bekommen habe. In dem rechten Feld, in dem „E, XX, Steuer und C“ aufgeführt sei, habe er nur vermerkt, was er mit diesem Geld gemacht habe. Es sei ein seiner privaten Buchhaltung entsprechendes Dokument gewesen über die Mittelverwendung. Diese Ausführungen erscheinen im Grundsatz nachvollziehbar.
304 
Der Senat hat dem Zeugen vorgehalten, er habe bei seiner Vernehmung im Strafverfahren auf die Frage nach direkter oder indirekter Partizipation des Klägers an den Gewinnen von M erklärt: „Herr Prof. X hat mittelbar daran partizipiert, weil die Zahlungen an Prof. Dr. X, die andere Gründe hatten, aus Mitteln der M GmbH stammten.“ Er hat daraufhin die Richtigkeit dieser Aussage bekräftigt und die „anderen Gründe“ als persönliche Gründe qualifiziert, die in keinem Zusammenhang mit der Fa. M gestanden hätten (vgl. Anlage 3, S. 27 f.). Nach der Auffassung des Senats spricht einiges dafür, dass diese Darstellung zutrifft.
305 
Der Zeuge C hat in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass es von seiner Seite Zahlungen an den Kläger bereits vor seiner Tätigkeit und auch nach seiner Tätigkeit für die Fa. M gegeben habe. Insbesondere habe es Überweisungen an den Kläger bereits im Jahr 2005 gegeben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er den Zeugen D noch nicht gekannt habe. Teilweise wird die Darstellung des Zeugen durch die dem Senat vorliegenden Akten bestätigt: Denn aus den sichergestellten Bankunterlagen sind beispielsweise zwei bereits im Dezember 2015 vom Zeugen C veranlasste Darlehensgewährungen an den Kläger zu entnehmen (vgl. den Sachstandsbericht vom 26.10.2007, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 559; vgl. ferner die Einlassung des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2009, „allein im zweiten Halbjahr 2005 erfolgten vier weitere Zahlungen auf das Konto 04, nämlich am 25.07.2005 ein Betrag in Höhe von 1.000 EUR, am 27.08.2005 ein Betrag in Höhe von 500 EUR, am 07.09.2005 ein Betrag in Höhe von 1.500 EUR und am 17.09.2005 ein Betrag in Höhe von 950 EUR“, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Damit trifft jedenfalls die Äußerung des Beklagten-Vertreters gegenüber dem Zeugen in der mündlichen Verhandlung, wonach es doch feststehe, „dass alles, was sie letztlich dem Herrn Prof. X zugeleitet haben an Geldmitteln, aus dem Bereich XY kam“, nicht zu. Greifbare Anhaltspunkte für eine Unglaubhaftigkeit der Darlegungen des Zeugen sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Angaben in der mündlichen Verhandlung stimmen mit seinen Bekundungen im Strafverfahren wie auch mit den dortigen schriftsätzlichen Einlassungen im Kern überein. Bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hat er angegeben, „auch in den Jahren davor immer wieder Prof. Dr. X Geld gegeben“ zu haben, „wenn es ihm möglich gewesen sei und er es gebraucht habe“. Er habe ihm meistens Geld geliehen (Akte Strafverfahren, S. 1297). Diese Bekundungen stehen im Kern im Einklang mit Angaben des Klägers bei einer Besprechung im Büro des Kaufmännischen Direktors am 22.10.2008 (Aktenvermerk vom 25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten) und mit der schriftlichen Einlassung des Klägers im Strafverfahren (RA ..., Schriftsatz vom 16.12.2009, Akte Strafverfahren, S. 991, mit dem Hinweis auf das für den Kläger eingerichtete Unterkonto). Sie können im Übrigen gerade auch vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zum Kläger sowie dessen desolater finanzieller Lage gut nachvollzogen werden.
306 
Darüber hinaus deutet die jeweilige Höhe der konkreten Beträge, die der Zeuge C nach der Liste dem Kläger jeweils hat zukommen lassen, nicht darauf hin, dass damit die Vereinbarung der hälftigen Beteiligung an den Gewinnen der Fa. M „erfüllt“ worden wäre. Auf einen entsprechenden Vorhalt des Beklagten-Vertreters hat der Zeuge in jedenfalls plausibler Weise darauf verwiesen, dass bei einem Vergleich der Gesamtausschüttung und der jeweils dem Zeugen und dem Kläger zugeteilten Beträge ein „Ungleichgewicht“ festzustellen sei.
307 
Indiz für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen sind auch seine Angaben, im Hinblick auf die einzelnen Zahlungen dem Kläger gegenüber keinen Zusammenhang mit den Gewinnen der Fa. M hergestellt zu haben und dass er sich sicher sei, dass der Kläger nie gewusst habe, welche Höhe die Gewinnausschüttung gehabt habe (Niederschrift, Anlage 3, S. 27).
308 
Der Senat geht schließlich davon aus, dass die oben in Bezug auf die den Kläger begünstigende Abtretung festgestellte Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer Motive der Zeugen C angesichts der Eigenart der Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger in gleicher Weise für die hier gegenständlichen Zuwendungen gelten. Auch insoweit verbleiben jedenfalls gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit diesen Zuwendungen das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder eine entsprechende vergangene Dienstausübung zu honorieren.
309 
(fff) Diese Bewertung der gegen den Kläger erhobenen Verdachtsgründe wird durch die vom Beklagten u.a. unter Bezugnahme auf die Anklageschrift, den Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010 - 1 K 2586/89 - sowie die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 in den Vordergrund gerückten belastenden Umstände nicht erschüttert.
310 
Der Senat verkennt nicht, dass die massive Verschuldung des Klägers im maßgeblichen Zeitraum ersichtlich für diesen ein Motiv hätte darstellen können, sich in seiner Dienstausübung etwa durch die vom Zeugen C erhaltenen Zuwendungen beeinflussen zu lassen. Er hatte beim Finanzamt ..., bei Kreditinstituten sowie bei privaten Gläubigern Schulden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Zahlreiche Gläubiger gingen im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Kläger vor, der nur sporadisch in der Lage war, gewisse Teilzahlungen zu leisten (zum Stand der wirtschaftlichen Situation des Klägers vgl. das Protokoll vom 01.11.2006, BMO Reg.-Nr. 32). Indes hat der Senat bei einer Gesamtschau aller Umstände hinreichend konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Zusammenhangs nicht festzustellen vermocht. Dies gilt umso mehr, als der Umstand der Verschuldung ohne weiteres mit den aufgezeigten alternativen Gründen für die Zuwendungen durch die Zeugen D und C in Einklang gebracht werden kann und sogar geeignet ist, diesen Gründen besondere Plausibilität zu verleihen. So kann etwa vor dem Hintergrund des engen persönlich-freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Zeugen C auf der Grundlage dessen glaubhafter Darstellungen davon ausgegangen werden, dass dieser gerade angesichts der finanziellen Lage des Klägers eine besondere Verantwortung verspürt hat, diesem immer wieder finanziell auszuhelfen. Dass Zahlungen höherer Beträge vermehrt in dem hier gegenständlichen Zeitraum stattfanden (in der Anklageschrift als „graduelle Steigerung des „Anfütterns“ des Klägers deklariert), lässt sich auch damit erklären, dass der Zeuge C - insbesondere aufgrund seiner Stellung in der Fa. M - in diesem Zeitraum über mehr Geldmittel verfügte, was nicht zwangsläufig eine Verknüpfung mit der Dienstausübung durch den Kläger belegt. Damit kommt auch dem Hinweis in der Anklageschrift auf das Protokoll der Fa. M vom 01.11.2006 (BMO Reg.-Nr. 32) kein entscheidender Beweiswert zu.
311 
Entsprechendes gilt letztlich, soweit zur Begründung des Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen, - letztlich pauschal - darauf abgehoben wird, dass die im zeitnahen Umfeld zu den persönlichen Kontakten erfolgten Zahlungen an den Kläger „zu auffällig und ungewöhnlich“ seien (so die Formulierung im Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010) bzw. „die zeitlichen Koinzidenzen von wiederholten Geldleistungen an den Kläger“ „in der Summe nicht plausibel mit Zufällen“ zu erklären seien (so die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 zum Ergebnis der Nachermittlungen). Demgemäß sind in dem genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts auch die dem Kläger vorgeworfenen Zahlungen von insgesamt 85.500,-- EUR in den Jahren 2005 bis 2007 pauschal aufgelistet und ist ausgeführt worden, dass ausnahmslos alle Zahlungen von Konten der zur XY gehörenden Firmen erfolgt seien. Indes hat eine eingehende und differenzierende Betrachtung der unterschiedlichen Zuwendungen auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der besonderen Beziehungen des Klägers insbesondere zum Zeugen D wie zum Zeugen C (vgl. oben unter [aaa] bis [eee]) jedenfalls hinreichend konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte dafür erbracht, dass den Zuwendungen andere Zielsetzungen zugrunde lagen als die vom Beklagten letztlich unterstellten konkludenten Unrechtsvereinbarungen. Dabei ist festzuhalten, dass den aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M stammenden Aufzeichnungen, vertraulichen Protokollen und Korrespondenzen auch Aussagekraft für die Annahme entlastender Umstände zukommt (vgl. etwa die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine „Besprechung in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 [BMO Reg.-Nr. 14]). Darüber hinaus lassen sich ausreichend konkrete dienstliche Berührungspunkte zwischen den potentiellen Vorteilsgebern D bzw. C und dem Kläger auch deshalb nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, weil letzterer - wie dargelegt - unstreitig auf die Verhandlungen und den Abschluss des Rahmenvertrags keinen Einfluss hatte. Bei dieser Sachlage entbehrt auch der bloße Hinweis auf die zeitliche Nähe der Geldflüsse zu den Vertragsverhandlungen einer hinreichend greifbaren Tatsachengrundlage für die Annahme der „großen Wahrscheinlichkeit“ einer konkludenten Unrechtsvereinbarung.
312 
Schließlich vermag auch der Umstand, dass gegen den Kläger bereits im Jahre 1999 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme bzw. der Untreue eingeleitet worden war (420 Js 11807(98), die Beweislage nicht entscheidend zu verändern. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft gemäß § 153a StPO gegen eine Geldauflage ein Höhe von 30.000,-- EUR eingestellt, da sich der Kläger nach den durchgeführten Ermittlungen selbst wirtschaftlich nicht bereichert hatte und ein wirtschaftlicher Schaden für andere nicht festzustellen war.
313 
(c) Insgesamt vermag der Senat trotz verbleibender Verdachtsmomente nicht festzustellen, dass im Kündigungszeitpunkt die für die Annahme des dringenden Tatverdachts erforderliche große Wahrscheinlichkeit erheblicher Pflichtverletzungen vorlag.
314 
dd) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen kann offen bleiben, ob die vor der Erklärung der Verdachtskündigung durchgeführte Anhörung des Klägers durch den Beklagten den in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Anforderungen (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris, und vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -, juris; Eylert, NZA-RR 2014, 393, 400 ff.) gerecht geworden ist.
315 
ee) Ebenso wenig bedarf es einer Interessenabwägung. Zwar ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen und hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, Urteile vom 19.04.2012 - 2 AZR 258/11 -, juris, Rn. 14, vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 -, juris, und vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Hier hat der Senat indes auf der Grundlage des Ausführungen unter (bb) und (cc) bereits den dringenden Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen des Klägers und damit eine unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung nicht festzustellen vermocht.
III.
316 
Danach war die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam. Das Dienstverhältnis bestand somit bis zum 31.03.2012 fort (vgl. § 11 Abs. 4 2. Spiegelstrich des Dienstvertrags).
317 
Der Senat hat oben bereits festgestellt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch die Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Damit kam der weiteren, ausdrücklichen Abberufungsentscheidung vom 20.01.2010 keine eigenständige rechtliche Wirkung mehr zu. Unabhängig davon hat der Beklagte auch diese Entscheidung maßgeblich auf den Verdacht schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen gestützt. Da die Berechtigung dieses Verdachts nach den Ausführungen unter II. erheblichen Zweifeln begegnet, würde sich die weitere Abberufung jedenfalls als materiell rechtswidrig erweisen.
318 
Auch die mit Erlass des MWK vom 09.02.2010 ausgesprochenen Funktionsänderung, gegen die der Kläger Widerspruch erhoben hat, war nicht geeignet, aus, vor dem 31.03.2012 eine Beendigung des Dienstvertrags herbeizuführen (vgl. § 11 Abs. 4 erster bzw. dritter Spiegelstrich des Dienstvertrags).
C.
319 
Da der Kläger bereits mit dem Hauptantrag erfolgreich war, bedarf es keiner Entscheidung über die Hilfsanträge.
D.
320 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
321 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
322 
Beschluss vom 1. Dezember 2016
323 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 792.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG). Die Höhe des wirtschaftlichen Interesses des Klägers hat der Senat aus den sich im maßgeblichen Zeitraum (01.04.2010 bis 31.03.2012) nach § 8 Abs. 1 und 2 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 ergebenden Abschlagssummen abgeleitet (vgl. den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 11.03.2014).
324 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 01. Dez. 2016 - 9 S 911/14

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 01. Dez. 2016 - 9 S 911/14 zitiert 40 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 33


(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuß bürgerlicher und st

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung1.von Bundesrecht oder2.einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Baugesetzbuch - BBauG | § 36 Beteiligung der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde


(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem ander

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 98


Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen u

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 96


(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen. (2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen

Strafgesetzbuch - StGB | § 299 Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens 1. einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprech

Strafgesetzbuch - StGB | § 331 Vorteilsannahme


(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe

Strafprozeßordnung - StPO | § 105 Verfahren bei der Durchsuchung


(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter

Strafgesetzbuch - StGB | § 332 Bestechlichkeit


(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlu

Strafprozeßordnung - StPO | § 103 Durchsuchung bei anderen Personen


(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist,

Strafprozeßordnung - StPO | § 209 Eröffnungszuständigkeit


(1) Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die Zuständigkeit eines Gerichts niedrigerer Ordnung in seinem Bezirk für begründet, so eröffnet es das Hauptverfahren vor diesem Gericht. (2) Hält das Gericht, bei dem die Anklage einger

Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG | § 123


(1) Der Beamte kann nach Maßgabe der §§ 17 und 18 auch über den Bereich des Bundes oder eines Landes hinaus zu einem anderen Dienstherrn im Geltungsbereich dieses Gesetzes abgeordnet oder versetzt werden. (2) Die Abordnung oder Versetzung wird von d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 394 Einzelvernehmung


(1) Jeder Zeuge ist einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen. (2) Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenübergestellt werden.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 01. Dez. 2016 - 9 S 911/14 zitiert oder wird zitiert von 18 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 24. Feb. 2010 - 3 K 2749/08

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Tenor Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sin

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Tenor 1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2008 - 15 B 2574/06 -verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz
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Gründe I 1 Der am 31. März 2012 in den Ruhestand getretene Kläger war Professor für Laboratoriu

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(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die Zuständigkeit eines Gerichts niedrigerer Ordnung in seinem Bezirk für begründet, so eröffnet es das Hauptverfahren vor diesem Gericht.

(2) Hält das Gericht, bei dem die Anklage eingereicht ist, die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung, zu dessen Bezirk es gehört, für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem zur Entscheidung vor.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am ... geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität ... auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität ... Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Der Kläger nahm den Ruf zum 01.01.1984 an. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt, als Dienstaufgabe wurde ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität übertragen. Mit Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums. In einer zwischen dem Beklagten und dem Kläger geschlossenen „Vereinbarung“ vom 09.12.1998 heißt es in der Präambel, der Kläger sei gemäß § 77a UG aus seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens und der Schulen für nichtärztliche medizinische Berufe zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) wird vereinbart, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor.
Wie sich aus einem Schreiben des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 07.01.2008 an den Rektor der Universität ... ergibt, gingen in den Monaten Januar und März 2007 beim Amtsgericht ... zwei anonyme Anzeigen ein, denen zu entnehmen war, dass beim Zustandekommen eines Rahmenvertrages zwischen dem Klinikum ... und der Firma ... (...) Schmiergelder gezahlt worden sein sollen. Als Vorteilsnehmer wurde der Kläger benannt. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein. Der Beklagte wurde am 22.03.2007 informiert.
Zwischen dem Beklagten und dem Kläger wurde am 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ (im Folgenden auch „Chefarztvertrag“) geschlossen. In der Präambel heißt es, der Kläger sei an der Universität ... tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes Baden-Württemberg. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Der Beklagte sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 des Dienstvertrags (Dienstverhältnis) wird ausgeführt, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde bestätigt. Das Dienstverhältnis sei bürgerlich-rechtlicher Natur. In § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) heißt es u.a., unberührt blieben die Aufgaben als Universitätsprofessor, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richteten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) ist der Ärztliche Direktor für die medizinische Versorgung der Patienten verantwortlich; ihm obliegen für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft tritt, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft tritt.
Mit Beschluss vom 13.11.2007 ordnete das Amtsgericht ... die Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers an. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Firma ... abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens 5 Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Hierfür habe der Kläger Zuwendungen seitens der Firma ... und ihrer Muttergesellschaft, der Firma ... erhalten. Am 11.12.2007 wurden die Büroräume des Klägers durchsucht. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger auf, eine ausführliche Stellungnahme zu den im Durchsuchungsbeschluss genannten Vorwürfen abzugeben. Der Kläger führte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.12.2007 aus: Am Abschluss des Rahmenvertrages sei er nicht beteiligt gewesen. Es sei richtig, dass er seit Dezember 2005 diverse finanzielle Mittel erhalten habe, die allerdings nicht aus Mitteln der Firma ... stammten. Die Firma ... sei erst im Sommer 2006 gegründet worden. Die zugewandten Beträge stammten aus Darlehen verschiedener Freunde und von Herrn ..., der ebenfalls ein langjähriger Freund sei. Zwar sei Herr ... Geschäftsführer der Firma ..., die Darlehen, die dieser dem Kläger gewährt habe, hätten aber nichts mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zu tun.
Mit Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität ... führte die Landespolizeidirektion u.a. aus: Aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstandes sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen und Vorteile im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Firma ... stünden und dass der Kläger der Firma ... durch die Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Der Beklagte forderte den Kläger zur Stellungnahme auf. Der Kläger erwiderte unter dem 18.01.2008, die Firma ... habe einen Vertrag mit der größten Klinikumsgruppe ... abgeschlossen. Im Rahmen dieser geschäftlichen Entwicklung solle sie auch eigene Labore betreiben. Im Zuge dieser „strategischen Ausrichtung“ habe er Herrn ... beraten. Zu keinem Zeitpunkt habe er interne Unterlagen an die Firma ... übermittelt. - Am 22.01.2008 fand beim Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger über die von der Landespolizeidirektion erhobenen Vorwürfe der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit statt. Dem Kläger wurde mitgeteilt, das Gespräch diene dazu, dass der Beklagte prüfen könne, inwieweit er arbeitsrechtliche Konsequenzen aus den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen ziehen müsse.
Mit „Verdachtskündigung“ vom 24.und 25.01.2008 führte der Beklagte aus, er nehme Bezug auf sein Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 und kündige hiermit den zwischen dem Kläger und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Zugleich teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2008 mit, da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum hiermit beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Der Kläger erwiderte mit Schriftsatz vom 30.01.2008, in dem Ruf des MWK vom 17.08.1983 werde ihm zugesichert, dass er das Fach Klinische Chemie und Laborato-riumsmedizin an der Universität ... vertreten dürfe und ihm die Leitung des Zentrallabors der Beklagten übertragen werde. Die Berufungszusage enthalte also auch die Leitung des Zentrallaboratoriums.
Die Staatsanwaltschaft ... erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger. Er wird beschuldigt, Vergehen der Bestechlichkeit in 4 Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 forderte der Beklagte den Kläger auf, fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen. Unter dem 20.01.2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Das MWK führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 08.02.2010 aus: Die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C 3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum... gem. § 53 LHG. Gegen die Abberufung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
10 
Der Kläger hat die vorliegende Klage bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht ... erhoben. Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht ... den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen. Der Kläger trägt ergänzend vor: Die fristlose Kündigung vom 24. und 25.01.2008 sei unwirksam, da sie nicht fristgerecht i.S. des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden sei. Der Beklagte habe spätestens seit den anonymen Anzeigen Ende Januar 2007 Kenntnis von den Vorfällen. Nach seiner Stellungnahme vom 19.12.2007 hätte der Beklagte spätestens die Verdachtskündigung aussprechen müssen. Die vom Beklagten erhobenen Vorwürfe seien haltlos und rechtfertigten keinen für eine Verdachtskündigung notwendigen dringenden Tatverdacht. Die fristlose Kündigung enthalte keinerlei Begründung. Die Anhörung vor Ausspruch der Kündigung sei unzureichend gewesen. Ihm sei trotz mehrfachem Nachfragen zu keinem Zeitpunkt Einblick in die ihn angeblich belastenden Unterlagen gewährt worden, so dass eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich gewesen sei. Schließlich sei der Abwägungsvorgang, sofern der Beklagte überhaupt eine Abwägung vorgenommen habe, völlig unzureichend verlaufen. Sozialdaten seien nicht gewürdigt worden. Die Berechnung der ordentlichen Kündigungsfrist sei unzutreffend. Der Beklagte könne vielleicht eine Vergütungsregelung kündigen, nicht aber das zugrundeliegende Dienstverhältnis. Hierfür sei nur das Land Baden-Württemberg zuständig.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
festzustellen, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25. Januar 2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrages vom 24.07.2007 unwirksam sind,
13 
hilfsweise, den Bescheid vom 24. und 25. Januar 2008 aufzuheben.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Er führt weiter aus: Ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorlägen, richte sich allein nach § 626 BGB. Unerheblich sei, ob es sich um einen privatrechtlichen Dienstvertrag nach § 611 BGB oder um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handle. Es existiere keine Rechtsgrundlage, die es dem Land Baden-Württemberg erlauben würde, seine Beamten bestimmten Dienststellen anderer, selbständiger juristischer Personen mit zwingender Wirkung zuzuweisen. Zwar sei der Kläger gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet, beim Beklagten Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens zu erfüllen. Dem stehe jedoch keine Pflicht des Beklagten gegenüber, ihn mit diesen Aufgaben zu betrauen. Somit komme es für die Frage, ob der Kläger seine ihm vom Beigeladenen übertragenen Dienstpflichten erfüllen könne, darauf an, dass ihm die Möglichkeit der Beschäftigung beim Beklagten durch einen entsprechenden Dienstvertrag eröffnet werde. Abgesehen davon werde das dem Kläger verliehene Amt und damit seine statusrechtliche Stellung als Beamter von der Kündigung des Dienstvertrages nicht berührt. Sofort nach Kenntnisnahme vom Schreiben der Landespolizeidirektion vom 07.01.2008 (am 14.01.2008) habe er den Kläger aufgefordert, sich zu den neuen Vorwürfen zu äußern. Unmittelbar nach Zugang des Schreibens des Klägers vom 18.01.2008 sei es am 22.01.2008 zu einem Gespräch über die erhobenen Vorwürfe gekommen. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, Akteneinsicht könne nicht gewährt werden, der Beklagte sei selbst nicht im Besitz der strafrechtlichen Ermittlungsakten und habe in diese auch noch keine Einsicht genommen. Die gegen den Kläger sprechenden Verdachtsmomente hätten sich in einer Weise erhärtet, dass das erforderliche Vertrauen zerstört sei. Jedenfalls bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine vertraglichen Pflichten nach § 2 Abs. 4 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 in grobem Maße verletzt habe. Nach dieser vertraglichen Bestimmung habe er über interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums Stillschweigen zu bewahren. Die erforderliche Interessenabwägung falle ohne weiteres zu Lasten des Klägers aus. Auch unter Berücksichtigung der schlechten finanziellen Lage des Klägers sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen. Nach der Stellungnahme vom 19.12.2007 seien die Verdachtsmomente noch nicht hinreichend konkretisiert gewesen, auch habe der Kläger noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen persönlich zu äußern. Aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB folge, dass die Angabe von Gründen keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung sei.
17 
Der Beigeladene beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Dem Gericht liegen Akten des Beklagten und des Beigeladenen, die Akten des Arbeitsgerichts .../... sowie die Akten des Verwaltungsgerichts .../... und .../... vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage hat Erfolg.
21 
Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zulässig.
22 
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ... vom 20.11.2008, durch den der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen wurde, ist hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Für die Frage der Zulässigkeit der Klage kommt es daher nicht darauf an, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt.
23 
Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger wendet sich gegen die mit Schreiben vom 24. und 25.01.2008 erklärte Kündigung des zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrags vom 24.07.2007. Bei dem Streit über die Berechtigung der Kündigung, deren Wirksamkeit und die daraus folgende Auflösung des Chefarztvertrages geht es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Kläger kann seine Rechte nicht durch Anfechtungsklage geltend machen. Bei der Kündigung (auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn 15; Urt. der Kammer vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04 - ; m.w.N.). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
24 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 war nicht erforderlich. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht kein Beamtenverhältnis. Professoren bleiben auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420).
25 
Der Hauptantrag ist auch begründet.
26 
Die Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ist unwirksam.
27 
Dies folgt jedenfalls daraus, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger dieser nicht formell rechtmäßig vom Vorstand des Beklagten im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie abberufen worden war.
28 
Eine solche Abberufung ist aber erforderlich, denn eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages würde unmittelbar zum Entzug der Abteilungsleitung führen. Mit der Vereinbarung vom 24.07.2007 wurde die Funktion des Klägers als ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie bestätigt (§ 1 Abs. 1). Die Befugnisse und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter wurden festgelegt. Damit erfolgte nicht nur die Ausgestaltung der dem Kläger ursprünglich vom damals zuständigen MWK übertragenen Leitung der Abteilung Klinische Chemie. Durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Hochschulmedizin (Hochschulmedizinreform-Gesetz - HMG -) wurden bisher als unselbständige Anstalten der Universitäten und zugleich als Landesbetriebe geführte Universitätsklinika (darunter auch der Beklagte) in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts der Universitäten umgewandelt. Danach ist der Beklagte für die Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern zuständig (§§ 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 3 UKG). Entsprechend wurde durch den Chefarztvertrag die Stellung des Klägers als Abteilungsleiter umfassend geregelt. Dem Kläger wurden insoweit Rechte gegenüber dem Beklagten eingeräumt. Eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter wird in dem Dienstvertrag nicht vorgenommen. In seinem Schriftsatz vom 01.02.2008 vertrat der Beklagte selbst die Meinung, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden. Hingegen erklärte er in der mündlichen Verhandlung, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 lasse die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt. Dieser Auffassung vermag sich die Kammer - wie oben ausgeführt - nicht anzuschließen. Eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages setzt daher eine Abberufung von der Abteilungsleitung unter Beachtung der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG voraus.
29 
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG ist bei der Abberufung von Abteilungsleitern das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich. Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter können nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmenserfordernis sichert gegenüber dem verselbständigten Universitätsklinikum die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht kommt schützende Wirkung zugunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, NVwZ- RR 2008, 217). Ein Verfahrensfehler bei der Abberufung eines Abteilungsleiters, der allein dem Beklagten zurechenbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 - 9 S 25 86/09 -, ), führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
30 
Im Zuge der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 erfolgte keine ordnungsgemäße Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung.
31 
Es kann offen bleiben, ob der Kündigung überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums...). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach der Anhörung des Klägers am 22.01.2008 hätten die anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands beraten und seien zu dem Ergebnis gekommen, dass man den Chefarztvertrag kündigen wolle. Man habe noch zwei Tage darüber nachgedacht und am 25.01. die beiden bei der Anhörung am 22.01.2008 nicht anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands per E-Mail gebeten, der Vorgehensweise zuzustimmen. Wie den vom Beklagten vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat das Vorstandsmitglied ... am 25.01.2008 per E-Mail mitgeteilt, sie stimme dem Vorschlag zu. Die Zustimmung des Vorstandsmitglieds ..., die angeblich telefonisch erteilt wurde, ist in den vorliegenden Akten nicht dokumentiert. Es braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob damit eine der Geschäftsordnung des Klinikumsvorstands (vgl. § 8 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums) genügende Beschlussfassung erfolgte.
32 
Jedenfalls fehlte es zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an dem erforderlichen Einvernehmen der Medizinischen Fakultät. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, es habe keine förmliche Erteilung des Einvernehmens gegeben. Das Einvernehmen wurde auch nicht dadurch erteilt, dass der Dekan der Medizinischen Fakultät, der dem Klinikumsvorstand angehört (§ 8 Abs. 1 der Satzung des Universitätsklinikums...) bei der Anhörung am 22.01.2008 und der anschließenden Beratung anwesend war. Denn für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Er ist für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 LHG). Der Fakultätsvorstand hat die Allzuständigkeit für Angelegenheiten der Fakultät (vgl. Sandberger in Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Landesrecht Bad.-Württ., Rn. 182). Dem Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der...-... Universität ... ...: i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Davon, dass eine Entscheidung des Fakultätsvorstands erforderlich ist geht wohl auch der Beklagte aus. So führte er in seinem Schreiben vom 20.01.2010, mit dem der Kläger als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen wird, aus, der entsprechende Beschluss sei vom Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom 28.01.2009 gefasst worden; der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät habe hierzu mit Beschluss vom 30.09.2009 das erforderliche Einvernehmen erklärt; der geschäftsführende Direktor der Medizinischen Klinik sei angehört worden.
33 
Die Kammer lässt offen, ob die Kündigung des Chefarztvertrags auch deshalb unwirksam ist, weil der Beklagte nicht befugt ist, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, a.a.O.; Beschl. v. 11.11.2002, DVBl 2003, 323; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 und v. 18.05.2004, a.a.O.; VG Freiburg, Beschl. v. 29.06.2009 - 1 K 1011/09 -). Auch der Beklagte ist mittlerweile wohl der Meinung, dass er nicht befugt war, dem Kläger die Aufgaben in der Krankenversorgung zu entziehen. Er vertritt allerdings die Auffassung, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, daher habe dessen Kündigung auch nicht zum Entzug der Aufgaben in der Krankenversorgung geführt. Allerdings enthält der Chefarztvertrag auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung. Geht man davon aus, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten umfassend durch den Chefarztvertrag geregelt wurden, so erscheint es möglich, dass eine wirksame Kündigung auch voraussetzen würde, dass zugleich die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs des Klägers geregelt und sichergestellt wird, dass diesem in ausreichender Weise Zugang zu Patienten bzw. zu Materialien der Patienten des Klinikums (vgl. § 6 des Chefarztvertrags) ermöglicht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010, a.a.O., Rn. 21).
34 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 VwGO.

Gründe

 
20 
Die Klage hat Erfolg.
21 
Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zulässig.
22 
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ... vom 20.11.2008, durch den der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen wurde, ist hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Für die Frage der Zulässigkeit der Klage kommt es daher nicht darauf an, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt.
23 
Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger wendet sich gegen die mit Schreiben vom 24. und 25.01.2008 erklärte Kündigung des zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrags vom 24.07.2007. Bei dem Streit über die Berechtigung der Kündigung, deren Wirksamkeit und die daraus folgende Auflösung des Chefarztvertrages geht es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Kläger kann seine Rechte nicht durch Anfechtungsklage geltend machen. Bei der Kündigung (auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn 15; Urt. der Kammer vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04 - ; m.w.N.). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
24 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 war nicht erforderlich. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht kein Beamtenverhältnis. Professoren bleiben auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420).
25 
Der Hauptantrag ist auch begründet.
26 
Die Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ist unwirksam.
27 
Dies folgt jedenfalls daraus, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger dieser nicht formell rechtmäßig vom Vorstand des Beklagten im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie abberufen worden war.
28 
Eine solche Abberufung ist aber erforderlich, denn eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages würde unmittelbar zum Entzug der Abteilungsleitung führen. Mit der Vereinbarung vom 24.07.2007 wurde die Funktion des Klägers als ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie bestätigt (§ 1 Abs. 1). Die Befugnisse und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter wurden festgelegt. Damit erfolgte nicht nur die Ausgestaltung der dem Kläger ursprünglich vom damals zuständigen MWK übertragenen Leitung der Abteilung Klinische Chemie. Durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Hochschulmedizin (Hochschulmedizinreform-Gesetz - HMG -) wurden bisher als unselbständige Anstalten der Universitäten und zugleich als Landesbetriebe geführte Universitätsklinika (darunter auch der Beklagte) in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts der Universitäten umgewandelt. Danach ist der Beklagte für die Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern zuständig (§§ 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 3 UKG). Entsprechend wurde durch den Chefarztvertrag die Stellung des Klägers als Abteilungsleiter umfassend geregelt. Dem Kläger wurden insoweit Rechte gegenüber dem Beklagten eingeräumt. Eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter wird in dem Dienstvertrag nicht vorgenommen. In seinem Schriftsatz vom 01.02.2008 vertrat der Beklagte selbst die Meinung, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden. Hingegen erklärte er in der mündlichen Verhandlung, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 lasse die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt. Dieser Auffassung vermag sich die Kammer - wie oben ausgeführt - nicht anzuschließen. Eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages setzt daher eine Abberufung von der Abteilungsleitung unter Beachtung der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG voraus.
29 
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG ist bei der Abberufung von Abteilungsleitern das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich. Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter können nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmenserfordernis sichert gegenüber dem verselbständigten Universitätsklinikum die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht kommt schützende Wirkung zugunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, NVwZ- RR 2008, 217). Ein Verfahrensfehler bei der Abberufung eines Abteilungsleiters, der allein dem Beklagten zurechenbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 - 9 S 25 86/09 -, ), führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
30 
Im Zuge der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 erfolgte keine ordnungsgemäße Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung.
31 
Es kann offen bleiben, ob der Kündigung überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums...). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach der Anhörung des Klägers am 22.01.2008 hätten die anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands beraten und seien zu dem Ergebnis gekommen, dass man den Chefarztvertrag kündigen wolle. Man habe noch zwei Tage darüber nachgedacht und am 25.01. die beiden bei der Anhörung am 22.01.2008 nicht anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands per E-Mail gebeten, der Vorgehensweise zuzustimmen. Wie den vom Beklagten vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat das Vorstandsmitglied ... am 25.01.2008 per E-Mail mitgeteilt, sie stimme dem Vorschlag zu. Die Zustimmung des Vorstandsmitglieds ..., die angeblich telefonisch erteilt wurde, ist in den vorliegenden Akten nicht dokumentiert. Es braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob damit eine der Geschäftsordnung des Klinikumsvorstands (vgl. § 8 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums) genügende Beschlussfassung erfolgte.
32 
Jedenfalls fehlte es zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an dem erforderlichen Einvernehmen der Medizinischen Fakultät. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, es habe keine förmliche Erteilung des Einvernehmens gegeben. Das Einvernehmen wurde auch nicht dadurch erteilt, dass der Dekan der Medizinischen Fakultät, der dem Klinikumsvorstand angehört (§ 8 Abs. 1 der Satzung des Universitätsklinikums...) bei der Anhörung am 22.01.2008 und der anschließenden Beratung anwesend war. Denn für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Er ist für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 LHG). Der Fakultätsvorstand hat die Allzuständigkeit für Angelegenheiten der Fakultät (vgl. Sandberger in Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Landesrecht Bad.-Württ., Rn. 182). Dem Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der...-... Universität ... ...: i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Davon, dass eine Entscheidung des Fakultätsvorstands erforderlich ist geht wohl auch der Beklagte aus. So führte er in seinem Schreiben vom 20.01.2010, mit dem der Kläger als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen wird, aus, der entsprechende Beschluss sei vom Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom 28.01.2009 gefasst worden; der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät habe hierzu mit Beschluss vom 30.09.2009 das erforderliche Einvernehmen erklärt; der geschäftsführende Direktor der Medizinischen Klinik sei angehört worden.
33 
Die Kammer lässt offen, ob die Kündigung des Chefarztvertrags auch deshalb unwirksam ist, weil der Beklagte nicht befugt ist, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, a.a.O.; Beschl. v. 11.11.2002, DVBl 2003, 323; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 und v. 18.05.2004, a.a.O.; VG Freiburg, Beschl. v. 29.06.2009 - 1 K 1011/09 -). Auch der Beklagte ist mittlerweile wohl der Meinung, dass er nicht befugt war, dem Kläger die Aufgaben in der Krankenversorgung zu entziehen. Er vertritt allerdings die Auffassung, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, daher habe dessen Kündigung auch nicht zum Entzug der Aufgaben in der Krankenversorgung geführt. Allerdings enthält der Chefarztvertrag auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung. Geht man davon aus, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten umfassend durch den Chefarztvertrag geregelt wurden, so erscheint es möglich, dass eine wirksame Kündigung auch voraussetzen würde, dass zugleich die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs des Klägers geregelt und sichergestellt wird, dass diesem in ausreichender Weise Zugang zu Patienten bzw. zu Materialien der Patienten des Klinikums (vgl. § 6 des Chefarztvertrags) ermöglicht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010, a.a.O., Rn. 21).
34 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 VwGO.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität Freiburg tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
Bereits im Januar 2007 war der Kläger in einem anonymen Schreiben an den Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der damaligen Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der ............... (Fa. ...) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. ... zu beziehen (Umsatzvolumen: mindestens 25 Mio. EUR). Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. ... erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „......... Management GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
Auf die Aufforderung des Beklagten in einem Schreiben vom 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. W. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2008 bat der Kläger um Mitteilung der rechtlichen Grundlagen, die den Beklagten dazu berechtigten, die verbindliche Berufungszusage des Ministeriums vom 17.08.1983 zunichte zu machen. In einer Stellungnahme des Klinikumsvorstands vom 01.02.2008 heißt es hierzu, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors sei durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2008 (richtig: 2007) auf eine neue Basis gestellt worden. Die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das MWK sei damit überholt gewesen. Allein aufgrund dieses Chefarztvertrages habe er die Leitung des Zentrallabors inne gehabt. Mit Kündigung des Chefarztvertrags sei ihm diese Leitung entzogen und seien alle rechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Klinikum beendet worden.
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete des MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
10 
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
11 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
12 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) zurück.
13 
Die Staatsanwaltschaft Freiburg erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger zum Amtsgericht - Schöffengericht - Freiburg. Er wird beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben. Gegenüber zugleich angeklagten weiteren Personen wurde das Verfahren im November 2009 gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO der Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht noch aus.
14 
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, das Ministerium beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
15 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000 EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe.
16 
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten u.a. folgenden Beschluss:
17 
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. ... wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
2. …
3. …
18 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
19 
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Auch gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg (1 K 1803/10). Mit Beschluss vom 19.12.2010 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf das hiesige Berufungsverfahren aus.
20 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum Freiburg.
21 
Unter dem 20.01.2010 hatte das Universitätsklinikum dem Kläger mitgeteilt, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Hiergegen und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
22 
Bereits mit Schriftsatz vom 22.12.2009 hatte der Vorstand des Beklagten den Kläger aufgefordert, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen.
23 
Gegen die Kündigung des Dienstvertrags vom 24./25.01.2008 hatte der Kläger bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg Klage erhoben (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
24 
Der Kläger hat die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufhebung des „Bescheids vom 24. und 25.01.2008“ begehrt. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung habe es in formell-rechtlicher Hinsicht am erforderlichen Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät gefehlt. Das Einvernehmenserfordernis sichere gegenüber dem verselbständigten Beklagten die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht komme schützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu. Ob die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte nicht befugt sei, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden, bleibe offen.
25 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
26 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig. Sie habe weder zu einem Eingriff in das statusrechtliche noch in das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers geführt. Daran ändere auch nichts, dass dem Kläger durch Einweisungserlasse des Dienstherrn die Leitungsfunktion zugewiesen worden sei. Ihm sei das statusrechtliche Amt eines Universitätsprofessors und das abstrakt-funktionelle Amt eines Universitätsprofessors an der Universität Freiburg und nicht die Leitung des Zentrallabors bzw. der Abteilung Klinische Chemie zugewiesen. Im Übrigen liege ein Eingriff in das abstrakt-funktionelle Amt auch deshalb nicht vor, weil die Kündigung nicht zu einem Entzug der Leitungsfunktion und zu einer Entbindung von Aufgaben der Krankenversorgung geführt habe. Die im Begleitschreiben vom 28.01.2008 erwähnten Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Kündigungserklärung und deshalb auch nicht des vorliegenden Prozesses. Es handele sich um die Kündigung flankierende selbständig anfechtbare Vollzugsmaßnahmen, die Gegenstand gesonderter Rechtsbehelfsverfahren seien. Die Leitungsfunktion und die Aufgaben in der Krankenversorgung seien ihm nicht durch die Kündigung, sondern durch andere selbständig anfechtbare Maßnahmen entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setze die Kündigung des Chefarztvertrags die Abberufung des Klägers nicht voraus. Neben das Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg und neben die Bestellung zum Abteilungsleiter trete der Chefarztvertrag als dritte Rechtsebene. Weder der Chefarztvertrag vom 09.12.1998 noch der Chefarztvertrag vom 24.07.2007 hätten den Kläger zum Abteilungsleiter bestellt. Dies belege der Inhalt dieser Verträge. Die Hauptbedeutung des Vertrags bestehe darin, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Die Funktion als Abteilungsleiter sei nicht zwingend mit den Rechten aus dem gekündigten Chefarztvertrag verbunden. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Die Kündigung habe nur dazu geführt, dass die Konkretisierung dieser Aufgaben durch den Chefarztvertrag entfallen sei. Die Aufgabe selbst und ihre Wahrnehmung seien von der Kündigung unberührt geblieben. Die Erklärung des Einvernehmens der medizinischen Fakultät gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. sei nicht erforderlich gewesen. Durch die Kündigung vom 24./25.01.2008 sei dem Kläger die Funktion als Abteilungsleiter nicht vollständig entzogen worden und es habe sich daher nicht um eine Abberufung gehandelt. Die Parteien hätten mit dem Chefarztvertrag eine von der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelung treffen wollen. Die Kündigung habe sich auf die Rechtspositionen des Klägers bezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis und der Übertragung der Abteilungsleitung ergeben hätten. Dies gelte etwa für den Vergütungsanspruch in § 8, der nicht aus der Bestellung zum Abteilungsleiter folge, sondern sich aus dem Chefarztvertrag ergebe. Wie § 5 des Chefarztvertrags vom 09.12.1998 belege, setze die Liquidationsbefugnis wie die daraus folgenden Ansprüche die Bestellung zum Abteilungsleiter voraus, sie folge aber nicht aus ihr. Der Chefarztvertrag sei unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar, wobei die Kündigung nur das Nebenamt und nicht das Hauptamt betreffe. Selbst wenn man davon ausginge, dass in der Kündigung des Chefarztvertrags zugleich die Abberufung von der Abteilungsleitung liege, wäre der angebliche Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG geheilt. Der Vorstand des Beklagten habe in seiner Sitzung vom 28.09.2009 u. a. beschlossen, an der Kündigung vom 24.01.2008 festzuhalten. Der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät habe in seiner Sitzung vom 30.09.2009 das Einvernehmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erteilt. Die Kündigung des Chefarztvertrags habe keine Auswirkungen auf die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Klägers gehabt. Die Leitungsfunktion sei dem Kläger erst durch die Abberufung von der Abteilungsleitung mit Schreiben vom 20.01.2010 entzogen worden. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Leiter der Abteilung Klinische Chemie mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert. Deshalb berühre der unterstellte Entzug der Leitungsfunktion für das Zentrallabor nicht die Wissenschaftsfreiheit des Klägers als Universitätsprofessor aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung präge die amtsangemessene Beschäftigung des Klägers und sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Diese Gewährleistungen würden indes durch die Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Selbst wenn die Kündigung zum Entzug der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung geführt hätte, wäre sie allenfalls teilweise unwirksam. Denn sie habe keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers in Forschung und Lehre gehabt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe der Dekan der medizinischen Fakultät dem Kläger in Ergänzung zu den ihm bereits zugewiesenen Labor- und Büroräumen Personal zugeteilt und ihm ein jährliches Sachmittelbudget in Höhe von 15.000,-- EUR (für das Jahr 2009: 7.500,-- EUR) zur Verfügung gestellt. Zur Erfüllung seiner persönlichen Lehrverpflichtung im Wintersemester 2009/2010 habe er ihm bestimmte Lehrveranstaltungen zugewiesen. Die Zuweisung angemessener Räume und die Sach- und Personalmittelzuweisung seien Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Der Kläger nehme seit Sommersemester 2009 wieder Aufgaben in der Lehre wahr. Die außerordentliche wie auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
27 
Der Beklagte beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, für eine Kündigung, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, fehle dem Beklagten die Zuständigkeit. Mit dem unter dem Deckmantel einer arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben sei. Unter Verletzung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit sei ihm die Möglichkeit gänzlich genommen worden, patientennahe klinische Forschungsarbeiten weiterzuverfolgen und durchzuführen, da das Verbot der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ein Verbot, die Forschungsräume und das Zentrallabor zu betreten, mit umfasse. Es liege auf der Hand, dass sich seine Forschungstätigkeit mit den ihm später zugewiesenen Mitteln nicht mehr auf die gesamte Breite des von ihm vertretenen Fachs erstrecken könne. Da der Beklagte ihm auch das Recht zum Betreten des Klinikums verwehrt habe, wo die Lehrveranstaltungen abgehalten würden, sei er auch aus dem Lehrbetrieb ausgeschlossen worden. Erst mit Verfügung vom 08.05.2009 sei er verpflichtet worden, eine fremdorganisierte und rein praktisch ausgerichtete Lehrveranstaltung abzuhalten. Als verbeamteter Hochschullehrer habe er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemäß beschäftigt zu werden. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sei er indes beinahe zwei Jahre von der Krankenversorgung ausgeschlossen worden. Bei der ihm auferlegten Befundtätigkeit im sog. Lipid-Labor handle es sich um eine medizinisch unangebrachte, gefährliche und schikanierende Pseudo-Tätigkeit, nur um in dem hier vorliegenden Rechtsstreit vortragen zu können, dass er noch Aufgaben in der Krankenversorgung habe. Durch den Einweisungserlass vom 09.07.1990 sei auch die Leitung der Abteilung Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums am Klinikum als zu seinem statusrechtlichen und abstrakt- funktionellen Amt gehörend erklärt worden. Seit Entzug seines bisherigen Aufgabenbereichs habe er nicht mehr in ausreichender Weise Zugang zu Patienten, so dass die Ausbildung von Assistenten unmöglich sei. Da zudem seine Forschungstätigkeit vereitelt werde, werde ihm u.a. die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Qualifikation unmöglich gemacht. Klinische prospektive Studien könne er ohne direkten Zutritt zu den Räumen des Zentrallabors nicht durchführen. Selbst wenn man die Leitungsfunktion nicht dem Statusamt zuordne, sei diese wenigstens als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne zu verstehen. Denn die Leitungsfunktion sei ihm durch gesonderte Verfügungen des Dienstherrn zunächst am 22.02.1984 und später am 01.07.1990 auf Dauer zugewiesen worden. Durch die Kündigung sei ihm die Leitungsfunktion endgültig entzogen worden und folglich sein Recht auf amtsangemessene Beschäftigung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Auch wenn man lediglich einen Eingriff in das konkret-funktionelle Amt annehme, sei die Kündigung nicht als rechtmäßig zu qualifizieren. Als Leiter einer Institution der mittelbaren Krankenversorgung habe er keinen direkten Patientenkontakt, so dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag nicht zum Tragen kämen. Der Dienstherr habe festgestellt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn nicht zweifelsfrei bestätigt hätten und deshalb von einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG abgesehen werde. Der Vortrag des Beklagten, die Kündigung des Chefarztvertrages habe die Abteilungsleitung unberührt gelassen, sei unschlüssig und unzutreffend. Da die Dienstaufgaben eines Hochschullehrers aus dem Fachbereich Medizin in Form von Lehre, Forschung und Krankenversorgung untrennbar miteinander verknüpft seien, stelle der dauerhafte Ausschluss aus der Krankenversorgung regelmäßig eine Verletzung des Statusamts dar. Der Beklagte selbst habe ausgeführt, dass die Abberufung von der Abteilungsleitung nur durch einen widerrufenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde, dem MWK, und unter den Voraussetzungen der dafür im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Vorschriften hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte verkenne, dass der Chefarztvertrag als öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zu sehen sei, die erst durch die Bestellung zum Abteilungsleiter begründet würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch das MWK der Ansicht, dass das Recht zur Privatliquidation automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden sei. § 5 Abs. 1 Nr. 2 HNTVO zeige, dass die Liquidationsbefugnis entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl mit der Abteilungsleitung verbunden sei. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze, komme es nicht auf die Gestalt oder Form, sondern auf die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs an. Da die Kündigung mit dem dauerhaften Verbot jeglicher Tätigkeit in der Krankenversorgung und einem Ausschluss aus Forschung und Lehre einhergegangen und dem Regelungsgehalt nach auch als Abberufung von der Abteilungsleitung anzusehen sei, sei vom Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG auszugehen. Einer Heilung seines Fehlens über § 45 LVwVfG stehe entgegen, dass diese Vorschrift nur für bloße Verfahrensvorschriften gelte. Bei dem Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG handle es sich indes um eine mit Sicherungsfunktion ausgestattete Verfahrensvorschrift, die einen individualgrundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers konstituiere und deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen sei.
32 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig. Obwohl sie einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt darstelle, fehle es für den Entzug der Leitungsfunktion und den Entzug der Dienstaufgaben an einer Ermächtigungsgrundlage. Dadurch sei er in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Weder § 11 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 noch § 626 BGB stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die kündigungsbedingten Grundrechtseingriffe dar. Im Übrigen lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte, die einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten, nicht vor. Aber auch die weitere Voraussetzung, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, könne mit Blick auf die Ansicht des Beklagten, durch die Kündigung sei vor allem seine Aufgabe in der Krankenversorgung wie auch die Leitungsfunktion unberührt geblieben, nicht angenommen werden. Durch die Kündigung seien ihm sowohl die Abteilungsleitung als auch sämtliche Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen worden. Selbst nach der Rechtsauffassung des Beklagten wäre dies nur im Wege eines Verwaltungsakts möglich, so dass an dem Hilfsantrag festgehalten werde.
33 
Das beigeladene Land beantragt ebenfalls,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Es führt aus, dass die in den Chefarztverträgen geregelte Krankenhausliquidation eine anders ausgestaltete Form der allgemein genehmigten Nebentätigkeit im Sinne des § 5 HNTVO darstelle. Dieses Recht zur Privatliquidation sei automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden. Am 24.07.2007 hätten das Universitätsklinikum Freiburg und der Kläger einen Chefarztvertrag abgeschlossen, in dem er sein Recht zur Privatliquidation auf das Universitätsklinikum übertragen habe. In der Folgezeit sei eine Klinikliquidation durch das Universitätsklinikum Freiburg erfolgt. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Chefarztvertrages bemesse sich danach, ob ein Kündigungsgrund gemäß § 11 des Chefarztvertrages vorgelegen habe. Die Stellung als Abteilungsleiter werde von der Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Sie umfasse das gesamte Spektrum der Aufgaben des Professors auch in Forschung und Lehre und in den in der Einweisungsverfügung übertragenen Grundaufgaben in der Krankenversorgung über den Chefarztvertrag hinaus. Der Chefarztvertrag umfasse ergänzend nur bestimmte Aspekte in der Krankenversorgung als Institut zur Ablösung des Liquidationsrechts, insbesondere Fragen der Vergütung, Behandlung der Privatpatienten und der Durchführung von Leitungsaufgaben an der Klinik. Die Stellung als Abteilungsleiter könne nur durch Abberufung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Im Chefarztvertrag sei lediglich die nähere Ausgestaltung der Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikums im vorgenannten Sinne vorgenommen worden. Das Beamtenverhältnis zum Land könne nicht durch einen Chefarztvertrag des rechtlich selbständigen Universitätsklinikums Freiburg verändert werden, zuständig dafür wäre der Minister als Dienstvorgesetzter der Professoren.
36 
Mit Beschluss vom 15.07.2010 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den auf Zutrittgewährung zum Zentrallabor oder anderweitig angemessene Mittelausstattung sowie Verschaffung einer Möglichkeit zur Teilnahme an der Krankenversorgung gerichteten Eilantrag abgelehnt (1 K 2586/09). Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der Senat teilweise stattgegeben (9 S 1984/10).
37 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Zahlungsklage wegen der ihm im Jahre 2008 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Beschluss vom 27.02.2012 ist das Klageverfahren bis zur unanfechtbaren Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
38 
Am 31.03.2012 ist der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.
39 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 3 K 2749/08 (einschließlich der dort beigezogenen Akten des Beklagten <3 Leitzordner> und des beigeladenen Landes , 1 K 2594/11 und 1 K 1803/10 ebenso vor wie die Akten der Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 und 9 S 3387/11 und des Verfahrens auf Zulassung der Berufung 9 S 2596/10 (einschließlich der dort vorgelegten Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg 3 K 1412/08 und1 K 2104/03). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
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Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Vorhalt eines Büros in Brüssel in den Streitjahren 1991 bis 2004 entstanden sind, und ob Schuldzinsen, die als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) für die Streitjahre 1989 bis 2004 geltend gemacht wurden, jeweils steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Der Kläger war in den Streitjahren als selbständiger Rechtsanwalt im Rahmen der Anwaltskanzlei X & Partner (im Folgenden Kanzlei) tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Mit Schreiben vom 27.12.1990 begehrte der Kläger vom beklagten Finanzamt (Finanzamt) im Namen der Kanzlei eine verbindliche Auskunft dazu, ob die Anmietung eines Büros in Brüssel, welches dem Zweck diene, Mandanten und Beamte der EG-Kommission vor Ort zu treffen und von einer Teilzeitsekretärin betreut werde, wobei die Rechtsanwaltstätigkeiten von in München niedergelassenen Anwälten in München ausgeübt werden sollten, zu abzugsfähigem Aufwand im Rahmen der in Deutschland ausgeübten selbständigen Tätigkeit führe. Mit Schreiben vom 11. März 1993 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass eine "feste Einrichtung" entstehe, die dem belgischen Staat das Besteuerungsrecht einräume. Es komme in der Folge darauf an, inwieweit Einkünfte der deutschen und der belgischen Einrichtung zuzurechnen seien.

Die Kläger erklärten bis zum Jahr 1998 in ihren Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV).

1989 bis 1991

Das Streitig-Werden der klageweise geltend gemachten Aufwendungen geht auf eine Betriebsprüfung, angeordnet am 12. August 1993 für die Jahre 1989 bis 1991, zurück (BP1).

Vermietung und Verpachtung

Im Jahr 1989 verfügten die Kläger über folgende Einkunftsquellen, mit welchen sie Vermietungseinkünfte erzielten:

(9 Mietobjekte im Einzelnen beschrieben)

Der Betriebsprüfer vermerkte hierzu, dass es sich um "Bauherrenmodelle" handle. In der jeweiligen Steuererklärung wurde für jedes dieser Mietobjekte eine eigene Anlage erstellt, in welcher die Mieteinnahmen sowie Schuldzinsen und diverser Aufwand erklärt wurde. Zusätzlich wurde eine Anlage VuV eingereicht, die betitelt wurde "Für alle Objekte – Eigenkapitalfinanzierer". Dort waren die den jeweiligen Objekten einzeln zugerechneten Schuldzinsbeträge nochmals als Gesamtbetrag aufgeführt sowie ein weiterer Betrag "Schuldzinsen", dessen Zuweisung allen Objekten galt.

Der Prüfer vermerkte in seinen Unterlagen, dass er die absolute Höhe und die Richtigkeit der Zuordnung der Darlehen auf die einzelnen Objekte nicht eigens prüfe, da Vorprüfungen durchgeführt worden seien.

Der Zinsbetrag für "alle Objekte" stand im Zusammenhang mit einem Darlehensvertrag über … DM unter der Darlehensnummer XY, welchen der Kläger am 16. Januar 1989 für einen Zeitraum bis 30. Juni 1998 mit der B-Bank abgeschlossen hatte.

Die Darlehenssumme hatte der Kläger dazu verwandt, Konten bei der A-Bank auszugleichen. Die B-Bank erläuterte hierzu mit Schreiben vom 9. April 1990, dass die Darlehensauszahlung zum 1. Februar 1989 erfolgt sei und das Darlehen zur Umfinanzierung von Darlehen diene, welche im Zusammenhang mit den Bauherrenmodellen bei der A-Bank aufgenommen worden waren.

Wie auf zwei Kontoauszügen der A-Bank nachvollziehbar, wurden mit der Darlehenssumme ein Soll-Betrag von … DM und Einzelbeträge ausgeglichen, die den Einzelobjekten zugeordnet wurden (vgl. Umschuldungsliste), insgesamt … DM

Ergänzend zu der durch die Umschuldung nicht betroffenen, jeweils objektgebundenen Finanzierung, erfasste der Prüfer auf den 31.12.1989 negative Darlehensstände für die einzelnen 9 Objekte.

Für 3 dieser Objekte war im Rahmen der BP1 die Höhe des Werbungskostenabzugs strittig geworden, nachdem diese im Prüfungszeitraum 1989-1991 veräußert worden waren. Ausgehend von den Werten aus der Umschuldungsliste errechnete der Betriebsprüfer Anteile von 24,5%, 6,3% und 6%, zusammen 36,8% für die veräußerten Objekte am Gesamtvolumen des umgeschuldeten Gesamt-Immobiliendarlehens.

Im Rahmen der Betriebsprüfung war festgestellt worden, dass der Kläger die Mietverträge der Objekte seinerseits gekündigt hatte und sich im Anschluss nur um Käufer bemüht hatte, wobei die Objekte 1990 verkauft wurden.

Im Betriebsprüfungsbericht vom 6. März 1996 vertrat der Prüfer die Auffassung, Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für diese Objekte könnten ab Kündigung der Vermietung nicht mehr berücksichtigt werden.

Nach den hierzu erstellten Berechnungen des Betriebsprüfers ergab sich in der Folge eine Kürzung der Werbungskosten im Jahr 1989 von 9.886 DM (5.054,63 EUR), 1990 von … DM (… EUR) und 1991 von … DM (… EUR).

Büro Brüssel

Der Kläger eröffnete im Jahr 1991, genau genannt ist der 9. Januar 1991, in Brüssel ein Anwaltsbüro (Büro Brüssel). Nach einem Schreiben vom 26. November 1993, welches zur Weiterleitung an die belgischen Finanzbehörden bestimmt war, erfolgte die Gründung des Büros in Brüssel ohne Gesellschafterbeschluss und ohne besondere Gründungsdokumente.

Das Büro Brüssel verfügte, nach dem vorgelegten Grundriss, über einen Eingangsbereich mit Theke und Besucherecke (20 m²), hinter der Theke befand sich ein Raum für Kopierer, Fax, Drucker, Versand und Akten (7 m²), daneben gab es einen großen Büroraum mit Schreibtisch und Besprechungstisch für sechs Personen (28 m²) sowie ein kleines Anwaltszimmer mit Schreibtisch und Besucherstühlen (11 m²). Insgesamt stand eine Bürofläche von 76 m² zur Verfügung. Das Brüsseler Büro unterhielt eine Bibliothek. Der Kläger erklärt hierzu, die Bibliothek habe einem möglichen Besucher der Kanzlei den Eindruck einer in Brüssel etablierten, leistungsfähigen Kanzlei vermitteln sollen.

Den Streitjahren nachgelagert, im Mai/Juni 2010, wurde der Mietvertrag für das Büro seitens des Vermieters, unter Verweis auf eine erforderliche Umwidmung, die eine Nutzung als Büro nicht mehr erlaube, gekündigt.

Auf dem Briefkopf der Kanzlei des Klägers wurde, nach dessen Vortrag, stets ein Anwalt mit einem Stern und dem Vermerk "Brüssel" benannt. Dieser Anwalt sei aber, laut Vortrag des Klägers, immer in München tätig gewesen. Soweit eine Niederlassungsanzeige und eine Aufnahme in das örtliche Anwaltsverzeichnis in Brüssel erfolgt sei, sei dies, seiner Meinung nach, weder steuerlich noch wirtschaftlich von Bedeutung gewesen.

Bis zum 30. September 1992 war zunächst kein Anwalt im Brüsseler Büro tätig. Halbtags beschäftigt wurde eine Teilzeitsekretärin. Der Ausbildung nach sei diese keine Rechtsanwaltsfachangestellte gewesen, sondern Sekretärin mit Fremdsprachenkenntnissen. Sie habe als Ansprechpartnerin im Brüsseler Büro fungiert und die, nach Vortrag des Klägers, in geringem Umfang anfallenden Verwaltungstätigkeiten erledigt. Die Sekretärin sei nicht ausgelastet gewesen. Mandate seien im Brüsseler Büro nicht geführt worden. Dieses Arbeitsverhältnis endete zum 30. Juni 1999.

Aus den Akten lässt sich feststellen, dass der Arbeitsvertrag der Auslandsprüferin vorgelegen hatte. Diese hatte in ihrem Bericht über die Prüfung der Auslandsbeziehungen 1989 – 1991 vom 27. Februar 1996 vermerkt, dass eine Halbtagssekretärin mit dem Aufgabenbereich (vgl. § 2 des Arbeitsvertrages) Office-Managerin, Übersetzerin und Anwaltssekretärin eingestellt worden sei.

Für das Jahr 1991 hatte der Kläger in Belgien eine Steuererklärung abgegeben, bei der ausschließlich Eintragungen mit "nihil" erfolgt waren. Hierzu war eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) erstellt worden. Die Eckdaten des Betriebs des Büros in Brüssel für 1991 stellen sich laut vorgelegter GuV wie folgt dar (in DM):

Jahr

Erträge

Erlöse

Auslandsumsatz

Honorare (gezahlt)

Büromiete

Löhne + Sozialversicherung

Ergebnis

1991

3.984

30.981

– 109.268

An Umsatzerlösen wurden dabei Erlöse aus Auslandsumsatz erklärt. Dabei handelt es sich um die auch von der Auslandsprüfung aufgegriffenen Rechnungen, welche der Firma N in Deutschland auf Entrichtung eines Vorschusses gestellt worden waren. Der Kläger erläutert hierzu, im Wege der Schätzung sei davon ausgegangen worden, dass die von den M. Anwälten für dieses Mandat erbrachten Tätigkeiten anteilig insoweit einem Erbringen der Leistung im Brüsseler Büro hätten zugeordnet werden können. Als Ausstellungsort für die Rechnungen ist Brüssel genannt. Rechnungsempfänger ist die N-Deutschland GmbH. Die größten Aufwandsposten für das Büro in Brüssel stellten 1991 Miete sowie Arbeitsentgelte dar.

Die belgische Steuererklärung war begleitet von einem Anschreiben des steuerlichen Beraters des Klägers in Belgien unter dem Datum 16. November 1992. Dort wurde erläutert, dass es sich bei der "Kanzlei" nicht um eine juristische Person handle, sondern eine einfache Zusammenarbeit vorliege zwischen natürlichen Personen, die in einem Gemeinschaftsbüro arbeiteten. Das in Belgien betriebene Büro sei keine Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft und unterliege nicht der Besteuerung der Nichtgebietsansässigen.

Über die Art der steuerlichen Berücksichtigung des Brüsseler Büros konnte im Rahmen der Prüfung der Auslandsbeziehungen keine Einigung erzielt werden. Eine Berücksichtigung des damit verbundenen Aufwands betraf allein das Prüfungsjahr 1991 der BP1 (1989 und 1990 nicht).

Der Kläger vertrat die Ansicht, angesichts der Ausrichtung des Büros als Repräsentanz in Brüssel, die nicht dazu gedacht sei, Mandate zu betreuen, könne nicht davon ausgegangen werden, dass von einer "festen Einrichtung" im Sinne des Art. 14 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern (im Folgenden DBA Belgien) auszugehen sei.

Allein der Unterhalt der festen Einrichtung in Brüssel begründe nicht das Besteuerungsrecht in Belgien. Vielmehr müsse in Anlehnung an das Arbeitsortprinzip wie beim Begriff der "Betriebsstätte" des Art. 5 DBA Belgien hinzukommen, dass die Berufstätigkeit dort unmittelbar ausgeübt werde. Gelegentliche Aufenthalte von Anwälten, anlässlich derer Gespräche mit Beamten der EG-Kommission geführt worden seien, stellten keine wesentlichen Arbeiten eines Rechtsanwaltes dar. Dem belgischen Staat stünde daher bereits dem Grunde nach kein Besteuerungsrecht zu.

Das Brüsseler Büro sei für die anwaltliche Betätigung des Klägers dergestalt von Bedeutung gewesen, dass er von Anfang an eine Repräsentanz in Brüssel habe etablieren wollen im Hinblick auf die Akquisition von Mandanten mit unionsrechtlichem Hintergrund.

Im Bericht über die Prüfung der Auslandsbeziehungen 1989 – 1991 vom 27. Februar 1996 wurde dagegen die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Büro um eine "feste Einrichtung" im Sinne des Art. 14 DBA Belgien handle, welche Belgien das Besteuerungsrecht für diese Einrichtung zuweise. Auch wenn im Jahr 1991 noch kein Anwalt im Brüsseler Büro tätig geworden sei, handle es sich um vorbereitende Aufwendungen für eine künftig in Brüssel ausgeübte Tätigkeit.

Das Büro sei derart eingerichtet, dass jederzeit dort eine anwaltliche Tätigkeit vorgenommen werden könnte. Das Besteuerungsrecht Belgiens sei nicht davon abhängig, dass ein Anwalt in der festen Einrichtung seinen ständigen Sitz habe.

Nach den Ausführungen der Auslandsprüfung sei ein Zusammenhang zwischen den im belgischen Büro entstandenen Kosten und der inländischen Einkunftsquelle nicht zu erkennen. Einnahmen aus einem Mandat "N" seien der ständigen Einrichtung in Brüssel zugeordnet worden. Auch stehe § 3c Einkommensteuergesetz –EStG– der Berücksichtigung von Aufwendungen entgegen, welche mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stünden.

1992 bis 1994

Für die Jahre 1992 bis 1994 erfolgte eine weitere Betriebsprüfung mit Prüfungsanordnung vom 8. August 1996, die mit BP-Bericht vom 11. September 1997 abgeschlossen wurde (BP2).

Vermietung und Verpachtung

Kürzungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfolgten seitens der BP für diese Jahre nicht. Der Kläger hatte die Schuldzinsen bereits im Rahmen seiner Steuererklärung, entsprechend den Feststellungen der BP1, gekürzt um den Prozentanteil für die 1990 veräußerten Objekte angegeben.

Die Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nach Veräußerung von Immobilien wurde für diese Jahre – soweit ersichtlich – erstmals mit Antrag auf Änderung vom 8. Dezember 2003 beantragt und beziffert. Die Zinsen wurden genannt mit (in DM):

1992

1993

1994

Büro Brüssel

Ab 1. Oktober 1992 war ein Rechtsanwalt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Büro in Brüssel präsent und bis 31. März 1994 dort tätig. Während dessen Beschäftigung wurde seitens des Klägers ein Mandat Firma M Deutschland dem Brüsseler Büro anteilig zugerechnet.

Der Arbeitsvertrag mit dem Rechtsanwalt liegt nicht mehr vor. Sowohl nach Vortrag des Klägers, wie auch nach der schriftlichen Zeugenaussage des Rechtsanwalts war dieser während seiner Betätigung für den Kläger in Deutschland als Arbeitnehmer angemeldet worden, wobei, entsprechend der Anmeldung, Sozialabgaben in Deutschland abgeführt worden waren.

Während seiner Tätigkeit für den Kläger verfügte der Rechtsanwalt über 2 Wohnsitze, dabei einen in München und einen in Brüssel. Ab Mitte 1993 hatte er seine M. Wohnung wegen der Tätigkeit in Brüssel zeitweise untervermietet. Von den Räumlichkeiten in Brüssel nutzte der Rechtsanwalt das große Büro mit Besprechungstisch. Er war ab Ende 1993 bei der Anwaltskammer in Brüssel als "Membre Associé" registriert. Ebenso war er in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen. Nach Beschreibung des Rechtsanwalts bestand seine Tätigkeit in Brüssel darin, für die Kanzlei bei den europäischen Institutionen Informationen zu besorgen und Kontakte zu organisieren, die nur vor Ort in Brüssel beschafft werden konnten. Dabei stellte er das bis dahin den EU-Institutionen in Brüssel völlig unbekannte Büro vor und repräsentierte die Kanzlei. Über diese Kontakttätigkeit verfasste er ein Memorandum unter dem Datum 16. Dezember 1993. Daneben erfolgte auch die Prüfung europarechtlicher Fragen für deutsche Mandanten. Konkret wurden gelegentliche Anfragen des M. Büros zu europarechtlichen Aspekten M. Mandate bearbeitet. Besonders sei ein deutscher Mischkonzern über laufende europäische Gesetzgebungsvorhaben und die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft beraten worden. Nach Einschätzung des Rechtsanwalts nahmen von seinen Betätigungen in Brüssel etwa 60% die Repräsentation des Büros, 10 % die rechtliche Beratung von Mandanten, je 5 % eine Tätigkeit für Gutachten, rechtliche Stellungnahmen, rechtliche Recherchen und Büroverwaltung in Anspruch. Der Akquise von Mandanten rechnet er 10 % seiner Arbeitszeit zu, allerdings ausgeführt in München. Vertragsgestaltung für Mandanten oder eine Vertretung vor Gericht in Brüssel erfolgte nach seinen schriftlichen Angaben nicht.

Der Kläger beschreibt die Tätigkeit des Rechtsanwalts dergestalt, dass er einige Kleinstmandate bearbeitet habe und Akquirierungsversuche für Mandanten vor dem Hintergrund europäischer Förderprogramme durchgeführt habe, dies sei allerdings erfolglos geblieben.

Im Anschluss erfolgte die Beschäftigung eines ehemaligen Abteilungsdirektors der EU-Kommission (S). Nach dessen Ausführungen in einem Schreiben vom 17. März 1995 hatte er sich 1994 beim Amts- und Landgericht B. als Rechtsanwalt zugelassen, verfügte dort über ein Büro und war mit seiner Anwaltstätigkeit beim Finanzamt B.-Außenstadt steuerlich registriert worden.

Mit S hatte der Kläger einen Vertrag über freie Mitarbeit am 9. Mai 1994/21. Juni 1994 geschlossen, wobei der Beginn der Tätigkeit auf 1. Juli 1994 festgelegt worden war (§ 11 der Vereinbarung). Zu den seitens S zu erbringenden Leistungen wurde unter § 7 der Vereinbarung festgelegt, dass die Anwaltstätigkeit im Sinne der BRAO ausschließlich im Rahmen der Kanzlei auszuüben sei, wobei die anfallende Tätigkeit im eigenen Ermessen des S stehe. Die Honorarnoten zur anwaltlichen Tätigkeit seien nur im Rahmen der Kanzlei zu stellen, wobei die Kanzlei diese auch selbst abrechnen könne. Alle Mandate, gleich welcher Art, sollten dabei als Mandate der Kanzlei gelten. Die Verteilung der dergestalt erworbenen Honorareinnahmen erfolgte nach dem unter § 5 Abs. 2 der Vereinbarungen im einzelnen festgelegten Verteilungsschlüssel. Die Kooperation mit S dauerte bis ins Jahr 2004.

S nutzte, nach seiner schriftlichen Aussage, das Brüsseler Büro, um die Kanzlei des Klägers in Brüssel zu repräsentieren. Er habe für die Repräsentation an sich keine besondere Vergütung erhalten. Er habe in dem Brüsseler Büro, wie auch mehrfach monatlich im B.er Büro, Mandate bearbeitet. Breiten Raum und längere Zeit habe in den ersten Jahren ein Gutachten für die X-Industrie in Anspruch genommen. Zu einer solchen Tätigkeit finden sich in den Akten Vorschussnoten sowie Schlussrechnungen. Teils habe er dazu auch eine Wohnung seiner Frau bei Brüssel genutzt. Dort habe er bei seinen Aufenthalten in Brüssel auch gewohnt. In Brüssel sei S nur für deutsche Mandanten aufgetreten, insofern gehe er von einer deutschen Anwaltstätigkeit aus. Wie die Betreuung der Mandanten abgerechnet worden ist, vermag S nicht mehr zu erläutern. Ebenso wenig wie er die Anteile seiner Tätigkeit ohne einen Input seitens des Klägers evaluieren könne. Seine Einnahmen habe er in Deutschland als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erklärt. Auslagen oder Fahrtkosten habe er gegenüber der Kanzlei nicht geltend gemacht. Die Bürokosten in Brüssel habe die Kanzlei getragen.

In einem Schreiben vom 22. Oktober 2014 an den Kläger führt S aus, es sei ab 1996 weder ihm noch den Münchener Rechtsanwälten gelungen, Mandate zugunsten der Kanzlei zu vermitteln, an deren Bearbeitung er beteiligt gewesen sei. Er habe auch nicht von M. Mandaten mit europarechtlichem Einschlag profitiert. Dies gelte bis zu seiner Trennung von der Kanzlei im Jahr 2004. Ebenso führt er in diesem Schreiben aus, dass sich im Jahr 1997 herausgestellt habe, dass es nicht gelungen sei, über das Brüsseler Büro Mandate für die Kanzlei und deren Vorläufer Sozietäten zu akquirieren, so dass die Buchhaltung und die belgische Steuererklärung im Brüsseler Sekretariat angefertigt und bis 2002 von ihm als Bevollmächtigten der Kanzlei als Nullerklärungen eingereicht worden seien. Die Tätigkeit des S für die Kanzlei hatte im Jahr 2004 geendet.

Im Zuge der BP2 wurden bei den Einkünften aus der Rechtsanwaltskanzlei zum einen Kontokorrentzinsen gekürzt und im Rahmen des Progressionsvorbehalts in sämtlichen Jahren ein Verlust wegen des Büros in Brüssel berücksichtigt.

Hinsichtlich der Daten wegen der Höhe des Verlustes bezog sich der BP-Bericht auf die Daten aus dem Bericht über die Auslandsbeziehungen vom 4. August 1997.

Dort wurden folgende Daten festgehalten:

1992

1993

1994

Verlust in bfrs

Kurs bfrs zum 31.12.

4,872

4,813

4,865

Verlust in DM

Zinsaufwand, der auf die Kanzlei in Brüssel entfällt in DM

488

411

313

Verlust insgesamt in DM

Der gesonderte Bericht zu den Auslandsbeziehungen beruhte auf den Feststellungen, dass das Büro Brüssel bis Ende 1992 von einer Teilzeitsekretärin betreut worden sei, welche die übliche Büroarbeit erledigt habe und ab Ende 1992 ein Rechtsanwalt hinzugekommen sei. Das Büro sei Anlaufstelle zur Kontaktaufnahme und Pflege von Mandanten vor Ort gewesen, vereinzelt sei es als Konferenzraum und einmalig mit einem EU-Beamten genutzt worden. Die eigentliche Anwaltstätigkeit, die Bearbeitung von Rechtsfällen und Erstellung von Schriftsätzen, sei ausschließlich in der Kanzlei in München ausgeübt worden. Für die Kanzlei in Brüssel sei eine Niederlassungsanzeige und der Eintrag ins öffentliche Anwaltsverzeichnis veranlasst worden. Nach Auffassung des für die BP2 tätigen Auslandsprüfers qualifizierten sich die Einkünfte aus dem Büro in Brüssel als diejenigen einer festen Einrichtung nach Art. 14 Abs. 1 DBA Belgien und damit als nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA Belgien steuerfrei. Bis Ende 1992 habe es sich um vorbereitende Aufwendungen gehandelt, die wegen ihres Zusammenhangs mit den angestrebten steuerfreien Einnahmen nach § 3c EStG nicht abzugsfähig seien.

Auch für 1992 und 1993 wurden in Belgien Steuererklärungen abgegeben, nun mit zahlenmäßigen Eintragungen, die bezogen waren auf eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung. Als Erlöse wurden ausschließlich solche aus Auslandsumsatz erklärt. Die Erklärungen sind jeweils mit einem behördlichen Stempel versehen. Für das Jahr 1994 wurde eine Steuererklärung in Belgien durch Vorlage einer Bilanz eingereicht.

Für 1994 wurde eine Bilanz durch einen neuen steuerlichen Berater in Belgien erstellt.

Die Gewinnermittlungen für das Büro in Brüssel für die Jahre 1992 bis 1994 weisen folgende Eckdaten auf (in DM, abgerundet):

Jahr

Erträge

Erlöse

Auslandsumsatz

Honorare (gezahlt)

Büromiete

Löhne + Sozialversicherung

Ergebnis

1992

351

2.334

45.567

154.027

– 154.351

bfrs

–3.175.951

1993

49.699

981

46.553

87.943

– 122.667

bfrs

2.593.397

1994

2.735

8.740

49.302

61.275

– 137.106

bfrs

–2.821.124

1995 bis 1998

Mit Anordnung vom 15. Mai 2001 erfolgte die Anschlussaußenprüfung für die Jahre 1995 bis 1998 (BP3). Während dieser Prüfung wurde von Seiten des Klägers beantragt, negative Einkünfte aus dem Betrieb des Büros in Brüssel als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus der Anwaltstätigkeit und Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten für die Jahre 1995 bis 1997 bei den Einkünften aus VuV zu berücksichtigen. Ein entsprechendes Antragsschreiben vom 8. Dezember 2003 erreichte das Finanzamt am 9. Dezember 2003.

Vermietung und Verpachtung

In einer Anlage zur Einkommensteuererklärung 1996 qualifizierte der Kläger Zinsen und Gebühren im Gesamtumfang von … DM als nachträgliche Werbungskosten aus VuV, bezogen auf die im Jahr 1990 veräußerten Objekte. Auch der Einkommensteuererklärung 1997 war eine Anlage beigefügt, mit welcher Zinsen von … DM als nachträgliche Werbungskosten aus VuV, bezogen auf die im Jahr 1990 veräußerten Objekte geltend gemacht wurden. Für das Jahr 1995 war im Rahmen der Betriebsprüfung ein entsprechender Antrag auf Berücksichtigung von … DM gestellt worden. Der begehrte Abzug war vom Finanzamt nicht angesetzt worden. Für 1996 stellte die Betriebsprüfung fest, dass weitere 4.133 DM Schuldzinsen auf die im Jahr 1990 veräußerten Objekte entfielen (insgesamt also … DM + 4.133 DM = … DM). Ab dem Jahr 1998 waren im Rahmen der Steuererklärungen keine Anträge mehr auf Berücksichtigung nachträglicher VuV-Zinsen gestellt worden.

Wie bereits zu den Jahren 1992 bis 1994 ausgeführt, erfolgten Antrag und Bezifferung der Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nach Veräußerung von Immobilien mit Schreiben auf Änderung der entsprechenden Festsetzung vom 8. Dezember 2003. An Zinsen für die Jahre 1995 bis 1997 wurde genannt (in DM):

1995

1996

1997

Für das Jahr 1998 wurde kein Zinsbetrag genannt.

Der Betriebsprüfer nahm im Jahr 1997 Kürzungen vor hinsichtlich der zu berücksichtigenden AfA bei den VuV-Einkünften ab dem Zeitpunkt der Veräußerung zweier weiterer Objekte (1997).

Zu den Konditionen der Veräußerung dieser Objekte lässt sich den Akten nichts entnehmen. Die Kläger erklären, unter Berücksichtigung des neuen Konzepts des BFH zur Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei VuV setzten sie für die Jahre ab 1998 bis 2001 Schätzungen wegen der insoweit geleisteten Schuldzinsen in Höhe von … DM an.

Dieser Betrag liege ihrer Ansicht nach unter den jeweils tatsächlich angefallenen Werbungskosten. Für 2004 habe noch ein Darlehensbetrag von … EUR offen gestanden.

Im BP-Bericht war wegen der VuV-Schuldzinsen darauf verwiesen worden, diese könnten als anschaffungsbedingte Zinsen nur angesetzt werden, soweit sie auf sofort abzugsfähige Werbungskosten während der Vermietungsphase entfielen. Dies sei nicht der Fall.

Büro Brüssel

Im BP-Bericht vom 12. März 2004 wurde daran festgehalten, dass es sich bei dem Büro in Brüssel um eine ausländische "Betriebsstätte" handle, deren Einkünfte nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts Berücksichtigung finden könnten.

Die Gewinnermittlungen für das Büro in Brüssel für die Jahre 1995 bis 1998 weisen folgende Eckdaten auf (in DM, abgerundet):

Jahr

Honorare (gezahlt)

Büromiete

Löhne + Sozialversicherung

Ergebnis in DM

in bfrs

1995

1995

1996

1997

1998

In den Jahren 1995 bis 1997 erfolgten mehrere Honorarnoten an die XY AG, unterzeichnet von S.

Im Betriebsprüfungsbericht kamen folgende Ergebniswerte für den Betrieb des Büros in Brüssel zum Ansatz (in DM):

1995

1996

1997

1998

Antrag

Zurechnung Zins

Ergebnis Brüssel

Unter dem Datum 13.10.1996 wurde für 1995 eine belgische Steuererklärung erstellt (ohne Stempel der belgischen Behörden). Beanstandungen seien nicht erfolgt. Eine gestempelte Erklärung sei nicht zurückgesandt worden.

Für das Jahr 1996 wurde eine belgische Steuererklärung eingereicht, welche mit einem Stempel der belgischen Behörden versehen ist. Die Steuerklärungen 1997 und 1998 seien in Form von CUBIC-Aufstellungen, ohne Formular eingereicht worden, so wie es mit dem Betriebsprüfer besprochen worden sei.

Nach einem Aktenvermerk der Sekretärin in Brüssel meldete sich am 5. Mai 1998 ein Herr P vom belgischen Finanzamt und kündigte an, die Akte des Brüsseler Büros näher zu prüfen und anschließend entsprechende Steuerformulare zuzusenden. Hierzu erfolgte auch ein Schreiben der Aufsichtsbehörde "Brüssel Ausland Gesellschaften 2" vom 7.05.1998, mit welchem sinngemäß eine Betriebsprüfung für die Geschäftsjahre 1996 und 1997 sowie der Einkünfte 1995 und 1996 angekündigt wurde, bei der Einsicht in die Bücher und Buchhaltungsunterlagen genommen werde, wobei auch die Kopie einer Bilanz der "Muttergesellschaft" bereitzuhalten sei. Ein Besuch des Herrn P zusammen mit Frau L vom Finanzamt "Contributionversement anticipés" (Beiträge und Vorauszahlungen) erfolgte für 1 ½ Stunden am 10. Juni 1998. Überprüft wurden dabei Zahlen aus der Steuererklärung des Jahres 1996. Auf die Mitteilung der Sekretärin, man wolle in Zukunft die Steuererklärungen angesichts des beschränkten Umfangs selbst erstellen, wurde von den Mitarbeitern der belgischen Behörden erläutert, was dabei zu beachten sei, dass das entsprechende Formular demnächst zugesandt werde und dass eine Erläuterung über die Tätigkeit des Büros beigefügt werden solle dergestalt, dass erklärt werde (frei übersetzt), dass sich die Tätigkeit des Brüsselers Büros darauf beschränke, das Büro in München zu repräsentieren und dass kein direkter Kontakt zu den Mandanten bestehe.

Nach einem Schreiben des S an den Kläger vom 21. September 1998 sei ab 1. Oktober 1997 die Buchhaltung in eigener Regie übernommen worden. Das zuständige Finanzamt ... habe sich in einer Besprechung vom 11. Juni 1998 mit der angewandten Methode der Kontenführung einverstanden erklärt. Dabei sei erklärt worden, dass auf absehbare Zeit keine Honorareinnahmen mehr anfallen würden, da von Brüssel aus keine Mandate behandelt würden.

Ab dem Jahr 1998 seien nach Maßgabe dieser Anweisungen die Erklärungen durch S eingereicht worden. S sei noch bis 2004 für die Kanzlei in freier Mitarbeit für Brüssel tätig gewesen.

Nach einer Erklärung des S vom 22. Oktober 2014 habe es sich im Jahr 1997 herausgestellt, dass es nicht gelungen sei, über das Brüsseler Büro Mandate für die Kanzlei zu akquirieren. Bis 2002 habe er vom Brüsseler Sekretariat vorbereitete Steuerklärungen unterzeichnet.

Für 1995 liegen im Zusammenhang mit dem Büro in Brüssel eine Rechnung vom 11. Januar 1995 über … DM, eine Schlussrechnung vom 20. April 1995 über … DM (ohne Angabe des Ausstellungsortes, unterzeichnet von S) vor. Für 1996 liegt eine Rechnung vom 24. Juni 1996 über … DM vor.

1999 bis 2004

Die Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2004 (BP4) gründete auf einer Prüfungsanordnung vom 18. Juli 2005.

Vermietung und Verpachtung

Eine Mitteilung über Beteiligungseinkünfte des Objekts 9, welche den Austritt des Klägers zum 30. September 1999 angibt und Vermietungseinkünfte für 1999 von 7.186,22 DM (3.674,26 EUR) feststellt, wurde im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung und deren Änderungen nicht berücksichtigt. Die für die Jahre 1995 bis 1998 durchgeführte Betriebsprüfung hatte den Austritt für das Jahr 1997 angenommen. Weshalb die Einkünfte nicht berücksichtigt worden seien, lässt sich auf Seiten des Finanzamts nicht mehr nachvollziehen.

Der Kläger legt Bestätigungen der B-Bank vom 30. Januar 2013 vor, aus denen sich folgende Daten für das Darlehenskonto Nr. XY (in EUR) ergeben:

Jahr

Zinsen

Tilgungen

Kapitalschuld zum Jahresende

2002

2003

2004

In einer Erklärung vom ebenfalls 30. Januar 2013 erklärt die B-Bank, dass Bestätigungen vor dem Jahr 2002 seitens der Bank nicht mehr vorgehalten würden.

Der Kläger erklärt, er habe ab 1998 keine nachträglichen Schuldzinsen geltend gemacht, weil er mit deren Berücksichtigung, nach der Rechtsauffassung des Finanzamts, ohnehin nicht rechnen konnte. Er hält auch für die Jahre 1999 bis 2001 den Ansatz von jeweils … DM nachträglicher Werbungskosten wegen Schuldzinsenzahlungen im Schätzungswege für angemessen und zutreffend.

Büro Brüssel

Im BP-Bericht vom 5. Oktober 2005 für die Jahre 1999 bis 2004 wurde wegen der Berücksichtigung von Aufwendungsüberhängen aus dem Büro in Brüssel erneut auf eine Berücksichtigung lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts verwiesen. Dabei wurden folgende Verluste dem Büro in Brüssel zugeschrieben:

1999 (DM)

2000 (DM)

2001 (DM)

2002 (EUR)

2003 (EUR)

2004 (EUR)

–…

–…

–…

Die vom Kläger vorgelegten Gewinnermittlungen für das Büro in Brüssel für die Jahre 1999 bis 2002 weisen folgende Eckdaten hinsichtlich der Kosten auf, welche diesen Aufwand verursacht haben (in DM, abgerundet):

Jahr

Honorare gezahlt

Büromiete

Löhne + Sozialversicherung

Ergebnis

1999

2000

./.

2001

./.

in EUR

2002

./.

Die Honorare dieser Jahre betreffen offenbar die Abrechnungen des S über seine Tätigkeit. S stellte hierzu Rechnungen, in welchen er sich auf einen "anzurechnenden Grundbetrag gem. § 4 Abs. 2 lit. c) bb) des freien Mitarbeitervertrages in seiner vorläufigen Verlängerung gemäß Schreiben vom 14. Juli 1999" bezog und im Jahr 2001 monatlich mit 1.636,13 EUR zuzügl. MwSt abrechnete. § 4 Abs. 2 lit. c) bb) des freien Mitarbeitervertrages, wie ihn der Kläger vorgelegt hat, regelt die Zahlung eines Honorars für Mandate, die der freie Mitarbeiter – also S – für die Kanzlei bearbeitet hat, die er aber nicht als Mandanten geworben hat.

Zur Art des Betriebs des Büros in Brüssel ist in der Handakte des Betriebsprüfers ein Schreiben des S vom 28. Januar 2002 abgeheftet. Dort erläutert dieser dem Kläger, dass er die Kosten weiter habe senken könne. Er berichtet, dass die EDV-Ausstattung veraltet sei, auch sei ein Computer defekt und die Software nehme keine Daten aus modernen Anlagen mehr auf. Er meint, für das Büro solle Internetzugang angeschafft werden. Die Bibliothek sei aber auf dem Laufenden, so dass Arbeiten auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts und des internationalen Rechts möglich seien. S erklärt, dass der Mietvertrag des Büros noch bis 31. Januar 2006 laufen werde und er nach Ablauf des Mietvertrages für das Brüsseler Büro zum 31. Januar 2006 nicht mehr als Repräsentant auftreten wolle. Des Weiteren meint er, es sei wenig sinnvoll derzeit (28.01.2002) eine Halbtagskraft einzustellen, weil diese ohne Anleitung wie in einem ausgefüllten anwaltlichen Betrieb bliebe. Er, S, komme mit Unterstützung seiner Tochter vorerst auch so zurecht. Er schlage vor, den gegenwärtigen Modus einstweilen beizubehalten, meine aber der vereinbarte Grundbetrag von solle angemessen erhöht werden.

Er sei gehalten, seine Zulassung als Anwalt in B. aufrechtzuerhalten, ohne dass er dies ausnutzen könne. Mindestens einmal im Monat habe er Fahrtkosten von Brüssel nach B. Auch die Fahrtkosten innerhalb Brüssels für 32 km meist zwei bis drei mal die Woche gingen nach der zwischen ihm und dem Kläger getroffenen Vereinbarung zu seinen Lasten.

Über gebündelte GuV-Rechnungen zu den Jahren 2003 und 2004 verfügt der Kläger nicht. Er legt jedoch für beide Jahre jeweils eine Liste vor, die als Bilanz bezeichnet ist, welche die Einnahmen und Ausgaben des Büros Brüssel aufzeigen, wobei die Ausgaben unterteilt sind nach "Ausgaben Belgien" und "Ausgaben Deutschland". Einnahmen aus anwaltlicher Tätigkeit sind nicht enthalten. Einnahmen erfolgen lediglich über Transferleistungen von München nach Brüssel. Die wesentlichen Kosten sind, wie in den Vorjahren, Miete und Gehälter.

Im Jahr 2003 erhielt S neben Erstattungen von Auslagen, ausweislich dieser Bilanz, 12-mal 1.897,92 EUR zuzügl. USt, wobei dieser Aufwand zu den "Auslagen Deutschland" gerechnet wurde. Im Jahr 2004 sind Zahlungen an S von Januar bis Dezember in einem Gesamtumfang von 7.276,23 EUR verbucht. Diese Zahlungen betreffen nahezu ausschließlich eine "Bibliothekübernahme".

Bei den Gehältern 2004 wird eine Sekretärin zunächst bis September 2004 mit H genannt und ab Oktober 2004 K. K war mit Vertrag vom 14. September 2004 eingestellt worden. Der Beginn ihrer Tätigkeit erfolgte zum 27. September 2004. Als deren Hauptaufgaben wurden unter § 2 des Arbeitsvertrages genannt "Sekretariats- und Organisationstätigkeiten wie z.B. Aktenbearbeitung, Schreibarbeiten und Kalenderführung, wobei ihr auch andere Aufgaben übertragen werden sollten, soweit diese ihren Fähigkeiten entsprachen und der Arbeitgeber dies für erforderlich hielt. Die Beschäftigung der K dauerte bis 31. Oktober 2011. Zur Belegung des Büros erläutert sie, dass anfangs ein Anwalt mit ihr das Büro genutzt habe, der aber nur einmal in der Woche ins Büro gekommen sei. Dieser habe aber kurze Zeit später seine Mitarbeit bei der Kanzlei beendet. Später habe sie das Büro allein genutzt, außer wenn ein Anwalt aus Deutschland nach Brüssel gekommen sei, was aber sehr selten vorgekommen sei. Dieser habe dann das Chefzimmer genutzt. Ihre Arbeitsaufträge habe sie vom Kläger aus M. bekommen. Besuche seien nicht in das Brüsseler Büro gekommen.

In den Jahren 2003 und 2004 machte der Kläger den Aufwand für das Büro in Brüssel im Rahmen der Gewinnermittlung zu seinen Einkünften aus der Rechtsanwaltstätigkeit mit Abzugsposten von … EUR (2003) und für 2004 mit zunächst … EUR und dann … EUR geltend. Für 2004 wurde vermerkt, dass Forderungen des Büros Brüssel in Höhe von … EUR bestünden.

Für die Jahre 2003 und 2004 wurden unter dem Datum 29.11.2004 (für 2003) und 28.04.2005 (für 2004) in Belgien Steuererklärungen ohne ziffernmäßige Eintragungen eingereicht. Diese tragen einen Stempel belgischer Steuerbehörden.

Der Kläger legt zwei Erklärungen der belgischen Finanzverwaltung vom 27. August 2008 und vom 31. März 2010 vor. Dort ist ausgeführt, dass die Kanzlei im Hinblick auf das DBA Belgien als nichtansässig qualifiziert würden, dass sie als nichtansässiges Unternehmen in den Steuerjahren 1990 bis 2006 nicht steuerpflichtig gewesen seien und hinsichtlich des Einkommens 1991 bis 2007 nicht einkommensteuerpflichtig gewesen seien sowie dass der Vortrag von Verlusten für diesen Zeitraum in Belgien nicht eingeräumt worden sei.

Festsetzungen

Unter Übernahme der Auffassungen der Betriebsprüfung berücksichtigte das Finanzamt bei der Änderung der betroffenen Einkommensteuerfestsetzungen 1989 bis 2004 folgende geänderten Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und der Einkünfte:

(Festsetzungen im Einzelnen)

Hierzu erfolgten jeweils rechtzeitig Einsprüche.

Mit dem Einspruch gegen die Festsetzung der Jahre 1989 bis 1991 wurde die Berücksichtigung der vollständigen Aufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung begehrt, sowie für das Jahr 1991 der vollständige Einbezug des Verlustes aus dem Büro in Brüssel.

Der Einspruch gegen die Festsetzungen der Jahre 1992 bis 1994 wurde zunächst mit dem Ziel eingelegt, eine Berücksichtigung nachträglicher Zinsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die veräußerten Objekte zu erwirken und im Jahr 1992 eine vollständige Berücksichtigung der Verluste aus dem Büro in Brüssel. Mit Schriftsatz vom 19. November 2003 wurde das Einspruchsbegehren erweitert um die Anerkennung der "Brüsseler Verluste" auch für die Jahre 1992 bis 1994.

Zur Begründung des Einspruchs gegen die Festsetzungen der Jahre 1995 bis 1998 wurde ausschließlich auf das Begehren einer vollständigen Berücksichtigung von Verlusten im Hinblick auf den Betrieb des Büros in Brüssel Bezug genommen.

Ebenso für die Jahre 1999, 2000 sowie 2001 bis 2004 wurden die jeweiligen Einsprüche ausschließlich mit dem Begehren auf Berücksichtigung von Verlusten im Brüsseler Büro begründet.

Die Einsprüche für die Jahre 1989 bis 1992 und 1994 bis 2004 wurden mit Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Einspruch gegen den auf 0 EUR lautenden Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13. Juli 2005, fortgesetzt mit Einspruch gegen den ebenfalls auf 0 EUR lautenden Einkommensteueränderungsbescheid 2004 vom 4. November 2005, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. August 2006 zurückgewiesen. Die Zurückweisung des Einspruchs gegen den auf eine Steuerfestsetzung von 0 EUR lautenden Einkommensteueränderungsbescheid 1993 als unzulässig erfolgte mit Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013.

Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass sie nun, angesichts der Rechtsprechungsänderung wegen der Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten aus VuV, erstmalig im Klageverfahren die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen auch für die Jahre 1998 bis 2004 begehrten.

Sie führen hierzu aus, bis 2002 – genaueres werde noch ermittelt – seien alle Objekte veräußert worden. Das Konto, über welches als Eigenkapitalfinanzierung Zinsen im Zusammenhang mit den Vermietungsobjekten gezahlt worden seien, sei weitergeführt worden, für den Fall, dass sich die Rechtsprechung zur Geltendmachung nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ändern sollte. Die insoweit zu berücksichtigenden Beträge ergäben sich aus den Bestätigungen der B-Bank.

Vorgelegt wurden hierzu drei Bestätigungen der B-Bank, jeweils vom 30. Januar 2013. Diese sind betitelt:

Darlehensnummer: XY /Name: Kläger/ Bezug: Privatgrundstück der Kläger

Ausgewiesen ist dort für

2002

Zinsen

… EUR

Tilgungen

… EUR

Kapitalschuld zum 31.12.2002

… EUR

2003

Zinsen

… EUR

Tilgungen

… EUR

Kapitalschuld zum 31.12.2002

… EUR

2004

Zinsen

… EUR

Tilgungen

… EUR

Kapitalschuld zum 31.12.2002

… EUR

Auf die Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 13. Oktober 2014 erklären die Kläger, dass nach Kündigung der Mietverträge hinsichtlich der veräußerten Objekt Vermietungsabsicht bestanden habe, es könnten jedoch keine Belege vorgelegt werden. Dem Betriebsprüfer seien auch alle verfügbaren Belege an die Hand gegeben worden. Das Finanzamt habe erst 2013 über die eingelegten Einsprüche entschieden. Etwaige Beweisschwierigkeiten müssten aus diesem Grund zu Lasten des Finanzamts berücksichtigt werden, gegebenenfalls seien Schätzungen erforderlich.

Zur Frage, weshalb die Mietverträge hinsichtlich dieser Objekte gekündigt worden waren, erfolgten keine Ausführungen.

Im Einspruchsverfahren war hierzu ausgeführt worden, dass der Kläger nach Beendigung der Mietverhältnisse unentschlossen gewesen sei, ob er die Objekte veräußern oder vermieten würde. Er habe während des Leerstehens Überlegungen hinsichtlich des Verkaufs, wie auch hinsichtlich der Vermietung angestellt. Die Suche nach einem Verkäufer habe auch dem Ziel gedient, den Immobilienmarkt zu testen. Eine definitive Aufgabe der Vermietungsabsicht könne hieraus nicht geschlossen werden. Auch der dann erfolgte Verkauf sei insoweit kein Beweis.

Die Kläger erläutern, dass sie den Standpunkt verträten, dass es auf die Darstellung einer etwaigen Vermietungsabsicht nicht ankomme. Derartiges ließe sich der Entscheidung des BFH vom 8. April 2014 IX R 45/13 nicht entnehmen, insbesondere wegen des Hinweises auf die Aufgabe der früheren Rechtsprechung zum Lösen des Veranlassungszusammenhangs bei Veräußerung des Objekts.

Zur Frage des konkreten Nachweises von aufgenommenen Darlehen für veräußerten Objekte, deren Kaufpreishöhe und deren Veräußerungserlös legten die Kläger mit Schriftsatz vom 12. November 2014 keine Unterlagen vor. Sie verweisen auf eine Geldverkehrsrechnung der Betriebsprüfung vom 6. August 2003 für die Jahre 1995 bis 1998 und weitere Übersichten der Betriebsprüfung für die Jahre 1992 bis 1994 sowie 1989 bis 1991. Die Geldverkehrsrechnung notiert bei den "privaten Ausgaben" Tilgungsleistungen für die noch verbliebenen 6 VuV-Objekte in Höhe von insgesamt … DM (1995), … DM (1996), … DM (1997) und … DM (1998). An Geldzuflüssen für private Veräußerungserlöse Wohnungen sind … DM (1996), … DM (1997) und … DM (1998) vermerkt. Die Geldverkehrsrechnung ist nicht Bestandteil des Prüfungsberichts der BP3 vom 12. März 2004.

Ergänzend führen die Kläger allgemein aus, dass neben dem Konto Eigenkapitalfinanzierung für alle Objekte jeweils ein Einzelkonto bei einem Kreditinstitut bestanden habe. Im Rahmen einer Veräußerung sei dann die Ablösung der Kredite vorgenommen sowie eine etwaige Vorfälligkeitsentschädigung geleistet worden und, soweit ein Restkaufpreis feststellbar gewesen sei, sei dieser dem Einzelkonto gutgeschrieben worden, da sich dieses regelmäßig im Soll befunden habe. Soweit feststellbar, sei ein überschießender Betrag verwendet worden, um bei weiteren Objekten der Vermietung und Verpachtung Verbindlichkeiten zu tilgen.

Es sei infolge des Zeitablaufs nicht mit endgültiger Sicherheit festzustellen, ob in jedem Einzelfall entsprechende Zahlungen in voller Höhe für jeweils andere Immobilienobjekte verwendet worden seien. Es werde jedoch davon ausgegangen, dass dem so sei. Es müssten gegebenenfalls auch Schätzungen vorgenommen werden.

Unter Verweis auf Prüfungsfeststellungen der BP3 für die Jahre 1995 bis 1998 und die dortigen Feststellungen zu Geldabflüssen im Zusammenhang mit den Mietobjekten äußern sich die Kläger, ohne Vorlage eigener Belege, zu den Erlösverwendungen der Objekte.

Im Übrigen vertreten die Kläger die Ansicht, sie hätten unter Berücksichtigung des Einzelfalls ihre Mitwirkungspflichten erfüllt. Sie hätten dem Betriebsprüfer sämtliche Belege zur Verfügung gestellt. Ab 1998 seien keine nachträglichen Werbungskosten aus VuV geltend gemacht worden, wegen der ohnehin ablehnenden Haltung der Finanzverwaltung und weil dazu immer noch Gelegenheit bestanden habe. Verspäteter Sachvortrag liege nicht vor.

Mit Hinweis des Gerichts vom 21. April 2015 wurden die Kläger darauf aufmerksam gemacht,

  • dass eine Umschuldungssituation hinsichtlich der VuV-Objekte nicht in Betracht komme, da sämtliche Objekte, nach Aktenlage bis 1998, veräußert worden seien und keine neuen VuV-Objekte angeschafft worden seien;

  • dass sich ein Zusammenhang zu den ehemaligen Vermietungsobjekten mit den vorgelegten Bestätigungen der B-Bank nicht erschließen lasse;

  • dass das Gericht bereits im Zusammenhang mit den veräußerten Objekten mit Aufklärungsanordnung vom 13. Oktober 2014 darauf aufmerksam gemacht habe, welche Nachweise und welche Darlegungen zu tätigen sind, im Hinblick auf eine Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen bei VuV-Objekten;

  • dass Beweiserleichterungen insoweit nicht in Betracht kämen, als die Kläger seit der Betriebsprüfung der Jahre 1989 bis 1991 ihr Begehren der Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen aus VuV-Objekten verfolgten und dem als Rechtsanwalt tätigen Kläger das Erfordernis der Beweisvorsorge nicht fremd sein kann;

  • dass die Aufzeichnungen der Betriebsprüfung naturgemäß keinerlei Feststellungen zum Überhang eines Veräußerungserlöses über bestehende Darlehensvaluta getroffen haben, da es hierauf zum Zeitpunkt der damaligen Gesetzesinterpretation nicht ankam. Das Fehlen der Aufnahme von Daten seitens des Finanzamts berücksichtigt die damalige Gesetzeslage und kann nicht als Nachlässigkeit auf Seiten des Finanzamts interpretiert werden;

Die Kläger wurden unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung aufgefordert, anhand geeigneter Unterlagen und Beweismittel für alle VuV-Objekte darzulegen und nachzuweisen,

  • welche Darlehen (Vorlage der Darlehensverträge) zur Anschaffung der Vermietungsobjekte (Angabe und Nachweis des Anschaffungszeitpunkts), in deren Zusammenhang ein nachträglicher Schuldzinsenabzug begehrt wird (separat für jedes Vermietungsobjekt), aufgenommen wurden und

  • wann,

  • welches Objekt,

  • zu welchem Preis veräußert wurde und

  • wie der Erlös verwendet wurde

  • sowie in welcher Höhe die Darlehen zum Zeitpunkt des Verkaufs noch valutierten (Abrechnungen der jeweiligen Banken).

Die Kläger erklärten hierzu mit Schriftsatz vom 11. Juni 2015, dass sie größten Wert auf Beweisvorsorge legten. Eine vollständige Archivierung der gesamten Kanzleiakten sei systematisch unter Zuhilfenahme einer Archivierungsfirma erfolgt. Die Vorlage von Unterlagen könne wegen der Fülle des Materials allerdings mit Zeitverzögerungen einhergehen.

Allgemein wird erläutert, dass das Konto XY der B-Bank, für welches die Bestätigungen vom 30. Januar 2013 ausgestellt worden sind, auch wenn dort Bezug genommen werde auf das Privatobjekt der Kläger, nicht die Finanzierung des Privathauses des Klägers betreffe. Gemeint sei damit wohl die dingliche Sicherheit, welche auf diesem Objekt eingetragen worden sei. Ergänzend wurden einzelne Unterlagen zu den Objekten vorgelegt, jedoch nicht in der Vollständigkeit wie mit der Aufklärungsanordnung benannt.

Mit Beschlüssen vom jeweils 29. Juni 2015 hat das Gericht die schriftliche Vernehmung des Rechtsanwalts, des S und der K beschlossen. Wegen der im Einzelnen gestellten Fragen wird auf die Beschlüsse und wegen deren Beantwortung wird auf die eingereichten Aussagen verwiesen.

Im Vorfeld hatte der Kläger erklärt, er wolle sein Fragerecht nach § 327 ZPO ausüben und beantrage die Zeugen mündlich zu vernehmen.

Mit Schreiben des Gerichts vom 29. Juli 2015 wurden den Beteiligten die schriftlichen Zeugenaussagen übermittelt und um Stellungnahme gebeten, ob angesichts der vorliegenden Aussagen noch eine Vernehmung in der mündlichen Verhandlung für erforderlich gehalten werde.

Das Finanzamt hielt eine Vorladung des S in Anbetracht dessen Alters nicht für erforderlich, befürwortete allerdings eine mündliche Einvernahme des Rechtsanwalts. Seitens des Klägers wurde erklärt, er verzichte nicht auf eine Einvernahme der Zeugen, weil mit der mündlichen Zeugeneinvernahme der Sachverhalt weiter geklärt werden könne. S und der Rechtsanwalt wurden in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehört.

Was die Zeit nach den Streitjahren anbelange, erläutert der Kläger, dass mit Mietvertrag vom 12. Mai 2010 ein "Anschlussbüro" nach Kündigung des ersten Büros angemietet worden seien. Er legt hierzu den Mietvertrag in französischer Sprache vor. Nach dem zugehörigen Grundriss verfügte dieses Büro über ein kleines und ein großes Büro, einen Konferenzraum, einen großflächigen Eingangsbereich, Sanitärräume und einen Maschinenraum mit Archiv. Nach dem Ausscheiden der K zum 31. Oktober 2011 sei, nach Vortrag des Klägers, keine neue Sekretärin eingestellt worden. Es habe daraufhin Probleme mit der Weiterleitung der Post gegeben, was sogar zur Zwangsräumung des Büros durch den Vermieter geführt habe. Nach den hierzu vorgelegten Unterlagen wurde seitens des Vermieters eine Gerichtsentscheidung über die rechtskräftige Kündigung des Mietvertrages herbeigeführt, wobei der Kläger aufgefordert wurde, die noch verbliebenen etwa 1.000 Bücher Anfang Januar 2013 aus den Räumen zu entfernen.

Der Kläger erklärt, er sei seit Ende 2012 nicht mehr in Brüssel präsent, auch nicht im Rahmen einer irgend gearteten Organisationsform. Zwar finde sich die Brüsseler Adresse noch auf dem verwendeten Briefkopf der Kanzlei. Dies sei aber nur dem Umstand geschuldet, dass er den gesamten Briefkopf im Hinblick auf künftige Kanzleiaktivitäten umgestalten wolle und ihm dies aus Zeitgründen noch nicht möglich gewesen sei.

Zusammenfassend wenden die Kläger hinsichtlich der fehlenden Berücksichtigung der Verluste aus dem Brüsseler Büro zunächst ein, dass Belgien das Büro in Brüssel nicht als Betriebsstätte qualifiziere, so dass bereits aus diesem Grund ein Abzug der Verluste in Deutschland erfolgen müsse. Sofern objektiv keine Betriebsstätte nach Art. 5 DBA Belgien vorliege, fehle jeglicher Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht Belgiens. Nach dem Welteinkommensprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unterlägen damit die Verluste in Brüssel als negative Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit der deutschen Einkommensteuer. Auf die Frage, inwieweit es sich um "finale Verluste" handle, könne es nicht ankommen.

Selbst wenn man aber von einer Betriebsstätte i.S. des § 12 AO oder Art. 5 Abs. 3 OECD-Musterabkommen ausgehe, handle es sich um finale Verluste, die unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGHs in Sachen "Lidl" und der nachfolgenden Entscheidung des BFH im Inland phasengleich abzugsfähig seien, weil sie tatsächlich und wirtschaftlich endgültig seien. Die Entscheidung des EuGH "Krankenheim Ruhesitz am Wannsee – Seniorenheimstatt" stehe dem nicht entgegen, da es sich insoweit um eine Einzelfallentscheidung handle, die andere Rechts- und Tatfragen betroffen habe, eine Aufgabe der "Lidl"– Entscheidung könne darin nicht gesehen werden. Dies habe auch das FG Hamburg in einer Entscheidung vom 18. November 2009 deutlich gemacht. Allenfalls könne man zu dem Ergebnis gelangen, dass noch nicht sämtliche Einzelheiten zur Finalität von ausländischen Betriebsstätten-Verlusten geklärt seien.

Die Grundsätze der Urteile des EuGH "Marks & Spencer" sowie "Lidl Belgium" würden nach wie vor uneingeschränkt gelten. Soweit seitens des BMF ein Nichtanwendungserlass zum Folgeurteil des BFH in der Sache "Lidl Belgium" ergangen sei, betreffe dies wohl nicht die rechtliche, sondern nur die tatsächliche Möglichkeit der Verlustberücksichtigung. Im Streitfall sei kumulativ eine rechtliche sowie tatsächliche und wirtschaftliche Endgültigkeit gegeben. Gleichwohl würde von den Klägern die Auffassung vertreten, dass eine Finalität auch aus tatsächlichen Gründen geltend gemacht werden könne, wobei für den Streitfall auch eine Finalität tatsächlicher Art vorliege. Der EuGH unterscheide nicht zwischen rechtlicher und tatsächlicher Nutzungsmöglichkeit von Verlusten, so dass der Nichtanwendungserlass der Verwaltung quasi eine inzidente Nichtanwendung der EuGH Rechtsprechung bedeute. Dies komme einer Aufforderung gleich, einen europarechtswidrigen Zustand fortzusetzen. Im "Wannsee Fall" sei es um die Berechtigung zur Nachforderung zunächst zugestandener Verluste gegangen, wobei nur dies als zulässig und nicht gemeinschaftswidrig qualifiziert worden sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der "Wannsee Entscheidung" eine bessere Behandlung erstrebt worden sei, als sie für einen Inlandsfall gegolten hätte. Die Entscheidung könne jedoch nicht auf endgültig gewordene Auslandsverluste, wie sie im Streitfall vorlägen, übertragen werden. Im Streitfall liege kein Vorteil vor, weil die Verluste im Jahr ihres Entstehens – anders als im Fall "Wannsee" – nicht abgezogen worden seien. Das Gemeinschaftsrecht gebiete einen Abzug endgültig gewordener Auslandsverluste im Inland. Für den von der Finanzverwaltung faktisch verfolgten Import-Stop von Auslandsverlusten gäbe es keine tragfähige Begründung.

Die Auffassung des Finanzamts, es sei zweifelhaft, ob der EuGH an der Finalität von Verlusten festhalten wolle, sei in Anbetracht des Urteils des EuGHs in der Sache "A Oy" nicht haltbar. Darin sei ausdrücklich bestätigt worden, dass eine nationale Regelung mit dem Unionsrecht unvereinbar sei, wenn dem Steuerpflichtigen nicht ermöglicht werde nachzuweisen, dass er die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Verlusten ausgeschöpft habe und dass es keine Möglichkeit gebe, diese Verluste zu berücksichtigen.

Ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen vom 27. August 2008 und vom 31. März 2010 des belgischen Ministeriums der Finanzen sei bewiesen, dass die Verluste endgültig seien, da die belgischen Behörden eine Geltendmachung der Verluste für die Vergangenheit und die Zukunft ausschlössen. Dergestalt sei die Finalität der Verluste aus rechtlichen Gründen belegt, obgleich dennoch auch an der Auffassung festgehalten werde, eine Finalität sei auch aus tatsächlichen Gründen zu bejahen. Denn tatsächlich konnten die Verluste in Belgien nicht geltend gemacht werden, weil die belgischen Behörden diese Auffassung vom DBA Belgien verträten.

Auch sei zu berücksichtigen, dass selbst für den Fall, dass in Belgien eine unbegrenzte Verlustgeltendmachung möglich wäre, eine Verlustverrechnung im Streitfall nicht zu erreichen sei. Die hohen Verluste seien in starkem Maße darauf zurückzuführen, dass das Büro in Brüssel dem Büro in M. und Z gedient habe, um den europarechtlichen Charakter der Kanzlei nach außen deutlich zu machen. Die Mandate seien zwar in M. bearbeitet worden, doch habe die Präsenz in Brüssel die europarechtliche Kompetenz der Kanzlei signalisiert. So habe beispielsweise eines der größten Mandate des Jahres 2009 gewonnen werden können, weil auch auf nach außen dargestellte Kompetenz in Brüssel verwiesen habe werden können. Hilfsweise müsse dieser Aspekt bei einer Zurechnung des Gewinns M./Brüssel besonders in den Veranlagungszeiträumen 2008 und 2009 Berücksichtigung finden.

Insoweit sei auch zu berücksichtigen, wie in der Aussetzungsentscheidung des FG München in der Streitsache 1 V 305/04 mit Beschluss vom 15. Februar 2005 angedacht, dass die Konzeption des Brüsseler Büros als "europäische Fassade" bewirke, dass dort im Verhältnis zum deutschen Büro Assistenzleistungen erbracht würden, welche dem deutschen Stammhaus gewinnmindernd zuzurechnen seien. Es bedürfe eines Hinweises des Gerichts, damit die Kläger taugliche Fakten vortragen könnten, die eine Zurechnung des Aufwandes des Brüsseler Büros zum deutschen Stammhaus ermöglichten. Genauere Ausführungen hierzu würden allerdings nur dann erfolgen, wenn die europarechtliche Sicht der Kläger als unzutreffend erachtet werde. Sollte die Zurechnung Relevanz besitzen, sei es am sinnvollsten, diese im Wege einer tatsächlichen Verständigung zu lösen. Die Frage der Gewinnaufteilung M./Brüssel sei für alle Veranlagungszeiträume noch offen. Es gäbe keine allgemeinen Grundsätze, nach denen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit einer festen Einrichtung zuzurechnen seien, so dass nach Art. 7 OECD-MA zu verfahren sei. Die Aufteilung sei schwierig, letztlich aber doch ohne weiteres möglich. Anzuwenden seien der Grundsatz des "Dealing-at-Arm`s-length", was im deutschen Recht der Direktmethode entspreche.

Der Kläger habe in Form der Bescheinigungen der belgischen Behörden nachgewiesen, dass die Verluste in Belgien nicht geltend gemacht werden könnten. Da die Bescheinigungen auf das Doppelbesteuerungsabkommen Bezug nähmen, ginge es nicht um eine Bestätigung internen belgischen Steuerrechts, sondern um die Anwendung des DBA Belgien nach Ansicht der belgischen Steuerbehörden.

Die Bescheinigungen der Brüsseler Behörden hätten insofern Bedeutung im Hinblick auf § 50d Abs. 9 EStG. Nach Ansicht der belgischen Behörden sei das Büro in Brüssel im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsabkommen nicht als Betriebsstätte in Belgien anzusehen. Die deutschen Steuerbehörden seien an diese Auffassung Belgiens gebunden. Die belgischen Steuerbehörden gingen von einem abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte aus, dass eine solche in Belgien nicht bestehe, so dass § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG zur Anwendung kommen müsse. Von § 50d Abs. 9 EStG würden sowohl positive wie auch negative Einkünfte erfasst. Er sei für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide anzuwenden. Dabei handle es sich um eine zulässige Rückwirkung, weil sie zugunsten der Kläger wirke. Einschränkungen der abkommensrechtlichen Versagung der Steuerfreistellung durch § 2a EStG ergäben sich nicht, da dieser zum einen nur für Drittstaaten gelte und soweit er doch Mitgliedstaaten erfasse, Einschränkungen nur für gewerbliche Einkünfte vorsehe.

Was die Geltendmachung nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung anbelange, ginge dies darauf zurück, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung regelmäßig auch Werbungskosten für Zinsen wegen Eigenkapitalfinanzierung geltend gemacht worden seien. Beispielhaft werde hierzu auf die Beträge der Jahre 1992 bis 1997 verwiesen. Bis 2002 – genaueres werde noch ermittelt – seien alle Objekte veräußert worden. Gleichwohl sei das Konto als Darlehenskonto für den Fall weitergeführt worden, dass sich die Rechtsprechung zur Frage der nachträglichen Werbungskosten ändern sollte. Da alle Bescheide ohnehin offen gewesen seien, seien die entsprechenden nachträglichen Werbungskosten nicht erklärt worden. Die Höhe der hieraus resultierenden Zinsen ergäbe sich für die Jahre 2002 bis 2004 aus den Bestätigungen der B-Bank vom 30. Januar 2013. Für frühere Jahre seien keine Bestätigungen der Bank mehr zu erhalten, der genaue Betrag werde aber noch ermittelt.

Da sich die Rechtsprechung des BFH zur Möglichkeit der Geltendmachung der Zinsen geändert habe, würde deren Berücksichtigung nun im Klageverfahren erstmalig nachträglich erfolgen. Insoweit werde auf die BFH-Entscheidung vom 20. Juni 2012 verwiesen. Die Verbindlichkeiten hätten nicht, respektive nur teilweise durch den Veräußerungserlös getilgt werden können. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Eigenkapitalfinanzierung.

Auf die Darstellung einer etwaigen Vermietungsabsicht komme es nicht an, jedenfalls sei dies der Entscheidung des BFH vom 8. April 2014 IX R 45/13 nicht zu entnehmen. Die Abziehbarkeit von Refinanzierungs- und Umschuldungsdarlehen ergebe sich aus den dort dargelegten Grundsätzen sowie aus dem Grundsatz der Surrogatsbetrachtung.

Die Kläger beantragen,

  • 1.unter Änderung der Einkommensteueränderungsbescheide für

    • 1989 und 1990 vom jeweils 23. Mai 1996, geändert jeweils am 4. Juli 2000,

    • 1991 vom 23. Mai 1996, zuletzt geändert am 20. Juli 2000,

    • 1992 vom 30. September 1997,

    • 1994 vom 30. September 1997, zuletzt geändert am 4. Juli 2000,

    • 1995 bis 1998 vom jeweils 14. Juni 2004,

    • 1999 und 2000 vom jeweils 15. November 2005,

    • 2001 bis 2003 vom jeweils 4. November 2005,

    1.jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2013,

    • a)die Verluste aus Vermietung und Verpachtung höher anzusetzen für

      • 1989 um 9.886 DM [5.054,63 EUR],

      • 1990 um … DM [… EUR],

      • 1991 um … DM [… EUR] und um … DM [… EUR] aus einem erhöhten Verlustrücktrag aus 1993,

      • 1992 um … DM [… EUR],

      • 1994 um … DM [… EUR],

      • 1995 um …,45 DM [… EUR],

      • 1996 um … DM [… EUR]

      • 1997 um …,13 DM [… EUR],

    • b)einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten für

      • 1998 in Höhe von … DM [… EUR],

      • 1999 in Höhe von … DM [… EUR],

      • 2000 in Höhe von … DM [… EUR],

      • 2001 in Höhe von … DM [… EUR],

      • 2002 in Höhe von … EUR

      • 2003 in Höhe von … EUR und einen um … EUR erhöhten Verlustrücktrag aus 2004 anzusetzen,

    • c)bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit aus dem Unterhalt eines Büros in Brüssel Verluste nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts, sondern als Betriebsausgaben zu berücksichtigen für

      • 1991 in Höhe von … EUR sowie … EUR aus einem erhöhten Verlustrücktrag aus 1993,

      • 1992 in Höhe von … EUR,

      • 1994 in Höhe von … EUR,

      • 1995 in Höhe von … EUR,

      • 1996 in Höhe von … EUR,

      • 1997 in Höhe von … EUR,

      • 1998 in Höhe von … EUR,

      • 1999 in Höhe von … EUR

      • 2000 in Höhe von … EUR

      • 2001 in Höhe von 47.793 EUR,

      • 2002 in Höhe von … EUR

      • 2003 in Höhe von … EUR und in Höhe von … EUR aus einem erhöhten Verlustrücktrag aus 2004

    1.und die Einkommensteuer 1989 bis 2003 entsprechend festzusetzen,

  • 2.unter Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2004 vom 13. Juli 2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2013, einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten für 2004 in Höhe von … EUR und bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zusätzliche Verluste aus dem Unterhalt eines Büros in Brüssel nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts, sondern als zusätzliche Betriebsausgaben in Höhe von … EUR zu berücksichtigen und diese nach 2003 zurückzutragen.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt verweist auf die Entscheidung des BFH vom 9. Juni 2010 I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744 und meint, der Kläger habe keine überzeugenden Gründe angeführt, weshalb die geltend gemachten Verluste "final" im Sinne dieser Rechtsprechung sein sollten. Auch stütze die Entscheidung "A Oy" nicht die Annahme des Klägers, dass finale Verluste vorlägen. Das Urteil habe lediglich klargestellt, dass selbst die (tatsächliche) Aufgabe einer festen Einrichtung dort angefallene Verluste nicht "final" mache.

§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht anwendbar. Nach Auffassung des Finanzamts gelte er – ungeachtet anderer Meinungen in der Literatur – nur für positive Einkünfte. Der Wortlaut der Norm nehme Bezug auf die "Gewährung einer Freistellung von Einkünften". Eine Freistellung könne es nur für positive Einkünfte geben. Für den Streitfall strebe der Kläger die Freistellung der Einkünfte gerade nicht an, vielmehr wolle er deren Berücksichtigung im Inland erreichen.

Auch werde die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG angezweifelt. Bei Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung könne dies nur unterschiedslos für belastende sowie auch für die im Streitfall angestrebte günstige Rückwirkung gelten.

Auch sei kein Qualifikationskonflikt erkennbar. Belgien und Deutschland ordneten die Einkünfte des Klägers Art. 14 DBA Belgien zu. Es sei dem Finanzamt auch nicht aus anderen Quellen bekannt, dass Belgien Art. 14 DBA Belgien anders als Deutschland auslegen würde.

Es sei insbesondere nicht erkennbar, dass Belgien das Vorliegen einer Betriebsstätte geprüft habe. Die vorgelegten Bescheinigungen der belgischen Behörden seien lange nach den Streitjahren erstellt worden. Aus ihnen sei nicht ersichtlich, was die belgischen Behörden geprüft hätten, welche Unterlagen diesen bei einer etwaigen Prüfung vorgelegen hätten. Die Ansicht der belgischen Behörden, die Verluste seien nicht in Belgien zu besteuern, könne auch darauf beruhen, dass diese dort nie erklärt worden seien oder untergegangen seien, da es im belgischen Recht keinen Verlustvortrag gebe. Soweit Verluste aus belgischem Recht untergegangen seien, könne § 50d Abs. 9 EStG nicht greifen.

Auch komme es nicht auf das Vorliegen einer "Betriebsstätte" aus belgischer Sicht an, sondern auf das Vorliegen einer "festen Einrichtung". Es sei aufgrund belgischen Rechts eine Besteuerung unterblieben, weshalb es weder zur Anwendung des § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG komme, noch die europarechtliche Abzugsfähigkeit finaler Verluste in Betracht komme.

Den vorgelegten Steuererklärungen komme keine Beweiskraft zu. Insbesondere seien sie kein Nachweis dafür, dass die belgischen Behörden das Vorliegen einer "festen Einrichtung" abschlägig beschieden hätten.

Da der Kläger nach den Streitjahren das Brüsseler Büro weiter betrieben habe, im Jahr 2008 sogar einen Gewinn aus Belgien erklärt habe und noch aktuell auf seinem Briefkopf eine Brüsseler Büroadresse angebe, komme der Abzug finaler Verluste für die Streitjahre nicht in Betracht, da es an einer "Finalität" fehle.

Für die im Jahr 1992 veräußerten Mietobjekte fehle es an einem fortdauernden Vermietungszusammenhang, da die Vermietungsabsicht bereits vor Verkauf dieser Objekte aufgegeben worden sei. Die insoweit für die Jahre 1989 bis 1995 geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen könnten nur diese Objekte betreffen, da die anderweitig erklärten Schuldzinsen im Rahmen der durchgeführten Veranlagungen anerkannt worden seien. Das vom Kläger zitierte Urteil des BFH vom 8. April 2014 IX R 45/13 sei für die Streitjahre 1989 bis 1995 nicht relevant.

Zwar sei die Anlage K35 (Geldverkehrsrechnung 1995 bis 1998) nicht den endgültigen Prüfungsfeststellungen zu entnehmen, es werde jedoch davon ausgegangen, dass entsprechende Feststellungen seitens des Prüfers getroffen worden seien. Das Urteil des BFH vom 8. April 2014 IX R 45/13 räume die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen nur ein, wenn und soweit Verbindlichkeiten durch den Verkaufserlös nicht gedeckt worden seien. Die hierzu im Schriftsatz des Klägers vom 12. November 2014 erfolgten Erläuterungen und Berechnungen seien ohne Nachweise, wobei eine Zusammenstellung der vom Kläger dargetanen Zahlen bei jedem Objekt zu Differenzbeträgen führe.

Auch sei es weder plausibel noch nachvollziehbar, dass sich im Vergleich der Jahre 2001 und 2002 eine Steigerung der Zinsen von … DM auf … EUR und damit auf etwa das Doppelte vollzogen habe. Im Übrigen könnten aus den Bestätigungen der B-Bank keine Schlussfolgerungen gezogen werden.

Nach dem BMF-Schreiben vom 27. Juli 2015 könne für vor dem 1. Januar 1999 getätigte Grundstücksveräußerungen kein nachträglicher Werbungskostenabzug berücksichtigt werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 FinanzgerichtsordnungFGO – sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2016 verwiesen.

Gründe

II.

Die Klage ist begründet, soweit für die Streitjahre 1991 bis 2004 der Aufwand für den Betrieb des Büros in Brüssel nur unter dem Progressionsvorbehalt und nicht als Betriebsausgabe Berücksichtigung bei den selbständigen Einkünften gefunden hat. Dies gilt mit der Maßgabe, dass im Jahr 1999 eine Berücksichtigung positiver Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus Objekt 9 in Höhe von 3.674,26 EUR (7.186,22 DM) im Rahmen der Fehlerkorrektur des § 177 AO stattzufinden hat und der Progressionsvorbehalt wegen Erzielung ausländischer Einkünfte wegfällt.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Soweit die Kläger Anträge zur Berücksichtigung von Werbungskosten für das Jahr 1993 gestellt haben, waren diese dergestalt auszulegen, dass ein entsprechend erhöhter Verlustrücktrag bei der Einkommensteuerfestsetzung 1991 begehrt wird.

Nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG in der für 1993 geltenden Fassung können Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von insgesamt X Millionen Deutsche Mark wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten, dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird über die Höhe des Verlustabzugs nach § 10d EStG nicht im Jahr der Entstehung des Verlusts, sondern im Abzugsjahr entschieden. Beschwert wird ein Steuerpflichtiger durch die Steuerfestsetzung. Bei sog. Nullbescheiden fehlt deshalb regelmäßig eine Beschwer.

Da die Steuerfestsetzung des Jahres 1993 auf 0 DM lautet, ist eine Berücksichtigung eines erhöhten, in diesem Jahr nicht abzugsfähigen Verlustes nur bei der Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 1991 möglich.

Der Klageantrag, der für die Berücksichtigung der erhöhten Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus selbständiger Tätigkeit im Jahr 1993 keinen eindeutigen Antrag formuliert, war daher, bestmöglichen Rechtsschutz gewährend, entsprechend dahingehend auszulegen, als ein erhöhter Verlustabzug bei der Einkommensteuerfestsetzung 1991 begehrt wird.

2. Das Finanzamt hat zu Recht in sämtlichen Streitjahren Aufwendungen im Zusammenhang mit den veräußerten Objekten, ab Beendigung der Mietverhältnisse nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

a) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG).

Ein steuerrechtlich anzuerkennender wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjektes zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. (Fussnote 1:vgl. BFH, Urteil vom 16. September 2015 IX R 40/14, BFH/NV 2016, 294)

Mit der erstmaligen (d.h. tatsächlichen) Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt. Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche in der beschriebenen Weise der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienen und mithin durch diese Einkünfte veranlasst sind, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. (Fussnote 2:vgl. BFH, Urteil vom 16. September 2015 IX R 40/14, BFH/NV 2016, 294)

Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können im Einzelfall durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein. Die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steht unter dem Vorbehalt der vorrangigen Schuldentilgung; denn ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist zu verneinen, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Erlös aus der Veräußerung des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können. (Fussnote 3:BFH, Urteile vom 8. April 2014 IX R 45/13, BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635; vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 27. Juli 2015, BStBl I 2015, 581, unter 1.)

Für die Berücksichtigung nachträglicher Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gelten nach der von Seiten des BFH erfolgten Neuausrichtung seiner Rechtsprechung, die in Anbetracht des Einbezugs privater Veräußerungserlöse in die Besteuerung (Fussnote 4:BFH, Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 (BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275; vom 8. April 2014 IX R 45/13, BFH/NV 2014, 1151) erfolgte, zweierlei Ausnahmen.

So kommt eine Berücksichtigung dann nicht in Betracht, wenn ein einmal begründeter wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zwischenzeitlich nicht mehr besteht, und zum anderen, wenn der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung der im Zusammenhang mit der Vermietungseinkunft stehenden Darlehen verwendet wurde.

So ist in dem die Änderung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei Vermietung und Verpachtung einleitenden Urteil IX R 67/10 dargelegt, dass ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, entsprechend der rechtlichen Behandlung nachträglicher Schuldzinsen auf Betriebsschulden, nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs als Betriebsausgaben (Fussnote 5:s. BFH, Urteile vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642; vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353) dann zu verneinen ist, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). In diesem Fall beruht die Entscheidung des Steuerpflichtigen, im Veräußerungszeitpunkt noch valutierende Darlehensschulden nicht oder nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer privaten Motivation, die den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagert. (Fussnote 6:vgl. Jachmann/Schallmoser, Deutsches Steuerrecht 2011, 1245, 1249) Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG kann ferner dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich – etwa mit Blick auf eine dauerhaft angelegte Vermietung des maßgeblichen Objektes – mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, (Fussnote 7:zur Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht vgl. BFH, Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; zur Übernahme der Typisierung durch den Gesetzgeber s. die Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) sowie die hierzu gegebene Gesetzesbegründung in BRDrucks 54/11, 51) seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjektes aus anderen Gründen weggefallen ist.

Die Rechtsprechungsänderung erfolgte, um den Änderungen, die mit der Neufassung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 einhergingen, Rechnung zu tragen.

Nicht angezweifelt wurde dabei die Fortgeltung der beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen, wie sie vor dem Hintergrund der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in den Fassungen vor 1999 galt. (Fussnote 8:Vgl. BFH, Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275 dort Ziff. II. 2.a) der Gründe)

Ohne dass es auf eine Rechtsprechungsänderung angekommen wäre, schied die Annahme eines – kreditfinanzierten – nichtsteuerbaren Verlustes in der privaten Vermögenssphäre von jeher bereits dann aus, wenn der Steuerpflichtige während der Vermietungstätigkeit Aufwendungen mit Kredit finanzierte, die als Werbungskosten sofort abziehbar sind (z.B. Erhaltungsaufwendungen, sonstige Hauskosten), da die während der Vermietungstätigkeit (der Widmung des Gebäudes zur Einkünfteerzielung) getätigten sofort abziehbaren Werbungskosten nur die Einkunftssphäre betreffen. Der insoweit durch die tatsächliche Verwendung des Kredits geschaffene wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bleibt auch nach der Veräußerung des Wirtschaftsgutes bestehen und die nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit anfallenden Kreditzinsen sind für derartige Zusammenhänge von jeher als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. (Fussnote 9:Vgl. BFH, Urteil vom 16. September 1999 IX R 42/97 FR 2000, 104)

Weiterhin zu berücksichtigen ist die ständige Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Vermietungsobjekte, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leerstehen. Danach ist Aufwand auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der jeweiligen Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzungen einer (fort-) bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. (Fussnote 10:Vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 13. Januar 2015 IX R 46/13, juris, DStZ 2015, 289)

b) Vorstehende Auslegungsgrundsätze zugrunde legend, kommt für die im Jahr 1990 veräußerten Objekte weder eine Berücksichtigung der nach Kündigung der Mietobjekte angefallenen Werbungskosten in Betracht, so dass sich die Kürzungen der Betriebsprüfung für die Jahre 1989 von 9.886 DM, 1990 von … DM und 1991 von … DM als jeweils rechtmäßig erweisen, noch kommt für spätere Jahre die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen, auch unter Einbezug der neuen Rechtsprechung des BFH in Betracht.

aa) So ist die Rechtsprechungsänderung für die drei im Jahr 1990 veräußerten Objekte bereits deshalb nicht einschlägig, weil die Gesetzesänderung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 für diese VuV-Objekte keine Relevanz zu erlangen vermochte.

bb) Hinzukommt, dass selbst unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung, ein Einbezug von Werbungskostenüberhängen grundsätzlich nicht in Betracht kommt, weil nach den tatsächlichen Umständen hinsichtlich dieser Objekte die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung durch die Kläger vorzeitig beendet wurde.

So gilt es zu berücksichtigen, dass die bestehenden Mietverträge, nach den Feststellungen der Betriebsprüfung, die weder bestritten noch widerlegt wurden, von Seiten der Kläger gekündigt worden sind und im Anschluss ein Leerstand erfolgte. Gründe für die Kündigungen, insbesondere Gründe, die darauf schließen ließen, dass die Kündigungen nicht im Zusammenhang mit der Aufgabe einer Vermietungsabsicht stünden, haben die Kläger auch auf Nachfrage in der Aufklärungsanordnung des Gerichts vom 13. Oktober 2014 nicht genannt. Im Anschluss an die Kündigungen standen die Wohnungen vier und zwölf Monate leer, ohne dass erkennbare Bemühungen unternommen worden wären, diese erneut zu vermieten.

Eine, nach Vortrag der Kläger, nach wie vor erwogene Möglichkeit der Vermietung, hat sich in keiner Weise in einer nach außen nachvollziehbaren Handlung objektiviert. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung sind nach Kündigung der Wohnungen und in der Zeit ihres Leerstandes aktiv ausschließlich Verkaufsbemühungen erfolgt, die letztlich dann auch zu einem Verkauf der Objekte führten. Die Kläger haben hierzu erklärt, dass dem Betriebsprüfer sämtliche Belege zur Verfügung gestellt worden seien. Dies ernst nehmend, lässt sich nur davon ausgehen, dass die Kläger tatsächlich keinerlei Vermietungsbemühungen in den Zeiten des Leerstandes betrieben haben.

In der Folge kann objektiv auch nur davon ausgegangen werden, dass die Kläger ihre Absicht der Nutzung dieses Immobilienvermögens durch Vermietung mit Kündigung der Mietverträge aufgegeben haben, zugunsten einer, von nun an ausschließlich verfolgten Absicht der Nutzung dieses Immobilienvermögens durch Umschichtung im Wege der Veräußerung. Mit Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht durch Vermietung, nach außen durch die aktive Kündigung der Mietverträge dokumentiert, ist mangels Vorliegen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung eine Geltendmachung von Aufwand insoweit nicht mehr möglich.

cc) Auch eine anderweitige Berücksichtigung der von den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen erschließt sich nicht.

Zwar haben die Kläger drei Objekte veräußert. Anhaltspunkte, dass sie dadurch einen gewerblichen Grundstückshandel begründet hätten, lassen sich jedoch nicht finden. Entsprechende Feststellungen wurden weder von der Betriebsprüfung getroffen, noch von den Klägern dargelegt, noch sind sie aus den Akten erkennbar. Da die Vermögensumschichtungen der Immobilien nach der im Streitzeitraum geltenden Rechtslage im privaten Vermögensbereich erfolgten, kommt auch keine anderweitige Möglichkeit der Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen im Zusammenhang mit diesen Objekten in Betracht.

dd) Doch selbst wenn man, zu Gunsten der Kläger, nicht von der Aufgabe der Vermietung dieser Objekte ausgehen wollte, käme eine Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen nicht in Betracht, da es insoweit an den tatsächlichen weiteren Voraussetzungen fehlt.

So wurden die Kläger unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung aufgefordert unter Vorlage von Unterlagen darzulegen, welche Darlehen (Vorlage der Darlehensverträge) zur Anschaffung der Vermietungsobjekte (Angabe und Nachweis des Anschaffungszeitpunkts), in deren Zusammenhang ein nachträglicher Schuldzinsenabzug begehrt wird (separat für jedes Vermietungsobjekt), aufgenommen wurden und in welcher Höhe die Darlehen zum Zeitpunkt des Verkaufs noch valutierten (Abrechnungen der jeweiligen Banken).

Die im Anschluss erfolgten Ausführungen und vorgelegten Unterlagen der Kläger lassen nicht erkennen, welcher konkrete Aufwand im Zusammenhang mit den VuV-Objekten finanziert wurde, insbesondere nicht, ob, respektive dass die Finanzierung von Erhaltungsaufwand erfolgt wäre, was auch eine nachgängige steuerliche Berücksichtigung einräumte.

Auch aus den Akten lässt sich hierzu nichts feststellen, da auch der Betriebsprüfer vermerkt hat, er habe Anlass und Höhe der Darlehen nicht weiter überprüft.

Da Konto und Festkredit ohne konkrete Zweckangabe sind, lässt sich auch hieraus nicht erschließen, welcher konkrete Zusammenhang mit den Vermietungsobjekten bestand.

Ebenso wenig sind konkrete Erkenntnisse dazu verfügbar, wieviel für die Objekte erlöst wurde und was mit dem Erlös konkret geschah.

Es lässt sich eine Feststellung, dass die Verkaufserlöse nicht zur Tilgung der im Zusammenhang mit der Finanzierung der zu ihrer Anschaffung aufgenommenen Darlehen ausgereicht hätten, unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen ebenso wenig treffen, wie eine Feststellung, dass Darlehen nach deren Veräußerung verblieben seien, die zur Finanzierung sofort abzugsfähiger Werbungskosten dieser Objekte gedient hätten.

Dieses Feststellungsdefizit geht zu Lasten der Kläger, auch wenn es hierauf nach Ansicht des Senats, der eine Berücksichtigung von Schuldzinsen für diese Objekte aus anderen Gründen bereits nicht für möglich hält, letztlich nicht ankommt.

ee) Nach den vorliegenden Unterlagen wurden die weiteren sechs VuV-Objekte erst ab dem Jahr 1997 veräußert, wobei zu einem Objekt weder das Veräußerungsdatum noch sonstige Daten näher bekannt sind.

Auch für diese Objekte kommt die Berücksichtigung von nachträglichen Werbungskosten nicht in Betracht.

3. Für diese ab dem Jahr 1997 veräußerten Vermietungsobjekte liegen die Voraussetzungen für einen nachträglichen Schuldzinsabzug nicht vor.

a) Soweit diese Objekte vor dem 1.1.1999 veräußert wurden, ist auch hier die Rechtsprechungsänderung nicht einschlägig, weil die Gesetzesänderung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 für sie keine Relevanz zu erlangen vermochte.

b) Hinzukommt, dass die von den Klägern vorgelegten Unterlagen es unabhängig davon nicht erlauben, zuverlässig einen konkreten rechtlich fixierbaren Zusammenhang zwischen den von den Klägern als nachträgliche Werbungskosten geltend gemachten Zinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung herzustellen.

So fehlt es hinsichtlich zweier Objekte vollständig an Angaben über den erzielten Verkaufspreis und dessen Verwendung.

Soweit im Zusammenhang mit anderen Objekten Unterlagen vorgelegt wurden erlauben diese nicht einen Zusammenhang mit nachträglichen Werbungskosten aus VuV herzustellen, da nicht nachzuvollziehen ist, in welchem Umfang die Verkäufe tatsächlich zu nicht ausgeglichenen Darlehensvaluta geführt haben.

Die für eine Berücksichtigung erforderlichen Feststellungen können auch nicht durch die Ausführungen unter Ziff. 1.9 im Betriebsprüfungsbericht zu den Jahren 1995 bis 1998 ersetzt werden. Der Betriebsprüfer vermerkt dort unter Ziff. 5 "Im Rahmen der BP wurde beantragt Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen (1995: … DM; 1996: … DM; 1997: … DM); 1998: kein). Die angefallenen Schuldzinsen sind durch Anschaffungsdarlehen für bereits veräußerte Immobilien angefallen. Lt. der bisherigen Rechtsprechung ist eine steuerliche Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur dann möglich, wenn und soweit diese Schuldzinsen auf sofort abzugsfähigen Werbungskosten während der Vermietungsphase entfallen… Der insofern geltend gemachte Aufwand bezieht sich, wie aus der Anlage zur Einkommensteuererklärung 1996 hervorgeht, auf die im Jahr 1990 veräußerten Objekte. Dies geht auch aus der Anlage zur Einkommensteuererklärung 1997 hervor, welcher sich auf den Betrag von … DM bezieht, welcher im Rahmen der BP zu den VuV-Einkünften 1997 strittig war und ausschließlich die veräußerten Objekte betreffen soll. Dass für diese Objekte bereits aus grundsätzlichen Erwägungen kein nachträglicher Werbungskostenabzug in Betracht kommt, wurde bereits unter Ziff. II. 2. der Gründe ausgeführt.

Weiter hinzukommt, dass gerade für die Jahre 1998 und 1999, in welchem der Kläger offensichtlich seine letzten "Bauherrenobjekte" veräußert hat, keinerlei Bankunterlagen vorliegen, die über den Verbleib von Anschaffungsaufwand aus den VuV-Objekten Aufschluss gewähren könnten. Auch ist nichts über die Neuordnung des Darlehensvertrages über … DM mit der Darlehensnummer XY bekannt, dessen Laufzeit am 30. Juni 1998 endete.

Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit einer Einkunftsart als Voraussetzung für den steuermindernden Abzug der geltend gemachten Aufwendungen trägt der Steuerpflichtige.

Es geht zu Lasten der Kläger, dass ungeachtet der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollzogen werden kann, dass die von den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen im Zusammenhang und, wenn ja, in welchem, mit ehemaligen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen.

4. Die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Büros in Brüssel sind gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in den jeweiligen Streitjahren zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 14 Abs. 1 des DBA Belgien können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Staat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt (Satz 1). Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so können die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie der Tätigkeit, die über diese feste Einrichtung ausgeübt wird, zugerechnet werden können (Satz 2).

Zwar hat der Kläger, nach Auffassung des Senats, in den Streitjahren durch den Betrieb des Büros in Brüssel Einkünfte aus einer "festen Einrichtung" im Sinne des Art. 14 DBA Belgien erzielt. Da die belgischen Behörden jedoch, belegt durch die die amtlichen Bescheinigungen vom 27. August 2008 und 31. März 2010, von einem anderen Abkommensverständnis ausgehen und die Einkünfte nach DBA als in Belgien nicht steuerbar qualifizieren, entfällt gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG deren Freistellung nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA Belgien und führt zu deren Berücksichtigung bei der inländischen Bemessungsgrundlage der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

a) Der entscheidende Senat vertritt die Auffassung, dass das vom Kläger in sämtlichen Streitjahren in Brüssel unterhaltene Büro als "feste Einrichtung" im Sinne des Art. 14 DBA Belgien zu qualifizieren ist und Belgien damit – nach deutschem Abkommensverständnis – die Einkünfte aus diesem Büro zugewiesen sind.

aa) Der Begriff "feste Einrichtung" bedarf für den Streitfall der konkreten Festlegung, da mit streitentscheidend ist, ob das Büro nach Art seiner Nutzung – wie vom Kläger bestritten – überhaupt als "feste Einrichtung" im Sinne des Abkommens zu qualifizieren ist und damit überhaupt geeignet ist, ein Besteuerungsrecht Belgiens für dort erwirtschaftete Gewinne respektive Verluste auszulösen.

bb) Das DBA Belgien selbst regelt den Begriff der "festen Einrichtung" im Gegensatz zu demjenigen der "Betriebsstätte" nicht umfassend. (Fussnote 11:vgl. Straka in Debatin/Wassermeyer DBA Belgien Art. 14 Rdz. 13)

aaa) Für den Fall einer fehlenden abkommensrechtlichen Definition bestimmt Art. 3 Abs. 2 DBA Belgien, wie auch Art. 3 Abs. 2 OECD-Musterabkommen (MA), dass ein Begriff die Bedeutung erhält, welche ihm nach innerstaatlichem Recht zukommt, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert.

Eine innerstaatliche Bedeutung kommt danach nicht zum Tragen, wenn der Zusammenhang innerhalb des Abkommens eine sogenannte abkommensautonome Auslegung (Fussnote 12:z.B BFH, Urteil vom 28. April 2010, I R 81/09, BStBl II 2014, 754, allgemein Dürrschmitt in Vogel/Lehner DBA Art. 3 Rz. 116a) erfordert.

Die Festlegung, ob der Zusammenhang eine abkommensautonome Auslegung erfordert, ist durch Auslegung zu ermitteln.

bbb) Der Senat teilt die Ansicht des Klägers, dass für den Begriff der "festen Einrichtung" eine abkommensautonome Auslegung zu wählen ist, da der Begriff in rechtssystematisch relevanter Weise Einfluss auf die Verteilungsnormen des Art. 14 und 7 DBA-Belgien nimmt und geeignet ist, diesen Bestimmungen, je nach Auslegung, ihre Wirkung zu nehmen. (Fussnote 13:vgl. Dürrschmitt in Vogel/Lehner DBA Art. 3 Rz. 116c)

cc) Zur Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" geht der BFH in Anlehnung an sein Urteil vom 11. April 1990 (Fussnote 14:BFH, Urteil vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143) davon aus (Fussnote 15:BFH, Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 99/08, BStBl II 2011, 1019), dass der Begriff der "festen Einrichtung" für die freiberufliche Tätigkeit im Wesentlichen dem Begriff der "Betriebsstätte" im Bereich der Unternehmensgewinne entspricht. Dazu wird ausgeführt  (Fussnote 16:BFH, Urteil vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143 ), dass es sich bei der "festen Einrichtung" gewissermaßen um die Betriebsstätte eines Freiberuflers handelt (Fussnote 17:BFH Urteile vom 12. Oktober 1978 I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; vom 22.März 1966 I 65/63, BFHE 85, 456, 459, BStBl. III 1966, 463) ), für die ein Verfügungsrecht des selbständig Tätigen vorausgesetzt wird. (Fussnote 18:BFH, Urteil vom 3. Februar 1988 I R 369/83, BFHE 152, 485, 487, BStBl. II 1988, 486) Der Nutzende muss eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann. (Fussnote 19:BFH, BStBl. II 2011, 1019; BFH, Urteil vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462)

Eine feste Einrichtung erfordert dabei nicht nur eine Einrichtung, die Grundlage einer Unternehmertätigkeit sein kann. (Fussnote 20:BFH, BStBl. II 1993, 462 ) Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht von gewisser Dauer sein. Denn durch den Begriff der festen Einrichtung drückt sich eine besonders intensive Verwurzelung der selbständigen Arbeit mit dem Ort ihrer Ausübung aus. Eine entsprechende Verwurzelung kann aber nur angenommen werden, wenn der Bezug der Tätigkeit zum Ort ihrer Ausübung auf eine gewisse Dauer angelegt ist. (Fussnote 21:BFH, Urteil vom 28.06.2006 I R 92/05, BStBl II 2007, 100 ) Eine Einrichtung, die nur vorübergehend der selbständigen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, ist nicht "fest". Nach der Rechtsprechung des BFH ist hierfür eine Zeitspanne von mindestens sechs Monaten anzusetzen. (Fussnote 22:BFH, Urteil vom 19. Mai 1993 I R 80/92, BFHE 171, 297, BStBl II 1993, 655)

dd) Diese Voraussetzungen berücksichtigend sind die als vollwertige Kanzlei ausgestatteten Räume des Klägers in Brüssel ohne vernünftige Zweifel als "feste Einrichtung" im Sinne des DBA Belgien zu qualifizieren. Es handelt sich dabei um auf Dauer angemietete Räumlichkeiten, durch die ein Bezug der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers zu Belgien auf Dauer geschaffen wurde. Dies bereits schon dann, wenn man – wie es der Kläger gerne möchte – allein davon ausgeht, dass die Räumlichkeiten nur der Repräsentanz der M. Kanzlei gedient haben. Die Frage der konkreten Tätigkeit in den Räumen vermag, nach Ansicht des Senats, allein Bedeutung dafür zu erlangen, in welcher Höhe Einnahmen durch anwaltliche Betätigung in Brüssel dem belgischen Staat zuzuordnen sind.

ee) Dementgegen qualifizieren die belgischen Behörden die Kanzlei in Brüssel, ausweislich der vorgelegten Bestätigungen, nicht als "feste Einrichtung" im Sinne des DBA Belgien.

An der Echtheit der vorgelegten Bestätigungen bestehen auch nach Ansicht des Finanzamts keine Zweifel.

Der Senat hält die Bestätigungen auch ihrem Inhalt nach für eindeutig. Es gab daher keinerlei Veranlassung Beweiserhebungsersuchen des Klägers zum Inhalt der Bestätigungen oder zu deren Zustandekommen nachzugehen.

Soweit das Finanzamt einwendet, den Bestätigungen sei nicht zu entnehmen, welche Sachverhaltselemente im Einzelnen die belgischen Behörden ihrer Bestätigung zu Grunde gelegt hätten, trifft dies zwar zu, vermag aber letztlich insoweit keine Bedeutung zu erlangen, als offensichtlich ist, dass die belgischen Behörden den Sachverhaltskomplex Unterhalt der Kanzlei in Brüssel ihrer Beurteilung zugrunde gelegt haben und über diesen Sachverhaltskomplex durch eine Begehung und durch eingereichte Steuererklärungen dem Grunde nach informiert waren. Damit ist auszuschließen, dass die belgischen Behörden einen anderen Sachverhalt als den Betrieb der Kanzlei in Brüssel ihren Bestätigungen zugrunde gelegt haben. Die Gewichtung, welcher einzelnen Sachverhaltselemente sich die letztlich seitens der belgischen Behörden erfolgte Wertung gründet, kann für die Entscheidung des Streitfalls dahingestellt bleiben, da es insoweit allein auf den von den belgischen Behörden gefundenen Rechtsfolgenausspruch ankommt.

So ist angesichts des Vortrags der Kläger mit Schriftsatz vom 12. November 2014 nebst Unterlagen gesichert, dass den belgischen Behörden der Sachverhalt in Form von Steuererklärungen in Belgien zur Kenntnis gebracht worden ist und sie auf Basis dieser Kenntnisse zu ihrer Entscheidung gelangt sind. Ebenso wenig bestehen vernünftige Zweifel daran, dass im Jahr 1998 eine Begehung der Brüsseler Kanzlei durch die belgischen Finanzbehörden stattgefunden hat.

Im Gegensatz zum Finanzamt sieht der Senat keine Möglichkeit der Auslegung, dass die Bestätigungen, welche für die Jahre 1990 bis 2006 rechtlich relevant sind, allein Folge einer Anwendung innerstaatlichen belgischen Rechts über die Abzugsfähigkeit dort erwirtschafteter Verluste sein könnten. Zwar bergen sowohl der zweite, wie auch der dritte Rechtsfolgenausspruch der Bestätigungen die Möglichkeit, es könne sich um die Anwendung innerstaatlichen Rechts handeln insoweit, als keine Steuerpflicht als Nichtansässiger in Belgien bestehe und ein Verlustvortrag für die Jahre 1990 bis 2006 nicht in Frage komme. Demgegenüber eindeutig bezieht sich jedoch der erste der drei Rechtsfolgenaussprüche darauf, dass "die Kanzlei" nicht als in Belgien ansässig im Hinblick auf die Anwendung des DBA Belgien/Deutschland angesehen wird. Selbst wenn der Rechtsfolgenausspruch über die fehlende Ansässigkeit im Sinne des DBA Belgien über innerstaatliche belgische Rechtsnormen hergeleitet worden sein sollte, handelte es sich um eine Auslegung des DBA Belgien insoweit, als hinsichtlich der Ansässigkeit eine Anwendung innerstaatlichen Rechts Belgiens möglich sei.

Die rechtlichen Argumente, die unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Normen – wie Art. 14, Art. 5, Art 3 Abs. 2 DBA Belgien und an Art. 3 Abs. 2 DBA Belgien anknüpfend gegebenenfalls nationale Normen – die belgischen Behörden zu dem von ihnen gefundenen abkommensrechtlichen Ergebnis geführt haben, konnten für die Urteilsfindung dahingestellt bleiben, da es hierauf im Einzelnen nicht ankommt.

ff) Der Senat hält die von den belgischen Behörden in ihren Bestätigungen vertretene Ansicht der "Nichtansässigkeit" der "Kanzlei" im Sinne des DBA Belgien für nicht zutreffend.

Zu einem derartigen von den belgischen Behörden in ihrem Rechtsfolgenausspruch vertretenen Abkommensverständnis könnte man dann gelangen, wenn man einerseits die eine Betriebsstätte ausschließenden leges speziales des Art. 5 Abs. 3 DBA Belgien auf das Vorliegen einer "festen Einrichtung" für analog anwendbar hält, und zudem die Art des Betreibens der Kanzlei in Belgien in den Streitjahren sich dergestalt qualifizierte, als sie dem Zweck diente zu werben, Informationen zu erteilen, oder durch ähnliche Tätigkeiten vorbereitender oder helfender Art geprägt war.

aaa) Die Frage, ob der Begriff der "Betriebsstätte" auch dann für die "feste Einrichtung" im Sinne des Art. 14 DBA Belgien auslegungsbestimmend ist, wenn es darum geht, dass ein DBA, wie Art. 5 Abs. 3 DBA Belgien, entsprechend dem MA in Art. 5 Abs. 4 MA, Einschränkungen zur Annahme einer "Betriebsstätte" bereithält, indem die Ausübung bestimmter Tätigkeiten in den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten das Vorliegen einer Betriebsstätte wiederum ausschließt, wurde bislang noch nicht höchstrichterlich entscheiden.

bbb) Allein eine schlichte Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" unter Berücksichtigung des Gesetzeszusammenhangs vermag nicht dazu zu führen, die Ausnahmeregelungen des Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien auch auf den Begriff der "festen Einrichtung" anzuwenden. Denn es verbietet sich generell, eine Auslegung des Abkommens entgegen dessen Wortlaut vorzunehmen, und das Abkommen verwendet die Begriffe "feste Einrichtung" und "Betriebsstätte" mit offensichtlich unterschiedlicher Bedeutung.

So setzt Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien seinem Wortlaut nach zunächst das Vorliegen einer festen (Geschäfts-) Einrichtung voraus. Unabhängig vom Vorliegen einer solchen "festen Einrichtung" wird dann eine Qualifikation als "Betriebsstätte" ausgeschlossen, wenn in der "festen Einrichtung" bestimmte, der gewerblichen Tätigkeit lediglich dienende oder vorbereitende Arbeiten ausgeübt werden. Die Regelung des Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien macht damit deutlich, dass das Abkommen den Begriffen "feste Einrichtung" und "Betriebsstätte" durchaus unterschiedliche Bedeutung zumisst, als zwar das Bestehen einer "Betriebsstätte" per Ausnahmeregelung negiert wird, in der Ausnahmeregelung aber gleichwohl vom Bestehen einer "festen Einrichtung" ausgegangen wird.

Hinzukommt, dass es einer derartigen Ausnahmeregelung wie des Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien nicht bedürfte, wenn bereits die innergesetzliche Auslegung vorgäbe, nicht von einer Betriebsstätte/festen Einrichtung auszugehen, wenn dort nur Tätigkeiten untergeordneter Art ausgeübt würden. Insofern kann auch die einschränkende Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" nicht dazu führen, zu einem Verständnis zu gelangen, dass von einer solchen nicht auszugehen sei, wenn dort nur der Haupttätigkeit dienende oder untergeordnete Tätigkeiten ausgeübt werden.

Insofern stellt Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien ähnlich Art. 5 Abs. 4 MA ein lex specialis (Fussnote 23:Vgl. Görl in Vogel/Lehner DBA Art. 5 Abs. 4 Rdz. 85 ) zum gemeinhin gültigen Begriff der Betriebsstätte dar.

ccc) Eine einschränkende Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" unter Berücksichtigung der Ausschlussregelungen des Art. 5 Abs. 3 DBA Belgien käme daher nur in Betracht, wenn eine analoge Anwendung dieser Ausschlussregelungen für den Streitfall respektive generell auch für die abkommensrechtliche Feststellung einer "festen Einrichtung" an sich geboten wäre.

(1) Die Heranziehung einer Gesetzesanalogie stellt für das Steuerrecht die absolute Ausnahme dar. Sie setzt eine "planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts" voraus, die nur dort als gegeben angesehen wird, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. (Fussnote 24:BFH, Urteil vom 14. September 1994 I R 136/93, BFHE 175, 406, BStBl II 1995, 382; vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, BStBl II 2012, 1025) Rechtspolitische Unvollständigkeiten, d.h. Lücken, die nicht dem Gesetzesplan widersprechen, sondern lediglich vom Rechtsanwender als rechtspolitisch unerwünscht empfunden werden, können entsprechend dem Prinzip der Gewaltenteilung hingegen nicht von den Gerichten geschlossen werden. Sie zu schließen, bleibt Aufgabe des Gesetzgebers.

(2) Anhaltspunkte für eine derartige Unvollständigkeit finden sich in den Materialien zum Abschluss des DBA nicht. Insbesondere im Schlussprotokoll zum Abschluss des DBA Belgien vom 11. April 1967 in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 (Fussnote 25:BGBl. II 2003, 2. 1615 ) wurden keine Vereinbarungen zur Bedeutung des Begriffs der "festen Einrichtung" oder der Reichweite der Anwendbarkeit des "Betriebsstättenbegriffs" in diesem Zusammenhang getroffen.

(3) Die nahezu wortgleiche Formulierung des Art. 14 DBA Belgien und des bis zum Jahr 2000 gültigen Art. 14 OECD-Musterabkommen (MA) rechtfertigt es zur Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" eines Freiberuflers und zur Möglichkeit der Bildung eines Analogieschlusses die für das MA gefundenen Grundsätze heranzuziehen. (Fussnote 26:vgl. auch Malinsiki in Debatin/Wassermeyer DBA Belgien Art. 14 Rdz 4 )

Wassermeyer  (Fussnote 27:Wassermayer in Debatin/Wassermeyer MA Art. 14 Rz. 66 ) führt hierzu aus, dass der Steuerausschuss der OECD keine Notwendigkeit gesehen habe, den Ausdruck der "festen Einrichtung" zu definieren, weil er davon ausgegangen sei, dass der Ausdruck in analoger Anwendung der Kriterien des Art. 5 Abs. 1 bis 7 MA nach den Maßgaben zur Qualifikation einer "Betriebsstätte" auszulegen sei.

Andererseits bezog sich der Steuerausschuss der OECD bei der Rechtfertigung der fehlenden Definition für die "feste Einrichtung" auf als typisch erachtete feste Einrichtungen und nannte dabei neben der Praxis eines Arztes, dem Büro eines Architekten auch die Kanzlei eines Rechtsanwalts (Fussnote 28:Hemmelrath in Vogel/Lehner DBA Art. 14 Rz 21, ebenso Wassermayer in Debatin/Wassermeyer MA Art. 14 Rz. 66, beide mit Verweis auf den OECD MA-Kommentar Art. 14 Ziff. 4) als derartige typische feste Einrichtungen. Aus dieser Aufzählung wird deutlich, dass allein aufgrund des Vorhalts von Räumlichkeiten, die für einen freien Beruf besonders ausgestattet wurden, von einer entsprechenden freiberuflichen Betätigung und damit vom Bestehen einer festen Einrichtung ausgegangen wurde.

Hemmelrath (Fussnote 29:Hemmelrath in Vogel/Lehner DBA Kommentar Art. 14 Rz. 21) vertritt hierzu passend die Einschränkung, dass lediglich die Grundsätze über die Betriebsstätte des gewerblichen Unternehmens heranzuziehen seien und dies nur insoweit, als sich Gewerbebetrieb und freiberufliche Tätigkeit nicht in ihrem Wesen unterschieden. (Fussnote 30:Hemmelrath in Vogel/Lehner DBA Kommentar Art. 14 Rz. 6)

Hinzukommt, dass der aktuelle MA-Kommentar zu Art. 5 unter 1.1. letzter Satz vermerkt (Fussnote 31:Vogel/Lehner DBA Text OECD Kommentar Art. 5 Ziff. 1.1), dass erst die Streichung des Art. 14 MA bedeute, dass nunmehr (ab 2000) die Definition der "Betriebsstätte" auf das, was vorher eine "feste Einrichtung" war, anwendbar wurde. Im Umkehrschluss lässt sich hieraus folgern, dass ohne Streichung des Art. 14 MA (noch) nicht sämtliche Definitionskriterien der Betriebsstätte auch für die "feste Einrichtung" als einschlägig gelten können.

Hierzu fügt sich, dass zwar die im Jahr 1996 eingesetzte Arbeitsgruppe (Arbeitsgruppe 1996) zu Zweifelsfragen und praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Art. 14 MA zu dem Ergebnis gelangte, dass es bei genauerer Betrachtung keine praktischen Unterschiede zwischen Art. 14 MA und Art. 7 MA gebe und dass praktische Unterschiede, insoweit sie existierten, keine sachliche Rechtfertigung beanspruchen könnten. (Fussnote 32:Hemmelrath in Vogel/Lehner DBA Art. 14 Rz. 2) Der MA-Kommentar 2008 (Fussnote 33:Vogel/Lehner DBA Text OECD Kommentar 2008 Art. 7) weist allerdings in seiner Ziff. 1 darauf hin, dass Art. 7 MA die Fortsetzung und Ergänzung des "Betriebsstättenbegriffs" darstellt und dass der Frage, welcher Gewinn im anderen Staat zu versteuern ist (Art. 7 MA), die Frage vorauszugehen hat, ob im anderen Vertragsstaat eine abkommensrechtlich relevante "Betriebsstätte" existiert. Insofern bedeutsam ist, dass der aktuelle MA-Kommentar zu Art. 5 unter 1.1. (Fussnote 34:Vogel/Lehner DBA Text OECD Kommentar Art. 5 Ziff. 1.1) feststellt, dass der Begriff der "Betriebsstätte" ursprünglich dafür gedacht gewesen sei, den gewerblichen Tätigkeiten vorbehalten zu sein. Die Streichung des Artikel 14 spiegle die Tatsache wider, dass keine Unterschiede beabsichtigt waren zwischen dem in Artikel 7 MA verwendeten Begriff der "Betriebsstätte" und dem in Art. 14 MA verwendeten Begriff der "festen Einrichtung" oder der Art der Gewinnermittlung oder der Steuerberechnung, je nachdem, ob Art. 7 MA oder Artikel 14 MA anwendbar sei.

Damit ist klargestellt, dass die Unterscheidung in "Betriebsstätte" und "feste Einrichtung" ursprünglich insoweit durchaus planvoll erfolgte, als die "Betriebsstätte" und deren begriffliche Festlegung den gewerblichen Einkünften vorbehalten sein sollte, und dass erst die Arbeitsgruppe 1996 der Ansicht Gestalt gab, dass derartige Unterschiede (künftig) nicht sinnvoll oder wünschenswert seien.

(4) Vorstehendes berücksichtigend und den Umstand miteinbeziehend, dass – anders als im Falle des MA im Jahr 2000 – die Eigenständigkeit des Art. 14 DBA Belgien nicht aufgegeben wurde, hält der Senat eine analoge Anwendung des Ausschlusstatbestandes des Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien auf die feste Einrichtung des Art 14 DBA Belgien nicht für möglich.

Der Umstand, dass für das Vorliegen einer festen Einrichtung eines Freiberuflers – anders als für die Betriebsstätte – keine Ausnahmetatbestände gebildet wurden, für die bereits das Vorliegen einer solchen ausgeschlossen wird, lässt sich auch als dem Wesen der Ausübung des freien Berufes geschuldet interpretieren und ist damit nicht eindeutig als Planwidrigkeit des Gesetzgebers auszumachen.

Typischerweise lässt sich für den Fall, dass ein freiberuflich Tätiger über Räume verfügt, die für die Ausübung seiner Tätigkeit geeignet und entsprechend auch eingerichtet sind, davon ausgehen, dass die freiberufliche Tätigkeit dort auch ausgeübt wird. Denn anders als bei vielen gewerblichen Tätigkeiten liegt der Fokus der freiberuflichen Betätigung in deren Ausübung in hierfür speziell eingerichteten Räumen, wie etwa bei einem Arzt in dessen Praxis, bei einem Rechtsanwalt in dessen Kanzlei oder dem Planungsbüro eines Architekten in dessen Architekturbüro. Sich an diese Lebenswirklichkeit anlehnend, sind auch die Regelbeispiele des MA-Kommentars zum Verständnis der festen Einrichtung gewählt – Praxis, Kanzlei, Planungsbüro –.

In diesem Punkt wesensmäßig verschieden stellt sich das Ausüben einer gewerblichen Tätigkeit dar. Der Unterhalt von Räumen ist dabei nicht zwingend der gewerblichen Betätigung an sich geschuldet, sondern kann typischerweise auch lediglich eine begleitende Maßnahme darstellen, wie die Präsentation von Waren und Gütern oder deren Lagerung. Es kommt hinzu, dass sich im Fall der gewerblichen Einkünfte das Unterhalten von Räumlichkeiten nur zu Hilfszwecken (z.B. Lagerung oder Präsentation von Waren) in eindeutiger Weise auch nach außen kommuniziert.

Dementgegen ist nach außen nicht erkennbar, wenn ein für den anwaltlichen Betrieb voll eingerichtetes Büro nicht der Anwaltstätigkeit, sondern der Erledigung von Hilfstätigkeiten dient. Ebenso wenig erschließt sich, inwiefern eine Anwaltskanzlei als typische Möglichkeit der Betätigung in Form einer "Repräsentanz" üblich sein sollte. Die Leistungen von Anwälten werden üblicherweise wegen ihrer fachlichen Kompetenz in Anspruch genommen und nicht wegen des Vorhalts repräsentativer Räume. Selbst wenn also eine Repräsentanz an einem anderen Standort gewollt ist, kann diese – der Art der Anwaltstätigkeit geschuldet – nur dann repräsentativ sein, wenn dort auch ein fachlich kompetenter Anwalt tätig ist und damit anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird.

Insofern bedarf es eines erkennbaren Akts des Gesetzgebers – wie etwa die Abschaffung des Art. 14 im MA – um die abkommensrechtlichen Begriffe der "festen Einrichtung" und der "Betriebsstätte" unterschiedslos auch unter Berücksichtigung der für die Betriebsstätte geschaffenen "Ausnahmetatbestände" zu interpretieren.

ddd) Selbst wenn man von der Möglichkeit einer analogen Anwendung des Art. 5 Abs. 3. Nr. 5 DBA Belgien auf den Streitfall ausgehen wollte, lässt sich aus Sicht des erkennenden Senats nach den tatsächlichen Feststellungen nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass das Brüsseler Büro des Klägers nur Hilfstätigkeiten gedient habe.

In dem Brüsseler Büro war in den Streitjahren zwar in unterschiedlicher zeitlicher Ausprägung, gleichwohl aber durchgängig, ein Anwalt präsent. Auch wenn diese Anwälte nicht forensisch tätig waren, waren sie, ihren Zeugenaussagen entsprechend, ihrer Ausbildung gemäß tätig und leisteten in der Brüsseler Kanzlei Dienste, die nach der damals gültigen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGebO) zumindest als Rat, Auskunft (§ 20) oder Gutachten (§ 21 BRAGebO) abrechenbar waren. Dass diese Tätigkeiten Teil des Aufgabenbereichs deutscher Mandate waren, macht sie nicht zu anwaltlichen Hilfstätigkeiten, sondern allenfalls zu Teilarbeiten des Mandats selbst.

So trägt auch der Kläger wiederholt vor, dass eine Zurechnung der Tätigkeit in Brüssel zu deutschen Mandaten im Rahmen der Aufteilung der Einkünfte nach Art. 7 DBA Belgien in Erwägung zu ziehen sei.

Eine Aufteilung insoweit hat der Senat nicht konkret veranlasst, da es hierfür keine Notwendigkeit in Anbetracht der anderweitigen, das Urteil tragenden Gründe gab und es hierauf letztlich auch nicht ankommt.

Vorstehendes (Ziff. II. 4. a) aa)–ff) der Gründe) voraussetzend, vermag die Auslegung des Begriffs der "festen Einrichtung" nicht dazu zu führen, dass ein Besteuerungsrecht Belgiens für das in Brüssel situierte Anwaltsbüro bereits deshalb entfiele, weil - wie der Kläger vorträgt - dort nur der Anwaltstätigkeit in M. dienende Vor- oder Hilfsarbeiten durchgeführt worden wären, da es nach dem vom Senat gewählten Auslegungsverständnis des Begriffs der "festen Einrichtung" i.S. des Art. 14 DBA Belgien hierauf nicht ankommt.

b) Die in den amtlichen Bescheinigungen vom 27. August 2008 und 31. März 2010 dokumentierte Rechtsansicht der belgischen Behörden, wonach mit Rücksicht auf das DBA Belgien die "Kanzlei" in den Streitjahren nicht als in Belgien ansässig qualifiziert würde, und die vorstehend nach deutschem Rechtsverständnis vertretene Auffassung, führt zu einem negativen Qualifikationskonflikt insoweit, als die jeweils vertretenen Ansichten zu einer doppelten Nichtbesteuerung (Fussnote 35:Lehner in Vogel/Lehner Grundlagen Rz. 71, 158) respektive Nichtberücksichtigung der Verluste führen. So sind die Einkünfte – im Streitfall durchweg negative – einerseits nach deutscher Rechtsauffassung nach Art. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 DBA Belgien freizustellen und andererseits bleiben sie in Belgien in Ermangelung der Annahme eines Besteuerungsrechts nach DBA unberücksichtigt.

aa) Eine Vereinheitlichung der Rechtsansicht im Rahmen eines Verständigungsverfahren stand für den Streitfall nicht zur Verfügung, da Art. 25 DBA Belgien, welcher die Durchführung eines Verständigungsverfahrens regelt, nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn eine Doppelbesteuerung zu besorgen ist. Im Streitfall führen die unterschiedlichen Sichtweisen jedoch zu einer doppelten Nichtbesteuerung.

bb) Allerdings sieht § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vor, dass die Freistellung von Einkünften, ungeachtet eines Doppelbesteuerungsabkommens, dann nicht gewährt wird, wenn der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können.

aaa) Im Streitfall kann dahin gestellt bleiben, aufgrund welcher Sachverhaltsannahmen die belgischen Behörden zu der Ansicht gelangt sind, die Einkünfte des Brüsseler Büros des Klägers seien mit Rücksicht auf das DBA Belgien in Belgien nicht steuerbar.

Denn unterschiedslos, ob sie davon ausgehen, dass der Begriff der "festen Einrichtung" nach Art. 14 DBA Belgien nach Art. 3 Abs. 2 DBA Belgien nicht abkommensautonom, sondern innerstaatlich auszulegen ist, oder unter Annahme einer analogen Anwendbarkeit des "Betriebsstätten"– Begriffs des Art. 5 Abs. 3 Nr. 5 DBA Belgien zu dem Ergebnis gelangten, es läge keine "feste Einrichtung" vor, handelt es sich jeweils um eine sich von Deutschland unterscheidende Anwendung des DBA Belgien und damit um eine Anwendung der Bestimmungen des Abkommens i.S. von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, die zur Folge hat, dass die Einkünfte in Belgien nicht besteuert werden.

bbb) Auch wenn § 50d Abs. 9 EStG erst mit dem Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) eingeführt wurde, findet die Bestimmung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG auf den Streitfall Anwendung. Der für den Streitfall einschlägige § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, anders als § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG, gemäß § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG mit Rückwirkung für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, für die die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurde. Im Fall des Klägers sind die Einkommensteuerveranlagungen seit 1989 noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, so dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zur Anwendung kommen kann.

ccc) Soweit mit Blick auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 10. Januar 2012 (Fussnote 36:I R 66/09, BFH/NV 2015, 1250 Az. Beim BVerfG 2 BvL 1/12) zu § 50d Abs. 8 EStG verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anordnung der Rückwirkung der Bestimmung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG geäußert werden (Fussnote 37: z.B. Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghof § 50d K 5), vermögen derartige Bedenken dessen Anwendung für den Streitfall nicht entgegenzustehen. Denn für den Streitfall vermag sich § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG für den Kläger ausschließlich begünstigend auszuwirken. Gegen die rückwirkende Inkraftsetzung begünstigender Steuergesetze bestehen generell keine verfassungsrechtlichen Bedenken. (Fussnote 38:vgl. Drüen in Tipke/Kruse § 4 AO Rz. 18 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu) Inwiefern die auch belastende Rückwirkung als verfassungswidrig zu qualifizieren ist, kann im Streitfall nicht geprüft werden, da es an einem entsprechenden Sachverhalt mit Belastungswirkung im Streitfall fehlt.

Hinzukommt, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 in der Sache 2 BvL 1/12 die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 50d Abs. 8 EStG nicht zu teilen vermochte.

ddd) An einem Normverständnis, wonach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG gleichermaßen für Einkünfte positiver wie auch negativer Natur Anwendung findet, ergeben sich, aus Sicht des erkennenden Senats, keine vernünftigen Zweifel. Ein derartiges Normverständnis ergibt sich neben dem Wortlaut des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, welcher lediglich auf die "Einkünfte" abhebt und damit keine einseitige Ausrichtung auf positive oder negative Einkünfte vornimmt, auch aus den Motiven des Gesetzgebers, welcher zur Begründung der Einführung des § 50d Abs. 9 EStG in der Bundestags-Drucksache 16/2712 vom 25. September 2006 unter Ziff. 38 ausführt, dass im Fall von Verlusten die allgemeinen Vorschriften des deutschen Steuerrechts gelten. Zu den allgemeinen Vorschriften gehört für den Streitfall § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1, § 4 EStG, wonach die mit der Einkunftsart "selbständige Tätigkeit" zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben innerhalb dieser Einkunftsart zu berücksichtigen sind. Einschränkungen aus § 2 Abs. 5a EStG i.V.m. §§ 3 Nr. 40, 3c EStG ergeben sich für den Streitfall nicht.

Im Schrifttum (Fussnote 39:Schmidt/Loschelder 34. Aufl. § 50d Rz. 56; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/Mellinghof § 50d K 7; Gosch in Kirchhof EStG 14. Aufl. § 50d Rz. 41b) wird die Möglichkeit der Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG auf Verluste ebenfalls bejaht.

eee) Nachdem durch das Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) die Einschränkung des Verlustabzugs durch § 2a Abs. 1 EStG für sämtliche offenen Fälle (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG) (Fussnote 40:vgl. auch Gosch in Kirchhof EStG 14. Aufl. § 50d Rz. 3) ohnehin mit Rückwirkung auf Verluste aus Drittstaaten beschränkt wurde und zu den Drittstaaten im Sinne der Vorschrift nach § 2a Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 EStG nicht die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie Belgien, zählen, kommt eine nur eingeschränkte Berücksichtigung der negativen Verluste des Klägers aus Brüssel nicht in Betracht. Ungeachtet dessen ist eine Anwendung des § 2a EStG auf Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit grundsätzlich nicht vorgesehen.

Die Möglichkeit der Anwendung des § 2a EStG ist auch nicht Voraussetzung für die Berücksichtigung von ausländischen Verlusten im Inland. Denn § 2a EStG gibt lediglich Einschränkungen vor, in welcher Art ausländische Verluste für bestimmte Arten der Erzielung von Einkünften Berücksichtigung finden können. Soweit derartige Einschränkungen nicht greifen, finden die allgemeinen Regelungen Anwendung.

fff) Rechtsfolge des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr 1 EStG für den Streitfall ist daher, dass die negativen Einkünfte nicht nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA Belgien freigestellt werden, sondern in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkünfte als Betriebsausgaben, gegebenenfalls unter Anrechnung ausländischer Steuer, miteinzubeziehen sind. Letzteres kommt für den Streitfall nicht in Betracht, da die belgischen Behörden die Einkünfte als nicht steuerbar behandelt haben, so dass eine Anrechnung ausländischer Steuer nicht zur Disposition steht.

5. Nach § 177 Abs. 2 AO sind für den Fall, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zugunsten des Steuerpflichtigen vorliegen, soweit die Änderung reicht, zuungunsten und zugunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind. Wie sich im Rahmen des Klageverfahrens herausgestellt hat, wurde die Mitteilung über Beteiligungseinkünfte am Objekt 9, welche den Austritt des Klägers zum 30. September 1999 angibt und Vermietungseinkünfte für 1999 von 7.186,22 DM feststellt, noch nicht in die Einkommensteuerfestsetzung 1999 miteinbezogen. Eine Berücksichtigung hat zusammen mit der Änderung, die zugunsten der Kläger weitere Betriebsausgaben von … EUR bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit des Jahres 1999 zulässt, zu Lasten der Kläger zu erfolgen.

6. Von den Kosten des Verfahrens tragen nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO die Kläger 30 % und der Beklagte 70%.

7. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

8. Die Revision wird zur Klärung grundsätzlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Begriff der "festen Einrichtung" nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am ... geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität ... auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität ... Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Der Kläger nahm den Ruf zum 01.01.1984 an. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt, als Dienstaufgabe wurde ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität übertragen. Mit Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums. In einer zwischen dem Beklagten und dem Kläger geschlossenen „Vereinbarung“ vom 09.12.1998 heißt es in der Präambel, der Kläger sei gemäß § 77a UG aus seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens und der Schulen für nichtärztliche medizinische Berufe zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) wird vereinbart, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor.
Wie sich aus einem Schreiben des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 07.01.2008 an den Rektor der Universität ... ergibt, gingen in den Monaten Januar und März 2007 beim Amtsgericht ... zwei anonyme Anzeigen ein, denen zu entnehmen war, dass beim Zustandekommen eines Rahmenvertrages zwischen dem Klinikum ... und der Firma ... (...) Schmiergelder gezahlt worden sein sollen. Als Vorteilsnehmer wurde der Kläger benannt. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren ein. Der Beklagte wurde am 22.03.2007 informiert.
Zwischen dem Beklagten und dem Kläger wurde am 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ (im Folgenden auch „Chefarztvertrag“) geschlossen. In der Präambel heißt es, der Kläger sei an der Universität ... tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes Baden-Württemberg. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Der Beklagte sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 des Dienstvertrags (Dienstverhältnis) wird ausgeführt, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde bestätigt. Das Dienstverhältnis sei bürgerlich-rechtlicher Natur. In § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) heißt es u.a., unberührt blieben die Aufgaben als Universitätsprofessor, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richteten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) ist der Ärztliche Direktor für die medizinische Versorgung der Patienten verantwortlich; ihm obliegen für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft tritt, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft tritt.
Mit Beschluss vom 13.11.2007 ordnete das Amtsgericht ... die Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers an. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Firma ... abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens 5 Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Hierfür habe der Kläger Zuwendungen seitens der Firma ... und ihrer Muttergesellschaft, der Firma ... erhalten. Am 11.12.2007 wurden die Büroräume des Klägers durchsucht. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger auf, eine ausführliche Stellungnahme zu den im Durchsuchungsbeschluss genannten Vorwürfen abzugeben. Der Kläger führte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.12.2007 aus: Am Abschluss des Rahmenvertrages sei er nicht beteiligt gewesen. Es sei richtig, dass er seit Dezember 2005 diverse finanzielle Mittel erhalten habe, die allerdings nicht aus Mitteln der Firma ... stammten. Die Firma ... sei erst im Sommer 2006 gegründet worden. Die zugewandten Beträge stammten aus Darlehen verschiedener Freunde und von Herrn ..., der ebenfalls ein langjähriger Freund sei. Zwar sei Herr ... Geschäftsführer der Firma ..., die Darlehen, die dieser dem Kläger gewährt habe, hätten aber nichts mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zu tun.
Mit Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität ... führte die Landespolizeidirektion u.a. aus: Aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstandes sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen und Vorteile im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Firma ... stünden und dass der Kläger der Firma ... durch die Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Der Beklagte forderte den Kläger zur Stellungnahme auf. Der Kläger erwiderte unter dem 18.01.2008, die Firma ... habe einen Vertrag mit der größten Klinikumsgruppe ... abgeschlossen. Im Rahmen dieser geschäftlichen Entwicklung solle sie auch eigene Labore betreiben. Im Zuge dieser „strategischen Ausrichtung“ habe er Herrn ... beraten. Zu keinem Zeitpunkt habe er interne Unterlagen an die Firma ... übermittelt. - Am 22.01.2008 fand beim Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger über die von der Landespolizeidirektion erhobenen Vorwürfe der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit statt. Dem Kläger wurde mitgeteilt, das Gespräch diene dazu, dass der Beklagte prüfen könne, inwieweit er arbeitsrechtliche Konsequenzen aus den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen ziehen müsse.
Mit „Verdachtskündigung“ vom 24.und 25.01.2008 führte der Beklagte aus, er nehme Bezug auf sein Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 und kündige hiermit den zwischen dem Kläger und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Zugleich teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2008 mit, da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum hiermit beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Der Kläger erwiderte mit Schriftsatz vom 30.01.2008, in dem Ruf des MWK vom 17.08.1983 werde ihm zugesichert, dass er das Fach Klinische Chemie und Laborato-riumsmedizin an der Universität ... vertreten dürfe und ihm die Leitung des Zentrallabors der Beklagten übertragen werde. Die Berufungszusage enthalte also auch die Leitung des Zentrallaboratoriums.
Die Staatsanwaltschaft ... erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger. Er wird beschuldigt, Vergehen der Bestechlichkeit in 4 Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben.
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 forderte der Beklagte den Kläger auf, fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen. Unter dem 20.01.2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Das MWK führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 08.02.2010 aus: Die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C 3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum... gem. § 53 LHG. Gegen die Abberufung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
10 
Der Kläger hat die vorliegende Klage bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht ... erhoben. Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht ... den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen. Der Kläger trägt ergänzend vor: Die fristlose Kündigung vom 24. und 25.01.2008 sei unwirksam, da sie nicht fristgerecht i.S. des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden sei. Der Beklagte habe spätestens seit den anonymen Anzeigen Ende Januar 2007 Kenntnis von den Vorfällen. Nach seiner Stellungnahme vom 19.12.2007 hätte der Beklagte spätestens die Verdachtskündigung aussprechen müssen. Die vom Beklagten erhobenen Vorwürfe seien haltlos und rechtfertigten keinen für eine Verdachtskündigung notwendigen dringenden Tatverdacht. Die fristlose Kündigung enthalte keinerlei Begründung. Die Anhörung vor Ausspruch der Kündigung sei unzureichend gewesen. Ihm sei trotz mehrfachem Nachfragen zu keinem Zeitpunkt Einblick in die ihn angeblich belastenden Unterlagen gewährt worden, so dass eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich gewesen sei. Schließlich sei der Abwägungsvorgang, sofern der Beklagte überhaupt eine Abwägung vorgenommen habe, völlig unzureichend verlaufen. Sozialdaten seien nicht gewürdigt worden. Die Berechnung der ordentlichen Kündigungsfrist sei unzutreffend. Der Beklagte könne vielleicht eine Vergütungsregelung kündigen, nicht aber das zugrundeliegende Dienstverhältnis. Hierfür sei nur das Land Baden-Württemberg zuständig.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
festzustellen, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25. Januar 2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrages vom 24.07.2007 unwirksam sind,
13 
hilfsweise, den Bescheid vom 24. und 25. Januar 2008 aufzuheben.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Er führt weiter aus: Ob die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vorlägen, richte sich allein nach § 626 BGB. Unerheblich sei, ob es sich um einen privatrechtlichen Dienstvertrag nach § 611 BGB oder um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handle. Es existiere keine Rechtsgrundlage, die es dem Land Baden-Württemberg erlauben würde, seine Beamten bestimmten Dienststellen anderer, selbständiger juristischer Personen mit zwingender Wirkung zuzuweisen. Zwar sei der Kläger gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet, beim Beklagten Aufgaben der Krankenversorgung und sonstige Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens zu erfüllen. Dem stehe jedoch keine Pflicht des Beklagten gegenüber, ihn mit diesen Aufgaben zu betrauen. Somit komme es für die Frage, ob der Kläger seine ihm vom Beigeladenen übertragenen Dienstpflichten erfüllen könne, darauf an, dass ihm die Möglichkeit der Beschäftigung beim Beklagten durch einen entsprechenden Dienstvertrag eröffnet werde. Abgesehen davon werde das dem Kläger verliehene Amt und damit seine statusrechtliche Stellung als Beamter von der Kündigung des Dienstvertrages nicht berührt. Sofort nach Kenntnisnahme vom Schreiben der Landespolizeidirektion vom 07.01.2008 (am 14.01.2008) habe er den Kläger aufgefordert, sich zu den neuen Vorwürfen zu äußern. Unmittelbar nach Zugang des Schreibens des Klägers vom 18.01.2008 sei es am 22.01.2008 zu einem Gespräch über die erhobenen Vorwürfe gekommen. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, Akteneinsicht könne nicht gewährt werden, der Beklagte sei selbst nicht im Besitz der strafrechtlichen Ermittlungsakten und habe in diese auch noch keine Einsicht genommen. Die gegen den Kläger sprechenden Verdachtsmomente hätten sich in einer Weise erhärtet, dass das erforderliche Vertrauen zerstört sei. Jedenfalls bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine vertraglichen Pflichten nach § 2 Abs. 4 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 in grobem Maße verletzt habe. Nach dieser vertraglichen Bestimmung habe er über interne Angelegenheiten des Universitätsklinikums Stillschweigen zu bewahren. Die erforderliche Interessenabwägung falle ohne weiteres zu Lasten des Klägers aus. Auch unter Berücksichtigung der schlechten finanziellen Lage des Klägers sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar gewesen. Nach der Stellungnahme vom 19.12.2007 seien die Verdachtsmomente noch nicht hinreichend konkretisiert gewesen, auch habe der Kläger noch nicht die Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen persönlich zu äußern. Aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB folge, dass die Angabe von Gründen keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung sei.
17 
Der Beigeladene beantragt,
18 
die Klage abzuweisen.
19 
Dem Gericht liegen Akten des Beklagten und des Beigeladenen, die Akten des Arbeitsgerichts .../... sowie die Akten des Verwaltungsgerichts .../... und .../... vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage hat Erfolg.
21 
Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zulässig.
22 
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ... vom 20.11.2008, durch den der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen wurde, ist hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Für die Frage der Zulässigkeit der Klage kommt es daher nicht darauf an, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt.
23 
Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger wendet sich gegen die mit Schreiben vom 24. und 25.01.2008 erklärte Kündigung des zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrags vom 24.07.2007. Bei dem Streit über die Berechtigung der Kündigung, deren Wirksamkeit und die daraus folgende Auflösung des Chefarztvertrages geht es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Kläger kann seine Rechte nicht durch Anfechtungsklage geltend machen. Bei der Kündigung (auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn 15; Urt. der Kammer vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04 - ; m.w.N.). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
24 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 war nicht erforderlich. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht kein Beamtenverhältnis. Professoren bleiben auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420).
25 
Der Hauptantrag ist auch begründet.
26 
Die Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ist unwirksam.
27 
Dies folgt jedenfalls daraus, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger dieser nicht formell rechtmäßig vom Vorstand des Beklagten im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie abberufen worden war.
28 
Eine solche Abberufung ist aber erforderlich, denn eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages würde unmittelbar zum Entzug der Abteilungsleitung führen. Mit der Vereinbarung vom 24.07.2007 wurde die Funktion des Klägers als ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie bestätigt (§ 1 Abs. 1). Die Befugnisse und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter wurden festgelegt. Damit erfolgte nicht nur die Ausgestaltung der dem Kläger ursprünglich vom damals zuständigen MWK übertragenen Leitung der Abteilung Klinische Chemie. Durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Hochschulmedizin (Hochschulmedizinreform-Gesetz - HMG -) wurden bisher als unselbständige Anstalten der Universitäten und zugleich als Landesbetriebe geführte Universitätsklinika (darunter auch der Beklagte) in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts der Universitäten umgewandelt. Danach ist der Beklagte für die Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern zuständig (§§ 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 3 UKG). Entsprechend wurde durch den Chefarztvertrag die Stellung des Klägers als Abteilungsleiter umfassend geregelt. Dem Kläger wurden insoweit Rechte gegenüber dem Beklagten eingeräumt. Eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter wird in dem Dienstvertrag nicht vorgenommen. In seinem Schriftsatz vom 01.02.2008 vertrat der Beklagte selbst die Meinung, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden. Hingegen erklärte er in der mündlichen Verhandlung, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 lasse die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt. Dieser Auffassung vermag sich die Kammer - wie oben ausgeführt - nicht anzuschließen. Eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages setzt daher eine Abberufung von der Abteilungsleitung unter Beachtung der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG voraus.
29 
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG ist bei der Abberufung von Abteilungsleitern das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich. Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter können nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmenserfordernis sichert gegenüber dem verselbständigten Universitätsklinikum die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht kommt schützende Wirkung zugunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, NVwZ- RR 2008, 217). Ein Verfahrensfehler bei der Abberufung eines Abteilungsleiters, der allein dem Beklagten zurechenbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 - 9 S 25 86/09 -, ), führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
30 
Im Zuge der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 erfolgte keine ordnungsgemäße Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung.
31 
Es kann offen bleiben, ob der Kündigung überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums...). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach der Anhörung des Klägers am 22.01.2008 hätten die anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands beraten und seien zu dem Ergebnis gekommen, dass man den Chefarztvertrag kündigen wolle. Man habe noch zwei Tage darüber nachgedacht und am 25.01. die beiden bei der Anhörung am 22.01.2008 nicht anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands per E-Mail gebeten, der Vorgehensweise zuzustimmen. Wie den vom Beklagten vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat das Vorstandsmitglied ... am 25.01.2008 per E-Mail mitgeteilt, sie stimme dem Vorschlag zu. Die Zustimmung des Vorstandsmitglieds ..., die angeblich telefonisch erteilt wurde, ist in den vorliegenden Akten nicht dokumentiert. Es braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob damit eine der Geschäftsordnung des Klinikumsvorstands (vgl. § 8 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums) genügende Beschlussfassung erfolgte.
32 
Jedenfalls fehlte es zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an dem erforderlichen Einvernehmen der Medizinischen Fakultät. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, es habe keine förmliche Erteilung des Einvernehmens gegeben. Das Einvernehmen wurde auch nicht dadurch erteilt, dass der Dekan der Medizinischen Fakultät, der dem Klinikumsvorstand angehört (§ 8 Abs. 1 der Satzung des Universitätsklinikums...) bei der Anhörung am 22.01.2008 und der anschließenden Beratung anwesend war. Denn für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Er ist für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 LHG). Der Fakultätsvorstand hat die Allzuständigkeit für Angelegenheiten der Fakultät (vgl. Sandberger in Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Landesrecht Bad.-Württ., Rn. 182). Dem Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der...-... Universität ... ...: i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Davon, dass eine Entscheidung des Fakultätsvorstands erforderlich ist geht wohl auch der Beklagte aus. So führte er in seinem Schreiben vom 20.01.2010, mit dem der Kläger als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen wird, aus, der entsprechende Beschluss sei vom Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom 28.01.2009 gefasst worden; der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät habe hierzu mit Beschluss vom 30.09.2009 das erforderliche Einvernehmen erklärt; der geschäftsführende Direktor der Medizinischen Klinik sei angehört worden.
33 
Die Kammer lässt offen, ob die Kündigung des Chefarztvertrags auch deshalb unwirksam ist, weil der Beklagte nicht befugt ist, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, a.a.O.; Beschl. v. 11.11.2002, DVBl 2003, 323; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 und v. 18.05.2004, a.a.O.; VG Freiburg, Beschl. v. 29.06.2009 - 1 K 1011/09 -). Auch der Beklagte ist mittlerweile wohl der Meinung, dass er nicht befugt war, dem Kläger die Aufgaben in der Krankenversorgung zu entziehen. Er vertritt allerdings die Auffassung, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, daher habe dessen Kündigung auch nicht zum Entzug der Aufgaben in der Krankenversorgung geführt. Allerdings enthält der Chefarztvertrag auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung. Geht man davon aus, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten umfassend durch den Chefarztvertrag geregelt wurden, so erscheint es möglich, dass eine wirksame Kündigung auch voraussetzen würde, dass zugleich die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs des Klägers geregelt und sichergestellt wird, dass diesem in ausreichender Weise Zugang zu Patienten bzw. zu Materialien der Patienten des Klinikums (vgl. § 6 des Chefarztvertrags) ermöglicht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010, a.a.O., Rn. 21).
34 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 VwGO.

Gründe

 
20 
Die Klage hat Erfolg.
21 
Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage zulässig.
22 
Der Beschluss des Arbeitsgerichts ... vom 20.11.2008, durch den der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht ... verwiesen wurde, ist hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Für die Frage der Zulässigkeit der Klage kommt es daher nicht darauf an, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt.
23 
Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger wendet sich gegen die mit Schreiben vom 24. und 25.01.2008 erklärte Kündigung des zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Chefarztvertrags vom 24.07.2007. Bei dem Streit über die Berechtigung der Kündigung, deren Wirksamkeit und die daraus folgende Auflösung des Chefarztvertrages geht es um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO. Der Kläger kann seine Rechte nicht durch Anfechtungsklage geltend machen. Bei der Kündigung (auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn 15; Urt. der Kammer vom 06.07.2006 - 3 K 1362/04 - ; m.w.N.). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
24 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 war nicht erforderlich. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht kein Beamtenverhältnis. Professoren bleiben auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.2004, VBlBW 2004, 420).
25 
Der Hauptantrag ist auch begründet.
26 
Die Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ist unwirksam.
27 
Dies folgt jedenfalls daraus, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger dieser nicht formell rechtmäßig vom Vorstand des Beklagten im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie abberufen worden war.
28 
Eine solche Abberufung ist aber erforderlich, denn eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages würde unmittelbar zum Entzug der Abteilungsleitung führen. Mit der Vereinbarung vom 24.07.2007 wurde die Funktion des Klägers als ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie bestätigt (§ 1 Abs. 1). Die Befugnisse und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter wurden festgelegt. Damit erfolgte nicht nur die Ausgestaltung der dem Kläger ursprünglich vom damals zuständigen MWK übertragenen Leitung der Abteilung Klinische Chemie. Durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Hochschulmedizin (Hochschulmedizinreform-Gesetz - HMG -) wurden bisher als unselbständige Anstalten der Universitäten und zugleich als Landesbetriebe geführte Universitätsklinika (darunter auch der Beklagte) in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts der Universitäten umgewandelt. Danach ist der Beklagte für die Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern zuständig (§§ 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 3 UKG). Entsprechend wurde durch den Chefarztvertrag die Stellung des Klägers als Abteilungsleiter umfassend geregelt. Dem Kläger wurden insoweit Rechte gegenüber dem Beklagten eingeräumt. Eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter wird in dem Dienstvertrag nicht vorgenommen. In seinem Schriftsatz vom 01.02.2008 vertrat der Beklagte selbst die Meinung, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden. Hingegen erklärte er in der mündlichen Verhandlung, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 lasse die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt. Dieser Auffassung vermag sich die Kammer - wie oben ausgeführt - nicht anzuschließen. Eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages setzt daher eine Abberufung von der Abteilungsleitung unter Beachtung der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG voraus.
29 
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG ist bei der Abberufung von Abteilungsleitern das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich. Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter können nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmenserfordernis sichert gegenüber dem verselbständigten Universitätsklinikum die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht kommt schützende Wirkung zugunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, NVwZ- RR 2008, 217). Ein Verfahrensfehler bei der Abberufung eines Abteilungsleiters, der allein dem Beklagten zurechenbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 - 9 S 25 86/09 -, ), führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
30 
Im Zuge der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 erfolgte keine ordnungsgemäße Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung.
31 
Es kann offen bleiben, ob der Kündigung überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums...). Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, nach der Anhörung des Klägers am 22.01.2008 hätten die anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands beraten und seien zu dem Ergebnis gekommen, dass man den Chefarztvertrag kündigen wolle. Man habe noch zwei Tage darüber nachgedacht und am 25.01. die beiden bei der Anhörung am 22.01.2008 nicht anwesenden Mitglieder des Klinikumsvorstands per E-Mail gebeten, der Vorgehensweise zuzustimmen. Wie den vom Beklagten vorgelegten Akten zu entnehmen ist, hat das Vorstandsmitglied ... am 25.01.2008 per E-Mail mitgeteilt, sie stimme dem Vorschlag zu. Die Zustimmung des Vorstandsmitglieds ..., die angeblich telefonisch erteilt wurde, ist in den vorliegenden Akten nicht dokumentiert. Es braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob damit eine der Geschäftsordnung des Klinikumsvorstands (vgl. § 8 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums) genügende Beschlussfassung erfolgte.
32 
Jedenfalls fehlte es zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung an dem erforderlichen Einvernehmen der Medizinischen Fakultät. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, es habe keine förmliche Erteilung des Einvernehmens gegeben. Das Einvernehmen wurde auch nicht dadurch erteilt, dass der Dekan der Medizinischen Fakultät, der dem Klinikumsvorstand angehört (§ 8 Abs. 1 der Satzung des Universitätsklinikums...) bei der Anhörung am 22.01.2008 und der anschließenden Beratung anwesend war. Denn für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Er ist für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt (§ 23 Abs. 3 Satz 1 LHG). Der Fakultätsvorstand hat die Allzuständigkeit für Angelegenheiten der Fakultät (vgl. Sandberger in Hailbronner/Geis, Hochschulrecht in Bund und Ländern, Landesrecht Bad.-Württ., Rn. 182). Dem Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der...-... Universität ... ...: i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Davon, dass eine Entscheidung des Fakultätsvorstands erforderlich ist geht wohl auch der Beklagte aus. So führte er in seinem Schreiben vom 20.01.2010, mit dem der Kläger als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen wird, aus, der entsprechende Beschluss sei vom Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom 28.01.2009 gefasst worden; der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät habe hierzu mit Beschluss vom 30.09.2009 das erforderliche Einvernehmen erklärt; der geschäftsführende Direktor der Medizinischen Klinik sei angehört worden.
33 
Die Kammer lässt offen, ob die Kündigung des Chefarztvertrags auch deshalb unwirksam ist, weil der Beklagte nicht befugt ist, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.2007, a.a.O.; Beschl. v. 11.11.2002, DVBl 2003, 323; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010 und v. 18.05.2004, a.a.O.; VG Freiburg, Beschl. v. 29.06.2009 - 1 K 1011/09 -). Auch der Beklagte ist mittlerweile wohl der Meinung, dass er nicht befugt war, dem Kläger die Aufgaben in der Krankenversorgung zu entziehen. Er vertritt allerdings die Auffassung, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, daher habe dessen Kündigung auch nicht zum Entzug der Aufgaben in der Krankenversorgung geführt. Allerdings enthält der Chefarztvertrag auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung. Geht man davon aus, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten umfassend durch den Chefarztvertrag geregelt wurden, so erscheint es möglich, dass eine wirksame Kündigung auch voraussetzen würde, dass zugleich die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs des Klägers geregelt und sichergestellt wird, dass diesem in ausreichender Weise Zugang zu Patienten bzw. zu Materialien der Patienten des Klinikums (vgl. § 6 des Chefarztvertrags) ermöglicht wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2010, a.a.O., Rn. 21).
34 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
35 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 VwGO.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität Freiburg tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
Bereits im Januar 2007 war der Kläger in einem anonymen Schreiben an den Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der damaligen Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der ............... (Fa. ...) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. ... zu beziehen (Umsatzvolumen: mindestens 25 Mio. EUR). Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. ... erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „......... Management GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
Auf die Aufforderung des Beklagten in einem Schreiben vom 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. W. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2008 bat der Kläger um Mitteilung der rechtlichen Grundlagen, die den Beklagten dazu berechtigten, die verbindliche Berufungszusage des Ministeriums vom 17.08.1983 zunichte zu machen. In einer Stellungnahme des Klinikumsvorstands vom 01.02.2008 heißt es hierzu, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors sei durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2008 (richtig: 2007) auf eine neue Basis gestellt worden. Die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das MWK sei damit überholt gewesen. Allein aufgrund dieses Chefarztvertrages habe er die Leitung des Zentrallabors inne gehabt. Mit Kündigung des Chefarztvertrags sei ihm diese Leitung entzogen und seien alle rechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Klinikum beendet worden.
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete des MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
10 
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
11 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
12 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) zurück.
13 
Die Staatsanwaltschaft Freiburg erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger zum Amtsgericht - Schöffengericht - Freiburg. Er wird beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben. Gegenüber zugleich angeklagten weiteren Personen wurde das Verfahren im November 2009 gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO der Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht noch aus.
14 
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, das Ministerium beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
15 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000 EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe.
16 
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten u.a. folgenden Beschluss:
17 
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. ... wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
2. …
3. …
18 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
19 
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Auch gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg (1 K 1803/10). Mit Beschluss vom 19.12.2010 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf das hiesige Berufungsverfahren aus.
20 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum Freiburg.
21 
Unter dem 20.01.2010 hatte das Universitätsklinikum dem Kläger mitgeteilt, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Hiergegen und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
22 
Bereits mit Schriftsatz vom 22.12.2009 hatte der Vorstand des Beklagten den Kläger aufgefordert, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen.
23 
Gegen die Kündigung des Dienstvertrags vom 24./25.01.2008 hatte der Kläger bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg Klage erhoben (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
24 
Der Kläger hat die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufhebung des „Bescheids vom 24. und 25.01.2008“ begehrt. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung habe es in formell-rechtlicher Hinsicht am erforderlichen Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät gefehlt. Das Einvernehmenserfordernis sichere gegenüber dem verselbständigten Beklagten die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht komme schützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu. Ob die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte nicht befugt sei, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden, bleibe offen.
25 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
26 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig. Sie habe weder zu einem Eingriff in das statusrechtliche noch in das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers geführt. Daran ändere auch nichts, dass dem Kläger durch Einweisungserlasse des Dienstherrn die Leitungsfunktion zugewiesen worden sei. Ihm sei das statusrechtliche Amt eines Universitätsprofessors und das abstrakt-funktionelle Amt eines Universitätsprofessors an der Universität Freiburg und nicht die Leitung des Zentrallabors bzw. der Abteilung Klinische Chemie zugewiesen. Im Übrigen liege ein Eingriff in das abstrakt-funktionelle Amt auch deshalb nicht vor, weil die Kündigung nicht zu einem Entzug der Leitungsfunktion und zu einer Entbindung von Aufgaben der Krankenversorgung geführt habe. Die im Begleitschreiben vom 28.01.2008 erwähnten Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Kündigungserklärung und deshalb auch nicht des vorliegenden Prozesses. Es handele sich um die Kündigung flankierende selbständig anfechtbare Vollzugsmaßnahmen, die Gegenstand gesonderter Rechtsbehelfsverfahren seien. Die Leitungsfunktion und die Aufgaben in der Krankenversorgung seien ihm nicht durch die Kündigung, sondern durch andere selbständig anfechtbare Maßnahmen entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setze die Kündigung des Chefarztvertrags die Abberufung des Klägers nicht voraus. Neben das Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg und neben die Bestellung zum Abteilungsleiter trete der Chefarztvertrag als dritte Rechtsebene. Weder der Chefarztvertrag vom 09.12.1998 noch der Chefarztvertrag vom 24.07.2007 hätten den Kläger zum Abteilungsleiter bestellt. Dies belege der Inhalt dieser Verträge. Die Hauptbedeutung des Vertrags bestehe darin, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Die Funktion als Abteilungsleiter sei nicht zwingend mit den Rechten aus dem gekündigten Chefarztvertrag verbunden. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Die Kündigung habe nur dazu geführt, dass die Konkretisierung dieser Aufgaben durch den Chefarztvertrag entfallen sei. Die Aufgabe selbst und ihre Wahrnehmung seien von der Kündigung unberührt geblieben. Die Erklärung des Einvernehmens der medizinischen Fakultät gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. sei nicht erforderlich gewesen. Durch die Kündigung vom 24./25.01.2008 sei dem Kläger die Funktion als Abteilungsleiter nicht vollständig entzogen worden und es habe sich daher nicht um eine Abberufung gehandelt. Die Parteien hätten mit dem Chefarztvertrag eine von der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelung treffen wollen. Die Kündigung habe sich auf die Rechtspositionen des Klägers bezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis und der Übertragung der Abteilungsleitung ergeben hätten. Dies gelte etwa für den Vergütungsanspruch in § 8, der nicht aus der Bestellung zum Abteilungsleiter folge, sondern sich aus dem Chefarztvertrag ergebe. Wie § 5 des Chefarztvertrags vom 09.12.1998 belege, setze die Liquidationsbefugnis wie die daraus folgenden Ansprüche die Bestellung zum Abteilungsleiter voraus, sie folge aber nicht aus ihr. Der Chefarztvertrag sei unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar, wobei die Kündigung nur das Nebenamt und nicht das Hauptamt betreffe. Selbst wenn man davon ausginge, dass in der Kündigung des Chefarztvertrags zugleich die Abberufung von der Abteilungsleitung liege, wäre der angebliche Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG geheilt. Der Vorstand des Beklagten habe in seiner Sitzung vom 28.09.2009 u. a. beschlossen, an der Kündigung vom 24.01.2008 festzuhalten. Der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät habe in seiner Sitzung vom 30.09.2009 das Einvernehmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erteilt. Die Kündigung des Chefarztvertrags habe keine Auswirkungen auf die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Klägers gehabt. Die Leitungsfunktion sei dem Kläger erst durch die Abberufung von der Abteilungsleitung mit Schreiben vom 20.01.2010 entzogen worden. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Leiter der Abteilung Klinische Chemie mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert. Deshalb berühre der unterstellte Entzug der Leitungsfunktion für das Zentrallabor nicht die Wissenschaftsfreiheit des Klägers als Universitätsprofessor aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung präge die amtsangemessene Beschäftigung des Klägers und sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Diese Gewährleistungen würden indes durch die Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Selbst wenn die Kündigung zum Entzug der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung geführt hätte, wäre sie allenfalls teilweise unwirksam. Denn sie habe keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers in Forschung und Lehre gehabt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe der Dekan der medizinischen Fakultät dem Kläger in Ergänzung zu den ihm bereits zugewiesenen Labor- und Büroräumen Personal zugeteilt und ihm ein jährliches Sachmittelbudget in Höhe von 15.000,-- EUR (für das Jahr 2009: 7.500,-- EUR) zur Verfügung gestellt. Zur Erfüllung seiner persönlichen Lehrverpflichtung im Wintersemester 2009/2010 habe er ihm bestimmte Lehrveranstaltungen zugewiesen. Die Zuweisung angemessener Räume und die Sach- und Personalmittelzuweisung seien Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Der Kläger nehme seit Sommersemester 2009 wieder Aufgaben in der Lehre wahr. Die außerordentliche wie auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
27 
Der Beklagte beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, für eine Kündigung, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, fehle dem Beklagten die Zuständigkeit. Mit dem unter dem Deckmantel einer arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben sei. Unter Verletzung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit sei ihm die Möglichkeit gänzlich genommen worden, patientennahe klinische Forschungsarbeiten weiterzuverfolgen und durchzuführen, da das Verbot der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ein Verbot, die Forschungsräume und das Zentrallabor zu betreten, mit umfasse. Es liege auf der Hand, dass sich seine Forschungstätigkeit mit den ihm später zugewiesenen Mitteln nicht mehr auf die gesamte Breite des von ihm vertretenen Fachs erstrecken könne. Da der Beklagte ihm auch das Recht zum Betreten des Klinikums verwehrt habe, wo die Lehrveranstaltungen abgehalten würden, sei er auch aus dem Lehrbetrieb ausgeschlossen worden. Erst mit Verfügung vom 08.05.2009 sei er verpflichtet worden, eine fremdorganisierte und rein praktisch ausgerichtete Lehrveranstaltung abzuhalten. Als verbeamteter Hochschullehrer habe er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemäß beschäftigt zu werden. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sei er indes beinahe zwei Jahre von der Krankenversorgung ausgeschlossen worden. Bei der ihm auferlegten Befundtätigkeit im sog. Lipid-Labor handle es sich um eine medizinisch unangebrachte, gefährliche und schikanierende Pseudo-Tätigkeit, nur um in dem hier vorliegenden Rechtsstreit vortragen zu können, dass er noch Aufgaben in der Krankenversorgung habe. Durch den Einweisungserlass vom 09.07.1990 sei auch die Leitung der Abteilung Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums am Klinikum als zu seinem statusrechtlichen und abstrakt- funktionellen Amt gehörend erklärt worden. Seit Entzug seines bisherigen Aufgabenbereichs habe er nicht mehr in ausreichender Weise Zugang zu Patienten, so dass die Ausbildung von Assistenten unmöglich sei. Da zudem seine Forschungstätigkeit vereitelt werde, werde ihm u.a. die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Qualifikation unmöglich gemacht. Klinische prospektive Studien könne er ohne direkten Zutritt zu den Räumen des Zentrallabors nicht durchführen. Selbst wenn man die Leitungsfunktion nicht dem Statusamt zuordne, sei diese wenigstens als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne zu verstehen. Denn die Leitungsfunktion sei ihm durch gesonderte Verfügungen des Dienstherrn zunächst am 22.02.1984 und später am 01.07.1990 auf Dauer zugewiesen worden. Durch die Kündigung sei ihm die Leitungsfunktion endgültig entzogen worden und folglich sein Recht auf amtsangemessene Beschäftigung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Auch wenn man lediglich einen Eingriff in das konkret-funktionelle Amt annehme, sei die Kündigung nicht als rechtmäßig zu qualifizieren. Als Leiter einer Institution der mittelbaren Krankenversorgung habe er keinen direkten Patientenkontakt, so dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag nicht zum Tragen kämen. Der Dienstherr habe festgestellt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn nicht zweifelsfrei bestätigt hätten und deshalb von einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG abgesehen werde. Der Vortrag des Beklagten, die Kündigung des Chefarztvertrages habe die Abteilungsleitung unberührt gelassen, sei unschlüssig und unzutreffend. Da die Dienstaufgaben eines Hochschullehrers aus dem Fachbereich Medizin in Form von Lehre, Forschung und Krankenversorgung untrennbar miteinander verknüpft seien, stelle der dauerhafte Ausschluss aus der Krankenversorgung regelmäßig eine Verletzung des Statusamts dar. Der Beklagte selbst habe ausgeführt, dass die Abberufung von der Abteilungsleitung nur durch einen widerrufenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde, dem MWK, und unter den Voraussetzungen der dafür im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Vorschriften hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte verkenne, dass der Chefarztvertrag als öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zu sehen sei, die erst durch die Bestellung zum Abteilungsleiter begründet würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch das MWK der Ansicht, dass das Recht zur Privatliquidation automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden sei. § 5 Abs. 1 Nr. 2 HNTVO zeige, dass die Liquidationsbefugnis entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl mit der Abteilungsleitung verbunden sei. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze, komme es nicht auf die Gestalt oder Form, sondern auf die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs an. Da die Kündigung mit dem dauerhaften Verbot jeglicher Tätigkeit in der Krankenversorgung und einem Ausschluss aus Forschung und Lehre einhergegangen und dem Regelungsgehalt nach auch als Abberufung von der Abteilungsleitung anzusehen sei, sei vom Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG auszugehen. Einer Heilung seines Fehlens über § 45 LVwVfG stehe entgegen, dass diese Vorschrift nur für bloße Verfahrensvorschriften gelte. Bei dem Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG handle es sich indes um eine mit Sicherungsfunktion ausgestattete Verfahrensvorschrift, die einen individualgrundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers konstituiere und deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen sei.
32 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig. Obwohl sie einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt darstelle, fehle es für den Entzug der Leitungsfunktion und den Entzug der Dienstaufgaben an einer Ermächtigungsgrundlage. Dadurch sei er in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Weder § 11 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 noch § 626 BGB stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die kündigungsbedingten Grundrechtseingriffe dar. Im Übrigen lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte, die einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten, nicht vor. Aber auch die weitere Voraussetzung, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, könne mit Blick auf die Ansicht des Beklagten, durch die Kündigung sei vor allem seine Aufgabe in der Krankenversorgung wie auch die Leitungsfunktion unberührt geblieben, nicht angenommen werden. Durch die Kündigung seien ihm sowohl die Abteilungsleitung als auch sämtliche Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen worden. Selbst nach der Rechtsauffassung des Beklagten wäre dies nur im Wege eines Verwaltungsakts möglich, so dass an dem Hilfsantrag festgehalten werde.
33 
Das beigeladene Land beantragt ebenfalls,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Es führt aus, dass die in den Chefarztverträgen geregelte Krankenhausliquidation eine anders ausgestaltete Form der allgemein genehmigten Nebentätigkeit im Sinne des § 5 HNTVO darstelle. Dieses Recht zur Privatliquidation sei automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden. Am 24.07.2007 hätten das Universitätsklinikum Freiburg und der Kläger einen Chefarztvertrag abgeschlossen, in dem er sein Recht zur Privatliquidation auf das Universitätsklinikum übertragen habe. In der Folgezeit sei eine Klinikliquidation durch das Universitätsklinikum Freiburg erfolgt. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Chefarztvertrages bemesse sich danach, ob ein Kündigungsgrund gemäß § 11 des Chefarztvertrages vorgelegen habe. Die Stellung als Abteilungsleiter werde von der Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Sie umfasse das gesamte Spektrum der Aufgaben des Professors auch in Forschung und Lehre und in den in der Einweisungsverfügung übertragenen Grundaufgaben in der Krankenversorgung über den Chefarztvertrag hinaus. Der Chefarztvertrag umfasse ergänzend nur bestimmte Aspekte in der Krankenversorgung als Institut zur Ablösung des Liquidationsrechts, insbesondere Fragen der Vergütung, Behandlung der Privatpatienten und der Durchführung von Leitungsaufgaben an der Klinik. Die Stellung als Abteilungsleiter könne nur durch Abberufung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Im Chefarztvertrag sei lediglich die nähere Ausgestaltung der Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikums im vorgenannten Sinne vorgenommen worden. Das Beamtenverhältnis zum Land könne nicht durch einen Chefarztvertrag des rechtlich selbständigen Universitätsklinikums Freiburg verändert werden, zuständig dafür wäre der Minister als Dienstvorgesetzter der Professoren.
36 
Mit Beschluss vom 15.07.2010 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den auf Zutrittgewährung zum Zentrallabor oder anderweitig angemessene Mittelausstattung sowie Verschaffung einer Möglichkeit zur Teilnahme an der Krankenversorgung gerichteten Eilantrag abgelehnt (1 K 2586/09). Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der Senat teilweise stattgegeben (9 S 1984/10).
37 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Zahlungsklage wegen der ihm im Jahre 2008 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Beschluss vom 27.02.2012 ist das Klageverfahren bis zur unanfechtbaren Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
38 
Am 31.03.2012 ist der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.
39 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 3 K 2749/08 (einschließlich der dort beigezogenen Akten des Beklagten <3 Leitzordner> und des beigeladenen Landes , 1 K 2594/11 und 1 K 1803/10 ebenso vor wie die Akten der Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 und 9 S 3387/11 und des Verfahrens auf Zulassung der Berufung 9 S 2596/10 (einschließlich der dort vorgelegten Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg 3 K 1412/08 und1 K 2104/03). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
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Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2008 - 15 B 2574/06 -verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Schließung einer Bettenstation einer nuklearmedizinischen Klinik an einem gegenüber der Universität organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikum.

I.

2

1. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den im fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren zunächst ergangenen letztinstanzlichen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen hatte (vgl. BVerfGK 12, 440), wendet sich der Beschwerdeführer nach erneuter Zurückweisung seines Antrags durch das Oberverwaltungsgericht wiederum im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen die im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen und die Stationsschließung durch das Universitätsklinikum.

3

Den im Rahmen des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erlass einer - verfassungsgerichtlichen - einstweiligen Anordnung hat die beschließende Kammer abgelehnt (vgl. zu den insoweit tragenden Gründen: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2008 - 1 BvR 1165/08 -, juris).

4

2. In seinem Beschluss vom 7. April 2008, dem das Oberverwaltungsgericht gemäß dem im Verfahren 1 BvR 1736/07 ergangenen stattgebenden Beschluss eine vom Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geforderte schützende Wirkung des Einvernehmenserfordernisses zugunsten des einzelnen Hochschullehrers am Fachbereich Medizin der Universität gegenüber dem Universitätsklinikum zugrunde legt, begründet das Oberverwaltungsgericht die Versagung des im Ausgangsverfahren beantragten Eilrechtsschutzes nunmehr vorrangig damit, dass ein Betroffensein von Forschung und Lehre und damit die Erforderlichkeit einer Einvernehmenserteilung zu der vom Vorstand des Universitätsklinikums beschlossenen Schließung der Station NU 01 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne. Selbst bei unterstellt erforderlichem und rechtswidrig nicht eingeholtem Einvernehmen sei die vom Beschwerdeführer begehrte einstweilige Anordnung aber nicht zu erlassen, denn es sei angesichts der Umstände davon auszugehen, dass ein Einvernehmen von den Organen des Fachbereichs Medizin erteilt werden würde. Unabhängig davon ergebe schließlich auch eine reine Folgenabwägung, dass der begehrte einstweilige Rechtsschutz abzulehnen sei.

5

Im Einzelnen argumentiert das Oberverwaltungsgericht wie folgt:

6

a) Hinsichtlich der durch das Einvernehmenserfordernis verfahrensmäßig gesicherten Belange der Wissenschaftsfreiheit der Hochschulprofessoren sei zwischen Entscheidungen des Universitätsklinikums, die von ihrer Zielrichtung auf die Wissenschaftsfreiheit gerichtet seien, und solchen, die sich allein tatsächlich auf die Wissenschaftsfreiheit auswirkten, zu unterscheiden. Bei Entscheidungen der letztgenannten Art sei das Merkmal des Betroffenseins von Forschung und Lehre nicht bereits dann erfüllt, wenn das wissenschaftliche Hochschulpersonal irgendwie tangiert werde beziehungsweise irgendwelche Auswirkungen auf Forschung und Lehre feststellbar seien, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung des Universitätsklinikums die Gefahr in sich trage, dass sie die Forschungsfreiheit des betroffenen Hochschullehrers verletzen könnte, etwa dadurch, dass sie bislang ausgeübte Forschung in beachtlichem Maße erschweren oder unmöglich machen würde. Erst dann sei es gerechtfertigt, für eine zur effizienten Organisation der Krankenpflege gebotene Entscheidung zu fordern, dass der Fachbereich Medizin der Universität unter dem Gesichtspunkt der Beachtung der Belange von Forschung und Lehre zustimmen müsse.

7

Nach den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffe danach die Schließung der Station NU 01 den Bereich von Forschung und Lehre nicht. Dies wäre zwar der Fall, wenn durch die Stationsschließung eine stationäre nuklearmedizinische Behandlung insgesamt aufgegeben worden wäre. Denn bei dieser handele es sich um eine von der Wissenschaftsfreiheit erfasste bisherige Forschungstätigkeit des Beschwerdeführers, die dann in beachtlichem Maße erschwert wäre. Die Möglichkeit zu stationärer nuklearmedizinischer Behandlung bleibe dem Beschwerdeführer aber im Kernforschungszentrum in Jülich erhalten. Die Auswirkungen der Stationsschließung bestünden allenfalls darin, dass ursprünglich avisierte Fälle in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr erreicht werden könnten. Erwartungen hinsichtlich des künftigen Umfangs und der Struktur des Patientenstamms beträfen aber den Bereich von Forschung und Lehre nicht.

8

Betreffe die Stationsschließung mangels konkreter Wissenschaftsrelevanz für den Beschwerdeführer mithin lediglich den Umfang stationär nuklearmedizinischer Behandlung, sei für dessen Festlegung allein das Universitätsklinikum zuständig. Ansonsten würden Entscheidungen des Vorstands eines Universitätsklinikums mit wie im vorliegenden Fall lediglich mittelbaren Auswirkungen auf die forschende Tätigkeit der Hochschullehrer auch dem Einvernehmenserfordernis unterworfen, so dass die Führung des Krankenhauses entgegen der mit der Verselbständigung der Universitätskliniken verfolgten Zielsetzung ohne rechtfertigenden Grund der Mitsprache krankenhausfremder Stellen unterworfen würde.

9

b) Selbst wenn man unterstelle, das Einvernehmen sei erforderlich gewesen und rechtswidrig nicht eingeholt worden, sei die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. In Rede stehe nicht etwa ein Anordnungsanspruch des Beschwerdeführers auf Weiterbetrieb der Station NU 01, sondern allein der wissenschaftsfreiheitssichernde Verfahrensanspruch darauf, dass die Stationsschließung nur im Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin der Universität erfolge. Sei ein etwa erforderliches Einvernehmen nicht eingeholt worden, erweise sich die einwilligungsbedürftige Maßnahme des Universitätsklinikums nicht allein deshalb als materiell, sondern lediglich als formell rechtswidrig. Der zur formellen Rechtswidrigkeit führende Mangel könne durch nachträgliche Einvernehmenserteilung geheilt werden. Eine einstweilige Anordnung könne daher nur ergehen, wenn die Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich Medizin zweifelhaft wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Alle drei Organe des Fachbereichs Medizin seien mehrfach mit der Schließungsentscheidung des Universitätsklinikums befasst gewesen, ohne Einwände gegen sie zu erheben oder auf die Erforderlichkeit einer Einvernehmenserteilung zu bestehen.

10

Darüber hinaus werde, was die Frage einer Verletzung materiellen Rechts des Beschwerdeführers betreffe, an den Ausführungen im Beschluss vom 23. April 2007 festgehalten, wobei die weiteren Ermittlungen ergeben hätten, dass die vom Beschwerdeführer betriebenen Forschungsvorhaben weder beachtlich erschwert, noch unmöglich gemacht würden und mithin durch die Stationsschließung nicht gefährdet seien.

11

c) Unabhängig von den an die Rechtslage geknüpften Erwägungen sei der Antrag des Beschwerdeführers auch bei reiner Folgenabwägung abzulehnen. Für den Fall, dass ein Einvernehmen einzuholen gewesen wäre, aber dennoch die Schließung im Eilverfahren nicht rückgängig gemacht werde, seien die Nachteile für den Beschwerdeführer gering. Dass er begonnene Forschungsvorhaben nicht wie geplant zu Ende führen könne, wiege deshalb nicht schwer, weil die bislang abgeschlossenen Teile der in Rede stehenden Projekte als Teil eines unter Berücksichtigung veränderter Grundlagen fortzuführenden Projektes ihren Wert behielten. Der Beschwerdeführer sei gehalten, seine zukünftigen Forschungsvorhaben den Möglichkeiten des Krankenhauses anzupassen. Die beschränkte Beschwer des Beschwerdeführers schlage sich im Übrigen auch darin nieder, dass der Fachbereich der Schließung voraussichtlich ohnehin zustimmen würde. Umgekehrt würden mit einer Anordnung der Wiedereröffnung der Station NU 01 für den Fall, dass entweder ein Einvernehmen nicht herzustellen gewesen wäre oder ein solches noch erteilt werden würde, dem Universitätsklinikum schwerwiegende Belastungen auferlegt. Die bekannt prekäre Situation des Antragsgegners würde verschärft, nicht nur durch den Weiterbetrieb der Station mit seinen krankenhausfinanzierungsrechtlich negativen Folgen, sondern auch durch den technischen und personellen Sonderaufwand der Wiederinbetriebnahme einer seit mehr als einem Jahr stillgelegten nuklearklinischen Station.

12

3. Nach diesem - erneuten - Beschluss des Oberverwaltungsgerichts stellte das Universitätsklinikum bei der Bezirksregierung einen Antrag auf strahlenschutzrechtliche Freigabe der Station NU 01 mitsamt der dieser Station zugeordneten Abklinganlage, die - nach Ablehnung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz durch den Beschwerdeführer durch das Verwaltungsgericht - auch erteilt wurde. Damit unterliegt die Station NU 01 nicht mehr den Bestimmungen des Atomgesetzes und den darauf erlassenen Rechtsvorschriften, eine nuklearmedizinische Patientenstation kann seitdem nicht mehr auf dem Gelände des Universitätsklinikums betrieben werden. Mittlerweile hat das Klinikum die Station einer anderen Nutzung zugeführt.

13

4. Das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist seit dem 9. Januar 2008 anhängig. Mit Schreiben vom 7. November 2008 hat das Gericht mitgeteilt, dass es das Hauptsacheverfahren erst nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren fortsetzen wird.

II.

14

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine erneute Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 5 GG insbesondere durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts.

15

Die erneute Versagung des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes durch das Oberverwaltungsgericht beruhe auf einer grundlegenden Verkennung seiner Grundrechte, in die durch die Schließungsentscheidung der Universitätsklinik eingegriffen worden sei. Wenn man die Betroffenheit von Forschung und Lehre mit dem Oberverwaltungsgericht erst bei einer beachtlichen Erschwerung bislang ausgeübter Forschung annehmen würde, wäre das Einvernehmen erst erforderlich, wenn schon ein materiell verfassungswidriger Eingriff in das Recht auf Grundausstattung vorliege. Damit verkenne das Oberverwaltungsgericht aber die verfahrensförmige Gewährleistung individueller Forschungsfreiheit und das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Recht auf freie Wahl von Gegenstand, Umfang und Zeitplan des eigenen Forschungsprojekts.

16

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei auch nach Änderung des Hochschulgesetzes der Fachbereichsrat für die Erteilung des Einvernehmens zuständig. Wenn das Oberverwaltungsgericht annehme, die Erteilung des Einvernehmens sei nachholbar, weshalb bereits jetzt keine hinreichenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden, verkenne es, dass die Erteilung des Einvernehmens ein von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschütztes, ergebnisoffenes Verfahren sei. Die Erörterung und vor allem das Ergebnis der Frage des Einvernehmens könne das Oberverwaltungsgericht nicht vorwegnehmen.

17

Zudem geht der Beschwerdeführer erneut gegen die Schließungsentscheidung sowie das erstinstanzliche Urteil im Eilrechtsschutzverfahren durch das Verwaltungsgericht vor.

18

2. Der Fachbereich Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie das Universitätsklinikum Düsseldorf haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

III.

19

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers an (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und gibt ihr statt (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

20

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sowohl die Art. 5 Abs. 3 Satz 1 als auch die Art. 19 Abs. 4 GG betreffenden verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.

21

Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet - zulässig und offensichtlich begründet.

22

Das Oberverwaltungsgericht hat die für den Beschwerdeführer als Hochschulprofessor aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) folgenden Rechte verkannt und ist damit den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht geworden.

23

Zwar geht es nunmehr davon aus, dass dem Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität eine schützende Wirkung für das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers zukommt und dieser die Wahrung des Einvernehmenserfordernisses somit unmittelbar gegenüber dem Universitätsklinikum geltend machen kann. Allerdings wird weder die Auslegung und Anwendung des in § 2 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über die Errichtung des Klinikums Düsseldorf der Universität Düsseldorf (Universitätsklinikum Düsseldorf) als Anstalt des öffentlichen Rechts (im Folgenden: Klinikumsverordnung Düsseldorf - KlV-Dü) vom 1. Dezember 2000 (GV. NRW S. 729), beziehungsweise jetzt in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Rechtsverordnung für die Universitätskliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster (im Folgenden: Universitätsklinikum-Verordnung - UKVO) vom 20. Dezember 2007 (GV. NRW S. 744) geregelten Einvernehmenserfordernisses den Gewährleistungen des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit gerecht (a), noch trägt das vom Oberverwaltungsgericht verfolgte Rechtsschutzkonzept den grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten, die für den einzelnen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgen, hinreichend Rechnung (b).

24

a) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft als einen grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Dem Freiheitsrecht liegt auch der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.).

25

Für Hochschullehrer, die im mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetrieb tätig sind, verwirklicht sich dieses Freiheitsrecht vor allem auch durch die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dem einzelnen Hochschullehrer garantierten, zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit erforderlichen Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten innerhalb des organisierten Wissenschaftsbetriebs (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.). Dieser Einfluss dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen und ist jedem Wissenschaftler im Hinblick auf solche Entscheidungen garantiert, die seine eigene Freiheit zu forschen und zu lehren gefährden können (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.).

26

Die für den organisierten Wissenschaftsbetrieb garantierten Einfluss- und Teilhabeberechtigungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erstrecken sich für Hochschullehrer der Medizin nicht in gleichem Umfang auch auf die Aufgabe der Krankenversorgung, die den Universitätskliniken neben der medizinischen Forschung und Lehre übertragen ist. Denn die Aufgabe der Krankenversorgung ist in erster Linie an den Erfordernissen einer bestmöglichen Patientenbehandlung auszurichten. Wegen der engen und oft untrennbaren Verbindung der Tätigkeit des medizinischen Hochschullehrers mit der Krankenversorgung darf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit bei der Organisation der Krankenversorgung aber nicht gänzlich außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 57, 70 <96 ff.>).

27

Diesen in der Senatsrechtsprechung geklärten, gerade dem einzelnen Hochschullehrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Garantien ist im genannten Umfang auch dann Rechnung zu tragen, wenn ein Universitätsklinikum nicht mehr von der Universität selbst betrieben und unmittelbar geleitet wird, sondern gegenüber der Universität und deren Fachbereich Medizin organisatorisch verselbständigt ist.

28

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat insoweit betont, dass vor allem die Rückbindung von Entscheidungen des - organisatorisch verselbständigten - Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch sichert und damit gewährleistet, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, S. 600 <601>; ferner - daran anschließend - BVerfGK 12, 440 <448>).

29

Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substanzieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung (vgl. § 2 Abs. 1 KlV-Dü, nunmehr § 2 Abs. 1 UKVO) trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 KlV-Dü, nunmehr § 2 Abs. 3 Satz 2 UKVO). Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar. Es reduziert diesen Einfluss auf das spezifisch wissenschaftliche Moment des Klinikumsbetriebs und verlangt (nur) insoweit eine Rückbindung an den Fachbereich Medizin. Universität und Fachbereich Medizin werden auf diese Weise nicht nur von einer unmittelbaren Zuständigkeit und Verantwortung für den jenseits des mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs der Krankenversorgung, sondern von der Zuständigkeit und - primären - Verantwortung für den Klinikumsbetrieb als solchen entlastet.

30

Daher ist die Auslegung des das Einvernehmenserfordernis auslösenden Merkmals des Betroffenseins von Forschung und Lehre vorrangig am Gedanken der Aufrechterhaltung eines umfänglichen Einflusses des Fachbereichs Medizin - und damit der an ihm tätigen medizinischen Hochschullehrer - auf den Bereich von Forschung und Lehre auszurichten. Dies schließt die Annahme einer gewissen Erheblichkeitsschwelle zwar nicht aus, hat aber jedenfalls zur Folge, dass der Bereich von Forschung und Lehre nicht erst dann als betroffen angesehen werden kann, wenn das Einvernehmen im Ergebnis zu verweigern wäre, weil dies aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Rechte einzelner, mehrerer oder gar sämtlicher am Fachbereich Medizin tätiger Hochschullehrer verletzt. Forschung und Lehre sind vielmehr auch dann als betroffen anzusehen, wenn die mit einer Entscheidung des Universitätsklinikums einhergehende Beeinträchtigung von Forschung und Lehre im Ergebnis hingenommen werden kann und soll und das Einvernehmen daher erteilt wird. Von einem Betroffensein ist demnach grundsätzlich immer dann auszugehen, wenn der Bereich von Forschung und Lehre durch eine Entscheidung des Universitätsklinikums berührt wird und die Möglichkeit besteht, dass der Fachbereich Medizin und die an ihm tätigen medizinischen Hochschullehrer ihre mit dem Klinikbetrieb verbundenen und auf diesen angewiesenen Forschungs- und Lehraufgaben nicht oder nur verändert wahrnehmen werden können. Von vornherein nicht betroffen sind Forschung und Lehre nur, wenn erkennbar jeder Bezug zur Erfüllung von Forschungs- und Lehraufgaben fehlt und es daher schon der Möglichkeit einer Beeinträchtigung ermangelt.

31

Dieser Bedeutung des Einvernehmenserfordernisses für die Wissenschaftsfreiheit wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht. Durch dessen Auslegung wird der sichernden Funktion des Einvernehmenserfordernisses nicht mehr hinreichend Rechnung getragen. Durch die Trennung zwischen Universitätsklinik und medizinischem Fachbereich sollte der Fachbereich einerseits von der Klinikleitung befreit werden, ohne dabei aber andererseits jegliche Kontrolle über Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, zu verlieren. Die Krankenversorgung erfordert zwar gegenüber der medizinischen Forschung und Lehre anerkanntermaßen eine straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche Entscheidungen ermöglichende Organisation, weshalb die Strukturierung der Krankenversorgung weitgehend unbedenklich mit Rücksicht auf ihre Effizienz erfolgen kann (vgl. BVerfGE 57, 70 <96 ff.>), jedoch darf dies nicht dazu führen, dass dem Fachbereich der Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, genommen oder erheblich beschnitten wird. Durch das Einvernehmenserfordernis sollte dieser grundrechtlich verbürgte Einfluss verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, S. 600 <601>; BVerfGK 12, 440 <448>). Die zu enge Auslegung des Betroffenseins von Forschung und Lehre durch das Oberverwaltungsgericht führt in der konkreten Anwendung dazu, dass trotz erkennbarer - und vom Oberverwaltungsgericht auch offensichtlich erkannter - Auswirkungen des Schließungsbeschlusses der Bettenstation auf die Forschungen des Beschwerdeführers bereits das Einvernehmenserfordernis mit der Begründung abgelehnt wird, laufende Forschungen seien entweder überhaupt nicht betroffen oder könnten auch in Jülich durchgeführt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat damit zwar selbst erkannt, dass sich die Entscheidung des Klinikvorstandes auf die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers auswirkt, daraus aber nicht die notwendige Konsequenz gezogen, das Einvernehmen sei erforderlich, sondern ist der originär vom Fachbereich Medizin zu erörternden Frage nachgegangen, ob dem Beschwerdeführer alternative Forschungsmöglichkeiten verbleiben. Damit werden dessen Einfluss- und Teilhabemöglichkeiten durch eine gerichtliche Bewertung ersetzt. Diese Auslegung verkennt, dass neben diesem Anspruch auch die Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs und die insoweit garantierten Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist und setzt in unzulässiger Weise das Teilhaberecht mit dem Recht auf Grundausstattung gleich.

32

b) Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es sei nicht zweifelhaft, dass ein etwa doch erforderliches Einvernehmen nachgeholt werde, hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. An die Tragfähigkeit einer solchen Prognose sind mit Rücksicht auf die Bedeutung des Einvernehmenserfordernisses für die Wissenschaftsfreiheit hohe Anforderungen zu stellen. Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Annahme darauf, dass die Universität mehrfach mit der Schließungsentscheidung befasst gewesen sei, ohne auf einem Einvernehmen bestanden oder Einwände gegen die Schließung erhoben zu haben. Dabei berücksichtigt es indessen nicht hinreichend, dass die Universität selbst dann nicht ausdrücklich und zweifelsfrei - zumindest vorsorglich - ihr Einvernehmen hergestellt hat, als dessen Erforderlichkeit ernstlich in Betracht zu ziehen war; das dürfte spätestens seit dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) der Fall gewesen sein. Das bloße Nichterheben von Einwänden und die Befassung mit der Schließung der Bettenstation allein können jedenfalls den Schluss auf eine künftige ausdrückliche Erteilung eines Einvernehmens nicht tragen. Das Unterbleiben einer ausdrücklichen Einvernehmenserklärung kann seinen Grund auch darin haben, dass sich die zuständigen Organe zu einer solchen Entschließung aus verschiedenen Gründen nicht imstande gesehen oder die Bedeutung der Maßnahme für die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers nicht zutreffend eingeschätzt haben. Im Übrigen kommt es für die angestellte Prognose nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Das Oberverwaltungsgericht hätte auch in den Blick nehmen müssen, ob mit der Erteilung in einer Weise zu rechnen wäre, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zugunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfGK 12, 440 <450>). Dies gilt gerade in Bezug auf die Bedeutung des Einvernehmens als Ausdruck geschützter Teilhabe am universitären Willensbildungsprozess.

33

c) Der durch das Oberverwaltungsgericht hilfsweise vorgenommenen Folgenabwägung fehlt eine tragfähige Grundlage, da diese die in Rede stehende Grundrechtsposition des Beschwerdeführers nicht hinreichend berücksichtigt.

34

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet, liegen Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vor. Eine Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers ist nicht angezeigt.

35

Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hatte die 2. Kammer des Ersten Senats im Beschluss vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) nicht zur Entscheidung angenommen, da der Beschluss den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven einstweiligen Rechtsschutzes noch gerecht wurde. Zwar hat sich die Tatsachenbasis dahingehend geändert, dass die Annahmen, die das Verwaltungsgericht seinen Überlegungen zugrunde legt, mittlerweile als überholt gelten können. Jedoch wirkt sich die nachträglich vom Oberverwaltungsgericht festgestellte tatsächliche Nichterteilung des Einvernehmens nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts aus, da in Eilverfahren wie dem vorliegenden maßgeblich darauf abzustellen ist, ob das durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt ist. Dabei ist nur zu prüfen, ob die Anwendung von § 123 VwGO Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz beruhen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>). Davon ist vorliegend auch unter dem Eindruck der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht auszugehen. Denn nach wie vor ist festzuhalten, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht davor schützt, dass im Eilverfahren lediglich eine summarische Prüfung erfolgt, die im Hauptsacheverfahren eingehender überprüft werden und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann (vgl. schon BVerfGK 12, 440 <451>). Daran ändert auch die nachträgliche Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Einvernehmen sei doch nicht ausgesprochen worden, nichts, denn von Verfassungs wegen ist nicht zu fordern, dass jede Eilrechtsentscheidung von richtigen Tatsachen sowie der richtigen rechtlichen Einordnung dieser Tatsachen ausgehen muss. Diese "Fehleranfälligkeit" ist einem Eilverfahren inhärent und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange das Gericht erkennbar nur eine summarische Prüfung vornimmt und die eigentliche Klärung der Frage in der Entscheidung der Hauptsache vornimmt. Das Verwaltungsgericht hat vorliegend in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht komplexe Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Schließung der Bettenstation Forschung und Lehre betrifft, lediglich einer summarischen Prüfung unterzogen, dabei jedoch die Gewichtung der Grundrechte, insbesondere von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht grundlegend verkannt.

36

3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers auch nicht insoweit angezeigt, als er sich unmittelbar gegen den Schließungsbeschluss des Vorstandes des Universitätsklinikums sowie dessen faktische Umsetzung richtet. Auch insoweit hatte die 2. Kammer des Ersten Senats im Beschluss vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. An dieser Entscheidung wird festgehalten.

37

a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Schließungsbeschluss richtet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da der Rechtsweg nicht erschöpft und der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt wurde. Die Verweisung auf den Hauptsacherechtsweg kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn eine weitere Sachverhaltsklärung nicht erforderlich ist, die im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Fragen identisch mit denjenigen im Eilverfahren sind und nicht damit zu rechnen ist, dass das Hauptsacheverfahren eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts entbehrlich macht (vgl. BVerfGE 75, 318 <325>). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, da weitere Sachverhaltsaufklärung - beispielsweise zum genauen Ablauf der Dekanats-, Vorstands- und Fachbereichsratssitzungen - erforderlich ist. So obliegt es in erster Linie den Fachgerichten zu klären, ob das Dekanat oder der Fachbereichsrat für die Entscheidung über die Frage der Einvernehmenserteilung zuständig ist und ob sich die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KlV-Dü, die dem Dekanat die Beschlussfassung über die Verteilung der für die Forschung und Lehre im Fachbereich vorgesehenen Stellen und Mittel zuweist, noch im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 41 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 14. März 2000 (GV. NRW S. 190) in der Fassung des Gesetzes vom 30. November 2004 (GV. NRW S. 752) hält.

38

b) Auch hinsichtlich der Beschwerde gegen den faktischen Vollzug des Schließungsbeschlusses kann auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) verwiesen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst erneut über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.

39

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

IV.

40

Die Entscheidung zur Auslagenerstattung und zur Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität Freiburg tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
Bereits im Januar 2007 war der Kläger in einem anonymen Schreiben an den Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der damaligen Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der ............... (Fa. ...) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. ... zu beziehen (Umsatzvolumen: mindestens 25 Mio. EUR). Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. ... erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „......... Management GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
Auf die Aufforderung des Beklagten in einem Schreiben vom 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. W. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2008 bat der Kläger um Mitteilung der rechtlichen Grundlagen, die den Beklagten dazu berechtigten, die verbindliche Berufungszusage des Ministeriums vom 17.08.1983 zunichte zu machen. In einer Stellungnahme des Klinikumsvorstands vom 01.02.2008 heißt es hierzu, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors sei durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2008 (richtig: 2007) auf eine neue Basis gestellt worden. Die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das MWK sei damit überholt gewesen. Allein aufgrund dieses Chefarztvertrages habe er die Leitung des Zentrallabors inne gehabt. Mit Kündigung des Chefarztvertrags sei ihm diese Leitung entzogen und seien alle rechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Klinikum beendet worden.
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete des MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
10 
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
11 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
12 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) zurück.
13 
Die Staatsanwaltschaft Freiburg erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger zum Amtsgericht - Schöffengericht - Freiburg. Er wird beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben. Gegenüber zugleich angeklagten weiteren Personen wurde das Verfahren im November 2009 gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO der Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht noch aus.
14 
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, das Ministerium beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
15 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000 EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe.
16 
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten u.a. folgenden Beschluss:
17 
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. ... wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
2. …
3. …
18 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
19 
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Auch gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg (1 K 1803/10). Mit Beschluss vom 19.12.2010 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf das hiesige Berufungsverfahren aus.
20 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum Freiburg.
21 
Unter dem 20.01.2010 hatte das Universitätsklinikum dem Kläger mitgeteilt, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Hiergegen und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
22 
Bereits mit Schriftsatz vom 22.12.2009 hatte der Vorstand des Beklagten den Kläger aufgefordert, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen.
23 
Gegen die Kündigung des Dienstvertrags vom 24./25.01.2008 hatte der Kläger bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg Klage erhoben (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
24 
Der Kläger hat die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufhebung des „Bescheids vom 24. und 25.01.2008“ begehrt. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung habe es in formell-rechtlicher Hinsicht am erforderlichen Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät gefehlt. Das Einvernehmenserfordernis sichere gegenüber dem verselbständigten Beklagten die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht komme schützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu. Ob die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte nicht befugt sei, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden, bleibe offen.
25 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
26 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig. Sie habe weder zu einem Eingriff in das statusrechtliche noch in das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers geführt. Daran ändere auch nichts, dass dem Kläger durch Einweisungserlasse des Dienstherrn die Leitungsfunktion zugewiesen worden sei. Ihm sei das statusrechtliche Amt eines Universitätsprofessors und das abstrakt-funktionelle Amt eines Universitätsprofessors an der Universität Freiburg und nicht die Leitung des Zentrallabors bzw. der Abteilung Klinische Chemie zugewiesen. Im Übrigen liege ein Eingriff in das abstrakt-funktionelle Amt auch deshalb nicht vor, weil die Kündigung nicht zu einem Entzug der Leitungsfunktion und zu einer Entbindung von Aufgaben der Krankenversorgung geführt habe. Die im Begleitschreiben vom 28.01.2008 erwähnten Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Kündigungserklärung und deshalb auch nicht des vorliegenden Prozesses. Es handele sich um die Kündigung flankierende selbständig anfechtbare Vollzugsmaßnahmen, die Gegenstand gesonderter Rechtsbehelfsverfahren seien. Die Leitungsfunktion und die Aufgaben in der Krankenversorgung seien ihm nicht durch die Kündigung, sondern durch andere selbständig anfechtbare Maßnahmen entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setze die Kündigung des Chefarztvertrags die Abberufung des Klägers nicht voraus. Neben das Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg und neben die Bestellung zum Abteilungsleiter trete der Chefarztvertrag als dritte Rechtsebene. Weder der Chefarztvertrag vom 09.12.1998 noch der Chefarztvertrag vom 24.07.2007 hätten den Kläger zum Abteilungsleiter bestellt. Dies belege der Inhalt dieser Verträge. Die Hauptbedeutung des Vertrags bestehe darin, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Die Funktion als Abteilungsleiter sei nicht zwingend mit den Rechten aus dem gekündigten Chefarztvertrag verbunden. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Die Kündigung habe nur dazu geführt, dass die Konkretisierung dieser Aufgaben durch den Chefarztvertrag entfallen sei. Die Aufgabe selbst und ihre Wahrnehmung seien von der Kündigung unberührt geblieben. Die Erklärung des Einvernehmens der medizinischen Fakultät gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. sei nicht erforderlich gewesen. Durch die Kündigung vom 24./25.01.2008 sei dem Kläger die Funktion als Abteilungsleiter nicht vollständig entzogen worden und es habe sich daher nicht um eine Abberufung gehandelt. Die Parteien hätten mit dem Chefarztvertrag eine von der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelung treffen wollen. Die Kündigung habe sich auf die Rechtspositionen des Klägers bezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis und der Übertragung der Abteilungsleitung ergeben hätten. Dies gelte etwa für den Vergütungsanspruch in § 8, der nicht aus der Bestellung zum Abteilungsleiter folge, sondern sich aus dem Chefarztvertrag ergebe. Wie § 5 des Chefarztvertrags vom 09.12.1998 belege, setze die Liquidationsbefugnis wie die daraus folgenden Ansprüche die Bestellung zum Abteilungsleiter voraus, sie folge aber nicht aus ihr. Der Chefarztvertrag sei unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar, wobei die Kündigung nur das Nebenamt und nicht das Hauptamt betreffe. Selbst wenn man davon ausginge, dass in der Kündigung des Chefarztvertrags zugleich die Abberufung von der Abteilungsleitung liege, wäre der angebliche Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG geheilt. Der Vorstand des Beklagten habe in seiner Sitzung vom 28.09.2009 u. a. beschlossen, an der Kündigung vom 24.01.2008 festzuhalten. Der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät habe in seiner Sitzung vom 30.09.2009 das Einvernehmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erteilt. Die Kündigung des Chefarztvertrags habe keine Auswirkungen auf die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Klägers gehabt. Die Leitungsfunktion sei dem Kläger erst durch die Abberufung von der Abteilungsleitung mit Schreiben vom 20.01.2010 entzogen worden. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Leiter der Abteilung Klinische Chemie mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert. Deshalb berühre der unterstellte Entzug der Leitungsfunktion für das Zentrallabor nicht die Wissenschaftsfreiheit des Klägers als Universitätsprofessor aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung präge die amtsangemessene Beschäftigung des Klägers und sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Diese Gewährleistungen würden indes durch die Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Selbst wenn die Kündigung zum Entzug der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung geführt hätte, wäre sie allenfalls teilweise unwirksam. Denn sie habe keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers in Forschung und Lehre gehabt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe der Dekan der medizinischen Fakultät dem Kläger in Ergänzung zu den ihm bereits zugewiesenen Labor- und Büroräumen Personal zugeteilt und ihm ein jährliches Sachmittelbudget in Höhe von 15.000,-- EUR (für das Jahr 2009: 7.500,-- EUR) zur Verfügung gestellt. Zur Erfüllung seiner persönlichen Lehrverpflichtung im Wintersemester 2009/2010 habe er ihm bestimmte Lehrveranstaltungen zugewiesen. Die Zuweisung angemessener Räume und die Sach- und Personalmittelzuweisung seien Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Der Kläger nehme seit Sommersemester 2009 wieder Aufgaben in der Lehre wahr. Die außerordentliche wie auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
27 
Der Beklagte beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, für eine Kündigung, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, fehle dem Beklagten die Zuständigkeit. Mit dem unter dem Deckmantel einer arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben sei. Unter Verletzung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit sei ihm die Möglichkeit gänzlich genommen worden, patientennahe klinische Forschungsarbeiten weiterzuverfolgen und durchzuführen, da das Verbot der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ein Verbot, die Forschungsräume und das Zentrallabor zu betreten, mit umfasse. Es liege auf der Hand, dass sich seine Forschungstätigkeit mit den ihm später zugewiesenen Mitteln nicht mehr auf die gesamte Breite des von ihm vertretenen Fachs erstrecken könne. Da der Beklagte ihm auch das Recht zum Betreten des Klinikums verwehrt habe, wo die Lehrveranstaltungen abgehalten würden, sei er auch aus dem Lehrbetrieb ausgeschlossen worden. Erst mit Verfügung vom 08.05.2009 sei er verpflichtet worden, eine fremdorganisierte und rein praktisch ausgerichtete Lehrveranstaltung abzuhalten. Als verbeamteter Hochschullehrer habe er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemäß beschäftigt zu werden. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sei er indes beinahe zwei Jahre von der Krankenversorgung ausgeschlossen worden. Bei der ihm auferlegten Befundtätigkeit im sog. Lipid-Labor handle es sich um eine medizinisch unangebrachte, gefährliche und schikanierende Pseudo-Tätigkeit, nur um in dem hier vorliegenden Rechtsstreit vortragen zu können, dass er noch Aufgaben in der Krankenversorgung habe. Durch den Einweisungserlass vom 09.07.1990 sei auch die Leitung der Abteilung Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums am Klinikum als zu seinem statusrechtlichen und abstrakt- funktionellen Amt gehörend erklärt worden. Seit Entzug seines bisherigen Aufgabenbereichs habe er nicht mehr in ausreichender Weise Zugang zu Patienten, so dass die Ausbildung von Assistenten unmöglich sei. Da zudem seine Forschungstätigkeit vereitelt werde, werde ihm u.a. die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Qualifikation unmöglich gemacht. Klinische prospektive Studien könne er ohne direkten Zutritt zu den Räumen des Zentrallabors nicht durchführen. Selbst wenn man die Leitungsfunktion nicht dem Statusamt zuordne, sei diese wenigstens als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne zu verstehen. Denn die Leitungsfunktion sei ihm durch gesonderte Verfügungen des Dienstherrn zunächst am 22.02.1984 und später am 01.07.1990 auf Dauer zugewiesen worden. Durch die Kündigung sei ihm die Leitungsfunktion endgültig entzogen worden und folglich sein Recht auf amtsangemessene Beschäftigung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Auch wenn man lediglich einen Eingriff in das konkret-funktionelle Amt annehme, sei die Kündigung nicht als rechtmäßig zu qualifizieren. Als Leiter einer Institution der mittelbaren Krankenversorgung habe er keinen direkten Patientenkontakt, so dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag nicht zum Tragen kämen. Der Dienstherr habe festgestellt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn nicht zweifelsfrei bestätigt hätten und deshalb von einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG abgesehen werde. Der Vortrag des Beklagten, die Kündigung des Chefarztvertrages habe die Abteilungsleitung unberührt gelassen, sei unschlüssig und unzutreffend. Da die Dienstaufgaben eines Hochschullehrers aus dem Fachbereich Medizin in Form von Lehre, Forschung und Krankenversorgung untrennbar miteinander verknüpft seien, stelle der dauerhafte Ausschluss aus der Krankenversorgung regelmäßig eine Verletzung des Statusamts dar. Der Beklagte selbst habe ausgeführt, dass die Abberufung von der Abteilungsleitung nur durch einen widerrufenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde, dem MWK, und unter den Voraussetzungen der dafür im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Vorschriften hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte verkenne, dass der Chefarztvertrag als öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zu sehen sei, die erst durch die Bestellung zum Abteilungsleiter begründet würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch das MWK der Ansicht, dass das Recht zur Privatliquidation automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden sei. § 5 Abs. 1 Nr. 2 HNTVO zeige, dass die Liquidationsbefugnis entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl mit der Abteilungsleitung verbunden sei. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze, komme es nicht auf die Gestalt oder Form, sondern auf die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs an. Da die Kündigung mit dem dauerhaften Verbot jeglicher Tätigkeit in der Krankenversorgung und einem Ausschluss aus Forschung und Lehre einhergegangen und dem Regelungsgehalt nach auch als Abberufung von der Abteilungsleitung anzusehen sei, sei vom Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG auszugehen. Einer Heilung seines Fehlens über § 45 LVwVfG stehe entgegen, dass diese Vorschrift nur für bloße Verfahrensvorschriften gelte. Bei dem Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG handle es sich indes um eine mit Sicherungsfunktion ausgestattete Verfahrensvorschrift, die einen individualgrundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers konstituiere und deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen sei.
32 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig. Obwohl sie einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt darstelle, fehle es für den Entzug der Leitungsfunktion und den Entzug der Dienstaufgaben an einer Ermächtigungsgrundlage. Dadurch sei er in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Weder § 11 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 noch § 626 BGB stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die kündigungsbedingten Grundrechtseingriffe dar. Im Übrigen lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte, die einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten, nicht vor. Aber auch die weitere Voraussetzung, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, könne mit Blick auf die Ansicht des Beklagten, durch die Kündigung sei vor allem seine Aufgabe in der Krankenversorgung wie auch die Leitungsfunktion unberührt geblieben, nicht angenommen werden. Durch die Kündigung seien ihm sowohl die Abteilungsleitung als auch sämtliche Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen worden. Selbst nach der Rechtsauffassung des Beklagten wäre dies nur im Wege eines Verwaltungsakts möglich, so dass an dem Hilfsantrag festgehalten werde.
33 
Das beigeladene Land beantragt ebenfalls,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Es führt aus, dass die in den Chefarztverträgen geregelte Krankenhausliquidation eine anders ausgestaltete Form der allgemein genehmigten Nebentätigkeit im Sinne des § 5 HNTVO darstelle. Dieses Recht zur Privatliquidation sei automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden. Am 24.07.2007 hätten das Universitätsklinikum Freiburg und der Kläger einen Chefarztvertrag abgeschlossen, in dem er sein Recht zur Privatliquidation auf das Universitätsklinikum übertragen habe. In der Folgezeit sei eine Klinikliquidation durch das Universitätsklinikum Freiburg erfolgt. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Chefarztvertrages bemesse sich danach, ob ein Kündigungsgrund gemäß § 11 des Chefarztvertrages vorgelegen habe. Die Stellung als Abteilungsleiter werde von der Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Sie umfasse das gesamte Spektrum der Aufgaben des Professors auch in Forschung und Lehre und in den in der Einweisungsverfügung übertragenen Grundaufgaben in der Krankenversorgung über den Chefarztvertrag hinaus. Der Chefarztvertrag umfasse ergänzend nur bestimmte Aspekte in der Krankenversorgung als Institut zur Ablösung des Liquidationsrechts, insbesondere Fragen der Vergütung, Behandlung der Privatpatienten und der Durchführung von Leitungsaufgaben an der Klinik. Die Stellung als Abteilungsleiter könne nur durch Abberufung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Im Chefarztvertrag sei lediglich die nähere Ausgestaltung der Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikums im vorgenannten Sinne vorgenommen worden. Das Beamtenverhältnis zum Land könne nicht durch einen Chefarztvertrag des rechtlich selbständigen Universitätsklinikums Freiburg verändert werden, zuständig dafür wäre der Minister als Dienstvorgesetzter der Professoren.
36 
Mit Beschluss vom 15.07.2010 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den auf Zutrittgewährung zum Zentrallabor oder anderweitig angemessene Mittelausstattung sowie Verschaffung einer Möglichkeit zur Teilnahme an der Krankenversorgung gerichteten Eilantrag abgelehnt (1 K 2586/09). Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der Senat teilweise stattgegeben (9 S 1984/10).
37 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Zahlungsklage wegen der ihm im Jahre 2008 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Beschluss vom 27.02.2012 ist das Klageverfahren bis zur unanfechtbaren Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
38 
Am 31.03.2012 ist der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.
39 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 3 K 2749/08 (einschließlich der dort beigezogenen Akten des Beklagten <3 Leitzordner> und des beigeladenen Landes , 1 K 2594/11 und 1 K 1803/10 ebenso vor wie die Akten der Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 und 9 S 3387/11 und des Verfahrens auf Zulassung der Berufung 9 S 2596/10 (einschließlich der dort vorgelegten Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg 3 K 1412/08 und1 K 2104/03). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Der Beamte kann nach Maßgabe der §§ 17 und 18 auch über den Bereich des Bundes oder eines Landes hinaus zu einem anderen Dienstherrn im Geltungsbereich dieses Gesetzes abgeordnet oder versetzt werden.

(2) Die Abordnung oder Versetzung wird von dem abgebenden im Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt; das Einverständnis ist schriftlich oder elektronisch zu erklären. In der Verfügung ist zum Ausdruck zu bringen, daß das Einverständnis vorliegt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Juli 2010 - 8 K 273/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 27. Juli 2010 - auf jeweils 100.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Das Verfahren betrifft die Organisationsmaßnahme eines Universitätsklinikums, deren Vollzug eine Schmälerung des Zuständigkeitsbereichs der von der Antragstellerin geleiteten Klinik zur Folge hätte.
Die Antragstellerin ist im Jahr 2001 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Universitätsprofessorin der Besoldungsgruppe C4 im Fach Viszerale Chirurgie ernannt worden. Die damit verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung sind durch eine Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem als Antragsgegner in Anspruch genommenen Universitätsklinikum vom 22.02.2001/14.03.2001 (Chefarztvertrag) festgelegt worden. Danach ist der Antragstellerin die Leitung der bestehenden Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie übertragen und das Recht, Privatpatienten behandeln und hierfür ein besonderes Honorar verlangen zu dürfen, eingeräumt worden. Hinsichtlich etwaiger künftiger Änderungen ist geregelt:
§ 4
Entwicklungs- und Anpassungsklausel
Im Benehmen mit der Abteilungsleiterin kann das UK strukturelle und organisatorische Änderungen im Klinikum vornehmen.
Insbesondere kann es, wenn dies sachlich geboten ist,
- selbständige Fachabteilungen, Funktionsbereiche oder Institute neu einrichten, unterteilen, abtrennen oder schließen
- den Umfang der Abteilung sowie die Bettenzahl und die Bettenaufteilung der Abteilung ändern
- die Ausführung bestimmter Leistungen von der Abteilung ganz oder teilweise abtrennen und/oder anderen geeigneten Fachabteilungen, Funktionsbereichen, Instituten, Untersuchungs- oder Behandlungseinrichtungen oder Ärzten zuweisen.
Für die Folgen derartiger Maßnahmen auf die Liquidationsbefugnis ist in § 5 Abs. 8 bestimmt:
Das UK übernimmt keine Gewähr für den Umfang der gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen und für Höhe und Eingang der Einnahmen aus der Ausübung des Liquidationsrechts gem. Abs. 1. Bei Rückgang der Liquidationserlöse entstehen keinerlei Ausgleichsansprüche gegen das UK. Entsprechendes gilt auch bei organisatorischen Maßnahmen nach § 4 dieses Vertrages. Grundsätzlich darf der Anteil der Patienten mit der Wahlleistung Arzt pro Jahr durchschnittlich 22% der stationär aufgenommenen Patienten nicht übersteigen.
Mit Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 wurde die Errichtung eines Departements für Allgemeine und Viszeralchirurgie und damit zusammenhängend eine Umstrukturierung der von der Antragstellerin geleiteten Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie verabschiedet. Die bisherige Klinik soll danach in „Klinik für Allgemeine Chirurgie“ umbenannt und im Tätigkeitsfeld entsprechend reduziert werden. Die neustrukturierte Klinik für Allgemeine Chirurgie, eine neu zu gründende Klinik für Onkologische Chirurgie sowie eine umbenannte und aus dem bisherigen Klinikum für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie ausgegliederte Abteilung für Kinderchirurgie sollen das Departement für Allgemeine und Viszeralchirurgie umfassen. Die Transplantationschirurgie soll ebenfalls ausgegliedert und der „Klinik für Urologie und Kinderurologie“ zugeordnet werden. Hinsichtlich des Wirksamwerdens enthält der Schlusssatz die Bestimmung:
10 
„Die oben genannten Beschlüsse treten nach Zustimmung des Aufsichtsrats mit der Annahme eines Rufs auf eine W3-Professur für Onkologische Chirurgie in Kraft“.
11 
Die Antragstellerin ist mit der Neuordnung des ihr bislang zugeordneten Aufgabenbereichs nicht einverstanden und hat verschiedene Alternativkonzepte vorgelegt. Nachdem der Aufsichtsrat den Maßnahmen in seiner Sitzung vom 09.07.2008 zugestimmt und das Wissenschaftsministeriums die Genehmigung zur Ausschreibung der W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie mit Schreiben vom 31.10.2008 erteilt hatte, ist im Deutschen Ärzteblatt vom 20.02.2009 indes eine W3-Professur für „Allgemeine und Viszeralchirurgie“ ausgeschrieben worden. Ein auf die vorläufige Untersagung des Besetzungsverfahrens gerichteter Eilantrag blieb erfolglos (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -). Auf seiner Sitzung vom 18.02.2010 hat der Senat des Antragsgegners der Berufungsliste zur Besetzung der W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie zugestimmt. Das Wissenschaftsministerium hat sein Einvernehmen hierzu aber noch nicht erteilt.
12 
Am 27.01.2010 hat der Klinikumsvorstand des Antragsgegners die Errichtung eines Transplantationszentrums als Gemeinsamen Bereich auch für die Chirurgischen Kliniken beschlossen. Mit Umlaufbeschluss vom 08./11.02.2010 ist weiterhin beschlossen worden, dass im Umstrukturierungskonzept für die Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleibt.
13 
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz gegen die Umsetzung der beschlossenen Umstrukturierung der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab dem Antrag durch Beschluss vom 26.07.2010 (- 8 K 273/10 -) statt und untersagte dem Antragsgegner vorläufig, den Organisationsbeschluss seines Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 in der Fassung des Umlaufbeschlusses vom 08./11.02.2010 zu vollziehen. Hiergegen hat der Antragsgegner am 10.08.2010 Beschwerde eingelegt.
II.
14 
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (vgl. § 147 Abs. 1 VwGO). Sie ist aber nicht begründet. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin vorläufig vor Vollzugsmaßnahmen aus dem Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 geschützt werden muss.
15 
Trotz der beachtlichen, mit der Beschwerde vorgetragenen Einwände steht dem Begehren der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite. Denn obwohl die im Raum stehenden Organisationsmaßnahmen - anders als statusrechtliche Entscheidungen - nicht irreversibel sind und insbesondere die von der Antragstellerin befürchteten Einnahmeverluste aus Privatbehandlungen nachträglich ausgeglichen werden könnten, ist ihr bei unterstelltem Anordnungsanspruch ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar. Ausgehend von einem Eingriff in das von ihr reklamierte Recht auf Wissenschaftsfreiheit und die ihr durch den Chefarztvertrag eingeräumte Rechtsstellung könnte der Antragstellerin die Schmälerung ihres Tätigkeits- und Wirkungsfeldes für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden. Entgegen der vom beigeladenen Land geäußerten Auffassung ist die Organisationsmaßnahme auch nicht schwebend unwirksam, bis eine Satzungsänderung durch das Wissenschaftsministerium genehmigt worden ist. Denn der Antragsgegner hat mit dem Beschluss seines Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 nicht eine Satzungsänderung beschlossen, sondern eine auf die Erprobungsklausel des § 7 Abs. 4 seiner Satzung gestützte Organisationsmaßnahme. Dementsprechend geht der Antragsgegner auch davon aus, dass eine Genehmigung erst „nach Bedingungseintritt“ einzuholen ist (vgl. Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 13.07.2010, S. 4). Damit muss die Antragstellerin auch schon vor einer entsprechenden Genehmigung mit Vollzugsmaßnahmen des Antragsgegners rechnen.
16 
Auch der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Es ist - bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage - davon auszugehen, dass der Antragsgegner mit dem Vollzug des beanstandeten Organisationsbeschlusses in rechtswidriger Weise in ein subjektives Recht der Antragstellerin eingreifen würde, sodass der Antragstellerin hiergegen ein öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlassungsanspruch zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1996 - 6 C 5/95 -, BVerwGE 102, 304 [315]).
17 
1. Allerdings beeinträchtigt der von der Antragstellerin angegriffene Organisationsbeschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 weder ihre statusrechtliche Stellung als Universitätsprofessorin noch die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit.
18 
Mit der Ernennung zur Professorin für Viszeralchirurgie an der beigeladenen Universität ist der Antragstellerin das Amt und die Aufgabe übertragen worden, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. Die damit begründete Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verleiht einen subjektiv-rechtlichen Schutz gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.10.2008 - 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89 [105]). Auch die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gehört gemäß § 53 Abs. 1 LHG zu den der Antragstellerin als Dienstaufgabe übertragenen Tätigkeitsbereichen, die - im Hinblick auf den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung - auch gerichtlich verteidigt und in Anspruch genommen werden können. Sie prägt die amtsgemäße Verwendung der Antragstellerin und ist insofern Bestandteil ihres abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessorin (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
19 
Diese Gewährleistungen werden durch die vom Antragsgegner beschlossenen Organisationsmaßnahmen indes nicht verletzt. Dies gilt zunächst für die sich mittelbar aus dem Beschluss ergebende Folge der Ausschreibung einer W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie. Denn ein Recht auf alleinige Vertretung des übertragenen Faches wird mit der Ernennung nicht begründet (vgl. etwa Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 2). Auch hinsichtlich der mit der Beschwerde in den Vordergrund gerückten Tätigkeit im Bereich der Krankenversorgung ist nicht erkennbar, dass durch die Maßnahmen der subjektiv-rechtlich abgesicherte Anspruch der Antragstellerin auf amtsangemessene Beschäftigung beeinträchtigt werden könnte. Trotz des Organisationsbeschlusses behält die Antragstellerin ihre Funktion als leitende Ärztin einer chirurgischen Klinik samt der damit verbundenen Möglichkeit der Behandlung von Privatpatienten. Die Beschäftigung der Antragstellerin wird daher nicht in qualitativer Hinsicht geändert und ihr insbesondere auch nicht die Ausübung einer unterwertigen Tätigkeit zugemutet. Verändert werden vielmehr nur der sachliche Umfang und der Zuschnitt ihres Aufgabengebietes und damit das „Amt im konkret-funktionalen Sinn“. Die der Antragstellerin verliehene Stellung als Universitätsprofessorin vermittelt aber keinen Anspruch auf ungeschmälerte Aufrechterhaltung des bestehenden Aufgabenbereichs. Derartige Garantien können allenfalls aus Individualabreden folgen (vgl. hierzu unter 2.). Gleiches gilt auch für den Umfang der von der Antragstellerin ausgeübten Nebentätigkeiten und die damit verbundenen Einkunftsmöglichkeiten. Auch insoweit gewährleistet Art. 33 Abs. 5 GG kein Recht auf den Besitzstand „wohlerworbener Rechte“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [62 ff.]).
20 
Ob zur Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit auf dem Gebiet der Viszeralchirurgie - also dem auf die inneren Organe bezogene Teilbereich der Chirurgie (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002) - auch die von der Antragstellerin bislang ausgeübte Tätigkeit im onkologischen Bereich zwingend gehört, vermag der Senat nach Aktenlage nicht zu entscheiden (vgl. zur Ermittlung der inhaltlichen Reichweite des übertragenen Faches BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 216/07 -, DVBl 2010, 1106 [Rn. 58]). Selbst wenn dem so sein sollte, wäre mit den angegriffenen Organisationsmaßnahmen eine Verletzung der der Antragstellerin zukommenden Rechtsposition bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung nicht zwingend verbunden. Vielmehr sind auch danach Ausgestaltungen denkbar, die der Antragstellerin Aufgaben der Krankenversorgung im Bereich der Onkologischen Chirurgie belassen. Der aus dem Organisationsbeschluss folgende Entzug der Leitungsfunktion für den Bereich der Onkologischen Chirurgie dagegen verletzt die Antragstellerin nicht in der ihr aus der Wissenschaftsfreiheit als Universitätsprofessorin zukommenden Rechtsstellung. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Tätigkeit als leitender Klinikarzt mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Auch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt nicht, dass ein Hochschullehrer Leitungsfunktionen an der wissenschaftlichen Einrichtung, an welcher er tätig ist, ausüben muss. Im Bereich der Krankenversorgung ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine Zusatzaufgabe handelt, die vom ärztlichen Hochschullehrer neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre betrieben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.04.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 [92 und 96]). Dementsprechend ist in der mit der Antragstellerin geschlossenen Berufungsvereinbarung vom 26./30.04.2001 auch nur von „Aufgaben in der Krankenversorgung“ die Rede, nicht aber von Leitungsfunktionen oder bestimmten Bereichen. Bezugspunkt der aus der Wissenschaftsfreiheit abgeleiteten Rechtsposition ist damit nicht die Leitungstätigkeit, sondern nur die Mitwirkung in der Krankenversorgung.
21 
Die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs muss demnach - sofern die Tätigkeit im Bereich der Onkologischen Chirurgie zum Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit gehören sollte - lediglich sicherstellen, dass der Antragstellerin in ausreichender Weise Zugang zu Patienten ermöglicht wird, um diese für eine Mitwirkung in ihren Lehrveranstaltungen gewinnen, Assistenten ausbilden und ihre klinische Qualifikation aufrecht erhalten zu können (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 08.04.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 [98]). Diesen Anforderungen ist vorliegend aber Rechnung getragen. Denn am 08./11.02.2010 hat der Klinikumsvorstand des Antragsgegners beschlossen, dass im Umstrukturierungskonzept für die Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleibt.
22 
2. Der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 bewirkt aber einen rechtswidrigen Eingriff in die der Antragstellerin durch den Chefarztvertrag eingeräumte Rechtsposition. Zwar sind entsprechende Neustrukturierungsmaßnahmen grundsätzlich durch die in § 4 dieses Vertrags enthaltene Anpassungsklausel gedeckt (a). Die danach erforderlichen Voraussetzungen liegen aber voraussichtlich nicht vor (b).
23 
a) § 4 des zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossenen Chefarztvertrags lässt Organisationsmaßnahmen, wie die im Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 enthaltenen, grundsätzlich zu.
24 
aa) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die in § 4 des Chefarztvertrags enthaltene Anpassungsklausel aber an § 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 308 Nr. 4 BGB gemessen.
25 
Die Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin zur Ausgestaltung ihrer Aufgaben in der Krankenversorgung vom 22.02.2001/ 14.03.2001 (Chefarztvertrag) konkretisiert die der Antragstellerin als beamteter Hochschullehrerein nach § 53 LHG übertragenen Dienstaufgaben in der Krankenversorgung und regelt damit einen Vertragsgegenstand, der öffentlich-rechtlichen Charakter aufweist (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 - sowie LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.06.2010 - 3 Ta 10/10 -; zum Maßstab auch BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010 - 6 A 5/09 -, NVwZ-RR 2001, 682; BGH, Beschluss vom 20.05.2009 - XII ZB 166/08 -, NVwZ 2009, 1054). Denn auch die Versorgung von Privatpatienten gehört zu den „originären Hauptpflichten“ eines leitenden Krankenhausarztes (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [63]). Dementsprechend wurde die Antragstellerin im Berufungsschreiben des Wissenschaftsministers vom 04.12.2000 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Professur neben der Verpflichtung, das Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, auch Aufgaben in der Krankenversorgung verbunden sind, deren Ausgestaltung und Übertragung einem Vertrag mit dem rechtlich selbständigen Universitätsklinikum vorbehalten sei. Auch auf öffentlich-rechtliche Verträge sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches nach § 62 Satz 2 LVwVfG aber ergänzend anwendbar.
26 
Dies gilt auch für die in § 308 Nr. 4 BGB enthaltene Regelung. Denn obwohl die Vorschrift erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) und damit nach Abschluss des Chefarztvertrages eingeführt worden ist, erstreckt sich ihr Geltungsanspruch gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch auf „Altverträge“, die schon vor Inkrafttreten der Neuregelung geschlossen waren, und ordnet deren Unwirksamkeit nach Ablauf der Übergangsfrist zum 01.01.2003 an (vgl. BAG, Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536). Dass die Klausel vorformuliert und mit der Antragstellerin nicht ausgehandelt worden war, ist mit der Beschwerdeschrift ausdrücklich eingeräumt worden.
27 
bb) Der Senat teilt indes nicht die Auffassung, dass danach die in § 4 des Chefarztvertrags enthaltene Entwicklungs- und Anpassungsklausel ersatzlos zu entfallen hat. Dies folgt schon daraus, dass der in § 4 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Chefarztvertrages enthaltene Anpassungsvorbehalt einer Kontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB stand hält.
28 
Diese Vorschrift verbietet die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Zumutbar ist eine Entwicklungsklausel aber, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140 [144 f.]). Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Verträge ergibt sich dies bereits aus der in § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gesetzlich angeordneten Anpassungsmöglichkeit (vgl. insoweit auch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
29 
Voraussetzung und Umfang der vorbehaltenen Änderungen sollen dabei möglichst konkretisiert werden. Allerdings sind genaue Festlegungen angesichts der ungewissen Zukunftsentwicklung schwierig. Dies gilt erst recht bei den auf lange Laufzeiten angelegten Chefarztverträgen, die den sich fortentwickelnden Vorgaben aus Wissenschaft und Technik sowie des gesetzlichen Rahmens in besonderer Weise ausgesetzt sind (vgl. BAG, Urteil vom 28.05.1997 - 5 AZR 125/96 -, BAGE 86, 61 [72]; Reinecke, NJW 2005, 3383 [3387]). Jedenfalls aber „die Richtung, aus der der Widerruf möglich sein soll“, muss für den Chefarzt offen gelegt sein, damit er erkennen kann, was gegebenenfalls auf ihn zukommt (BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140 [146]; Urteil vom 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - [Rn. 29]). Änderungsklauseln im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB müssen zumindest ein „Mindestmaß an Kalkulierbarkeit“ aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010 - XI ZR 197/09 -, NJW 2010, 1742 [Rn. 15]).
30 
Diesen Anforderungen genügt die streitige Klausel noch. Denn sie macht deutlich, dass nur „strukturelle und organisatorische Änderungen im Klinikum“ ermöglicht werden sollen. Angesprochen sind ausdrücklich die Schließung und Abtrennung von Fachabteilungen, Funktionsbereichen oder Instituten, die Änderung der Bettenzahl und -aufteilung sowie die Abtrennung bestimmter Leistungen. Damit ist nicht nur der Anlass etwaiger Anpassungen markiert, sondern insbesondere auch der Umfang denkbarer Eingriffe festgeschrieben. Die Antragstellerin konnte sich auf dieser Grundlage durchaus ein Bild der möglichen Anpassungen machen und musste danach auch mit intensiven Eingriffen in die bestehende Organisationsstruktur rechnen. Dass hiermit auch finanzielle Einbußen im Bereich der Privatliquidationserlöse verbunden sein könnten, ist in § 5 Abs. 8 Satz 3 des Chefarztvertrages ausdrücklich ausgesprochen und klargestellt worden.
31 
Die Klausel unterscheidet sich daher erheblich von den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Konstellationen, in denen „jederzeitige und unbeschränkte“ Widerrufsvorbehalte zu beurteilen waren und der Grund daher nicht bereits in der Änderungsklausel beschrieben war (vgl. Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140; Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536; Urteil vom 19.12.2006 - 9 AZR 294/06 -, BB 2007, 1624; Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428). Sie enthält - anders als in dem vom Arbeitsgericht Heilbronn (Urteil vom 04.09.2008 - 7 Ca 214/08 -, MedR 2009, 99) entschiedenen Fall - bereits im Wortlaut einen Sachgrund und ist entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht „völlig unbestimmt“.
32 
Die streitige Klausel mutet der Antragstellerin auch keine unangemessen benachteiligende Abweichung von dem Vereinbarten zu. Dies folgt zunächst schon daraus, dass sie nur diejenigen Anpassungen ermöglicht, die aus strukturellen und organisatorischen Gründen „sachlich geboten“ sind. Die Vereinbarung berücksichtigt damit die Belange der Antragstellerin und setzt überdies die Herstellung eines „Benehmens“ voraus. Insbesondere aber enthält das Entwicklungsrecht keinen Eingriff in den Kernbereich der vertraglichen Regelung. Die Anpassung erlaubt dem Antragsgegner nicht, die Art der Dienstleistung (Leitung einer chirurgischen Abteilung) zu ändern oder ihr andere ihrer beruflichen Qualifikation nicht entsprechende oder unterwertige Tätigkeiten zuzuweisen. Vielmehr betrifft die mögliche Anpassung allein den sachlichen Umfang und die organisatorische Ausgestaltung ihres Aufgabenfeldes. Dass hierdurch mittelbar auch die Möglichkeit der Behandlung von Privatpatienten und die hiermit verbundenen Einnahmen aus der Ausübung des Liquidationsrechts betroffen sein können, führt nicht zur Unwirksamkeit. Denn eine vertragliche Zusicherung für die dauerhafte Erhaltung dieser Einnahmemöglichkeiten enthält der Chefarztvertrag nicht. Dort ist vielmehr in § 5 Abs. 8 ausdrücklich geregelt, dass eine Gewähr für Umfang und Höhe der Einnahmen aus Privatliquidation nicht besteht, und auf die Möglichkeit des Rückgangs bei organisatorischen Änderungsmaßnahmen verwiesen. Schließlich wird der Antragstellerin durch die möglichen Maßnahmen auch nicht der Zugang zur Krankenversorgung entzogen.
33 
cc) Selbst wenn man von der Unwirksamkeit der Anpassungsklausel ausginge, wäre der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 am Maßstab der sachlichen Gebotenheit zu prüfen.
34 
Angesichts der Tatsache, dass die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB auf Altfälle, bei deren Abschluss die Vorgaben noch gar nicht berücksichtigt werden konnten, eine Rückwirkung darstellt, bedarf es auch nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Verstoßfällen einer ergänzenden Vertragsauslegung zur Schließung der entstandenen Lücke. Nur so kann eine verhältnismäßige und verfassungskonforme Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen gewährleistet werden (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140; Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536).
35 
Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die vorliegend in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Chefarztvertrages ausdrücklich enthaltene Bestimmung, so dass es auf das teilweise angedeutete Erfordernis vorangegangener Anpassungsversuche (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428) - deren anlassunabhängige Erforderlichkeit jedenfalls im Bereich öffentlich-rechtlicher Verträge eher fraglich erscheint - nicht ankommt. Die gegenteilige Auffassung hätte eine „Versteinerung“ der einem Chefarzt zugebilligten Rechtspositionen zur Folge, selbst wenn organisatorische Änderungen aus Sachgründen unabweisbar erforderlich wären, was mit der gesetzlich angeordneten Anpassungsmöglichkeit aus § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG nicht vereinbar ist (vgl. zur Zulässigkeit der Kündigung aus wichtigem Grund Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 191; zur Anpassung von Ausstattungszusagen Senatsurteil vom 21.10.2008 - 9 S 1507/06 -, VBlBW 2009, 69). Entgegen der vom Verwaltungsgericht geäußerten Auffassung bestehen an der Wirksamkeit dieser Klausel auch keine Bedenken, weil sie - anders als in dem zitierten Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 -, BAGE 115, 19 [28]) - gerade keine geltungserhaltende Reduktion, sondern nur die Pflicht der Vertragsergänzung enthält. Im Übrigen sind auch die der Antragstellerin von der Medizinischen Fakultät gegebenen Zusagen zu Struktur und Ausstattung der Abteilung im Berufungsangebot vom 13.02.2001 ausdrücklich auf 5 Jahre befristet worden. Sie konnte daher nicht darauf vertrauen, dass ihre Stellung auch nach Ablauf dieser Frist ungeschmälert aufrecht erhalten bleibt.
36 
Maßgeblich wäre demgemäß, was die Beteiligten vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzliche angeordnete Unwirksamkeit der Anpassungsklausel bekannt gewesen wäre. Zur Beantwortung dieser Frage ist der durch den Vertrag selbst (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428 [Rn. 38]) und die gesetzlichen Vorgaben gezogene Rahmen heranzuziehen. Auch danach wäre der Antragstellerin aber die Hinnahme einer sachlich gebotenen Änderung der Organisationsstruktur aufgebürdet worden. Dies folgt nach dem oben Ausgeführten schon daraus, dass der Vertrag eine dauerhafte Zusicherung der bei Abschluss bestehenden Aufgabenbereiche und Organisationsstrukturen nicht enthält, sondern vielmehr von einer Veränderlichkeit der Tätigkeit der Antragstellerin in der Krankenversorgung - auch im Hinblick auf mögliche Einnahmen aus Privatliquidation - ausgeht. Jedenfalls für grundlegende Struktur- und Ausrichtungsentscheidung ergibt sich dies überdies aus §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 62 Satz 1 LVwVfG. Die Antragstellerin hätte dem redlicher Weise nicht widersprechen können und für den Fall der aus strukturellen und organisatorischen Gründen sachlich gebotenen Änderungen ein Anpassungsrecht vereinbart. In dieser Konstellation ist ein sachlicher und triftiger Grund zur nachführenden Anpassung nicht von der Hand zu weisen.
37 
b) Die Voraussetzungen aus § 4 des Chefarztvertrages erfüllt der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 aber nicht.
38 
aa) Allerdings dürfte sich der Organisationsbeschluss entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung nicht schon deshalb als fehlerhaft erweisen, weil Anpassungsmaßnahmen nach § 4 des Chefarztvertrags „im Benehmen“ mit der Antragstellerin vorzunehmen sind.
39 
Mit dem - gesetzlich nicht bestimmten - Begriff des Benehmens wird eine Form der Mitwirkung beschrieben, die zwar über die bloße Information oder Anhörung hinausgeht, eine Verbindlichkeit wie beim Einvernehmen oder der Zustimmung aber nicht erreicht (vgl. BAG, Urteil vom 13.03.2003 - 6 AZR 55/01 -, MedR 2004, 390). Die Herstellung des Benehmens dient daher der erläuternden Kontaktnahme und zielt auf eine möglichst einvernehmliche Lösung (vgl. etwa Püttner, in: Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, 3. Aufl. 2001, S. 637). Sie hindert bei fehlender Einigung aber die bestehende Entscheidungskompetenz nicht.
40 
Angesichts dieser Zweckbestimmung liegt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - nahe, dass die Fühlungnahme grundsätzlich im Vorfeld stattfinden muss. Andernfalls ist die Achtung und Berücksichtigung der Belange und Wünsche der Gegenseite schwerlich möglich.
41 
Fraglich ist allerdings bereits, welcher Zeitpunkt hierfür im vorliegenden Falle maßgeblich ist. Denn § 4 des Chefarztvertrags stellt auf die „Vornahme“ der organisatorischen Änderung ab. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung ist daher nicht erforderlich, dass bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands ein Benehmen mit der Antragstellerin hergestellt worden ist. Selbst die „abschließende Entscheidung“ hierüber trifft nicht der Klinikumsvorstand, vielmehr sind nachfolgend noch eigenständige Willensbildungen des Aufsichtsrats und der Medizinischen Fakultät erforderlich. Hinzu kommt vorliegend überdies, dass das Inkrafttreten des Organisationsbeschlusses an die aufschiebende Bedingung der Rufannahme für die W3-Professur für Onkologische Chirurgie geknüpft worden ist. Damit verbleibt ein beachtlicher Zeitrahmen, in dem Details und Umsetzungsfragen geklärt werden können. Gerade die Rechtsstellung der Antragstellerin wird aber maßgeblich durch die konkrete Ausgestaltung betroffen und ausgeformt. So ist auf ihre Einwände (und das gerichtliche Eilverfahren gegen die Fortführung des Berufungsverfahrens) hin etwa durch Umlaufbeschluss vom 08./11.02.2010 - und damit nach dem Organisationsbeschluss vom 18.06.2008 - durch den Klinikumsvorstand beschlossen worden, dass bei der Umstrukturierung der Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin auch zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleiben muss. Jedenfalls in den Umständen des vorliegenden Falles spricht daher viel dafür, dass Sinn und Zweck des Benehmens auch noch durch eine nach der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 stattfindende Kommunikation gewährleistet werden können.
42 
Dem entspricht auch, dass der Antragstellerin auf die von ihr vorgetragenen Einwände hin unmittelbar durch Schreiben des Vorsitzenden des Vorstands des Antragsgegners vom 04.08.2008 zugesichert wurde, dass bis zur Bewertung ihres Gegenkonzepts von Maßnahmen abgesehen werde, die eine irreversible Weichenstellung bedeuten könnten. Der Sache nach ist daher - zwar nach dem Organisationsbeschluss vom 18.06.2008, aber weit vor dessen Wirksamwerden und Vollzug - sachliche Verständigungsbereitschaft signalisiert worden. Diese war ersichtlich auch auf etwaige Änderungen des Beschlusses gerichtet und daher geeignet, die vom „Benehmen“ intendierte Beachtung der Interessen der Antragstellerin zu gewährleisten. Demgemäß ist es nachfolgend zu einer Vielzahl von Gesprächen und Stellungnahmen gekommen. Der Antragstellerin ist folglich nach der tatsächlichen Übung Gelegenheit gegeben worden, auf die abschließende Entscheidungsfindung Einfluss zu nehmen und ihren Vorstellungen Ausdruck zu verleihen (vgl. BAG, Beschluss vom 05.05.2010 - 7 ABR 97/08 -, NZA 2010, 955). Dass hierbei die Antragstellerin ihre Vorstellungen nicht durchzusetzen vermochte, beeinträchtigt die Herstellung des Benehmens nicht. Der Umstand, dass auch die intensive nachträgliche Beratung, unter Einschaltung von Ministerium und Universität und unter dem Druck der schwebenden Gerichtsverfahren eine inhaltlichen Änderungen der Entscheidung nicht bewirken konnte, verdeutlicht vielmehr, dass auch eine vor der Beschlussfassung vom 18.06.2008 erfolgte Kontaktaufnahme zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Dass Änderungen des Konzeptes aber noch möglich waren und sind, belegt der Beschluss des Klinikumsvorstands vom 27.01.2010 zur Errichtung eines Transplantationszentrums. Denn auch hiermit wird der Beschluss vom 18.06.2008 inhaltlich abgeändert: danach war die Transplantationschirurgie noch der Klinik für Urologie und Kinderurologie zugeordnet.
43 
bb) Weiter erscheint auch eine Heilung nach den in § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 LVwVfG niedergelegten Rechtsgrundsätzen nicht ausgeschlossen.
44 
In klassisch verwaltungsrechtlicher Terminologie bezeichnet das „Benehmen“ die Mitwirkung anderer Behörden beim Erlass eines mehrstufigen Verwaltungsakts (vgl. etwa Henneke, in: Knack/Henneke, VwVfG-Kommentar, 9. Aufl. 2010, § 35 Rn. 57). Insoweit handelt es sich um ein Erfordernis, dessen heilende Nachholbarkeit in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ausdrücklich angeordnet ist. Selbst die unabdingbar erforderliche Zustimmung anderer Behörden kann grundsätzlich nachträglich erteilt werden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27.09.1982 - 8 C 145/81 -, DVBl 1983, 135).
45 
Da die Antragstellerin hier nicht Dritte, sondern unmittelbar von der Maßnahme Betroffene ist, passt die kategoriale Zuordnung in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG aber nicht. Unabhängig von der Begrifflichkeit des „Benehmens“ liegt der Sache nach nicht die Mitwirkung einer anderen Behörde oder Stelle vor, sondern die Beteiligung des Betroffenen selbst. Diese Konstellation ist in klassisch verwaltungsrechtlicher Terminologie die „Anhörung“, für die in § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ebenfalls die Möglichkeit der Nachholung anerkannt ist.
46 
Auch diese Rubrizierung trifft den vorliegenden Sachverhalt indes nicht voll, weil Anhörung und Benehmen nicht identisch sind. Die sachlichen Unterschiede erscheinen aber nicht dergestalt gewichtig, dass eine Anwendung der Heilungsvorschriften sachwidrig erscheinen würde. Denn auch im Falle der von § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unmittelbar erfassten Anhörung geht es darum, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, seine Sichtweise und Vorstellungen in das Verfahren einzubringen. Auch wenn der beim Benehmen geforderte Einigungswille insoweit fehlt, setzt hier wie dort der Sinn der Vorschrift eine tatsächliche Berücksichtigung des Vorbringens voraus. Eine Heilung kann demgemäß nur eintreten, wenn die nachträglich vorgetragenen Erwägungen noch Beachtung finden und in den Entscheidungsprozess einfließen können. Hierfür reicht es nach der in § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG enthaltenen Wertung aus, wenn der Vortrag nachträglich berücksichtigt werden muss und zu einer Abänderung im Abhilfe- oder Widerspruchsverfahren führen kann (vgl. etwa Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 84).
47 
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats auch für das vorliegende Benehmen zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner heranzuziehen (vgl. zur Erstreckung auf „anhörungsbezogene Fälle“ auch Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG-Kommentar, § 45 Rn. 43). Auch insoweit ist Zweck der in § 4 des Chefarztvertrags enthaltenen Regelung, dass der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ihre Sichtweise und Interessen vor einer abschließenden Entscheidung über etwaige Anpassungsmaßnahmen geltend zu machen. Wie bei der Anhörung ist diesen Anforderungen grundsätzlich nur bei vorheriger Durchführung vollständig Rechnung getragen. Eine nachträgliche Mitwirkung ist indes nicht ausgeschlossen, sofern ihre wirksame Berücksichtigung noch möglich ist. Dies gilt im Falle der Anhörung durch die nachträgliche Berücksichtigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, vorliegend durch die ernsthafte Prüfung etwaigen Änderungsbedarfs vor Eintritt des erst in der Zukunft liegenden Wirksamkeitszeitpunkts.
48 
cc) Die mit dem Organisationsbeschluss verfügten Änderungen sind bei der im Rahmen einer Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Beurteilung nach Aktenlage aber nicht sachlich geboten, so dass dem Antragsgegner - jedenfalls vorläufig - ein Festhalten an der ursprünglich vereinbarten Klinikstruktur zugemutet werden kann.
49 
1) Dieses Ergebnis folgt nicht bereits daraus, dass der Antragsgegner die beschlossene Neustrukturierung deshalb durchführen möchte, weil er mit der Leitungstätigkeit der Antragstellerin in den vergangen Jahren nicht zufrieden ist. Allein dieser Befund macht den Beschluss nicht rechtswidrig. Insbesondere kann die beschlossene Umstrukturierung nicht als „Umgehung“ disziplinarischer Maßnahmen gewertet werden. Denn sie knüpft nicht an eine vorwerfbare Verletzung dienstlicher Pflichten oder ein disziplinarrechtlich sanktionierbares Fehlverhalten an. Soweit dies nach Aktenlage beurteilt werden kann, ist durch die vom Antragsgegner angenommene „Schlechtleistung“ der der Antragstellerin übertragenen Leitungsfunktion der Anwendungsbereich des Disziplinarrechts noch nicht eröffnet. Im Übrigen dürfte die Entscheidung über den Entzug eines konkreten Aufgabenbereiches nicht dem Disziplinarverfahren vorbehalten sein. Denn die das Beamtenrecht kennzeichnenden Verfahrensgarantien für die Entziehung des Amtes betreffen nur das Statusamt, nicht aber die Ausgestaltung des Tätigkeitsfeldes (vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 191; BVerwG, Urteil vom 07.03.1968 - II C 11/64 -, ZBR 1968, 218). Auch die alternativ denkbare Kündigung des Chefarztvertrages kann nicht als vorrangiges Instrumentarium bewertet werden. Der Antragsgegner ist nicht gezwungen, gegen die Antragstellerin persönlich vorzugehen. Unabhängig davon, dass insoweit andere Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssten, ist auch nicht ersichtlich, warum die Möglichkeit einer Vertragskündigung Maßnahmen zur Umgestaltung der Aufgabenorganisation sperren sollte. Dies gilt um so mehr, als organisatorische Anpassungen insoweit als milderes Mittel einzustufen wären. Organisationsmaßnahmen sind demnach ein grundsätzlich zulässiges Mittel, um unabhängig von vorwerfbarem Fehlverhalten und unterhalb der Kündigungsschwelle auf Missstände reagieren zu können. Maßgeblich bleibt daher die Frage, ob die beschlossenen Organisationsänderungen sachlich geboten und zumutbar erscheinen.
50 
2) Missstände und Fehlentwicklungen sind im „Positionspapier zur Gründung eines Departments Allgemeine und Viszeralchirurgie“, das dem Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 zu Grunde lag, nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Dies gilt zunächst für das „Kerngeschäft“ der Krankenversorgung. Nach den ausgewiesenen Daten und Tabellen sind die Fallzahlen durchgängig niedrig und gemessen am Standard der Universitätskliniken des Landes auch signifikant unterdurchschnittlich. Dies gilt exemplarisch für den Bereich der Nierentransplantationen, in dem die Zahl nicht nur absolut, sondern auch bezogen auf die Größe des jeweiligen Klinikums deutlich am geringsten ausfällt. Angesichts der bereits seit dem Jahr 2005 durchgängig niedrigen Werte konstatiert das Positionspapier, dass auch keine erfolgversprechenden Ansätze zu erkennen seien, wie die Zahl der Transplantationen gesteigert werden könnte. Diese Entwicklung hat sich nachfolgend offenbar noch verschärft, so dass gegenwärtig nicht einmal mehr die gesetzlich vorgesehene Zahl von Mindestoperationen erreicht wird (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 16.03.2010). Pankreastransplantationen würden „aufgrund des Mangels an ausreichender Expertise“ seit dem Jahr 2003 überhaupt nicht mehr durchgeführt und nach Tübingen überwiesen. Auch bei den Kolon- und Pankreas-Operationen nehme die Klinik den letzten Rang im Lande ein und habe überdies in weiten Bereichen eine rückläufige Tendenz der Leistungszahlen zu verzeichnen. Schließlich habe die Patientenbefragung 2007 eine klare Verschlechterung und auch ein unterhalb des Durchschnitts liegendes Ergebnis erzielt. Auch in anderen Bereichen habe die Klinik keine profilgebende oder positive Entwicklung vorzuweisen. Drittmitteleinwerbung und Publikationsleistungen etwa seien dergestalt abgefallen, dass die Hochschulmedizinstrukturkommission eine Halbierung des F&L-Zuschusses empfohlen habe. Auch im Klinikmanagement seien Defizite insbesondere bei der Abstimmung und Kommunikation sowie der Außendarstellung zu verzeichnen. Dementsprechend sei es zu OP- und Terminsabsagen und entsprechenden Beschwerden gekommen. Schließlich sei auch die Abstimmung und fachliche Interaktion mit anderen Kliniken verbesserungswürdig.
51 
Nach diesen Darlegungen ist der im Positionspapier konstatierte „dringende Handlungsbedarf“ nicht von der Hand zu weisen. Vielmehr lässt schon der angesichts der geringen Fallzahlen drohende Verlust der Zulassung zur Durchführung von Nierentransplantationen organisatorische Nachführungen sachlich geboten erscheinen. Diese Einschätzungen werden durch das Vorbringen der Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. In der ausführlichen Stellungnahme zum Positionspapier vom 16.07.2010 wird zwar eine Vielzahl von Einzelaussagen bestritten und wiederholt darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin ein Verschulden nicht trifft; die Fallzahlen selbst indes und der Stand der Operationsleistungen werden auch von der Antragstellerin im Wesentlichen nicht bestritten.
52 
Darüber hinaus hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der von der Antragstellerin geleitete Bereich der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie den defizitärsten Klinikumsbereich des Antragsgegners darstellt und im Jahr 2009 mit einem negativen Ergebnis von über 2 Millionen Euro abgeschlossen hat. Auch wenn die Antragstellerin hiergegen umfängliche Einwendungen - insbesondere im Hinblick auf die fehlende Transparenz der internen Leistungsverrechnung - vorgetragen hat, sind Defizite im Bereich des Krankenversorgungsbudgets nach Aktenlage durchaus plausibel. Auch die wirtschaftliche Lage legt daher nahe, dass ein Handlungsbedarf in dem von der Antragstellerin zu verantwortenden Aufgabenbereich „sachlich geboten“ erscheint. Dies gilt um so mehr, als auch die staatliche Finanzierung der Hochschule gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LHG von den erbrachten Leistungen abhängig ist.
53 
3) Die Geeignetheit und Gebotenheit der vom Antragsgegner zur Abhilfe konkret beschlossenen Maßnahmen ist bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen Beurteilung nach Aktenlage aber nicht hinreichend erkennbar.
54 
Ausweislich der Begründung im Positionspapier geht die Einführung der neuen Organisationsstruktur in sachlicher Hinsicht auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom 13.07.2007 zurück. Darin war die Bildung von Departments empfohlen worden, um die Fächergrenzen überwinden und eine verbesserte Koordination und „Quervernetzung“ der Tätigkeitsbereiche ermöglichen zu können. Dieser Organisationsrahmen passe auch besser, um das Potential der Nachwuchsgruppen mit ihren individuellen Schwerpunktsetzungen auszuschöpfen und eine Karriereplanung für „High potentials“ bieten zu können. Hieran anknüpfend führt das Positionspapier aus, dass die angestrebte Stärkung des Bereiches in der derzeitigen Struktur nicht leistbar erscheine. Eine Erhöhung der Fallzahlen, Drittmitteleinwerbungen und Publikationsleistungen, die zur Positionierung im Wettbewerb mit anderen Kliniken erforderlich sei, setze eine Umstrukturierung der bestehenden Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie voraus. Hierauf nimmt der Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 Bezug.
55 
Warum die formulierten - und legitimen - Ziele aber (gerade) durch die beabsichtigten Organisationsmaßnahmen erreicht oder auch nur gefördert werden sollten, bleibt indes offen. Weder das Positionspapier noch der Beschluss des Klinikumsvorstands, das Erläuterungsschreiben vom 09.07.2008 oder das umfängliche Vorbringen im gerichtlichen Verfahren erbringen hierzu substantiierten und über formelhafte Floskeln hinausgehenden Vortrag. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil sich die behauptete Abhilfe nicht aus sich selbst heraus ergibt. Warum die Aufspaltung der bestehenden Klinik und die damit verbundene Aussonderung verschiedener Bereich für sich genommen bereits aus organisatorischen Gründen zu einer Erhöhung der Fallzahlen, Drittmitteleinwerbungen oder Publikationsleistungen beitragen könnte, ist nicht erkennbar. Dies gilt um so mehr, als damit gerade nicht eine bessere Vernetzung oder Verbindung über Fachgrenzen hinweg verbunden ist, sondern im Gegenteil weitere organisatorische Abtrennungen und Verselbständigungen vorgenommen werden. Dementsprechend hat auch der Wissenschaftsrat selbst darauf hingewiesen, dass die Bezugnahme auf die von ihm abgegebenen Empfehlungen fehl geht. Sowohl im Schreiben der Vorsitzenden der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats vom 05.09.2008 als auch in der Stellungnahme des Generalsekretärs des Wissenschaftsrats vom 17.11.2008 wird in deutlichen Worten klargestellt, dass die vom Antragsgegner beschlossene Herauslösung einer bestehenden Organisationseinheit den abgegebenen Empfehlungen nicht entspricht. Sinn und Zweck der empfohlenen Departmentsstruktur habe vielmehr gerade darin gelegen, bisher unzureichend vernetzte Organisationseinheiten in einer neuen Struktur zusammenzuformen. Dem laufe das Ansinnen des Antragsgegners aber - trotz der Verwendung der geprägten Begrifflichkeit des Departments - diametral entgegen. Konkrete Vorteile, die sich aus den beabsichtigten Trennungen ergeben könnten, seien im Positionspapier weder benannt noch sonst ersichtlich.
56 
Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie hat mit Schriftsatz vom 29.08.2008 auf „wesentliche Kritikpunkte“ hingewiesen und „dringend gebeten“, die Entscheidung erneut zu überdenken. Dabei ist in fachlicher Hinsicht zunächst reklamiert worden, dass die beabsichtigte Trennung zwischen gutartigen und bösartigen chirurgischen Erkrankungen im klinischen Alltag nicht realisierbar sei und eine derartige Aufteilung unweigerlich zu permanenten Streitigkeiten führen müsse. Insbesondere aber lasse die absolute Größe der bestehenden Klinik eine weitere Unterteilung in zwei kleinere Abteilungen nicht zu. Eine „ausreichend kritische Masse“ dürfe aus Gründen der Bettenkapazität, der Operationskapazität und wegen der weiterzubildenden Mitarbeiter nicht unterschritten werden. Die beabsichtigte Verkleinerung führe deshalb „unweigerlich zu einer Universitätschirurgie zweiter Klasse“.
57 
Eine direkte Auseinandersetzung mit diesen Expertisen findet sich in den gesamten, dem Gericht zugänglich gemachten Akten nicht. Vielmehr setzt sich der Antragsgegner mit „behaupteten Mängeln“ des Organisationsbeschlusses nur rudimentär auseinander. Immerhin wird im Schreiben des Vorstandsvorsitzenden des Antragsgegners vom 01.09.2009 an den Präsidenten der Universität zur Sinnhaftigkeit einer Unterteilung der Aufgaben nach onkologischer und nicht-onkologischer allgemeiner Chirurgie Stellung bezogen und ausgeführt, bezüglich dieser Frage sei „auf namhafte Experten (z.B. Prof. S... aus Heidelberg) zu verweisen, die bestätigen, dass eine solche Einteilung etwa in den USA üblich ist“. Diese Stellungnahme oder andere Fachaussagen hierzu finden sich in den Akten aber nicht. Umgekehrt hat nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin (vgl. Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin an das VG Sigmaringen vom 11.09.2009, S. 13) gerade Prof. Dr. S... eine Teilung der bestehenden Klinik für wenig sinnvoll gehalten, da dadurch zwei Kliniken mit deutlich 'unterkritischer' Größe von jeweils lediglich etwa 25 Betten entstehen würden.
58 
Damit ist bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung nicht erkennbar, warum die beschlossenen Organisationsmaßnahmen zu einer Verbesserung der diagnostizierten Lage führen sollten. Die Feststellung einer „sachlichen Gebotenheit“ jedenfalls ist dem erkennenden Senat auf dieser Grundlage nicht möglich.
59 
Nahe liegt vielmehr, dass sich der Antragsgegner Abhilfe nicht durch den geänderten Organisationsrahmen verspricht, sondern durch den damit ermöglichten Leitungswechsel an den neu geschaffenen Kliniken und Abteilungen. Demgemäß ist (allein) darauf verwiesen worden, dass der zu berufende W3-Professor „infolge seiner persönlichen Reputation, fachlichen Kompetenz und seines Leistungseinsatzes rasch Fallzahlen und damit weitere Erträge zugunsten der Antragsgegnerin generieren wird“ (vgl. Schriftsätze vom 13.07.2010, S. 17 und vom 27.08.2010, S. 19). Dies ist für sich genommen zwar nicht illegitim, vermag der aus sich selbst heraus nicht sinnfälligen und allein streitbefangenen Organisationsmaßnahme aber nicht zu der erforderlichen Gebotenheit zu verhelfen. Vielmehr erscheint nicht fernliegend, dass der Antragsgegner im Falle eines Ausscheidens der Antragstellerin von ihrer Tätigkeit als Abteilungsleiterin von den geplanten strukturellen Änderungen Abstand nehmen würde. Im Fokus steht folglich nicht eine unzweckmäßige Struktur oder die Schaffung einer übergeordneten Einheit (wie etwa bei der Errichtung des Transplantationszentrums), der Organisationsrahmen soll vielmehr nur geändert werden, um personelle Änderungen in der Leitungsstruktur zu bewirken. Damit ist die Organisationsmaßnahme als solche aber nicht sachlich geboten.
60 
3. Ob der Organisationsbeschluss auch gegen die verfahrensmäßigen Voraussetzungen aus dem Universitätsklinika-Gesetz oder der Satzung des Antragsgegners verstößt, kann daher im Ergebnis ebenso offen bleiben wie die Frage, inwieweit aus einer etwaigen Verletzung dieser Vorschriften ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin abgeleitet werden könnte (vgl. zweifelnd hierzu LAG Hamm, Urteil vom 13.11.2003 - 16 Sa 1570/03 -, ArztR 2005, 13).
61 
a) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht aber die Bezugnahme auf § 7 Abs. 4 der Satzung für unzulässig gehalten, wonach eine Abweichung von den Bestimmungen der Satzung zur Erprobung neuer Verfahren und/oder neuer Organisations- und Leitungsstrukturen und Bezeichnungen in Einzelfällen zulässig ist.
62 
„Erprobungen“ sind grundsätzlich als vorläufige Maßnahmen angelegt (vgl. Senatsbeschluss vom 31.08.1988 - 9 S 2624/88 -, NVwZ 1990, 87 [88]), deren dauerhafter Bestand von einer nach Abschluss der Erprobungsphase durchgeführten Evaluation abhängt (vgl. insoweit etwa die ausdrücklichen Vorgaben in § 41 Abs. 2 Nr. 4 der Approbationsordnung für Ärzte oder § 20 Abs. 3 des Heimgesetzes für Baden-Württemberg). Allerdings kennt das geltende Recht durchaus „Erprobungsklauseln“, die auf einen vorab definierten zeitlichen Horizont verzichten, wie etwa § 22 SchG für die Erprobung neuer Schulformen oder § 37a LHG hinsichtlich der Einführung neuer Studiengänge. Maßgeblich für die Qualifizierung einer Maßnahme als einer solchen zur Erprobung ist daher nicht zwingend der bereits im vorhinein definierte zeitliche Rahmen, sondern die noch ausstehende Entscheidung über die dauerhafte Fortführung. Diese hängt vom Ergebnis der Erprobung ab und bedarf daher einer erst nach deren Abschluss zu treffenden Bewertung. „Probemaßnahmen“ sind folglich ihrem Wesen nach vorläufig und vertagen die Entscheidung über die endgültige und dauerhafte Etablierung in die Zukunft.
63 
An diesen Maßstäben gemessen, bereitet die Einordnung des streitigen Organisationsbeschlusses vom 18.06.2008 als Erprobungsmaßnahme Schwierigkeiten.
64 
Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Denn Anhaltspunkte für eine begrenzte Dauer der beschlossenen Neustrukturierung der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen summarischen Betrachtung nach Aktenlage viel dafür, dass die Grundsatzentscheidung über die Einführung der neuen Departmentsstruktur bereits getroffen worden und diese auf Dauer angelegt ist. Dies folgt zunächst schon daraus, dass irgendwie geartete Hinweise auf die Vorläufigkeit weder im Beschluss selbst noch im Positionspapier oder den sonstigen hierauf bezogenen Unterlagen zu finden sind. Auch der Antragsgegner hat hierzu nichts vorgetragen. Umgekehrt sind die Erwägungen in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Positionspapier von grundsätzlicher Natur. Im Rahmen der „strategischen“ Erwägungen wird dort ausgeführt, dass die Aufgaben in der derzeitigen Struktur nicht leistbar sind und die Klinik daher umstrukturiert werden muss. Dabei wird maßgeblich auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats Bezug genommen, die ebenfalls in die Zukunft gerichtete Strukturen und Organisationsrahmen in den Blick nehmen.
65 
Insbesondere aber sind die Umsetzungsmaßnahmen auch inhaltlich nicht nur „vorläufig“ angesetzt. Denn weder die Gründung einer Klinik für Onkologische Chirurgie noch die Besetzung der - ohne jeden Hinweis auf eine Befristung, Erprobung oder Vorläufigkeit ausgeschriebenen - W3-Professur als Direktor hierfür lassen die Einordnung der Umstrukturierung als nur vorläufige Maßnahme zu. Abgesehen davon, dass eine Rückabwicklung (etwa im Hinblick auf die Chefarztvereinbarung) kaum vorstellbar wäre, finden sich in den Unterlagen keinerlei Erwägungen zu der Frage, wie im Falle einer Nichtbewährung verfahren werden könnte oder anhand welcher Kriterien das Organisationsmodell kontrolliert werden soll. Die Grundsatzentscheidung zur Einführung der neuen Departmentsstruktur im Bereich der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie scheint daher bereits auf Dauer und unabhängig von einer späteren Evaluations- oder Kontrollentscheidung getroffen.
66 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch darauf verwiesen, dass aus der - im Übrigen nur im Positionspapier enthalten - Formulierung: „Das Organisationsmodell soll bei Eignung auf andere Kliniken des Chirurgischen Zentrums übertragen werden“ nicht auf die Vorläufigkeit der Umstrukturierung geschlossen werden kann. Aus diesem Passus folgt nur, dass dem Organisationsmodell gegebenenfalls Modellcharakter für künftige Umstrukturierungen zukommen soll, nicht aber, dass die Maßnahme selbst nur probeweise stattfindet. Denn die positive Eignung wird nur für die Erstreckung auf weitere Bereiche vorausgesetzt. Der dauerhafte Bestand hinsichtlich des Departments für Allgemeine und Viszeralchirurgie wird dagegen nicht von einer positiven Erprobung abhängig gemacht. Dementsprechend findet sich eine entsprechende Einschränkung im Organisationsbeschluss selbst auch nicht.
67 
Offen und noch „vorläufig“ erscheint dagegen die konkrete Ausgestaltung des Departments. Weder im Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 noch im Positionspapier ist der konkrete Zuschnitt der dem Department zugeordneten Kliniken und Abteilungen festgelegt. Selbst dem Entwurf einer Satzung des Departments ist die Ausgestaltung der Departmentsstruktur nicht zu entnehmen. Diese soll offenbar erst nachträglich fixiert werden; in der Präambel des Satzungsentwurfs heißt es dazu, dass eine „flexible und veränderbare Aufgaben- und Verantwortungszuweisung“ ermöglicht werden soll. Dem entspricht, dass auch die Zuordnung der Transplantationschirurgie offenbar noch nicht abschließend getroffen war, zunächst in Abhängigkeit der Besetzung der W3-Professur für Allgemein- und Viszeralchirurgie bzw. der W3-Professur für Urologie erfolgen sollte (vgl. Vermerk des Beklagen vom 14.05.2009, Anlage A 18 der Akten des Verwaltungsgerichts) und zwischenzeitlich mit der Errichtung eine Transplantationszentrums eine gänzlich andere Lösung beschlossen worden ist. Ausgestaltung und Binnenstruktur des Departments sind damit noch nicht auf Dauer festgelegt.
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Diese Vorläufigkeit reicht indes nicht aus, um den Organisationsbeschluss vom 18.06.2008 als Erprobungsmaßnahme im Sinne des § 7 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums zu bewerten. Dies folgt zunächst schon daraus, dass es für die konkrete Aufgabenzuweisung an die einzelnen Kliniken und Abteilungen keiner von der Satzung abweichenden Bestimmung bedarf, mit der die Inanspruchnahme der Erprobungsklausel gerechtfertigt werden könnte. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung erfordert die Etablierung des Departments eine Korrektur der als Anlage zur Satzung beschlossenen Gliederung in dem Punkt, dass die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie durch ein Department für Allgemeine und Viszeralchirurgie - mit den Untergliederungen: Klinik für Allgemeine Chirurgie, Klinik für Onkologische Chirurgie sowie Abteilung für Kinderchirurgie - ersetzt werden muss. Diese Änderung wird durch die noch offenen Fragen des jeweiligen Einzelzuschnitts nicht berührt, weil diese Differenzierung durch die Gliederung nicht abgebildet oder vorgegeben wird. Die noch bestehende Unsicherheit und Vorläufigkeit hinsichtlich der Binnenausgestaltung macht mit anderen Worten eine nur vorläufige Satzungsregelung nicht erforderlich, weil die insoweit noch variablen Fragen in der Satzung bzw. deren Anhang nicht zu regeln sind. Anderes könnte allenfalls für die Frage gelten, wo die Transplantationschirurgie zugeordnet werden soll; wobei auch insoweit allerdings eine unselbständige Zuweisung in der Gliederung nicht offen zu legen wäre. Diese Frage ist ausweislich des Beschlusses vom 18.06.2008 aber nicht offen, sondern (zugunsten der Klinik für Urologie und Kinderurologie) entschieden. Anlass, die organisatorischen Fragen nur vorläufig zu regeln, bestand mithin nicht. Darüber hinaus beruhen die verbleibenden Unsicherheiten auch nicht auf einer noch erforderlichen Erprobung sondern schlicht auf dem Umstand, dass die als leitende Direktoren in Betracht kommenden Personen noch nicht bestimmt sind und ein befriedender Interessenausgleich noch nicht hergestellt worden ist.
69 
Hintergrund der Bezugnahme auf die Erprobungsklausel dürfte nach Aktenlage daher die Absicht gewesen sein, die Errichtung des Departments und dessen Binnenstruktur vorab (oder mit den Worten des Organisationsbeschlusses: „bereits jetzt“) zu beschließen, um Klarheit für die Ausschreibung der W3-Professur für Onkologische Chirurgie und die hierfür angedachten Leitungsfunktionen zu erhalten. Denn die Funktionsbeschreibung für die künftige Stellenbesetzung sollte noch vor der Sommerpause dem Wissenschaftsministerium vorgelegt werden (vgl. Vermerk des Dekanats der Medizinischen Fakultät vom 23.07.2008). Diese Erwägungen zum zeitlichen Horizont machen die Maßnahme indes nicht zu einer solchen der Erprobung. Die Entscheidung war danach zwar eilig, aber nicht vorläufig. Dem entspricht auch der weitere Verfahrensablauf. Denn nach dem Organisationsbeschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 ist die Funktionsbeschreibung bereits am 02.07.2008 vom Fakultätsvorstand vorgeschlagen und in außerordentlicher Sitzung des Fakultätsrats vom 22.07.2008, Eilentscheidung des Klinikumsvorstands vom 23.07.2008, Sitzung des Aufsichtsrats vom 24.07.2008, Sondersitzung des Senats vom 30.07.2008 und Sitzung des Präsidiums vom 06.08.2008 beschlossen worden. Das Verfahren ist demnach unter größtmöglicher Beschleunigung vorangetrieben worden. Schließlich belegt auch der Vergleich zur Vorgehensweise bei der Errichtung des Transplantationszentrums, dass die Umstrukturierungen nicht als Erprobungsmaßnahmen gedacht sind. Denn diese, ebenfalls neuartige Organisationsform ist im Beschluss des Klinikumsvorstands vom 27.01.2010 nicht auf die Erprobungsklausel gestützt worden.
70 
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Erprobungsklausel des § 7 Abs. 4 Satz 1 der Satzung des Universitätsklinikums dürften daher nicht erfüllt sein. Damit aber steht der Organisationsbeschluss nicht in Einklang mit Nr. 2.1 der als Anhang zur Satzung des Universitätsklinikums beschlossenen Gliederung.
71 
Ob und inwieweit der Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 als Änderung dieser Gliederung umgedeutet werden könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
72 
b) Das gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät zu den Organisationsmaßnahmen des Universitätsklinikums dagegen ist durch Beschluss des Fakultätsrats vom 22.07.2008 erteilt worden (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - m.w.N.).
73 
Anhaltspunkte dafür, dass dieses fehlerhaft zustande gekommen sein könnte, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen worden. Auf die Frage der Benehmensherstellung kommt es insoweit nicht an, denn die in § 4 des Chefarztvertrages enthaltende Verpflichtung betrifft nur den als Vertragspartner in Bezug genommenen Antragsgegner. Eine förmliche Anhörung oder Beteiligung der betroffenen Hochschullehrer durch die Fakultät sieht das Gesetz aber nicht vor. Im Übrigen war die Betroffenheit der Antragstellerin auch offensichtlich.
74 
4. Der Vollzug des Organisationsbeschlusses des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 verletzt daher nach den im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten die der Antragstellerin im Chefarztvertrag vom 22.02.2001/14.03.2001 eingeräumte Rechtsstellung, so dass ein Anordnungsanspruch für die begehrte einstweilige Anordnung vorliegt. Die Beschwerde des Antragsgegners war daher zurückzuweisen.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO. Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht. Diese haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Im Übrigen sind die Beigeladenen der Sache nach auf Seiten des Antragsgegners aufgetreten und damit unterlegen.
76 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist von den durch die Antragstellerin vorgetragenen Einnahmeverlusten aus Privatliquidation in Höhe von 200.000,-- EUR jährlich auszugehen (vgl. Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 01.09.2009 an das Verwaltungsgericht; hierzu auch bereits Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -), der im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). Damit ist auch die Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Es sind keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar, die eine abweichende Streitwertbestimmung für das erstinstanzliche Verfahren sachgerecht erscheinen lassen könnten.
77 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/12 und der Beklagte zu 7/12, ausgenommen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Vergütung, Schadensersatz und Auskunft.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am xx.xx.xxx geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine Vereinbarung. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt.
Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist u.a. ausgeführt, der Kläger leite im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Der Beklagte sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, erhält dieser Vertrag folgende Vergütungsbestimmung:
§ 8
Vergütung
(1) Der Ärztliche Direktor erhält für seine Tätigkeit neben seiner beamtenrechtlichen C 3-Besoldung als Universitätsprofessor vom Universitätsklinikum eine Jahresvergütung in Höhe von 50% des für Behandlungen/Untersuchungen erzielten Nettoliquidationserlöses (Bruttoliquidationserlös abzüglich Sachkosten, Kostenerstattung, gesetzliche Mitarbeiterbeteiligung, Nutzungsentgelt, Einziehungskosten und eventueller Umsatzsteuer), den das Universitätsklinikum in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung aus wahlärztlichen ambulanten und wahlärztlichen stationären Untersuchungen, die ab dem 1. August 2007 erfolgt sind, im betreffenden Jahr einnimmt, wobei Erlöse aus der Erbringung so genannter individueller Gesundheitsleistungen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4) unberücksichtigt bleiben. Hierfür wird zunächst eine Abschlagssumme in Höhe von jährlich 300.000 EUR angesetzt, die in zwölf gleichen Monatsraten, fällig jeweils am Ende eines jeden Kalendermonats gezahlt wird. Der Betrag unterliegt der Lohnsteuerabführungspflicht. Beginnt oder endet der Vertrag im Laufe eines Kalenderjahres, wird die Vergütung anteilig berechnet.
(2) Der Ärztliche Direktor erhält ferner eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses (vgl. Abs. 1) für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen. Auf die zu erwartende Prämie wird zunächst eine jährliche Abschlagssumme von 96.000 EUR angesetzt, die in zwölf gleichen Monatsraten jeweils am Ende eines jeden Kalendermonats gezahlt wird. Der Betrag unterliegt der Lohnsteuerabführungspflicht. Beginnt oder endet der Vertrag im Laufe eines Kalenderjahres, wird die Vergütung anteilig berechnet.
(3) Die endgültige Berechnung von Vergütung und Prämie nach Absatz 1 und 2 sowie Abrechnungen und ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen erfolgen jeweils bis Ende Juni des Folgejahres.
10 
11 
Mit gleichlautenden Schreiben vom 24./25.01.2008 kündigte der Beklagte diesen Vertrag außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.09.2008 wegen des Verdachts strafbarer Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen dem Beklagten und einer Laborbedarfshandelsfirma. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) stellte die 3. Kammer des VG Freiburg fest, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.7.2007 unwirksam sind. Mit Urteil vom 02.08.2012 (9 S 2752/11 -, juris) wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung des Beklagten gegen das Urteil des VG Freiburg vom 24.02.2010 zurück. Mit Beschluss vom 27.03.2013 (6 B 50/12 -, juris) wies das BVerwG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.
12 
Unter dem 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Chefarztvertrag vorsorglich erneut zum 31.03.2010. Der Kläger erhob hiergegen am 28.09.2010 Klage im Verfahren 1 K 848/13. Mit dort ergangenem Urteil vom 11.03.2014 stellte die Kammer fest, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2009 ausgesprochene Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012 fortbestanden hat. Der Beklagte erhob am 02.05.2014 die - von der Kammer zugelassene - Berufung zum VGH Baden-Württemberg, über die noch nicht entschieden ist.
13 
Bereits am 30.12.2011 hat der Kläger im hier zu entscheidenden Verfahren Klage erhoben und mit dieser die für das Jahr 2008 vereinbarten Abschlagszahlungen nebst Verzugszinsen sowie Auskunft und unbezifferte Zahlung im Zusammenhang mit den Einnahmen aus der Privatliquidation des Zentrallabors an der Universitätsklinik Freiburg beantragt. Am 07.12.2012 und am 13.12.2013 hat er, der mittlerweile mit Ablauf des 31.03.2012 in den Ruhestand versetzt worden war, diese Klage auf die Jahre 2009 und 2010 erweitert.
14 
Das Verfahren ist wegen Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits um die Kündigung vom 24./25.01.2008 im Zeitraum vom 27.02.2012 bis zum 13.05.2013 ausgesetzt gewesen.
15 
Der Beklagte erteilte im Februar 2014 Auskunft zu den Nettoliquidationserlösen der Jahre 2008 bis 2010 und hinterlegte unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme Beträge bzw. führte solche an das Finanzamt ab, um Ansprüche des Klägers auf die Jahresvergütungen 2008 bis 2010 zu erfüllen. Ferner wendete er eine fehlende Aktivlegitimation des Klägers wegen Pfändung und Sicherungsabtretung der Forderung ein. Am 08.04.2014 hat der Kläger daraufhin seinen Vergütungsanspruch für die Jahre 2008 bis 2010 mit 1.703.813,93 EUR beziffert. Nach Abzug von für Januar 2008 als Abschlag gezahlter 33.000,-- EUR sowie hinterlegter 439.099,82 EUR und abgeführter 361.688,18 EUR hat er noch 870.025,93 EUR geltend gemacht und Verurteilung des Beklagten zur Zahlung näher bezeichneter Beträge an mehrere Pfändungsgläubiger (xxx, Rechtsanwalt X., Beigeladener zu 2 und Beigeladene zu 3) und eine Sicherungsgläubigerin (Beigeladene zu 1) sowie zuletzt an sich selbst beantragt, ferner Verzugszinszahlung seit Februar 2008. Schließlich hat er angefragt, ob die Nettoliquidationserlöse auch Einnahmen aus der Zusammenarbeit des Beklagten mit dem Herzzentrum xxx umfassten.
16 
Am 27.05.2014 hinterlegte der Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 83.372,54 EUR unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme. Von den insgesamt hinterlegten 522.472,36 EUR wurden bislang 375.469,43 EUR durch die Hinterlegungsstelle (Amtsgericht Freiburg) an die Gläubiger des Klägers ausgezahlt.
17 
Mit Beschluss vom 15.12.2014 sind die Beigeladenen zu 1. bis 3. und ferner zunächst Rechtsanwalt X. beigeladen worden; die Beiladung des Letztgenannten ist mit Beschluss vom 13.02.2015 wieder aufgehoben worden, nachdem dessen Forderung im Hinterlegungsverfahren vollständig erfüllt worden war.
18 
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.02.2015 das Verfahren, soweit es Zahlungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 31.12.2010 betrifft, bis zur unanfechtbaren Erledigung des Rechtsstreits 1 K 848/13 (betr. Wirksamkeit der Kündigung vom 30.09.2009) vor dem VG Freiburg ausgesetzt und zugleich als Verfahren 1 K 532/15 abgetrennt.
19 
In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2015 haben Kläger und Beklagter den Rechtsstreit in Höhe von 710.312,64 EUR in Bezug auf die Hauptforderung und 172.966,70 EUR in Bezug auf die Nebenforderung übereinstimmend für erledigt erklärt. Ferner haben alle Beteiligten vereinbart, dass die Erfüllung etwaiger weitergehender Ansprüche durch Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme eintreten kann.
20 
Der Kläger, der weitergehende Vergütungsansprüche und Verzugszinsen geltend macht, trägt vor: Gemäß § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 stehe ihm eine Prämie in Höhe von weiteren 25 % der Nettoliquidationserlöse zu. Es sei fraglich, ob die Prämienregelung wirksam sei, da diese teilweise zu unbestimmt und ferner darin von Zielvorgaben die Rede sei, auf die er keinen Einfluss gehabt habe. Angesichts fixer Kosten bei Personal und Sachmitteln sowie der Tatsache, dass im Wesentlichen nur Untersuchungsaufträge von außen einen Gewinn ermöglichten, sei für ihn das EER-Ergebnis nicht beeinflussbar gewesen. Im Bereich der mittelbaren Krankenversorgung könnten nicht beliebig Aufträge erlangt werden. Durch die rechtswidrige Kündigung vom Januar 2008 sei es ihm ohnehin unmöglich gewesen, Einfluss auf die Leitung der Abteilung zu nehmen. In solchen Fällen habe der zu Unrecht Gekündigte Anspruch auf alle Teile der Vergütung. Auch die auf die Prämie für 2007 erhaltenen Abschlagszahlungen seien Indiz für eine erfolgreiche Leitung. Weder im Jahr 2007 noch danach seien ihm Zielvorgaben gemacht worden. Angesichts der Ergebnisse der Endabrechnungen seien die vereinbarten Abschlagszahlungen jeweils im Abrechnungsjahr rückwirkend anzupassen und zu erhöhen gewesen.
21 
Der Kläger beantragt zuletzt noch,
22 
den Beklagten zur Hinterlegung eines Betrags von brutto 498.490,33 EUR zu verurteilen, ferner, den Beklagten wie folgt zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im Wege der Hinterlegung wie folgt zu verurteilen:
23 
Aus jeweils 33.000,00 EUR seit dem 01.02.2008, dem 01.03.2008, dem 01.04.2008, dem 01.05.2008, dem 01.06.2008, dem 01.07.2008, dem 01.08.2008, dem 01.09.2008, dem 01.10.2008, dem 01.11.2008, dem 01.12.2008, dem 01.01.2009, dem 01.02.2009, dem 01.03.2009, dem 01.04.2009, dem 01.05.2009 und dem 01.06.2009;
24 
aus 135.785,09 EUR seit dem 01.07.2009;
25 
aus jeweils 38.000,00 EUR seit dem 01.08.2009, dem 01.09.2009, dem 01.10.2009, dem 01.11.2009, dem 01.12.2009, dem 01.01.2010, dem 01.02.2010, dem 01.03.2010;
26 
aus 304.014,22 EUR seit dem 01.07.2010,
27 
abzüglich bereits gezahlter Zinsen in Höhe von 172.966,70 EUR;
28 
sowie weiter,
29 
den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums in Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Klage abzuweisen.
32 
Er entgegnet: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Prämie gemäß § 8 Abs. 2 des Chefarztvertrages, da der Klinikumsvorstand am 07.04.2008 und am 16.01.2014 festgestellt habe, dass keine erfolgreiche Abteilungsleitung vorliege. Dem Klinikumsvorstand sei insoweit eine Entscheidungs- und Beurteilungsprärogative eingeräumt, die er gemäß §§ 317, 319 BGB nach billigem Ermessen zu treffen habe, so dass diese Entscheidung vom Gericht nur i.S.v. § 319 BGB auf offenbare Unbilligkeit überprüft werden könne. Nicht nur das negative EER-Ergebnis, sondern auch eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit mit dem Kläger im Jahr 2007 hätten einer erfolgreichen Leitung der Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 2 des Chefarztvertrages entgegen gestanden. Angesichts des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 und der Verdachtskündigung vom 24./25.01.2008 habe nicht von einer erfolgreichen Leitung der Einrichtung gesprochen werden können. Dieser Verdacht, der am 17.07.2009 zur Anklagerhebung, am 14.09.2012 zur Eröffnung des Hauptverfahrens und am 12.12.2014 zur Einstellung nur gemäß § 153a Abs. 2 StPO geführt habe, sei bis heute nicht ausgeräumt. Die Voraussetzungen für eine Prämie lägen nicht vor, wenn gegen den Chefarzt Anklage erhoben werde mit dem Vorwurf, er habe im Zusammenwirken mit weiteren Angeschuldigten verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. xxx und dem Beklagten begangen. Auf eine Zusammenarbeit des Beklagten mit dem Herzzentrum xxx komme es nicht an. 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beziehe sich eindeutig nur auf den Nettoliquidationserlös, den das Universitätsklinikum in der vom Kläger geleiteten Abteilung erziele, wozu etwaige Erlöse des Herzzentrums xxx nicht gehörten. Sollte der Kläger erwägen, Ansprüche in Bezug auf das Herzzentrum xxx zu erheben, müsste er die Klage erweitern, etwaige Ansprüche seien dann aber jedenfalls verjährt.
33 
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
34 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst umfangreicher Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
35 
A. Soweit die beiden Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in Reaktion auf die vom Beklagten hinterlegten bzw. an das Finanzamt abgeführten Beträge für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen gewesen.
36 
B. Soweit noch in der Sache zu entscheiden ist, sind die im Wege der objektiven Klagehäufung zur Entscheidung gestellten beiden Klagen mit den in der mündlichen Verhandlung protokollierten Anträgen zulässig.
37 
I. Mit seinem ursprünglichen Klageantrag zu 1. verfolgte der Kläger die Zahlung der vereinbarten Abschlagsbeträge (und daraus berechneter Verzugszinsen) sowie mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2. eine Stufenklage (vgl. Klageschriftsätze vom 30.12.2011, vom 06.12.2012 und vom 13.12.2013).
38 
Dieses erste Begehren hat er mit dem im Schriftsatz vom 08.04.2014 (dort Seite 3/4) gestellten Zahlungsantrag geändert, indem er (unter Abzug bis zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten hinterlegter bzw. an das Finanzamt abgeführter Beträge) die am 19.02.2014 vorgelegte Nettoliquidationsabrechnung des Beklagten (Anlagen B 4 bis 6 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 365-369]) zum Anlass nahm, von der Klage auf Abschlagszahlung zu der auf endgültige Zahlung und vom Auskunfts- und unbezifferten Leistungsbegehren der Stufenklage zum bezifferten Leistungsantrag überzugehen. Dieser Übergang stellte keine Klageänderung dar, da er kraft Gesetzes gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. für den Übergang von der werkvertraglichen Abschlags- zur Schlusszahlung: BGH, Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03 -, Rnr. 47, juris) bzw. gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. für den Übergang von der Auskunfts- zur Leistungsstufe: BGH, Urt. v. 21.02.1991 - III ZR 169/88 -, juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 264 Rnr. 8) privilegiert war. Der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Wechsel schließlich vom Zahlungsbegehren hin zu einem solchen auf (durch alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vereinbarte) Hinterlegung wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst.
39 
Zum zuletzt mit Schriftsatz vom 26.06.2015 bzw. in der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gestellten Auskunftsantrag betreffend die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums im Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx konnte der Kläger schließlich erneut gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO übergehen. Ausweislich der diese Erlöse betreffenden „Anfrage“ am Ende des Schriftsatzes vom 08.04.2014 war die Auskunftsstufe insoweit für ihn noch nicht endgültig erledigt gewesen (vgl. in diesem Fall für die Rückkehr vom Leistungs- zum Auskunftsbegehren: OLG München, Urt. v. 01.02.2012 - 3 U 3525/11 -, Rnr. 17, juris; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 4). Insoweit ist die Klage hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen. Dass der Kläger bei letzterer noch keinen (unbezifferten) Leistungsantrag formuliert hat, steht dem nicht entgegen. Die Klage kann auf Auskunft begrenzt und der eigentliche Leistungsantrag (noch) weggelassen werden („verkürzte Stufenklage“, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 2; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 254 Rn. 10).
40 
II. Diese Klagen sind als allgemeine Leistungsklagen statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere besitzt der Kläger die Klagebefugnis (entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) bzw. aktive Prozessführungsbefugnis.
41 
Trotz der im Wege der Zwangsvollstreckung zugunsten der Beigeladenen zu 2 und 3 erfolgten Pfändung und Überweisung seiner etwaigen Ansprüche gegen den Beklagten macht der Kläger weiterhin ein eigenes Recht geltend. Die für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung einer Forderung zur - wie hier - Einziehung bewirkt (lediglich), dass der Pfändungsschuldner die Forderung nicht mehr für sich einziehen kann. Auf Leistung an den Pfändungsgläubiger kann er indessen klagen, und zwar aus eigenem Recht. Da ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (BGH, Urt. v. 08.05.2007 - XI ZR 278/06 -, Rnr. 18, juris; Urt. v. 05.04.2001 - IX ZR 441/99 -, Rnr. 20, juris; Urt. v. 25.03.1991 - II ZR 13/90 -, Rnr. 9, juris; Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5). Auch die Sicherungsabtretung von Ansprüchen an die Beigeladene zu 1 hindert den Kläger schließlich nicht an der prozessualen Geltendmachung, da er hierzu von ihr ermächtigt worden ist und ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Klärung besitzt (vgl. für eine zulässige gewillkürte Prozessstandschaft im Fall der Sicherungszession: VG Freiburg, Urt. v. 05.12.2013 - 1 K 2463/11 -, Rnr. 49, juris; anders allerdings bei fehlendem schutzwürdigen Interesse an einer Forderungsabtretung: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, Rnr. 38, juris).
42 
C. Die Klagen sind indessen unbegründet.
43 
Der Kläger ist zwar aktivlegitimiert. Das gilt sowohl in Ansehung der Pfändungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 2 und 3 (vgl. insoweit die Ausführungen oben zur Prozessführungsbefugnis) als auch hinsichtlich der Sicherungsabtretung, da die Beigeladene zu 1 dem Kläger eine Einziehungsermächtigung erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98 -, Rnr. 8 und 9, juris; Urt. v. 06.11.1980 - VII ZR 200/79 -, Rnr. 14, juris). Ferner ist keine Verjährung der Vergütungsansprüche (die sich entsprechend § 217 BGB auf die Zinsforderung erstrecken würde) eingetreten. Denn mit der ursprünglich innerhalb der (entsprechend § 195 BGB: 3-jährigen) Verjährungsfrist erhobenen Stufenklage wurde der (ursprünglich unbezifferte) endgültige, nach Abrechnung bestehende Vergütungsanspruch (damals gestellt als Leistungsantrag auf letzter Stufe [„2.b)“]) des Klägers sofort rechtshängig. Damit wurde, trotz der zunächst gegebenen Unbestimmtheit des Leitungsantrags, die Verjährung des gesamten Anspruchs entsprechend § 209 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Höhe gehemmt, die der Kläger mittlerweile erstmalig beziffert hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1992 - IV ZR 183/91 -, Rnr. 10 und 11, juris). Schließlich kann der Kläger auch jenseits der Vorschrift des § 853 ZPO (i.V.m. § 856 ZPO) und der Frage, ob diese auch für den Schuldner gilt bzw. im Fall des Zusammentreffens von Pfändungen und Abtretung nicht ganz ausgeschlossen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5), auf Hinterlegung klagen. Denn die Beteiligten haben eine wirksame Hinterlegungsvereinbarung geschlossen, wonach etwaige weitere Zahlungen des Beklagten an die Hinterlegungsstelle erfolgen sollen (vgl. zu dieser von den Voraussetzungen des § 372 ff. BGB unabhängigen Möglichkeit: BGH, Urt. v. 29.09.1992 - XI ZR 9/92 -, Rnr. 12, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.02.2006 - 15 U 87/05 -, Rnr. 14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 378 Rnr. 2).
44 
Soweit der Kläger einen Anspruch auf Vergütung und Verzugszinsen hat, ist dieser vom Beklagten durch die Hinterlegungen vom 27.02.2014 und vom 27.05.2014 (zur Erfüllungswirkung kraft - hier: konkludenter - Vereinbarung vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1992, a.a.O.) erfüllt worden. Die von ihm hierbei hinsichtlich der Beträge für Vergütung und Verzugszinsen getroffene Tilgungsbestimmung ist, da der Kläger dieser nicht widersprochen bzw. sie ausweislich des Schriftsatzes vom 26.06.2015 nunmehr auch ausdrücklich akzeptiert hat, maßgeblich geworden (§ 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 367 Abs. 2 BGB; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O, § 367 Rnr. 2). Auch die am 10.03.2014 erfolgte Lohnsteuerabführung an das Finanzamt hatte Erfüllungswirkung (BAG, Urt. v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07 -, Rnr. 18, juris). Einen mit der Klage verfolgten weitergehenden Zahlungsanspruch (Prämienvergütung bis 31.03.2010 sowie Verzugszinsen daraus bis heute) hat der Kläger nicht (dazu im Folgenden unter I.). Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch besteht ebenfalls nicht. Das folgt daraus, dass ihm aus den Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dem Herzzentrum xxx kein Anspruch auf weitergehende Vergütung zusteht (dazu im Folgenden unter II.).
45 
I. Einen mit der Hinterlegungsklage geltend gemachten Anspruch auf weitergehende als bereits vom Beklagten erfüllte Beträge für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 hat der Kläger nicht.
46 
1.) Die Hauptforderung des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus der Vergütungsregelung in § 8 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 (im Folgenden nur noch bezeichnet als „Dienstvertrag“). Aufgrund rechtskräftigen Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 (3 K 2749/08 -, juris) steht im Verhältnis von Kläger und Beklagtem fest, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24./25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung dieses Dienstvertrags unwirksam sind. Die (Gegenstand des noch nicht rechtskräftig abgeschlossen Verfahrens 1 K 848/13 bildende) erneute Kündigung vom 30.09.2009 wurde erst mit Wirkung zum 01.04.2010 ausgesprochen. Da keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe oder vertraglichen Beendigungsgründe i.S.v. § 11 Abs. 4 erster Spiegelstrich (Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses) und dritter Spiegelstrich (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte - ein solches wurde gegenüber dem Kläger nie ausgesprochen) vorliegen, stehen dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2010 vertragliche Vergütungsansprüche zu. Auf den als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu qualifizierenden Dienstvertrag (vgl. zum konkreten Vertrag: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, Rnr. 41, juris) finden ergänzend die Vorschriften des BGB nach § 62 Satz 2 LVwVfG entsprechende Anwendung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Rnr. 2, juris).
47 
a.) Der Prämienanspruch, um den die Beteiligten vorliegend im Wesentlichen (noch) streiten, steht dem Kläger nicht zu. § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages bestimmt, dass der Ärztliche Direktor ferner (d.h. zusätzlich zur festen Jahresvergütung gemäß Absatz 1) eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung enthält, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen.
48 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung wirksam. Da die Prämienregelung vom Beklagten vorformuliert und mit dem Kläger nicht ausgehandelt worden ist, gelangen über § 62 Satz 2 LVwVfG die AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB entsprechend zur Anwendung (vgl. für einen Chefarztvertrag: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010, a.a.O., Rnr. 24 ff.). Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) gibt es nicht. Die Prämienregelung macht die Gewährung vom Eintritt einer näher ausgestalteten Bedingung (erfolgreiche Leitung) abhängig und sieht überdies ein Feststellungs-, bzw. Bestimmungsrecht des Klinikumsvorstands vor. Damit wird schon nicht vom Gesetz abgewichen. Denn dieses sieht selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (vgl. § 315 BGB - dazu unten bei b.). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen dieses Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (vgl. BAG, Urt. v. 16.01.2013 - 10 AZR 26/12 -, Rnr. 29, juris [vom Arbeitgeber festzulegende Weihnachtsgratifikation]). Aus diesen Gründen ist ferner auch das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht als verletzt anzusehen. Denn angesichts der Verwendung sowie näheren Erläuterung des Merkmals der „erfolgreichen Leitung“ und des gerichtlich überprüfbaren Leistungsbestimmungsrechts kann nicht die Rede davon sein, diese Bestimmung sei aufgrund Unklarheit bzw. Unverständlichkeit geeignet, den Kläger von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten. Ohnehin sind hierbei auch Begleitumstände der Verwendung zu beachten, namentlich mit Blick auf den betroffenen Personenkreis (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rnr. 21 und § 320 Rnr. 21). Die Chefärzte des Beklagten dürften viel eher einem erfahrenen Vertragspartner als einem unkundigen Verbraucher gleichzustellen sein.
49 
Der Klinikumsvorstand des Beklagten hat mit Beschlüssen vom 07.04.2008 und 16.01.2014 entschieden, dass der Kläger - soweit hier maßgeblich - in den Jahren 2007 bis 2010 die Abteilung Klinische Chemie nicht erfolgreich geleitet hat. Auch wenn der Kläger nur Ansprüche aus dem Zeitraum Januar 2008 bis März 2010 zum Streitgegenstand gemacht hat, besitzt die Problematik eines Prämienanspruchs im Jahr 2007 doch Vorfragenrelevanz, da - wie vom Beklagten bei seinen Berechnungen auch tatsächlich berücksichtigt - die Ablehnung eines solchen Anspruchs in diesem Jahr zu einer Rückforderung und Minderung des Anspruchs für das Jahr 2008 führte. Da es sich bei der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrages, auf welche diese Beschlüsse zurückgehen, um ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB handelt und diese Entscheidungen billigem Ermessen entsprechen, sind sie gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Kläger verbindlich, so dass er für die Jahre 2008, 2009 und das 1. Quartal 2010 keinen Prämienanspruch hat:
50 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags, wonach die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen erfolgt, enthält ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Da dieses Recht dem Klinikumsvorstand zusteht, der gemäß § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. § 7 der Satzung des UKFR das in Fällen wie hier maßgebliche Leitungs- und Entscheidungsorgan des Beklagten ist (kein Fall der Zuständigkeit des Aufsichtsrats gemäß § 9 UKG, § 5 Satzung UKFR), liegt ein Fall des § 315 BGB, der Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei, und nicht - wovon der Beklagte ausgehen will - derjenige des § 317 BGB (Bestimmung durch Dritte) vor. § 315 BGB ist gemäß einem weiten Verständnis über die Haupt- und Gegenleistung hinaus auch auf sämtliche Leistungsmodalitäten anwendbar (BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rnr. 1 [Stand: 01.05.2015]), also auch - wie hier - auf die Feststellung von Anspruchsvoraussetzungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnr. 2 m.w.N.). Voraussetzung - auch für eine gerichtliche Überprüfung - ist stets, dass ein Vertragspartner die Leistung einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 12.12.2014 - V ZR 109/14 -, Rn. 10, juris).
51 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags räumt dem Klinikumsvorstand einen solchen Ermessensspielraum ein. Er sieht eine Prämie „bis zu“ 25% vor. Ferner spricht die Unbestimmtheit und Auslegungsbedürftigkeit der die „erfolgreiche Leitung“ konkretisierenden Begriffe (wirtschaftliche Führung der Abteilung, Erreichen der Leistungsvorgaben, aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität) dafür. Damit ist die Bestimmung zwar auch an einem objektiven Beurteilungsmaßstab ausgerichtet (zu dieser Möglichkeit vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rn. 10), so dass kein völlig freies Belieben existiert. Ungeachtet dessen verbleibt für die Leistungsbestimmung jedoch mangels eines anderen vereinbarten Maßstabs gemäß der Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender (Beurteilungs-)Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - III ZR 100/90 -, juris, Rnr. 29; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnrn. 6 und 15; BeckOK BGB/Gehrlein, a.a.O., Rnr. 12). Maßgebend für diese Kontrolle ist der Zeitpunkt der Leistungsbestimmung, da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt (Staudinger/Volker Rieble [Neubearbeitung 2015], BGB § 315, Rnr. 378).
52 
Die das Jahr 2007 betreffende und dem Kläger mit Schreiben vom 14.04.2008 mitgeteilte Entscheidung des Klinikumsvorstands vom 07.04.2008 ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Sie führte als wesentliche Gründe für eine nicht erfolgreiche Abteilungsleitung ein in Höhe von 250.000 EUR negatives EER-Ergebnis 2007 (EER = Erlösorientierte Ergebnisrechnung - ein internes Berechnungsmodell) und eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit an, sowie, dass der Kläger durch das mutmaßliche Verhalten, das zur Verdachtskündigung vom Januar 2008 geführt habe, dem Ansehen des Klinikums erheblichen Schaden zugefügt habe. Damit sind ersichtlich die im Dienstvertrag festgelegten Konkretisierungsmaßstäbe der wirtschaftlichen Abteilungsführung und Führungsqualität entscheidungsleitend gewesen. Da § 8 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrages nichts dafür hergibt, alle dort genannten Konkretisierungsmerkmale seien stets kumulativ heranzuziehen, kann nicht beanstandet werden, dass der Klinikumsvorstand nur auf einzelne Merkmale einging, und nicht auch auf ein Erreichen der Leistungsvorgaben und ein aktualisiertes Qualitätsmanagement (vgl. BAG, Urt. v. 15.05.2013 - 10 AZR 679/12 -, Rnr. 17, juris). Dies gilt ferner für das Erreichen von Zielvereinbarungen i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages, da es diese tatsächlich nicht gegeben hatte. Einen Anspruch auf eine solche Vereinbarung sah der Dienstvertrag eindeutig auch nicht vor, da in § 8 Abs. 2 Satz 2 nur die Möglichkeit („kann... abschließen“), nicht indessen die Pflicht des Beklagten bestand, mit dem Kläger Ziele zu vereinbaren.
53 
Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG, Urt. v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11 -, Rnr. 45, juris; BGH, Urt. v. 05.12.2012 - IV ZR 110/10 -, Rnr. 27, juris). Die Leistungsbestimmung ist erst dann durch das Gericht zu beanstanden und zu ersetzen, wenn diese Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urt. v. 22.07.2014 - KZR 27/13 -, Rnr. 23, juris; Urt. v. 24.06.1991 - II ZR 268/90 -, Rnr. 7, juris). Mit der auf das Wirtschaftsergebnis 2007 und einen Straftatverdacht gestützten Verneinung einer erfolgreichen Abteilungsleitung hat der Klinikumsvorstand eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung getroffen. Die Gewichtung des Wirtschaftsergebnisses ist angesichts des negativen EER-Ergebnisses weder sachwidrig noch willkürlich. Insbesondere ist nicht erkennbar oder vorgetragen worden, dass der Beklagte im Rahmen anderer Chefarztverträge bei negativen Ergebnissen von einer erfolgreichen Leitung ausgegangen wäre, mithin die Prämie tatsächlich als versteckte Festvergütung handhabte. Selbst wenn der im Jahr 2007 die Abteilungsleitung noch tatsächlich innehabende Kläger angesichts fixer Kosten beim Personal und des Umstands, dass die mittelbare Krankenversorgung für Gewinnerzielung auf (externe) Probenaufträge angewiesen ist, das EER nur bedingt beeinflussen konnte, ist doch die vertragliche Gesamtregelung zu berücksichtigen. Denn in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages war dem Kläger bereits eine EER-unabhängige (Fest-) Vergütung von 50% des Abteilungsnettoliquidationserlöses garantiert worden. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, bestehen für den Abteilungsleiter durchaus Einwirkungsmöglichkeiten, so etwa im Bereich des Reagenzieneinkaufs. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unverhältnismäßig gewesen, wenn der Klinikumsvorstand eine erfolgreiche Leitung bei negativem Wirtschaftsergebnis verneinte. Dass der Kläger die Prämie für 2007 im Wege der Abschlagszahlung bereits erhalten hatte, ist kein Beleg für einen Führungserfolg. § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages stellte auch die Prämie unter einen endgültigen Berechnungsvorbehalt. Damit aber stand auch diese unter der auflösenden Bedingung einer späteren negativen Entscheidung des Klinikumsvorstands.
54 
Soweit der Klinikumsvorstand zusätzlich den Straftatverdacht gegen den Kläger als einer erfolgreichen Leitung entgegenstehenden Umstand angeführt hat, hat er den ihm eingeräumten Ermessensspielraum ebenfalls nicht verlassen. Die im Zeitpunkt der ersten Kündigung im Januar 2008 gegebenen Verdachtsmomente, auf die der Klinikumsvorstand abgehoben hat, rechtfertigten bei gebotener Abwägung ebenfalls den Schluss einer (mit Blick auf das Merkmal der Führungsqualität) nicht erfolgreichen Abteilungsleitung. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte im Frühjahr 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 13.11.2007 hatte das Amtsgericht Freiburg die (dann am 11.12.2007 durchgeführte) Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers mit der Begründung angeordnet, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Fa. xxx abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens fünf Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Dafür habe der Kläger Zuwendungen erhalten. In einem Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität Freiburg hatte die Landespolizeidirektion u.a. ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Fa. xxx stünden und dass der Kläger dieser Firma durch Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe (vgl. Tatbestand des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris [Rnrn. 4 und 5]). Die herausgehobene Stellung als Chefarzt bzw. Abteilungsleiter war besonders sensibel und anfällig für strafrechtliche Vorwürfe, wenn diese - wie hier - im Zusammenhang mit der Dienstausübung erhoben wurden. Bereits der mit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen verbundene Anschein eines Makels erschütterte folglich die für das Merkmal der Führungsqualität zu fordernde Integrität und durfte ebenfalls zur Versagung einer Prämie herangezogen werden. Daran änderte nichts, dass die dem Kläger vorgeworfenen Taten zeitlich weiter zurücklagen und nicht das Jahr 2007 betrafen.
55 
Dieser Ermessensentscheidung im April 2008 stand schließlich nicht die Rechtskraft des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 über die Kündigung vom 24./25.01.2008 entgegen. Denn ungeachtet des Umstands, dass diese vom Gericht bereits aus formellen Gründen (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) beanstandet wurde, ist lediglich die Feststellung deren Unwirksamkeit in Rechtskraft erwachsen. Das ist kein prozessuales Hindernis dafür, die zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen in weiteren Rechtsstreitigkeiten zur Begründung von Ansprüchen oder Einwendungen geltend zu machen, deren Bestand nicht von der Tauglichkeit der Tatsachen als Grund für eine fristlose Kündigung abhängen (OLG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2000 - 1 U 177/99 -, Rnr. 44, juris). Darauf, ob die im Januar 2008 vorliegenden Umstände materiell bzw. inhaltlich die Verdachtskündigung gerechtfertigt hätten, kommt es nicht an. Von der Frage, ob ein Dienstverhältnis beendet werden konnte, ist diejenige zu unterscheiden, ob eine Prämie für erfolgreiche Leitung zu zahlen war. Insoweit hatte ein Straftatverdacht für die Frage der Kündigungsrechtfertigung ein völlig anderes Gewicht als für diejenige eines Prämienanspruchs. Selbst wenn ein solcher Verdacht eine Kündigung nicht rechtfertigt, kann er dennoch der Annahme einer erfolgreichen Leitung der Abteilung - die anderen Maßstäben unterliegt - entgegenstehen.
56 
Der Klinikumsvorstand hat ferner am 16.01.14 beschlossen, dass auch für die Jahre 2008 bis 2010 (sowie ferner 2011 und 2012) keine erfolgreiche Abteilungsleitung durch den Kläger vorliege und dies - erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Führungsqualität - ausschließlich mit bestehendem Verdacht der Korruption (Vorteilsannahme) und der zwischenzeitlich erhobenen sowie vom LG Freiburg zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage begründet. Eine wenngleich zeitlich spätere als dienstvertraglich in § 8 Abs. 3 vorgesehene, aber gleichwohl nunmehr auf ihre Billigkeit zu überprüfende Bestimmung durch den Beklagten lag damit vor. Diese ist ermessensfehlerfrei. Zu diesem Zeitpunkt war das Strafverfahren gegen den Kläger noch anhängig und angesichts der am 17.07.2009 erhobenen sowie vom Landgericht am 14.09.2012 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage fortgeschritten. Da es mithin weiter an einer klaren Entlastung des Klägers vom Straftatverdacht fehlte, kann eine weitere Prämienversagung nicht als sachwidrig und unangemessen oder willkürlich aufgefasst werden. Wie bereits oben ausgeführt, ließ das Bestimmungsrecht die Auswahl auch nur einzelner Erfolgsmerkmale zu. Den Umstand, dass die Kündigung vom Januar 2008 unwirksam und der Kläger somit zumindest bis Ende März 2010 rechtswidrig an der Abteilungsleitung und folglich einer möglichen Einwirkung auf das Wirtschaftsergebnis gehindert war, musste der Klinikumsvorstand damit nicht mehr in die Abwägung einstellen.
57 
Selbst wenn man schließlich für die Überprüfung beider Ermessensentscheidungen des Klinikumsvorstands wegen der Eigenschaft der Prämie als wiederkehrende Leistung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor Gericht abstellen wollte (vgl. MüKoBGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 52; BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 11 [Stand: 01.05.2015]), so wäre ebenfalls keine Sachlage eingetreten, die das Festhalten des Beklagten an der Prämienversagung nunmehr als Ermessensausfall oder Ermessensdefizit erscheinen ließe. Zwar ist das Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 StPO durch Beschluss des LG Freiburg vom 12.02.2014 zunächst gegen Geldauflage vorläufig und nach Erfüllung dieser Auflage mit Beschluss vom 19.08.2014 endgültig eingestellt worden. Indessen erforderte die Anwendung des § 153a StPO einen höheren Verdachtsgrad. Sie setzte eine Durchermittlung voraus. Bevor dem Beschuldigten zugemutet werden kann, durch die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sich einer „Sanktion im weiteren Sinne“ zu unterwerfen, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung im Falle der Weiterführung des Verfahrens in Betracht kommen (Löwe-Rosenberg/Beulke, StPO, 26. Aufl. 2007, § 153a, Rn. 39; BeckOK StPO/Beukelmann, § 153a Rnr. 14 [Stand: 01.05.2015]). Der Beklagte durfte folglich unverändert die Prämie versagen, auch wenn die Unschuldsvermutung zugunsten des Klägers nicht widerlegt wurde und er als nicht vorbestraft anzusehen ist. Selbst wenn man für § 153a StPO lediglich einen gesicherten hinreichenden Tatverdacht forderte (so Karlsruher Kommentar-StPO/Diemer, 7. Aufl. 2013, § 153a Rnr. 11), ergäbe sich nichts anderes.
58 
b.) Der Kläger hat damit nur den in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages garantierten Anspruch auf die feste Jahresvergütung. Diese beträgt 50% des jeweiligen Nettoliquidationserlöses der Jahre 2008, 2009 und des ersten Quartals 2010. Dieser Anspruch ist indessen bereits im Jahr 2014 erfüllt worden, so dass - mangels eines Prämienanspruchs (siehe unter a.) - keine weitergehende Hauptforderung mehr besteht.
59 
Anspruchsunschädlich ist, dass der Kläger tatsächlich nur bis zum 25.01.2008 tätig war. Denn insoweit lagen die Voraussetzungen für eine Vergütung aufgrund Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB und §§ 293 ff. BGB vor (sog. Annahmeverzugsvergütung - diese ist Erfüllungsanspruch, kein Schadensersatzanspruch, vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 615 Rnr. 3 m.w.N.). Nach einer - wie hier rechtskräftig festgestellt - unwirksamen Kündigung bedurfte es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Arbeitsangebots des Klägers nicht (vgl. für das Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, Rnr. 14, juris). Dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig gewesen wäre (vgl. § 297 BGB), ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden. Seine Weigerung auf die Aufforderungen des Beklagten vom 22.12.2009 und 28.04.2010, seinen Aufgaben in der Krankenversorgung wieder nachzukommen, betraf gerade nicht die stets von ihm beanspruchten, aber vom Beklagten verhinderten und hier allein vergütungsrelevanten Dienste als Chefarzt i.S.v. § 6 Abs. 2 des Dienstvertrags. Dafür, dass der Kläger sich entsprechend § 615 Satz 2 BGB den Wert von etwas anrechnen lassen müsste, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, ist schließlich ebenfalls nichts erkennbar.
60 
Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs bemisst sich nach dem Bruttoentgelt. Der Abzug und die Abführung von gesetzlichen Lohnbestandteilen - hier gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des Dienstvertrages der Lohnsteuer - betreffen nur die Frage, wie der Beklagte seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger zu erfüllen hat (vgl. für die Bruttolohnklage im Arbeitsrecht: LAG Hamm, Urt. v. 07.01.2014 - 9 Sa 1393/13 -, juris [m.w.N.]; ferner im Zusammenhang mit Zinsen auf den Bruttolohn: BAG, Urt. v. 07.03.2001 - GS 1/00 - juris; zur Erfüllung durch Steuerabführung ferner BAG, Urt. v. 30.04.2008, a.a.O.).
61 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte vorgenommen und als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 (GAS. 371/373) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend; auch der Kläger hat insoweit keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere durfte der Beklagte hierbei aufgrund der Abrechnungsvereinbarung in § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages einen Rückforderungsanspruch i.H.v. insgesamt 80.000,-- EUR betreffend die Prämienabschläge für 2007 und für Januar 2008, der ihm nach dem oben unter a.) Dargelegten zustand, mit dem im April 2008 abgerechneten Festvergütungsanspruch für 2007 i.H.v. 9.714,86 EUR (vgl. Anlage B 2 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 353-357]) sowie demjenigen i.H.v. 76.615,06 EUR verrechnen, den der Kläger aufgrund der Abrechnung im Juni 2009 für das Jahr 2008 hatte (vgl. das entsprechende Schreiben des Klinikumsvorstands vom 14.08.2009 an den Kläger [Anlage B 3 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 ]).
62 
Den somit für die Zeit Januar 2008 bis März 2010 bestehenden Festvergütungsanspruch in Höhe von brutto 731.898,76 EUR hat der Beklagte durch Steuerabführung (am 10.03.2014) i.H.v. 361.688,18 EUR, durch Verrechnung des verbleibenden Nettoanspruchs mit einem eigenen Rückzahlungsanspruch i.H.v. 21.586,12 EUR sowie Hinterlegung (am 27.02.2014) des Restbetrages von 348.624,46 EUR erfüllt.
63 
2.) Auch eine weitergehende Nebenforderung hat der Kläger nicht.
64 
Ein Verzugsschadensanspruch, der im Fall von Geldschulden als Mindestschaden auf - wie hier ausschließlich geltend gemacht - Zinsen gerichtet ist, ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB (i.V.m. § 62 Satz 2 LVwVfG). Eine Mahnung war gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Auch ein Verschulden des Beklagten (§ 286 Abs. 4 BGB) lag vor, da er auf die Wirksamkeit der ersten Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen erkennbarer Verfahrensmängel (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) nicht schutzwürdig vertrauen durfte (zur besonderen Verschuldensprüfung bei einer Kündigung vgl. BAG, Urt. v. 14.05.1998 - 8 AZR 634/96 -, Rnr. 17, juris). Die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB können aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung verlangt werden (BAG, Beschl. v. 07.03.2001, a.a.O.).
65 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte auch betreffend die Verzugszinsen vorgenommen und als Anlage B 23 zum Schriftsatz vom 16.06.2014 (GAS. 597) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend. Dass er dabei - anders als die wohl herrschende Meinung (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 - B 1 KR 8/09 R -, juris, Rn. 31; Palandt/Heinrichs, a.a.O, § 246 Rnr. 9; Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 246 BGB, Rnr. 37) - das Jahr mit 360 und den Monat mit 30 Tagen angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden, da diese Berechnung sogar etwas günstiger für den Kläger gewesen ist. Aus dem Vergütungsanspruch, der dem Kläger bis einschließlich 31.03.2010 noch zustand (siehe dazu oben 1. b.), ergab sich bis zum 27.05.2014 eine Zinsforderung in Höhe von 172.966,70 EUR, die der Beklagte durch die Hinterlegungen am 27.02.2014 (90.475,36 EUR) und am 27.05.2014 (83.372,54 EUR) erfüllt hat.
66 
Die vom Kläger gegen diese Zinsberechnung geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Dass für die Jahre 2008 bis 2010 auf der Grundlage der diese jeweils betreffenden endgültigen Abrechnungsergebnisse die ursprünglich mit 25.000,-- EUR vereinbarten (und in dieser Höhe vom Beklagten bei der Zinsberechnung unverändert zugrunde gelegten) Abschläge gemäß § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages angepasst und höher angesetzt worden wären - mit der Folge einer Erhöhung des Verzugszinsschadens - kann nicht angenommen werden. Eine automatische Anpassungspflicht des Beklagten sah § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages mit der Bestimmung, wonach Abrechnungen und „ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen“ jeweils bis Ende Juni des Folgejahres erfolgten, gerade nicht vor. Daher spricht Überwiegendes dafür, dass eine Abschlagsanpassung jeweils einer speziellen Parteivereinbarung bedurft hätte, an der es hier aber fehlte.
67 
Wendet man auf diesen Fall die Grundsätze der Schadensschätzung an, ergibt sich nichts zugunsten des Klägers. Gemäß (§ 173 VwGO i.V.m.) § 287 Abs. 2 ZPO ist § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO (geringeres Beweismaß für den Schadensnachweis) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. So liegt die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO dann nahe, wenn - wie hier - die Höhe des Anspruchs von fiktiven Entwicklungen abhängt (BeckOK ZPO/Bacher, § 287 Rnrn. 11 sowie 17 und 18 m.w.N. [Stand: 01.03.2015]). Gewisse Mindestanforderungen an die Angabe tatsächlicher Momente, die als Grundlage der Schätzung dienen können, sind allerdings zu verlangen. Die Parteien müssen sich in zumutbarem Umfang um eine genaue Substantiierung bemühen (MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 287 Rnr. 28 m.w.N.). Von wesentlichem Parteivorbringen darf sich die Schätzung nicht lösen, für sie müssen zumindest greifbare Tatsachen sprechen (Musielak ZPO/Foerste, 12. Aufl. 2015, § 287 Rnr. 9 m.w.N.). Der substantiierte Vortrag des Beklagten, wonach eine (vom Kläger geforderte) exakte Anpassung der Abschlagszahlung nie praktiziert worden ist, und ferner gewisse Anpassungen nur bei mehrjährigen deutlichen Abweichungen in Betracht kämen, spricht gegen eine Schätzung zugunsten des Klägers. Auch die konkreten Differenzbeträge zwischen Abschlägen und endgültig berechneter Vergütung schließlich sind entgegen der Auffassung des Klägers noch kein ausreichendes Indiz für eine Anpassung. Für das Jahr 2008 betrug die dem Kläger zustehende Jahresvergütung 309.190,07 EUR (50% des Nettoliquidationserlöses von 618.380,13 EUR) und hätte (hypothetische) Abschlagszahlungen i.H.v. (12 x 25.000,-- EUR =) 300.000,-- EUR lediglich um etwas mehr als 9.000,-- EUR überstiegen. Die Abweichungen für 2009 von (Vergütung 416.009,49 EUR abzüglich 300.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 116.000,-- EUR und für das erste Quartal 2010 von (Vergütung 102.669,10 EUR abzüglich 75.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 25.000,-- EUR sind zwar höher, ohne dass allerdings zur Überzeugung der Kammer schon von einer deutlichen mehrjährigen Abweichung gesprochen werden kann.
68 
Wollte man schließlich das in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags an sich ausdrücklich nur im Kontext des „Ob“ einer Prämie geregelte Bestimmungsrecht - etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - auch für die Neufestlegung von Abschlagszahlungen für maßgebend erachten, gälte auch hier § 315 BGB. Die Entscheidung des Beklagten, Abschläge nicht anzupassen, wäre dann aber aus den zuvor im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO genannten Gründen nicht zu beanstanden.
69 
II. Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch betreffend „die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Beklagten im Zusammenhang mit Laborleistungen für das Herzzentrum xxx“ besteht nicht, so dass auch diese Klage unbegründet ist. Einen Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch aus der Kooperation des Beklagten und dem Herzzentrum xxx hat der Kläger nicht, weshalb schon deshalb ein Auskunftsanspruch zu verneinen ist. Da schon die Prüfung der Auskunftsstufe ergibt, dass dem Hauptanspruch (= Leistungsanspruch) die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, kann im Urteil eine einheitliche Entscheidung ergehen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 28.11.2001 - VIII ZR 37/01 -, Rnr. 20, juris; Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rnr. 9). Ein jeweiliges Teilurteil über die bezifferte Zahlungsklage und die noch unbezifferte Stufenklage (vgl. zu einem solchen Fall: BGH, Urt. v. 25.09.2002 - XII ZR 55/00 -, Rnr. 14, juris; Urt. v. 26.04.1989 - IVb ZR 48/88 -, Rnr. 9, juris) kam daher nicht in Betracht.
70 
§ 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beteiligte als Gegenleistung für die Erfüllung seiner in § 6 geregelten Dienstaufgaben den Kläger am Nettoliquidationserlös, den der Beklagte „in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung“ aus wahlärztlichen ambulanten Behandlungen und wahlärztlichen stationären Untersuchungen (ausgenommen die Erbringung individueller Gesundheitsleistungen) einnimmt. Schon dieser Wortlaut lässt es nicht zu, im Labor des Herzzentrums - also einer bis 31.03.2012 völlig eigenständigen Einrichtung - durchgeführte Untersuchungen als erfasst anzusehen. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen haben, sind Untersuchungen, die aus dem Herzzentrum xxx stammen, am Zentrallabor der Universitätsklinik zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Das Herzzentrum xxx besitze ein eigenes Labor, das die dort erhobenen Proben selbst untersuche.
71 
Einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus vereitelter Übernahme der Leitung des Labors des Herzzentrums kann die Kammer schließlich ebenfalls nicht erkennen. Der Kooperationsvertrag vom 18.06.2006 räumte allenfalls dem Beklagten, nicht aber dem jeweiligen Leiter von dessen Abteilung Klinische Chemie einen Rechtsanspruch ein. Dagegen, dass der Kläger zum 01.010.2008 die Leitung des Labors im Herzzentrum übernommen hätte, spricht der gegen ihn bestehende Straftatverdacht. Dieser war trotz Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 nach dem oben unter I.1.a.) Dargelegten auch im Oktober 2008 hinreichend und nicht ausgeräumt. Der Übertragung einer zusätzlichen Leitungsposition hätte er aller Voraussicht nach entgegengestanden. Selbst für den Fall einer solchen aber hätte der Kläger keinen Vergütungsanspruch gehabt. Denn zu seinen Dienstaufgaben hätte gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 4 des Dienstvertrages eine solche Aufgabenübernahme in zumutbarem Umfang gehört und wäre folglich durch die Vergütungsregelung in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages abgegolten gewesen. Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, war auch in einem weiteren, ähnlichen Chefarztvertrag mit der Ärztlichen Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde keine zusätzliche Vergütung für deren zusätzliche Leitung eines Medizinischen Versorgungszentrums vorgesehen gewesen. Dass schließlich der Nachfolger des Klägers und Kommissarische Leiter der Abteilung Klinische Chemie, Prof. Dr. X., für die Leitung des Labors im Herzzentrum bis Sommer 2012 eine monatliche Vergütung („von wenigen Tausend EUR“, vgl. Seite 24 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 979]) erhielt, steht dem nicht entgegen, da mit ihm bis dahin kein Chefarztvertrag wie mit dem Kläger bestand. Aufgrund der insgesamt monatlich geringen Vergütung („im einstelligen Tausend-Euro-Bereich“, vgl. Seite 3 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 937]), die Prof. Dr. X. für die Leitung der Abteilung Klinische Chemie zustand, lag es in diesem Fall anders als im Fall des Klägers eher nahe, die Übernahme dieser weiteren Aufgabe zusätzlich zu vergüten.
72 
D. Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt für den übereinstimmend erledigten Teil aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, insoweit dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil er nachgegeben hat. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO und geht zulasten des Klägers, da er die weitergehend von ihm begehrten Beträge sowie eine Auskunft nicht erhält. Die Kammer hat die Kostenquote aus dem Obsiegen und Unterliegen der Hauptbeteiligten bezogen auf den Streitwert (vgl. dazu näher den Streitwertbeschluss unten) gebildet (Gesamtstreitwert: 1.213.802,97 EUR: Kläger gewinnt i.H.v. 710.312,64 EUR, Beklagter gewinnt i.H.v. 503.490,33 EUR) gebildet. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, so dass es mangels Kostentragungsrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
73 
Die Kostenentscheidung ist, soweit sie auf § 161 Abs. 2 VwGO beruht, gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.081998 - 4 B 75.98 - juris; Urt. v. 03.11.2011 - 7 C 3/11 -, Rnr. 32, juris). Da die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), gilt im Übrigen folgende
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert für das Verfahren wird
76 
auf 1.213.802,97 EUR
77 
festgesetzt.

Gründe

 
35 
A. Soweit die beiden Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in Reaktion auf die vom Beklagten hinterlegten bzw. an das Finanzamt abgeführten Beträge für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen gewesen.
36 
B. Soweit noch in der Sache zu entscheiden ist, sind die im Wege der objektiven Klagehäufung zur Entscheidung gestellten beiden Klagen mit den in der mündlichen Verhandlung protokollierten Anträgen zulässig.
37 
I. Mit seinem ursprünglichen Klageantrag zu 1. verfolgte der Kläger die Zahlung der vereinbarten Abschlagsbeträge (und daraus berechneter Verzugszinsen) sowie mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2. eine Stufenklage (vgl. Klageschriftsätze vom 30.12.2011, vom 06.12.2012 und vom 13.12.2013).
38 
Dieses erste Begehren hat er mit dem im Schriftsatz vom 08.04.2014 (dort Seite 3/4) gestellten Zahlungsantrag geändert, indem er (unter Abzug bis zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten hinterlegter bzw. an das Finanzamt abgeführter Beträge) die am 19.02.2014 vorgelegte Nettoliquidationsabrechnung des Beklagten (Anlagen B 4 bis 6 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 365-369]) zum Anlass nahm, von der Klage auf Abschlagszahlung zu der auf endgültige Zahlung und vom Auskunfts- und unbezifferten Leistungsbegehren der Stufenklage zum bezifferten Leistungsantrag überzugehen. Dieser Übergang stellte keine Klageänderung dar, da er kraft Gesetzes gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. für den Übergang von der werkvertraglichen Abschlags- zur Schlusszahlung: BGH, Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03 -, Rnr. 47, juris) bzw. gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. für den Übergang von der Auskunfts- zur Leistungsstufe: BGH, Urt. v. 21.02.1991 - III ZR 169/88 -, juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 264 Rnr. 8) privilegiert war. Der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Wechsel schließlich vom Zahlungsbegehren hin zu einem solchen auf (durch alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vereinbarte) Hinterlegung wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst.
39 
Zum zuletzt mit Schriftsatz vom 26.06.2015 bzw. in der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gestellten Auskunftsantrag betreffend die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums im Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx konnte der Kläger schließlich erneut gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO übergehen. Ausweislich der diese Erlöse betreffenden „Anfrage“ am Ende des Schriftsatzes vom 08.04.2014 war die Auskunftsstufe insoweit für ihn noch nicht endgültig erledigt gewesen (vgl. in diesem Fall für die Rückkehr vom Leistungs- zum Auskunftsbegehren: OLG München, Urt. v. 01.02.2012 - 3 U 3525/11 -, Rnr. 17, juris; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 4). Insoweit ist die Klage hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen. Dass der Kläger bei letzterer noch keinen (unbezifferten) Leistungsantrag formuliert hat, steht dem nicht entgegen. Die Klage kann auf Auskunft begrenzt und der eigentliche Leistungsantrag (noch) weggelassen werden („verkürzte Stufenklage“, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 2; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 254 Rn. 10).
40 
II. Diese Klagen sind als allgemeine Leistungsklagen statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere besitzt der Kläger die Klagebefugnis (entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) bzw. aktive Prozessführungsbefugnis.
41 
Trotz der im Wege der Zwangsvollstreckung zugunsten der Beigeladenen zu 2 und 3 erfolgten Pfändung und Überweisung seiner etwaigen Ansprüche gegen den Beklagten macht der Kläger weiterhin ein eigenes Recht geltend. Die für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung einer Forderung zur - wie hier - Einziehung bewirkt (lediglich), dass der Pfändungsschuldner die Forderung nicht mehr für sich einziehen kann. Auf Leistung an den Pfändungsgläubiger kann er indessen klagen, und zwar aus eigenem Recht. Da ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (BGH, Urt. v. 08.05.2007 - XI ZR 278/06 -, Rnr. 18, juris; Urt. v. 05.04.2001 - IX ZR 441/99 -, Rnr. 20, juris; Urt. v. 25.03.1991 - II ZR 13/90 -, Rnr. 9, juris; Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5). Auch die Sicherungsabtretung von Ansprüchen an die Beigeladene zu 1 hindert den Kläger schließlich nicht an der prozessualen Geltendmachung, da er hierzu von ihr ermächtigt worden ist und ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Klärung besitzt (vgl. für eine zulässige gewillkürte Prozessstandschaft im Fall der Sicherungszession: VG Freiburg, Urt. v. 05.12.2013 - 1 K 2463/11 -, Rnr. 49, juris; anders allerdings bei fehlendem schutzwürdigen Interesse an einer Forderungsabtretung: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, Rnr. 38, juris).
42 
C. Die Klagen sind indessen unbegründet.
43 
Der Kläger ist zwar aktivlegitimiert. Das gilt sowohl in Ansehung der Pfändungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 2 und 3 (vgl. insoweit die Ausführungen oben zur Prozessführungsbefugnis) als auch hinsichtlich der Sicherungsabtretung, da die Beigeladene zu 1 dem Kläger eine Einziehungsermächtigung erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98 -, Rnr. 8 und 9, juris; Urt. v. 06.11.1980 - VII ZR 200/79 -, Rnr. 14, juris). Ferner ist keine Verjährung der Vergütungsansprüche (die sich entsprechend § 217 BGB auf die Zinsforderung erstrecken würde) eingetreten. Denn mit der ursprünglich innerhalb der (entsprechend § 195 BGB: 3-jährigen) Verjährungsfrist erhobenen Stufenklage wurde der (ursprünglich unbezifferte) endgültige, nach Abrechnung bestehende Vergütungsanspruch (damals gestellt als Leistungsantrag auf letzter Stufe [„2.b)“]) des Klägers sofort rechtshängig. Damit wurde, trotz der zunächst gegebenen Unbestimmtheit des Leitungsantrags, die Verjährung des gesamten Anspruchs entsprechend § 209 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Höhe gehemmt, die der Kläger mittlerweile erstmalig beziffert hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1992 - IV ZR 183/91 -, Rnr. 10 und 11, juris). Schließlich kann der Kläger auch jenseits der Vorschrift des § 853 ZPO (i.V.m. § 856 ZPO) und der Frage, ob diese auch für den Schuldner gilt bzw. im Fall des Zusammentreffens von Pfändungen und Abtretung nicht ganz ausgeschlossen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5), auf Hinterlegung klagen. Denn die Beteiligten haben eine wirksame Hinterlegungsvereinbarung geschlossen, wonach etwaige weitere Zahlungen des Beklagten an die Hinterlegungsstelle erfolgen sollen (vgl. zu dieser von den Voraussetzungen des § 372 ff. BGB unabhängigen Möglichkeit: BGH, Urt. v. 29.09.1992 - XI ZR 9/92 -, Rnr. 12, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.02.2006 - 15 U 87/05 -, Rnr. 14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 378 Rnr. 2).
44 
Soweit der Kläger einen Anspruch auf Vergütung und Verzugszinsen hat, ist dieser vom Beklagten durch die Hinterlegungen vom 27.02.2014 und vom 27.05.2014 (zur Erfüllungswirkung kraft - hier: konkludenter - Vereinbarung vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1992, a.a.O.) erfüllt worden. Die von ihm hierbei hinsichtlich der Beträge für Vergütung und Verzugszinsen getroffene Tilgungsbestimmung ist, da der Kläger dieser nicht widersprochen bzw. sie ausweislich des Schriftsatzes vom 26.06.2015 nunmehr auch ausdrücklich akzeptiert hat, maßgeblich geworden (§ 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 367 Abs. 2 BGB; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O, § 367 Rnr. 2). Auch die am 10.03.2014 erfolgte Lohnsteuerabführung an das Finanzamt hatte Erfüllungswirkung (BAG, Urt. v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07 -, Rnr. 18, juris). Einen mit der Klage verfolgten weitergehenden Zahlungsanspruch (Prämienvergütung bis 31.03.2010 sowie Verzugszinsen daraus bis heute) hat der Kläger nicht (dazu im Folgenden unter I.). Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch besteht ebenfalls nicht. Das folgt daraus, dass ihm aus den Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dem Herzzentrum xxx kein Anspruch auf weitergehende Vergütung zusteht (dazu im Folgenden unter II.).
45 
I. Einen mit der Hinterlegungsklage geltend gemachten Anspruch auf weitergehende als bereits vom Beklagten erfüllte Beträge für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 hat der Kläger nicht.
46 
1.) Die Hauptforderung des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus der Vergütungsregelung in § 8 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 (im Folgenden nur noch bezeichnet als „Dienstvertrag“). Aufgrund rechtskräftigen Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 (3 K 2749/08 -, juris) steht im Verhältnis von Kläger und Beklagtem fest, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24./25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung dieses Dienstvertrags unwirksam sind. Die (Gegenstand des noch nicht rechtskräftig abgeschlossen Verfahrens 1 K 848/13 bildende) erneute Kündigung vom 30.09.2009 wurde erst mit Wirkung zum 01.04.2010 ausgesprochen. Da keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe oder vertraglichen Beendigungsgründe i.S.v. § 11 Abs. 4 erster Spiegelstrich (Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses) und dritter Spiegelstrich (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte - ein solches wurde gegenüber dem Kläger nie ausgesprochen) vorliegen, stehen dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2010 vertragliche Vergütungsansprüche zu. Auf den als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu qualifizierenden Dienstvertrag (vgl. zum konkreten Vertrag: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, Rnr. 41, juris) finden ergänzend die Vorschriften des BGB nach § 62 Satz 2 LVwVfG entsprechende Anwendung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Rnr. 2, juris).
47 
a.) Der Prämienanspruch, um den die Beteiligten vorliegend im Wesentlichen (noch) streiten, steht dem Kläger nicht zu. § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages bestimmt, dass der Ärztliche Direktor ferner (d.h. zusätzlich zur festen Jahresvergütung gemäß Absatz 1) eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung enthält, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen.
48 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung wirksam. Da die Prämienregelung vom Beklagten vorformuliert und mit dem Kläger nicht ausgehandelt worden ist, gelangen über § 62 Satz 2 LVwVfG die AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB entsprechend zur Anwendung (vgl. für einen Chefarztvertrag: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010, a.a.O., Rnr. 24 ff.). Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) gibt es nicht. Die Prämienregelung macht die Gewährung vom Eintritt einer näher ausgestalteten Bedingung (erfolgreiche Leitung) abhängig und sieht überdies ein Feststellungs-, bzw. Bestimmungsrecht des Klinikumsvorstands vor. Damit wird schon nicht vom Gesetz abgewichen. Denn dieses sieht selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (vgl. § 315 BGB - dazu unten bei b.). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen dieses Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (vgl. BAG, Urt. v. 16.01.2013 - 10 AZR 26/12 -, Rnr. 29, juris [vom Arbeitgeber festzulegende Weihnachtsgratifikation]). Aus diesen Gründen ist ferner auch das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht als verletzt anzusehen. Denn angesichts der Verwendung sowie näheren Erläuterung des Merkmals der „erfolgreichen Leitung“ und des gerichtlich überprüfbaren Leistungsbestimmungsrechts kann nicht die Rede davon sein, diese Bestimmung sei aufgrund Unklarheit bzw. Unverständlichkeit geeignet, den Kläger von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten. Ohnehin sind hierbei auch Begleitumstände der Verwendung zu beachten, namentlich mit Blick auf den betroffenen Personenkreis (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rnr. 21 und § 320 Rnr. 21). Die Chefärzte des Beklagten dürften viel eher einem erfahrenen Vertragspartner als einem unkundigen Verbraucher gleichzustellen sein.
49 
Der Klinikumsvorstand des Beklagten hat mit Beschlüssen vom 07.04.2008 und 16.01.2014 entschieden, dass der Kläger - soweit hier maßgeblich - in den Jahren 2007 bis 2010 die Abteilung Klinische Chemie nicht erfolgreich geleitet hat. Auch wenn der Kläger nur Ansprüche aus dem Zeitraum Januar 2008 bis März 2010 zum Streitgegenstand gemacht hat, besitzt die Problematik eines Prämienanspruchs im Jahr 2007 doch Vorfragenrelevanz, da - wie vom Beklagten bei seinen Berechnungen auch tatsächlich berücksichtigt - die Ablehnung eines solchen Anspruchs in diesem Jahr zu einer Rückforderung und Minderung des Anspruchs für das Jahr 2008 führte. Da es sich bei der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrages, auf welche diese Beschlüsse zurückgehen, um ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB handelt und diese Entscheidungen billigem Ermessen entsprechen, sind sie gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Kläger verbindlich, so dass er für die Jahre 2008, 2009 und das 1. Quartal 2010 keinen Prämienanspruch hat:
50 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags, wonach die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen erfolgt, enthält ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Da dieses Recht dem Klinikumsvorstand zusteht, der gemäß § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. § 7 der Satzung des UKFR das in Fällen wie hier maßgebliche Leitungs- und Entscheidungsorgan des Beklagten ist (kein Fall der Zuständigkeit des Aufsichtsrats gemäß § 9 UKG, § 5 Satzung UKFR), liegt ein Fall des § 315 BGB, der Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei, und nicht - wovon der Beklagte ausgehen will - derjenige des § 317 BGB (Bestimmung durch Dritte) vor. § 315 BGB ist gemäß einem weiten Verständnis über die Haupt- und Gegenleistung hinaus auch auf sämtliche Leistungsmodalitäten anwendbar (BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rnr. 1 [Stand: 01.05.2015]), also auch - wie hier - auf die Feststellung von Anspruchsvoraussetzungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnr. 2 m.w.N.). Voraussetzung - auch für eine gerichtliche Überprüfung - ist stets, dass ein Vertragspartner die Leistung einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 12.12.2014 - V ZR 109/14 -, Rn. 10, juris).
51 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags räumt dem Klinikumsvorstand einen solchen Ermessensspielraum ein. Er sieht eine Prämie „bis zu“ 25% vor. Ferner spricht die Unbestimmtheit und Auslegungsbedürftigkeit der die „erfolgreiche Leitung“ konkretisierenden Begriffe (wirtschaftliche Führung der Abteilung, Erreichen der Leistungsvorgaben, aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität) dafür. Damit ist die Bestimmung zwar auch an einem objektiven Beurteilungsmaßstab ausgerichtet (zu dieser Möglichkeit vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rn. 10), so dass kein völlig freies Belieben existiert. Ungeachtet dessen verbleibt für die Leistungsbestimmung jedoch mangels eines anderen vereinbarten Maßstabs gemäß der Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender (Beurteilungs-)Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - III ZR 100/90 -, juris, Rnr. 29; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnrn. 6 und 15; BeckOK BGB/Gehrlein, a.a.O., Rnr. 12). Maßgebend für diese Kontrolle ist der Zeitpunkt der Leistungsbestimmung, da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt (Staudinger/Volker Rieble [Neubearbeitung 2015], BGB § 315, Rnr. 378).
52 
Die das Jahr 2007 betreffende und dem Kläger mit Schreiben vom 14.04.2008 mitgeteilte Entscheidung des Klinikumsvorstands vom 07.04.2008 ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Sie führte als wesentliche Gründe für eine nicht erfolgreiche Abteilungsleitung ein in Höhe von 250.000 EUR negatives EER-Ergebnis 2007 (EER = Erlösorientierte Ergebnisrechnung - ein internes Berechnungsmodell) und eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit an, sowie, dass der Kläger durch das mutmaßliche Verhalten, das zur Verdachtskündigung vom Januar 2008 geführt habe, dem Ansehen des Klinikums erheblichen Schaden zugefügt habe. Damit sind ersichtlich die im Dienstvertrag festgelegten Konkretisierungsmaßstäbe der wirtschaftlichen Abteilungsführung und Führungsqualität entscheidungsleitend gewesen. Da § 8 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrages nichts dafür hergibt, alle dort genannten Konkretisierungsmerkmale seien stets kumulativ heranzuziehen, kann nicht beanstandet werden, dass der Klinikumsvorstand nur auf einzelne Merkmale einging, und nicht auch auf ein Erreichen der Leistungsvorgaben und ein aktualisiertes Qualitätsmanagement (vgl. BAG, Urt. v. 15.05.2013 - 10 AZR 679/12 -, Rnr. 17, juris). Dies gilt ferner für das Erreichen von Zielvereinbarungen i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages, da es diese tatsächlich nicht gegeben hatte. Einen Anspruch auf eine solche Vereinbarung sah der Dienstvertrag eindeutig auch nicht vor, da in § 8 Abs. 2 Satz 2 nur die Möglichkeit („kann... abschließen“), nicht indessen die Pflicht des Beklagten bestand, mit dem Kläger Ziele zu vereinbaren.
53 
Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG, Urt. v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11 -, Rnr. 45, juris; BGH, Urt. v. 05.12.2012 - IV ZR 110/10 -, Rnr. 27, juris). Die Leistungsbestimmung ist erst dann durch das Gericht zu beanstanden und zu ersetzen, wenn diese Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urt. v. 22.07.2014 - KZR 27/13 -, Rnr. 23, juris; Urt. v. 24.06.1991 - II ZR 268/90 -, Rnr. 7, juris). Mit der auf das Wirtschaftsergebnis 2007 und einen Straftatverdacht gestützten Verneinung einer erfolgreichen Abteilungsleitung hat der Klinikumsvorstand eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung getroffen. Die Gewichtung des Wirtschaftsergebnisses ist angesichts des negativen EER-Ergebnisses weder sachwidrig noch willkürlich. Insbesondere ist nicht erkennbar oder vorgetragen worden, dass der Beklagte im Rahmen anderer Chefarztverträge bei negativen Ergebnissen von einer erfolgreichen Leitung ausgegangen wäre, mithin die Prämie tatsächlich als versteckte Festvergütung handhabte. Selbst wenn der im Jahr 2007 die Abteilungsleitung noch tatsächlich innehabende Kläger angesichts fixer Kosten beim Personal und des Umstands, dass die mittelbare Krankenversorgung für Gewinnerzielung auf (externe) Probenaufträge angewiesen ist, das EER nur bedingt beeinflussen konnte, ist doch die vertragliche Gesamtregelung zu berücksichtigen. Denn in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages war dem Kläger bereits eine EER-unabhängige (Fest-) Vergütung von 50% des Abteilungsnettoliquidationserlöses garantiert worden. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, bestehen für den Abteilungsleiter durchaus Einwirkungsmöglichkeiten, so etwa im Bereich des Reagenzieneinkaufs. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unverhältnismäßig gewesen, wenn der Klinikumsvorstand eine erfolgreiche Leitung bei negativem Wirtschaftsergebnis verneinte. Dass der Kläger die Prämie für 2007 im Wege der Abschlagszahlung bereits erhalten hatte, ist kein Beleg für einen Führungserfolg. § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages stellte auch die Prämie unter einen endgültigen Berechnungsvorbehalt. Damit aber stand auch diese unter der auflösenden Bedingung einer späteren negativen Entscheidung des Klinikumsvorstands.
54 
Soweit der Klinikumsvorstand zusätzlich den Straftatverdacht gegen den Kläger als einer erfolgreichen Leitung entgegenstehenden Umstand angeführt hat, hat er den ihm eingeräumten Ermessensspielraum ebenfalls nicht verlassen. Die im Zeitpunkt der ersten Kündigung im Januar 2008 gegebenen Verdachtsmomente, auf die der Klinikumsvorstand abgehoben hat, rechtfertigten bei gebotener Abwägung ebenfalls den Schluss einer (mit Blick auf das Merkmal der Führungsqualität) nicht erfolgreichen Abteilungsleitung. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte im Frühjahr 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 13.11.2007 hatte das Amtsgericht Freiburg die (dann am 11.12.2007 durchgeführte) Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers mit der Begründung angeordnet, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Fa. xxx abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens fünf Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Dafür habe der Kläger Zuwendungen erhalten. In einem Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität Freiburg hatte die Landespolizeidirektion u.a. ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Fa. xxx stünden und dass der Kläger dieser Firma durch Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe (vgl. Tatbestand des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris [Rnrn. 4 und 5]). Die herausgehobene Stellung als Chefarzt bzw. Abteilungsleiter war besonders sensibel und anfällig für strafrechtliche Vorwürfe, wenn diese - wie hier - im Zusammenhang mit der Dienstausübung erhoben wurden. Bereits der mit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen verbundene Anschein eines Makels erschütterte folglich die für das Merkmal der Führungsqualität zu fordernde Integrität und durfte ebenfalls zur Versagung einer Prämie herangezogen werden. Daran änderte nichts, dass die dem Kläger vorgeworfenen Taten zeitlich weiter zurücklagen und nicht das Jahr 2007 betrafen.
55 
Dieser Ermessensentscheidung im April 2008 stand schließlich nicht die Rechtskraft des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 über die Kündigung vom 24./25.01.2008 entgegen. Denn ungeachtet des Umstands, dass diese vom Gericht bereits aus formellen Gründen (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) beanstandet wurde, ist lediglich die Feststellung deren Unwirksamkeit in Rechtskraft erwachsen. Das ist kein prozessuales Hindernis dafür, die zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen in weiteren Rechtsstreitigkeiten zur Begründung von Ansprüchen oder Einwendungen geltend zu machen, deren Bestand nicht von der Tauglichkeit der Tatsachen als Grund für eine fristlose Kündigung abhängen (OLG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2000 - 1 U 177/99 -, Rnr. 44, juris). Darauf, ob die im Januar 2008 vorliegenden Umstände materiell bzw. inhaltlich die Verdachtskündigung gerechtfertigt hätten, kommt es nicht an. Von der Frage, ob ein Dienstverhältnis beendet werden konnte, ist diejenige zu unterscheiden, ob eine Prämie für erfolgreiche Leitung zu zahlen war. Insoweit hatte ein Straftatverdacht für die Frage der Kündigungsrechtfertigung ein völlig anderes Gewicht als für diejenige eines Prämienanspruchs. Selbst wenn ein solcher Verdacht eine Kündigung nicht rechtfertigt, kann er dennoch der Annahme einer erfolgreichen Leitung der Abteilung - die anderen Maßstäben unterliegt - entgegenstehen.
56 
Der Klinikumsvorstand hat ferner am 16.01.14 beschlossen, dass auch für die Jahre 2008 bis 2010 (sowie ferner 2011 und 2012) keine erfolgreiche Abteilungsleitung durch den Kläger vorliege und dies - erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Führungsqualität - ausschließlich mit bestehendem Verdacht der Korruption (Vorteilsannahme) und der zwischenzeitlich erhobenen sowie vom LG Freiburg zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage begründet. Eine wenngleich zeitlich spätere als dienstvertraglich in § 8 Abs. 3 vorgesehene, aber gleichwohl nunmehr auf ihre Billigkeit zu überprüfende Bestimmung durch den Beklagten lag damit vor. Diese ist ermessensfehlerfrei. Zu diesem Zeitpunkt war das Strafverfahren gegen den Kläger noch anhängig und angesichts der am 17.07.2009 erhobenen sowie vom Landgericht am 14.09.2012 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage fortgeschritten. Da es mithin weiter an einer klaren Entlastung des Klägers vom Straftatverdacht fehlte, kann eine weitere Prämienversagung nicht als sachwidrig und unangemessen oder willkürlich aufgefasst werden. Wie bereits oben ausgeführt, ließ das Bestimmungsrecht die Auswahl auch nur einzelner Erfolgsmerkmale zu. Den Umstand, dass die Kündigung vom Januar 2008 unwirksam und der Kläger somit zumindest bis Ende März 2010 rechtswidrig an der Abteilungsleitung und folglich einer möglichen Einwirkung auf das Wirtschaftsergebnis gehindert war, musste der Klinikumsvorstand damit nicht mehr in die Abwägung einstellen.
57 
Selbst wenn man schließlich für die Überprüfung beider Ermessensentscheidungen des Klinikumsvorstands wegen der Eigenschaft der Prämie als wiederkehrende Leistung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor Gericht abstellen wollte (vgl. MüKoBGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 52; BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 11 [Stand: 01.05.2015]), so wäre ebenfalls keine Sachlage eingetreten, die das Festhalten des Beklagten an der Prämienversagung nunmehr als Ermessensausfall oder Ermessensdefizit erscheinen ließe. Zwar ist das Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 StPO durch Beschluss des LG Freiburg vom 12.02.2014 zunächst gegen Geldauflage vorläufig und nach Erfüllung dieser Auflage mit Beschluss vom 19.08.2014 endgültig eingestellt worden. Indessen erforderte die Anwendung des § 153a StPO einen höheren Verdachtsgrad. Sie setzte eine Durchermittlung voraus. Bevor dem Beschuldigten zugemutet werden kann, durch die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sich einer „Sanktion im weiteren Sinne“ zu unterwerfen, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung im Falle der Weiterführung des Verfahrens in Betracht kommen (Löwe-Rosenberg/Beulke, StPO, 26. Aufl. 2007, § 153a, Rn. 39; BeckOK StPO/Beukelmann, § 153a Rnr. 14 [Stand: 01.05.2015]). Der Beklagte durfte folglich unverändert die Prämie versagen, auch wenn die Unschuldsvermutung zugunsten des Klägers nicht widerlegt wurde und er als nicht vorbestraft anzusehen ist. Selbst wenn man für § 153a StPO lediglich einen gesicherten hinreichenden Tatverdacht forderte (so Karlsruher Kommentar-StPO/Diemer, 7. Aufl. 2013, § 153a Rnr. 11), ergäbe sich nichts anderes.
58 
b.) Der Kläger hat damit nur den in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages garantierten Anspruch auf die feste Jahresvergütung. Diese beträgt 50% des jeweiligen Nettoliquidationserlöses der Jahre 2008, 2009 und des ersten Quartals 2010. Dieser Anspruch ist indessen bereits im Jahr 2014 erfüllt worden, so dass - mangels eines Prämienanspruchs (siehe unter a.) - keine weitergehende Hauptforderung mehr besteht.
59 
Anspruchsunschädlich ist, dass der Kläger tatsächlich nur bis zum 25.01.2008 tätig war. Denn insoweit lagen die Voraussetzungen für eine Vergütung aufgrund Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB und §§ 293 ff. BGB vor (sog. Annahmeverzugsvergütung - diese ist Erfüllungsanspruch, kein Schadensersatzanspruch, vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 615 Rnr. 3 m.w.N.). Nach einer - wie hier rechtskräftig festgestellt - unwirksamen Kündigung bedurfte es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Arbeitsangebots des Klägers nicht (vgl. für das Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, Rnr. 14, juris). Dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig gewesen wäre (vgl. § 297 BGB), ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden. Seine Weigerung auf die Aufforderungen des Beklagten vom 22.12.2009 und 28.04.2010, seinen Aufgaben in der Krankenversorgung wieder nachzukommen, betraf gerade nicht die stets von ihm beanspruchten, aber vom Beklagten verhinderten und hier allein vergütungsrelevanten Dienste als Chefarzt i.S.v. § 6 Abs. 2 des Dienstvertrags. Dafür, dass der Kläger sich entsprechend § 615 Satz 2 BGB den Wert von etwas anrechnen lassen müsste, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, ist schließlich ebenfalls nichts erkennbar.
60 
Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs bemisst sich nach dem Bruttoentgelt. Der Abzug und die Abführung von gesetzlichen Lohnbestandteilen - hier gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des Dienstvertrages der Lohnsteuer - betreffen nur die Frage, wie der Beklagte seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger zu erfüllen hat (vgl. für die Bruttolohnklage im Arbeitsrecht: LAG Hamm, Urt. v. 07.01.2014 - 9 Sa 1393/13 -, juris [m.w.N.]; ferner im Zusammenhang mit Zinsen auf den Bruttolohn: BAG, Urt. v. 07.03.2001 - GS 1/00 - juris; zur Erfüllung durch Steuerabführung ferner BAG, Urt. v. 30.04.2008, a.a.O.).
61 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte vorgenommen und als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 (GAS. 371/373) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend; auch der Kläger hat insoweit keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere durfte der Beklagte hierbei aufgrund der Abrechnungsvereinbarung in § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages einen Rückforderungsanspruch i.H.v. insgesamt 80.000,-- EUR betreffend die Prämienabschläge für 2007 und für Januar 2008, der ihm nach dem oben unter a.) Dargelegten zustand, mit dem im April 2008 abgerechneten Festvergütungsanspruch für 2007 i.H.v. 9.714,86 EUR (vgl. Anlage B 2 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 353-357]) sowie demjenigen i.H.v. 76.615,06 EUR verrechnen, den der Kläger aufgrund der Abrechnung im Juni 2009 für das Jahr 2008 hatte (vgl. das entsprechende Schreiben des Klinikumsvorstands vom 14.08.2009 an den Kläger [Anlage B 3 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 ]).
62 
Den somit für die Zeit Januar 2008 bis März 2010 bestehenden Festvergütungsanspruch in Höhe von brutto 731.898,76 EUR hat der Beklagte durch Steuerabführung (am 10.03.2014) i.H.v. 361.688,18 EUR, durch Verrechnung des verbleibenden Nettoanspruchs mit einem eigenen Rückzahlungsanspruch i.H.v. 21.586,12 EUR sowie Hinterlegung (am 27.02.2014) des Restbetrages von 348.624,46 EUR erfüllt.
63 
2.) Auch eine weitergehende Nebenforderung hat der Kläger nicht.
64 
Ein Verzugsschadensanspruch, der im Fall von Geldschulden als Mindestschaden auf - wie hier ausschließlich geltend gemacht - Zinsen gerichtet ist, ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB (i.V.m. § 62 Satz 2 LVwVfG). Eine Mahnung war gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Auch ein Verschulden des Beklagten (§ 286 Abs. 4 BGB) lag vor, da er auf die Wirksamkeit der ersten Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen erkennbarer Verfahrensmängel (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) nicht schutzwürdig vertrauen durfte (zur besonderen Verschuldensprüfung bei einer Kündigung vgl. BAG, Urt. v. 14.05.1998 - 8 AZR 634/96 -, Rnr. 17, juris). Die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB können aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung verlangt werden (BAG, Beschl. v. 07.03.2001, a.a.O.).
65 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte auch betreffend die Verzugszinsen vorgenommen und als Anlage B 23 zum Schriftsatz vom 16.06.2014 (GAS. 597) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend. Dass er dabei - anders als die wohl herrschende Meinung (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 - B 1 KR 8/09 R -, juris, Rn. 31; Palandt/Heinrichs, a.a.O, § 246 Rnr. 9; Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 246 BGB, Rnr. 37) - das Jahr mit 360 und den Monat mit 30 Tagen angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden, da diese Berechnung sogar etwas günstiger für den Kläger gewesen ist. Aus dem Vergütungsanspruch, der dem Kläger bis einschließlich 31.03.2010 noch zustand (siehe dazu oben 1. b.), ergab sich bis zum 27.05.2014 eine Zinsforderung in Höhe von 172.966,70 EUR, die der Beklagte durch die Hinterlegungen am 27.02.2014 (90.475,36 EUR) und am 27.05.2014 (83.372,54 EUR) erfüllt hat.
66 
Die vom Kläger gegen diese Zinsberechnung geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Dass für die Jahre 2008 bis 2010 auf der Grundlage der diese jeweils betreffenden endgültigen Abrechnungsergebnisse die ursprünglich mit 25.000,-- EUR vereinbarten (und in dieser Höhe vom Beklagten bei der Zinsberechnung unverändert zugrunde gelegten) Abschläge gemäß § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages angepasst und höher angesetzt worden wären - mit der Folge einer Erhöhung des Verzugszinsschadens - kann nicht angenommen werden. Eine automatische Anpassungspflicht des Beklagten sah § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages mit der Bestimmung, wonach Abrechnungen und „ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen“ jeweils bis Ende Juni des Folgejahres erfolgten, gerade nicht vor. Daher spricht Überwiegendes dafür, dass eine Abschlagsanpassung jeweils einer speziellen Parteivereinbarung bedurft hätte, an der es hier aber fehlte.
67 
Wendet man auf diesen Fall die Grundsätze der Schadensschätzung an, ergibt sich nichts zugunsten des Klägers. Gemäß (§ 173 VwGO i.V.m.) § 287 Abs. 2 ZPO ist § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO (geringeres Beweismaß für den Schadensnachweis) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. So liegt die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO dann nahe, wenn - wie hier - die Höhe des Anspruchs von fiktiven Entwicklungen abhängt (BeckOK ZPO/Bacher, § 287 Rnrn. 11 sowie 17 und 18 m.w.N. [Stand: 01.03.2015]). Gewisse Mindestanforderungen an die Angabe tatsächlicher Momente, die als Grundlage der Schätzung dienen können, sind allerdings zu verlangen. Die Parteien müssen sich in zumutbarem Umfang um eine genaue Substantiierung bemühen (MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 287 Rnr. 28 m.w.N.). Von wesentlichem Parteivorbringen darf sich die Schätzung nicht lösen, für sie müssen zumindest greifbare Tatsachen sprechen (Musielak ZPO/Foerste, 12. Aufl. 2015, § 287 Rnr. 9 m.w.N.). Der substantiierte Vortrag des Beklagten, wonach eine (vom Kläger geforderte) exakte Anpassung der Abschlagszahlung nie praktiziert worden ist, und ferner gewisse Anpassungen nur bei mehrjährigen deutlichen Abweichungen in Betracht kämen, spricht gegen eine Schätzung zugunsten des Klägers. Auch die konkreten Differenzbeträge zwischen Abschlägen und endgültig berechneter Vergütung schließlich sind entgegen der Auffassung des Klägers noch kein ausreichendes Indiz für eine Anpassung. Für das Jahr 2008 betrug die dem Kläger zustehende Jahresvergütung 309.190,07 EUR (50% des Nettoliquidationserlöses von 618.380,13 EUR) und hätte (hypothetische) Abschlagszahlungen i.H.v. (12 x 25.000,-- EUR =) 300.000,-- EUR lediglich um etwas mehr als 9.000,-- EUR überstiegen. Die Abweichungen für 2009 von (Vergütung 416.009,49 EUR abzüglich 300.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 116.000,-- EUR und für das erste Quartal 2010 von (Vergütung 102.669,10 EUR abzüglich 75.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 25.000,-- EUR sind zwar höher, ohne dass allerdings zur Überzeugung der Kammer schon von einer deutlichen mehrjährigen Abweichung gesprochen werden kann.
68 
Wollte man schließlich das in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags an sich ausdrücklich nur im Kontext des „Ob“ einer Prämie geregelte Bestimmungsrecht - etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - auch für die Neufestlegung von Abschlagszahlungen für maßgebend erachten, gälte auch hier § 315 BGB. Die Entscheidung des Beklagten, Abschläge nicht anzupassen, wäre dann aber aus den zuvor im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO genannten Gründen nicht zu beanstanden.
69 
II. Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch betreffend „die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Beklagten im Zusammenhang mit Laborleistungen für das Herzzentrum xxx“ besteht nicht, so dass auch diese Klage unbegründet ist. Einen Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch aus der Kooperation des Beklagten und dem Herzzentrum xxx hat der Kläger nicht, weshalb schon deshalb ein Auskunftsanspruch zu verneinen ist. Da schon die Prüfung der Auskunftsstufe ergibt, dass dem Hauptanspruch (= Leistungsanspruch) die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, kann im Urteil eine einheitliche Entscheidung ergehen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 28.11.2001 - VIII ZR 37/01 -, Rnr. 20, juris; Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rnr. 9). Ein jeweiliges Teilurteil über die bezifferte Zahlungsklage und die noch unbezifferte Stufenklage (vgl. zu einem solchen Fall: BGH, Urt. v. 25.09.2002 - XII ZR 55/00 -, Rnr. 14, juris; Urt. v. 26.04.1989 - IVb ZR 48/88 -, Rnr. 9, juris) kam daher nicht in Betracht.
70 
§ 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beteiligte als Gegenleistung für die Erfüllung seiner in § 6 geregelten Dienstaufgaben den Kläger am Nettoliquidationserlös, den der Beklagte „in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung“ aus wahlärztlichen ambulanten Behandlungen und wahlärztlichen stationären Untersuchungen (ausgenommen die Erbringung individueller Gesundheitsleistungen) einnimmt. Schon dieser Wortlaut lässt es nicht zu, im Labor des Herzzentrums - also einer bis 31.03.2012 völlig eigenständigen Einrichtung - durchgeführte Untersuchungen als erfasst anzusehen. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen haben, sind Untersuchungen, die aus dem Herzzentrum xxx stammen, am Zentrallabor der Universitätsklinik zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Das Herzzentrum xxx besitze ein eigenes Labor, das die dort erhobenen Proben selbst untersuche.
71 
Einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus vereitelter Übernahme der Leitung des Labors des Herzzentrums kann die Kammer schließlich ebenfalls nicht erkennen. Der Kooperationsvertrag vom 18.06.2006 räumte allenfalls dem Beklagten, nicht aber dem jeweiligen Leiter von dessen Abteilung Klinische Chemie einen Rechtsanspruch ein. Dagegen, dass der Kläger zum 01.010.2008 die Leitung des Labors im Herzzentrum übernommen hätte, spricht der gegen ihn bestehende Straftatverdacht. Dieser war trotz Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 nach dem oben unter I.1.a.) Dargelegten auch im Oktober 2008 hinreichend und nicht ausgeräumt. Der Übertragung einer zusätzlichen Leitungsposition hätte er aller Voraussicht nach entgegengestanden. Selbst für den Fall einer solchen aber hätte der Kläger keinen Vergütungsanspruch gehabt. Denn zu seinen Dienstaufgaben hätte gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 4 des Dienstvertrages eine solche Aufgabenübernahme in zumutbarem Umfang gehört und wäre folglich durch die Vergütungsregelung in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages abgegolten gewesen. Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, war auch in einem weiteren, ähnlichen Chefarztvertrag mit der Ärztlichen Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde keine zusätzliche Vergütung für deren zusätzliche Leitung eines Medizinischen Versorgungszentrums vorgesehen gewesen. Dass schließlich der Nachfolger des Klägers und Kommissarische Leiter der Abteilung Klinische Chemie, Prof. Dr. X., für die Leitung des Labors im Herzzentrum bis Sommer 2012 eine monatliche Vergütung („von wenigen Tausend EUR“, vgl. Seite 24 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 979]) erhielt, steht dem nicht entgegen, da mit ihm bis dahin kein Chefarztvertrag wie mit dem Kläger bestand. Aufgrund der insgesamt monatlich geringen Vergütung („im einstelligen Tausend-Euro-Bereich“, vgl. Seite 3 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 937]), die Prof. Dr. X. für die Leitung der Abteilung Klinische Chemie zustand, lag es in diesem Fall anders als im Fall des Klägers eher nahe, die Übernahme dieser weiteren Aufgabe zusätzlich zu vergüten.
72 
D. Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt für den übereinstimmend erledigten Teil aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, insoweit dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil er nachgegeben hat. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO und geht zulasten des Klägers, da er die weitergehend von ihm begehrten Beträge sowie eine Auskunft nicht erhält. Die Kammer hat die Kostenquote aus dem Obsiegen und Unterliegen der Hauptbeteiligten bezogen auf den Streitwert (vgl. dazu näher den Streitwertbeschluss unten) gebildet (Gesamtstreitwert: 1.213.802,97 EUR: Kläger gewinnt i.H.v. 710.312,64 EUR, Beklagter gewinnt i.H.v. 503.490,33 EUR) gebildet. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, so dass es mangels Kostentragungsrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
73 
Die Kostenentscheidung ist, soweit sie auf § 161 Abs. 2 VwGO beruht, gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.081998 - 4 B 75.98 - juris; Urt. v. 03.11.2011 - 7 C 3/11 -, Rnr. 32, juris). Da die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), gilt im Übrigen folgende
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert für das Verfahren wird
76 
auf 1.213.802,97 EUR
77 
festgesetzt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 31. August 2011 - 3 Sa 29/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

2

Die Beklagte betreibt Tankstellen. Der Kläger war bei ihr seit Juli 2003 als Bezirksleiter für den Vertrieb im Außendienst beschäftigt.

3

Im August 2010 entstand bei der Beklagten der Verdacht, der Kläger könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Am 20. August und 30. September 2010 hörte sie den Kläger zu den aus ihrer Sicht verdachtsbegründenden Umständen an. Er bestritt die Vorwürfe.

4

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus. Gegen sie erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage. Am 14. Januar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Auch dagegen erhob der Kläger - in einem eigenständigen Verfahren - Klage.

5

Am 28. Juli 2011 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten weitere Unregelmäßigkeiten fest. Im November 2009 hatte eine Baugesellschaft der Beklagten für ein Bauvorhaben an einer Tankstelle 8.929,52 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren ua. die Lieferung und das Verlegen von Terrassenplatten (terracotta, 40 x 40 für 80,64 m²) mit 2.056,32 Euro ausgewiesen. Aus den beigefügten Bautagesberichten, Gesprächsnotizen, Lieferangeboten, Aufträgen, Aufmaßskizzen und Lieferscheinen für das Bauvorhaben war ersichtlich, dass entsprechende Leistungen nicht auf einem Tankstellengelände der Beklagten, sondern auf dem Wohngrundstück des Klägers ausgeführt worden waren. Mit Schriftsatz vom 22. August 2011 hat die Beklagte diese tatsächlichen Erkenntnisse ohne erneute Anhörung des Klägers in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

6

Der Kläger hat bestritten, dass er auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten in seiner Grundstücksauffahrt habe verlegen lassen. Die abgerechneten Leistungen der Baugesellschaft ständen in keiner Verbindung zu seiner Wohnanschrift. Dies ergebe sich aus den Mengenangaben und dem Gesamtarbeitsaufwand. Im Übrigen hat der Kläger gemeint, weil sie ihn dazu zuvor nicht angehört habe, vermöge die Beklagte die Kündigung auf diesen Vorwurf ohnehin nicht zu stützen.

7

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich betrügerisch zu ihren Lasten bereichert. Er habe auf seinem Privatgrundstück Baumaßnahmen ausführen lassen, die als Umbau einer Tankstelle deklariert worden seien. Den auf diesen tatsächlichen Umständen beruhenden Kündigungsgrund habe sie nachträglich in den Rechtsstreit einführen können, ohne dass sie den Kläger zuvor habe anhören müssen.

9

Das Arbeitsgericht hat der vorliegenden Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011, der Klage gegen die Kündigung vom 14. Januar 2011 mit Urteil vom 17. März 2011 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat über die Berufungen der Beklagten in getrennten Verfahren am selben Tag verhandelt. Nach Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren hat es beschlossen, eine Entscheidung am Ende der Sitzung zu verkünden. In der sich anschließenden Verhandlung im Verfahren über die Kündigung vom 14. Januar 2011 hat es darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser um eine unzulässige Wiederholungskündigung handeln dürfte. Die Beklagte hat daraufhin die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011 zurückgenommen. Der Kläger hat der Rücknahme ausdrücklich zugestimmt.

10

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Er bringt vor, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 stehe schon die durch die Berufungsrücknahme eingetretene Rechtskraft der Entscheidung vom 17. März 2011 entgegen. Diese enthalte mittelbar die Feststellung, dass bei Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten noch bestanden habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Das Landesarbeitsgericht war trotz der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 nicht gehindert, die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu überprüfen (I.). Seine Annahme, die nachgeschobenen Kündigungsgründe trügen diese Kündigung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (II.).

12

I. Die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011, derzufolge die Kündigung vom 14. Januar 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, steht der Annahme nicht entgegen, das Arbeitsverhältnis sei schon durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 beendet worden.

13

1. Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11- Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13).

14

2. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gegenstand der Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt, dh. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens oder Zugangs der Kündigung einer Entscheidung entzogen werden kann (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Eine solche Einschränkung des Streitgegenstands und Umfangs der Rechtskraft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die sich aus dem Antrag und der Entscheidung selbst ergeben müssen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, für die Bestimmung des Streitgegenstands und des Umfangs der Rechtskraft Umstände heranzuziehen, die schon mit der Entscheidungsfindung zusammenhängen. So kann für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Gegenstand der Klage gegen eine später wirkende Kündigung der Umstand sprechen, dass dieselbe Kammer des (Landes-)Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entscheidet. In einem solchen Fall wollen regelmäßig weder der Kläger noch das Gericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Zugang der späteren Kündigung zum Gegenstand des über deren Wirksamkeit geführten Rechtsstreits machen (vgl. BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe).

15

3. Im Streitfall kann dahinstehen, wie weit die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 reicht. Die Parteien haben mit der Zurücknahme der Berufung durch die Beklagte und der Annahme dieser Erklärung durch den Kläger nicht nur ihren Rechtsstreit mit der Folge beendet, dass die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14. Januar 2011 feststeht. Ihre Prozesserklärungen haben vielmehr zugleich einen materiellrechtlichen Inhalt. Der Kläger soll aus der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Kündigung vom 14. Januar 2011 keine Rechte herleiten können, die einer inhaltlich eigenständigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 entgegenstünden. Das ergibt die Auslegung der beiderseitigen Erklärungen (§§ 133, 157 BGB).

16

a) Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft unterliegen zwar nicht der Disposition der Parteien (vgl. BGH 28. Januar 1987 - IVb ZR 12/86 - zu 2 a der Gründe; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 152 Rn. 17; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 212; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 58). Die Parteien können diese Wirkungen aber durch Vereinbarungen beeinflussen. Bei solchen Abreden handelt es sich nicht um unzulässige „Eingriffe“ in die Rechtskraft, sondern um zulässige, ggf. nachträgliche Regelungen ihrer materiellen Folgen, die der Verfügung der Parteien unterliegen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO Rn. 18; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 325 Rn. 43a).

17

b) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungsrücknahme zum Ausdruck gebracht, sie sei bereit, die Unwirksamkeit der zweiten Kündigung hinzunehmen. Sie hat damit aus Sicht eines objektiven Empfängers - für den Kläger ohne Weiteres erkennbar - nicht zugleich erklärt, sie wolle auch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 anerkennen. Damit hätte sie dem nach wie vor anhängigen Rechtsstreit über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 die Grundlage entzogen. Dies war ersichtlich nicht gewollt. Beide Parteien erwarteten insoweit vielmehr eine Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts. In den Prozesserklärungen der Parteien liegt danach die materiellrechtliche Abrede, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses allein von der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 abhängig machen zu wollen. Der Kläger kann sich bereits aus diesem Grund nicht darauf berufen, es stehe rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis noch im Januar 2011 bestanden habe.

18

II. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu Recht als wirksam angesehen.

19

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

20

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16).

21

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei unter Berücksichtigung des im zweitinstanzlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Kündigungsgrundes einer schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die erstinstanzlich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe trügen die Kündigung vom 5. Oktober 2010 nicht. Es bestehe aber der - die Kündigung rechtfertigende - dringende Verdacht, der Kläger habe auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten an seine Privatanschrift liefern und dort verlegen lassen.

24

b) Das Landesarbeitsgericht durfte die entsprechenden, von der Beklagten in zweiter Instanz in das Verfahren eingeführten Indiztatsachen seiner Würdigung zugrunde legen.

25

aa) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21; 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 86, 88).

26

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf die von der Beklagten nachgetragenen, den Verdacht auf einen eigenständigen Vertragsverstoß begründenden Tatsachen abstellen.

27

(1) Die Verlegung der Terrassenplatten auf dem Grundstück des Klägers war der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung bereits in Rechnung gestellt und von ihr beglichen worden. Dies wurde ihr jedoch erst im Juli 2011 bekannt.

28

(2) Es bedurfte für die Beachtlichkeit des Vorbringens keiner neuerlichen Anhörung des Klägers.

29

(a) Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 1067/06 - Rn. 34).

30

(b) Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der - erneuten - Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht (noch offengelassen in BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 5 der Gründe, BAGE 81, 27; wie hier: KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216; aA Höland Anm. AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25; Moll/Schulte MAH Arbeitsrecht 3. Aufl. § 44 Rn. 110; Ittmann ArbR 2011, 6; wohl auch Hoefs Die Verdachtskündigung S. 215). Das ergibt sich aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses.

31

(aa) Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155). Ist aber - wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen - die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann (KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216).

32

(bb) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat analog § 102 Abs. 1 BetrVG zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 86, 88; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 49, 39). Die Anhörung des Betriebsrats dient - anders als die Anhörung des Arbeitnehmers - nicht (nur) der Aufklärung des Sachverhalts. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken (vgl. BAG 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - aaO). Das lässt sich bezogen auf nachgeschobene Gründe nur erreichen, wenn diese dem - anders als der Arbeitnehmer am Rechtsstreit nicht beteiligten - Betriebsrat vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden. Zwar kann auch der Betriebsrat die schon erfolgte Kündigung als solche nicht mehr verhindern. Er kann aber nur so seine - den Arbeitnehmer uU entlastende - Sicht der Dinge zu Gehör bringen.

33

(3) § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 86, 88).

34

c) Die Würdigung des Kündigungssachverhalts durch das Berufungsgericht ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30). Einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dieser Art hat der Kläger nicht aufgezeigt. Das Landesarbeitsgericht hat aus dem Umstand, dass hinsichtlich der von der Baugesellschaft gelieferten Materialien der Lieferort, die Flächen, die Art der Pflasterung und Bauskizzen mit der Auffahrt des Klägers übereinstimmten, widerspruchsfrei gefolgert, es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe sich auf Kosten der Beklagten rechtswidrig bereichert. Es hat nachvollziehbar angenommen, jedenfalls ein Teil der den Bautagesberichten zu entnehmenden Arbeitsstunden habe sich auf das Bauprojekt auf dem Grundstück des Klägers bezogen. Der Kläger ist den tatsächlichen Grundlagen dieses Verdachts nicht substanziiert entgegengetreten. Seinem Vortrag lässt sich auch nicht etwa entnehmen, er habe die auf seinem Grundstück ausgeführten Arbeiten selbst bezahlt.

35

d) Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

36

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Juni 2010 - 1 Ca 2998/09 - zurückgewiesen hat.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.

3

In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.

4

Der Umgang mit Geld war für alle Märkte in sog. Kassenanweisungen geregelt. Deren Erhalt hatte die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt. Nach den zuletzt gültigen Regelungen war es Kassenmitarbeitern untersagt, Bargeld in der Dienstkleidung oder im Schubfach des Kassentischs aufzubewahren, Geld aus der Kasse zu entnehmen oder es sich leihweise selbst oder anderen zur Verfügung zu stellen. Geld durfte weder zwischen den Kassenkräften untereinander gewechselt noch nach Geschäftsschluss in den Schubfächern der Kassen aufbewahrt werden. Die Herausgabe zusätzlichen Wechselgelds hatte durch die Marktleitung zu erfolgen. Geldwechselgeschäfte mit Kunden waren untersagt. Geld, das von Kunden liegengelassen wurde, war unmittelbar der Marktleitung auszuhändigen; anschließend sollte es im Büro/Tresor deponiert werden. Im August 2009 erließ die Beklagte zusätzlich eine „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“. Danach sollten „Kassierdifferenzen“ täglich dem Geschäftsleiter gemeldet werden. „Fundgeld“ sollte einmal monatlich „in die 99-er Kasse eingezahlt“, „Klüngelgeld“ einmal pro Woche „auf WGR 700“ gebucht werden.

5

Im Getränkemarkt war seit jeher eine Videokamera installiert. Darüber waren die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Die Kamera ermöglichte die Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge. Die eigentlichen Kassiervorgänge wurden nicht erfasst.

6

Zur Mitte des Jahres 2009 stellte die Beklagte anlässlich einer Revision fest, dass in der ersten Jahreshälfte Leergutdifferenzen iHv. mehr als 7.000,00 Euro aufgetreten waren. Nachdem Kontrollen des Lagerbestands und des Warenausgangs keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete sie deren Ursache im Kassenbereich. Sie ging von der Möglichkeit aus, dass dort ohne Entgegennahme von Leergut „falsche“ Bons gedruckt und entsprechende Gelder der Kasse entnommen würden. Am 7. Juli 2009 vereinbarte sie mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats für die Dauer von vier Wochen die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs. Sie beauftragte eine Fachfirma, die in der Zeit vom 13. Juli bis 3. August 2009 die Kassenvorgänge mittels Videokamera aufzeichnete. Die der Firma gleichfalls übertragene Auswertung der Aufzeichnungen einschließlich der Erstellung eines Zusammenschnitts und einer Dokumentation war am 3. September 2009 abgeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16. Juli 2009 gegen 8:45 Uhr, am 22. Juli 2009 gegen 16:13 Uhr und am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

7

Am 14. August 2009 hatte die Beklagte der Klägerin wegen eines Verhaltens vom 11. Juli 2009 eine Abmahnung erteilt. An diesem Tag hatte die Klägerin nach Dienstschluss Wechselgeld iHv. 300,00 Euro mit nach Hause genommen, statt es weisungsgemäß im Kassenbüro abzugeben. Die Klägerin hatte sich in einem noch am selben Abend geführten Telefonat auf ein Versehen berufen und das Geld am 12. Juli 2009 bei der Beklagten abgeliefert.

8

Noch am 3. September 2009 führte die Beklagte im Getränkemarkt eine Kontrolle des Kassenbereichs durch; der dort vorgefundene Plastikbehälter enthielt Münzen im Wert von 12,35 Euro. Am 4. September 2009 hörte sie die Klägerin zur Existenz dieser sog. Klüngelgeld-Kasse an und konfrontierte sie mit dem Vorwurf, hieraus Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. September 2009 bat sie den Betriebsrat um Stellungnahme zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Mit Schreiben vom 11. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010“.

9

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. „Klüngelgeld-Kassen“ existierten in sämtlichen Bereichen des Einkaufsmarkts. Sie dienten dazu, Wechselgeld aufzubewahren, das Kunden partout nicht hätten mitnehmen wollen. Sie selbst habe Geld, das sie dieser Kasse entnommen habe, dafür verwendet - wie in vergleichbaren Fällen andere Kassenkräfte auch -, morgens einen Einkaufswagen auszulösen, um damit zugleich mehrere im Getränkemarkt benötigte Kasseneinsätze zu transportieren. Teilweise habe sie dafür zunächst ein eigenes Geldstück benutzt und dies später über die „Klüngelgeld-Kasse“ ausgeglichen. Teilweise sei Kleingeld aus dieser Kasse gegen Geld im Kasseneinsatz getauscht worden, um nicht noch kurz vor Kassenschluss eine neue Wechselgeldrolle öffnen zu müssen. Ihr Verhalten rechtfertige keine Kündigung. Die Zusammenschnitte der Videoaufnahmen, die ohnehin einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, böten keinen tauglichen Beweis dafür, dass sie sich Geld aus der fraglichen Kasse rechtswidrig zugeeignet habe. Überdies sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Die Klägerin hat Lohnforderungen für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2010 erhoben.

10

Sie hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.506,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diversen Teilbeträgen seit unterschiedlichen Zeitpunkten zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein über 275,00 Euro auszustellen und auszuhändigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe ihre Vertragspflichten schon durch das unerlaubte Führen einer „schwarzen Kasse“ erheblich verletzt. Darüber hinaus habe sie der fraglichen Kasse Geld in der offenkundigen Absicht entnommen, es für sich zu behalten. Zumindest sei sie einer solchen Tat dringend verdächtig. Die Klägerin habe sich - wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich - vor jeder Geldentnahme vergewissert, dass ihr niemand zusehe. Dessen habe es bei redlichem Vorgehen nicht bedurft. Ihre Einlassung, sie habe Geldstücke für den Transport der Kasseneinsätze benötigt, stelle eine Schutzbehauptung dar. Für entsprechende Zwecke habe ein Einkaufswagen bereitgestanden, der nicht eigens habe ausgelöst werden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Videomaterial nicht, dass die Klägerin mitgeführte Geldstücke je in die „Klüngelgeld-Kasse“ zurückgelegt habe. Die Videoaufzeichnungen seien rechtlich verwertbar. Im Zeitpunkt der Beobachtung habe ein hinreichend eingegrenzter Verdacht dahingehend bestanden, dass Leergutdifferenzen durch Unregelmäßigkeiten im Kassenbereich des Getränkemarkts entstünden. Mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken in Augenschein genommen und die Klage - soweit noch von Interesse - in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt. Zudem hat es die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nebst Zinsen für die Zeit bis zum 31. März 2010 und zur Aushändigung eines Warengutscheins verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung und davon abhängiger Ansprüche weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

13

Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 ist unwirksam. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin richtet, hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden.

15

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

16

2. Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen vgl. nur BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN).

17

3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass gegen die Klägerin ein dringender Verdacht bestand, sich mehrfach Geldstücke aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben, und deshalb „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Im Rahmen seiner Beurteilung, selbst dann sei es der Beklagten bei Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, hat das Landesarbeitsgericht alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zugutegehalten, dass sie durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit über rund 18 Jahre hinweg als Verkäuferin und Kassiererin Loyalität zur Beklagten gezeigt habe. Dies hält sich - auch in Anbetracht der Abmahnung vom 14. August 2009 - im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Die Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, sie habe am 11. Juli 2009 die Ablieferung des Wechselgeldes aufgrund hohen Arbeitsanfalls schlicht vergessen, nicht entgegengetreten. Bei dem gerügten Verhalten handelt es sich mithin um einen - unbewussten - Ordnungsverstoß, der die Annahme, die Klägerin habe sich bis zu den umstrittenen Geldentnahmen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ als vertrauenswürdig erwiesen, nicht, schon gar nicht zwingend infrage zu stellen vermochte.

20

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagten allenfalls ein geringfügiger Schaden entstanden sei. Hat der Arbeitnehmer die Integrität von Eigentum oder Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich verletzt oder ist er einer solchen Tat dringend verdächtig, beeinträchtigt dies zwar die für die Durchführung der Vertragsbeziehung notwendige Vertrauensgrundlage grundsätzlich unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, BAGE 134, 349). Das schließt es aber nicht aus, bei der Gewichtung des Kündigungssachverhalts auf die Höhe eines eingetretenen Schadens Bedacht zu nehmen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184). Die im Berufungsurteil getroffene Interessenabwägung ist - anders als die Beklagte meint - nicht deshalb zu beanstanden, weil sich in der fraglichen Kasse am 4. September 2009 Münzen im Wert von etwas mehr als zwölf Euro befanden. Unbeschadet der Frage, ob bei einem Vermögensnachteil in dieser Höhe eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wäre, ist nicht festgestellt, dass die Klägerin im Verdacht stand, sich Geld in diesem Umfang rechtswidrig zugeeignet oder hierzu doch unmittelbar angesetzt zu haben. Im Übrigen handelte es sich bei dem Umgang mit „Klüngelgeld“ um einen Bereich am Rande der Kassentätigkeit, den die Beklagte ausweislich der im August 2009 erlassenen „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“ offenbar selbst für nicht ausreichend geregelt hielt. Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht geeignet ist, das dem - unterstellten - Verdacht zugrundeliegende Verhalten zu rechtfertigen, durfte das Landesarbeitsgericht ihn zugunsten der Klägerin in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

21

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Heimlichkeit des dem Verdacht zugrundeliegenden - unterstellten - Verhaltens nicht außer Acht gelassen, wie die Beklagte gemeint hat. Es hat in ihr lediglich keinen Umstand gesehen, der im vorliegenden Fall die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist ausgeschlossen hätte. Das hält sich ebenso im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum wie die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Kind.

22

II. Ob das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats aus (1.). Es durfte aber nicht annehmen, die ordentliche Kündigung sei auch materiell-rechtlich als Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie zwar nicht den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB, wohl aber denen des § 1 Abs. 2 KSchG genüge. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das, wäre es erwiesen, nicht auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - trotz des Verdachts - nicht unzumutbar(2.). Da das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung bereits als Verdachtskündigung für wirksam gehalten hat, hat es nicht geprüft, ob eine ordentliche Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten berechtigt wäre. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei darf es den Inhalt der Videoaufzeichnungen nicht berücksichtigen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig (3.).

23

1. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlerhaft angewandt, ist unbegründet.

24

a) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“(BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN).

25

b) Danach ist die Anhörung inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.

26

aa) Die Beklagte hat den Betriebsrat am 8. September 2009 schriftlich von ihrer Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen des „Verdachts einer Untreue und Unterschlagung“ hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Sie hat ihm dabei die Sozialdaten der Klägerin und die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist mitgeteilt. Außerdem hat sie den Anlass, den Zeitraum und das Ergebnis der Videoüberwachung dargestellt. Selbst wenn sich einzelne Angaben als unzutreffend herausgestellt haben sollten - etwa weil die für den 24. Juli 2009 mitgeteilte Geldentnahme tatsächlich nicht die Klägerin, sondern eine Kollegin betrifft und weder die „Speisung“ der Kasse noch die Geldentnahme vom 22. Juli 2009 in Zusammenhang mit der Entgegennahme von Leergut gestanden haben mögen - genügt die Anhörung den gesetzlichen Anforderungen. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine bewusst unrichtige oder irreführende Unterrichtung des Betriebsrats vor. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten oder fehlerhaften Deutung von Äußerungen der Klägerin im Anhörungsgespräch vom 4. September 2009, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich. Entscheidend ist, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Maßgebend für den Kündigungsentschluss der Beklagten war, dass die Klägerin entgegen eindeutigen Vorgaben Geld, das entweder ihr - der Beklagten - oder ihren Kunden zustand, in einem Plastikbehälter neben der Kasse im Getränkemarkt aufbewahrte, und der damit in Zusammenhang stehende Verdacht, aus diesem Behälter gelegentlich Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Darauf, ob die Klägerin dies zweimal oder dreimal tat, kam es der Beklagten nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob die Geldentnahme in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedienung eines Kunden stand.

27

bb) Die Beklagte brauchte den Betriebsrat nicht darüber zu unterrichten, dass die Überwachung mittels Videokamera - wie die Klägerin gemeint hat - unrechtmäßig war. Davon ging sie subjektiv nicht aus. Soweit die Klägerin nähere Angaben zur Interessenabwägung vermisst, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die Anhörung zu ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen, impliziert die von der Beklagten zu ihren - der Klägerin - Lasten getroffene Abwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung nicht erforderlich. Die Klägerin übersieht, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess(vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19 mwN).

28

cc) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat der Betriebsrat am 10. September 2009 erklärt, er habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen. Das Landesarbeitsgericht hat darin fehlerfrei eine abschließende Stellungnahme erblickt, die es der Beklagten betriebsverfassungsrechtlich ermöglichte, die ordentliche Kündigung am 11. September 2009 zu erklären.

29

2. Dagegen trägt die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 auch materiell-rechtlich für wirksam angesehen hat, seine Würdigung nicht.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin komme zwar nicht als Verursacherin der Leergutdifferenzen in Betracht. Sie stehe aber im dringenden Verdacht, sich fremdes Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben. Am 16. Juli und am 22. Juli 2009 habe sie einzelne daraus entnommene Geldstücke in ihre Hosentasche gesteckt. Durch die in Augenschein genommenen Videosequenzen sei bewiesen, dass sie sich bei diesen Handlungen jeweils „versichernd“ in mehrere Richtungen umgesehen habe. Damit habe sie sicherstellen wollen, nicht beobachtet zu werden. Das heimliche Vorgehen spreche für eine Zueignungsabsicht. Zugleich widerlege es ihre Einlassung, die Geldstücke für das Auslösen eines Einkaufswagens benötigt zu haben. Erhärtet werde der Verdacht auf eine Zueignungsabsicht dadurch, dass die Klägerin am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr der fraglichen Kasse mehrere Geldstücke entnommen und gegen Geld aus der Scannerkasse „getauscht“ habe. Überdies sei die Höhe des am 3. September 2009 in dem fraglichen Behälter vorgefundenen Geldbetrags nicht mit dem nur gelegentlichen Auslösen eines Einkaufswagens zu erklären. Gestützt auf diese tatsächlichen Umstände ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, die Kündigung vom 11. September 2009 sei „durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt“. Das Vertrauen der Beklagten in die Zuverlässigkeit der Klägerin sei „durch die erwiesenen Verdachtsmomente“ irreparabel erschüttert. Die ordentliche Kündigung sei deshalb als gegenüber der außerordentlichen Kündigung milderes Mittel sozial gerechtfertigt.

31

b) Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. September 2009 erkennbar als die einer Verdachtskündigung bejaht. Als solche genügt sie den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht. Zwar kann eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber auch als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erklärt werden und muss nicht notwendig eine außerordentliche Kündigung sein. Sie unterliegt in diesem Fall jedoch keinen geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.

32

aa) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein (vorausgesetzt in BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 42; Bader/Bram-Bram KSchG § 1 Rn. 251). Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“.

33

bb) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf.

34

cc) Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.

35

c) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB angenommen, dass das Verhalten, dessen die Klägerin verdächtig ist, eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermöchte. Diese Würdigung hält, wie dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Damit steht zugleich fest, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.

36

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 zwar nicht als Verdachts-, aber doch als sog. Tatkündigung wirksam wäre. Als solche ist sie nicht schon auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin sozial gerechtfertigt. Um dies auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es an Feststellungen und deren Würdigung durch das Landesarbeitsgericht. Diese sind nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beklagte auf eine erwiesene Pflichtverletzung als Kündigungsgrund prozessual nicht berufen hat und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter diesem Aspekt überdies § 102 Abs. 1 BetrVG entgegenstünde.

37

a) Das Vorbringen der Klägerin selbst trägt die Kündigung nicht. Die Klägerin hat sich für die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ auf eine in verschiedenen Abteilungen des Betriebs geübte Praxis und überdies darauf berufen, diese sei der Beklagten - zumindest rudimentär - bekannt gewesen. Trifft dies zu, liegt in dem Vorhalten der fraglichen Kasse für sich genommen kein Verhalten, das die Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung rechtfertigen könnte. Dass die Klägerin, wie sie einräumt, dieser Kasse gelegentlich einzelne Geldstücke entnommen und außerdem darin enthaltene Münzen gegen im Kasseneinsatz befindliche Geldstücke gewechselt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass sie Geldstücke an sich genommen habe, um sich diese rechtswidrig zuzueignen, hat die Klägerin stets in Abrede gestellt.

38

b) Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Auch wenn die Beklagte neben dem Führen der „Klüngelgeld-Kasse“ als solchem nur den Verdacht auf die rechtswidrige Zueignung von Geldstücken als Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt hat, ist das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, aufgrund der objektiven Verdachtsumstände ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, der Verdacht habe sich in der Weise bestätigt, dass die fragliche Pflichtwidrigkeit nachgewiesen sei.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht würde auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigen, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, BAGE 131, 155). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 26, BAGE 137, 54; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, BAGE 134, 349).

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich insoweit ersichtlich weder eine positive noch eine negative Überzeugung gebildet, weil es schon den Verdacht auf eine Zueignungsabsicht der Klägerin als Grund für die ordentliche Kündigung hat ausreichen lassen. Die Beklagte darf nach Aufhebung des für sie günstigen Berufungsurteils nicht um die prozessuale Chance gebracht werden, dass das Landesarbeitsgericht auf der Basis der Rechtsauffassung des Senats die mögliche Erwiesenheit einer Pflichtwidrigkeit der Klägerin geprüft und dabei eine für sie - die Beklagte - günstige Überzeugung gewonnen hätte.

41

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat von der Beklagten nur zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer Wirksamkeit der Kündigung wegen eines nachgewiesenen Pflichtenverstoßes nicht notwendig entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des fraglichen Geschehens als erwiesene Tat setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat am 8. September 2009 sämtliche Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur - möglichen - Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Tatvorwurf begründen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, BAGE 134, 349; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 131, 155). In diesem Fall wäre dem Normzweck des § 102 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat würde dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, aaO; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 217).

42

d) Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

43

aa) Allerdings kennt die Zivilprozessordnung selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30 mwN). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindert, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

44

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

45

cc) Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

46

(1) In diesem Sinne regelt § 6b BDSG die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329, S. 38). Unerheblich ist, ob das Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 36). Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Überwachung nur zulässig, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

47

(2) Gemäß dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

48

dd) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kassen des Getränkemarkts vom übrigen Verkaufsraum abgegrenzt waren und die verdeckte Videoüberwachung deshalb keinen „öffentlichen Raum“ iSd. § 6b BDSG betraf(zur Problematik Simitis/Scholz BDSG 7. Aufl. § 6b Rn. 51; Bayreuther NZA 2005, 1038). Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob § 32 BDSG auf Überwachungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten bereits beendet waren, und wie der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu dem des § 6b BDSG abzugrenzen ist(dazu ErfK/Franzen 13. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2; Simitis/Scholz aaO; Bayreuther DB 2012, 2222). Schließlich kann dahinstehen, ob Videoaufzeichnungen, die nicht von den Erlaubnistatbeständen des BDSG gedeckt sind, ohne Weiteres einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen oder ob es für ein solches Verbot einer weitergehenden Abwägung der betroffenen Grundrechte bedarf, in die freilich die im Bundesdatenschutzgesetz getroffene Interessenabwägung einzubeziehen wäre (dazu Bayreuther DB 2012, 2222, 2225; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 349; Lunk NZA 2009, 457; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Die Verwertung des verdeckt gewonnenen Videomaterials allein für den Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich bei der - als solcher unstreitigen - Entnahme von „Klüngelgeld“ „versichernd umgeschaut“, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

49

(1) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36 mwN).

50

(2) Dementsprechend sind Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 - beide Male vor Inkrafttreten des § 32 BDSG ). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO).

51

(3) Das in § 6b Abs. 2 BDSG normierte Kennzeichnungsgebot steht einer Verwertung von Daten, die aus einer verdeckten Videoüberwachung gewonnen wurden, nicht zwingend entgegen(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Das gegenteilige Normverständnis, das zu einem absoluten, nur durch bereichsspezifische Spezialregelungen (etwa durch § 100c, § 100h StPO)eingeschränkten Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen führte, begegnete mit Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers verfassungsrechtlichen Bedenken.

52

(4) Die Regelung des § 32 BDSG baut auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie diese nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist, und verlangt insoweit eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten abwägende Einzelfallentscheidung. Diese muss zumindest den schon bisher geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung entsprechen (Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235).

53

(5) Es kann dahinstehen, ob § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG weitergehend verlangt, dass sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten richtet und deshalb auch der Verdacht auf schwere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde, die Beobachtung nicht rechtfertigen könnte. Ebenso kann offenbleiben, ob die Regelung zusätzliche Anforderungen an die personelle Konkretisierung des Verdachts sowie dessen Dokumentation stellt (zweifelnd Bauer/Schansker NJW 2012, 3537, 3539; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Hier fehlt es schon an der Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung und der Verwertung des daraus gewonnenen Materials. Damit liegt auch ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand nicht vor.

54

(a) Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, für die verdeckte Beobachtung des Kassenbereichs habe ein hinreichender Anlass bestanden. Zwar ist - mangels zulässiger Verfahrensrügen der Revision - davon auszugehen, dass im ersten Halbjahr 2009 im Getränkemarkt Leergutdifferenzen iHv. insgesamt 7.081,63 Euro zu verzeichnen waren. Es ist weder dargetan noch festgestellt, durch welche konkreten Maßnahmen die Beklagte ausgeschlossen haben will, dass Leergut nicht etwa aus dem Lager entwendet worden ist. Ihr Vorbringen, sie habe „keine Fehlbestände an Leergut im Lager und im Kassenbereich festgestellt“ bleibt im Allgemeinen haften. Es lässt nicht erkennen, dass sie stichprobenartige Kontrollen ausreichend oft durchgeführt hätte. Überdies macht ihr Vortrag nicht deutlich, ob vergleichbare Fehlbestände schon früher aufgetreten, ob diese ggf. als „auflaufender Posten“ in die Berechnungen des Jahres 2009 eingeflossen sind und wie Fehlbuchungen als mögliche Ursache ausgeschlossen wurden. Selbst wenn die Beklagte die Ursache der Leergutdifferenzen berechtigterweise im Kassenbereich hätte vermuten dürfen, fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, weshalb die Videoüberwachung das praktisch einzig verbliebene Mittel gewesen sein soll, die Unregelmäßigkeiten aufzuklären oder doch den Verdacht in personeller Hinsicht weiter einzugrenzen. So ist nicht erkennbar, weshalb nicht stichprobenartige Überprüfungen der Menge des an der - einzigen - Leergutkasse abgegebenen Pfandguts und der jeweiligen Kassenabschlüsse zusammen mit Kontrollen der Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes geeignete Maßnahmen hätten sein können.

55

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt im Übrigen nicht ausreichend, dass der fragliche Kündigungssachverhalt der Beklagten nur „zufällig“ bekannt geworden ist. Auf seine Entdeckung war die heimliche Videoüberwachung nicht gerichtet.

56

(aa) Zwar mögen solche „Zufallsfunde“ - unbeschadet der Regelung in § 6b Abs. 3 BDSG - nicht in jedem Fall deshalb unverwertbar sein, weil sie außerhalb des Beobachtungszwecks liegen(vgl. Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Bergwitz NZA 2012, 353, 358). Auch bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ muss aber das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine wenn nicht strafbare, so doch schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, muss die Verwertung des Videomaterials unterbleiben.

57

(bb) So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Klägerin daraus gelegentlich kleinere Geldstücke entnommen hat. Die Beweisaufnahme durch Augenschein sollte allein dem Nachweis dienen, dass sich die Klägerin bei der Geldentnahme „versichernd umgesehen“ hat und deshalb vermutlich Zueignungsabsicht besaß. Das rechtfertigt keine Verwertung der heimlichen Videoaufzeichnungen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Verwertung erforderlich war, um die Einlassung der Klägerin zum Fehlen ihrer Zueignungsabsicht zu widerlegen. Zum anderen ist die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, schlechthin unverhältnismäßig.

58

(cc) Es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer nochmaligen Beweiswürdigung auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Videoaufzeichnungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das fragliche Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ entnommen, um es für sich zu behalten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, für das Auslösen eines Einkaufswagens mit Hilfe von „Klüngelgeld“ habe keinerlei dienstliches Bedürfnis bestanden. Zum Zweck des Transports der Kasseneinsätze sei stets ein frei zugänglicher Wagen bereitgestellt worden.

59

III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die von der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung abhängen. Wegen der der Klägerin für die Zeit bis zum 31. März 2010 zugesprochenen Vergütungsansprüche hat die Entscheidung dagegen Bestand. Die gegen sie gerichtete Anschlussrevision der Beklagten bleibt auch insoweit ohne Erfolg.

60

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden. Der für diese Zeit geltend gemachte Vergütungsanspruch folgt aus § 615 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG iVm. § 11 Nr. 3 KSchG. Er ist der Höhe nach ebenso unstreitig wie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Warengutscheins.

61

2. Der entsprechende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Sowohl der betreffende Antrag der Klägerin als auch der Tenor des Berufungsurteils sind dahin auszulegen, dass - im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruchsübergang - Zinsen nur aus den jeweiligen Bruttobeträgen abzüglich des für den jeweiligen Monat in Anrechnung gebrachten Arbeitslosengelds verlangt bzw. geschuldet sind.

62

IV. Die Zurückverweisung erfasst ferner die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Beide Anträge verfolgt die Klägerin nur für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsbegehren.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Söller    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1978 in die Dienste des beklagten Landes. Er war zuletzt als stellvertretender Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität O beschäftigt und für Haushalt und Finanzen zuständig.

3

Ab 1986 mussten die Benutzer des Computersaals im Rechenzentrum Codekarten verwenden, für die eine Kaution zu hinterlegen war. Die Kautionsgelder kamen in eine Handkasse, die in einem Tresor verwahrt wurde. Aufzeichnungen über Kassenbewegungen wurden im Wesentlichen nicht geführt.

4

Als die Ausgabe der Codekarten im Jahre 1998 beendet wurde, stellten zwei Angestellte des Rechenzentrums einen Kassenbestand von 28.430,00 DM fest. Dieser Betrag reichte zur Erstattung der Kautionen für zurückgegebene Codekarten nur bis zum 24. Juli 2000. Die Kautionen für die danach eingereichten Karten im Umfang von etwa 3.500,00 Euro mussten anderweitig aufgebracht werden.

5

In diesem Zusammenhang entstand der Verdacht, dass die Codekartenkasse einen beträchtlichen Fehlbestand aufweise. Am 26. Juni 2000 stellte die Universität Strafantrag. Bei hausinternen Ermittlungen legte der Kläger am 14. Juli 2000 in einem Gedächtnisprotokoll dar, im Jahre 1996 sei wegen des anwachsenden Bargeldbestands die Möglichkeit erörtert worden, das Geld zugunsten anderer Universitätskassen einzuzahlen und zB im Bereich Hochschulsport zu „parken“. Er habe das mit dem Leiter der Datenverarbeitung besprochen. Noch 1996 habe er zusammen mit einem Angestellten das Geld in der Codekartenhauptkasse gezählt. Dann seien 29.000,00 DM entnommen worden. Der Angestellte habe den Vorgang handschriftlich vermerkt, und er, der Kläger, habe gegengezeichnet. Das entnommene Bargeld sei von einer Mitarbeiterin an den Leiter der Datenverarbeitung zwecks Einzahlung und weiterer Veranlassung gegen Quittung weitergegeben worden. Von dem entnommenen Geld seien letztlich 14.000,00 DM im Etat des Hochschulsports „geparkt“ worden, 15.000,00 DM seien einer Finanzstelle des Rechenzentrums gutgeschrieben worden. Im weiteren Verlauf der internen Nachforschungen bestritten die Mitarbeiterin und der Leiter, Geld zur Weiterleitung bzw. Einzahlung aus der Codekartenkasse erhalten zu haben.

6

Nach Verurteilung des Klägers wegen Unterschlagung durch das Amtsgericht am 16. Mai 2003 hörte das beklagte Land den Personalrat mit Schreiben vom 19. Mai 2003 - bei Verkürzung der Frist zur Stellungnahme auf drei Tage - zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Am 21. Mai 2003 erklärte der Personalrat, er nehme die außerordentliche Kündigung unter Beachtung der Begründung zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 23. Mai 2003, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte das beklagte Land außerordentlich.

7

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das beklagte Land habe die im Gesetz vorgesehene Frist zur Stellungnahme für den Personalrat ohne ausreichende Gründe abgekürzt. Die Stellungnahme sei nicht ordnungsgemäß abgegeben, weil ein Angestelltenvertreter nicht mitunterzeichnet habe. Die Kündigungsvorwürfe hat der Kläger bestritten.

8

Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2003 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Die Beteiligung des Personalrats habe dem Gesetz entsprochen. Es bestehe der dringende Verdacht der Unterschlagung von 29.000,00 DM, zumal die Zeugen die Behauptungen des Klägers zum Zählen und „Parken“ der Gelder nicht bestätigt hätten. Dokumente, die ein solches Unterfangen belegen könnten, seien nicht gefunden worden. Insbesondere seien entsprechende Einzahlungen auf Konten der Universität nicht erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hatte die Aussetzung des Rechtsstreits für die Dauer des - letztlich am 11. Dezember 2007 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellten - Strafverfahrens angeordnet. Im Einstellungsbeschluss des Landgerichts O heißt es ua. ein konkreter Fehlbestand habe durch Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können und in Anbetracht der geleisteten Rückzahlungen sei die Schuld gering gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2008 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 23. Mai 2003 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Ob die Wirksamkeit der Kündigung bereits an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats scheitert, kann offen bleiben (A). Die Kündigung ist nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt(B). Der von dem beklagten Land gehegte Verdacht der Unterschlagung ist nicht hinreichend dringend (B II 1). Der vom Landesarbeitsgericht angenommene dringende Verdacht, der Kläger könne das „Parken“ von Geldern vorgetäuscht haben, stellt keinen wichtigen Grund dar (B II 2).

13

A. Ob die Beteiligung des Personalrats an einem Fehler leidet, der die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte, bedarf keiner Entscheidung. Im Streitfall hat das beklagte Land die Frist zur Stellungnahme des Personalrats auf drei Tage abgekürzt, weil ein „dringender Fall“ iSd. § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgelegen habe. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines dringenden Falles gegeben waren und das beklagte Land die Frist zurecht abgekürzt hat, kann dahin stehen. Zum einen führen Verfahrensfehler des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung. So ist etwa die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch eine andere als die im Gesetz dafür vorgesehene Person auf Seiten des Arbeitgebers dann unschädlich, wenn der Personalrat diesen Mangel nicht rügt (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 743/94 - AP BPersVG § 79 Nr. 8; 13. Juni 1996 - 2 AZR 402/95 - AP LPVG Sachsen-Anhalt § 67 Nr. 1). In gleicher Weise hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rüge des Personalrats für den Fall gefordert, dass er die Fristverkürzung nach § 69 Abs. 2 Satz 4 LPVG BW nicht gelten lassen will(BVerwG 15. November 1995 - 6 P 4/94 - zu II 2 der Gründe, ZfPR 1996, 88). Ob auch eine zu Unrecht erfolgte Abkürzung der Frist nach § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG gerügt werden müsste, kann im Streitfall auf sich beruhen. Zum Anderen nämlich entbehrt die Kündigung bereits in der Sache der Rechtfertigung.

14

B. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam, weil sie nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27).

17

2. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch der Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf unter dem Gesichtspunkt des Strafrechts geprüft wird - zumal die Aussetzung, wie im Streitfall, zu einer bedenklichen, für die Parteien mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbundenen Verzögerung des Kündigungsschutzprozesses führen kann.

18

II. Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass ein dringender Verdacht der Veruntreuung von 29.000,00 DM gegen den Kläger nicht besteht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich unbedenklich. Richtig ist, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung im Jahre 1996 der Kasse 29.000,00 DM entnommen und in anderen Kassen der Universität „geparkt“ haben will, ohne dass der Verbleib des Geldes geklärt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch für den Senat bindend festgestellt, dass nach Ausschöpfung des Barbestands in der Kautionskasse im Juli 2000 noch Codekarten im Wert von 3.576,31 € eingetauscht wurden. In dieser Höhe ist ein Defizit nachweisbar. Das Defizit müsste jedoch, wenn der Kläger den Betrag von 29.000,00 DM unterschlagen hätte, wesentlich höher sein. Der Fehlbetrag deckt sich nicht einmal annähernd mit der Geldsumme, die der Kläger „geparkt“ haben will. Auch von irgendeinem anderen Betrag ist nicht erkennbar, dass und wann der Kläger ihn auf die Seite gebracht haben könnte. Dass der Kläger etwa - wenn auch nur zeitweise - alleinigen Zugang zur Barkasse gehabt hätte und bei dieser Gelegenheit der Kasse Geld in annähernder Höhe des entstandenen Defizits entnommen haben könnte, ist nicht einmal angedeutet. Bei dieser Lage bestehen zwar erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger seiner vertraglich übernommenen Verantwortung gerecht geworden ist. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich ein Arbeitnehmer, in dessen Verantwortungsbereich Gelder in vierstelliger Höhe auf ungeklärte Weise verschwinden, berechtigtem Argwohn ausgesetzt sieht. Ein solcher Argwohn kann jedoch nicht die objektiven Indizien ersetzen, auf die sich ein dringender Verdacht stützen können müsste, wenn er einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden soll.

20

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der gegen den Kläger bestehende dringende Verdacht, er habe das „Parken“ des Betrages von 29.000,00 DM vorgetäuscht, rechtfertige als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB die außerordentliche Kündigung, ist nicht berechtigt. Richtig ist, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe im Jahre 1996 im Zusammenwirken mit zwei Arbeitnehmern der Kasse 29.000,00 DM entnommen und ihre Weiterleitung an andere Kassen veranlasst, von den betreffenden Arbeitnehmern nicht bestätigt worden ist. Es mag ebenfalls zutreffen, dass der Verdacht, der Kläger habe diesen Umgang mit dem in seinem Zuständigkeitsbereich zu verwaltenden Geld nur vorgetäuscht, dringend war. In diesem Vortäuschen läge auch - wenn es denn stattgefunden hat - die Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Der Kläger war für Haushalt und Finanzen zuständig. Dass er in dieser Funktion seinem Arbeitgeber über den Verbleib von Geldern in seinem Verantwortungsbereich jederzeit wahrheitsgemäß Rechenschaft abzulegen hat, steht außer Zweifel. Diese Pflicht bestand auch dann, wenn er glaubte, durch eine falsche Erklärung die aus seiner Sicht offenbar naheliegende, gleichwohl falsche Vermutung entkräften zu können, ihm sei nachlässiger Umgang mit Kautionsgeldern vorzuwerfen oder er habe gar Unterschleife zu verantworten. Indes wäre ein Verstoß gegen diese Pflicht - und damit erst recht der Verdacht eines solchen Verstoßes - nicht geeignet, das Vertrauen des beklagten Landes in die zukünftige Vertragstreue derart zu erschüttern, dass es durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können. Wenn der Kläger seine Vorgesetzten in die Irre führte, dann kann er es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getan haben, um einen vorsätzlichen Angriff auf das Vermögen des Arbeitgebers zu verschleiern, sondern um den Peinlichkeiten der Entdeckung unachtsamer Dienstausübung zu entgehen. Deren Bemäntelung kann regelmäßig keine schärfere Reaktion als sie selbst rechtfertigen.

21

C. Gem. § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten des Revisionsverfahrens dem beklagten Land zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

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2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

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3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

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II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

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1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

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2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

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(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält.

(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Jeder Zeuge ist einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen.

(2) Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenübergestellt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1.
bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 260/08
vom
14. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
1. Die für eine Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB erforderliche (angestrebte
) Unrechtsvereinbarung setzt voraus, dass der Vorteilsgeber mit dem
Ziel handelt, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu
nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren, wobei
eine solche dienstliche Tätigkeit nach seinen Vorstellungen nicht - noch nicht
einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein muss.
2. Ob in diesem Sinne eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist Tatfrage und unterliegt
der wertenden Beurteilung des Tatgerichts, die regelmäßig im Wege
einer Ge-samtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat.
3. In die Würdigung fließen als mögliche Indizien neben der Plausibilität einer
anderen Zielsetzung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die
Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben (dienstliche
Be-rührungspunkte), die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen
oder dem Gewähren von Vorteilen (Heimlichkeit oder Transparenz) sowie
die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile.
BGH, Urt. vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsgewährung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt und
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. November 2007 wird verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen freigesprochen. Der hiergegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt der Erfolg versagt.

I.

2
1. Das Landgericht hat - für den Senat bindend - festgestellt:
3
Der Angeklagte war Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energie Baden-Württemberg AG (fortan: EnBW). Bereits vor Aufnahme seiner Tätigkeit hatte die EnBW im Februar 2002 von der Fédération Internationale de Football Association (fortan: FIFA) Sponsoren- bzw. Werberechte für die im Jahre 2006 in Deutschland stattfindende Fußballweltmeisterschaft erworben. Die EnBW war Hauptsponsor der FIFA-WM 2006 und der einzige nationale Sponsor aus Baden-Württemberg. Im Rahmen von gemeinsamen Initiativen von Staat und Wirtschaft, an denen auch die Bundesregierung beteiligt war, entwickelte sich eine enge Kooperation der EnBW vor allem mit dem Land Baden-Württemberg. Bei Gesprächen mit dem Referat "Landesmarketing" des Staatsministeriums wurde vereinbart, die jeweiligen Einladungslisten für die Fußballweltmeisterschaft miteinander abzugleichen, um Doppeleinladungen zu vermeiden.
4
Die Marketingabteilung der EnBW entwickelte ein Sponsoringkonzept. Hierzu gehörte ein Konzept zur Verteilung der ca. 14.000 Eintrittskarten, die der EnBW zur Verfügung standen. Dieses Einladungskonzept sah unter anderem vor, "einen kleinen Teil der Karten für Repräsentanten aus Wirtschaft, Gesellschaft , Kultur, Wissenschaft und Politik zu verwenden, um den Eingeladenen die Gelegenheit zu geben, ihre entsprechenden Institutionen zu präsentieren und repräsentieren, und zugleich durch das öffentliche Erscheinen angesehener und bekannter Persönlichkeiten die Rolle der EnBW als Hauptsponsor der Fußballweltmeisterschaft werbewirksam hervorzuheben" (UA S. 11). Geplant war, jedenfalls die hochrangigen Vertreter der Politik "zunächst" nicht in der Loge der EnBW, sondern "in erster Linie" im FIFA-Ehrenbereich unterzubringen, für den der EnBW ebenfalls Eintrittskarten zustanden. Zudem war vorgesehen, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung BadenWürttemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen.
5
Am 20. Dezember 2005 unterzeichnete der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender in Anwesenheit seiner persönlichen Referentin und zweier Sekretärinnen ca. 700 Weihnachtsgrußkarten. Adressaten waren Personen, deren Daten in der bei EnBW gepflegten VIP-Datei des Angeklagten gespeichert waren. "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollari- sche Wertigkeit des Kontakts, nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Auf den vorformulierten Grußkarten fügte der Angeklagte handschriftlich den jeweiligen Namen mit Anrede sowie seine Unterschrift ein, in einigen Fällen auch einige persönliche Worte. Bei etwa der Hälfte der Karten machten die drei Mitarbeiterinnen einen Vorschlag für ein Präsent, mit dem der Adressat bedacht werden sollte. Der Vorschlag erfolgte auf der Grundlage einer Präsentliste, welche die Mitarbeiterinnen gemeinsam mit der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erstellt hatten. Unter den Präsenten befanden sich mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehene Gutscheine für Logenplätze bei einem Fußballweltmeisterschaftsspiel in Stuttgart oder Berlin. Eine Versendung der Eintrittskarten selbst war aufgrund der vom Veranstalter festgelegten Bedingungen noch nicht möglich. Die Gutscheine waren - so das Landgericht - "personengebunden und nicht übertragbar" (UA S. 13, 15); vorgesehen war, dass die Koordinierung und Abwicklung der Kartenvergabe über die Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erfolgen sollte. Der Angeklagte stimmte dem aufgrund der Präsentliste gemachten Vorschlag der Mitarbeiterinnen in allen Fällen zu.
6
Auf die beschriebene Art und Weise ließ der Angeklagte an 36 Personen mit den Weihnachtsgrußkarten WM-Gutscheine versenden, unter anderem - in den sieben verfahrensgegenständlichen Fällen - an den Ministerpräsidenten und fünf Minister des Landes Baden-Württemberg (für jeweils zwei Eintrittskarten ) sowie an den beamteten Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit M. (für eine Eintrittskarte). Fünf Gutscheine waren für den Spielort Stuttgart, zwei Gutscheine für den Spielort Berlin ausgestellt. Wie das Urteil im Einzelnen ausführt, waren die Landesminister und ihre Ministerien im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit mit Angelegenheiten befasst , die für die Geschäftspolitik und den wirtschaftlichen Erfolg der EnBW oder den Angeklagten persönlich von erheblicher Bedeutung waren; Gleiches galt für das Bundesumweltministerium. Diese "Beziehungen" waren dem Angeklagten - wenn auch nicht im Detail - bekannt. Die Grußkarte an die Landesumweltministerin G. war mit dem handschriftlichen Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" versehen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte diese Worte niederschrieb, wusste er allerdings - nach den Feststellungen des Landgerichts - noch nicht, ob der Umweltministerin ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war.
7
Der Angeklagte handelte im Bewusstsein des - insofern noch offenen - Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW, wobei ihm als Vorstandsvorsitzenden ein Gestaltungsspielraum zukam. Ihm war bekannt, dass die sieben verfahrensgegenständlichen Empfänger zu dem Personenkreis einzuladender hochrangiger Repräsentanten zählten.
8
Nachdem in der Presse über die Versendung der Gutscheine berichtet worden war und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Mitte Februar 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet hatte, lehnte der badenwürttembergische Ministerpräsident mit Schreiben vom 2. März 2006 die Einladungen namens der Regierungsmitglieder ab. Obwohl dies im Sponsoringkonzept vorgesehen war, kam es ebenso wenig - auf Anraten des Verteidigers des Angeklagten - zur Einladung der anderen Regierungsmitglieder durch die EnBW wie zum Abgleich der Einladungslisten zwischen dieser und dem Land. Gleichfalls am 2. März 2006 zog Staatssekretär M. seine zunächst erteilte Zusage zurück.
9
Sämtliche Mitglieder der Landesregierung hatten anderweitig freien Zugang mit Begleitung jedenfalls zu allen WM-Spielen in Stuttgart. Zur Verfügung standen ihnen Plätze sowohl in der Loge, die sich das Land mit dem Unternehmen Daimler-Chrysler teilte, als auch im FIFA-Ehrenbereich.
10
Bereits am 31. Mai 2005 hatten die Minister des Landes Baden-Württemberg im Ministerrat einen Beschluss zur Annahme von Geschenken durch Regierungsmitglieder gefasst. Unter Nr. 4 war Folgendes festgehalten worden: "Ehrenkarten für Veranstaltungen, deren Besuch zu den Repräsentationspflichten eines Regierungsmitglieds gehört, sind nicht als Geschenke zu bewerten und unterfallen daher nicht der Genehmigungspflicht."
11
2. Das Landgericht hat den Angeklagten "aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen" freigesprochen.
12
Aus rechtlichen Gründen ist der Freispruch erfolgt, weil das Landgericht die Eintrittskarten nicht als Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB gewertet hat. Was die sechs Taten zugunsten der Mitglieder der Landesregierung betrifft, so hat es darüber hinaus den zuvor im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen, die als Rechtfertigungsgrund zur Straflosigkeit führe. Auf tatsächlichen Gründen beruht der Freispruch dagegen insoweit, als sich das Landgericht nicht von einer "für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche(n) Unrechtsvereinbarung" hat überzeugen können (UA S. 51).

II.

13
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vorgebrachten Gründen nicht durch.
14
2. Der Freispruch von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung - noch - stand.
15
Die Strafkammer ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, es fehle schon an einem - vom Angeklagten angebotenen oder versprochenen - Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB (nachfolgend a). Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als sie den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat (unten b). Soweit die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dem Angeklagten sei eine "Unrechtsvereinbarung" nicht nachzuweisen gewesen, ist dies dagegen im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (unten c).
16
a) Die Eintrittskarten für Fußballweltmeisterschaftsspiele in Stuttgart und Berlin, die der Angeklagte nach den Feststellungen sechs Mitgliedern der Landesregierung und dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium anbot oder versprach, stellen Vorteile im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB dar.
17
Unter einem Vorteil ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. nur BGHSt 47, 295, 304; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310). Besser gestellt wird der Amtsträger vor allem durch materielle Zuwendungen jeder Art. Hierzu zählen auch Eintrittskarten für regulär entgeltpflichtige Veranstaltungen, da solche Karten einen Vermögenswert haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 62).
18
aa) Dass die vom Angeklagten bedachten Mitglieder der Landesregierung nach den Feststellungen ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen Weltmeisterschaftsspielen in Stuttgart hatten (UA S. 41), hat auf die Bewertung der für diesen Spielort vorgesehenen Eintrittskarten als Vorteil keinen Einfluss. Insoweit gilt: Wird dem Amtsträger oder Dritten ein geldwerter Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt, so ist es von vornherein unbeachtlich , wenn der Begünstigte einen vergleichbaren Vorteil auch auf eine andere Art und Weise erlangen kann. Auf derartige hypothetische Erwägungen kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 2001, 907, 908). Sie können allenfalls für die subjektive Wertschätzung durch den Begünstigten und damit für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung von Bedeutung sein. Identisch waren die Vorteile, die der Angeklagte anbot oder versprach, und diejenigen, die den Mitgliedern der Landesregierung ohnehin zustanden, hier nicht. Denn es handelte sich in jedem der Fälle um zweierlei Eintrittskarten für verschiedene Zuschauerplätze. Insbesondere was die "EnBW-Loge" einerseits und "Landesloge" andererseits betrifft, liegt dies auf der Hand, zumal der Aufenthalt in der "EnBW-Loge" die Bewirtung vorsah, während entsprechende Feststellungen für die "Landesloge" nicht getroffen sind.
19
All dies gilt entsprechend in Bezug auf den Staatssekretär M. . Auf seine - rein hypothetischen - Angaben als Zeuge, er hätte "Karten zu WM-Spielen bekommen, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Staatssekretär darum bemüht hätte" (UA S. 42), kommt es erst recht nicht an.
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bb) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Kammer, es sei schon deswegen kein Vorteil gegeben, weil die Eintrittskarten den Begünstigten lediglich die Ausübung der dienstlichen Aufgabe ermöglichen sollten, das Land bzw. den Bund in der Öffentlichkeit zu repräsentieren (UA S. 50).
21
Zwar hat die Kammer die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben zu Recht zu den Dienstpflichten von Regierungsmitgliedern, auch von Staatssekretären gezählt (vgl. UA S. 35 f.). Dies nimmt den in Aussicht gestellten Eintrittskarten jedoch nicht den Vorteilscharakter. Auf die im Schrifttum teilweise vertretene Meinung, ein Vorteil ergebe sich nicht schon daraus, dass dem Amtsträger lediglich die zur Dienstausübung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt würden (so etwa Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 331 Rdn. 5, jew. unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken NStZ 1982, 204: kostenloses Benzin an Polizeibeamten für Ermittlungen in der Freizeit; a.A. etwa Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 331 Rdn. 28 und Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94, denen zufolge dies ausschließlich im Rahmen der sog. Unrechtsvereinbarung zu berücksichtigen ist), kommt es dabei nicht an. Ob für den Vorteilsbegriff in § 333 Abs. 1 StGB überhaupt eine derartige Ausnahme zu machen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hier sollten die Eintrittskarten für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Begleitpersonen sowie für den Staatssekretär M. nicht nur einen solchen dienstlichen Nutzen haben. Die beabsichtigten geldwerten Zuwendungen dienten vielmehr gerade der Befriedigung persönlicher Interessen, die mit dem unmittelbaren Erleben eines Weltmeisterschaftsspiels im Stadion verbunden sind. Dies sah auch der Angeklagte so, aus dessen Sicht es "Sinn der Präsentversendung (war), zu Weihnachten eine Freude zu machen, mit den Gutscheinen insbesondere die Vorfreude auf die Fußball-WM … zu wecken" (UA S. 23).
22
b) Soweit die Strafkammer den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat, tragen die insoweit unzureichenden Feststellungen die rechtliche Wertung nicht:
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Es liegt schon nicht fern, dass mit dem in dem Beschluss verwendeten Begriff "Ehrenkarten" nur solche Karten gemeint sind, die von dem Veranstalter selbst - für seine "Ehrengäste" - zur Verfügung gestellt werden. Ferner könnte die nur auszugsweise wiedergegebene Regelung dahin zu verstehen sein, dass auf die dienstrechtliche Nichtgenehmigungsbedürftigkeit bestimmter als strafrechtlich unbedenklich angesehener Vorteile - hier "Ehrenkarten" - hingewiesen wird (vgl. dazu Korte aaO Rdn. 168); hierfür spricht der Wortlaut der Regelung ("unterfallen … nicht der Genehmigungspflicht" anstatt "werden generell genehmigt" ). Dann wäre die Vorfrage der Strafbarkeit losgelöst von dieser Regelung zu beurteilen. Im Übrigen versteht sich auch nicht von selbst, dass die Re- gelung besagt, die bedachten Regierungsmitglieder dürften solche "Ehrenkarten" in jedem Fall - unabhängig von den konkreten protokollarischen Pflichten - zudem für eine Begleitperson annehmen.
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c) Die Auffassung des Landgerichts, "eine für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche Unrechtsvereinbarung (sei) nicht nachzuweisen" , hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung stand. Dass das Landgericht sich nicht von der notwendigen inhaltlichen Verknüpfung zwischen dem angebotenen oder versprochenen Vorteil und der Dienstausübung zu überzeugen vermocht hat, also davon, dass der Angeklagte - so der Wortlaut des § 333 Abs. 1 StGB - jeweils den Vorteil "für die Dienstausübung" anbot oder versprach , ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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aa) Für die Frage, wie der Gesetzeswortlaut insoweit auszulegen ist, gibt die Gesetzgebungsgeschichte wichtige Hinweise. Das am 20. August 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) hat zwar die Anforderungen an die Unrechtsvereinbarung, die Kernstück aller Bestechungsdelikte ist, für die Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB ebenso wie für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB herabgesetzt , aber nicht aufgegeben:
26
Nach seiner alten Fassung hatte der Tatbestand der Vorteilsgewährung vorausgesetzt, dass der Vorteil "Gegenleistung dafür (sein soll), daß er (der Amtsträger) eine in seinem Ermessen stehende Diensthandlung künftig vornehme" ; dementsprechend war Bezugspunkt der Unrechtsvereinbarung die einzelne - zumindest ihrem sachlichen Gehalt nach grob umrissene (vgl. BGH NStZ 1999, 561 m.w.N.) - Diensthandlung. Nunmehr genügt es, wenn ein Vorteil "für die (vergangene oder künftige) Dienstausübung" im Allgemeinen angeboten , versprochen oder gewährt wird. http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763&I=765 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=48&S=44 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275&I=281 - 13 -
27
Die Neufassung der Tatbestände der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung führt dazu, dass der Anwendungsbereich dieser Strafnormen nun auch in größerem Umfang eröffnet ist, wenn Amtsträger höherer Ebenen mit breit gefächerten Entscheidungsspielräumen betroffen sind (vgl. BTDrucks. 16/4333 S. 2; Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 99). Zuvor galt: Je weiter sich der Aufgabenbereich des Amtsträgers darstellte, umso schwieriger war die Zuordnung des Vorteils zu einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Diensthandlung (vgl. BGH NStZ 1999, 561). Anliegen der Erweiterung der Tatbestände war gerade auch, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, die mit dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der Diensthandlung verbunden waren. Ferner sollte die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung auf von den Vorschriften in der bisherigen Fassung nicht erfasste Fälle (vgl. BGHSt 47, 295, 307; BGH NJW 2003, 763, 765 m.w.N. [insoweit in BGHSt 48, 44 nicht abgedr.
]) erstreckt werden, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft (vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15) bzw. "allgemeine Klimapflege" betrieben wird (BGHSt 49, 275, 281; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310).
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Andererseits hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 331, 333 StGB prinzipiell an dem Erfordernis einer (angestrebten) Unrechtsvereinbarung bewusst festgehalten. Für die Auslegung der Tatbestände ist von Bedeutung, dass der weiter reichende Vorschlag im Bundesratsentwurf eines Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 18. Dezember 1995 (BTDrucks. 13/3353) nicht Gesetz wurde (vgl. BRDrucks. 483/97). Dieser hatte - beruhend auf einem Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 24. Mai 1995 (BRDrucks. 298/95) - vorgesehen , auf die Unrechtsvereinbarung gleichsam zu verzichten und die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und -gewährung davon abhängig zu machen, dass dem Amtsträger ein Vorteil "im Zusammenhang mit seinem Amt" zugewendet werden soll. Auch dies sollte gewährleisten, dass Handlungen - wie etwa das sog. "Anfüttern" - erfasst werden, die dazu dienen, das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers zu sichern (vgl. BRDrucks. 298/95 S. 9; BTDrucks. 13/3353 S. 11). Ein die Strafbarkeit begründender Zusammenhang mit dem Amt sollte immer dann gegeben sein, "wenn die zuwendende Person sich davon leiten lässt, daß der Beamte ein bestimmtes Amt bekleidet oder bekleidet hat" (BTDrucks. aaO). Die Bundesregierung und der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hatten gegen den Entwurf – neben Abgrenzungsschwierigkeiten – eingewandt, dass durch die vorgesehene Erweiterung der Tatbestände "ein breites Spektrum nicht strafwürdiger Handlungen grundsätzlich in die Strafbarkeit einbezogen würde" (BTDrucks. 13/6424 S. 13; 13/8079 S. 15). Dementsprechend hat die Bundesregierung in jüngerer Zeit nochmals klargestellt, dass "auch nach der heute gültigen Fassung der §§ 331 und 333 StGB feststehen (müsse), dass der Vorteil überhaupt für dienstliche Handlungen angenommen oder gewährt" worden sei (BTDrucks. 16/4333 S. 5 f.).
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bb) Vor diesem Hintergrund sind für den Tatbestand der Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB an die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung folgende Anforderungen zu stellen:
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Zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung muss ein "Gegenseitigkeitsverhältnis" in dem Sinne bestehen, dass der Vorteil nach dem (angestrebten ) ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat (vgl. BGH NJW 2005, 3011, 3012 m.w.N.). Dies erfordert, dass Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 309, 310 f.) und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (ähnlich Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 23). In diesem allgemeinen Sinne muss der Vorteil somit nach wie vor Gegenleistungscharakter haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner Dölling, Gutachten für den 61. Deutschen Juristentag [1996] C 64 f., an dessen Vorschlag die Neufassung der §§ 331, 333 StGB angeknüpft hat [vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15]). Unter Dienstausübung ist dabei grundsätzlich jede dienstliche Tätigkeit zu verstehen. Diese muss nach den Vorstellungen der Beteiligten nicht - noch nicht einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein; daher genügt es, wenn der Wille des Vorteilsgebers auf ein generelles Wohlwollen bezogen auf künftige Fachentscheidungen gerichtet ist, das bei Gelegenheit aktiviert werden kann.
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Ob der Vorteilsgeber ein solches von § 333 Abs. 1 StGB pönalisiertes oder ein anderes Ziel verfolgt, ist Tatfrage. Die Grenzbestimmung hat in wertender Beurteilung zu erfolgen, die mit oftmals schwierigen Beweisfragen einhergeht. Pauschale Bewertungen in Anlehnung an Begrifflichkeiten wie "allgemeine Klimapflege" oder "Anfüttern" verbieten sich dabei (vgl. Korte aaO Rdn. 100; ferner Dölling ZStW 112 [2000] 334, 344 mit differenzierenden Erwägungen zur korruptiven Erscheinungsform des "Anfütterns"). Vielmehr ist die Abgrenzung nach den fallbezogenen Umständen - insbesondere der gesamten Interessenlage der Beteiligten - vorzunehmen.
32
Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen - behaupteten oder sonst in Betracht kommenden - Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot , dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können etwa dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in Ausschlag gebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen, wie die Heimlichkeit des Vorgehens (BGH NStZ 2008, 216, 218; NStZ-RR 2007, 309, 310 f.; im Hinblick auf dienstliche Berührungspunkte im Ergebnis auch BGH NStZ 2005, 334, 335; zur Heimlichkeit vgl. ferner BGHSt 48, 44, 51). Vorzunehmen ist jedoch regelmäßig eine Gesamtschau aller Indizien (vgl. BGH NStZ 2008 aaO; NStZ-RR aaO 311).
33
Das bedeutet auch, dass die Strafbestimmung der Vorteilsgewährung nicht schon dadurch unanwendbar wird, dass eine (angestrebte) Unrechtsvereinbarung in sozialadäquate Handlungen - wie die Durchführung eines für sich gesehen in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unverdächtigen Sponsoringkonzepts - eingebunden wird. Auch in diesem Fall ist maßgeblich, wie sich das Vorgehen aufgrund der gesamten Umstände, unter denen es geschieht, darstellt.
34
Der Senat ist sich bewusst, dass das Merkmal der Unrechtsvereinbarung nach der hier vorgenommenen Auslegung im Randbereich kaum trennscharfe Konturen aufweist; dies kann zu Beweisschwierigkeiten führen und räumt dem Tatrichter eine beträchtliche Entscheidungsmacht ein. Diese Auslegung trägt jedoch dem Willen des Gesetzgebers Rechnung. In ihr spiegelt sich der Kompromisscharakter der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 reformierten Regelung wider, die über die alte Rechtslage hinausgeht , aber hinter dem weitergehenden Vorschlag des Bundesrats zurückbleibt, die Strafbarkeit allein an die Amtsbezogenheit der Vorteilszuwendung zu knüpfen (siehe oben aa). Inwieweit ein derartiger Vorschlag in Verbindung mit einer weitgehenden, Transparenz gewährleistenden Anzeige- oder Genehmigungslösung (vgl. den Vorschlag von T. Schäfer/Liesching ZRP 2008, 173, 175 f.) sachgerechter gewesen wäre, hat der Senat indessen nicht zu entscheiden.
35
cc) Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
36
Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen. Zwar ist die Formulierung, eine Unrechtsvereinbarung sei nicht nach- zuweisen gewesen, missverständlich. § 333 Abs. 1 StGB setzt nämlich in der Tathandlungsvariante des Anbietens nicht voraus, dass es tatsächlich zu einer "Unrechtsvereinbarung" kommt; vielmehr reicht aus, dass das Angebot auf eine solche Übereinkunft gerichtet ist (vgl. BGH NStZ 2000, 439 f.; 2008, 33, 34; entsprechend für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB in der Tathandlungsalternative des Forderns eines Vorteils BGH NStZ 2006, 628, 629). Dass das Landgericht dies nicht verkannt hat, geht jedoch aus dem Urteil - trotz der missverständlichen Formulierung - eindeutig hervor. Denn die Beweiswürdigung befasst sich namentlich damit, welches Ziel der Angeklagte mit der Gutscheinversendung verfolgte.
37
Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, die Feststellung der (angestrebten ) Unrechtsvereinbarung setze den Nachweis voraus, dass "die Zuwendung der Gutscheine ihren Grund gerade in der Dienstausübung hatte bzw. die Dienstausübung als Gegenleistung (mit-)bestimmender Beweggrund" für die Zuwendung war. Dabei hat es zu Recht angenommen, dass unter Dienstausübung in diesem Zusammenhang allein die Fachentscheidungen der bedachten Amtsträger zu verstehen sind. Dagegen genügt es insoweit nicht, dass der Angeklagte Einfluss auf die dienstliche Aufgabe der Repräsentation nehmen wollte , da der Vorteil hierfür keinen Gegenleistungscharakter hat, sondern nur Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe sein sollte (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner BGH NStZ-RR 2003, 171, 172).
38
Bei der "einzelfallbezogene(n) Betrachtung" hat das Landgericht "nach einer Gesamtschau sämtlicher Umstände die … Möglichkeit nicht ausgeschlossen …, dass die Zuwendung einen (sachlich gerechtfertigten) anderen Beweggrund als den der Beeinflussung der Dienstausübung hat". Einen solchen anderen Beweggrund hat das Landgericht darin gesehen, dass, indem den Empfängern der Gutscheine die Gelegenheit zur Repräsentation bei der Fußballwelt- meisterschaft gegeben werden sollte, ihr Erscheinen "zu Werbezwecken genutzt" werden sollte, um die Veranstaltung aufzuwerten und die Rolle der EnBW als Sponsor der Veranstaltung hervorzuheben (UA S. 52). Davon, dass der Angeklagte das Ziel verfolgte, die Empfänger - "gewissermaßen unter dem 'Deckmantel' Sponsoring/Repräsentation" - geneigt zu machen, bei der Dienstausübung zugunsten der EnBW zu handeln, hat sich das Landgericht hingegen nicht zu überzeugen vermocht.
39
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den relevanten Indizien auseinandergesetzt und bei seiner Entscheidung insbesondere folgende Umstände berücksichtigt: – Zwischen den sieben Gutscheinempfängern - allesamt Personen mit weit reichenden Entscheidungskompetenzen - und der EnBW bestanden dienstliche Berührungspunkte. Das Landgericht hat aber auch festgestellt, dass der Angeklagte die Auswahl der Empfänger nicht gezielt nach diesem Kriterium vornahm : "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollarische Wertigkeit des Kontakts , nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Der Indizwert der dienstlichen Berührungspunkte wird zudem dadurch stark relativiert, dass der Angeklagte - so die Feststellungen des Landgerichts - im Bewusstsein des insofern noch offenen Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW handelte (UA S. 42 f.). Das Konzept sah, wie der Angeklagte wusste, vor, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung Baden-Württemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen (UA S. 12, 35). Der Angeklagte handelte demnach - revisionsrechtlich nicht angreifbar - in der Vorstellung, dass die nicht mit den Weihnachtsgrußkarten bedachten Regierungsmitglieder später noch Eintrittskarten erhalten würden. Dass das Einladungskonzept nachher nicht weiter verfolgt wurde, war durch die Einlei- tung des Ermittlungsverfahrens Mitte Februar 2006 veranlasst, der entsprechende Presseberichte vorausgegangen waren (UA S. 24). – Hinsichtlich der Vorgehensweise hat das Landgericht im Fall der an die baden-württembergische Umweltministerin G. versandten Weihnachtsgrußkarte gesehen, dass der handschriftliche Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" Indizwert für eine angestrebte Unrechtsvereinbarung haben könnte. Diesbezüglich hat das Landgericht freilich insbesondere - für den Senat bindend - festgestellt, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, zu dem er diese Worte niederschrieb , noch nicht wusste, ob der Umweltministerin überhaupt ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war (UA S. 28, 38 f., 47). – Im Übrigen war die Vorgehensweise des Angeklagten nach der Wertung des Landgerichts nicht durch Verschleierung bzw. Heimlichkeit geprägt: Die Gutscheine wurden an die dienstlichen Adressen der Empfänger versandt (UA S. 44) und waren mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehen (UA S. 13). Die Einladungen wären im Rahmen des geplanten Abgleichs der Einladungslisten zwischen der EnBW und dem Land Baden-Württemberg offen zu legen gewesen; nicht zuletzt hätte das öffentliche Auftreten der Empfänger als Gast des WM-Sponsors EnBW insoweit "Transparenz" bewirkt (UA S. 44). – Zur Beschaffenheit der Vorteile hat das Landgericht zum einen festgestellt, dass die Gutscheine "personengebunden und nicht übertragbar" waren (UA S. 13, 15). Zum anderen war, jedenfalls was die WM-Spiele in Stuttgart betrifft, für die Mitglieder der Landesregierung Baden-Württemberg der Wert der Eintrittskarten - unbeschadet der im Einzelnen schwierigen Berechnung - subjektiv gemindert. Denn die Mitglieder der Landesregierung hatten ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen WM-Spielen in Stuttgart (UA S. 41).
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Bei alledem hat das Landgericht darüber hinaus erkennbar im Blick gehabt , dass es sich bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 um ein einzigartiges sportliches Großereignis für die Bundesrepublik Deutschland handelte, das mit einer Kooperation zwischen "höchster" Politik und Wirtschaft einherging. Eine organisierte Zusammenarbeit wurde von der Bundesregierung offiziell gefördert und entspricht bei derartigen Ereignissen weltweiten Gepflogenheiten.
41
dd) Die gegen die Beurteilung durch das Landgericht gerichteten Beanstandungen der Revision greifen nicht durch.
42
(1) Soweit die Revision die Beweiswürdigung angreift, indem sie - im Kern ihrer Ausführungen - einzelne Feststellungen anzweifelt, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf.
43
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Trifft er aufgrund der in der Hauptverhandlung angefallenen Erkenntnisse Feststellungen oder kann er wegen verbleibender Zweifel keine Feststellungen treffen, so ist dies durch das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Im Grundsatz gilt, dass allein das, was der Tatrichter festgestellt hat, bei der revisionsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht Erkenntnisse anders gewürdigt oder dem Tatrichter verbleibende Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn dem Revisionsgericht vom Tatrichter getroffene Feststellungen "lebensfremd" erscheinen. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (vgl. Senatsurt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07 - Rdn. 18 m.w.N.).
44
Anderes gilt nur dann, wenn die Beweiswürdigung Rechtsfehler, etwa Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen die Gesetze der Lo- gik oder gesicherte Erfahrungssätze, aufweist. Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere beruhen die Feststellungen auch auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, indem sie durch im Einzelnen benannte Beweismittel , namentlich durch die Angaben von Zeugen, belegt sind.
45
Näherer Betrachtung bedarf insoweit nur die festgestellte - von der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW zeugenschaftlich bestätigte (UA S. 37) - Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit der Gutscheine:
46
Diese Feststellung wird nach dem oben Gesagten durch die in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft vom 17. Juni 2008 enthaltenen Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nicht in Frage gestellt. Das gilt sowohl für die Erwägung, dass auf den Gutscheinen - Gegenteiliges ist nicht festgestellt - der jeweilige Empfänger nicht bezeichnet gewesen sein dürfte, als auch für diejenige, dass die Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit "sich nicht von selbst versteht", nach Auffassung des Senats sogar wenig lebensnah anmutet. Die Feststellung scheint zwar deswegen zu kurz zu greifen, weil, wie die Generalstaatsanwaltschaft weiter ausgeführt hat, die Identität der zweiten (Begleit-)Person offen war und augenscheinlich von den näheren Angaben des Gutscheinempfängers abhing. Deshalb ist in Betracht zu ziehen, dass die zweite Eintrittskarte einer Person hätte zugute kommen können, die über das Kartenkontingent des Landes Baden-Württemberg nicht hätte begünstigt werden können. Ob, wie die Verteidigung in ihrem Schriftsatz vom 12. August 2008 (S. 20) geltend gemacht hat, in einem protokollarischen Sinne mit Begleitperson nur der Ehe- oder Lebenspartner des hochrangigen Amtsträgers gemeint gewesen sein könnte, kann der Senat jedoch offen lassen. In Anbetracht der übrigen Umstände kann er jedenfalls ausschließen, dass - nach der Beurteilung des Landgerichts - derartige als eher nebensächlich einzu- stufende Erwägungen zur Begleitperson für das Handeln des Angeklagten (mit-)bestimmend waren.
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(2) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe die für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung sprechenden Indizien verkannt. Insbesondere hat es sich mit dem Beweiswert der dienstlichen Berührungspunkte auseinander gesetzt; des Weiteren hat es den Umstand berücksichtigt, dass die Gutscheinversendung nicht vorgesehener Teil des Sponsoring- und Einladungskonzepts war, sondern aufgrund einer autonomen Entscheidung des Angeklagten gleichsam im willkürlichen Vorgriff hierauf erfolgte und erst später mit diesem abgestimmt werden sollte. Schließlich hat das Landgericht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - die Gutscheinversendung nicht als transparente Vorgehensweise bewertet; vielmehr hat es lediglich ein auf Verschleierung oder Heimlichkeit gerichtetes Vorgehen des Angeklagten verneint.
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Die den Angeklagten erheblich belastenden Indizien mögen berechtigten Anlass dazu gegeben haben, gegen ihn Anklage zu erheben und sodann wegen der noch ungesicherten Rechtslage eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Dass sich das Landgericht trotz dieser belastenden Indizien nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte die Versendung der Gutscheine veranlasste, um etwaige dienstliche Tätigkeiten der bedachten Amtsträger zu honorieren oder zu beeinflussen, ist jedoch - gemäß dem oben Gesagten - nach revisionsrechtlichen Maßstäben hinzunehmen. Dass eine gegenteilige Überzeugung möglicherweise ebenso revisionsrechtlich unbeanstandet geblieben wäre, ändert hieran nichts. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Sander

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 31. August 2011 - 3 Sa 29/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

2

Die Beklagte betreibt Tankstellen. Der Kläger war bei ihr seit Juli 2003 als Bezirksleiter für den Vertrieb im Außendienst beschäftigt.

3

Im August 2010 entstand bei der Beklagten der Verdacht, der Kläger könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Am 20. August und 30. September 2010 hörte sie den Kläger zu den aus ihrer Sicht verdachtsbegründenden Umständen an. Er bestritt die Vorwürfe.

4

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus. Gegen sie erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage. Am 14. Januar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Auch dagegen erhob der Kläger - in einem eigenständigen Verfahren - Klage.

5

Am 28. Juli 2011 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten weitere Unregelmäßigkeiten fest. Im November 2009 hatte eine Baugesellschaft der Beklagten für ein Bauvorhaben an einer Tankstelle 8.929,52 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren ua. die Lieferung und das Verlegen von Terrassenplatten (terracotta, 40 x 40 für 80,64 m²) mit 2.056,32 Euro ausgewiesen. Aus den beigefügten Bautagesberichten, Gesprächsnotizen, Lieferangeboten, Aufträgen, Aufmaßskizzen und Lieferscheinen für das Bauvorhaben war ersichtlich, dass entsprechende Leistungen nicht auf einem Tankstellengelände der Beklagten, sondern auf dem Wohngrundstück des Klägers ausgeführt worden waren. Mit Schriftsatz vom 22. August 2011 hat die Beklagte diese tatsächlichen Erkenntnisse ohne erneute Anhörung des Klägers in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

6

Der Kläger hat bestritten, dass er auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten in seiner Grundstücksauffahrt habe verlegen lassen. Die abgerechneten Leistungen der Baugesellschaft ständen in keiner Verbindung zu seiner Wohnanschrift. Dies ergebe sich aus den Mengenangaben und dem Gesamtarbeitsaufwand. Im Übrigen hat der Kläger gemeint, weil sie ihn dazu zuvor nicht angehört habe, vermöge die Beklagte die Kündigung auf diesen Vorwurf ohnehin nicht zu stützen.

7

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich betrügerisch zu ihren Lasten bereichert. Er habe auf seinem Privatgrundstück Baumaßnahmen ausführen lassen, die als Umbau einer Tankstelle deklariert worden seien. Den auf diesen tatsächlichen Umständen beruhenden Kündigungsgrund habe sie nachträglich in den Rechtsstreit einführen können, ohne dass sie den Kläger zuvor habe anhören müssen.

9

Das Arbeitsgericht hat der vorliegenden Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011, der Klage gegen die Kündigung vom 14. Januar 2011 mit Urteil vom 17. März 2011 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat über die Berufungen der Beklagten in getrennten Verfahren am selben Tag verhandelt. Nach Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren hat es beschlossen, eine Entscheidung am Ende der Sitzung zu verkünden. In der sich anschließenden Verhandlung im Verfahren über die Kündigung vom 14. Januar 2011 hat es darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser um eine unzulässige Wiederholungskündigung handeln dürfte. Die Beklagte hat daraufhin die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011 zurückgenommen. Der Kläger hat der Rücknahme ausdrücklich zugestimmt.

10

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Er bringt vor, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 stehe schon die durch die Berufungsrücknahme eingetretene Rechtskraft der Entscheidung vom 17. März 2011 entgegen. Diese enthalte mittelbar die Feststellung, dass bei Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten noch bestanden habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Das Landesarbeitsgericht war trotz der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 nicht gehindert, die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu überprüfen (I.). Seine Annahme, die nachgeschobenen Kündigungsgründe trügen diese Kündigung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (II.).

12

I. Die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011, derzufolge die Kündigung vom 14. Januar 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, steht der Annahme nicht entgegen, das Arbeitsverhältnis sei schon durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 beendet worden.

13

1. Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11- Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13).

14

2. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gegenstand der Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt, dh. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens oder Zugangs der Kündigung einer Entscheidung entzogen werden kann (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Eine solche Einschränkung des Streitgegenstands und Umfangs der Rechtskraft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die sich aus dem Antrag und der Entscheidung selbst ergeben müssen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, für die Bestimmung des Streitgegenstands und des Umfangs der Rechtskraft Umstände heranzuziehen, die schon mit der Entscheidungsfindung zusammenhängen. So kann für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Gegenstand der Klage gegen eine später wirkende Kündigung der Umstand sprechen, dass dieselbe Kammer des (Landes-)Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entscheidet. In einem solchen Fall wollen regelmäßig weder der Kläger noch das Gericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Zugang der späteren Kündigung zum Gegenstand des über deren Wirksamkeit geführten Rechtsstreits machen (vgl. BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe).

15

3. Im Streitfall kann dahinstehen, wie weit die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 reicht. Die Parteien haben mit der Zurücknahme der Berufung durch die Beklagte und der Annahme dieser Erklärung durch den Kläger nicht nur ihren Rechtsstreit mit der Folge beendet, dass die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14. Januar 2011 feststeht. Ihre Prozesserklärungen haben vielmehr zugleich einen materiellrechtlichen Inhalt. Der Kläger soll aus der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Kündigung vom 14. Januar 2011 keine Rechte herleiten können, die einer inhaltlich eigenständigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 entgegenstünden. Das ergibt die Auslegung der beiderseitigen Erklärungen (§§ 133, 157 BGB).

16

a) Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft unterliegen zwar nicht der Disposition der Parteien (vgl. BGH 28. Januar 1987 - IVb ZR 12/86 - zu 2 a der Gründe; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 152 Rn. 17; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 212; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 58). Die Parteien können diese Wirkungen aber durch Vereinbarungen beeinflussen. Bei solchen Abreden handelt es sich nicht um unzulässige „Eingriffe“ in die Rechtskraft, sondern um zulässige, ggf. nachträgliche Regelungen ihrer materiellen Folgen, die der Verfügung der Parteien unterliegen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO Rn. 18; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 325 Rn. 43a).

17

b) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungsrücknahme zum Ausdruck gebracht, sie sei bereit, die Unwirksamkeit der zweiten Kündigung hinzunehmen. Sie hat damit aus Sicht eines objektiven Empfängers - für den Kläger ohne Weiteres erkennbar - nicht zugleich erklärt, sie wolle auch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 anerkennen. Damit hätte sie dem nach wie vor anhängigen Rechtsstreit über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 die Grundlage entzogen. Dies war ersichtlich nicht gewollt. Beide Parteien erwarteten insoweit vielmehr eine Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts. In den Prozesserklärungen der Parteien liegt danach die materiellrechtliche Abrede, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses allein von der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 abhängig machen zu wollen. Der Kläger kann sich bereits aus diesem Grund nicht darauf berufen, es stehe rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis noch im Januar 2011 bestanden habe.

18

II. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu Recht als wirksam angesehen.

19

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

20

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16).

21

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei unter Berücksichtigung des im zweitinstanzlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Kündigungsgrundes einer schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die erstinstanzlich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe trügen die Kündigung vom 5. Oktober 2010 nicht. Es bestehe aber der - die Kündigung rechtfertigende - dringende Verdacht, der Kläger habe auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten an seine Privatanschrift liefern und dort verlegen lassen.

24

b) Das Landesarbeitsgericht durfte die entsprechenden, von der Beklagten in zweiter Instanz in das Verfahren eingeführten Indiztatsachen seiner Würdigung zugrunde legen.

25

aa) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21; 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 86, 88).

26

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf die von der Beklagten nachgetragenen, den Verdacht auf einen eigenständigen Vertragsverstoß begründenden Tatsachen abstellen.

27

(1) Die Verlegung der Terrassenplatten auf dem Grundstück des Klägers war der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung bereits in Rechnung gestellt und von ihr beglichen worden. Dies wurde ihr jedoch erst im Juli 2011 bekannt.

28

(2) Es bedurfte für die Beachtlichkeit des Vorbringens keiner neuerlichen Anhörung des Klägers.

29

(a) Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 1067/06 - Rn. 34).

30

(b) Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der - erneuten - Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht (noch offengelassen in BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 5 der Gründe, BAGE 81, 27; wie hier: KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216; aA Höland Anm. AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25; Moll/Schulte MAH Arbeitsrecht 3. Aufl. § 44 Rn. 110; Ittmann ArbR 2011, 6; wohl auch Hoefs Die Verdachtskündigung S. 215). Das ergibt sich aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses.

31

(aa) Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155). Ist aber - wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen - die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann (KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216).

32

(bb) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat analog § 102 Abs. 1 BetrVG zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 86, 88; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 49, 39). Die Anhörung des Betriebsrats dient - anders als die Anhörung des Arbeitnehmers - nicht (nur) der Aufklärung des Sachverhalts. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken (vgl. BAG 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - aaO). Das lässt sich bezogen auf nachgeschobene Gründe nur erreichen, wenn diese dem - anders als der Arbeitnehmer am Rechtsstreit nicht beteiligten - Betriebsrat vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden. Zwar kann auch der Betriebsrat die schon erfolgte Kündigung als solche nicht mehr verhindern. Er kann aber nur so seine - den Arbeitnehmer uU entlastende - Sicht der Dinge zu Gehör bringen.

33

(3) § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 86, 88).

34

c) Die Würdigung des Kündigungssachverhalts durch das Berufungsgericht ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30). Einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dieser Art hat der Kläger nicht aufgezeigt. Das Landesarbeitsgericht hat aus dem Umstand, dass hinsichtlich der von der Baugesellschaft gelieferten Materialien der Lieferort, die Flächen, die Art der Pflasterung und Bauskizzen mit der Auffahrt des Klägers übereinstimmten, widerspruchsfrei gefolgert, es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe sich auf Kosten der Beklagten rechtswidrig bereichert. Es hat nachvollziehbar angenommen, jedenfalls ein Teil der den Bautagesberichten zu entnehmenden Arbeitsstunden habe sich auf das Bauprojekt auf dem Grundstück des Klägers bezogen. Der Kläger ist den tatsächlichen Grundlagen dieses Verdachts nicht substanziiert entgegengetreten. Seinem Vortrag lässt sich auch nicht etwa entnehmen, er habe die auf seinem Grundstück ausgeführten Arbeiten selbst bezahlt.

35

d) Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

36

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. November 2010 - 2 Sa 979/10 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 - 7 Ca 3503/09 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

2

Der im Jahr 1957 geborene Kläger ist verheiratet, gehbehindert und mit einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit dem Jahr 2005 war er beim staatlichen Immobilienmanagement, Niederlassung W (im Folgenden: Immobilienmanagement), tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach § 53 BAT war der Kläger ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Im Jahr 2007 beschwerte sich eine beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Leitung der Niederlassung über den Kläger. Sie fühlte sich von ihm belästigt. Es kam zu einem Verfahren vor der Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit Schreiben vom 19. April 2007 teilte die Beschwerdestelle dem Kläger mit, dass die Mitarbeiterin weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.

4

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wandte sich eine andere, seit Februar 2009 beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an dessen Direktor. Dieser leitete das Schreiben am 12. Oktober 2009 an die zuständige Personalabteilung in der Zentrale weiter. In dem Schreiben erklärte die Mitarbeiterin, dass sie sich durch den Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt fühle. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich abweisend geäußert habe, suche er weiterhin Kontakt zu ihr. In der Zeit von Mitte Juni 2009 bis Anfang Oktober 2009 hatte der Kläger - unstreitig - insgesamt mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS an die Mitarbeiterin versandt. Das beklagte Land teilte dem Kläger am 13. Oktober 2009 mit, dass eine Beschwerde gegen ihn vorliege, der Sachverhalt aber noch aufgeklärt werden müsse. Als „Sofortmaßnahme“ ordnete es an, dass der Kläger mit sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin zu unterlassen habe und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt zu ihr aufnehmen dürfe. Am 15. Oktober 2009 hörte das beklagte Land die Mitarbeiterin an, die ihm am 16. Oktober 2009 den gesamten E-Mail-Verkehr mit dem Kläger überließ. Noch am selben Tag wurde der Kläger schriftlich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Oktober 2009. Mit Schreiben von diesem Tage, das beim beklagten Land am 26. Oktober 2009 einging, nahm er zu den Vorwürfen Stellung.

5

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 hörte das beklagte Land den Personalrat der Niederlassung W zu einer - nach noch einzuholender Zustimmung des Integrationsamts - beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung, hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist bis zum 30. Juni 2010 an. Der Personalrat stimmte der Kündigung tags darauf zu. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 hörte das beklagte Land auch die örtliche Schwerbehindertenvertretung an. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage beantragte es beim Integrationsamt die Zustimmung, die dieses am 13. November 2009 erteilte.

6

Noch mit Schreiben vom 13. November 2009 erklärte das beklagte Land gegenüber dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise die außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2010.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung lägen nicht vor. Das beklagte Land habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Im Übrigen fehle es an einem wichtigen Grund. Nachdem die betreffende Mitarbeiterin Anfang September 2009 erklärt habe, keinen privaten Kontakt mehr mit ihm zu wünschen, habe er nur noch wenige Male den Kontakt zu ihr gesucht. Das beklagte Land habe ihn allenfalls abmahnen dürfen. Dass er zu einer Verhaltensänderung in der Lage sei, zeige sein Verhalten nach Erhalt des Schreibens vom 19. April 2007, welches freilich seinerseits gerade keine Abmahnung darstelle. Im Übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

8

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 weder fristlos noch mit Ablauf des 30. Juni 2010 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bereits die außerordentliche fristlose Kündigung sei unter allen rechtlichen Gesichtspunkten wirksam. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Einer (weiteren) Abmahnung habe es nicht bedurft, nachdem der Kläger sich bereits im Jahr 2007 in vergleichbarer Weise pflichtwidrig verhalten habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, steht noch nicht fest.

12

I. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es fehle für die außerordentliche Kündigung vom 13. November 2009 an einem wichtigen Grund iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB - und dem inhaltsgleichen § 54 Abs. 1 BAT - kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

14

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO ). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08  - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO).

15

b) Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09  - Rn. 37, BAGE 134, 349). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, aaO ; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08  - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).

16

c) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO).

17

2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mangels einschlägiger Abmahnung sei die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 wegen Fehlens eines wichtigen Grundes iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, auf der Basis seiner bisher getroffenen Feststellungen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, eine Abmahnung sei im Streitfall nicht entbehrlich gewesen, wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.

18

a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei dem Schreiben der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 habe es sich nicht um eine Abmahnung gehandelt.

19

aa) Dies folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht daraus, dass das Schreiben nicht auf die Änderung eines generellen Verhaltens auch gegenüber anderen Beschäftigten des beklagten Landes abzielte. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu unterlassende Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit gegebene Abmahnungs- und potentielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 31, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

20

bb) Entgegen der - Teilen des Schrifttums folgenden - Auffassung des Klägers fehlt dem Schreiben vom 19. April 2007 auch nicht deshalb der Abmahnungscharakter, weil die darin für den Wiederholungsfall enthaltene Androhung von „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ zur Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung nicht ausreichend wäre.

21

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion) (BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - zu II 1 der Gründe, BAGE 76, 35). Der Senat hat einer „ordnungsgemäßen Abmahnung“ ein „nur als Abmahnung bezeichnetes Schreiben“ gegenübergestellt, in welchem nicht ausdrücklich auf kündigungsrechtliche Konsequenzen hingewiesen, sondern nur „mit weiteren rechtlichen Schritten“ für den Wiederholungsfall gedroht worden war (vgl. BAG 15. März 2001 - 2 AZR 147/00 - EzA BGB § 626 nF Nr. 185; vgl. auch 8. Dezember 1988 - 2 AZR 294/88 - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 60). Die Androhung „arbeitsrechtlicher Schritte“ sei zur Erfüllung der Warnfunktion hingegen ausreichend (BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - zu B I 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6 mit zust. Anm. Bemm; vgl. auch 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34: Androhung „individualrechtlicher Konsequenzen“).

22

(2) Im Schrifttum wird zumeist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt, dass die Abmahnung einen Hinweis auf die Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses enthalten muss, um ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion zu erfüllen (Adam AuR 2001, 41; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert 8. Aufl. KSchR § 314 BGB Rn. 56; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 348; HaKo-Fiebig/Zimmermann 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 244; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 270; v. Hoyningen-Huene RdA 1990, 193, 198; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 389; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 495; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 25; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 8, 1205). Dafür sei zwar nicht unbedingt die ausdrückliche Androhung einer Kündigung notwendig, der Arbeitgeber müsse aber in einer dem Arbeitnehmer deutlich erkennbaren Art und Weise konkret bestimmte Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstanden und damit den eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis verbinden, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen seien Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 273 mwN ua. auf BAG 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - BAGE 46, 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497). Das Inaussichtstellen konkreter kündigungsrechtlicher Maßnahmen, etwa einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bzw. einer Beendigungs- oder Änderungskündigung, sei hingegen nicht erforderlich (Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert aaO; APS/Dörner/Vossen aaO; HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO); es reiche die Androhung „kündigungsrechtlicher Konsequenzen“ (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO). Zum Teil wird auch der Hinweis auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ für ausreichend gehalten (Beckerle Die Abmahnung 10. Aufl. S. 127 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert KSchR § 314 BGB Rn. 60) oder, jedenfalls unter besonderen Umständen, die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Schritte“ (v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497 unter Hinweis auf BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6; Th. Wolf Zur Abmahnung als Voraussetzung der verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber S. 164). Nach anderer Ansicht genügt die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ nicht, da dadurch nicht hinreichend deutlich gemacht werde, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher auf dem Spiel stehe; arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten auch Versetzungen, Umsetzungen oder weitere Abmahnungen sein (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO).

23

(3) Nach zutreffender Auffassung kann schon die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Mit einer solchen Formulierung wird ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren.

24

cc) Das Schreiben vom 19. April 2007 stellt gleichwohl keine Abmahnung dar. Es fehlt an einer Rüge vorherigen Fehlverhaltens. In dem Schreiben ist als Ergebnis des Beschwerdeverfahrens lediglich dokumentiert, dass die betroffene Mitarbeiterin keinen Kontakt mehr mit dem Kläger wünsche. Zwar wird außerdem - zur Vermeidung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ - die Beachtung dieses Wunsches der Mitarbeiterin für die Zukunft verlangt. Das Schreiben enthält aber nicht die eindeutige Bewertung, dass das vorangegangene Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt habe.

25

b) Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall auch nicht entbehrlich gewesen, hält dagegen - auf der Basis der bisher getroffenen Feststellungen - einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

26

aa) Es steht nicht fest, welchen Kündigungssachverhalt das Landesarbeitsgericht dieser Würdigung zugrunde gelegt hat. Es hat dahingestellt sein lassen, ob das Verhalten des Klägers gegenüber der betroffenen Mitarbeiterin eine Straftat oder jedenfalls eine schwerwiegende Pflichtverletzung dargestellt oder zumindest einen entsprechenden Verdacht begründet habe. Es hat angenommen, der Kläger habe, selbst wenn nur sein Sachvortrag als wahr unterstellt werde, die ihm aufgrund des Arbeitsvertrags obliegenden Verhaltenspflichten in jedem Fall verletzt. Es hat aber nicht gewürdigt, ob nicht auf Basis des Vorbringens des beklagten Landes von einer erheblich schwerer wiegenden Pflichtverletzung auszugehen wäre. Festgestellt sind nur die mehr als 120 vom Kläger an die betroffene Mitarbeiterin gesandten Nachrichten. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen des beklagten Landes hatte sich der Kläger jedoch immer wieder auch auf andere Weise, wie etwa durch unerwünschte persönliche Kontaktaufnahmen, aufgedrängt. Das beklagte Land hat ua. geltend gemacht, der Kläger habe sich gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Mitarbeiterin wiederholt und zunehmend aggressiv und aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr ua. damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine Anstellung beim Land bekomme, und werde ihren Ehemann, der über keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügte, bei der Polizei und der Ausländerbehörde anzeigen. Bei der Mitarbeiterin habe dies massive Angstzustände verursacht.

27

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dem Kläger habe die Distanzlosigkeit seines Verhaltens und die damit einhergehende Pflichtverletzung „aufgrund des schleichenden Prozesses“ entgehen können, steht dies im Widerspruch zu seiner Feststellung, die betroffene Mitarbeiterin habe dem Kläger Anfang September 2009 den „eindeutigen“ Hinweis gegeben, nur noch im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen mit ihm Kontakt haben zu wollen. Warum dem Kläger die Pflichtwidrigkeit und der bedrängende Charakter seines Verhaltens auch nach diesem Hinweis nicht erkennbar gewesen sein sollen, ist nicht ersichtlich. Nach dem vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt war aus den dem Hinweis nachfolgenden Nachrichten gerade nicht herauszulesen, der Kläger habe, wie von ihm behauptet, weiterhin lediglich einen rein freundschaftlichen Kontakt gewollt. Die Nachrichten hätten vielmehr einen drohenden Charakter angenommen. Abweichende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

28

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht ausreichend geprüft, ob eine Abmahnung im Streitfall deshalb entbehrlich war, weil dem Kläger schon aufgrund des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens und des Schreibens der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 bewusst sein musste, dass die Verletzung der Privatsphäre von Mitarbeiterinnen durch beharrliche Kontaktaufnahme gegen deren Willen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte, deren abermalige Hinnahme durch das beklagte Land ausgeschlossen wäre. Dem stünde nicht entgegen, dass sich das Schreiben nur mit dem zu respektierenden Wunsch der damals betroffenen Mitarbeiterin befasste. Der Kläger konnte nicht annehmen, das beklagte Land würde den entsprechenden Wunsch einer anderen Mitarbeiterin nicht für gleichermaßen verbindlich halten.

29

c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlverhalten des Klägers stelle sich nicht als so gravierend dar, dass seine Weiterbeschäftigung dem beklagten Land „unter keinen Umständen zuzumuten“ sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist erneut nicht ersichtlich, welches Fehlverhalten das Landesarbeitsgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers steht jedenfalls nicht notwendig entgegen, dass dieser auf die entsprechende Aufforderung des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009 hin jegliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Mitarbeiterin unterlassen hat. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger den Wunsch einer anderen Mitarbeiterin, ihre Privatsphäre zu respektieren, künftig wiederum solange missachten wird, wie ihn das beklagte Land nicht auffordert, ihm nachzukommen.

30

II. Die angegriffene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig oder sonst zur Endentscheidung reif. Ob die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, kann noch nicht beurteilt werden.

31

1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob dem beklagten Land unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Weiterbeschäftigung des Klägers iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar war.

32

a) Der Kündigungssachverhalt ist bisher nicht umfassend festgestellt. Ob eine Abmahnung angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers und des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens entbehrlich war, kann der Senat daher nicht abschließend würdigen. Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die nachfolgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.

33

b) Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 238 StGB), sondern auf die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Dieser hat die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter zu schützen. Ob das Nachstellen zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom Ausmaß und von der Intensität der Pflichtverletzung und deren Folgen - vor allem für die betroffenen Mitarbeiter -, einer etwaigen Wiederholungsgefahr und dem Grad des Verschuldens. Die für diese Würdigung relevanten Umstände sind deshalb festzustellen.

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - bislang nicht geprüft, ob das beklagte Land die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 54 Abs. 2 BAT, § 626 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 5 SGB IX gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat. Sollte es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis kommen, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB bestand, wird es dies nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität Freiburg tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
Bereits im Januar 2007 war der Kläger in einem anonymen Schreiben an den Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der damaligen Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der ............... (Fa. ...) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. ... zu beziehen (Umsatzvolumen: mindestens 25 Mio. EUR). Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. ... erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „......... Management GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
Auf die Aufforderung des Beklagten in einem Schreiben vom 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. W. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2008 bat der Kläger um Mitteilung der rechtlichen Grundlagen, die den Beklagten dazu berechtigten, die verbindliche Berufungszusage des Ministeriums vom 17.08.1983 zunichte zu machen. In einer Stellungnahme des Klinikumsvorstands vom 01.02.2008 heißt es hierzu, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors sei durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2008 (richtig: 2007) auf eine neue Basis gestellt worden. Die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das MWK sei damit überholt gewesen. Allein aufgrund dieses Chefarztvertrages habe er die Leitung des Zentrallabors inne gehabt. Mit Kündigung des Chefarztvertrags sei ihm diese Leitung entzogen und seien alle rechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Klinikum beendet worden.
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete des MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
10 
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
11 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
12 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) zurück.
13 
Die Staatsanwaltschaft Freiburg erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger zum Amtsgericht - Schöffengericht - Freiburg. Er wird beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben. Gegenüber zugleich angeklagten weiteren Personen wurde das Verfahren im November 2009 gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO der Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht noch aus.
14 
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, das Ministerium beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
15 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000 EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe.
16 
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten u.a. folgenden Beschluss:
17 
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. ... wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
2. …
3. …
18 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
19 
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Auch gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg (1 K 1803/10). Mit Beschluss vom 19.12.2010 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf das hiesige Berufungsverfahren aus.
20 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum Freiburg.
21 
Unter dem 20.01.2010 hatte das Universitätsklinikum dem Kläger mitgeteilt, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Hiergegen und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
22 
Bereits mit Schriftsatz vom 22.12.2009 hatte der Vorstand des Beklagten den Kläger aufgefordert, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen.
23 
Gegen die Kündigung des Dienstvertrags vom 24./25.01.2008 hatte der Kläger bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg Klage erhoben (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
24 
Der Kläger hat die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufhebung des „Bescheids vom 24. und 25.01.2008“ begehrt. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung habe es in formell-rechtlicher Hinsicht am erforderlichen Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät gefehlt. Das Einvernehmenserfordernis sichere gegenüber dem verselbständigten Beklagten die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht komme schützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu. Ob die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte nicht befugt sei, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden, bleibe offen.
25 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
26 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig. Sie habe weder zu einem Eingriff in das statusrechtliche noch in das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers geführt. Daran ändere auch nichts, dass dem Kläger durch Einweisungserlasse des Dienstherrn die Leitungsfunktion zugewiesen worden sei. Ihm sei das statusrechtliche Amt eines Universitätsprofessors und das abstrakt-funktionelle Amt eines Universitätsprofessors an der Universität Freiburg und nicht die Leitung des Zentrallabors bzw. der Abteilung Klinische Chemie zugewiesen. Im Übrigen liege ein Eingriff in das abstrakt-funktionelle Amt auch deshalb nicht vor, weil die Kündigung nicht zu einem Entzug der Leitungsfunktion und zu einer Entbindung von Aufgaben der Krankenversorgung geführt habe. Die im Begleitschreiben vom 28.01.2008 erwähnten Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Kündigungserklärung und deshalb auch nicht des vorliegenden Prozesses. Es handele sich um die Kündigung flankierende selbständig anfechtbare Vollzugsmaßnahmen, die Gegenstand gesonderter Rechtsbehelfsverfahren seien. Die Leitungsfunktion und die Aufgaben in der Krankenversorgung seien ihm nicht durch die Kündigung, sondern durch andere selbständig anfechtbare Maßnahmen entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setze die Kündigung des Chefarztvertrags die Abberufung des Klägers nicht voraus. Neben das Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg und neben die Bestellung zum Abteilungsleiter trete der Chefarztvertrag als dritte Rechtsebene. Weder der Chefarztvertrag vom 09.12.1998 noch der Chefarztvertrag vom 24.07.2007 hätten den Kläger zum Abteilungsleiter bestellt. Dies belege der Inhalt dieser Verträge. Die Hauptbedeutung des Vertrags bestehe darin, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Die Funktion als Abteilungsleiter sei nicht zwingend mit den Rechten aus dem gekündigten Chefarztvertrag verbunden. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Die Kündigung habe nur dazu geführt, dass die Konkretisierung dieser Aufgaben durch den Chefarztvertrag entfallen sei. Die Aufgabe selbst und ihre Wahrnehmung seien von der Kündigung unberührt geblieben. Die Erklärung des Einvernehmens der medizinischen Fakultät gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. sei nicht erforderlich gewesen. Durch die Kündigung vom 24./25.01.2008 sei dem Kläger die Funktion als Abteilungsleiter nicht vollständig entzogen worden und es habe sich daher nicht um eine Abberufung gehandelt. Die Parteien hätten mit dem Chefarztvertrag eine von der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelung treffen wollen. Die Kündigung habe sich auf die Rechtspositionen des Klägers bezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis und der Übertragung der Abteilungsleitung ergeben hätten. Dies gelte etwa für den Vergütungsanspruch in § 8, der nicht aus der Bestellung zum Abteilungsleiter folge, sondern sich aus dem Chefarztvertrag ergebe. Wie § 5 des Chefarztvertrags vom 09.12.1998 belege, setze die Liquidationsbefugnis wie die daraus folgenden Ansprüche die Bestellung zum Abteilungsleiter voraus, sie folge aber nicht aus ihr. Der Chefarztvertrag sei unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar, wobei die Kündigung nur das Nebenamt und nicht das Hauptamt betreffe. Selbst wenn man davon ausginge, dass in der Kündigung des Chefarztvertrags zugleich die Abberufung von der Abteilungsleitung liege, wäre der angebliche Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG geheilt. Der Vorstand des Beklagten habe in seiner Sitzung vom 28.09.2009 u. a. beschlossen, an der Kündigung vom 24.01.2008 festzuhalten. Der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät habe in seiner Sitzung vom 30.09.2009 das Einvernehmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erteilt. Die Kündigung des Chefarztvertrags habe keine Auswirkungen auf die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Klägers gehabt. Die Leitungsfunktion sei dem Kläger erst durch die Abberufung von der Abteilungsleitung mit Schreiben vom 20.01.2010 entzogen worden. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Leiter der Abteilung Klinische Chemie mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert. Deshalb berühre der unterstellte Entzug der Leitungsfunktion für das Zentrallabor nicht die Wissenschaftsfreiheit des Klägers als Universitätsprofessor aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung präge die amtsangemessene Beschäftigung des Klägers und sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Diese Gewährleistungen würden indes durch die Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Selbst wenn die Kündigung zum Entzug der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung geführt hätte, wäre sie allenfalls teilweise unwirksam. Denn sie habe keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers in Forschung und Lehre gehabt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe der Dekan der medizinischen Fakultät dem Kläger in Ergänzung zu den ihm bereits zugewiesenen Labor- und Büroräumen Personal zugeteilt und ihm ein jährliches Sachmittelbudget in Höhe von 15.000,-- EUR (für das Jahr 2009: 7.500,-- EUR) zur Verfügung gestellt. Zur Erfüllung seiner persönlichen Lehrverpflichtung im Wintersemester 2009/2010 habe er ihm bestimmte Lehrveranstaltungen zugewiesen. Die Zuweisung angemessener Räume und die Sach- und Personalmittelzuweisung seien Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Der Kläger nehme seit Sommersemester 2009 wieder Aufgaben in der Lehre wahr. Die außerordentliche wie auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
27 
Der Beklagte beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, für eine Kündigung, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, fehle dem Beklagten die Zuständigkeit. Mit dem unter dem Deckmantel einer arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben sei. Unter Verletzung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit sei ihm die Möglichkeit gänzlich genommen worden, patientennahe klinische Forschungsarbeiten weiterzuverfolgen und durchzuführen, da das Verbot der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ein Verbot, die Forschungsräume und das Zentrallabor zu betreten, mit umfasse. Es liege auf der Hand, dass sich seine Forschungstätigkeit mit den ihm später zugewiesenen Mitteln nicht mehr auf die gesamte Breite des von ihm vertretenen Fachs erstrecken könne. Da der Beklagte ihm auch das Recht zum Betreten des Klinikums verwehrt habe, wo die Lehrveranstaltungen abgehalten würden, sei er auch aus dem Lehrbetrieb ausgeschlossen worden. Erst mit Verfügung vom 08.05.2009 sei er verpflichtet worden, eine fremdorganisierte und rein praktisch ausgerichtete Lehrveranstaltung abzuhalten. Als verbeamteter Hochschullehrer habe er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemäß beschäftigt zu werden. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sei er indes beinahe zwei Jahre von der Krankenversorgung ausgeschlossen worden. Bei der ihm auferlegten Befundtätigkeit im sog. Lipid-Labor handle es sich um eine medizinisch unangebrachte, gefährliche und schikanierende Pseudo-Tätigkeit, nur um in dem hier vorliegenden Rechtsstreit vortragen zu können, dass er noch Aufgaben in der Krankenversorgung habe. Durch den Einweisungserlass vom 09.07.1990 sei auch die Leitung der Abteilung Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums am Klinikum als zu seinem statusrechtlichen und abstrakt- funktionellen Amt gehörend erklärt worden. Seit Entzug seines bisherigen Aufgabenbereichs habe er nicht mehr in ausreichender Weise Zugang zu Patienten, so dass die Ausbildung von Assistenten unmöglich sei. Da zudem seine Forschungstätigkeit vereitelt werde, werde ihm u.a. die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Qualifikation unmöglich gemacht. Klinische prospektive Studien könne er ohne direkten Zutritt zu den Räumen des Zentrallabors nicht durchführen. Selbst wenn man die Leitungsfunktion nicht dem Statusamt zuordne, sei diese wenigstens als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne zu verstehen. Denn die Leitungsfunktion sei ihm durch gesonderte Verfügungen des Dienstherrn zunächst am 22.02.1984 und später am 01.07.1990 auf Dauer zugewiesen worden. Durch die Kündigung sei ihm die Leitungsfunktion endgültig entzogen worden und folglich sein Recht auf amtsangemessene Beschäftigung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Auch wenn man lediglich einen Eingriff in das konkret-funktionelle Amt annehme, sei die Kündigung nicht als rechtmäßig zu qualifizieren. Als Leiter einer Institution der mittelbaren Krankenversorgung habe er keinen direkten Patientenkontakt, so dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag nicht zum Tragen kämen. Der Dienstherr habe festgestellt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn nicht zweifelsfrei bestätigt hätten und deshalb von einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG abgesehen werde. Der Vortrag des Beklagten, die Kündigung des Chefarztvertrages habe die Abteilungsleitung unberührt gelassen, sei unschlüssig und unzutreffend. Da die Dienstaufgaben eines Hochschullehrers aus dem Fachbereich Medizin in Form von Lehre, Forschung und Krankenversorgung untrennbar miteinander verknüpft seien, stelle der dauerhafte Ausschluss aus der Krankenversorgung regelmäßig eine Verletzung des Statusamts dar. Der Beklagte selbst habe ausgeführt, dass die Abberufung von der Abteilungsleitung nur durch einen widerrufenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde, dem MWK, und unter den Voraussetzungen der dafür im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Vorschriften hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte verkenne, dass der Chefarztvertrag als öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zu sehen sei, die erst durch die Bestellung zum Abteilungsleiter begründet würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch das MWK der Ansicht, dass das Recht zur Privatliquidation automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden sei. § 5 Abs. 1 Nr. 2 HNTVO zeige, dass die Liquidationsbefugnis entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl mit der Abteilungsleitung verbunden sei. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze, komme es nicht auf die Gestalt oder Form, sondern auf die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs an. Da die Kündigung mit dem dauerhaften Verbot jeglicher Tätigkeit in der Krankenversorgung und einem Ausschluss aus Forschung und Lehre einhergegangen und dem Regelungsgehalt nach auch als Abberufung von der Abteilungsleitung anzusehen sei, sei vom Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG auszugehen. Einer Heilung seines Fehlens über § 45 LVwVfG stehe entgegen, dass diese Vorschrift nur für bloße Verfahrensvorschriften gelte. Bei dem Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG handle es sich indes um eine mit Sicherungsfunktion ausgestattete Verfahrensvorschrift, die einen individualgrundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers konstituiere und deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen sei.
32 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig. Obwohl sie einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt darstelle, fehle es für den Entzug der Leitungsfunktion und den Entzug der Dienstaufgaben an einer Ermächtigungsgrundlage. Dadurch sei er in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Weder § 11 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 noch § 626 BGB stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die kündigungsbedingten Grundrechtseingriffe dar. Im Übrigen lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte, die einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten, nicht vor. Aber auch die weitere Voraussetzung, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, könne mit Blick auf die Ansicht des Beklagten, durch die Kündigung sei vor allem seine Aufgabe in der Krankenversorgung wie auch die Leitungsfunktion unberührt geblieben, nicht angenommen werden. Durch die Kündigung seien ihm sowohl die Abteilungsleitung als auch sämtliche Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen worden. Selbst nach der Rechtsauffassung des Beklagten wäre dies nur im Wege eines Verwaltungsakts möglich, so dass an dem Hilfsantrag festgehalten werde.
33 
Das beigeladene Land beantragt ebenfalls,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Es führt aus, dass die in den Chefarztverträgen geregelte Krankenhausliquidation eine anders ausgestaltete Form der allgemein genehmigten Nebentätigkeit im Sinne des § 5 HNTVO darstelle. Dieses Recht zur Privatliquidation sei automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden. Am 24.07.2007 hätten das Universitätsklinikum Freiburg und der Kläger einen Chefarztvertrag abgeschlossen, in dem er sein Recht zur Privatliquidation auf das Universitätsklinikum übertragen habe. In der Folgezeit sei eine Klinikliquidation durch das Universitätsklinikum Freiburg erfolgt. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Chefarztvertrages bemesse sich danach, ob ein Kündigungsgrund gemäß § 11 des Chefarztvertrages vorgelegen habe. Die Stellung als Abteilungsleiter werde von der Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Sie umfasse das gesamte Spektrum der Aufgaben des Professors auch in Forschung und Lehre und in den in der Einweisungsverfügung übertragenen Grundaufgaben in der Krankenversorgung über den Chefarztvertrag hinaus. Der Chefarztvertrag umfasse ergänzend nur bestimmte Aspekte in der Krankenversorgung als Institut zur Ablösung des Liquidationsrechts, insbesondere Fragen der Vergütung, Behandlung der Privatpatienten und der Durchführung von Leitungsaufgaben an der Klinik. Die Stellung als Abteilungsleiter könne nur durch Abberufung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Im Chefarztvertrag sei lediglich die nähere Ausgestaltung der Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikums im vorgenannten Sinne vorgenommen worden. Das Beamtenverhältnis zum Land könne nicht durch einen Chefarztvertrag des rechtlich selbständigen Universitätsklinikums Freiburg verändert werden, zuständig dafür wäre der Minister als Dienstvorgesetzter der Professoren.
36 
Mit Beschluss vom 15.07.2010 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den auf Zutrittgewährung zum Zentrallabor oder anderweitig angemessene Mittelausstattung sowie Verschaffung einer Möglichkeit zur Teilnahme an der Krankenversorgung gerichteten Eilantrag abgelehnt (1 K 2586/09). Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der Senat teilweise stattgegeben (9 S 1984/10).
37 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Zahlungsklage wegen der ihm im Jahre 2008 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Beschluss vom 27.02.2012 ist das Klageverfahren bis zur unanfechtbaren Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
38 
Am 31.03.2012 ist der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.
39 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 3 K 2749/08 (einschließlich der dort beigezogenen Akten des Beklagten <3 Leitzordner> und des beigeladenen Landes , 1 K 2594/11 und 1 K 1803/10 ebenso vor wie die Akten der Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 und 9 S 3387/11 und des Verfahrens auf Zulassung der Berufung 9 S 2596/10 (einschließlich der dort vorgelegten Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg 3 K 1412/08 und1 K 2104/03). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
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Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
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Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
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Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
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Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
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Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
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Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
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Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
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Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
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Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
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Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
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Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
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Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
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Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2008 - 15 B 2574/06 -verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Schließung einer Bettenstation einer nuklearmedizinischen Klinik an einem gegenüber der Universität organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikum.

I.

2

1. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den im fachgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren zunächst ergangenen letztinstanzlichen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurückverwiesen hatte (vgl. BVerfGK 12, 440), wendet sich der Beschwerdeführer nach erneuter Zurückweisung seines Antrags durch das Oberverwaltungsgericht wiederum im Wege einer Verfassungsbeschwerde gegen die im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen und die Stationsschließung durch das Universitätsklinikum.

3

Den im Rahmen des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Erlass einer - verfassungsgerichtlichen - einstweiligen Anordnung hat die beschließende Kammer abgelehnt (vgl. zu den insoweit tragenden Gründen: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2008 - 1 BvR 1165/08 -, juris).

4

2. In seinem Beschluss vom 7. April 2008, dem das Oberverwaltungsgericht gemäß dem im Verfahren 1 BvR 1736/07 ergangenen stattgebenden Beschluss eine vom Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit geforderte schützende Wirkung des Einvernehmenserfordernisses zugunsten des einzelnen Hochschullehrers am Fachbereich Medizin der Universität gegenüber dem Universitätsklinikum zugrunde legt, begründet das Oberverwaltungsgericht die Versagung des im Ausgangsverfahren beantragten Eilrechtsschutzes nunmehr vorrangig damit, dass ein Betroffensein von Forschung und Lehre und damit die Erforderlichkeit einer Einvernehmenserteilung zu der vom Vorstand des Universitätsklinikums beschlossenen Schließung der Station NU 01 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne. Selbst bei unterstellt erforderlichem und rechtswidrig nicht eingeholtem Einvernehmen sei die vom Beschwerdeführer begehrte einstweilige Anordnung aber nicht zu erlassen, denn es sei angesichts der Umstände davon auszugehen, dass ein Einvernehmen von den Organen des Fachbereichs Medizin erteilt werden würde. Unabhängig davon ergebe schließlich auch eine reine Folgenabwägung, dass der begehrte einstweilige Rechtsschutz abzulehnen sei.

5

Im Einzelnen argumentiert das Oberverwaltungsgericht wie folgt:

6

a) Hinsichtlich der durch das Einvernehmenserfordernis verfahrensmäßig gesicherten Belange der Wissenschaftsfreiheit der Hochschulprofessoren sei zwischen Entscheidungen des Universitätsklinikums, die von ihrer Zielrichtung auf die Wissenschaftsfreiheit gerichtet seien, und solchen, die sich allein tatsächlich auf die Wissenschaftsfreiheit auswirkten, zu unterscheiden. Bei Entscheidungen der letztgenannten Art sei das Merkmal des Betroffenseins von Forschung und Lehre nicht bereits dann erfüllt, wenn das wissenschaftliche Hochschulpersonal irgendwie tangiert werde beziehungsweise irgendwelche Auswirkungen auf Forschung und Lehre feststellbar seien, sondern erst dann, wenn eine Entscheidung des Universitätsklinikums die Gefahr in sich trage, dass sie die Forschungsfreiheit des betroffenen Hochschullehrers verletzen könnte, etwa dadurch, dass sie bislang ausgeübte Forschung in beachtlichem Maße erschweren oder unmöglich machen würde. Erst dann sei es gerechtfertigt, für eine zur effizienten Organisation der Krankenpflege gebotene Entscheidung zu fordern, dass der Fachbereich Medizin der Universität unter dem Gesichtspunkt der Beachtung der Belange von Forschung und Lehre zustimmen müsse.

7

Nach den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffe danach die Schließung der Station NU 01 den Bereich von Forschung und Lehre nicht. Dies wäre zwar der Fall, wenn durch die Stationsschließung eine stationäre nuklearmedizinische Behandlung insgesamt aufgegeben worden wäre. Denn bei dieser handele es sich um eine von der Wissenschaftsfreiheit erfasste bisherige Forschungstätigkeit des Beschwerdeführers, die dann in beachtlichem Maße erschwert wäre. Die Möglichkeit zu stationärer nuklearmedizinischer Behandlung bleibe dem Beschwerdeführer aber im Kernforschungszentrum in Jülich erhalten. Die Auswirkungen der Stationsschließung bestünden allenfalls darin, dass ursprünglich avisierte Fälle in quantitativer oder qualitativer Hinsicht nicht mehr erreicht werden könnten. Erwartungen hinsichtlich des künftigen Umfangs und der Struktur des Patientenstamms beträfen aber den Bereich von Forschung und Lehre nicht.

8

Betreffe die Stationsschließung mangels konkreter Wissenschaftsrelevanz für den Beschwerdeführer mithin lediglich den Umfang stationär nuklearmedizinischer Behandlung, sei für dessen Festlegung allein das Universitätsklinikum zuständig. Ansonsten würden Entscheidungen des Vorstands eines Universitätsklinikums mit wie im vorliegenden Fall lediglich mittelbaren Auswirkungen auf die forschende Tätigkeit der Hochschullehrer auch dem Einvernehmenserfordernis unterworfen, so dass die Führung des Krankenhauses entgegen der mit der Verselbständigung der Universitätskliniken verfolgten Zielsetzung ohne rechtfertigenden Grund der Mitsprache krankenhausfremder Stellen unterworfen würde.

9

b) Selbst wenn man unterstelle, das Einvernehmen sei erforderlich gewesen und rechtswidrig nicht eingeholt worden, sei die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. In Rede stehe nicht etwa ein Anordnungsanspruch des Beschwerdeführers auf Weiterbetrieb der Station NU 01, sondern allein der wissenschaftsfreiheitssichernde Verfahrensanspruch darauf, dass die Stationsschließung nur im Einvernehmen mit dem Fachbereich Medizin der Universität erfolge. Sei ein etwa erforderliches Einvernehmen nicht eingeholt worden, erweise sich die einwilligungsbedürftige Maßnahme des Universitätsklinikums nicht allein deshalb als materiell, sondern lediglich als formell rechtswidrig. Der zur formellen Rechtswidrigkeit führende Mangel könne durch nachträgliche Einvernehmenserteilung geheilt werden. Eine einstweilige Anordnung könne daher nur ergehen, wenn die Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich Medizin zweifelhaft wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Alle drei Organe des Fachbereichs Medizin seien mehrfach mit der Schließungsentscheidung des Universitätsklinikums befasst gewesen, ohne Einwände gegen sie zu erheben oder auf die Erforderlichkeit einer Einvernehmenserteilung zu bestehen.

10

Darüber hinaus werde, was die Frage einer Verletzung materiellen Rechts des Beschwerdeführers betreffe, an den Ausführungen im Beschluss vom 23. April 2007 festgehalten, wobei die weiteren Ermittlungen ergeben hätten, dass die vom Beschwerdeführer betriebenen Forschungsvorhaben weder beachtlich erschwert, noch unmöglich gemacht würden und mithin durch die Stationsschließung nicht gefährdet seien.

11

c) Unabhängig von den an die Rechtslage geknüpften Erwägungen sei der Antrag des Beschwerdeführers auch bei reiner Folgenabwägung abzulehnen. Für den Fall, dass ein Einvernehmen einzuholen gewesen wäre, aber dennoch die Schließung im Eilverfahren nicht rückgängig gemacht werde, seien die Nachteile für den Beschwerdeführer gering. Dass er begonnene Forschungsvorhaben nicht wie geplant zu Ende führen könne, wiege deshalb nicht schwer, weil die bislang abgeschlossenen Teile der in Rede stehenden Projekte als Teil eines unter Berücksichtigung veränderter Grundlagen fortzuführenden Projektes ihren Wert behielten. Der Beschwerdeführer sei gehalten, seine zukünftigen Forschungsvorhaben den Möglichkeiten des Krankenhauses anzupassen. Die beschränkte Beschwer des Beschwerdeführers schlage sich im Übrigen auch darin nieder, dass der Fachbereich der Schließung voraussichtlich ohnehin zustimmen würde. Umgekehrt würden mit einer Anordnung der Wiedereröffnung der Station NU 01 für den Fall, dass entweder ein Einvernehmen nicht herzustellen gewesen wäre oder ein solches noch erteilt werden würde, dem Universitätsklinikum schwerwiegende Belastungen auferlegt. Die bekannt prekäre Situation des Antragsgegners würde verschärft, nicht nur durch den Weiterbetrieb der Station mit seinen krankenhausfinanzierungsrechtlich negativen Folgen, sondern auch durch den technischen und personellen Sonderaufwand der Wiederinbetriebnahme einer seit mehr als einem Jahr stillgelegten nuklearklinischen Station.

12

3. Nach diesem - erneuten - Beschluss des Oberverwaltungsgerichts stellte das Universitätsklinikum bei der Bezirksregierung einen Antrag auf strahlenschutzrechtliche Freigabe der Station NU 01 mitsamt der dieser Station zugeordneten Abklinganlage, die - nach Ablehnung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz durch den Beschwerdeführer durch das Verwaltungsgericht - auch erteilt wurde. Damit unterliegt die Station NU 01 nicht mehr den Bestimmungen des Atomgesetzes und den darauf erlassenen Rechtsvorschriften, eine nuklearmedizinische Patientenstation kann seitdem nicht mehr auf dem Gelände des Universitätsklinikums betrieben werden. Mittlerweile hat das Klinikum die Station einer anderen Nutzung zugeführt.

13

4. Das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht ist seit dem 9. Januar 2008 anhängig. Mit Schreiben vom 7. November 2008 hat das Gericht mitgeteilt, dass es das Hauptsacheverfahren erst nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren fortsetzen wird.

II.

14

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine erneute Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 5 GG insbesondere durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts.

15

Die erneute Versagung des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes durch das Oberverwaltungsgericht beruhe auf einer grundlegenden Verkennung seiner Grundrechte, in die durch die Schließungsentscheidung der Universitätsklinik eingegriffen worden sei. Wenn man die Betroffenheit von Forschung und Lehre mit dem Oberverwaltungsgericht erst bei einer beachtlichen Erschwerung bislang ausgeübter Forschung annehmen würde, wäre das Einvernehmen erst erforderlich, wenn schon ein materiell verfassungswidriger Eingriff in das Recht auf Grundausstattung vorliege. Damit verkenne das Oberverwaltungsgericht aber die verfahrensförmige Gewährleistung individueller Forschungsfreiheit und das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Recht auf freie Wahl von Gegenstand, Umfang und Zeitplan des eigenen Forschungsprojekts.

16

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei auch nach Änderung des Hochschulgesetzes der Fachbereichsrat für die Erteilung des Einvernehmens zuständig. Wenn das Oberverwaltungsgericht annehme, die Erteilung des Einvernehmens sei nachholbar, weshalb bereits jetzt keine hinreichenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden, verkenne es, dass die Erteilung des Einvernehmens ein von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschütztes, ergebnisoffenes Verfahren sei. Die Erörterung und vor allem das Ergebnis der Frage des Einvernehmens könne das Oberverwaltungsgericht nicht vorwegnehmen.

17

Zudem geht der Beschwerdeführer erneut gegen die Schließungsentscheidung sowie das erstinstanzliche Urteil im Eilrechtsschutzverfahren durch das Verwaltungsgericht vor.

18

2. Der Fachbereich Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie das Universitätsklinikum Düsseldorf haben zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

III.

19

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet, zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers an (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und gibt ihr statt (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

20

Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu. Sowohl die Art. 5 Abs. 3 Satz 1 als auch die Art. 19 Abs. 4 GG betreffenden verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt.

21

Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts richtet - zulässig und offensichtlich begründet.

22

Das Oberverwaltungsgericht hat die für den Beschwerdeführer als Hochschulprofessor aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) folgenden Rechte verkannt und ist damit den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht geworden.

23

Zwar geht es nunmehr davon aus, dass dem Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität eine schützende Wirkung für das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers zukommt und dieser die Wahrung des Einvernehmenserfordernisses somit unmittelbar gegenüber dem Universitätsklinikum geltend machen kann. Allerdings wird weder die Auslegung und Anwendung des in § 2 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über die Errichtung des Klinikums Düsseldorf der Universität Düsseldorf (Universitätsklinikum Düsseldorf) als Anstalt des öffentlichen Rechts (im Folgenden: Klinikumsverordnung Düsseldorf - KlV-Dü) vom 1. Dezember 2000 (GV. NRW S. 729), beziehungsweise jetzt in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Rechtsverordnung für die Universitätskliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster (im Folgenden: Universitätsklinikum-Verordnung - UKVO) vom 20. Dezember 2007 (GV. NRW S. 744) geregelten Einvernehmenserfordernisses den Gewährleistungen des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit gerecht (a), noch trägt das vom Oberverwaltungsgericht verfolgte Rechtsschutzkonzept den grundrechtlichen Gewährleistungsgehalten, die für den einzelnen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgen, hinreichend Rechnung (b).

24

a) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft als einen grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Dem Freiheitsrecht liegt auch der Gedanke zugrunde, dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.).

25

Für Hochschullehrer, die im mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetrieb tätig sind, verwirklicht sich dieses Freiheitsrecht vor allem auch durch die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dem einzelnen Hochschullehrer garantierten, zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit erforderlichen Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten innerhalb des organisierten Wissenschaftsbetriebs (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.). Dieser Einfluss dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen und ist jedem Wissenschaftler im Hinblick auf solche Entscheidungen garantiert, die seine eigene Freiheit zu forschen und zu lehren gefährden können (vgl. BVerfGE 111, 333 <354> m.w.N.).

26

Die für den organisierten Wissenschaftsbetrieb garantierten Einfluss- und Teilhabeberechtigungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erstrecken sich für Hochschullehrer der Medizin nicht in gleichem Umfang auch auf die Aufgabe der Krankenversorgung, die den Universitätskliniken neben der medizinischen Forschung und Lehre übertragen ist. Denn die Aufgabe der Krankenversorgung ist in erster Linie an den Erfordernissen einer bestmöglichen Patientenbehandlung auszurichten. Wegen der engen und oft untrennbaren Verbindung der Tätigkeit des medizinischen Hochschullehrers mit der Krankenversorgung darf das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit bei der Organisation der Krankenversorgung aber nicht gänzlich außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 57, 70 <96 ff.>).

27

Diesen in der Senatsrechtsprechung geklärten, gerade dem einzelnen Hochschullehrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Garantien ist im genannten Umfang auch dann Rechnung zu tragen, wenn ein Universitätsklinikum nicht mehr von der Universität selbst betrieben und unmittelbar geleitet wird, sondern gegenüber der Universität und deren Fachbereich Medizin organisatorisch verselbständigt ist.

28

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat insoweit betont, dass vor allem die Rückbindung von Entscheidungen des - organisatorisch verselbständigten - Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch sichert und damit gewährleistet, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, S. 600 <601>; ferner - daran anschließend - BVerfGK 12, 440 <448>).

29

Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substanzieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung (vgl. § 2 Abs. 1 KlV-Dü, nunmehr § 2 Abs. 1 UKVO) trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 KlV-Dü, nunmehr § 2 Abs. 3 Satz 2 UKVO). Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar. Es reduziert diesen Einfluss auf das spezifisch wissenschaftliche Moment des Klinikumsbetriebs und verlangt (nur) insoweit eine Rückbindung an den Fachbereich Medizin. Universität und Fachbereich Medizin werden auf diese Weise nicht nur von einer unmittelbaren Zuständigkeit und Verantwortung für den jenseits des mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs der Krankenversorgung, sondern von der Zuständigkeit und - primären - Verantwortung für den Klinikumsbetrieb als solchen entlastet.

30

Daher ist die Auslegung des das Einvernehmenserfordernis auslösenden Merkmals des Betroffenseins von Forschung und Lehre vorrangig am Gedanken der Aufrechterhaltung eines umfänglichen Einflusses des Fachbereichs Medizin - und damit der an ihm tätigen medizinischen Hochschullehrer - auf den Bereich von Forschung und Lehre auszurichten. Dies schließt die Annahme einer gewissen Erheblichkeitsschwelle zwar nicht aus, hat aber jedenfalls zur Folge, dass der Bereich von Forschung und Lehre nicht erst dann als betroffen angesehen werden kann, wenn das Einvernehmen im Ergebnis zu verweigern wäre, weil dies aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgende Rechte einzelner, mehrerer oder gar sämtlicher am Fachbereich Medizin tätiger Hochschullehrer verletzt. Forschung und Lehre sind vielmehr auch dann als betroffen anzusehen, wenn die mit einer Entscheidung des Universitätsklinikums einhergehende Beeinträchtigung von Forschung und Lehre im Ergebnis hingenommen werden kann und soll und das Einvernehmen daher erteilt wird. Von einem Betroffensein ist demnach grundsätzlich immer dann auszugehen, wenn der Bereich von Forschung und Lehre durch eine Entscheidung des Universitätsklinikums berührt wird und die Möglichkeit besteht, dass der Fachbereich Medizin und die an ihm tätigen medizinischen Hochschullehrer ihre mit dem Klinikbetrieb verbundenen und auf diesen angewiesenen Forschungs- und Lehraufgaben nicht oder nur verändert wahrnehmen werden können. Von vornherein nicht betroffen sind Forschung und Lehre nur, wenn erkennbar jeder Bezug zur Erfüllung von Forschungs- und Lehraufgaben fehlt und es daher schon der Möglichkeit einer Beeinträchtigung ermangelt.

31

Dieser Bedeutung des Einvernehmenserfordernisses für die Wissenschaftsfreiheit wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht. Durch dessen Auslegung wird der sichernden Funktion des Einvernehmenserfordernisses nicht mehr hinreichend Rechnung getragen. Durch die Trennung zwischen Universitätsklinik und medizinischem Fachbereich sollte der Fachbereich einerseits von der Klinikleitung befreit werden, ohne dabei aber andererseits jegliche Kontrolle über Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, zu verlieren. Die Krankenversorgung erfordert zwar gegenüber der medizinischen Forschung und Lehre anerkanntermaßen eine straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche Entscheidungen ermöglichende Organisation, weshalb die Strukturierung der Krankenversorgung weitgehend unbedenklich mit Rücksicht auf ihre Effizienz erfolgen kann (vgl. BVerfGE 57, 70 <96 ff.>), jedoch darf dies nicht dazu führen, dass dem Fachbereich der Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, genommen oder erheblich beschnitten wird. Durch das Einvernehmenserfordernis sollte dieser grundrechtlich verbürgte Einfluss verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, S. 600 <601>; BVerfGK 12, 440 <448>). Die zu enge Auslegung des Betroffenseins von Forschung und Lehre durch das Oberverwaltungsgericht führt in der konkreten Anwendung dazu, dass trotz erkennbarer - und vom Oberverwaltungsgericht auch offensichtlich erkannter - Auswirkungen des Schließungsbeschlusses der Bettenstation auf die Forschungen des Beschwerdeführers bereits das Einvernehmenserfordernis mit der Begründung abgelehnt wird, laufende Forschungen seien entweder überhaupt nicht betroffen oder könnten auch in Jülich durchgeführt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat damit zwar selbst erkannt, dass sich die Entscheidung des Klinikvorstandes auf die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers auswirkt, daraus aber nicht die notwendige Konsequenz gezogen, das Einvernehmen sei erforderlich, sondern ist der originär vom Fachbereich Medizin zu erörternden Frage nachgegangen, ob dem Beschwerdeführer alternative Forschungsmöglichkeiten verbleiben. Damit werden dessen Einfluss- und Teilhabemöglichkeiten durch eine gerichtliche Bewertung ersetzt. Diese Auslegung verkennt, dass neben diesem Anspruch auch die Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs und die insoweit garantierten Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen der zuständigen Hochschulorgane durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist und setzt in unzulässiger Weise das Teilhaberecht mit dem Recht auf Grundausstattung gleich.

32

b) Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, es sei nicht zweifelhaft, dass ein etwa doch erforderliches Einvernehmen nachgeholt werde, hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. An die Tragfähigkeit einer solchen Prognose sind mit Rücksicht auf die Bedeutung des Einvernehmenserfordernisses für die Wissenschaftsfreiheit hohe Anforderungen zu stellen. Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Annahme darauf, dass die Universität mehrfach mit der Schließungsentscheidung befasst gewesen sei, ohne auf einem Einvernehmen bestanden oder Einwände gegen die Schließung erhoben zu haben. Dabei berücksichtigt es indessen nicht hinreichend, dass die Universität selbst dann nicht ausdrücklich und zweifelsfrei - zumindest vorsorglich - ihr Einvernehmen hergestellt hat, als dessen Erforderlichkeit ernstlich in Betracht zu ziehen war; das dürfte spätestens seit dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) der Fall gewesen sein. Das bloße Nichterheben von Einwänden und die Befassung mit der Schließung der Bettenstation allein können jedenfalls den Schluss auf eine künftige ausdrückliche Erteilung eines Einvernehmens nicht tragen. Das Unterbleiben einer ausdrücklichen Einvernehmenserklärung kann seinen Grund auch darin haben, dass sich die zuständigen Organe zu einer solchen Entschließung aus verschiedenen Gründen nicht imstande gesehen oder die Bedeutung der Maßnahme für die Wissenschaftsfreiheit des Beschwerdeführers nicht zutreffend eingeschätzt haben. Im Übrigen kommt es für die angestellte Prognose nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Das Oberverwaltungsgericht hätte auch in den Blick nehmen müssen, ob mit der Erteilung in einer Weise zu rechnen wäre, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zugunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfGK 12, 440 <450>). Dies gilt gerade in Bezug auf die Bedeutung des Einvernehmens als Ausdruck geschützter Teilhabe am universitären Willensbildungsprozess.

33

c) Der durch das Oberverwaltungsgericht hilfsweise vorgenommenen Folgenabwägung fehlt eine tragfähige Grundlage, da diese die in Rede stehende Grundrechtsposition des Beschwerdeführers nicht hinreichend berücksichtigt.

34

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet, liegen Annahmegründe gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vor. Eine Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers ist nicht angezeigt.

35

Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hatte die 2. Kammer des Ersten Senats im Beschluss vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) nicht zur Entscheidung angenommen, da der Beschluss den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven einstweiligen Rechtsschutzes noch gerecht wurde. Zwar hat sich die Tatsachenbasis dahingehend geändert, dass die Annahmen, die das Verwaltungsgericht seinen Überlegungen zugrunde legt, mittlerweile als überholt gelten können. Jedoch wirkt sich die nachträglich vom Oberverwaltungsgericht festgestellte tatsächliche Nichterteilung des Einvernehmens nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts aus, da in Eilverfahren wie dem vorliegenden maßgeblich darauf abzustellen ist, ob das durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt ist. Dabei ist nur zu prüfen, ob die Anwendung von § 123 VwGO Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz beruhen (vgl. BVerfGE 79, 69 <74>). Davon ist vorliegend auch unter dem Eindruck der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht auszugehen. Denn nach wie vor ist festzuhalten, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht davor schützt, dass im Eilverfahren lediglich eine summarische Prüfung erfolgt, die im Hauptsacheverfahren eingehender überprüft werden und deshalb ein anderes Ergebnis haben kann (vgl. schon BVerfGK 12, 440 <451>). Daran ändert auch die nachträgliche Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das Einvernehmen sei doch nicht ausgesprochen worden, nichts, denn von Verfassungs wegen ist nicht zu fordern, dass jede Eilrechtsentscheidung von richtigen Tatsachen sowie der richtigen rechtlichen Einordnung dieser Tatsachen ausgehen muss. Diese "Fehleranfälligkeit" ist einem Eilverfahren inhärent und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange das Gericht erkennbar nur eine summarische Prüfung vornimmt und die eigentliche Klärung der Frage in der Entscheidung der Hauptsache vornimmt. Das Verwaltungsgericht hat vorliegend in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht komplexe Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Schließung der Bettenstation Forschung und Lehre betrifft, lediglich einer summarischen Prüfung unterzogen, dabei jedoch die Gewichtung der Grundrechte, insbesondere von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht grundlegend verkannt.

36

3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers auch nicht insoweit angezeigt, als er sich unmittelbar gegen den Schließungsbeschluss des Vorstandes des Universitätsklinikums sowie dessen faktische Umsetzung richtet. Auch insoweit hatte die 2. Kammer des Ersten Senats im Beschluss vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. An dieser Entscheidung wird festgehalten.

37

a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Schließungsbeschluss richtet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da der Rechtsweg nicht erschöpft und der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt wurde. Die Verweisung auf den Hauptsacherechtsweg kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn eine weitere Sachverhaltsklärung nicht erforderlich ist, die im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Fragen identisch mit denjenigen im Eilverfahren sind und nicht damit zu rechnen ist, dass das Hauptsacheverfahren eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts entbehrlich macht (vgl. BVerfGE 75, 318 <325>). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, da weitere Sachverhaltsaufklärung - beispielsweise zum genauen Ablauf der Dekanats-, Vorstands- und Fachbereichsratssitzungen - erforderlich ist. So obliegt es in erster Linie den Fachgerichten zu klären, ob das Dekanat oder der Fachbereichsrat für die Entscheidung über die Frage der Einvernehmenserteilung zuständig ist und ob sich die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KlV-Dü, die dem Dekanat die Beschlussfassung über die Verteilung der für die Forschung und Lehre im Fachbereich vorgesehenen Stellen und Mittel zuweist, noch im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 41 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 14. März 2000 (GV. NRW S. 190) in der Fassung des Gesetzes vom 30. November 2004 (GV. NRW S. 752) hält.

38

b) Auch hinsichtlich der Beschwerde gegen den faktischen Vollzug des Schließungsbeschlusses kann auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2007 (1 BvR 1736/07) verwiesen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zunächst erneut über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.

39

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

IV.

40

Die Entscheidung zur Auslagenerstattung und zur Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität Freiburg tätiger Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis) heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben) obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums. § 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
Bereits im Januar 2007 war der Kläger in einem anonymen Schreiben an den Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt worden. Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung am Universitätsklinikum. Nach dem Stand der damaligen Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und der ............... (Fa. ...) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für seine Labore über die Fa. ... zu beziehen (Umsatzvolumen: mindestens 25 Mio. EUR). Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. ... erhalten habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „......... Management GmbH“ mit dem Geschäftszweck „Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
Auf die Aufforderung des Beklagten in einem Schreiben vom 14.01.2008 nahm der Kläger zu den Vorwürfen unter dem 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“ aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom 18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. W. Da seine Tätigkeit in der Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen. Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung gestellt.
Mit Schriftsatz vom 30.01.2008 bat der Kläger um Mitteilung der rechtlichen Grundlagen, die den Beklagten dazu berechtigten, die verbindliche Berufungszusage des Ministeriums vom 17.08.1983 zunichte zu machen. In einer Stellungnahme des Klinikumsvorstands vom 01.02.2008 heißt es hierzu, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors sei durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2008 (richtig: 2007) auf eine neue Basis gestellt worden. Die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das MWK sei damit überholt gewesen. Allein aufgrund dieses Chefarztvertrages habe er die Leitung des Zentrallabors inne gehabt. Mit Kündigung des Chefarztvertrags sei ihm diese Leitung entzogen und seien alle rechtlichen Beziehungen zwischen Kläger und Klinikum beendet worden.
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete des MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem 05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
10 
Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
11 
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) einen „Antrag auf Wahrnehmung der Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige Universität weiter.
12 
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag wies das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) zurück.
13 
Die Staatsanwaltschaft Freiburg erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger zum Amtsgericht - Schöffengericht - Freiburg. Er wird beschuldigt, im Zusammenhang mit Verträgen über Laborbedarf Vergehen der Bestechlichkeit in vier Fällen und der Vorteilsannahme begangen zu haben. Gegenüber zugleich angeklagten weiteren Personen wurde das Verfahren im November 2009 gegen Auflagen eingestellt. Mit Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO der Großen Strafkammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens steht noch aus.
14 
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, das Ministerium beabsichtige, die Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der Krankenversorgung wahrnehme.
15 
Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der Fakultätsvorstand - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000 EUR und Personalmittel in Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe.
16 
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten u.a. folgenden Beschluss:
17 
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. ... wird vom Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen, vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
2. …
3. …
18 
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
19 
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007 vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe. Auch gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg (1 K 1803/10). Mit Beschluss vom 19.12.2010 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Blick auf das hiesige Berufungsverfahren aus.
20 
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum Freiburg.
21 
Unter dem 20.01.2010 hatte das Universitätsklinikum dem Kläger mitgeteilt, hiermit werde er als Leiter der Abteilung Klinische Chemie abberufen. Hiergegen und gegen die Änderung der Funktionsbeschreibung und der Dienstaufgaben erhob der Kläger Widerspruch.
22 
Bereits mit Schriftsatz vom 22.12.2009 hatte der Vorstand des Beklagten den Kläger aufgefordert, nach Zuweisung personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu übernehmen.
23 
Gegen die Kündigung des Dienstvertrags vom 24./25.01.2008 hatte der Kläger bereits am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht Freiburg Klage erhoben (11 Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen.
24 
Der Kläger hat die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufhebung des „Bescheids vom 24. und 25.01.2008“ begehrt. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) hat das Verwaltungsgericht Freiburg festgestellt, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung habe es in formell-rechtlicher Hinsicht am erforderlichen Einvernehmen des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät gefehlt. Das Einvernehmenserfordernis sichere gegenüber dem verselbständigten Beklagten die Wissenschaftsfreiheit auch organisatorisch. Diesem Verfahrensrecht komme schützende Wirkung zu Gunsten des einzelnen medizinischen Hochschullehrers zu. Ob die Kündigung auch deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte nicht befugt sei, den Kläger von der Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung gänzlich zu entbinden, bleibe offen.
25 
Hiergegen hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
26 
Die Kündigung sei formell rechtmäßig. Sie habe weder zu einem Eingriff in das statusrechtliche noch in das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers geführt. Daran ändere auch nichts, dass dem Kläger durch Einweisungserlasse des Dienstherrn die Leitungsfunktion zugewiesen worden sei. Ihm sei das statusrechtliche Amt eines Universitätsprofessors und das abstrakt-funktionelle Amt eines Universitätsprofessors an der Universität Freiburg und nicht die Leitung des Zentrallabors bzw. der Abteilung Klinische Chemie zugewiesen. Im Übrigen liege ein Eingriff in das abstrakt-funktionelle Amt auch deshalb nicht vor, weil die Kündigung nicht zu einem Entzug der Leitungsfunktion und zu einer Entbindung von Aufgaben der Krankenversorgung geführt habe. Die im Begleitschreiben vom 28.01.2008 erwähnten Maßnahmen seien nicht Gegenstand der Kündigungserklärung und deshalb auch nicht des vorliegenden Prozesses. Es handele sich um die Kündigung flankierende selbständig anfechtbare Vollzugsmaßnahmen, die Gegenstand gesonderter Rechtsbehelfsverfahren seien. Die Leitungsfunktion und die Aufgaben in der Krankenversorgung seien ihm nicht durch die Kündigung, sondern durch andere selbständig anfechtbare Maßnahmen entzogen worden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setze die Kündigung des Chefarztvertrags die Abberufung des Klägers nicht voraus. Neben das Dienstverhältnis mit dem Land Baden-Württemberg und neben die Bestellung zum Abteilungsleiter trete der Chefarztvertrag als dritte Rechtsebene. Weder der Chefarztvertrag vom 09.12.1998 noch der Chefarztvertrag vom 24.07.2007 hätten den Kläger zum Abteilungsleiter bestellt. Dies belege der Inhalt dieser Verträge. Die Hauptbedeutung des Vertrags bestehe darin, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Die Funktion als Abteilungsleiter sei nicht zwingend mit den Rechten aus dem gekündigten Chefarztvertrag verbunden. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Die Kündigung habe nur dazu geführt, dass die Konkretisierung dieser Aufgaben durch den Chefarztvertrag entfallen sei. Die Aufgabe selbst und ihre Wahrnehmung seien von der Kündigung unberührt geblieben. Die Erklärung des Einvernehmens der medizinischen Fakultät gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. sei nicht erforderlich gewesen. Durch die Kündigung vom 24./25.01.2008 sei dem Kläger die Funktion als Abteilungsleiter nicht vollständig entzogen worden und es habe sich daher nicht um eine Abberufung gehandelt. Die Parteien hätten mit dem Chefarztvertrag eine von der Stellung des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelung treffen wollen. Die Kündigung habe sich auf die Rechtspositionen des Klägers bezogen, die sich nicht unmittelbar aus dem Beamtenverhältnis und der Übertragung der Abteilungsleitung ergeben hätten. Dies gelte etwa für den Vergütungsanspruch in § 8, der nicht aus der Bestellung zum Abteilungsleiter folge, sondern sich aus dem Chefarztvertrag ergebe. Wie § 5 des Chefarztvertrags vom 09.12.1998 belege, setze die Liquidationsbefugnis wie die daraus folgenden Ansprüche die Bestellung zum Abteilungsleiter voraus, sie folge aber nicht aus ihr. Der Chefarztvertrag sei unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar, wobei die Kündigung nur das Nebenamt und nicht das Hauptamt betreffe. Selbst wenn man davon ausginge, dass in der Kündigung des Chefarztvertrags zugleich die Abberufung von der Abteilungsleitung liege, wäre der angebliche Verfahrensmangel gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG geheilt. Der Vorstand des Beklagten habe in seiner Sitzung vom 28.09.2009 u. a. beschlossen, an der Kündigung vom 24.01.2008 festzuhalten. Der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät habe in seiner Sitzung vom 30.09.2009 das Einvernehmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erteilt. Die Kündigung des Chefarztvertrags habe keine Auswirkungen auf die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit des Klägers gehabt. Die Leitungsfunktion sei dem Kläger erst durch die Abberufung von der Abteilungsleitung mit Schreiben vom 20.01.2010 entzogen worden. Im Übrigen sei die Tätigkeit als Leiter der Abteilung Klinische Chemie mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert. Deshalb berühre der unterstellte Entzug der Leitungsfunktion für das Zentrallabor nicht die Wissenschaftsfreiheit des Klägers als Universitätsprofessor aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung präge die amtsangemessene Beschäftigung des Klägers und sei Bestandteil des abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor. Diese Gewährleistungen würden indes durch die Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Selbst wenn die Kündigung zum Entzug der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung geführt hätte, wäre sie allenfalls teilweise unwirksam. Denn sie habe keine Auswirkungen auf die Tätigkeit des Klägers in Forschung und Lehre gehabt. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe der Dekan der medizinischen Fakultät dem Kläger in Ergänzung zu den ihm bereits zugewiesenen Labor- und Büroräumen Personal zugeteilt und ihm ein jährliches Sachmittelbudget in Höhe von 15.000,-- EUR (für das Jahr 2009: 7.500,-- EUR) zur Verfügung gestellt. Zur Erfüllung seiner persönlichen Lehrverpflichtung im Wintersemester 2009/2010 habe er ihm bestimmte Lehrveranstaltungen zugewiesen. Die Zuweisung angemessener Räume und die Sach- und Personalmittelzuweisung seien Gegenstand gerichtlicher Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Der Kläger nehme seit Sommersemester 2009 wieder Aufgaben in der Lehre wahr. Die außerordentliche wie auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung seien auch materiell rechtmäßig gewesen.
27 
Der Beklagte beantragt,
28 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
29 
Der Kläger beantragt,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, für eine Kündigung, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, fehle dem Beklagten die Zuständigkeit. Mit dem unter dem Deckmantel einer arbeitsrechtlichen Verdachtskündigung ausgesprochenen Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in der Krankenversorgung sei von einem unzuständigen Organ sein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben sei. Unter Verletzung der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit sei ihm die Möglichkeit gänzlich genommen worden, patientennahe klinische Forschungsarbeiten weiterzuverfolgen und durchzuführen, da das Verbot der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ein Verbot, die Forschungsräume und das Zentrallabor zu betreten, mit umfasse. Es liege auf der Hand, dass sich seine Forschungstätigkeit mit den ihm später zugewiesenen Mitteln nicht mehr auf die gesamte Breite des von ihm vertretenen Fachs erstrecken könne. Da der Beklagte ihm auch das Recht zum Betreten des Klinikums verwehrt habe, wo die Lehrveranstaltungen abgehalten würden, sei er auch aus dem Lehrbetrieb ausgeschlossen worden. Erst mit Verfügung vom 08.05.2009 sei er verpflichtet worden, eine fremdorganisierte und rein praktisch ausgerichtete Lehrveranstaltung abzuhalten. Als verbeamteter Hochschullehrer habe er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemäß beschäftigt zu werden. Selbst nach dem Vortrag des Beklagten sei er indes beinahe zwei Jahre von der Krankenversorgung ausgeschlossen worden. Bei der ihm auferlegten Befundtätigkeit im sog. Lipid-Labor handle es sich um eine medizinisch unangebrachte, gefährliche und schikanierende Pseudo-Tätigkeit, nur um in dem hier vorliegenden Rechtsstreit vortragen zu können, dass er noch Aufgaben in der Krankenversorgung habe. Durch den Einweisungserlass vom 09.07.1990 sei auch die Leitung der Abteilung Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums am Klinikum als zu seinem statusrechtlichen und abstrakt- funktionellen Amt gehörend erklärt worden. Seit Entzug seines bisherigen Aufgabenbereichs habe er nicht mehr in ausreichender Weise Zugang zu Patienten, so dass die Ausbildung von Assistenten unmöglich sei. Da zudem seine Forschungstätigkeit vereitelt werde, werde ihm u.a. die Aufrechterhaltung seiner wissenschaftlichen Qualifikation unmöglich gemacht. Klinische prospektive Studien könne er ohne direkten Zutritt zu den Räumen des Zentrallabors nicht durchführen. Selbst wenn man die Leitungsfunktion nicht dem Statusamt zuordne, sei diese wenigstens als Amt im abstrakt-funktionellen Sinne zu verstehen. Denn die Leitungsfunktion sei ihm durch gesonderte Verfügungen des Dienstherrn zunächst am 22.02.1984 und später am 01.07.1990 auf Dauer zugewiesen worden. Durch die Kündigung sei ihm die Leitungsfunktion endgültig entzogen worden und folglich sein Recht auf amtsangemessene Beschäftigung im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Auch wenn man lediglich einen Eingriff in das konkret-funktionelle Amt annehme, sei die Kündigung nicht als rechtmäßig zu qualifizieren. Als Leiter einer Institution der mittelbaren Krankenversorgung habe er keinen direkten Patientenkontakt, so dass das Vertrauen der Öffentlichkeit bzw. der Patienten in die Kompetenz und Integrität der leitenden Ärzte durch die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag nicht zum Tragen kämen. Der Dienstherr habe festgestellt, dass sich die Vorwürfe gegen ihn nicht zweifelsfrei bestätigt hätten und deshalb von einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG abgesehen werde. Der Vortrag des Beklagten, die Kündigung des Chefarztvertrages habe die Abteilungsleitung unberührt gelassen, sei unschlüssig und unzutreffend. Da die Dienstaufgaben eines Hochschullehrers aus dem Fachbereich Medizin in Form von Lehre, Forschung und Krankenversorgung untrennbar miteinander verknüpft seien, stelle der dauerhafte Ausschluss aus der Krankenversorgung regelmäßig eine Verletzung des Statusamts dar. Der Beklagte selbst habe ausgeführt, dass die Abberufung von der Abteilungsleitung nur durch einen widerrufenden Verwaltungsakt der zuständigen Behörde, dem MWK, und unter den Voraussetzungen der dafür im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Vorschriften hätte erfolgen dürfen. Der Beklagte verkenne, dass der Chefarztvertrag als öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten zu sehen sei, die erst durch die Bestellung zum Abteilungsleiter begründet würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch das MWK der Ansicht, dass das Recht zur Privatliquidation automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden sei. § 5 Abs. 1 Nr. 2 HNTVO zeige, dass die Liquidationsbefugnis entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl mit der Abteilungsleitung verbunden sei. Für die Frage, ob eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verletze, komme es nicht auf die Gestalt oder Form, sondern auf die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs an. Da die Kündigung mit dem dauerhaften Verbot jeglicher Tätigkeit in der Krankenversorgung und einem Ausschluss aus Forschung und Lehre einhergegangen und dem Regelungsgehalt nach auch als Abberufung von der Abteilungsleitung anzusehen sei, sei vom Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG auszugehen. Einer Heilung seines Fehlens über § 45 LVwVfG stehe entgegen, dass diese Vorschrift nur für bloße Verfahrensvorschriften gelte. Bei dem Einvernehmenserfordernis des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG handle es sich indes um eine mit Sicherungsfunktion ausgestattete Verfahrensvorschrift, die einen individualgrundrechtlichen Schutz der Wissenschaftsfreiheit des medizinischen Hochschullehrers konstituiere und deshalb dem materiellen Recht zuzuordnen sei.
32 
Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig. Obwohl sie einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt darstelle, fehle es für den Entzug der Leitungsfunktion und den Entzug der Dienstaufgaben an einer Ermächtigungsgrundlage. Dadurch sei er in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GG und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt. Weder § 11 Abs. 3 Satz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 noch § 626 BGB stellten eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die kündigungsbedingten Grundrechtseingriffe dar. Im Übrigen lägen objektive tatsächliche Anhaltspunkte, die einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung begründeten, nicht vor. Aber auch die weitere Voraussetzung, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, könne mit Blick auf die Ansicht des Beklagten, durch die Kündigung sei vor allem seine Aufgabe in der Krankenversorgung wie auch die Leitungsfunktion unberührt geblieben, nicht angenommen werden. Durch die Kündigung seien ihm sowohl die Abteilungsleitung als auch sämtliche Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen worden. Selbst nach der Rechtsauffassung des Beklagten wäre dies nur im Wege eines Verwaltungsakts möglich, so dass an dem Hilfsantrag festgehalten werde.
33 
Das beigeladene Land beantragt ebenfalls,
34 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
35 
Es führt aus, dass die in den Chefarztverträgen geregelte Krankenhausliquidation eine anders ausgestaltete Form der allgemein genehmigten Nebentätigkeit im Sinne des § 5 HNTVO darstelle. Dieses Recht zur Privatliquidation sei automatisch mit der Bestellung zum Abteilungsleiter verbunden. Am 24.07.2007 hätten das Universitätsklinikum Freiburg und der Kläger einen Chefarztvertrag abgeschlossen, in dem er sein Recht zur Privatliquidation auf das Universitätsklinikum übertragen habe. In der Folgezeit sei eine Klinikliquidation durch das Universitätsklinikum Freiburg erfolgt. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Chefarztvertrages bemesse sich danach, ob ein Kündigungsgrund gemäß § 11 des Chefarztvertrages vorgelegen habe. Die Stellung als Abteilungsleiter werde von der Kündigung des Chefarztvertrages nicht berührt. Sie umfasse das gesamte Spektrum der Aufgaben des Professors auch in Forschung und Lehre und in den in der Einweisungsverfügung übertragenen Grundaufgaben in der Krankenversorgung über den Chefarztvertrag hinaus. Der Chefarztvertrag umfasse ergänzend nur bestimmte Aspekte in der Krankenversorgung als Institut zur Ablösung des Liquidationsrechts, insbesondere Fragen der Vergütung, Behandlung der Privatpatienten und der Durchführung von Leitungsaufgaben an der Klinik. Die Stellung als Abteilungsleiter könne nur durch Abberufung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgen. Im Chefarztvertrag sei lediglich die nähere Ausgestaltung der Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung des Universitätsklinikums im vorgenannten Sinne vorgenommen worden. Das Beamtenverhältnis zum Land könne nicht durch einen Chefarztvertrag des rechtlich selbständigen Universitätsklinikums Freiburg verändert werden, zuständig dafür wäre der Minister als Dienstvorgesetzter der Professoren.
36 
Mit Beschluss vom 15.07.2010 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den auf Zutrittgewährung zum Zentrallabor oder anderweitig angemessene Mittelausstattung sowie Verschaffung einer Möglichkeit zur Teilnahme an der Krankenversorgung gerichteten Eilantrag abgelehnt (1 K 2586/09). Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat der Senat teilweise stattgegeben (9 S 1984/10).
37 
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg Zahlungsklage wegen der ihm im Jahre 2008 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11). Mit Beschluss vom 27.02.2012 ist das Klageverfahren bis zur unanfechtbaren Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.
38 
Am 31.03.2012 ist der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.
39 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg zu den Verfahren 3 K 2749/08 (einschließlich der dort beigezogenen Akten des Beklagten <3 Leitzordner> und des beigeladenen Landes , 1 K 2594/11 und 1 K 1803/10 ebenso vor wie die Akten der Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 und 9 S 3387/11 und des Verfahrens auf Zulassung der Berufung 9 S 2596/10 (einschließlich der dort vorgelegten Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg 3 K 1412/08 und1 K 2104/03). Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
40 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem Hauptantrag zulässig (unter 1.) und begründet (unter 2.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
41 
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs war vom erkennenden Senat nicht zu prüfen (§ 17a Abs. 5 GVG). Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass auch er von einem öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrags vom 24.07.2007 und damit auch des vorliegenden Rechtsstreits ausgeht. Der zwischen dem als juristischer Person des öffentlichen Rechts konstituierten Beklagten und dem Kläger geschlossene Vertrag enthält materiell insbesondere die Konkretisierung der dem Kläger als beamteten Hochschulprofessor durch das Landeshochschulgesetz übertragenen Dienstaufgaben (vgl. § 53 Abs. 1 LHG sowie Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/08 -, Juris Rn. 20). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Der Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des Dienstvertrags betrifft das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Dem Kläger kann auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Zwar ist er wegen Vollendung des 65. Lebensjahrs am 31.03.2012 in den Ruhestand getreten (vgl. § 25 Beamtenstatusgesetz - BeamtenStG - i.V.m. Art. 62 § 3 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 27.10.2010 i.V.m. § 49 Abs. 4 Satz 1 LHG). Deshalb hat der Dienstvertrag jedenfalls mit der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses gemäß dessen § 11 Abs. 4 1. Spiegelstrich sein Ende gefunden. Da indes von der Wirksamkeit der im Januar 2008 erklärten Kündigung des Dienstvertrags abhängt, ob dem Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt keine Vergütungsansprüche gegen den Beklagten gemäß § 8 des Dienstvertrags mehr zustanden, begegnet sein Feststellungsinteresse keinen Zweifeln (vgl. die beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Zahlungsklage 1 K 2594/11). Auch § 43 Abs. 2 VwGO hindert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht. Die Ausübung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit Gestaltungswirkung, die zur Beendigung des Vertragsverhältnisses führt. Derartige rechtsgeschäftliche Erklärungen in öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen sind keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 35 Rn. 136 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 60 Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 08.09.2005 - 3 C 49/04 -, NVwZ 2006, 703, 704).
42 
Ein Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG war entbehrlich. Denn bei der gegen den Beklagten gerichteten Klage handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis. Der Kläger steht in keinem Beamtenverhältnis zum Beklagten. Auch nach der rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika bleiben Professoren des Medizinischen Fachbereichs weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen Universität zugehörig, werden also insbesondere nicht zu Beamten der Klinika im Sinne des § 11UKG (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 33; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
43 
2. Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Sowohl die außerordentliche als auch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 sind unwirksam.
44 
Beide Kündigungen sind bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft. Sie verstoßen gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. (a). Die Kündigung des Dienstvertrags erforderte das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg (aa). Dieses lag zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung nicht vor und der Mangel ist auch nicht durch eine Nachholung der erforderlichen Mitwirkung geheilt worden (bb). Unabhängig davon ergibt sich die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen daraus, dass dem Beklagten die Zuständigkeit fehlte, mit der Kündigung einen umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung auszusprechen (b). Mit der Kündigung wurden dem Kläger auch seine Aufgaben in der mittelbaren Krankenversorgung entzogen (aa). Hiermit hat der Beklagte seine Zuständigkeit überschritten (bb). Eine teilweise Unwirksamkeit der Kündigungen kommt nicht in Betracht (c).
45 
a) Die streitgegenständlichen Kündigungen sind bereits wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam.
46 
aa) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom 07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
47 
Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Kläger begegnet keinen Bedenken. Die Regelung galt als § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UKG bereits seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1998 (Art. 7 Abs. 1 des Hochschulmedizinreform-Gesetzes vom 24.11.1997, GBl. S. 474). Dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Personen erstreckt, die - wie der Kläger - bereits vor dem 01.01.1998 zum Leiter einer Abteilung bestellt worden waren, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch dessen Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 27) sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Regelung nur die Abberufung von Abteilungsleitern erfasst, deren erstmalige Bestellung nach dem 01.01.1998 erfolgte.
48 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung lagen vor. Zwar ist eine ausdrückliche Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter nicht erfolgt. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 24./25.01.2008 ergibt indes, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war.
49 
Auch die Auslegung der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags richtet sich nach der objektiven Erklärungsbedeutung. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsadressat die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auffassen muss (§ 62 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB; zur Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Willenserklärungen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.1990 - 4 C 21/89 -, BVerwGE 84, 258; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 62 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12; zur Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Aufl., 2012, § 133 Rn. 9 m.w.N.; speziell zur Auslegung von Kündigungserklärungen Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 2002, § 123 Rn. 38). Ausgehend hiervon hat der Senat keine Zweifel daran, dass mit der ausgesprochenen Kündigung - entgegen der Ansicht des Beklagten und des beigeladenen Landes - die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten in umfassender Weise beendet werden sollten, der Kläger insbesondere von der Abteilungsleitung abberufen werden sollte.
50 
Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 24./25.01.2008 bezogen sich sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung auf „den Chefarztvertrag vom 24.07.2007“. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte lediglich bestimmte Teile dieses Vertrags hat kündigen wollen, enthält das Kündigungsschreiben nicht. Da ein wesentliches Element der Vereinbarung vom 24.07.2007 die rechtlich verbindliche Beibehaltung der Übertragung der Leitung der Abteilung Klinische Chemie im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger war, stellt sich die Kündigung der Vereinbarung auch als Abberufung von der Abteilungsleitung dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
51 
Bei den in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. aufgeführten Handlungen des Klinikums handelt es sich um rein organisatorische Maßnahmen, für die weder das Gesetz noch die Satzung des Klinikums (vgl. § 13 Abs. 2) eine bestimmte Form, etwa die eines Verwaltungsakts, vorschreibt. Demgemäß bestehen keine Bedenken, eine derartige Maßnahme, wie etwa die hier gegenständliche Bestellung des Abteilungsleiters, in den Inhalt einer Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Kläger aufzunehmen (zu dieser Zielrichtung der Chefarztverträge nach der sog. „Kombinationslösung“ siehe unten S. 24 f.). Dies ist in § 1 Absatz 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 geschehen. Dort heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Erklärung nicht allein deklaratorischer Natur. Vielmehr bringt der Beklagte damit zum Ausdruck, dass er in rechtsverbindlicher Weise an der - bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 09.12.1998 (vgl. deren § 1) von dem Beklagten vorgenommenen - Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhält. Für einen konstitutiven Charakter spricht insbesondere, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht nur nachrichtlich in der Präambel erwähnt, sondern explizit zum Gegenstand der Eingangsbestimmung des Dienstvertrags gemacht wird. Mit Blick auf den vom Beklagten erhobenen Einwand, Chefarztvertrag und Bestellung zum Abteilungsleiter im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. seien rechtlich zu trennen, ist dabei von Bedeutung, dass die Funktion des Klägers als Abteilungsleiter nicht lediglich im Rahmen der vertraglichen Regelungen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten (vgl. §§ 2 ff. des Dienstvertrags) angesprochen wird. Während deren schuldrechtlicher Charakter dort durch entsprechende Formulierungen (z.B. „ist verpflichtet“, „obliegt“, „dürfen“, “sorgt für“, „stellt sicher“ usw.) verdeutlicht wird, spricht die hiervon deutlich abweichende Ausdrucksweise („wird hiermit bestätigt“) in § 1 Abs. 1 des Vertrags für den verfügenden Charakter der Erklärung zur Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Dienstvertrag vom 24.07.2007 aus einem verfügenden (§ 1 Abs. 1) und einem verpflichtenden Teil zusammensetzt. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise spricht auch die damals vom Beklagten selbst vertretene Rechtsauffassung. In seinem Schreiben vom 01.02.2008 hat der Klinikumsvorstand ausgeführt, die Leitung der Abteilung Klinische Chemie und des Zentrallabors seien „durch den Chefarztvertrag vom 24.07.2007 auf eine neue Basis gestellt worden“ und der Kläger habe „allein aufgrund dieses Chefarztvertrags“ die Leitung des Zentrallabors inne.
52 
Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 24.07.2007 haben die Beteiligten im Übrigen deutlich gemacht, dass die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor (Leiter) der Abteilung Klinische Chemie Ausgangspunkt und Grundbedingung des gesamten Dienstvertrags sein sollte. Jede der nachfolgenden Regelungen in den §§ 2 bis 10 des Vertrags über die gegenseitigen Rechte und Pflichten knüpft an den „Ärztlichen Direktor“ an, dessen Funktion in der vorangestellten Bestimmung des § 1 Abs. 1 (ausschließlich) dem Kläger zugewiesen wird. Dies belegt - auch mit Blick darauf, dass die Vereinbarung eine Trennung zwischen der Position des Klägers als Chefarzt bzw. Ärztlicher Direktor und seinen Aufgaben und Rechten als Abteilungsleiter nicht vornimmt -, dass die Vertragspartner auf diese Weise mit der verfügenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags die übrigen - schuldrechtlichen - Bestimmungen des Dienstvertrags derart mit der Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter verknüpfen wollten, dass beide Teile des Vertrags in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhingen (zur Möglichkeit der Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 139 Rn. 7; zur Verknüpfung der organisationsrechtlichen Bestellung mit dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis durch eine auflösende Bedingung bei Organen juristischer Personen des Bürgerlichen Rechts vgl. Schöpflin, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB § 27 Rn. 8). Dass aufgrund dieses Junktims eine den gesamten Dienstvertrag erfassende Kündigung zwangsläufig als Abberufung auf die Stellung als Abteilungsleiter „durchschlägt“, entspricht im Übrigen der authentischen Interpretation durch den Beklagten. So heißt es in dem der Kündigung vorgehefteten Begleitschreiben des Klinikumsvorstandes vom 25.01.2008, dass der Kläger „mit der Kündigung des Chefarztvertrags“ sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im Universitätsklinikum Freiburg enthoben sei und die kommissarische Leitung der Abteilung der Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Prof. Dr. W. übertragen werde. Im erläuternden Schreiben vom 01.02.2008 führt der Klinikumsvorstand aus, „mit Kündigung des Chefarztvertrags durch das Universitätsklinikum“ sei ihm die - allein aufgrund des Chefarztvertrags innegehabte - Leitung (des Zentrallabors) entzogen. Dass auch diese außerhalb des Wortlauts der auszulegenden Kündigungserklärung und des Dienstvertrags liegenden Umstände bei deren Interpretation ergänzend heranzuziehen sind, entspricht allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (vgl. Palandt-Ellenberger, a.a.O., § 133 Rn. 15 ff.).
53 
Bei dieser Sachlage entbehrt auch der Einwand des Beklagten, die Leitungsfunktion sei dem Kläger nicht durch die Kündigung, sondern durch andere, selbständig anfechtbare und vom Kläger angefochtene Maßnahmen entzogen worden, einer tragfähigen Grundlage. Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, war die Kündigung vom 24./25.01.2008 die einzige Erklärung des Beklagten von erkennbarer rechtlicher Erheblichkeit, die zum damaligen Zeitpunkt von diesem mit dem Ziel einer Beendigung der Abteilungsleitung abgegeben worden war. Demgemäß hat der Kläger sich gegen die Beendigung der Abteilungsleitung durch den Beklagten auch allein mit der hier gegenständlichen, gegen die Kündigung gerichteten Klage gewandt. Der Umstand, dass sich der Kläger auch gegen Maßnahmen wie das Zutrittsverbot zum Zentrallabor oder die Versagung der Teilnahme an der Krankenversorgung im Klinikum mit gegen die Universität Freiburg gerichteten Rechtsbehelfen zur Wehr gesetzt hat, vermag daran nichts zu ändern. Dies wird nicht zuletzt durch das nach einer Intervention des Wissenschaftsministeriums erfolgte weitere Vorgehen des Beklagten bestätigt. Insbesondere hat dieser eine ausdrückliche Entscheidung über die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie erstmals mit Verfügung vom 20.01.2010 getroffen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben.
54 
Insgesamt konnte es aus dem „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung von der Abteilungsleitung bedeutete. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung hervorgerufenen tatsächlichen Folgen für den Kläger. Dessen weitere Tätigkeit als Abteilungsleiter wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Kündigung unterbunden. Er musste umgehend sein Dienstzimmer räumen, der Zutritt zum Zentrallabor wurde ihm untersagt; als kommissarischer Leiter der Abteilung wurde Prof. Dr. W. eingesetzt.
55 
Der Beklagte meint, die Bestellung des Klägers zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie sei bereits vor Erlass des Universitätsklinikagesetzes und vor Abschluss der Chefarztverträge durch Erlass des MWK vom 09.07.1990 erfolgt, weshalb insbesondere die Funktion als Abteilungsleiter nicht Gegenstand der Chefarztverträge bzw. der Kündigung habe sein können. Dieser Einwand geht fehl. Der Beklagte nimmt nicht hinreichend in den Blick, dass Professoren mit Leitungsfunktion im Bereich der Hochschulmedizin in einem doppelten Dienstverhältnis stehen. Als Universitätsprofessoren sind sie Beamte des Landes Baden-Württemberg, deren Dienstaufgaben sich nach § 46 und § 53 Abs. 1 LHG bestimmen. Gleichzeitig stehen sie in ihrer Eigenschaft als Leiter einer Abteilung in einem durch den sog. Chefarztvertrag begründeten Dienstverhältnis zum Universitätsklinikum (vgl. Sandberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2009, Rn. 1205; ders., in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, IX Rn. 212; Becker, Das Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 260 ff.). Dieses in Baden-Württemberg praktizierte sog. Kombinationsmodell geht auf Vorschläge der Kultusministerkonferenz zurück. In deren Positionspapier zur „Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin“ vom 19.11.1999 wurde unter dem Stichwort „Kombinationslösung Beamtenrecht/Vertragsrecht“ ein Modell vorgeschlagen, bei dem es einerseits für den Bereich Forschung und Lehre bei der bisherigen Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verbleibt, andererseits mit dem künftigen Leiter einer klinischen Einrichtung ein gesonderter Chefarztvertrag abgeschlossen wird, durch den die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung vertraglich übertragen werden (S. 31 des Positionspapiers; vgl. auch den von der Kultusministerkonferenz erstellten „Bericht“ über den Stand der Umsetzung des Positionspapiers des KMK vom 19.11.1999 in den Ländern „vom 20.06.2003“). Vor diesem Hintergrund geht das einschlägige Schrifttum bei diesem Modell davon aus, dass auch im Fall des beamteten Hochschullehrers die Leitungsaufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung durch einen (nach dortigem Verständnis privaten) Dienstvertrag mit dem Universitätsklinikum übertragen werden (vgl. Becker, a.a.O., S. 260; Böhmann, WissR 2007, 403; Wahlers, ZBR 2006, 221; Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 157). Ein mit der Kombinationslösung verfolgtes Ziel ist dabei unter anderem, die Abberufung aus Leitungsfunktionen wegen mangelnder Eignung oder organisatorischer Umstrukturierungen zu erleichtern (vgl. Sandberger, in: Hartmer/Detmer, a.a.O., IX Rn. 212; Becker, a.a.O., S. 261 f.). Mithin bilden das beamtenrechtliche Dienstverhältnis zum Beigeladenen und das Dienstverhältnis zum Klinikum zwei eigenständige Regelungsbereiche.
56 
Mit Wirkung vom 01.01.1998 ist dem Beklagten die Zuständigkeit und Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Abteilungsleiters eingeräumt worden (vgl. § 4 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 2 Satz 2 UKG a.F.). In Wahrnehmung dieser Organisationsbefugnis hat der Klinikumsvorstand bereits 1998 im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 09.11.1998 - wie sich explizit aus deren § 1 ergibt - dem Kläger zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen und damit die Bestellung zum Abteilungsleiter im Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger „aktualisiert“. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die allein das Beamtenverhältnis zum Beigeladenen betreffende Einweisungsverfügung des MWK vom 09.07.1990 geeignet war, die dem Beklagten als selbständigem Rechtsträger durch das Universitätsklinikagesetz eingeräumte Organisationsbefugnis und die Möglichkeit deren Konkretisierung im Rechtsverhältnis zwischen Klinikum und Chefarzt durch Abschluss oder Kündigung des jeweiligen Chefarztvertrags von vornherein zu begrenzen (vgl. im Übrigen die auf den Dienstvertrag vom 24.07.2007 bezogene Aussage des Klinikumsvorstands, wonach „damit“ die Übertragung der Leitung des Zentrallabors durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst überholt gewesen sei; vgl. auch das o.g. Positionspapier, a.a.O., S. 41). Die Frage, ob und inwieweit Rechtspositionen des Chefarztes aus dem Beamtenverhältnis die materielle Rechtmäßigkeit einer Bestellungs- oder Abberufungsentscheidung des Universitätsklinikums berühren können, ist dadurch nicht präjudiziert.
57 
Der Beklagte meint ferner, nach der Präambel zum Dienstvertrag habe dessen Hauptbedeutung darin bestanden, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Diesem die Entstehungsgeschichte des Dienstvertrags betreffenden Umstand kommt nach Auffassung des Senats für die hier streitige Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Denn dem Wortlaut der Vereinbarung selbst lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass die Parteien lediglich Fragen der Nebentätigkeit oder der Vergütung (vgl. § 7 und § 8 des Dienstvertrags) hätten regeln wollen. Vielmehr werden neben der „Bestätigung“ der Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie („§ 1 Dienstverhältnis“) die im Verhältnis zum Beklagten bestehenden Rechte und Pflichten des Klägers als Abteilungsleiter in umfassender und insoweit mit der Vorgängervereinbarung vergleichbaren Weise geregelt. Die Regelung des § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags belegt, dass der Wille der Beteiligten dahin ging, den neuen Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.04.2007 vollumfänglich an die Stelle der Vereinbarung vom 09.12.1998 treten zu lassen. Soweit ersichtlich, enthält die Vereinbarung im Kern sämtliche Regelungselemente der üblichen Chefarztverträge, insbesondere sind dadurch im Verhältnis zum Beklagten die Leitungsfunktion, der Aufgabenbereich und die Vergütung des Klägers begründet worden (vgl. Quaas, Medizinrecht, 2. Aufl. 2008, S. 350 ff.; vgl. auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris). Wie bereits oben aufgezeigt, sind Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Dienstvertrag eine von der Abteilungsleitung unabhängige Regelung getroffen werden und der Vertrag deshalb unabhängig von der Abteilungsleitung selbständig kündbar sein sollte, nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von dem Beklagten in den Vordergrund gerückte Bestimmung über die Vergütung (§ 8 des Dienstvertrags). Die Regelung sieht als Ersatz für die dem Kläger zuvor noch in § 5 der Vereinbarung vom 09.12.1998 - explizit in seiner Eigenschaft als Abteilungsleiter - gestattete Privatliquidation eine Beteiligung des Klägers - in seiner Funktion als Ärztlicher Direktor - an dem in der Abteilung erzielten Nettoliquidationserlös des Klinikums in Form von fixen und von variablen Vergütungsbestandteilen vor. Dass dieser Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werden sollte, ist nicht erkennbar. Üblicherweise wird nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger durch Vereinbarung oder Zusicherung das Recht eingeräumt, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu behandeln und für die Behandlungen die Sachausstattung und das Personal des Krankenhauses in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.02.2008 - 2 C 27/06 -, BVerwGE 100, 252; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 -, BVerfGE 52, 303; VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.07.2010 - 8 K 273/10 -, Juris, Rn. 9). Die Tätigkeit als leitender Klinikarzt ist daher mit der Befugnis zur Privatliquidation verbunden (vgl. den Beschluss des Senats vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Dies gilt auch, soweit - wie hier - im Zuge des Wechsels von der Privatliquidation zur Klinikliquidation in Baden-Württemberg die Privatliquidation ersetzende Chefarztverträge abgeschlossen wurden und die den Chefärzten zustehende Liquidationsbefugnis auf die Kliniken übertragen wurde (vgl. die insoweit zutreffende Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369). Obwohl der Kläger bereits in der Vergangenheit zum Hochschulprofessor berufen und zum Abteilungsleiter bestellt worden war, begegnet die auf freiwilliger Basis erfolgte Vereinbarung einer gesonderten Vergütung in § 8 der Dienstvertrags als Ersatz für die Privatliquidation keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Becker, a.a.O., S. 260 f.; Positionspapier, S. 36, 43 ff.). Im Übrigen handelt es sich sowohl bei der Liquidationsbefugnis wie auch bei der in den Chefarztverträgen geregelten Krankenhausliquidation um durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HNTVO allein den Leitern von Abteilungen vorbehaltene allgemeine genehmigte Nebentätigkeit (vgl. die Stellungnahme des Beigeladenen vom 13.01.2012, AS 369).
58 
Vor diesem Hintergrund kann nicht davon die Rede sein, die Vertragsparteien hätten insoweit von der Funktion des Klägers als Abteilungsleiter unabhängige Regelungen treffen wollen bzw. die Kündigung beziehe sich nur auf Rechtspositionen, die nicht mit der Abteilungsleitung zusammenhingen.
59 
Der Beklagte trägt ferner vor, wenn dem Kläger die Abteilungsleitung durch den Chefarztvertrag übertragen worden sei, könne dieser hieraus nichts für sein Begehren herleiten, weil diese Bestellung wegen Fehlens des erforderlichen Einvernehmens der Universität (§ 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F.) unwirksam gewesen wäre. Dieser Einwand verfängt nicht. Dies gilt schon deshalb, weil dieser verfahrensrechtliche Mangel der Verantwortungssphäre des Beklagten zuzurechnen wäre. Vor diesem Hintergrund würde sich die Geltendmachung der darauf beruhenden Unwirksamkeit bereits als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich darstellen.
60 
Nach alledem geht der Einwand des Beklagten, die Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 habe die Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter unberührt gelassen, ersichtlich fehl. Einer derartigen Auffassung stünde schließlich das auch im öffentlichen Recht geltende Verbot des Formenmissbrauchs entgegen (vgl. dazu Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl. 2007, Bd. V, § 99 Mittel staatlichen Handelns, Rn. 64 ff., 66; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 23 Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.09.2010 - 6 A 3249/08 -, Juris). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Staat durch den Austausch von Handlungsformen oder der eingesetzten Mittel keine Freizeichnung von rechtlichen Bindungen erreichen kann (vgl. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit und Gesetzesvorbehalt, 1991, S. 211 m.w.N.). Werden - wie hier - mit der Kündigung des Dienstvertrags Folgen beabsichtigt und faktisch bewirkt, die einer Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. entsprechen, erscheint es zur Vermeidung einer Umgehung der für die Abberufung geltenden rechtlichen Anforderungen geboten, diese Anforderungen auf die Kündigung zu erstrecken. Mit Blick auf die oben aufgezeigte Verknüpfung gilt das Verfahrenserfordernis auch für den mit der Bestellung zusammenhängenden schuldrechtlichen Teil des Dienstvertrags.
61 
Hiernach war mit der gegenständlichen Kündigung die Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. war hierzu das Einvernehmen der medizinischen Fakultät erforderlich.
62 
bb) Das erforderliche Einvernehmen der medizinischen Fakultät lag weder bei der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands über die Kündigung noch zum Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an den Kläger vor. Dieser Verfahrensmangel ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden. Der Kläger kann das Fehlen des Einvernehmens der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigungen entgegenhalten, weil das Einvernehmenserfordernis auch seine subjektiven Rechte auf Wissenschaftsfreiheit sichern soll. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Kündigung vom 24. und 25.01.2008 überhaupt ein Beschluss des zuständigen Klinikumsvorstands zugrunde lag (vgl. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums, Amtliche Bekanntmachungen der Universität Freiburg, Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.).
63 
Für die Erteilung des Einvernehmens war der Fakultätsvorstand zuständig. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 LHG ist er für alle Angelegenheiten der Fakultät zuständig, soweit das Landeshochschulgesetz nichts anderes regelt. Eine anderweitige Regelung ist hier nicht ersichtlich. Dem Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät gehören neben dem Dekan drei Prodekane und ein Studiendekan an (§ 14 Abs. 1 und 2 der Grundordnung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. i.V.m. § 23 Abs. 1 LHG). Dass der Fakultätsvorstand der medizinischen Fakultät damals sein Einvernehmen zu der streitgegenständlichen Kündigung erteilt hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
64 
Der Verfahrensmangel ist nicht durch den am 30.09.2009 gefassten Beschluss des Fakultätsvorstands gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG nachträglich geheilt worden.
65 
Dies gilt bereits deshalb, weil diese Regelung auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung findet. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird. Die Vorschrift dient speziell der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten. Deshalb scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift aus, weil es sich - wie bereits dargelegt wurde - bei der Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Doch auch eine entsprechende Anwendung kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Denn verwaltungsrechtliche Verträge haben im Landesverwaltungsverfahrensgesetz eigenständige Regelungen erfahren, die insbesondere auch die Fehlerfolgen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 59 LVwVfG) und die Beendigungsmöglichkeiten (vgl. etwa § 60 und § 62 Satz LVwVfG in Verbindung mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erfassen. Gegen eine erweiternde Auslegung spricht ferner, dass es sich insoweit nicht um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, sondern um eine Neuschöpfung des Gesetzgebers handelt, die dem früheren Recht fremd war (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45 Rn. 9).
66 
Doch selbst wenn eine Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG im vorliegenden Fall für möglich gehalten würde, könnte eine Heilung des Verfahrensmangels nicht angenommen werden. Denn aus dem grundrechtswahrenden Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. folgt bereits eine zeitliche Grenze der Heilungsmöglichkeit (zur einschränkenden Auslegung des § 45 VwVfG mit Blick auf spezialgesetzliche Zwecke und verfassungsrechtliche Vorgaben vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 45 Rn. 14 ff., 27, 97, 103 ff., 129-131). Diese wird mit dem Beschluss des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät vom 30.09.2009 überschritten.
67 
Dem Einvernehmenserfordernis liegt die Überlegung des Gesetzgebers zugrunde, dass Entscheidungen wie die Berufung und Bestellung zum Abteilungsleiter überhaupt nur einheitlich für Krankenversorgung, Forschung und Lehre getroffen werden können (vgl. den Gesetzentwurf der Landesregierung zum Hochschulmedizinreform-Gesetz vom 15.07.1997, LT-Drs. 12/1740, S. 31). Das Einvernehmen trägt der Gleichrangigkeit der Aufgaben Rechnung (LT-Drs. 12/1740, a.a.O.). Die Rückbindung von Entscheidungen des organisatorisch verselbständigten Universitätsklinikums, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin der Universität sichert deren Zuständigkeit für die die Wissenschaftsfreiheit betreffenden Fragen organisatorisch und gewährleistet damit, dass die Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Medizin den ihnen garantierten Einfluss auf wissenschaftsrelevante Entscheidungen des Universitätsklinikums ausüben können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11.11.2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. -, NVwZ 2003, 600, 601; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - Juris). Die sichernde Funktion des Einvernehmenserfordernisses gebietet eine grundsätzlich weite Auslegung des für die Erforderlichkeit eines Einvernehmens maßgeblichen Merkmals eines Betroffenseins von Forschung und Lehre, durch die ein substantieller Einfluss des Fachbereichs Medizin und der dort tätigen medizinischen Hochschullehrer auf den Forschung und Lehre betreffenden Klinikumsbetrieb aufrechterhalten bleibt. Unabhängig davon, ob und inwieweit für die Annahme eines Betroffenseins von Forschung und Lehre auf eine gewisse Erheblichkeit der Auswirkungen einer Entscheidung des Universitätsklinikums auf Forschung und Lehre abzustellen ist, stellt sich die organisatorische Verselbständigung der Universitätsklinik nämlich lediglich als eine funktionale Trennung des universitären Wissenschaftsbetriebs einerseits und des Krankenhausbetriebs andererseits dar. Als Universitätsklinikum bleibt dieses nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung trotz seiner organisatorischen Verselbständigung vorrangig in den Dienst der Erfüllung der dem Fachbereich Medizin obliegenden Aufgaben in Forschung und Lehre gestellt und hat insoweit sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Das Einvernehmenserfordernis stellt sich daher als eine andere Art der Realisierung des in der Sache unverkürzten Einflusses des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Bereich des Klinikumsbetriebs dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Durch das Einvernehmenserfordernis sollte der grundrechtlich verbürgte Einfluss auf Fragen, die Forschung und Lehre betreffen, verfahrensrechtlich als Kompensation für den Verlust des direkten Einflusses durch die früher fachbereichseigene Klinikleitung abgesichert werden. Damit hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, die sowohl dem Ziel der Entlastung des Fachbereichs von der Klinikleitung als auch der grundrechtlich geschützten Freiheit von Forschung und Lehre gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O.). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass dem Einvernehmenserfordernis schützende Funktion gerade für das individuelle Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010, a.a.O).
68 
Was das konkrete Procedere anbelangt, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens an. Wegen der zentralen Bedeutung, die dem Einvernehmenserfordernis für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit der am Universitätsklinikum tätigen medizinischen Hochschullehrer zukommt, muss sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 01.02.2010, a.a.O.; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 02.07.2008 - 1 BvR 1165/08 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010 - 15 B 2574/06 -, NVwZ-RR 2010, 844). Da dem Einvernehmen eine sichernde Funktion für die Verwirklichung des Rechts auf Wissenschaftsfreiheit durch den einzelnen Hochschullehrer zukommt und damit auch dessen eigenen subjektiven Rechten zu dienen bestimmt ist, muss der Herstellung des Einvernehmens eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
69 
An diesem Maßstab gemessen erscheint fraglich, ob Wortlaut und Zweck der Verfahrensanforderung in § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verlangen, dass das Einvernehmen des Fakultätsvorstands bereits vorliegen muss, wenn der Entscheidungsprozess des Klinikums hinsichtlich der Abberufung abgeschlossen ist oder die Maßnahme dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Wie dargelegt, kommt der abwägenden Entscheidung des Fachbereichs das Grundrecht des betroffenen Hochschullehrers aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG sichernde Funktion zu. Im Unterschied zu anderen in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG angesprochenen behördlichen Mitwirkungshandlungen im gestuften Verwaltungsverfahren bezweckt die behördliche Mitwirkung hier unmittelbar den wirksamen Schutz der grundrechtlichen Belange eines „Dritten“. Deshalb darf die Mitwirkung jedenfalls nicht so spät erfolgen, dass sie ihre reale Schutzwirkung zu dessen Gunsten nicht mehr entfalten kann. Mithin scheidet eine heilende Nachholung des erforderlichen Einvernehmens aus, wenn die Abberufung von der Abteilungsleitung bereits vollzogen worden ist (vgl. auch den Senatsbeschluss vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Juris, zum Verfahrenserfordernis des Benehmens). Da der Kläger durch die Kündigung bereits seit Ende Januar 2008 seine Funktion als Abteilungsleiter verloren hatte, ist schon aus diesem Grund eine heilende Wirkung des Beschlusses des Fakultätsvorstands vom 30.09.2009 ausgeschlossen.
70 
Unabhängig davon steht einer heilenden Berücksichtigung der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens durch den Fachbereich entgegen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der grundrechtswahrende Zweck des Einvernehmens sogar endgültig nicht mehr erreicht werden konnte.
71 
Mit Beschluss vom 28.09.2009 sprach der Klinikumsvorstand ausdrücklich eine Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung aus und hierzu erteilte der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen (Gegenstand des Verfahrens des VG Freiburg 1 K 1803/10). Das die streitgegenständliche Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffende Einvernehmen konnte sich somit nur noch auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beziehen, nämlich die Zeitspanne von der durch die Kündigung erklärten Entziehung der Abteilungsleitung bis zur Erteilung des Einvernehmens (24./25.01.2008 - 30.09.2009). Da dem Kläger während dieser Phase durchgehend die Abteilungsleitung entzogen war, war das Verfahrensergebnis, die mit der Kündigung verbundene Abberufung von der Abteilungsleitung, im Zeitpunkt der Erteilung des Einvernehmens vollständig vollzogen. Mithin war der mit dem Erfordernis des Einvernehmens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. verfolgte Zweck, die dem Kläger durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten Rechte in wirksamer Weise zu wahren, definitiv nicht mehr erreichbar. Wollte man in dieser Situation der nachträglichen Erteilung des Einvernehmens noch heilende Wirkung zuerkennen, würde die Verfahrensanforderung des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. zur bloßen Förmlichkeit degradiert.
72 
Form und Verfahrensweise bei der Beschlussfassung des Fakultätsvorstands werden auch aus einem weiteren Grunde dem grundrechtswahrenden Gehalt des Verfahrenserfordernisses nicht gerecht.
73 
Über die Erteilung des Einvernehmens entschied der Fakultätsvorstand im schriftlichen Umlaufverfahren. In der Beschlussvorlage heißt es unter „1. Sachverhalt“, der Klinikumsvorstand habe sich am 28.09.2009 mit der Kündigung einer Chefarztvereinbarung befasst und bitte den Fakultätsvorstand „um Erklärung des Einvernehmens“. Beigefügt ist lediglich ein Auszug aus dem vorläufigen Protokoll über die Sitzung des Klinikumsvorstands vom 28.09.2009 mit dem im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut. Der Fakultätsvorstand fasste am 30.09.2009 den Beschluss, das erforderliche Einvernehmen in der „vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären.
74 
Der dem Fakultätsvorstand vorgelegten Beschlussvorlage war nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich das zu erteilende Einvernehmen (auch) auf die streitgegenständliche Kündigung beziehen sollte. Mit den Beschlüssen vom 28.09.2009 hatte der Klinikumsvorstand den Fakultätsvorstand um die Erteilung des Einvernehmens zu einer Reihe aktueller Maßnahmen des Klinikumsvorstands gebeten, nämlich unter 1. zur erneuten ordentlichen Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007, unter 2. zur Antragstellung nach § 46 Abs. 3 LHG durch die Universität und unter 3. zur erstmaligen ausdrücklichen Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung. Die gegenständliche Kündigung wurde unter 1. eher beiläufig im Zusammenhang mit der erneuten Kündigung erwähnt („An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten“.). Dass der Fakultätsvorstand sein Einvernehmen auch zu dieser Kündigung erteilen sollte, lässt sich der Vorlage nicht hinreichend deutlich entnehmen. Dies lag schon angesichts der vom Klinikumsvorstand in der Sitzung vom 28.09.2009 aktuell getroffenen Maßnahmen nicht nahe. Hierzu hätte es vor allem des erläuternden Hinweises bedurft, dass insoweit um die rückwirkende Erteilung des Einvernehmens für eine bereits vor 1 ¾ Jahren vom Klinikum ausgesprochene, im Übrigen bereits vollzogene Maßnahme nachgesucht wird. Angesichts des Nebeneinanders der aktuellen und der streitgegenständlichen „alten“ Kündigung hätten den Mitgliedern des Fakultätsvorstands auch die zwischen den Kündigungen bestehenden Unterschiede in Reichweite und Rechtswirkungen erklärt werden müssen. Auch in dem an die Mitglieder des Fakultätsvorstands per Email gerichteten Anschreiben des Dekans vom 29.09.2009, mit dem die Beschlussvorlage übersandt wurde, wird lediglich darauf Bezug genommen darauf, dass der Klinikumsvorstand in seiner Sitzung vom Vortag den Dienstvertrag mit dem Kläger „vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt“ habe.
75 
Grundvoraussetzung einer zweckgerechten Durchführung des Verfahrens nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. und einer sachgerechten Abwägung der durch die dort aufgeführten organisatorischen Maßnahmen betroffenen Belange ist allerdings, dass das zuständige Gremium der Medizinischen Fakultät Kenntnis vom konkreten Verfahrensgegenstand hat. Deshalb muss die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lassen, auf welche konkrete(n) Organisationsmaßnahme(n) sich das Einvernehmen beziehen soll. Ist dies - wie hier bezogen auf die streitgegenständliche Kündigung - nicht der Fall, hält der Senat jedenfalls insoweit zur hinreichenden Bestimmung des Verfahrensgegenstandes eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung für rechtlich geboten (für eine grundsätzliche Dokumentationspflicht bei der Erteilung des Einvernehmens zur Schließung der Station einer nuklearmedizinischen Klinik vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.06.2010, a.a.O.). An einer derartigen Dokumentation fehlt es.
76 
Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage bedurfte es der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung beantragten Beweiserhebung nicht.
77 
b) Die formelle Unwirksamkeit der Kündigungen ergibt sich auch aus einem weiteren Grund. Da der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung bewirkte, fehlte es insoweit an seiner Zuständigkeit.
78 
aa) Der Inhalt des dem Kläger übertragenen Amtes wurde durch den Einweisungserlass des Ministeriums vom 22.02.1984 konkretisiert. Danach wurden ihm als Dienstaufgabe die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie sowie die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe der damals geltenden § 64 UG übertragen. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 3 UG gehörte zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren u. a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 UG übertragenen Aufgaben und damit - wie sich aus § 3 Abs. 8 UG unmissverständlich ergibt - auch solcher der Krankenversorgung. Dieser Amtsinhalt bestand auch noch im Zeitpunkt der Kündigung. Nach § 53 Abs. 1 LHG ist das wissenschaftliche Personal der Universität gemäß seinem Dienstverhältnis verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung erfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe wahrnimmt (vgl. die amtliche Begründung zur Vorgängerregelung des § 77a UG, LT-Drs. 12/1740, S. 38). Die Wahrnehmung der Aufgaben in der Krankenversorgung gehörte somit zur amtsgemäßen Verwendung des Klägers und war insofern Bestandteil seines abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessor (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O.).
79 
Ausgehend hiervon beschneidet die mit der Kündigung ausgesprochene Entbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung den Kläger in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemäßen Verwendung und greift in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne ein.
80 
Mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wurde der Kläger auch seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Der Einwand des Beklagten, diese Aufgaben seien dem Kläger nicht durch den Chefarztvertrag übertragen worden, verfängt nicht. Die genaue Ausgestaltung der sich aus § 53 Abs. 1 LHG für Medizinprofessoren ergebenden Dienstaufgabe Krankenversorgung am Universitätsklinikum wird von diesem definiert und berücksichtigt dabei die Belange von Forschung und Lehre. Dementsprechend enthält der Dienstvertrag vom 15.07.2007 auch Regelungen über die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung (vgl. § 6). Bereits oben ist als Ergebnis der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont festgestellt worden, dass der Beklagte mit der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise beenden wollte. Dabei beschränkte sich die Kündigung jedoch nicht darauf, den die Krankenversorgung betreffenden vertraglichen Rechten und Pflichten die Grundlage zu entziehen. Vielmehr zielte die Kündigung darauf ab, die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung schlechthin zu unterbinden und ihm damit einen Teil seiner amtsangemessen Beschäftigung zu entziehen. Dies war der ausdrückliche Wille des Beklagten und ist von diesem so auch verwirklicht worden. So heißt es im Begleitschreiben zur Kündigung vom 25.01.2008, mit der Kündigung sei der Kläger sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben. Dies wurde auch umgesetzt. Der Kläger wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Beendigung seiner Tätigkeit in der Krankenversorgung im Begleitschreiben vom 25.01.2008 aufgefordert, sein bisheriges Büro bis zum 30.01.2008 zu räumen. Dementsprechend war ihm in der Folgezeit eine Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung versagt. Erst im Dezember 2009 (nach Intervention des MWK) forderte der Beklagte den Kläger auf, wieder diese Aufgaben zu übernehmen. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die u.a. nach Intervention des MWK erfolgte erneute (vorsorgliche) Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 durch Schreiben des Klinikumsvorstands vom 30.09.2009. Denn der Inhalt dieser Kündigungserklärung wurde nunmehr ausdrücklich eingeschränkt: Der Dienstvertrag wurde lediglich gekündigt, „soweit er nicht die beamtenrechtliche Stellung“ des Klägers „betrifft“.
81 
bb) Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung hat der Beklagte gestaltend auf die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit hat er seine Zuständigkeit überschritten. Denn es handelt sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig ist (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 LHG; vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010, a.a.O., sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004, a.a.O., auch zur Abgrenzung von der Zuständigkeit nach § 4 Abs. 3 UKG). Das Wissenschaftsministerium hatte indes eine Entbindung des Klägers von Aufgaben der Krankenversorgung nicht verfügt. Ausweislich des Schreibens vom 25.02.2009 hat es trotz der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ausdrücklich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen.
82 
Der Beklagte meint auch in diesem Zusammenhang, die Wahrnehmung von Aufgaben der Krankenversorgung sei von der Kündigung überhaupt nicht berührt. Auch dieser Ansicht steht indes jedenfalls das Verbot des Formenmissbrauchs entgegen. Denn der - ultra vires erfolgte - umfassende und die vertraglichen Rechte und Pflichten überschreitende Entzug von Aufgaben der Krankenversorgung war von dem Beklagten beabsichtigt und wurde von ihm - mit dem Mittel der Kündigung - durchgesetzt. Auf diesem Wege kann der Beklagte eine Umgehung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten nicht erreichen.
83 
c) Die Annahme einer nur teilweisen - die Abteilungsleitung und die Teilnahme an der Krankenversorgung erfassenden - Unwirksamkeit der Kündigungen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB kommt nicht in Betracht. Dies käme der Sache nach einer Teilkündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 gleich. Die Kündigung einzelner Teile eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ist indes grundsätzlich unzulässig, weil sie einen einseitigen, mit dem Prinzip der Vertragsautonomie unvereinbaren Eingriff in das Gefüge von Leistung und Gegenleistung bei einem fortbestehenden Dauerschuldverhältnis bedeutet (vgl. nur Hesse, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§ 620-630 BGB, Rn.71; Palandt-Ellenberger, a.a.O., Vorb. v. § 620, Rn. 34; Schaub, a.a.O., § 123 Rn. 49 v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13. Aufl. 2002, § 2 Rn. 29 m.w.N.; zur Bezugnahme des Dienstvertrags auf die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes und des § 626 BGB vgl. dessen § 11 Abs. 2 und 3). Demgemäß würde etwa die vom Beklagten befürwortete Aufrechterhaltung der Kündigung hinsichtlich der Vergütungsregelung des § 8 des Dienstvertrags das vertragliche Synallagma bei Fortbestehen des Dienstvertrags erheblich beeinträchtigen.
84 
Dass die Parteien des Dienstvertrags das Recht zur Teilkündigung vertraglich vereinbart hätten, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil ist bereits oben (S. 22) aufgezeigt worden, dass die Vertragspartner in der Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags ein rechtliches Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vereinbart hatten. Daher ist davon auszugehen, dass insoweit keine gespaltene Kündigung möglich sein sollte.
85 
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht.
86 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO.
87 
Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
88 
Beschluss vom 2. August 2012
89 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.000,-- EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG); zugrunde gelegt wurden die monatlichen Abschlagzahlungen auf die Vergütung nach § 8 des Dienstvertrag in Höhe von 33.000,-- EUR, vgl. die Berufungsschrift des Beklagtenvertreters vom 09.12.2011, S. 8, AS 211).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Der Beamte kann nach Maßgabe der §§ 17 und 18 auch über den Bereich des Bundes oder eines Landes hinaus zu einem anderen Dienstherrn im Geltungsbereich dieses Gesetzes abgeordnet oder versetzt werden.

(2) Die Abordnung oder Versetzung wird von dem abgebenden im Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt; das Einverständnis ist schriftlich oder elektronisch zu erklären. In der Verfügung ist zum Ausdruck zu bringen, daß das Einverständnis vorliegt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Juli 2010 - 8 K 273/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 27. Juli 2010 - auf jeweils 100.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Das Verfahren betrifft die Organisationsmaßnahme eines Universitätsklinikums, deren Vollzug eine Schmälerung des Zuständigkeitsbereichs der von der Antragstellerin geleiteten Klinik zur Folge hätte.
Die Antragstellerin ist im Jahr 2001 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Universitätsprofessorin der Besoldungsgruppe C4 im Fach Viszerale Chirurgie ernannt worden. Die damit verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung sind durch eine Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem als Antragsgegner in Anspruch genommenen Universitätsklinikum vom 22.02.2001/14.03.2001 (Chefarztvertrag) festgelegt worden. Danach ist der Antragstellerin die Leitung der bestehenden Abteilung für Viszeral- und Transplantationschirurgie übertragen und das Recht, Privatpatienten behandeln und hierfür ein besonderes Honorar verlangen zu dürfen, eingeräumt worden. Hinsichtlich etwaiger künftiger Änderungen ist geregelt:
§ 4
Entwicklungs- und Anpassungsklausel
Im Benehmen mit der Abteilungsleiterin kann das UK strukturelle und organisatorische Änderungen im Klinikum vornehmen.
Insbesondere kann es, wenn dies sachlich geboten ist,
- selbständige Fachabteilungen, Funktionsbereiche oder Institute neu einrichten, unterteilen, abtrennen oder schließen
- den Umfang der Abteilung sowie die Bettenzahl und die Bettenaufteilung der Abteilung ändern
- die Ausführung bestimmter Leistungen von der Abteilung ganz oder teilweise abtrennen und/oder anderen geeigneten Fachabteilungen, Funktionsbereichen, Instituten, Untersuchungs- oder Behandlungseinrichtungen oder Ärzten zuweisen.
Für die Folgen derartiger Maßnahmen auf die Liquidationsbefugnis ist in § 5 Abs. 8 bestimmt:
Das UK übernimmt keine Gewähr für den Umfang der gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen und für Höhe und Eingang der Einnahmen aus der Ausübung des Liquidationsrechts gem. Abs. 1. Bei Rückgang der Liquidationserlöse entstehen keinerlei Ausgleichsansprüche gegen das UK. Entsprechendes gilt auch bei organisatorischen Maßnahmen nach § 4 dieses Vertrages. Grundsätzlich darf der Anteil der Patienten mit der Wahlleistung Arzt pro Jahr durchschnittlich 22% der stationär aufgenommenen Patienten nicht übersteigen.
Mit Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 wurde die Errichtung eines Departements für Allgemeine und Viszeralchirurgie und damit zusammenhängend eine Umstrukturierung der von der Antragstellerin geleiteten Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie verabschiedet. Die bisherige Klinik soll danach in „Klinik für Allgemeine Chirurgie“ umbenannt und im Tätigkeitsfeld entsprechend reduziert werden. Die neustrukturierte Klinik für Allgemeine Chirurgie, eine neu zu gründende Klinik für Onkologische Chirurgie sowie eine umbenannte und aus dem bisherigen Klinikum für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie ausgegliederte Abteilung für Kinderchirurgie sollen das Departement für Allgemeine und Viszeralchirurgie umfassen. Die Transplantationschirurgie soll ebenfalls ausgegliedert und der „Klinik für Urologie und Kinderurologie“ zugeordnet werden. Hinsichtlich des Wirksamwerdens enthält der Schlusssatz die Bestimmung:
10 
„Die oben genannten Beschlüsse treten nach Zustimmung des Aufsichtsrats mit der Annahme eines Rufs auf eine W3-Professur für Onkologische Chirurgie in Kraft“.
11 
Die Antragstellerin ist mit der Neuordnung des ihr bislang zugeordneten Aufgabenbereichs nicht einverstanden und hat verschiedene Alternativkonzepte vorgelegt. Nachdem der Aufsichtsrat den Maßnahmen in seiner Sitzung vom 09.07.2008 zugestimmt und das Wissenschaftsministeriums die Genehmigung zur Ausschreibung der W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie mit Schreiben vom 31.10.2008 erteilt hatte, ist im Deutschen Ärzteblatt vom 20.02.2009 indes eine W3-Professur für „Allgemeine und Viszeralchirurgie“ ausgeschrieben worden. Ein auf die vorläufige Untersagung des Besetzungsverfahrens gerichteter Eilantrag blieb erfolglos (vgl. Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -). Auf seiner Sitzung vom 18.02.2010 hat der Senat des Antragsgegners der Berufungsliste zur Besetzung der W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie zugestimmt. Das Wissenschaftsministerium hat sein Einvernehmen hierzu aber noch nicht erteilt.
12 
Am 27.01.2010 hat der Klinikumsvorstand des Antragsgegners die Errichtung eines Transplantationszentrums als Gemeinsamen Bereich auch für die Chirurgischen Kliniken beschlossen. Mit Umlaufbeschluss vom 08./11.02.2010 ist weiterhin beschlossen worden, dass im Umstrukturierungskonzept für die Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleibt.
13 
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz gegen die Umsetzung der beschlossenen Umstrukturierung der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab dem Antrag durch Beschluss vom 26.07.2010 (- 8 K 273/10 -) statt und untersagte dem Antragsgegner vorläufig, den Organisationsbeschluss seines Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 in der Fassung des Umlaufbeschlusses vom 08./11.02.2010 zu vollziehen. Hiergegen hat der Antragsgegner am 10.08.2010 Beschwerde eingelegt.
II.
14 
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (vgl. § 147 Abs. 1 VwGO). Sie ist aber nicht begründet. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin vorläufig vor Vollzugsmaßnahmen aus dem Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 geschützt werden muss.
15 
Trotz der beachtlichen, mit der Beschwerde vorgetragenen Einwände steht dem Begehren der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite. Denn obwohl die im Raum stehenden Organisationsmaßnahmen - anders als statusrechtliche Entscheidungen - nicht irreversibel sind und insbesondere die von der Antragstellerin befürchteten Einnahmeverluste aus Privatbehandlungen nachträglich ausgeglichen werden könnten, ist ihr bei unterstelltem Anordnungsanspruch ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar. Ausgehend von einem Eingriff in das von ihr reklamierte Recht auf Wissenschaftsfreiheit und die ihr durch den Chefarztvertrag eingeräumte Rechtsstellung könnte der Antragstellerin die Schmälerung ihres Tätigkeits- und Wirkungsfeldes für die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden. Entgegen der vom beigeladenen Land geäußerten Auffassung ist die Organisationsmaßnahme auch nicht schwebend unwirksam, bis eine Satzungsänderung durch das Wissenschaftsministerium genehmigt worden ist. Denn der Antragsgegner hat mit dem Beschluss seines Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 nicht eine Satzungsänderung beschlossen, sondern eine auf die Erprobungsklausel des § 7 Abs. 4 seiner Satzung gestützte Organisationsmaßnahme. Dementsprechend geht der Antragsgegner auch davon aus, dass eine Genehmigung erst „nach Bedingungseintritt“ einzuholen ist (vgl. Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 13.07.2010, S. 4). Damit muss die Antragstellerin auch schon vor einer entsprechenden Genehmigung mit Vollzugsmaßnahmen des Antragsgegners rechnen.
16 
Auch der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Es ist - bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage - davon auszugehen, dass der Antragsgegner mit dem Vollzug des beanstandeten Organisationsbeschlusses in rechtswidriger Weise in ein subjektives Recht der Antragstellerin eingreifen würde, sodass der Antragstellerin hiergegen ein öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Unterlassungsanspruch zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1996 - 6 C 5/95 -, BVerwGE 102, 304 [315]).
17 
1. Allerdings beeinträchtigt der von der Antragstellerin angegriffene Organisationsbeschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 weder ihre statusrechtliche Stellung als Universitätsprofessorin noch die in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit.
18 
Mit der Ernennung zur Professorin für Viszeralchirurgie an der beigeladenen Universität ist der Antragstellerin das Amt und die Aufgabe übertragen worden, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten. Die damit begründete Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verleiht einen subjektiv-rechtlichen Schutz gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.10.2008 - 1 BvR 462/06 -, BVerfGE 122, 89 [105]). Auch die Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung gehört gemäß § 53 Abs. 1 LHG zu den der Antragstellerin als Dienstaufgabe übertragenen Tätigkeitsbereichen, die - im Hinblick auf den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung - auch gerichtlich verteidigt und in Anspruch genommen werden können. Sie prägt die amtsgemäße Verwendung der Antragstellerin und ist insofern Bestandteil ihres abstrakt-funktionellen Amtes als Universitätsprofessorin (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.05.2004 - 4 S 760/04 -, VBlBW 2004, 420).
19 
Diese Gewährleistungen werden durch die vom Antragsgegner beschlossenen Organisationsmaßnahmen indes nicht verletzt. Dies gilt zunächst für die sich mittelbar aus dem Beschluss ergebende Folge der Ausschreibung einer W3-Professur für Allgemeine und Viszeralchirurgie. Denn ein Recht auf alleinige Vertretung des übertragenen Faches wird mit der Ernennung nicht begründet (vgl. etwa Reich, Hochschulrahmengesetz, 10. Aufl. 2007, § 43 Rn. 2). Auch hinsichtlich der mit der Beschwerde in den Vordergrund gerückten Tätigkeit im Bereich der Krankenversorgung ist nicht erkennbar, dass durch die Maßnahmen der subjektiv-rechtlich abgesicherte Anspruch der Antragstellerin auf amtsangemessene Beschäftigung beeinträchtigt werden könnte. Trotz des Organisationsbeschlusses behält die Antragstellerin ihre Funktion als leitende Ärztin einer chirurgischen Klinik samt der damit verbundenen Möglichkeit der Behandlung von Privatpatienten. Die Beschäftigung der Antragstellerin wird daher nicht in qualitativer Hinsicht geändert und ihr insbesondere auch nicht die Ausübung einer unterwertigen Tätigkeit zugemutet. Verändert werden vielmehr nur der sachliche Umfang und der Zuschnitt ihres Aufgabengebietes und damit das „Amt im konkret-funktionalen Sinn“. Die der Antragstellerin verliehene Stellung als Universitätsprofessorin vermittelt aber keinen Anspruch auf ungeschmälerte Aufrechterhaltung des bestehenden Aufgabenbereichs. Derartige Garantien können allenfalls aus Individualabreden folgen (vgl. hierzu unter 2.). Gleiches gilt auch für den Umfang der von der Antragstellerin ausgeübten Nebentätigkeiten und die damit verbundenen Einkunftsmöglichkeiten. Auch insoweit gewährleistet Art. 33 Abs. 5 GG kein Recht auf den Besitzstand „wohlerworbener Rechte“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [62 ff.]).
20 
Ob zur Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit auf dem Gebiet der Viszeralchirurgie - also dem auf die inneren Organe bezogene Teilbereich der Chirurgie (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002) - auch die von der Antragstellerin bislang ausgeübte Tätigkeit im onkologischen Bereich zwingend gehört, vermag der Senat nach Aktenlage nicht zu entscheiden (vgl. zur Ermittlung der inhaltlichen Reichweite des übertragenen Faches BVerfG, Beschluss vom 13.04.2010 - 1 BvR 216/07 -, DVBl 2010, 1106 [Rn. 58]). Selbst wenn dem so sein sollte, wäre mit den angegriffenen Organisationsmaßnahmen eine Verletzung der der Antragstellerin zukommenden Rechtsposition bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung nicht zwingend verbunden. Vielmehr sind auch danach Ausgestaltungen denkbar, die der Antragstellerin Aufgaben der Krankenversorgung im Bereich der Onkologischen Chirurgie belassen. Der aus dem Organisationsbeschluss folgende Entzug der Leitungsfunktion für den Bereich der Onkologischen Chirurgie dagegen verletzt die Antragstellerin nicht in der ihr aus der Wissenschaftsfreiheit als Universitätsprofessorin zukommenden Rechtsstellung. Vielmehr ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Tätigkeit als leitender Klinikarzt mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend verbunden noch garantiert ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 387). Auch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt nicht, dass ein Hochschullehrer Leitungsfunktionen an der wissenschaftlichen Einrichtung, an welcher er tätig ist, ausüben muss. Im Bereich der Krankenversorgung ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine Zusatzaufgabe handelt, die vom ärztlichen Hochschullehrer neben seinen Aufgaben in Forschung und Lehre betrieben wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.04.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 [92 und 96]). Dementsprechend ist in der mit der Antragstellerin geschlossenen Berufungsvereinbarung vom 26./30.04.2001 auch nur von „Aufgaben in der Krankenversorgung“ die Rede, nicht aber von Leitungsfunktionen oder bestimmten Bereichen. Bezugspunkt der aus der Wissenschaftsfreiheit abgeleiteten Rechtsposition ist damit nicht die Leitungstätigkeit, sondern nur die Mitwirkung in der Krankenversorgung.
21 
Die künftige Ausgestaltung des Aufgabenbereichs muss demnach - sofern die Tätigkeit im Bereich der Onkologischen Chirurgie zum Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit gehören sollte - lediglich sicherstellen, dass der Antragstellerin in ausreichender Weise Zugang zu Patienten ermöglicht wird, um diese für eine Mitwirkung in ihren Lehrveranstaltungen gewinnen, Assistenten ausbilden und ihre klinische Qualifikation aufrecht erhalten zu können (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 08.04.1981 - 1 BvR 608/79 -, BVerfGE 57, 70 [98]). Diesen Anforderungen ist vorliegend aber Rechnung getragen. Denn am 08./11.02.2010 hat der Klinikumsvorstand des Antragsgegners beschlossen, dass im Umstrukturierungskonzept für die Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleibt.
22 
2. Der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 bewirkt aber einen rechtswidrigen Eingriff in die der Antragstellerin durch den Chefarztvertrag eingeräumte Rechtsposition. Zwar sind entsprechende Neustrukturierungsmaßnahmen grundsätzlich durch die in § 4 dieses Vertrags enthaltene Anpassungsklausel gedeckt (a). Die danach erforderlichen Voraussetzungen liegen aber voraussichtlich nicht vor (b).
23 
a) § 4 des zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossenen Chefarztvertrags lässt Organisationsmaßnahmen, wie die im Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 enthaltenen, grundsätzlich zu.
24 
aa) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die in § 4 des Chefarztvertrags enthaltene Anpassungsklausel aber an § 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 308 Nr. 4 BGB gemessen.
25 
Die Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin zur Ausgestaltung ihrer Aufgaben in der Krankenversorgung vom 22.02.2001/ 14.03.2001 (Chefarztvertrag) konkretisiert die der Antragstellerin als beamteter Hochschullehrerein nach § 53 LHG übertragenen Dienstaufgaben in der Krankenversorgung und regelt damit einen Vertragsgegenstand, der öffentlich-rechtlichen Charakter aufweist (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 - sowie LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.06.2010 - 3 Ta 10/10 -; zum Maßstab auch BVerwG, Beschluss vom 26.05.2010 - 6 A 5/09 -, NVwZ-RR 2001, 682; BGH, Beschluss vom 20.05.2009 - XII ZB 166/08 -, NVwZ 2009, 1054). Denn auch die Versorgung von Privatpatienten gehört zu den „originären Hauptpflichten“ eines leitenden Krankenhausarztes (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [63]). Dementsprechend wurde die Antragstellerin im Berufungsschreiben des Wissenschaftsministers vom 04.12.2000 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Professur neben der Verpflichtung, das Fach in Forschung und Lehre zu vertreten, auch Aufgaben in der Krankenversorgung verbunden sind, deren Ausgestaltung und Übertragung einem Vertrag mit dem rechtlich selbständigen Universitätsklinikum vorbehalten sei. Auch auf öffentlich-rechtliche Verträge sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches nach § 62 Satz 2 LVwVfG aber ergänzend anwendbar.
26 
Dies gilt auch für die in § 308 Nr. 4 BGB enthaltene Regelung. Denn obwohl die Vorschrift erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138) und damit nach Abschluss des Chefarztvertrages eingeführt worden ist, erstreckt sich ihr Geltungsanspruch gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch auf „Altverträge“, die schon vor Inkrafttreten der Neuregelung geschlossen waren, und ordnet deren Unwirksamkeit nach Ablauf der Übergangsfrist zum 01.01.2003 an (vgl. BAG, Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536). Dass die Klausel vorformuliert und mit der Antragstellerin nicht ausgehandelt worden war, ist mit der Beschwerdeschrift ausdrücklich eingeräumt worden.
27 
bb) Der Senat teilt indes nicht die Auffassung, dass danach die in § 4 des Chefarztvertrags enthaltene Entwicklungs- und Anpassungsklausel ersatzlos zu entfallen hat. Dies folgt schon daraus, dass der in § 4 des zwischen den Beteiligten geschlossenen Chefarztvertrages enthaltene Anpassungsvorbehalt einer Kontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB stand hält.
28 
Diese Vorschrift verbietet die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Zumutbar ist eine Entwicklungsklausel aber, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140 [144 f.]). Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Verträge ergibt sich dies bereits aus der in § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gesetzlich angeordneten Anpassungsmöglichkeit (vgl. insoweit auch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB).
29 
Voraussetzung und Umfang der vorbehaltenen Änderungen sollen dabei möglichst konkretisiert werden. Allerdings sind genaue Festlegungen angesichts der ungewissen Zukunftsentwicklung schwierig. Dies gilt erst recht bei den auf lange Laufzeiten angelegten Chefarztverträgen, die den sich fortentwickelnden Vorgaben aus Wissenschaft und Technik sowie des gesetzlichen Rahmens in besonderer Weise ausgesetzt sind (vgl. BAG, Urteil vom 28.05.1997 - 5 AZR 125/96 -, BAGE 86, 61 [72]; Reinecke, NJW 2005, 3383 [3387]). Jedenfalls aber „die Richtung, aus der der Widerruf möglich sein soll“, muss für den Chefarzt offen gelegt sein, damit er erkennen kann, was gegebenenfalls auf ihn zukommt (BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140 [146]; Urteil vom 13.04.2010 - 9 AZR 113/09 - [Rn. 29]). Änderungsklauseln im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB müssen zumindest ein „Mindestmaß an Kalkulierbarkeit“ aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010 - XI ZR 197/09 -, NJW 2010, 1742 [Rn. 15]).
30 
Diesen Anforderungen genügt die streitige Klausel noch. Denn sie macht deutlich, dass nur „strukturelle und organisatorische Änderungen im Klinikum“ ermöglicht werden sollen. Angesprochen sind ausdrücklich die Schließung und Abtrennung von Fachabteilungen, Funktionsbereichen oder Instituten, die Änderung der Bettenzahl und -aufteilung sowie die Abtrennung bestimmter Leistungen. Damit ist nicht nur der Anlass etwaiger Anpassungen markiert, sondern insbesondere auch der Umfang denkbarer Eingriffe festgeschrieben. Die Antragstellerin konnte sich auf dieser Grundlage durchaus ein Bild der möglichen Anpassungen machen und musste danach auch mit intensiven Eingriffen in die bestehende Organisationsstruktur rechnen. Dass hiermit auch finanzielle Einbußen im Bereich der Privatliquidationserlöse verbunden sein könnten, ist in § 5 Abs. 8 Satz 3 des Chefarztvertrages ausdrücklich ausgesprochen und klargestellt worden.
31 
Die Klausel unterscheidet sich daher erheblich von den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Konstellationen, in denen „jederzeitige und unbeschränkte“ Widerrufsvorbehalte zu beurteilen waren und der Grund daher nicht bereits in der Änderungsklausel beschrieben war (vgl. Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140; Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536; Urteil vom 19.12.2006 - 9 AZR 294/06 -, BB 2007, 1624; Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428). Sie enthält - anders als in dem vom Arbeitsgericht Heilbronn (Urteil vom 04.09.2008 - 7 Ca 214/08 -, MedR 2009, 99) entschiedenen Fall - bereits im Wortlaut einen Sachgrund und ist entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht „völlig unbestimmt“.
32 
Die streitige Klausel mutet der Antragstellerin auch keine unangemessen benachteiligende Abweichung von dem Vereinbarten zu. Dies folgt zunächst schon daraus, dass sie nur diejenigen Anpassungen ermöglicht, die aus strukturellen und organisatorischen Gründen „sachlich geboten“ sind. Die Vereinbarung berücksichtigt damit die Belange der Antragstellerin und setzt überdies die Herstellung eines „Benehmens“ voraus. Insbesondere aber enthält das Entwicklungsrecht keinen Eingriff in den Kernbereich der vertraglichen Regelung. Die Anpassung erlaubt dem Antragsgegner nicht, die Art der Dienstleistung (Leitung einer chirurgischen Abteilung) zu ändern oder ihr andere ihrer beruflichen Qualifikation nicht entsprechende oder unterwertige Tätigkeiten zuzuweisen. Vielmehr betrifft die mögliche Anpassung allein den sachlichen Umfang und die organisatorische Ausgestaltung ihres Aufgabenfeldes. Dass hierdurch mittelbar auch die Möglichkeit der Behandlung von Privatpatienten und die hiermit verbundenen Einnahmen aus der Ausübung des Liquidationsrechts betroffen sein können, führt nicht zur Unwirksamkeit. Denn eine vertragliche Zusicherung für die dauerhafte Erhaltung dieser Einnahmemöglichkeiten enthält der Chefarztvertrag nicht. Dort ist vielmehr in § 5 Abs. 8 ausdrücklich geregelt, dass eine Gewähr für Umfang und Höhe der Einnahmen aus Privatliquidation nicht besteht, und auf die Möglichkeit des Rückgangs bei organisatorischen Änderungsmaßnahmen verwiesen. Schließlich wird der Antragstellerin durch die möglichen Maßnahmen auch nicht der Zugang zur Krankenversorgung entzogen.
33 
cc) Selbst wenn man von der Unwirksamkeit der Anpassungsklausel ausginge, wäre der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 am Maßstab der sachlichen Gebotenheit zu prüfen.
34 
Angesichts der Tatsache, dass die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB auf Altfälle, bei deren Abschluss die Vorgaben noch gar nicht berücksichtigt werden konnten, eine Rückwirkung darstellt, bedarf es auch nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Verstoßfällen einer ergänzenden Vertragsauslegung zur Schließung der entstandenen Lücke. Nur so kann eine verhältnismäßige und verfassungskonforme Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen gewährleistet werden (vgl. grundlegend BAG, Urteil vom 12.01.2005 - 5 AZR 365/04 -, BAGE 113, 140; Urteil vom 11.10.2006 - 5 AZR 721/05 -, NJW 2007, 536).
35 
Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf die vorliegend in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Chefarztvertrages ausdrücklich enthaltene Bestimmung, so dass es auf das teilweise angedeutete Erfordernis vorangegangener Anpassungsversuche (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428) - deren anlassunabhängige Erforderlichkeit jedenfalls im Bereich öffentlich-rechtlicher Verträge eher fraglich erscheint - nicht ankommt. Die gegenteilige Auffassung hätte eine „Versteinerung“ der einem Chefarzt zugebilligten Rechtspositionen zur Folge, selbst wenn organisatorische Änderungen aus Sachgründen unabweisbar erforderlich wären, was mit der gesetzlich angeordneten Anpassungsmöglichkeit aus § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG nicht vereinbar ist (vgl. zur Zulässigkeit der Kündigung aus wichtigem Grund Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 191; zur Anpassung von Ausstattungszusagen Senatsurteil vom 21.10.2008 - 9 S 1507/06 -, VBlBW 2009, 69). Entgegen der vom Verwaltungsgericht geäußerten Auffassung bestehen an der Wirksamkeit dieser Klausel auch keine Bedenken, weil sie - anders als in dem zitierten Fall des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 -, BAGE 115, 19 [28]) - gerade keine geltungserhaltende Reduktion, sondern nur die Pflicht der Vertragsergänzung enthält. Im Übrigen sind auch die der Antragstellerin von der Medizinischen Fakultät gegebenen Zusagen zu Struktur und Ausstattung der Abteilung im Berufungsangebot vom 13.02.2001 ausdrücklich auf 5 Jahre befristet worden. Sie konnte daher nicht darauf vertrauen, dass ihre Stellung auch nach Ablauf dieser Frist ungeschmälert aufrecht erhalten bleibt.
36 
Maßgeblich wäre demgemäß, was die Beteiligten vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzliche angeordnete Unwirksamkeit der Anpassungsklausel bekannt gewesen wäre. Zur Beantwortung dieser Frage ist der durch den Vertrag selbst (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -, NZA 2009, 428 [Rn. 38]) und die gesetzlichen Vorgaben gezogene Rahmen heranzuziehen. Auch danach wäre der Antragstellerin aber die Hinnahme einer sachlich gebotenen Änderung der Organisationsstruktur aufgebürdet worden. Dies folgt nach dem oben Ausgeführten schon daraus, dass der Vertrag eine dauerhafte Zusicherung der bei Abschluss bestehenden Aufgabenbereiche und Organisationsstrukturen nicht enthält, sondern vielmehr von einer Veränderlichkeit der Tätigkeit der Antragstellerin in der Krankenversorgung - auch im Hinblick auf mögliche Einnahmen aus Privatliquidation - ausgeht. Jedenfalls für grundlegende Struktur- und Ausrichtungsentscheidung ergibt sich dies überdies aus §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 62 Satz 1 LVwVfG. Die Antragstellerin hätte dem redlicher Weise nicht widersprechen können und für den Fall der aus strukturellen und organisatorischen Gründen sachlich gebotenen Änderungen ein Anpassungsrecht vereinbart. In dieser Konstellation ist ein sachlicher und triftiger Grund zur nachführenden Anpassung nicht von der Hand zu weisen.
37 
b) Die Voraussetzungen aus § 4 des Chefarztvertrages erfüllt der Organisationsbeschluss des Antragsgegners vom 18.06.2008 aber nicht.
38 
aa) Allerdings dürfte sich der Organisationsbeschluss entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Meinung nicht schon deshalb als fehlerhaft erweisen, weil Anpassungsmaßnahmen nach § 4 des Chefarztvertrags „im Benehmen“ mit der Antragstellerin vorzunehmen sind.
39 
Mit dem - gesetzlich nicht bestimmten - Begriff des Benehmens wird eine Form der Mitwirkung beschrieben, die zwar über die bloße Information oder Anhörung hinausgeht, eine Verbindlichkeit wie beim Einvernehmen oder der Zustimmung aber nicht erreicht (vgl. BAG, Urteil vom 13.03.2003 - 6 AZR 55/01 -, MedR 2004, 390). Die Herstellung des Benehmens dient daher der erläuternden Kontaktnahme und zielt auf eine möglichst einvernehmliche Lösung (vgl. etwa Püttner, in: Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 1, 3. Aufl. 2001, S. 637). Sie hindert bei fehlender Einigung aber die bestehende Entscheidungskompetenz nicht.
40 
Angesichts dieser Zweckbestimmung liegt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - nahe, dass die Fühlungnahme grundsätzlich im Vorfeld stattfinden muss. Andernfalls ist die Achtung und Berücksichtigung der Belange und Wünsche der Gegenseite schwerlich möglich.
41 
Fraglich ist allerdings bereits, welcher Zeitpunkt hierfür im vorliegenden Falle maßgeblich ist. Denn § 4 des Chefarztvertrags stellt auf die „Vornahme“ der organisatorischen Änderung ab. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung ist daher nicht erforderlich, dass bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands ein Benehmen mit der Antragstellerin hergestellt worden ist. Selbst die „abschließende Entscheidung“ hierüber trifft nicht der Klinikumsvorstand, vielmehr sind nachfolgend noch eigenständige Willensbildungen des Aufsichtsrats und der Medizinischen Fakultät erforderlich. Hinzu kommt vorliegend überdies, dass das Inkrafttreten des Organisationsbeschlusses an die aufschiebende Bedingung der Rufannahme für die W3-Professur für Onkologische Chirurgie geknüpft worden ist. Damit verbleibt ein beachtlicher Zeitrahmen, in dem Details und Umsetzungsfragen geklärt werden können. Gerade die Rechtsstellung der Antragstellerin wird aber maßgeblich durch die konkrete Ausgestaltung betroffen und ausgeformt. So ist auf ihre Einwände (und das gerichtliche Eilverfahren gegen die Fortführung des Berufungsverfahrens) hin etwa durch Umlaufbeschluss vom 08./11.02.2010 - und damit nach dem Organisationsbeschluss vom 18.06.2008 - durch den Klinikumsvorstand beschlossen worden, dass bei der Umstrukturierung der Chirurgischen Kliniken der Zugang der Antragstellerin auch zu onkologischen Patienten in dem für Forschung und Lehre notwendigen Umfang gewährleistet bleiben muss. Jedenfalls in den Umständen des vorliegenden Falles spricht daher viel dafür, dass Sinn und Zweck des Benehmens auch noch durch eine nach der Beschlussfassung des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 stattfindende Kommunikation gewährleistet werden können.
42 
Dem entspricht auch, dass der Antragstellerin auf die von ihr vorgetragenen Einwände hin unmittelbar durch Schreiben des Vorsitzenden des Vorstands des Antragsgegners vom 04.08.2008 zugesichert wurde, dass bis zur Bewertung ihres Gegenkonzepts von Maßnahmen abgesehen werde, die eine irreversible Weichenstellung bedeuten könnten. Der Sache nach ist daher - zwar nach dem Organisationsbeschluss vom 18.06.2008, aber weit vor dessen Wirksamwerden und Vollzug - sachliche Verständigungsbereitschaft signalisiert worden. Diese war ersichtlich auch auf etwaige Änderungen des Beschlusses gerichtet und daher geeignet, die vom „Benehmen“ intendierte Beachtung der Interessen der Antragstellerin zu gewährleisten. Demgemäß ist es nachfolgend zu einer Vielzahl von Gesprächen und Stellungnahmen gekommen. Der Antragstellerin ist folglich nach der tatsächlichen Übung Gelegenheit gegeben worden, auf die abschließende Entscheidungsfindung Einfluss zu nehmen und ihren Vorstellungen Ausdruck zu verleihen (vgl. BAG, Beschluss vom 05.05.2010 - 7 ABR 97/08 -, NZA 2010, 955). Dass hierbei die Antragstellerin ihre Vorstellungen nicht durchzusetzen vermochte, beeinträchtigt die Herstellung des Benehmens nicht. Der Umstand, dass auch die intensive nachträgliche Beratung, unter Einschaltung von Ministerium und Universität und unter dem Druck der schwebenden Gerichtsverfahren eine inhaltlichen Änderungen der Entscheidung nicht bewirken konnte, verdeutlicht vielmehr, dass auch eine vor der Beschlussfassung vom 18.06.2008 erfolgte Kontaktaufnahme zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Dass Änderungen des Konzeptes aber noch möglich waren und sind, belegt der Beschluss des Klinikumsvorstands vom 27.01.2010 zur Errichtung eines Transplantationszentrums. Denn auch hiermit wird der Beschluss vom 18.06.2008 inhaltlich abgeändert: danach war die Transplantationschirurgie noch der Klinik für Urologie und Kinderurologie zugeordnet.
43 
bb) Weiter erscheint auch eine Heilung nach den in § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 LVwVfG niedergelegten Rechtsgrundsätzen nicht ausgeschlossen.
44 
In klassisch verwaltungsrechtlicher Terminologie bezeichnet das „Benehmen“ die Mitwirkung anderer Behörden beim Erlass eines mehrstufigen Verwaltungsakts (vgl. etwa Henneke, in: Knack/Henneke, VwVfG-Kommentar, 9. Aufl. 2010, § 35 Rn. 57). Insoweit handelt es sich um ein Erfordernis, dessen heilende Nachholbarkeit in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG ausdrücklich angeordnet ist. Selbst die unabdingbar erforderliche Zustimmung anderer Behörden kann grundsätzlich nachträglich erteilt werden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27.09.1982 - 8 C 145/81 -, DVBl 1983, 135).
45 
Da die Antragstellerin hier nicht Dritte, sondern unmittelbar von der Maßnahme Betroffene ist, passt die kategoriale Zuordnung in § 45 Abs. 1 Nr. 5 LVwVfG aber nicht. Unabhängig von der Begrifflichkeit des „Benehmens“ liegt der Sache nach nicht die Mitwirkung einer anderen Behörde oder Stelle vor, sondern die Beteiligung des Betroffenen selbst. Diese Konstellation ist in klassisch verwaltungsrechtlicher Terminologie die „Anhörung“, für die in § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ebenfalls die Möglichkeit der Nachholung anerkannt ist.
46 
Auch diese Rubrizierung trifft den vorliegenden Sachverhalt indes nicht voll, weil Anhörung und Benehmen nicht identisch sind. Die sachlichen Unterschiede erscheinen aber nicht dergestalt gewichtig, dass eine Anwendung der Heilungsvorschriften sachwidrig erscheinen würde. Denn auch im Falle der von § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG unmittelbar erfassten Anhörung geht es darum, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, seine Sichtweise und Vorstellungen in das Verfahren einzubringen. Auch wenn der beim Benehmen geforderte Einigungswille insoweit fehlt, setzt hier wie dort der Sinn der Vorschrift eine tatsächliche Berücksichtigung des Vorbringens voraus. Eine Heilung kann demgemäß nur eintreten, wenn die nachträglich vorgetragenen Erwägungen noch Beachtung finden und in den Entscheidungsprozess einfließen können. Hierfür reicht es nach der in § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG enthaltenen Wertung aus, wenn der Vortrag nachträglich berücksichtigt werden muss und zu einer Abänderung im Abhilfe- oder Widerspruchsverfahren führen kann (vgl. etwa Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 45 Rn. 84).
47 
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Senats auch für das vorliegende Benehmen zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner heranzuziehen (vgl. zur Erstreckung auf „anhörungsbezogene Fälle“ auch Schemmer, in: Bader/Ronellenfitsch, VwVfG-Kommentar, § 45 Rn. 43). Auch insoweit ist Zweck der in § 4 des Chefarztvertrags enthaltenen Regelung, dass der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ihre Sichtweise und Interessen vor einer abschließenden Entscheidung über etwaige Anpassungsmaßnahmen geltend zu machen. Wie bei der Anhörung ist diesen Anforderungen grundsätzlich nur bei vorheriger Durchführung vollständig Rechnung getragen. Eine nachträgliche Mitwirkung ist indes nicht ausgeschlossen, sofern ihre wirksame Berücksichtigung noch möglich ist. Dies gilt im Falle der Anhörung durch die nachträgliche Berücksichtigung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, vorliegend durch die ernsthafte Prüfung etwaigen Änderungsbedarfs vor Eintritt des erst in der Zukunft liegenden Wirksamkeitszeitpunkts.
48 
cc) Die mit dem Organisationsbeschluss verfügten Änderungen sind bei der im Rahmen einer Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Beurteilung nach Aktenlage aber nicht sachlich geboten, so dass dem Antragsgegner - jedenfalls vorläufig - ein Festhalten an der ursprünglich vereinbarten Klinikstruktur zugemutet werden kann.
49 
1) Dieses Ergebnis folgt nicht bereits daraus, dass der Antragsgegner die beschlossene Neustrukturierung deshalb durchführen möchte, weil er mit der Leitungstätigkeit der Antragstellerin in den vergangen Jahren nicht zufrieden ist. Allein dieser Befund macht den Beschluss nicht rechtswidrig. Insbesondere kann die beschlossene Umstrukturierung nicht als „Umgehung“ disziplinarischer Maßnahmen gewertet werden. Denn sie knüpft nicht an eine vorwerfbare Verletzung dienstlicher Pflichten oder ein disziplinarrechtlich sanktionierbares Fehlverhalten an. Soweit dies nach Aktenlage beurteilt werden kann, ist durch die vom Antragsgegner angenommene „Schlechtleistung“ der der Antragstellerin übertragenen Leitungsfunktion der Anwendungsbereich des Disziplinarrechts noch nicht eröffnet. Im Übrigen dürfte die Entscheidung über den Entzug eines konkreten Aufgabenbereiches nicht dem Disziplinarverfahren vorbehalten sein. Denn die das Beamtenrecht kennzeichnenden Verfahrensgarantien für die Entziehung des Amtes betreffen nur das Statusamt, nicht aber die Ausgestaltung des Tätigkeitsfeldes (vgl. Senatsbeschluss vom 24.04.2009 - 9 S 603/09 -, VBlBW 2009, 191; BVerwG, Urteil vom 07.03.1968 - II C 11/64 -, ZBR 1968, 218). Auch die alternativ denkbare Kündigung des Chefarztvertrages kann nicht als vorrangiges Instrumentarium bewertet werden. Der Antragsgegner ist nicht gezwungen, gegen die Antragstellerin persönlich vorzugehen. Unabhängig davon, dass insoweit andere Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssten, ist auch nicht ersichtlich, warum die Möglichkeit einer Vertragskündigung Maßnahmen zur Umgestaltung der Aufgabenorganisation sperren sollte. Dies gilt um so mehr, als organisatorische Anpassungen insoweit als milderes Mittel einzustufen wären. Organisationsmaßnahmen sind demnach ein grundsätzlich zulässiges Mittel, um unabhängig von vorwerfbarem Fehlverhalten und unterhalb der Kündigungsschwelle auf Missstände reagieren zu können. Maßgeblich bleibt daher die Frage, ob die beschlossenen Organisationsänderungen sachlich geboten und zumutbar erscheinen.
50 
2) Missstände und Fehlentwicklungen sind im „Positionspapier zur Gründung eines Departments Allgemeine und Viszeralchirurgie“, das dem Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 zu Grunde lag, nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Dies gilt zunächst für das „Kerngeschäft“ der Krankenversorgung. Nach den ausgewiesenen Daten und Tabellen sind die Fallzahlen durchgängig niedrig und gemessen am Standard der Universitätskliniken des Landes auch signifikant unterdurchschnittlich. Dies gilt exemplarisch für den Bereich der Nierentransplantationen, in dem die Zahl nicht nur absolut, sondern auch bezogen auf die Größe des jeweiligen Klinikums deutlich am geringsten ausfällt. Angesichts der bereits seit dem Jahr 2005 durchgängig niedrigen Werte konstatiert das Positionspapier, dass auch keine erfolgversprechenden Ansätze zu erkennen seien, wie die Zahl der Transplantationen gesteigert werden könnte. Diese Entwicklung hat sich nachfolgend offenbar noch verschärft, so dass gegenwärtig nicht einmal mehr die gesetzlich vorgesehene Zahl von Mindestoperationen erreicht wird (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 16.03.2010). Pankreastransplantationen würden „aufgrund des Mangels an ausreichender Expertise“ seit dem Jahr 2003 überhaupt nicht mehr durchgeführt und nach Tübingen überwiesen. Auch bei den Kolon- und Pankreas-Operationen nehme die Klinik den letzten Rang im Lande ein und habe überdies in weiten Bereichen eine rückläufige Tendenz der Leistungszahlen zu verzeichnen. Schließlich habe die Patientenbefragung 2007 eine klare Verschlechterung und auch ein unterhalb des Durchschnitts liegendes Ergebnis erzielt. Auch in anderen Bereichen habe die Klinik keine profilgebende oder positive Entwicklung vorzuweisen. Drittmitteleinwerbung und Publikationsleistungen etwa seien dergestalt abgefallen, dass die Hochschulmedizinstrukturkommission eine Halbierung des F&L-Zuschusses empfohlen habe. Auch im Klinikmanagement seien Defizite insbesondere bei der Abstimmung und Kommunikation sowie der Außendarstellung zu verzeichnen. Dementsprechend sei es zu OP- und Terminsabsagen und entsprechenden Beschwerden gekommen. Schließlich sei auch die Abstimmung und fachliche Interaktion mit anderen Kliniken verbesserungswürdig.
51 
Nach diesen Darlegungen ist der im Positionspapier konstatierte „dringende Handlungsbedarf“ nicht von der Hand zu weisen. Vielmehr lässt schon der angesichts der geringen Fallzahlen drohende Verlust der Zulassung zur Durchführung von Nierentransplantationen organisatorische Nachführungen sachlich geboten erscheinen. Diese Einschätzungen werden durch das Vorbringen der Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. In der ausführlichen Stellungnahme zum Positionspapier vom 16.07.2010 wird zwar eine Vielzahl von Einzelaussagen bestritten und wiederholt darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin ein Verschulden nicht trifft; die Fallzahlen selbst indes und der Stand der Operationsleistungen werden auch von der Antragstellerin im Wesentlichen nicht bestritten.
52 
Darüber hinaus hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass der von der Antragstellerin geleitete Bereich der Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie den defizitärsten Klinikumsbereich des Antragsgegners darstellt und im Jahr 2009 mit einem negativen Ergebnis von über 2 Millionen Euro abgeschlossen hat. Auch wenn die Antragstellerin hiergegen umfängliche Einwendungen - insbesondere im Hinblick auf die fehlende Transparenz der internen Leistungsverrechnung - vorgetragen hat, sind Defizite im Bereich des Krankenversorgungsbudgets nach Aktenlage durchaus plausibel. Auch die wirtschaftliche Lage legt daher nahe, dass ein Handlungsbedarf in dem von der Antragstellerin zu verantwortenden Aufgabenbereich „sachlich geboten“ erscheint. Dies gilt um so mehr, als auch die staatliche Finanzierung der Hochschule gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LHG von den erbrachten Leistungen abhängig ist.
53 
3) Die Geeignetheit und Gebotenheit der vom Antragsgegner zur Abhilfe konkret beschlossenen Maßnahmen ist bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen Beurteilung nach Aktenlage aber nicht hinreichend erkennbar.
54 
Ausweislich der Begründung im Positionspapier geht die Einführung der neuen Organisationsstruktur in sachlicher Hinsicht auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom 13.07.2007 zurück. Darin war die Bildung von Departments empfohlen worden, um die Fächergrenzen überwinden und eine verbesserte Koordination und „Quervernetzung“ der Tätigkeitsbereiche ermöglichen zu können. Dieser Organisationsrahmen passe auch besser, um das Potential der Nachwuchsgruppen mit ihren individuellen Schwerpunktsetzungen auszuschöpfen und eine Karriereplanung für „High potentials“ bieten zu können. Hieran anknüpfend führt das Positionspapier aus, dass die angestrebte Stärkung des Bereiches in der derzeitigen Struktur nicht leistbar erscheine. Eine Erhöhung der Fallzahlen, Drittmitteleinwerbungen und Publikationsleistungen, die zur Positionierung im Wettbewerb mit anderen Kliniken erforderlich sei, setze eine Umstrukturierung der bestehenden Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie voraus. Hierauf nimmt der Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 Bezug.
55 
Warum die formulierten - und legitimen - Ziele aber (gerade) durch die beabsichtigten Organisationsmaßnahmen erreicht oder auch nur gefördert werden sollten, bleibt indes offen. Weder das Positionspapier noch der Beschluss des Klinikumsvorstands, das Erläuterungsschreiben vom 09.07.2008 oder das umfängliche Vorbringen im gerichtlichen Verfahren erbringen hierzu substantiierten und über formelhafte Floskeln hinausgehenden Vortrag. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil sich die behauptete Abhilfe nicht aus sich selbst heraus ergibt. Warum die Aufspaltung der bestehenden Klinik und die damit verbundene Aussonderung verschiedener Bereich für sich genommen bereits aus organisatorischen Gründen zu einer Erhöhung der Fallzahlen, Drittmitteleinwerbungen oder Publikationsleistungen beitragen könnte, ist nicht erkennbar. Dies gilt um so mehr, als damit gerade nicht eine bessere Vernetzung oder Verbindung über Fachgrenzen hinweg verbunden ist, sondern im Gegenteil weitere organisatorische Abtrennungen und Verselbständigungen vorgenommen werden. Dementsprechend hat auch der Wissenschaftsrat selbst darauf hingewiesen, dass die Bezugnahme auf die von ihm abgegebenen Empfehlungen fehl geht. Sowohl im Schreiben der Vorsitzenden der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrats vom 05.09.2008 als auch in der Stellungnahme des Generalsekretärs des Wissenschaftsrats vom 17.11.2008 wird in deutlichen Worten klargestellt, dass die vom Antragsgegner beschlossene Herauslösung einer bestehenden Organisationseinheit den abgegebenen Empfehlungen nicht entspricht. Sinn und Zweck der empfohlenen Departmentsstruktur habe vielmehr gerade darin gelegen, bisher unzureichend vernetzte Organisationseinheiten in einer neuen Struktur zusammenzuformen. Dem laufe das Ansinnen des Antragsgegners aber - trotz der Verwendung der geprägten Begrifflichkeit des Departments - diametral entgegen. Konkrete Vorteile, die sich aus den beabsichtigten Trennungen ergeben könnten, seien im Positionspapier weder benannt noch sonst ersichtlich.
56 
Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie hat mit Schriftsatz vom 29.08.2008 auf „wesentliche Kritikpunkte“ hingewiesen und „dringend gebeten“, die Entscheidung erneut zu überdenken. Dabei ist in fachlicher Hinsicht zunächst reklamiert worden, dass die beabsichtigte Trennung zwischen gutartigen und bösartigen chirurgischen Erkrankungen im klinischen Alltag nicht realisierbar sei und eine derartige Aufteilung unweigerlich zu permanenten Streitigkeiten führen müsse. Insbesondere aber lasse die absolute Größe der bestehenden Klinik eine weitere Unterteilung in zwei kleinere Abteilungen nicht zu. Eine „ausreichend kritische Masse“ dürfe aus Gründen der Bettenkapazität, der Operationskapazität und wegen der weiterzubildenden Mitarbeiter nicht unterschritten werden. Die beabsichtigte Verkleinerung führe deshalb „unweigerlich zu einer Universitätschirurgie zweiter Klasse“.
57 
Eine direkte Auseinandersetzung mit diesen Expertisen findet sich in den gesamten, dem Gericht zugänglich gemachten Akten nicht. Vielmehr setzt sich der Antragsgegner mit „behaupteten Mängeln“ des Organisationsbeschlusses nur rudimentär auseinander. Immerhin wird im Schreiben des Vorstandsvorsitzenden des Antragsgegners vom 01.09.2009 an den Präsidenten der Universität zur Sinnhaftigkeit einer Unterteilung der Aufgaben nach onkologischer und nicht-onkologischer allgemeiner Chirurgie Stellung bezogen und ausgeführt, bezüglich dieser Frage sei „auf namhafte Experten (z.B. Prof. S... aus Heidelberg) zu verweisen, die bestätigen, dass eine solche Einteilung etwa in den USA üblich ist“. Diese Stellungnahme oder andere Fachaussagen hierzu finden sich in den Akten aber nicht. Umgekehrt hat nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin (vgl. Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin an das VG Sigmaringen vom 11.09.2009, S. 13) gerade Prof. Dr. S... eine Teilung der bestehenden Klinik für wenig sinnvoll gehalten, da dadurch zwei Kliniken mit deutlich 'unterkritischer' Größe von jeweils lediglich etwa 25 Betten entstehen würden.
58 
Damit ist bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung nicht erkennbar, warum die beschlossenen Organisationsmaßnahmen zu einer Verbesserung der diagnostizierten Lage führen sollten. Die Feststellung einer „sachlichen Gebotenheit“ jedenfalls ist dem erkennenden Senat auf dieser Grundlage nicht möglich.
59 
Nahe liegt vielmehr, dass sich der Antragsgegner Abhilfe nicht durch den geänderten Organisationsrahmen verspricht, sondern durch den damit ermöglichten Leitungswechsel an den neu geschaffenen Kliniken und Abteilungen. Demgemäß ist (allein) darauf verwiesen worden, dass der zu berufende W3-Professor „infolge seiner persönlichen Reputation, fachlichen Kompetenz und seines Leistungseinsatzes rasch Fallzahlen und damit weitere Erträge zugunsten der Antragsgegnerin generieren wird“ (vgl. Schriftsätze vom 13.07.2010, S. 17 und vom 27.08.2010, S. 19). Dies ist für sich genommen zwar nicht illegitim, vermag der aus sich selbst heraus nicht sinnfälligen und allein streitbefangenen Organisationsmaßnahme aber nicht zu der erforderlichen Gebotenheit zu verhelfen. Vielmehr erscheint nicht fernliegend, dass der Antragsgegner im Falle eines Ausscheidens der Antragstellerin von ihrer Tätigkeit als Abteilungsleiterin von den geplanten strukturellen Änderungen Abstand nehmen würde. Im Fokus steht folglich nicht eine unzweckmäßige Struktur oder die Schaffung einer übergeordneten Einheit (wie etwa bei der Errichtung des Transplantationszentrums), der Organisationsrahmen soll vielmehr nur geändert werden, um personelle Änderungen in der Leitungsstruktur zu bewirken. Damit ist die Organisationsmaßnahme als solche aber nicht sachlich geboten.
60 
3. Ob der Organisationsbeschluss auch gegen die verfahrensmäßigen Voraussetzungen aus dem Universitätsklinika-Gesetz oder der Satzung des Antragsgegners verstößt, kann daher im Ergebnis ebenso offen bleiben wie die Frage, inwieweit aus einer etwaigen Verletzung dieser Vorschriften ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin abgeleitet werden könnte (vgl. zweifelnd hierzu LAG Hamm, Urteil vom 13.11.2003 - 16 Sa 1570/03 -, ArztR 2005, 13).
61 
a) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht aber die Bezugnahme auf § 7 Abs. 4 der Satzung für unzulässig gehalten, wonach eine Abweichung von den Bestimmungen der Satzung zur Erprobung neuer Verfahren und/oder neuer Organisations- und Leitungsstrukturen und Bezeichnungen in Einzelfällen zulässig ist.
62 
„Erprobungen“ sind grundsätzlich als vorläufige Maßnahmen angelegt (vgl. Senatsbeschluss vom 31.08.1988 - 9 S 2624/88 -, NVwZ 1990, 87 [88]), deren dauerhafter Bestand von einer nach Abschluss der Erprobungsphase durchgeführten Evaluation abhängt (vgl. insoweit etwa die ausdrücklichen Vorgaben in § 41 Abs. 2 Nr. 4 der Approbationsordnung für Ärzte oder § 20 Abs. 3 des Heimgesetzes für Baden-Württemberg). Allerdings kennt das geltende Recht durchaus „Erprobungsklauseln“, die auf einen vorab definierten zeitlichen Horizont verzichten, wie etwa § 22 SchG für die Erprobung neuer Schulformen oder § 37a LHG hinsichtlich der Einführung neuer Studiengänge. Maßgeblich für die Qualifizierung einer Maßnahme als einer solchen zur Erprobung ist daher nicht zwingend der bereits im vorhinein definierte zeitliche Rahmen, sondern die noch ausstehende Entscheidung über die dauerhafte Fortführung. Diese hängt vom Ergebnis der Erprobung ab und bedarf daher einer erst nach deren Abschluss zu treffenden Bewertung. „Probemaßnahmen“ sind folglich ihrem Wesen nach vorläufig und vertagen die Entscheidung über die endgültige und dauerhafte Etablierung in die Zukunft.
63 
An diesen Maßstäben gemessen, bereitet die Einordnung des streitigen Organisationsbeschlusses vom 18.06.2008 als Erprobungsmaßnahme Schwierigkeiten.
64 
Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Denn Anhaltspunkte für eine begrenzte Dauer der beschlossenen Neustrukturierung der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie sind nicht ersichtlich. Vielmehr spricht bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen summarischen Betrachtung nach Aktenlage viel dafür, dass die Grundsatzentscheidung über die Einführung der neuen Departmentsstruktur bereits getroffen worden und diese auf Dauer angelegt ist. Dies folgt zunächst schon daraus, dass irgendwie geartete Hinweise auf die Vorläufigkeit weder im Beschluss selbst noch im Positionspapier oder den sonstigen hierauf bezogenen Unterlagen zu finden sind. Auch der Antragsgegner hat hierzu nichts vorgetragen. Umgekehrt sind die Erwägungen in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Positionspapier von grundsätzlicher Natur. Im Rahmen der „strategischen“ Erwägungen wird dort ausgeführt, dass die Aufgaben in der derzeitigen Struktur nicht leistbar sind und die Klinik daher umstrukturiert werden muss. Dabei wird maßgeblich auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrats Bezug genommen, die ebenfalls in die Zukunft gerichtete Strukturen und Organisationsrahmen in den Blick nehmen.
65 
Insbesondere aber sind die Umsetzungsmaßnahmen auch inhaltlich nicht nur „vorläufig“ angesetzt. Denn weder die Gründung einer Klinik für Onkologische Chirurgie noch die Besetzung der - ohne jeden Hinweis auf eine Befristung, Erprobung oder Vorläufigkeit ausgeschriebenen - W3-Professur als Direktor hierfür lassen die Einordnung der Umstrukturierung als nur vorläufige Maßnahme zu. Abgesehen davon, dass eine Rückabwicklung (etwa im Hinblick auf die Chefarztvereinbarung) kaum vorstellbar wäre, finden sich in den Unterlagen keinerlei Erwägungen zu der Frage, wie im Falle einer Nichtbewährung verfahren werden könnte oder anhand welcher Kriterien das Organisationsmodell kontrolliert werden soll. Die Grundsatzentscheidung zur Einführung der neuen Departmentsstruktur im Bereich der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie scheint daher bereits auf Dauer und unabhängig von einer späteren Evaluations- oder Kontrollentscheidung getroffen.
66 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch darauf verwiesen, dass aus der - im Übrigen nur im Positionspapier enthalten - Formulierung: „Das Organisationsmodell soll bei Eignung auf andere Kliniken des Chirurgischen Zentrums übertragen werden“ nicht auf die Vorläufigkeit der Umstrukturierung geschlossen werden kann. Aus diesem Passus folgt nur, dass dem Organisationsmodell gegebenenfalls Modellcharakter für künftige Umstrukturierungen zukommen soll, nicht aber, dass die Maßnahme selbst nur probeweise stattfindet. Denn die positive Eignung wird nur für die Erstreckung auf weitere Bereiche vorausgesetzt. Der dauerhafte Bestand hinsichtlich des Departments für Allgemeine und Viszeralchirurgie wird dagegen nicht von einer positiven Erprobung abhängig gemacht. Dementsprechend findet sich eine entsprechende Einschränkung im Organisationsbeschluss selbst auch nicht.
67 
Offen und noch „vorläufig“ erscheint dagegen die konkrete Ausgestaltung des Departments. Weder im Beschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 noch im Positionspapier ist der konkrete Zuschnitt der dem Department zugeordneten Kliniken und Abteilungen festgelegt. Selbst dem Entwurf einer Satzung des Departments ist die Ausgestaltung der Departmentsstruktur nicht zu entnehmen. Diese soll offenbar erst nachträglich fixiert werden; in der Präambel des Satzungsentwurfs heißt es dazu, dass eine „flexible und veränderbare Aufgaben- und Verantwortungszuweisung“ ermöglicht werden soll. Dem entspricht, dass auch die Zuordnung der Transplantationschirurgie offenbar noch nicht abschließend getroffen war, zunächst in Abhängigkeit der Besetzung der W3-Professur für Allgemein- und Viszeralchirurgie bzw. der W3-Professur für Urologie erfolgen sollte (vgl. Vermerk des Beklagen vom 14.05.2009, Anlage A 18 der Akten des Verwaltungsgerichts) und zwischenzeitlich mit der Errichtung eine Transplantationszentrums eine gänzlich andere Lösung beschlossen worden ist. Ausgestaltung und Binnenstruktur des Departments sind damit noch nicht auf Dauer festgelegt.
68 
Diese Vorläufigkeit reicht indes nicht aus, um den Organisationsbeschluss vom 18.06.2008 als Erprobungsmaßnahme im Sinne des § 7 Abs. 4 der Satzung des Universitätsklinikums zu bewerten. Dies folgt zunächst schon daraus, dass es für die konkrete Aufgabenzuweisung an die einzelnen Kliniken und Abteilungen keiner von der Satzung abweichenden Bestimmung bedarf, mit der die Inanspruchnahme der Erprobungsklausel gerechtfertigt werden könnte. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung erfordert die Etablierung des Departments eine Korrektur der als Anlage zur Satzung beschlossenen Gliederung in dem Punkt, dass die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie durch ein Department für Allgemeine und Viszeralchirurgie - mit den Untergliederungen: Klinik für Allgemeine Chirurgie, Klinik für Onkologische Chirurgie sowie Abteilung für Kinderchirurgie - ersetzt werden muss. Diese Änderung wird durch die noch offenen Fragen des jeweiligen Einzelzuschnitts nicht berührt, weil diese Differenzierung durch die Gliederung nicht abgebildet oder vorgegeben wird. Die noch bestehende Unsicherheit und Vorläufigkeit hinsichtlich der Binnenausgestaltung macht mit anderen Worten eine nur vorläufige Satzungsregelung nicht erforderlich, weil die insoweit noch variablen Fragen in der Satzung bzw. deren Anhang nicht zu regeln sind. Anderes könnte allenfalls für die Frage gelten, wo die Transplantationschirurgie zugeordnet werden soll; wobei auch insoweit allerdings eine unselbständige Zuweisung in der Gliederung nicht offen zu legen wäre. Diese Frage ist ausweislich des Beschlusses vom 18.06.2008 aber nicht offen, sondern (zugunsten der Klinik für Urologie und Kinderurologie) entschieden. Anlass, die organisatorischen Fragen nur vorläufig zu regeln, bestand mithin nicht. Darüber hinaus beruhen die verbleibenden Unsicherheiten auch nicht auf einer noch erforderlichen Erprobung sondern schlicht auf dem Umstand, dass die als leitende Direktoren in Betracht kommenden Personen noch nicht bestimmt sind und ein befriedender Interessenausgleich noch nicht hergestellt worden ist.
69 
Hintergrund der Bezugnahme auf die Erprobungsklausel dürfte nach Aktenlage daher die Absicht gewesen sein, die Errichtung des Departments und dessen Binnenstruktur vorab (oder mit den Worten des Organisationsbeschlusses: „bereits jetzt“) zu beschließen, um Klarheit für die Ausschreibung der W3-Professur für Onkologische Chirurgie und die hierfür angedachten Leitungsfunktionen zu erhalten. Denn die Funktionsbeschreibung für die künftige Stellenbesetzung sollte noch vor der Sommerpause dem Wissenschaftsministerium vorgelegt werden (vgl. Vermerk des Dekanats der Medizinischen Fakultät vom 23.07.2008). Diese Erwägungen zum zeitlichen Horizont machen die Maßnahme indes nicht zu einer solchen der Erprobung. Die Entscheidung war danach zwar eilig, aber nicht vorläufig. Dem entspricht auch der weitere Verfahrensablauf. Denn nach dem Organisationsbeschluss des Klinikumsvorstands vom 18.06.2008 ist die Funktionsbeschreibung bereits am 02.07.2008 vom Fakultätsvorstand vorgeschlagen und in außerordentlicher Sitzung des Fakultätsrats vom 22.07.2008, Eilentscheidung des Klinikumsvorstands vom 23.07.2008, Sitzung des Aufsichtsrats vom 24.07.2008, Sondersitzung des Senats vom 30.07.2008 und Sitzung des Präsidiums vom 06.08.2008 beschlossen worden. Das Verfahren ist demnach unter größtmöglicher Beschleunigung vorangetrieben worden. Schließlich belegt auch der Vergleich zur Vorgehensweise bei der Errichtung des Transplantationszentrums, dass die Umstrukturierungen nicht als Erprobungsmaßnahmen gedacht sind. Denn diese, ebenfalls neuartige Organisationsform ist im Beschluss des Klinikumsvorstands vom 27.01.2010 nicht auf die Erprobungsklausel gestützt worden.
70 
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Erprobungsklausel des § 7 Abs. 4 Satz 1 der Satzung des Universitätsklinikums dürften daher nicht erfüllt sein. Damit aber steht der Organisationsbeschluss nicht in Einklang mit Nr. 2.1 der als Anhang zur Satzung des Universitätsklinikums beschlossenen Gliederung.
71 
Ob und inwieweit der Beschluss des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 als Änderung dieser Gliederung umgedeutet werden könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
72 
b) Das gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät zu den Organisationsmaßnahmen des Universitätsklinikums dagegen ist durch Beschluss des Fakultätsrats vom 22.07.2008 erteilt worden (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 01.02.2010 - 1 BvR 1165/08 - m.w.N.).
73 
Anhaltspunkte dafür, dass dieses fehlerhaft zustande gekommen sein könnte, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen worden. Auf die Frage der Benehmensherstellung kommt es insoweit nicht an, denn die in § 4 des Chefarztvertrages enthaltende Verpflichtung betrifft nur den als Vertragspartner in Bezug genommenen Antragsgegner. Eine förmliche Anhörung oder Beteiligung der betroffenen Hochschullehrer durch die Fakultät sieht das Gesetz aber nicht vor. Im Übrigen war die Betroffenheit der Antragstellerin auch offensichtlich.
74 
4. Der Vollzug des Organisationsbeschlusses des Klinikumsvorstands des Antragsgegners vom 18.06.2008 verletzt daher nach den im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten die der Antragstellerin im Chefarztvertrag vom 22.02.2001/14.03.2001 eingeräumte Rechtsstellung, so dass ein Anordnungsanspruch für die begehrte einstweilige Anordnung vorliegt. Die Beschwerde des Antragsgegners war daher zurückzuweisen.
75 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO. Anlass, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, besteht nicht. Diese haben selbst keine Anträge gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Im Übrigen sind die Beigeladenen der Sache nach auf Seiten des Antragsgegners aufgetreten und damit unterlegen.
76 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist von den durch die Antragstellerin vorgetragenen Einnahmeverlusten aus Privatliquidation in Höhe von 200.000,-- EUR jährlich auszugehen (vgl. Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 01.09.2009 an das Verwaltungsgericht; hierzu auch bereits Senatsbeschluss vom 03.02.2010 - 9 S 2586/09 -), der im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327). Damit ist auch die Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Es sind keine Ermessensgesichtspunkte erkennbar, die eine abweichende Streitwertbestimmung für das erstinstanzliche Verfahren sachgerecht erscheinen lassen könnten.
77 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG hinsichtlich der Streitwertfestsetzung).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/12 und der Beklagte zu 7/12, ausgenommen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten Vergütung, Schadensersatz und Auskunft.
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg (MWK) den am xx.xx.xxx geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität Freiburg auf die Stelle eines Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität Freiburg. Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984 ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der Kläger am 09.12.1998 eine Vereinbarung. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In § 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt.
Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war, entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom 01.03.2004.
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist u.a. ausgeführt, der Kläger leite im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische Chemie. Der Beklagte sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. Soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, erhält dieser Vertrag folgende Vergütungsbestimmung:
§ 8
Vergütung
(1) Der Ärztliche Direktor erhält für seine Tätigkeit neben seiner beamtenrechtlichen C 3-Besoldung als Universitätsprofessor vom Universitätsklinikum eine Jahresvergütung in Höhe von 50% des für Behandlungen/Untersuchungen erzielten Nettoliquidationserlöses (Bruttoliquidationserlös abzüglich Sachkosten, Kostenerstattung, gesetzliche Mitarbeiterbeteiligung, Nutzungsentgelt, Einziehungskosten und eventueller Umsatzsteuer), den das Universitätsklinikum in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung aus wahlärztlichen ambulanten und wahlärztlichen stationären Untersuchungen, die ab dem 1. August 2007 erfolgt sind, im betreffenden Jahr einnimmt, wobei Erlöse aus der Erbringung so genannter individueller Gesundheitsleistungen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4) unberücksichtigt bleiben. Hierfür wird zunächst eine Abschlagssumme in Höhe von jährlich 300.000 EUR angesetzt, die in zwölf gleichen Monatsraten, fällig jeweils am Ende eines jeden Kalendermonats gezahlt wird. Der Betrag unterliegt der Lohnsteuerabführungspflicht. Beginnt oder endet der Vertrag im Laufe eines Kalenderjahres, wird die Vergütung anteilig berechnet.
(2) Der Ärztliche Direktor erhält ferner eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses (vgl. Abs. 1) für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen. Auf die zu erwartende Prämie wird zunächst eine jährliche Abschlagssumme von 96.000 EUR angesetzt, die in zwölf gleichen Monatsraten jeweils am Ende eines jeden Kalendermonats gezahlt wird. Der Betrag unterliegt der Lohnsteuerabführungspflicht. Beginnt oder endet der Vertrag im Laufe eines Kalenderjahres, wird die Vergütung anteilig berechnet.
(3) Die endgültige Berechnung von Vergütung und Prämie nach Absatz 1 und 2 sowie Abrechnungen und ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen erfolgen jeweils bis Ende Juni des Folgejahres.
10 
11 
Mit gleichlautenden Schreiben vom 24./25.01.2008 kündigte der Beklagte diesen Vertrag außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.09.2008 wegen des Verdachts strafbarer Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Rahmenvertrags zwischen dem Beklagten und einer Laborbedarfshandelsfirma. Mit Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) stellte die 3. Kammer des VG Freiburg fest, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.7.2007 unwirksam sind. Mit Urteil vom 02.08.2012 (9 S 2752/11 -, juris) wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung des Beklagten gegen das Urteil des VG Freiburg vom 24.02.2010 zurück. Mit Beschluss vom 27.03.2013 (6 B 50/12 -, juris) wies das BVerwG die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.
12 
Unter dem 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Chefarztvertrag vorsorglich erneut zum 31.03.2010. Der Kläger erhob hiergegen am 28.09.2010 Klage im Verfahren 1 K 848/13. Mit dort ergangenem Urteil vom 11.03.2014 stellte die Kammer fest, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2009 ausgesprochene Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012 fortbestanden hat. Der Beklagte erhob am 02.05.2014 die - von der Kammer zugelassene - Berufung zum VGH Baden-Württemberg, über die noch nicht entschieden ist.
13 
Bereits am 30.12.2011 hat der Kläger im hier zu entscheidenden Verfahren Klage erhoben und mit dieser die für das Jahr 2008 vereinbarten Abschlagszahlungen nebst Verzugszinsen sowie Auskunft und unbezifferte Zahlung im Zusammenhang mit den Einnahmen aus der Privatliquidation des Zentrallabors an der Universitätsklinik Freiburg beantragt. Am 07.12.2012 und am 13.12.2013 hat er, der mittlerweile mit Ablauf des 31.03.2012 in den Ruhestand versetzt worden war, diese Klage auf die Jahre 2009 und 2010 erweitert.
14 
Das Verfahren ist wegen Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits um die Kündigung vom 24./25.01.2008 im Zeitraum vom 27.02.2012 bis zum 13.05.2013 ausgesetzt gewesen.
15 
Der Beklagte erteilte im Februar 2014 Auskunft zu den Nettoliquidationserlösen der Jahre 2008 bis 2010 und hinterlegte unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme Beträge bzw. führte solche an das Finanzamt ab, um Ansprüche des Klägers auf die Jahresvergütungen 2008 bis 2010 zu erfüllen. Ferner wendete er eine fehlende Aktivlegitimation des Klägers wegen Pfändung und Sicherungsabtretung der Forderung ein. Am 08.04.2014 hat der Kläger daraufhin seinen Vergütungsanspruch für die Jahre 2008 bis 2010 mit 1.703.813,93 EUR beziffert. Nach Abzug von für Januar 2008 als Abschlag gezahlter 33.000,-- EUR sowie hinterlegter 439.099,82 EUR und abgeführter 361.688,18 EUR hat er noch 870.025,93 EUR geltend gemacht und Verurteilung des Beklagten zur Zahlung näher bezeichneter Beträge an mehrere Pfändungsgläubiger (xxx, Rechtsanwalt X., Beigeladener zu 2 und Beigeladene zu 3) und eine Sicherungsgläubigerin (Beigeladene zu 1) sowie zuletzt an sich selbst beantragt, ferner Verzugszinszahlung seit Februar 2008. Schließlich hat er angefragt, ob die Nettoliquidationserlöse auch Einnahmen aus der Zusammenarbeit des Beklagten mit dem Herzzentrum xxx umfassten.
16 
Am 27.05.2014 hinterlegte der Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 83.372,54 EUR unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme. Von den insgesamt hinterlegten 522.472,36 EUR wurden bislang 375.469,43 EUR durch die Hinterlegungsstelle (Amtsgericht Freiburg) an die Gläubiger des Klägers ausgezahlt.
17 
Mit Beschluss vom 15.12.2014 sind die Beigeladenen zu 1. bis 3. und ferner zunächst Rechtsanwalt X. beigeladen worden; die Beiladung des Letztgenannten ist mit Beschluss vom 13.02.2015 wieder aufgehoben worden, nachdem dessen Forderung im Hinterlegungsverfahren vollständig erfüllt worden war.
18 
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27.02.2015 das Verfahren, soweit es Zahlungsansprüche des Klägers für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 31.12.2010 betrifft, bis zur unanfechtbaren Erledigung des Rechtsstreits 1 K 848/13 (betr. Wirksamkeit der Kündigung vom 30.09.2009) vor dem VG Freiburg ausgesetzt und zugleich als Verfahren 1 K 532/15 abgetrennt.
19 
In der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2015 haben Kläger und Beklagter den Rechtsstreit in Höhe von 710.312,64 EUR in Bezug auf die Hauptforderung und 172.966,70 EUR in Bezug auf die Nebenforderung übereinstimmend für erledigt erklärt. Ferner haben alle Beteiligten vereinbart, dass die Erfüllung etwaiger weitergehender Ansprüche durch Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme eintreten kann.
20 
Der Kläger, der weitergehende Vergütungsansprüche und Verzugszinsen geltend macht, trägt vor: Gemäß § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 stehe ihm eine Prämie in Höhe von weiteren 25 % der Nettoliquidationserlöse zu. Es sei fraglich, ob die Prämienregelung wirksam sei, da diese teilweise zu unbestimmt und ferner darin von Zielvorgaben die Rede sei, auf die er keinen Einfluss gehabt habe. Angesichts fixer Kosten bei Personal und Sachmitteln sowie der Tatsache, dass im Wesentlichen nur Untersuchungsaufträge von außen einen Gewinn ermöglichten, sei für ihn das EER-Ergebnis nicht beeinflussbar gewesen. Im Bereich der mittelbaren Krankenversorgung könnten nicht beliebig Aufträge erlangt werden. Durch die rechtswidrige Kündigung vom Januar 2008 sei es ihm ohnehin unmöglich gewesen, Einfluss auf die Leitung der Abteilung zu nehmen. In solchen Fällen habe der zu Unrecht Gekündigte Anspruch auf alle Teile der Vergütung. Auch die auf die Prämie für 2007 erhaltenen Abschlagszahlungen seien Indiz für eine erfolgreiche Leitung. Weder im Jahr 2007 noch danach seien ihm Zielvorgaben gemacht worden. Angesichts der Ergebnisse der Endabrechnungen seien die vereinbarten Abschlagszahlungen jeweils im Abrechnungsjahr rückwirkend anzupassen und zu erhöhen gewesen.
21 
Der Kläger beantragt zuletzt noch,
22 
den Beklagten zur Hinterlegung eines Betrags von brutto 498.490,33 EUR zu verurteilen, ferner, den Beklagten wie folgt zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im Wege der Hinterlegung wie folgt zu verurteilen:
23 
Aus jeweils 33.000,00 EUR seit dem 01.02.2008, dem 01.03.2008, dem 01.04.2008, dem 01.05.2008, dem 01.06.2008, dem 01.07.2008, dem 01.08.2008, dem 01.09.2008, dem 01.10.2008, dem 01.11.2008, dem 01.12.2008, dem 01.01.2009, dem 01.02.2009, dem 01.03.2009, dem 01.04.2009, dem 01.05.2009 und dem 01.06.2009;
24 
aus 135.785,09 EUR seit dem 01.07.2009;
25 
aus jeweils 38.000,00 EUR seit dem 01.08.2009, dem 01.09.2009, dem 01.10.2009, dem 01.11.2009, dem 01.12.2009, dem 01.01.2010, dem 01.02.2010, dem 01.03.2010;
26 
aus 304.014,22 EUR seit dem 01.07.2010,
27 
abzüglich bereits gezahlter Zinsen in Höhe von 172.966,70 EUR;
28 
sowie weiter,
29 
den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums in Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Klage abzuweisen.
32 
Er entgegnet: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Prämie gemäß § 8 Abs. 2 des Chefarztvertrages, da der Klinikumsvorstand am 07.04.2008 und am 16.01.2014 festgestellt habe, dass keine erfolgreiche Abteilungsleitung vorliege. Dem Klinikumsvorstand sei insoweit eine Entscheidungs- und Beurteilungsprärogative eingeräumt, die er gemäß §§ 317, 319 BGB nach billigem Ermessen zu treffen habe, so dass diese Entscheidung vom Gericht nur i.S.v. § 319 BGB auf offenbare Unbilligkeit überprüft werden könne. Nicht nur das negative EER-Ergebnis, sondern auch eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit mit dem Kläger im Jahr 2007 hätten einer erfolgreichen Leitung der Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 2 des Chefarztvertrages entgegen gestanden. Angesichts des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Freiburg vom 13.11.2007 und der Verdachtskündigung vom 24./25.01.2008 habe nicht von einer erfolgreichen Leitung der Einrichtung gesprochen werden können. Dieser Verdacht, der am 17.07.2009 zur Anklagerhebung, am 14.09.2012 zur Eröffnung des Hauptverfahrens und am 12.12.2014 zur Einstellung nur gemäß § 153a Abs. 2 StPO geführt habe, sei bis heute nicht ausgeräumt. Die Voraussetzungen für eine Prämie lägen nicht vor, wenn gegen den Chefarzt Anklage erhoben werde mit dem Vorwurf, er habe im Zusammenwirken mit weiteren Angeschuldigten verschiedene Straftaten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. xxx und dem Beklagten begangen. Auf eine Zusammenarbeit des Beklagten mit dem Herzzentrum xxx komme es nicht an. 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beziehe sich eindeutig nur auf den Nettoliquidationserlös, den das Universitätsklinikum in der vom Kläger geleiteten Abteilung erziele, wozu etwaige Erlöse des Herzzentrums xxx nicht gehörten. Sollte der Kläger erwägen, Ansprüche in Bezug auf das Herzzentrum xxx zu erheben, müsste er die Klage erweitern, etwaige Ansprüche seien dann aber jedenfalls verjährt.
33 
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
34 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst umfangreicher Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
35 
A. Soweit die beiden Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in Reaktion auf die vom Beklagten hinterlegten bzw. an das Finanzamt abgeführten Beträge für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen gewesen.
36 
B. Soweit noch in der Sache zu entscheiden ist, sind die im Wege der objektiven Klagehäufung zur Entscheidung gestellten beiden Klagen mit den in der mündlichen Verhandlung protokollierten Anträgen zulässig.
37 
I. Mit seinem ursprünglichen Klageantrag zu 1. verfolgte der Kläger die Zahlung der vereinbarten Abschlagsbeträge (und daraus berechneter Verzugszinsen) sowie mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2. eine Stufenklage (vgl. Klageschriftsätze vom 30.12.2011, vom 06.12.2012 und vom 13.12.2013).
38 
Dieses erste Begehren hat er mit dem im Schriftsatz vom 08.04.2014 (dort Seite 3/4) gestellten Zahlungsantrag geändert, indem er (unter Abzug bis zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten hinterlegter bzw. an das Finanzamt abgeführter Beträge) die am 19.02.2014 vorgelegte Nettoliquidationsabrechnung des Beklagten (Anlagen B 4 bis 6 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 365-369]) zum Anlass nahm, von der Klage auf Abschlagszahlung zu der auf endgültige Zahlung und vom Auskunfts- und unbezifferten Leistungsbegehren der Stufenklage zum bezifferten Leistungsantrag überzugehen. Dieser Übergang stellte keine Klageänderung dar, da er kraft Gesetzes gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. für den Übergang von der werkvertraglichen Abschlags- zur Schlusszahlung: BGH, Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03 -, Rnr. 47, juris) bzw. gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. für den Übergang von der Auskunfts- zur Leistungsstufe: BGH, Urt. v. 21.02.1991 - III ZR 169/88 -, juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 264 Rnr. 8) privilegiert war. Der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Wechsel schließlich vom Zahlungsbegehren hin zu einem solchen auf (durch alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vereinbarte) Hinterlegung wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst.
39 
Zum zuletzt mit Schriftsatz vom 26.06.2015 bzw. in der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gestellten Auskunftsantrag betreffend die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums im Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx konnte der Kläger schließlich erneut gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO übergehen. Ausweislich der diese Erlöse betreffenden „Anfrage“ am Ende des Schriftsatzes vom 08.04.2014 war die Auskunftsstufe insoweit für ihn noch nicht endgültig erledigt gewesen (vgl. in diesem Fall für die Rückkehr vom Leistungs- zum Auskunftsbegehren: OLG München, Urt. v. 01.02.2012 - 3 U 3525/11 -, Rnr. 17, juris; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 4). Insoweit ist die Klage hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen. Dass der Kläger bei letzterer noch keinen (unbezifferten) Leistungsantrag formuliert hat, steht dem nicht entgegen. Die Klage kann auf Auskunft begrenzt und der eigentliche Leistungsantrag (noch) weggelassen werden („verkürzte Stufenklage“, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 2; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 254 Rn. 10).
40 
II. Diese Klagen sind als allgemeine Leistungsklagen statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere besitzt der Kläger die Klagebefugnis (entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) bzw. aktive Prozessführungsbefugnis.
41 
Trotz der im Wege der Zwangsvollstreckung zugunsten der Beigeladenen zu 2 und 3 erfolgten Pfändung und Überweisung seiner etwaigen Ansprüche gegen den Beklagten macht der Kläger weiterhin ein eigenes Recht geltend. Die für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung einer Forderung zur - wie hier - Einziehung bewirkt (lediglich), dass der Pfändungsschuldner die Forderung nicht mehr für sich einziehen kann. Auf Leistung an den Pfändungsgläubiger kann er indessen klagen, und zwar aus eigenem Recht. Da ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (BGH, Urt. v. 08.05.2007 - XI ZR 278/06 -, Rnr. 18, juris; Urt. v. 05.04.2001 - IX ZR 441/99 -, Rnr. 20, juris; Urt. v. 25.03.1991 - II ZR 13/90 -, Rnr. 9, juris; Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5). Auch die Sicherungsabtretung von Ansprüchen an die Beigeladene zu 1 hindert den Kläger schließlich nicht an der prozessualen Geltendmachung, da er hierzu von ihr ermächtigt worden ist und ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Klärung besitzt (vgl. für eine zulässige gewillkürte Prozessstandschaft im Fall der Sicherungszession: VG Freiburg, Urt. v. 05.12.2013 - 1 K 2463/11 -, Rnr. 49, juris; anders allerdings bei fehlendem schutzwürdigen Interesse an einer Forderungsabtretung: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, Rnr. 38, juris).
42 
C. Die Klagen sind indessen unbegründet.
43 
Der Kläger ist zwar aktivlegitimiert. Das gilt sowohl in Ansehung der Pfändungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 2 und 3 (vgl. insoweit die Ausführungen oben zur Prozessführungsbefugnis) als auch hinsichtlich der Sicherungsabtretung, da die Beigeladene zu 1 dem Kläger eine Einziehungsermächtigung erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98 -, Rnr. 8 und 9, juris; Urt. v. 06.11.1980 - VII ZR 200/79 -, Rnr. 14, juris). Ferner ist keine Verjährung der Vergütungsansprüche (die sich entsprechend § 217 BGB auf die Zinsforderung erstrecken würde) eingetreten. Denn mit der ursprünglich innerhalb der (entsprechend § 195 BGB: 3-jährigen) Verjährungsfrist erhobenen Stufenklage wurde der (ursprünglich unbezifferte) endgültige, nach Abrechnung bestehende Vergütungsanspruch (damals gestellt als Leistungsantrag auf letzter Stufe [„2.b)“]) des Klägers sofort rechtshängig. Damit wurde, trotz der zunächst gegebenen Unbestimmtheit des Leitungsantrags, die Verjährung des gesamten Anspruchs entsprechend § 209 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Höhe gehemmt, die der Kläger mittlerweile erstmalig beziffert hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1992 - IV ZR 183/91 -, Rnr. 10 und 11, juris). Schließlich kann der Kläger auch jenseits der Vorschrift des § 853 ZPO (i.V.m. § 856 ZPO) und der Frage, ob diese auch für den Schuldner gilt bzw. im Fall des Zusammentreffens von Pfändungen und Abtretung nicht ganz ausgeschlossen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5), auf Hinterlegung klagen. Denn die Beteiligten haben eine wirksame Hinterlegungsvereinbarung geschlossen, wonach etwaige weitere Zahlungen des Beklagten an die Hinterlegungsstelle erfolgen sollen (vgl. zu dieser von den Voraussetzungen des § 372 ff. BGB unabhängigen Möglichkeit: BGH, Urt. v. 29.09.1992 - XI ZR 9/92 -, Rnr. 12, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.02.2006 - 15 U 87/05 -, Rnr. 14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 378 Rnr. 2).
44 
Soweit der Kläger einen Anspruch auf Vergütung und Verzugszinsen hat, ist dieser vom Beklagten durch die Hinterlegungen vom 27.02.2014 und vom 27.05.2014 (zur Erfüllungswirkung kraft - hier: konkludenter - Vereinbarung vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1992, a.a.O.) erfüllt worden. Die von ihm hierbei hinsichtlich der Beträge für Vergütung und Verzugszinsen getroffene Tilgungsbestimmung ist, da der Kläger dieser nicht widersprochen bzw. sie ausweislich des Schriftsatzes vom 26.06.2015 nunmehr auch ausdrücklich akzeptiert hat, maßgeblich geworden (§ 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 367 Abs. 2 BGB; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O, § 367 Rnr. 2). Auch die am 10.03.2014 erfolgte Lohnsteuerabführung an das Finanzamt hatte Erfüllungswirkung (BAG, Urt. v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07 -, Rnr. 18, juris). Einen mit der Klage verfolgten weitergehenden Zahlungsanspruch (Prämienvergütung bis 31.03.2010 sowie Verzugszinsen daraus bis heute) hat der Kläger nicht (dazu im Folgenden unter I.). Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch besteht ebenfalls nicht. Das folgt daraus, dass ihm aus den Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dem Herzzentrum xxx kein Anspruch auf weitergehende Vergütung zusteht (dazu im Folgenden unter II.).
45 
I. Einen mit der Hinterlegungsklage geltend gemachten Anspruch auf weitergehende als bereits vom Beklagten erfüllte Beträge für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 hat der Kläger nicht.
46 
1.) Die Hauptforderung des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus der Vergütungsregelung in § 8 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 (im Folgenden nur noch bezeichnet als „Dienstvertrag“). Aufgrund rechtskräftigen Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 (3 K 2749/08 -, juris) steht im Verhältnis von Kläger und Beklagtem fest, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24./25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung dieses Dienstvertrags unwirksam sind. Die (Gegenstand des noch nicht rechtskräftig abgeschlossen Verfahrens 1 K 848/13 bildende) erneute Kündigung vom 30.09.2009 wurde erst mit Wirkung zum 01.04.2010 ausgesprochen. Da keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe oder vertraglichen Beendigungsgründe i.S.v. § 11 Abs. 4 erster Spiegelstrich (Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses) und dritter Spiegelstrich (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte - ein solches wurde gegenüber dem Kläger nie ausgesprochen) vorliegen, stehen dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2010 vertragliche Vergütungsansprüche zu. Auf den als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu qualifizierenden Dienstvertrag (vgl. zum konkreten Vertrag: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, Rnr. 41, juris) finden ergänzend die Vorschriften des BGB nach § 62 Satz 2 LVwVfG entsprechende Anwendung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Rnr. 2, juris).
47 
a.) Der Prämienanspruch, um den die Beteiligten vorliegend im Wesentlichen (noch) streiten, steht dem Kläger nicht zu. § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages bestimmt, dass der Ärztliche Direktor ferner (d.h. zusätzlich zur festen Jahresvergütung gemäß Absatz 1) eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung enthält, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen.
48 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung wirksam. Da die Prämienregelung vom Beklagten vorformuliert und mit dem Kläger nicht ausgehandelt worden ist, gelangen über § 62 Satz 2 LVwVfG die AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB entsprechend zur Anwendung (vgl. für einen Chefarztvertrag: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010, a.a.O., Rnr. 24 ff.). Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) gibt es nicht. Die Prämienregelung macht die Gewährung vom Eintritt einer näher ausgestalteten Bedingung (erfolgreiche Leitung) abhängig und sieht überdies ein Feststellungs-, bzw. Bestimmungsrecht des Klinikumsvorstands vor. Damit wird schon nicht vom Gesetz abgewichen. Denn dieses sieht selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (vgl. § 315 BGB - dazu unten bei b.). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen dieses Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (vgl. BAG, Urt. v. 16.01.2013 - 10 AZR 26/12 -, Rnr. 29, juris [vom Arbeitgeber festzulegende Weihnachtsgratifikation]). Aus diesen Gründen ist ferner auch das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht als verletzt anzusehen. Denn angesichts der Verwendung sowie näheren Erläuterung des Merkmals der „erfolgreichen Leitung“ und des gerichtlich überprüfbaren Leistungsbestimmungsrechts kann nicht die Rede davon sein, diese Bestimmung sei aufgrund Unklarheit bzw. Unverständlichkeit geeignet, den Kläger von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten. Ohnehin sind hierbei auch Begleitumstände der Verwendung zu beachten, namentlich mit Blick auf den betroffenen Personenkreis (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rnr. 21 und § 320 Rnr. 21). Die Chefärzte des Beklagten dürften viel eher einem erfahrenen Vertragspartner als einem unkundigen Verbraucher gleichzustellen sein.
49 
Der Klinikumsvorstand des Beklagten hat mit Beschlüssen vom 07.04.2008 und 16.01.2014 entschieden, dass der Kläger - soweit hier maßgeblich - in den Jahren 2007 bis 2010 die Abteilung Klinische Chemie nicht erfolgreich geleitet hat. Auch wenn der Kläger nur Ansprüche aus dem Zeitraum Januar 2008 bis März 2010 zum Streitgegenstand gemacht hat, besitzt die Problematik eines Prämienanspruchs im Jahr 2007 doch Vorfragenrelevanz, da - wie vom Beklagten bei seinen Berechnungen auch tatsächlich berücksichtigt - die Ablehnung eines solchen Anspruchs in diesem Jahr zu einer Rückforderung und Minderung des Anspruchs für das Jahr 2008 führte. Da es sich bei der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrages, auf welche diese Beschlüsse zurückgehen, um ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB handelt und diese Entscheidungen billigem Ermessen entsprechen, sind sie gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Kläger verbindlich, so dass er für die Jahre 2008, 2009 und das 1. Quartal 2010 keinen Prämienanspruch hat:
50 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags, wonach die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen erfolgt, enthält ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Da dieses Recht dem Klinikumsvorstand zusteht, der gemäß § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. § 7 der Satzung des UKFR das in Fällen wie hier maßgebliche Leitungs- und Entscheidungsorgan des Beklagten ist (kein Fall der Zuständigkeit des Aufsichtsrats gemäß § 9 UKG, § 5 Satzung UKFR), liegt ein Fall des § 315 BGB, der Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei, und nicht - wovon der Beklagte ausgehen will - derjenige des § 317 BGB (Bestimmung durch Dritte) vor. § 315 BGB ist gemäß einem weiten Verständnis über die Haupt- und Gegenleistung hinaus auch auf sämtliche Leistungsmodalitäten anwendbar (BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rnr. 1 [Stand: 01.05.2015]), also auch - wie hier - auf die Feststellung von Anspruchsvoraussetzungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnr. 2 m.w.N.). Voraussetzung - auch für eine gerichtliche Überprüfung - ist stets, dass ein Vertragspartner die Leistung einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 12.12.2014 - V ZR 109/14 -, Rn. 10, juris).
51 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags räumt dem Klinikumsvorstand einen solchen Ermessensspielraum ein. Er sieht eine Prämie „bis zu“ 25% vor. Ferner spricht die Unbestimmtheit und Auslegungsbedürftigkeit der die „erfolgreiche Leitung“ konkretisierenden Begriffe (wirtschaftliche Führung der Abteilung, Erreichen der Leistungsvorgaben, aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität) dafür. Damit ist die Bestimmung zwar auch an einem objektiven Beurteilungsmaßstab ausgerichtet (zu dieser Möglichkeit vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rn. 10), so dass kein völlig freies Belieben existiert. Ungeachtet dessen verbleibt für die Leistungsbestimmung jedoch mangels eines anderen vereinbarten Maßstabs gemäß der Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender (Beurteilungs-)Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - III ZR 100/90 -, juris, Rnr. 29; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnrn. 6 und 15; BeckOK BGB/Gehrlein, a.a.O., Rnr. 12). Maßgebend für diese Kontrolle ist der Zeitpunkt der Leistungsbestimmung, da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt (Staudinger/Volker Rieble [Neubearbeitung 2015], BGB § 315, Rnr. 378).
52 
Die das Jahr 2007 betreffende und dem Kläger mit Schreiben vom 14.04.2008 mitgeteilte Entscheidung des Klinikumsvorstands vom 07.04.2008 ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Sie führte als wesentliche Gründe für eine nicht erfolgreiche Abteilungsleitung ein in Höhe von 250.000 EUR negatives EER-Ergebnis 2007 (EER = Erlösorientierte Ergebnisrechnung - ein internes Berechnungsmodell) und eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit an, sowie, dass der Kläger durch das mutmaßliche Verhalten, das zur Verdachtskündigung vom Januar 2008 geführt habe, dem Ansehen des Klinikums erheblichen Schaden zugefügt habe. Damit sind ersichtlich die im Dienstvertrag festgelegten Konkretisierungsmaßstäbe der wirtschaftlichen Abteilungsführung und Führungsqualität entscheidungsleitend gewesen. Da § 8 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrages nichts dafür hergibt, alle dort genannten Konkretisierungsmerkmale seien stets kumulativ heranzuziehen, kann nicht beanstandet werden, dass der Klinikumsvorstand nur auf einzelne Merkmale einging, und nicht auch auf ein Erreichen der Leistungsvorgaben und ein aktualisiertes Qualitätsmanagement (vgl. BAG, Urt. v. 15.05.2013 - 10 AZR 679/12 -, Rnr. 17, juris). Dies gilt ferner für das Erreichen von Zielvereinbarungen i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages, da es diese tatsächlich nicht gegeben hatte. Einen Anspruch auf eine solche Vereinbarung sah der Dienstvertrag eindeutig auch nicht vor, da in § 8 Abs. 2 Satz 2 nur die Möglichkeit („kann... abschließen“), nicht indessen die Pflicht des Beklagten bestand, mit dem Kläger Ziele zu vereinbaren.
53 
Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG, Urt. v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11 -, Rnr. 45, juris; BGH, Urt. v. 05.12.2012 - IV ZR 110/10 -, Rnr. 27, juris). Die Leistungsbestimmung ist erst dann durch das Gericht zu beanstanden und zu ersetzen, wenn diese Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urt. v. 22.07.2014 - KZR 27/13 -, Rnr. 23, juris; Urt. v. 24.06.1991 - II ZR 268/90 -, Rnr. 7, juris). Mit der auf das Wirtschaftsergebnis 2007 und einen Straftatverdacht gestützten Verneinung einer erfolgreichen Abteilungsleitung hat der Klinikumsvorstand eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung getroffen. Die Gewichtung des Wirtschaftsergebnisses ist angesichts des negativen EER-Ergebnisses weder sachwidrig noch willkürlich. Insbesondere ist nicht erkennbar oder vorgetragen worden, dass der Beklagte im Rahmen anderer Chefarztverträge bei negativen Ergebnissen von einer erfolgreichen Leitung ausgegangen wäre, mithin die Prämie tatsächlich als versteckte Festvergütung handhabte. Selbst wenn der im Jahr 2007 die Abteilungsleitung noch tatsächlich innehabende Kläger angesichts fixer Kosten beim Personal und des Umstands, dass die mittelbare Krankenversorgung für Gewinnerzielung auf (externe) Probenaufträge angewiesen ist, das EER nur bedingt beeinflussen konnte, ist doch die vertragliche Gesamtregelung zu berücksichtigen. Denn in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages war dem Kläger bereits eine EER-unabhängige (Fest-) Vergütung von 50% des Abteilungsnettoliquidationserlöses garantiert worden. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, bestehen für den Abteilungsleiter durchaus Einwirkungsmöglichkeiten, so etwa im Bereich des Reagenzieneinkaufs. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unverhältnismäßig gewesen, wenn der Klinikumsvorstand eine erfolgreiche Leitung bei negativem Wirtschaftsergebnis verneinte. Dass der Kläger die Prämie für 2007 im Wege der Abschlagszahlung bereits erhalten hatte, ist kein Beleg für einen Führungserfolg. § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages stellte auch die Prämie unter einen endgültigen Berechnungsvorbehalt. Damit aber stand auch diese unter der auflösenden Bedingung einer späteren negativen Entscheidung des Klinikumsvorstands.
54 
Soweit der Klinikumsvorstand zusätzlich den Straftatverdacht gegen den Kläger als einer erfolgreichen Leitung entgegenstehenden Umstand angeführt hat, hat er den ihm eingeräumten Ermessensspielraum ebenfalls nicht verlassen. Die im Zeitpunkt der ersten Kündigung im Januar 2008 gegebenen Verdachtsmomente, auf die der Klinikumsvorstand abgehoben hat, rechtfertigten bei gebotener Abwägung ebenfalls den Schluss einer (mit Blick auf das Merkmal der Führungsqualität) nicht erfolgreichen Abteilungsleitung. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte im Frühjahr 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 13.11.2007 hatte das Amtsgericht Freiburg die (dann am 11.12.2007 durchgeführte) Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers mit der Begründung angeordnet, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Fa. xxx abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens fünf Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Dafür habe der Kläger Zuwendungen erhalten. In einem Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität Freiburg hatte die Landespolizeidirektion u.a. ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Fa. xxx stünden und dass der Kläger dieser Firma durch Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe (vgl. Tatbestand des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris [Rnrn. 4 und 5]). Die herausgehobene Stellung als Chefarzt bzw. Abteilungsleiter war besonders sensibel und anfällig für strafrechtliche Vorwürfe, wenn diese - wie hier - im Zusammenhang mit der Dienstausübung erhoben wurden. Bereits der mit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen verbundene Anschein eines Makels erschütterte folglich die für das Merkmal der Führungsqualität zu fordernde Integrität und durfte ebenfalls zur Versagung einer Prämie herangezogen werden. Daran änderte nichts, dass die dem Kläger vorgeworfenen Taten zeitlich weiter zurücklagen und nicht das Jahr 2007 betrafen.
55 
Dieser Ermessensentscheidung im April 2008 stand schließlich nicht die Rechtskraft des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 über die Kündigung vom 24./25.01.2008 entgegen. Denn ungeachtet des Umstands, dass diese vom Gericht bereits aus formellen Gründen (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) beanstandet wurde, ist lediglich die Feststellung deren Unwirksamkeit in Rechtskraft erwachsen. Das ist kein prozessuales Hindernis dafür, die zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen in weiteren Rechtsstreitigkeiten zur Begründung von Ansprüchen oder Einwendungen geltend zu machen, deren Bestand nicht von der Tauglichkeit der Tatsachen als Grund für eine fristlose Kündigung abhängen (OLG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2000 - 1 U 177/99 -, Rnr. 44, juris). Darauf, ob die im Januar 2008 vorliegenden Umstände materiell bzw. inhaltlich die Verdachtskündigung gerechtfertigt hätten, kommt es nicht an. Von der Frage, ob ein Dienstverhältnis beendet werden konnte, ist diejenige zu unterscheiden, ob eine Prämie für erfolgreiche Leitung zu zahlen war. Insoweit hatte ein Straftatverdacht für die Frage der Kündigungsrechtfertigung ein völlig anderes Gewicht als für diejenige eines Prämienanspruchs. Selbst wenn ein solcher Verdacht eine Kündigung nicht rechtfertigt, kann er dennoch der Annahme einer erfolgreichen Leitung der Abteilung - die anderen Maßstäben unterliegt - entgegenstehen.
56 
Der Klinikumsvorstand hat ferner am 16.01.14 beschlossen, dass auch für die Jahre 2008 bis 2010 (sowie ferner 2011 und 2012) keine erfolgreiche Abteilungsleitung durch den Kläger vorliege und dies - erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Führungsqualität - ausschließlich mit bestehendem Verdacht der Korruption (Vorteilsannahme) und der zwischenzeitlich erhobenen sowie vom LG Freiburg zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage begründet. Eine wenngleich zeitlich spätere als dienstvertraglich in § 8 Abs. 3 vorgesehene, aber gleichwohl nunmehr auf ihre Billigkeit zu überprüfende Bestimmung durch den Beklagten lag damit vor. Diese ist ermessensfehlerfrei. Zu diesem Zeitpunkt war das Strafverfahren gegen den Kläger noch anhängig und angesichts der am 17.07.2009 erhobenen sowie vom Landgericht am 14.09.2012 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage fortgeschritten. Da es mithin weiter an einer klaren Entlastung des Klägers vom Straftatverdacht fehlte, kann eine weitere Prämienversagung nicht als sachwidrig und unangemessen oder willkürlich aufgefasst werden. Wie bereits oben ausgeführt, ließ das Bestimmungsrecht die Auswahl auch nur einzelner Erfolgsmerkmale zu. Den Umstand, dass die Kündigung vom Januar 2008 unwirksam und der Kläger somit zumindest bis Ende März 2010 rechtswidrig an der Abteilungsleitung und folglich einer möglichen Einwirkung auf das Wirtschaftsergebnis gehindert war, musste der Klinikumsvorstand damit nicht mehr in die Abwägung einstellen.
57 
Selbst wenn man schließlich für die Überprüfung beider Ermessensentscheidungen des Klinikumsvorstands wegen der Eigenschaft der Prämie als wiederkehrende Leistung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor Gericht abstellen wollte (vgl. MüKoBGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 52; BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 11 [Stand: 01.05.2015]), so wäre ebenfalls keine Sachlage eingetreten, die das Festhalten des Beklagten an der Prämienversagung nunmehr als Ermessensausfall oder Ermessensdefizit erscheinen ließe. Zwar ist das Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 StPO durch Beschluss des LG Freiburg vom 12.02.2014 zunächst gegen Geldauflage vorläufig und nach Erfüllung dieser Auflage mit Beschluss vom 19.08.2014 endgültig eingestellt worden. Indessen erforderte die Anwendung des § 153a StPO einen höheren Verdachtsgrad. Sie setzte eine Durchermittlung voraus. Bevor dem Beschuldigten zugemutet werden kann, durch die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sich einer „Sanktion im weiteren Sinne“ zu unterwerfen, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung im Falle der Weiterführung des Verfahrens in Betracht kommen (Löwe-Rosenberg/Beulke, StPO, 26. Aufl. 2007, § 153a, Rn. 39; BeckOK StPO/Beukelmann, § 153a Rnr. 14 [Stand: 01.05.2015]). Der Beklagte durfte folglich unverändert die Prämie versagen, auch wenn die Unschuldsvermutung zugunsten des Klägers nicht widerlegt wurde und er als nicht vorbestraft anzusehen ist. Selbst wenn man für § 153a StPO lediglich einen gesicherten hinreichenden Tatverdacht forderte (so Karlsruher Kommentar-StPO/Diemer, 7. Aufl. 2013, § 153a Rnr. 11), ergäbe sich nichts anderes.
58 
b.) Der Kläger hat damit nur den in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages garantierten Anspruch auf die feste Jahresvergütung. Diese beträgt 50% des jeweiligen Nettoliquidationserlöses der Jahre 2008, 2009 und des ersten Quartals 2010. Dieser Anspruch ist indessen bereits im Jahr 2014 erfüllt worden, so dass - mangels eines Prämienanspruchs (siehe unter a.) - keine weitergehende Hauptforderung mehr besteht.
59 
Anspruchsunschädlich ist, dass der Kläger tatsächlich nur bis zum 25.01.2008 tätig war. Denn insoweit lagen die Voraussetzungen für eine Vergütung aufgrund Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB und §§ 293 ff. BGB vor (sog. Annahmeverzugsvergütung - diese ist Erfüllungsanspruch, kein Schadensersatzanspruch, vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 615 Rnr. 3 m.w.N.). Nach einer - wie hier rechtskräftig festgestellt - unwirksamen Kündigung bedurfte es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Arbeitsangebots des Klägers nicht (vgl. für das Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, Rnr. 14, juris). Dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig gewesen wäre (vgl. § 297 BGB), ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden. Seine Weigerung auf die Aufforderungen des Beklagten vom 22.12.2009 und 28.04.2010, seinen Aufgaben in der Krankenversorgung wieder nachzukommen, betraf gerade nicht die stets von ihm beanspruchten, aber vom Beklagten verhinderten und hier allein vergütungsrelevanten Dienste als Chefarzt i.S.v. § 6 Abs. 2 des Dienstvertrags. Dafür, dass der Kläger sich entsprechend § 615 Satz 2 BGB den Wert von etwas anrechnen lassen müsste, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, ist schließlich ebenfalls nichts erkennbar.
60 
Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs bemisst sich nach dem Bruttoentgelt. Der Abzug und die Abführung von gesetzlichen Lohnbestandteilen - hier gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des Dienstvertrages der Lohnsteuer - betreffen nur die Frage, wie der Beklagte seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger zu erfüllen hat (vgl. für die Bruttolohnklage im Arbeitsrecht: LAG Hamm, Urt. v. 07.01.2014 - 9 Sa 1393/13 -, juris [m.w.N.]; ferner im Zusammenhang mit Zinsen auf den Bruttolohn: BAG, Urt. v. 07.03.2001 - GS 1/00 - juris; zur Erfüllung durch Steuerabführung ferner BAG, Urt. v. 30.04.2008, a.a.O.).
61 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte vorgenommen und als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 (GAS. 371/373) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend; auch der Kläger hat insoweit keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere durfte der Beklagte hierbei aufgrund der Abrechnungsvereinbarung in § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages einen Rückforderungsanspruch i.H.v. insgesamt 80.000,-- EUR betreffend die Prämienabschläge für 2007 und für Januar 2008, der ihm nach dem oben unter a.) Dargelegten zustand, mit dem im April 2008 abgerechneten Festvergütungsanspruch für 2007 i.H.v. 9.714,86 EUR (vgl. Anlage B 2 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 353-357]) sowie demjenigen i.H.v. 76.615,06 EUR verrechnen, den der Kläger aufgrund der Abrechnung im Juni 2009 für das Jahr 2008 hatte (vgl. das entsprechende Schreiben des Klinikumsvorstands vom 14.08.2009 an den Kläger [Anlage B 3 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 ]).
62 
Den somit für die Zeit Januar 2008 bis März 2010 bestehenden Festvergütungsanspruch in Höhe von brutto 731.898,76 EUR hat der Beklagte durch Steuerabführung (am 10.03.2014) i.H.v. 361.688,18 EUR, durch Verrechnung des verbleibenden Nettoanspruchs mit einem eigenen Rückzahlungsanspruch i.H.v. 21.586,12 EUR sowie Hinterlegung (am 27.02.2014) des Restbetrages von 348.624,46 EUR erfüllt.
63 
2.) Auch eine weitergehende Nebenforderung hat der Kläger nicht.
64 
Ein Verzugsschadensanspruch, der im Fall von Geldschulden als Mindestschaden auf - wie hier ausschließlich geltend gemacht - Zinsen gerichtet ist, ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB (i.V.m. § 62 Satz 2 LVwVfG). Eine Mahnung war gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Auch ein Verschulden des Beklagten (§ 286 Abs. 4 BGB) lag vor, da er auf die Wirksamkeit der ersten Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen erkennbarer Verfahrensmängel (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) nicht schutzwürdig vertrauen durfte (zur besonderen Verschuldensprüfung bei einer Kündigung vgl. BAG, Urt. v. 14.05.1998 - 8 AZR 634/96 -, Rnr. 17, juris). Die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB können aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung verlangt werden (BAG, Beschl. v. 07.03.2001, a.a.O.).
65 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte auch betreffend die Verzugszinsen vorgenommen und als Anlage B 23 zum Schriftsatz vom 16.06.2014 (GAS. 597) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend. Dass er dabei - anders als die wohl herrschende Meinung (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 - B 1 KR 8/09 R -, juris, Rn. 31; Palandt/Heinrichs, a.a.O, § 246 Rnr. 9; Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 246 BGB, Rnr. 37) - das Jahr mit 360 und den Monat mit 30 Tagen angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden, da diese Berechnung sogar etwas günstiger für den Kläger gewesen ist. Aus dem Vergütungsanspruch, der dem Kläger bis einschließlich 31.03.2010 noch zustand (siehe dazu oben 1. b.), ergab sich bis zum 27.05.2014 eine Zinsforderung in Höhe von 172.966,70 EUR, die der Beklagte durch die Hinterlegungen am 27.02.2014 (90.475,36 EUR) und am 27.05.2014 (83.372,54 EUR) erfüllt hat.
66 
Die vom Kläger gegen diese Zinsberechnung geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Dass für die Jahre 2008 bis 2010 auf der Grundlage der diese jeweils betreffenden endgültigen Abrechnungsergebnisse die ursprünglich mit 25.000,-- EUR vereinbarten (und in dieser Höhe vom Beklagten bei der Zinsberechnung unverändert zugrunde gelegten) Abschläge gemäß § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages angepasst und höher angesetzt worden wären - mit der Folge einer Erhöhung des Verzugszinsschadens - kann nicht angenommen werden. Eine automatische Anpassungspflicht des Beklagten sah § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages mit der Bestimmung, wonach Abrechnungen und „ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen“ jeweils bis Ende Juni des Folgejahres erfolgten, gerade nicht vor. Daher spricht Überwiegendes dafür, dass eine Abschlagsanpassung jeweils einer speziellen Parteivereinbarung bedurft hätte, an der es hier aber fehlte.
67 
Wendet man auf diesen Fall die Grundsätze der Schadensschätzung an, ergibt sich nichts zugunsten des Klägers. Gemäß (§ 173 VwGO i.V.m.) § 287 Abs. 2 ZPO ist § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO (geringeres Beweismaß für den Schadensnachweis) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. So liegt die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO dann nahe, wenn - wie hier - die Höhe des Anspruchs von fiktiven Entwicklungen abhängt (BeckOK ZPO/Bacher, § 287 Rnrn. 11 sowie 17 und 18 m.w.N. [Stand: 01.03.2015]). Gewisse Mindestanforderungen an die Angabe tatsächlicher Momente, die als Grundlage der Schätzung dienen können, sind allerdings zu verlangen. Die Parteien müssen sich in zumutbarem Umfang um eine genaue Substantiierung bemühen (MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 287 Rnr. 28 m.w.N.). Von wesentlichem Parteivorbringen darf sich die Schätzung nicht lösen, für sie müssen zumindest greifbare Tatsachen sprechen (Musielak ZPO/Foerste, 12. Aufl. 2015, § 287 Rnr. 9 m.w.N.). Der substantiierte Vortrag des Beklagten, wonach eine (vom Kläger geforderte) exakte Anpassung der Abschlagszahlung nie praktiziert worden ist, und ferner gewisse Anpassungen nur bei mehrjährigen deutlichen Abweichungen in Betracht kämen, spricht gegen eine Schätzung zugunsten des Klägers. Auch die konkreten Differenzbeträge zwischen Abschlägen und endgültig berechneter Vergütung schließlich sind entgegen der Auffassung des Klägers noch kein ausreichendes Indiz für eine Anpassung. Für das Jahr 2008 betrug die dem Kläger zustehende Jahresvergütung 309.190,07 EUR (50% des Nettoliquidationserlöses von 618.380,13 EUR) und hätte (hypothetische) Abschlagszahlungen i.H.v. (12 x 25.000,-- EUR =) 300.000,-- EUR lediglich um etwas mehr als 9.000,-- EUR überstiegen. Die Abweichungen für 2009 von (Vergütung 416.009,49 EUR abzüglich 300.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 116.000,-- EUR und für das erste Quartal 2010 von (Vergütung 102.669,10 EUR abzüglich 75.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 25.000,-- EUR sind zwar höher, ohne dass allerdings zur Überzeugung der Kammer schon von einer deutlichen mehrjährigen Abweichung gesprochen werden kann.
68 
Wollte man schließlich das in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags an sich ausdrücklich nur im Kontext des „Ob“ einer Prämie geregelte Bestimmungsrecht - etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - auch für die Neufestlegung von Abschlagszahlungen für maßgebend erachten, gälte auch hier § 315 BGB. Die Entscheidung des Beklagten, Abschläge nicht anzupassen, wäre dann aber aus den zuvor im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO genannten Gründen nicht zu beanstanden.
69 
II. Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch betreffend „die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Beklagten im Zusammenhang mit Laborleistungen für das Herzzentrum xxx“ besteht nicht, so dass auch diese Klage unbegründet ist. Einen Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch aus der Kooperation des Beklagten und dem Herzzentrum xxx hat der Kläger nicht, weshalb schon deshalb ein Auskunftsanspruch zu verneinen ist. Da schon die Prüfung der Auskunftsstufe ergibt, dass dem Hauptanspruch (= Leistungsanspruch) die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, kann im Urteil eine einheitliche Entscheidung ergehen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 28.11.2001 - VIII ZR 37/01 -, Rnr. 20, juris; Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rnr. 9). Ein jeweiliges Teilurteil über die bezifferte Zahlungsklage und die noch unbezifferte Stufenklage (vgl. zu einem solchen Fall: BGH, Urt. v. 25.09.2002 - XII ZR 55/00 -, Rnr. 14, juris; Urt. v. 26.04.1989 - IVb ZR 48/88 -, Rnr. 9, juris) kam daher nicht in Betracht.
70 
§ 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beteiligte als Gegenleistung für die Erfüllung seiner in § 6 geregelten Dienstaufgaben den Kläger am Nettoliquidationserlös, den der Beklagte „in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung“ aus wahlärztlichen ambulanten Behandlungen und wahlärztlichen stationären Untersuchungen (ausgenommen die Erbringung individueller Gesundheitsleistungen) einnimmt. Schon dieser Wortlaut lässt es nicht zu, im Labor des Herzzentrums - also einer bis 31.03.2012 völlig eigenständigen Einrichtung - durchgeführte Untersuchungen als erfasst anzusehen. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen haben, sind Untersuchungen, die aus dem Herzzentrum xxx stammen, am Zentrallabor der Universitätsklinik zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Das Herzzentrum xxx besitze ein eigenes Labor, das die dort erhobenen Proben selbst untersuche.
71 
Einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus vereitelter Übernahme der Leitung des Labors des Herzzentrums kann die Kammer schließlich ebenfalls nicht erkennen. Der Kooperationsvertrag vom 18.06.2006 räumte allenfalls dem Beklagten, nicht aber dem jeweiligen Leiter von dessen Abteilung Klinische Chemie einen Rechtsanspruch ein. Dagegen, dass der Kläger zum 01.010.2008 die Leitung des Labors im Herzzentrum übernommen hätte, spricht der gegen ihn bestehende Straftatverdacht. Dieser war trotz Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 nach dem oben unter I.1.a.) Dargelegten auch im Oktober 2008 hinreichend und nicht ausgeräumt. Der Übertragung einer zusätzlichen Leitungsposition hätte er aller Voraussicht nach entgegengestanden. Selbst für den Fall einer solchen aber hätte der Kläger keinen Vergütungsanspruch gehabt. Denn zu seinen Dienstaufgaben hätte gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 4 des Dienstvertrages eine solche Aufgabenübernahme in zumutbarem Umfang gehört und wäre folglich durch die Vergütungsregelung in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages abgegolten gewesen. Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, war auch in einem weiteren, ähnlichen Chefarztvertrag mit der Ärztlichen Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde keine zusätzliche Vergütung für deren zusätzliche Leitung eines Medizinischen Versorgungszentrums vorgesehen gewesen. Dass schließlich der Nachfolger des Klägers und Kommissarische Leiter der Abteilung Klinische Chemie, Prof. Dr. X., für die Leitung des Labors im Herzzentrum bis Sommer 2012 eine monatliche Vergütung („von wenigen Tausend EUR“, vgl. Seite 24 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 979]) erhielt, steht dem nicht entgegen, da mit ihm bis dahin kein Chefarztvertrag wie mit dem Kläger bestand. Aufgrund der insgesamt monatlich geringen Vergütung („im einstelligen Tausend-Euro-Bereich“, vgl. Seite 3 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 937]), die Prof. Dr. X. für die Leitung der Abteilung Klinische Chemie zustand, lag es in diesem Fall anders als im Fall des Klägers eher nahe, die Übernahme dieser weiteren Aufgabe zusätzlich zu vergüten.
72 
D. Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt für den übereinstimmend erledigten Teil aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, insoweit dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil er nachgegeben hat. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO und geht zulasten des Klägers, da er die weitergehend von ihm begehrten Beträge sowie eine Auskunft nicht erhält. Die Kammer hat die Kostenquote aus dem Obsiegen und Unterliegen der Hauptbeteiligten bezogen auf den Streitwert (vgl. dazu näher den Streitwertbeschluss unten) gebildet (Gesamtstreitwert: 1.213.802,97 EUR: Kläger gewinnt i.H.v. 710.312,64 EUR, Beklagter gewinnt i.H.v. 503.490,33 EUR) gebildet. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, so dass es mangels Kostentragungsrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
73 
Die Kostenentscheidung ist, soweit sie auf § 161 Abs. 2 VwGO beruht, gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.081998 - 4 B 75.98 - juris; Urt. v. 03.11.2011 - 7 C 3/11 -, Rnr. 32, juris). Da die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), gilt im Übrigen folgende
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert für das Verfahren wird
76 
auf 1.213.802,97 EUR
77 
festgesetzt.

Gründe

 
35 
A. Soweit die beiden Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in Reaktion auf die vom Beklagten hinterlegten bzw. an das Finanzamt abgeführten Beträge für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen gewesen.
36 
B. Soweit noch in der Sache zu entscheiden ist, sind die im Wege der objektiven Klagehäufung zur Entscheidung gestellten beiden Klagen mit den in der mündlichen Verhandlung protokollierten Anträgen zulässig.
37 
I. Mit seinem ursprünglichen Klageantrag zu 1. verfolgte der Kläger die Zahlung der vereinbarten Abschlagsbeträge (und daraus berechneter Verzugszinsen) sowie mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 2. eine Stufenklage (vgl. Klageschriftsätze vom 30.12.2011, vom 06.12.2012 und vom 13.12.2013).
38 
Dieses erste Begehren hat er mit dem im Schriftsatz vom 08.04.2014 (dort Seite 3/4) gestellten Zahlungsantrag geändert, indem er (unter Abzug bis zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten hinterlegter bzw. an das Finanzamt abgeführter Beträge) die am 19.02.2014 vorgelegte Nettoliquidationsabrechnung des Beklagten (Anlagen B 4 bis 6 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 365-369]) zum Anlass nahm, von der Klage auf Abschlagszahlung zu der auf endgültige Zahlung und vom Auskunfts- und unbezifferten Leistungsbegehren der Stufenklage zum bezifferten Leistungsantrag überzugehen. Dieser Übergang stellte keine Klageänderung dar, da er kraft Gesetzes gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO (vgl. für den Übergang von der werkvertraglichen Abschlags- zur Schlusszahlung: BGH, Urt. v. 11.11.2004 - VII ZR 128/03 -, Rnr. 47, juris) bzw. gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. für den Übergang von der Auskunfts- zur Leistungsstufe: BGH, Urt. v. 21.02.1991 - III ZR 169/88 -, juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 264 Rnr. 8) privilegiert war. Der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Wechsel schließlich vom Zahlungsbegehren hin zu einem solchen auf (durch alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vereinbarte) Hinterlegung wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst.
39 
Zum zuletzt mit Schriftsatz vom 26.06.2015 bzw. in der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer Stufenklage (§ 254 ZPO) gestellten Auskunftsantrag betreffend die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Universitätsklinikums im Zusammenhang mit den Laborleistungen für das Herzzentrum xxx konnte der Kläger schließlich erneut gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO übergehen. Ausweislich der diese Erlöse betreffenden „Anfrage“ am Ende des Schriftsatzes vom 08.04.2014 war die Auskunftsstufe insoweit für ihn noch nicht endgültig erledigt gewesen (vgl. in diesem Fall für die Rückkehr vom Leistungs- zum Auskunftsbegehren: OLG München, Urt. v. 01.02.2012 - 3 U 3525/11 -, Rnr. 17, juris; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 4). Insoweit ist die Klage hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen. Dass der Kläger bei letzterer noch keinen (unbezifferten) Leistungsantrag formuliert hat, steht dem nicht entgegen. Die Klage kann auf Auskunft begrenzt und der eigentliche Leistungsantrag (noch) weggelassen werden („verkürzte Stufenklage“, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 254 Rnr. 2; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. 2013, § 254 Rn. 10).
40 
II. Diese Klagen sind als allgemeine Leistungsklagen statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere besitzt der Kläger die Klagebefugnis (entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO) bzw. aktive Prozessführungsbefugnis.
41 
Trotz der im Wege der Zwangsvollstreckung zugunsten der Beigeladenen zu 2 und 3 erfolgten Pfändung und Überweisung seiner etwaigen Ansprüche gegen den Beklagten macht der Kläger weiterhin ein eigenes Recht geltend. Die für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung einer Forderung zur - wie hier - Einziehung bewirkt (lediglich), dass der Pfändungsschuldner die Forderung nicht mehr für sich einziehen kann. Auf Leistung an den Pfändungsgläubiger kann er indessen klagen, und zwar aus eigenem Recht. Da ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (BGH, Urt. v. 08.05.2007 - XI ZR 278/06 -, Rnr. 18, juris; Urt. v. 05.04.2001 - IX ZR 441/99 -, Rnr. 20, juris; Urt. v. 25.03.1991 - II ZR 13/90 -, Rnr. 9, juris; Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5). Auch die Sicherungsabtretung von Ansprüchen an die Beigeladene zu 1 hindert den Kläger schließlich nicht an der prozessualen Geltendmachung, da er hierzu von ihr ermächtigt worden ist und ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Klärung besitzt (vgl. für eine zulässige gewillkürte Prozessstandschaft im Fall der Sicherungszession: VG Freiburg, Urt. v. 05.12.2013 - 1 K 2463/11 -, Rnr. 49, juris; anders allerdings bei fehlendem schutzwürdigen Interesse an einer Forderungsabtretung: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 07.11.2014 - 2 S 1529/11 -, Rnr. 38, juris).
42 
C. Die Klagen sind indessen unbegründet.
43 
Der Kläger ist zwar aktivlegitimiert. Das gilt sowohl in Ansehung der Pfändungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 2 und 3 (vgl. insoweit die Ausführungen oben zur Prozessführungsbefugnis) als auch hinsichtlich der Sicherungsabtretung, da die Beigeladene zu 1 dem Kläger eine Einziehungsermächtigung erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.1999 - VI ZR 101/98 -, Rnr. 8 und 9, juris; Urt. v. 06.11.1980 - VII ZR 200/79 -, Rnr. 14, juris). Ferner ist keine Verjährung der Vergütungsansprüche (die sich entsprechend § 217 BGB auf die Zinsforderung erstrecken würde) eingetreten. Denn mit der ursprünglich innerhalb der (entsprechend § 195 BGB: 3-jährigen) Verjährungsfrist erhobenen Stufenklage wurde der (ursprünglich unbezifferte) endgültige, nach Abrechnung bestehende Vergütungsanspruch (damals gestellt als Leistungsantrag auf letzter Stufe [„2.b)“]) des Klägers sofort rechtshängig. Damit wurde, trotz der zunächst gegebenen Unbestimmtheit des Leitungsantrags, die Verjährung des gesamten Anspruchs entsprechend § 209 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Höhe gehemmt, die der Kläger mittlerweile erstmalig beziffert hat (vgl. BGH, Urt. v. 17.06.1992 - IV ZR 183/91 -, Rnr. 10 und 11, juris). Schließlich kann der Kläger auch jenseits der Vorschrift des § 853 ZPO (i.V.m. § 856 ZPO) und der Frage, ob diese auch für den Schuldner gilt bzw. im Fall des Zusammentreffens von Pfändungen und Abtretung nicht ganz ausgeschlossen ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, a.a.O., § 836 Rnr. 5), auf Hinterlegung klagen. Denn die Beteiligten haben eine wirksame Hinterlegungsvereinbarung geschlossen, wonach etwaige weitere Zahlungen des Beklagten an die Hinterlegungsstelle erfolgen sollen (vgl. zu dieser von den Voraussetzungen des § 372 ff. BGB unabhängigen Möglichkeit: BGH, Urt. v. 29.09.1992 - XI ZR 9/92 -, Rnr. 12, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.02.2006 - 15 U 87/05 -, Rnr. 14, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 378 Rnr. 2).
44 
Soweit der Kläger einen Anspruch auf Vergütung und Verzugszinsen hat, ist dieser vom Beklagten durch die Hinterlegungen vom 27.02.2014 und vom 27.05.2014 (zur Erfüllungswirkung kraft - hier: konkludenter - Vereinbarung vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1992, a.a.O.) erfüllt worden. Die von ihm hierbei hinsichtlich der Beträge für Vergütung und Verzugszinsen getroffene Tilgungsbestimmung ist, da der Kläger dieser nicht widersprochen bzw. sie ausweislich des Schriftsatzes vom 26.06.2015 nunmehr auch ausdrücklich akzeptiert hat, maßgeblich geworden (§ 62 Satz 2 LVwVfG i.V.m. § 367 Abs. 2 BGB; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a.a.O, § 367 Rnr. 2). Auch die am 10.03.2014 erfolgte Lohnsteuerabführung an das Finanzamt hatte Erfüllungswirkung (BAG, Urt. v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07 -, Rnr. 18, juris). Einen mit der Klage verfolgten weitergehenden Zahlungsanspruch (Prämienvergütung bis 31.03.2010 sowie Verzugszinsen daraus bis heute) hat der Kläger nicht (dazu im Folgenden unter I.). Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch besteht ebenfalls nicht. Das folgt daraus, dass ihm aus den Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und dem Herzzentrum xxx kein Anspruch auf weitergehende Vergütung zusteht (dazu im Folgenden unter II.).
45 
I. Einen mit der Hinterlegungsklage geltend gemachten Anspruch auf weitergehende als bereits vom Beklagten erfüllte Beträge für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 hat der Kläger nicht.
46 
1.) Die Hauptforderung des Klägers ergibt sich dem Grunde nach aus der Vergütungsregelung in § 8 des Dienstvertrages vom 24.07.2007 (im Folgenden nur noch bezeichnet als „Dienstvertrag“). Aufgrund rechtskräftigen Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 (3 K 2749/08 -, juris) steht im Verhältnis von Kläger und Beklagtem fest, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 24./25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung dieses Dienstvertrags unwirksam sind. Die (Gegenstand des noch nicht rechtskräftig abgeschlossen Verfahrens 1 K 848/13 bildende) erneute Kündigung vom 30.09.2009 wurde erst mit Wirkung zum 01.04.2010 ausgesprochen. Da keine sonstigen Unwirksamkeitsgründe oder vertraglichen Beendigungsgründe i.S.v. § 11 Abs. 4 erster Spiegelstrich (Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses) und dritter Spiegelstrich (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte - ein solches wurde gegenüber dem Kläger nie ausgesprochen) vorliegen, stehen dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2010 vertragliche Vergütungsansprüche zu. Auf den als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu qualifizierenden Dienstvertrag (vgl. zum konkreten Vertrag: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, Rnr. 41, juris) finden ergänzend die Vorschriften des BGB nach § 62 Satz 2 LVwVfG entsprechende Anwendung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010 - 9 S 1935/10 -, Rnr. 2, juris).
47 
a.) Der Prämienanspruch, um den die Beteiligten vorliegend im Wesentlichen (noch) streiten, steht dem Kläger nicht zu. § 8 Abs. 2 des Dienstvertrages bestimmt, dass der Ärztliche Direktor ferner (d.h. zusätzlich zur festen Jahresvergütung gemäß Absatz 1) eine Prämie in Höhe von bis zu 25 % des Nettoliquidationserlöses für die erfolgreiche Leitung der Einrichtung enthält, wobei es maßgeblich auf die wirtschaftliche Führung der Abteilung, das Erreichen der Leistungsvorgaben, ein aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität ankommt. Zudem kann der Klinikumsvorstand mit dem Ärztlichen Direktor jährliche Zielvereinbarungen abschließen, deren Erreichen für die Auszahlung der Prämie mit maßgebend ist. Die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, erfolgt durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen.
48 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Regelung wirksam. Da die Prämienregelung vom Beklagten vorformuliert und mit dem Kläger nicht ausgehandelt worden ist, gelangen über § 62 Satz 2 LVwVfG die AGB-Vorschriften der §§ 305 ff. BGB entsprechend zur Anwendung (vgl. für einen Chefarztvertrag: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.10.2010, a.a.O., Rnr. 24 ff.). Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) gibt es nicht. Die Prämienregelung macht die Gewährung vom Eintritt einer näher ausgestalteten Bedingung (erfolgreiche Leitung) abhängig und sieht überdies ein Feststellungs-, bzw. Bestimmungsrecht des Klinikumsvorstands vor. Damit wird schon nicht vom Gesetz abgewichen. Denn dieses sieht selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (vgl. § 315 BGB - dazu unten bei b.). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen dieses Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (vgl. BAG, Urt. v. 16.01.2013 - 10 AZR 26/12 -, Rnr. 29, juris [vom Arbeitgeber festzulegende Weihnachtsgratifikation]). Aus diesen Gründen ist ferner auch das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht als verletzt anzusehen. Denn angesichts der Verwendung sowie näheren Erläuterung des Merkmals der „erfolgreichen Leitung“ und des gerichtlich überprüfbaren Leistungsbestimmungsrechts kann nicht die Rede davon sein, diese Bestimmung sei aufgrund Unklarheit bzw. Unverständlichkeit geeignet, den Kläger von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten. Ohnehin sind hierbei auch Begleitumstände der Verwendung zu beachten, namentlich mit Blick auf den betroffenen Personenkreis (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rnr. 21 und § 320 Rnr. 21). Die Chefärzte des Beklagten dürften viel eher einem erfahrenen Vertragspartner als einem unkundigen Verbraucher gleichzustellen sein.
49 
Der Klinikumsvorstand des Beklagten hat mit Beschlüssen vom 07.04.2008 und 16.01.2014 entschieden, dass der Kläger - soweit hier maßgeblich - in den Jahren 2007 bis 2010 die Abteilung Klinische Chemie nicht erfolgreich geleitet hat. Auch wenn der Kläger nur Ansprüche aus dem Zeitraum Januar 2008 bis März 2010 zum Streitgegenstand gemacht hat, besitzt die Problematik eines Prämienanspruchs im Jahr 2007 doch Vorfragenrelevanz, da - wie vom Beklagten bei seinen Berechnungen auch tatsächlich berücksichtigt - die Ablehnung eines solchen Anspruchs in diesem Jahr zu einer Rückforderung und Minderung des Anspruchs für das Jahr 2008 führte. Da es sich bei der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrages, auf welche diese Beschlüsse zurückgehen, um ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB handelt und diese Entscheidungen billigem Ermessen entsprechen, sind sie gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Kläger verbindlich, so dass er für die Jahre 2008, 2009 und das 1. Quartal 2010 keinen Prämienanspruch hat:
50 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags, wonach die Feststellung, ob die vom Ärztlichen Direktor geleitete Einrichtung erfolgreich geleitet wurde und ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden, durch den Klinikumsvorstand unter Angabe der wesentlichen zugrunde liegenden Erwägungen erfolgt, enthält ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Da dieses Recht dem Klinikumsvorstand zusteht, der gemäß § 10 Abs. 1 UKG i.V.m. § 7 der Satzung des UKFR das in Fällen wie hier maßgebliche Leitungs- und Entscheidungsorgan des Beklagten ist (kein Fall der Zuständigkeit des Aufsichtsrats gemäß § 9 UKG, § 5 Satzung UKFR), liegt ein Fall des § 315 BGB, der Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei, und nicht - wovon der Beklagte ausgehen will - derjenige des § 317 BGB (Bestimmung durch Dritte) vor. § 315 BGB ist gemäß einem weiten Verständnis über die Haupt- und Gegenleistung hinaus auch auf sämtliche Leistungsmodalitäten anwendbar (BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rnr. 1 [Stand: 01.05.2015]), also auch - wie hier - auf die Feststellung von Anspruchsvoraussetzungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnr. 2 m.w.N.). Voraussetzung - auch für eine gerichtliche Überprüfung - ist stets, dass ein Vertragspartner die Leistung einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht (BGH, Urt. v. 12.12.2014 - V ZR 109/14 -, Rn. 10, juris).
51 
§ 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags räumt dem Klinikumsvorstand einen solchen Ermessensspielraum ein. Er sieht eine Prämie „bis zu“ 25% vor. Ferner spricht die Unbestimmtheit und Auslegungsbedürftigkeit der die „erfolgreiche Leitung“ konkretisierenden Begriffe (wirtschaftliche Führung der Abteilung, Erreichen der Leistungsvorgaben, aktualisiertes Qualitätsmanagement, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Führungsqualität) dafür. Damit ist die Bestimmung zwar auch an einem objektiven Beurteilungsmaßstab ausgerichtet (zu dieser Möglichkeit vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rn. 10), so dass kein völlig freies Belieben existiert. Ungeachtet dessen verbleibt für die Leistungsbestimmung jedoch mangels eines anderen vereinbarten Maßstabs gemäß der Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender (Beurteilungs-)Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - III ZR 100/90 -, juris, Rnr. 29; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 315 Rnrn. 6 und 15; BeckOK BGB/Gehrlein, a.a.O., Rnr. 12). Maßgebend für diese Kontrolle ist der Zeitpunkt der Leistungsbestimmung, da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt (Staudinger/Volker Rieble [Neubearbeitung 2015], BGB § 315, Rnr. 378).
52 
Die das Jahr 2007 betreffende und dem Kläger mit Schreiben vom 14.04.2008 mitgeteilte Entscheidung des Klinikumsvorstands vom 07.04.2008 ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Sie führte als wesentliche Gründe für eine nicht erfolgreiche Abteilungsleitung ein in Höhe von 250.000 EUR negatives EER-Ergebnis 2007 (EER = Erlösorientierte Ergebnisrechnung - ein internes Berechnungsmodell) und eine zunehmend schwierige Zusammenarbeit an, sowie, dass der Kläger durch das mutmaßliche Verhalten, das zur Verdachtskündigung vom Januar 2008 geführt habe, dem Ansehen des Klinikums erheblichen Schaden zugefügt habe. Damit sind ersichtlich die im Dienstvertrag festgelegten Konkretisierungsmaßstäbe der wirtschaftlichen Abteilungsführung und Führungsqualität entscheidungsleitend gewesen. Da § 8 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrages nichts dafür hergibt, alle dort genannten Konkretisierungsmerkmale seien stets kumulativ heranzuziehen, kann nicht beanstandet werden, dass der Klinikumsvorstand nur auf einzelne Merkmale einging, und nicht auch auf ein Erreichen der Leistungsvorgaben und ein aktualisiertes Qualitätsmanagement (vgl. BAG, Urt. v. 15.05.2013 - 10 AZR 679/12 -, Rnr. 17, juris). Dies gilt ferner für das Erreichen von Zielvereinbarungen i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrages, da es diese tatsächlich nicht gegeben hatte. Einen Anspruch auf eine solche Vereinbarung sah der Dienstvertrag eindeutig auch nicht vor, da in § 8 Abs. 2 Satz 2 nur die Möglichkeit („kann... abschließen“), nicht indessen die Pflicht des Beklagten bestand, mit dem Kläger Ziele zu vereinbaren.
53 
Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG, Urt. v. 14.11.2012 - 10 AZR 783/11 -, Rnr. 45, juris; BGH, Urt. v. 05.12.2012 - IV ZR 110/10 -, Rnr. 27, juris). Die Leistungsbestimmung ist erst dann durch das Gericht zu beanstanden und zu ersetzen, wenn diese Grenzen überschritten sind, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urt. v. 22.07.2014 - KZR 27/13 -, Rnr. 23, juris; Urt. v. 24.06.1991 - II ZR 268/90 -, Rnr. 7, juris). Mit der auf das Wirtschaftsergebnis 2007 und einen Straftatverdacht gestützten Verneinung einer erfolgreichen Abteilungsleitung hat der Klinikumsvorstand eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung getroffen. Die Gewichtung des Wirtschaftsergebnisses ist angesichts des negativen EER-Ergebnisses weder sachwidrig noch willkürlich. Insbesondere ist nicht erkennbar oder vorgetragen worden, dass der Beklagte im Rahmen anderer Chefarztverträge bei negativen Ergebnissen von einer erfolgreichen Leitung ausgegangen wäre, mithin die Prämie tatsächlich als versteckte Festvergütung handhabte. Selbst wenn der im Jahr 2007 die Abteilungsleitung noch tatsächlich innehabende Kläger angesichts fixer Kosten beim Personal und des Umstands, dass die mittelbare Krankenversorgung für Gewinnerzielung auf (externe) Probenaufträge angewiesen ist, das EER nur bedingt beeinflussen konnte, ist doch die vertragliche Gesamtregelung zu berücksichtigen. Denn in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages war dem Kläger bereits eine EER-unabhängige (Fest-) Vergütung von 50% des Abteilungsnettoliquidationserlöses garantiert worden. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen haben, bestehen für den Abteilungsleiter durchaus Einwirkungsmöglichkeiten, so etwa im Bereich des Reagenzieneinkaufs. Vor diesem Hintergrund ist es nicht unverhältnismäßig gewesen, wenn der Klinikumsvorstand eine erfolgreiche Leitung bei negativem Wirtschaftsergebnis verneinte. Dass der Kläger die Prämie für 2007 im Wege der Abschlagszahlung bereits erhalten hatte, ist kein Beleg für einen Führungserfolg. § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages stellte auch die Prämie unter einen endgültigen Berechnungsvorbehalt. Damit aber stand auch diese unter der auflösenden Bedingung einer späteren negativen Entscheidung des Klinikumsvorstands.
54 
Soweit der Klinikumsvorstand zusätzlich den Straftatverdacht gegen den Kläger als einer erfolgreichen Leitung entgegenstehenden Umstand angeführt hat, hat er den ihm eingeräumten Ermessensspielraum ebenfalls nicht verlassen. Die im Zeitpunkt der ersten Kündigung im Januar 2008 gegebenen Verdachtsmomente, auf die der Klinikumsvorstand abgehoben hat, rechtfertigten bei gebotener Abwägung ebenfalls den Schluss einer (mit Blick auf das Merkmal der Führungsqualität) nicht erfolgreichen Abteilungsleitung. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte im Frühjahr 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 13.11.2007 hatte das Amtsgericht Freiburg die (dann am 11.12.2007 durchgeführte) Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume des Klägers mit der Begründung angeordnet, es bestehe der Verdacht, dass der Kläger die Entscheidungsträger des Universitätsklinikums dahingehend beeinflusst habe, dass diese am 01.09.2006 ohne vorherige Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit der Fa. xxx abgeschlossen hätten, durch den dieser Firma auf die Dauer von mindestens fünf Jahren alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung von Laborverbrauchsmaterial übertragen worden seien. Dafür habe der Kläger Zuwendungen erhalten. In einem Schreiben vom 07.01.2008 an die Universität Freiburg hatte die Landespolizeidirektion u.a. ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die im Bericht genannten finanziellen Zuwendungen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe des Beklagten an die Fa. xxx stünden und dass der Kläger dieser Firma durch Übersendung von internen Unterlagen pflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil verschafft habe (vgl. Tatbestand des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 - 3 K 2749/08 -, juris [Rnrn. 4 und 5]). Die herausgehobene Stellung als Chefarzt bzw. Abteilungsleiter war besonders sensibel und anfällig für strafrechtliche Vorwürfe, wenn diese - wie hier - im Zusammenhang mit der Dienstausübung erhoben wurden. Bereits der mit laufenden strafrechtlichen Ermittlungen verbundene Anschein eines Makels erschütterte folglich die für das Merkmal der Führungsqualität zu fordernde Integrität und durfte ebenfalls zur Versagung einer Prämie herangezogen werden. Daran änderte nichts, dass die dem Kläger vorgeworfenen Taten zeitlich weiter zurücklagen und nicht das Jahr 2007 betrafen.
55 
Dieser Ermessensentscheidung im April 2008 stand schließlich nicht die Rechtskraft des Urteils des VG Freiburg vom 24.02.2010 über die Kündigung vom 24./25.01.2008 entgegen. Denn ungeachtet des Umstands, dass diese vom Gericht bereits aus formellen Gründen (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) beanstandet wurde, ist lediglich die Feststellung deren Unwirksamkeit in Rechtskraft erwachsen. Das ist kein prozessuales Hindernis dafür, die zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen in weiteren Rechtsstreitigkeiten zur Begründung von Ansprüchen oder Einwendungen geltend zu machen, deren Bestand nicht von der Tauglichkeit der Tatsachen als Grund für eine fristlose Kündigung abhängen (OLG Oldenburg, Urt. v. 20.04.2000 - 1 U 177/99 -, Rnr. 44, juris). Darauf, ob die im Januar 2008 vorliegenden Umstände materiell bzw. inhaltlich die Verdachtskündigung gerechtfertigt hätten, kommt es nicht an. Von der Frage, ob ein Dienstverhältnis beendet werden konnte, ist diejenige zu unterscheiden, ob eine Prämie für erfolgreiche Leitung zu zahlen war. Insoweit hatte ein Straftatverdacht für die Frage der Kündigungsrechtfertigung ein völlig anderes Gewicht als für diejenige eines Prämienanspruchs. Selbst wenn ein solcher Verdacht eine Kündigung nicht rechtfertigt, kann er dennoch der Annahme einer erfolgreichen Leitung der Abteilung - die anderen Maßstäben unterliegt - entgegenstehen.
56 
Der Klinikumsvorstand hat ferner am 16.01.14 beschlossen, dass auch für die Jahre 2008 bis 2010 (sowie ferner 2011 und 2012) keine erfolgreiche Abteilungsleitung durch den Kläger vorliege und dies - erkennbar unter dem Gesichtspunkt der Führungsqualität - ausschließlich mit bestehendem Verdacht der Korruption (Vorteilsannahme) und der zwischenzeitlich erhobenen sowie vom LG Freiburg zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage begründet. Eine wenngleich zeitlich spätere als dienstvertraglich in § 8 Abs. 3 vorgesehene, aber gleichwohl nunmehr auf ihre Billigkeit zu überprüfende Bestimmung durch den Beklagten lag damit vor. Diese ist ermessensfehlerfrei. Zu diesem Zeitpunkt war das Strafverfahren gegen den Kläger noch anhängig und angesichts der am 17.07.2009 erhobenen sowie vom Landgericht am 14.09.2012 zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage fortgeschritten. Da es mithin weiter an einer klaren Entlastung des Klägers vom Straftatverdacht fehlte, kann eine weitere Prämienversagung nicht als sachwidrig und unangemessen oder willkürlich aufgefasst werden. Wie bereits oben ausgeführt, ließ das Bestimmungsrecht die Auswahl auch nur einzelner Erfolgsmerkmale zu. Den Umstand, dass die Kündigung vom Januar 2008 unwirksam und der Kläger somit zumindest bis Ende März 2010 rechtswidrig an der Abteilungsleitung und folglich einer möglichen Einwirkung auf das Wirtschaftsergebnis gehindert war, musste der Klinikumsvorstand damit nicht mehr in die Abwägung einstellen.
57 
Selbst wenn man schließlich für die Überprüfung beider Ermessensentscheidungen des Klinikumsvorstands wegen der Eigenschaft der Prämie als wiederkehrende Leistung auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor Gericht abstellen wollte (vgl. MüKoBGB/Würdinger, 6. Aufl. 2012, § 315 Rn. 52; BeckOK BGB/Gehrlein, § 315 Rn. 11 [Stand: 01.05.2015]), so wäre ebenfalls keine Sachlage eingetreten, die das Festhalten des Beklagten an der Prämienversagung nunmehr als Ermessensausfall oder Ermessensdefizit erscheinen ließe. Zwar ist das Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 StPO durch Beschluss des LG Freiburg vom 12.02.2014 zunächst gegen Geldauflage vorläufig und nach Erfüllung dieser Auflage mit Beschluss vom 19.08.2014 endgültig eingestellt worden. Indessen erforderte die Anwendung des § 153a StPO einen höheren Verdachtsgrad. Sie setzte eine Durchermittlung voraus. Bevor dem Beschuldigten zugemutet werden kann, durch die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sich einer „Sanktion im weiteren Sinne“ zu unterwerfen, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung im Falle der Weiterführung des Verfahrens in Betracht kommen (Löwe-Rosenberg/Beulke, StPO, 26. Aufl. 2007, § 153a, Rn. 39; BeckOK StPO/Beukelmann, § 153a Rnr. 14 [Stand: 01.05.2015]). Der Beklagte durfte folglich unverändert die Prämie versagen, auch wenn die Unschuldsvermutung zugunsten des Klägers nicht widerlegt wurde und er als nicht vorbestraft anzusehen ist. Selbst wenn man für § 153a StPO lediglich einen gesicherten hinreichenden Tatverdacht forderte (so Karlsruher Kommentar-StPO/Diemer, 7. Aufl. 2013, § 153a Rnr. 11), ergäbe sich nichts anderes.
58 
b.) Der Kläger hat damit nur den in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages garantierten Anspruch auf die feste Jahresvergütung. Diese beträgt 50% des jeweiligen Nettoliquidationserlöses der Jahre 2008, 2009 und des ersten Quartals 2010. Dieser Anspruch ist indessen bereits im Jahr 2014 erfüllt worden, so dass - mangels eines Prämienanspruchs (siehe unter a.) - keine weitergehende Hauptforderung mehr besteht.
59 
Anspruchsunschädlich ist, dass der Kläger tatsächlich nur bis zum 25.01.2008 tätig war. Denn insoweit lagen die Voraussetzungen für eine Vergütung aufgrund Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB und §§ 293 ff. BGB vor (sog. Annahmeverzugsvergütung - diese ist Erfüllungsanspruch, kein Schadensersatzanspruch, vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 615 Rnr. 3 m.w.N.). Nach einer - wie hier rechtskräftig festgestellt - unwirksamen Kündigung bedurfte es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Arbeitsangebots des Klägers nicht (vgl. für das Arbeitsverhältnis: BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, Rnr. 14, juris). Dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig gewesen wäre (vgl. § 297 BGB), ist nicht ersichtlich oder vorgetragen worden. Seine Weigerung auf die Aufforderungen des Beklagten vom 22.12.2009 und 28.04.2010, seinen Aufgaben in der Krankenversorgung wieder nachzukommen, betraf gerade nicht die stets von ihm beanspruchten, aber vom Beklagten verhinderten und hier allein vergütungsrelevanten Dienste als Chefarzt i.S.v. § 6 Abs. 2 des Dienstvertrags. Dafür, dass der Kläger sich entsprechend § 615 Satz 2 BGB den Wert von etwas anrechnen lassen müsste, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, ist schließlich ebenfalls nichts erkennbar.
60 
Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs bemisst sich nach dem Bruttoentgelt. Der Abzug und die Abführung von gesetzlichen Lohnbestandteilen - hier gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 des Dienstvertrages der Lohnsteuer - betreffen nur die Frage, wie der Beklagte seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger zu erfüllen hat (vgl. für die Bruttolohnklage im Arbeitsrecht: LAG Hamm, Urt. v. 07.01.2014 - 9 Sa 1393/13 -, juris [m.w.N.]; ferner im Zusammenhang mit Zinsen auf den Bruttolohn: BAG, Urt. v. 07.03.2001 - GS 1/00 - juris; zur Erfüllung durch Steuerabführung ferner BAG, Urt. v. 30.04.2008, a.a.O.).
61 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte vorgenommen und als Anlage B 7 zum Schriftsatz vom 18.02.2014 (GAS. 371/373) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend; auch der Kläger hat insoweit keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere durfte der Beklagte hierbei aufgrund der Abrechnungsvereinbarung in § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages einen Rückforderungsanspruch i.H.v. insgesamt 80.000,-- EUR betreffend die Prämienabschläge für 2007 und für Januar 2008, der ihm nach dem oben unter a.) Dargelegten zustand, mit dem im April 2008 abgerechneten Festvergütungsanspruch für 2007 i.H.v. 9.714,86 EUR (vgl. Anlage B 2 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 [GAS. 353-357]) sowie demjenigen i.H.v. 76.615,06 EUR verrechnen, den der Kläger aufgrund der Abrechnung im Juni 2009 für das Jahr 2008 hatte (vgl. das entsprechende Schreiben des Klinikumsvorstands vom 14.08.2009 an den Kläger [Anlage B 3 zum Beklagten-Schriftsatz vom 18.02.2014 ]).
62 
Den somit für die Zeit Januar 2008 bis März 2010 bestehenden Festvergütungsanspruch in Höhe von brutto 731.898,76 EUR hat der Beklagte durch Steuerabführung (am 10.03.2014) i.H.v. 361.688,18 EUR, durch Verrechnung des verbleibenden Nettoanspruchs mit einem eigenen Rückzahlungsanspruch i.H.v. 21.586,12 EUR sowie Hinterlegung (am 27.02.2014) des Restbetrages von 348.624,46 EUR erfüllt.
63 
2.) Auch eine weitergehende Nebenforderung hat der Kläger nicht.
64 
Ein Verzugsschadensanspruch, der im Fall von Geldschulden als Mindestschaden auf - wie hier ausschließlich geltend gemacht - Zinsen gerichtet ist, ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB (i.V.m. § 62 Satz 2 LVwVfG). Eine Mahnung war gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Auch ein Verschulden des Beklagten (§ 286 Abs. 4 BGB) lag vor, da er auf die Wirksamkeit der ersten Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen erkennbarer Verfahrensmängel (fehlendes Einvernehmen der Medizinischen Fakultät) nicht schutzwürdig vertrauen durfte (zur besonderen Verschuldensprüfung bei einer Kündigung vgl. BAG, Urt. v. 14.05.1998 - 8 AZR 634/96 -, Rnr. 17, juris). Die Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB können aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung verlangt werden (BAG, Beschl. v. 07.03.2001, a.a.O.).
65 
Die Anspruchsberechnung, die der Beklagte auch betreffend die Verzugszinsen vorgenommen und als Anlage B 23 zum Schriftsatz vom 16.06.2014 (GAS. 597) vorgelegt hat, ist sachlich und rechnerisch zutreffend. Dass er dabei - anders als die wohl herrschende Meinung (vgl. BSG, Urt. v. 08.09.2009 - B 1 KR 8/09 R -, juris, Rn. 31; Palandt/Heinrichs, a.a.O, § 246 Rnr. 9; Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 246 BGB, Rnr. 37) - das Jahr mit 360 und den Monat mit 30 Tagen angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden, da diese Berechnung sogar etwas günstiger für den Kläger gewesen ist. Aus dem Vergütungsanspruch, der dem Kläger bis einschließlich 31.03.2010 noch zustand (siehe dazu oben 1. b.), ergab sich bis zum 27.05.2014 eine Zinsforderung in Höhe von 172.966,70 EUR, die der Beklagte durch die Hinterlegungen am 27.02.2014 (90.475,36 EUR) und am 27.05.2014 (83.372,54 EUR) erfüllt hat.
66 
Die vom Kläger gegen diese Zinsberechnung geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Dass für die Jahre 2008 bis 2010 auf der Grundlage der diese jeweils betreffenden endgültigen Abrechnungsergebnisse die ursprünglich mit 25.000,-- EUR vereinbarten (und in dieser Höhe vom Beklagten bei der Zinsberechnung unverändert zugrunde gelegten) Abschläge gemäß § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages angepasst und höher angesetzt worden wären - mit der Folge einer Erhöhung des Verzugszinsschadens - kann nicht angenommen werden. Eine automatische Anpassungspflicht des Beklagten sah § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages mit der Bestimmung, wonach Abrechnungen und „ggf. Neufestlegung der Abschlagszahlungen“ jeweils bis Ende Juni des Folgejahres erfolgten, gerade nicht vor. Daher spricht Überwiegendes dafür, dass eine Abschlagsanpassung jeweils einer speziellen Parteivereinbarung bedurft hätte, an der es hier aber fehlte.
67 
Wendet man auf diesen Fall die Grundsätze der Schadensschätzung an, ergibt sich nichts zugunsten des Klägers. Gemäß (§ 173 VwGO i.V.m.) § 287 Abs. 2 ZPO ist § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO (geringeres Beweismaß für den Schadensnachweis) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. So liegt die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO dann nahe, wenn - wie hier - die Höhe des Anspruchs von fiktiven Entwicklungen abhängt (BeckOK ZPO/Bacher, § 287 Rnrn. 11 sowie 17 und 18 m.w.N. [Stand: 01.03.2015]). Gewisse Mindestanforderungen an die Angabe tatsächlicher Momente, die als Grundlage der Schätzung dienen können, sind allerdings zu verlangen. Die Parteien müssen sich in zumutbarem Umfang um eine genaue Substantiierung bemühen (MüKoZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 287 Rnr. 28 m.w.N.). Von wesentlichem Parteivorbringen darf sich die Schätzung nicht lösen, für sie müssen zumindest greifbare Tatsachen sprechen (Musielak ZPO/Foerste, 12. Aufl. 2015, § 287 Rnr. 9 m.w.N.). Der substantiierte Vortrag des Beklagten, wonach eine (vom Kläger geforderte) exakte Anpassung der Abschlagszahlung nie praktiziert worden ist, und ferner gewisse Anpassungen nur bei mehrjährigen deutlichen Abweichungen in Betracht kämen, spricht gegen eine Schätzung zugunsten des Klägers. Auch die konkreten Differenzbeträge zwischen Abschlägen und endgültig berechneter Vergütung schließlich sind entgegen der Auffassung des Klägers noch kein ausreichendes Indiz für eine Anpassung. Für das Jahr 2008 betrug die dem Kläger zustehende Jahresvergütung 309.190,07 EUR (50% des Nettoliquidationserlöses von 618.380,13 EUR) und hätte (hypothetische) Abschlagszahlungen i.H.v. (12 x 25.000,-- EUR =) 300.000,-- EUR lediglich um etwas mehr als 9.000,-- EUR überstiegen. Die Abweichungen für 2009 von (Vergütung 416.009,49 EUR abzüglich 300.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 116.000,-- EUR und für das erste Quartal 2010 von (Vergütung 102.669,10 EUR abzüglich 75.000,-- EUR hypothetischer Abschlag =) rund 25.000,-- EUR sind zwar höher, ohne dass allerdings zur Überzeugung der Kammer schon von einer deutlichen mehrjährigen Abweichung gesprochen werden kann.
68 
Wollte man schließlich das in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Dienstvertrags an sich ausdrücklich nur im Kontext des „Ob“ einer Prämie geregelte Bestimmungsrecht - etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - auch für die Neufestlegung von Abschlagszahlungen für maßgebend erachten, gälte auch hier § 315 BGB. Die Entscheidung des Beklagten, Abschläge nicht anzupassen, wäre dann aber aus den zuvor im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO genannten Gründen nicht zu beanstanden.
69 
II. Der im Wege der Stufenklage verfolgte Auskunftsanspruch betreffend „die Nettoliquidationserlöse des Zentrallabors des Beklagten im Zusammenhang mit Laborleistungen für das Herzzentrum xxx“ besteht nicht, so dass auch diese Klage unbegründet ist. Einen Vergütungs- oder Schadensersatzanspruch aus der Kooperation des Beklagten und dem Herzzentrum xxx hat der Kläger nicht, weshalb schon deshalb ein Auskunftsanspruch zu verneinen ist. Da schon die Prüfung der Auskunftsstufe ergibt, dass dem Hauptanspruch (= Leistungsanspruch) die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, kann im Urteil eine einheitliche Entscheidung ergehen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 28.11.2001 - VIII ZR 37/01 -, Rnr. 20, juris; Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rnr. 9). Ein jeweiliges Teilurteil über die bezifferte Zahlungsklage und die noch unbezifferte Stufenklage (vgl. zu einem solchen Fall: BGH, Urt. v. 25.09.2002 - XII ZR 55/00 -, Rnr. 14, juris; Urt. v. 26.04.1989 - IVb ZR 48/88 -, Rnr. 9, juris) kam daher nicht in Betracht.
70 
§ 8 Abs. 1 des Dienstvertrages beteiligte als Gegenleistung für die Erfüllung seiner in § 6 geregelten Dienstaufgaben den Kläger am Nettoliquidationserlös, den der Beklagte „in der vom Ärztlichen Direktor geleiteten Abteilung“ aus wahlärztlichen ambulanten Behandlungen und wahlärztlichen stationären Untersuchungen (ausgenommen die Erbringung individueller Gesundheitsleistungen) einnimmt. Schon dieser Wortlaut lässt es nicht zu, im Labor des Herzzentrums - also einer bis 31.03.2012 völlig eigenständigen Einrichtung - durchgeführte Untersuchungen als erfasst anzusehen. Wie die Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen haben, sind Untersuchungen, die aus dem Herzzentrum xxx stammen, am Zentrallabor der Universitätsklinik zu keinem Zeitpunkt durchgeführt worden. Das Herzzentrum xxx besitze ein eigenes Labor, das die dort erhobenen Proben selbst untersuche.
71 
Einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus vereitelter Übernahme der Leitung des Labors des Herzzentrums kann die Kammer schließlich ebenfalls nicht erkennen. Der Kooperationsvertrag vom 18.06.2006 räumte allenfalls dem Beklagten, nicht aber dem jeweiligen Leiter von dessen Abteilung Klinische Chemie einen Rechtsanspruch ein. Dagegen, dass der Kläger zum 01.010.2008 die Leitung des Labors im Herzzentrum übernommen hätte, spricht der gegen ihn bestehende Straftatverdacht. Dieser war trotz Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 nach dem oben unter I.1.a.) Dargelegten auch im Oktober 2008 hinreichend und nicht ausgeräumt. Der Übertragung einer zusätzlichen Leitungsposition hätte er aller Voraussicht nach entgegengestanden. Selbst für den Fall einer solchen aber hätte der Kläger keinen Vergütungsanspruch gehabt. Denn zu seinen Dienstaufgaben hätte gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 4 des Dienstvertrages eine solche Aufgabenübernahme in zumutbarem Umfang gehört und wäre folglich durch die Vergütungsregelung in § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages abgegolten gewesen. Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, war auch in einem weiteren, ähnlichen Chefarztvertrag mit der Ärztlichen Direktorin der Klinik für Strahlenheilkunde keine zusätzliche Vergütung für deren zusätzliche Leitung eines Medizinischen Versorgungszentrums vorgesehen gewesen. Dass schließlich der Nachfolger des Klägers und Kommissarische Leiter der Abteilung Klinische Chemie, Prof. Dr. X., für die Leitung des Labors im Herzzentrum bis Sommer 2012 eine monatliche Vergütung („von wenigen Tausend EUR“, vgl. Seite 24 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 979]) erhielt, steht dem nicht entgegen, da mit ihm bis dahin kein Chefarztvertrag wie mit dem Kläger bestand. Aufgrund der insgesamt monatlich geringen Vergütung („im einstelligen Tausend-Euro-Bereich“, vgl. Seite 3 des Beklagten-Schriftsatzes vom 30.03.2015 [GAS. 937]), die Prof. Dr. X. für die Leitung der Abteilung Klinische Chemie zustand, lag es in diesem Fall anders als im Fall des Klägers eher nahe, die Übernahme dieser weiteren Aufgabe zusätzlich zu vergüten.
72 
D. Die einheitliche Entscheidung über die Kosten folgt für den übereinstimmend erledigten Teil aus § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, insoweit dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil er nachgegeben hat. Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO und geht zulasten des Klägers, da er die weitergehend von ihm begehrten Beträge sowie eine Auskunft nicht erhält. Die Kammer hat die Kostenquote aus dem Obsiegen und Unterliegen der Hauptbeteiligten bezogen auf den Streitwert (vgl. dazu näher den Streitwertbeschluss unten) gebildet (Gesamtstreitwert: 1.213.802,97 EUR: Kläger gewinnt i.H.v. 710.312,64 EUR, Beklagter gewinnt i.H.v. 503.490,33 EUR) gebildet. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, so dass es mangels Kostentragungsrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
73 
Die Kostenentscheidung ist, soweit sie auf § 161 Abs. 2 VwGO beruht, gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.081998 - 4 B 75.98 - juris; Urt. v. 03.11.2011 - 7 C 3/11 -, Rnr. 32, juris). Da die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt (§§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), gilt im Übrigen folgende
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert für das Verfahren wird
76 
auf 1.213.802,97 EUR
77 
festgesetzt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 31. August 2011 - 3 Sa 29/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

2

Die Beklagte betreibt Tankstellen. Der Kläger war bei ihr seit Juli 2003 als Bezirksleiter für den Vertrieb im Außendienst beschäftigt.

3

Im August 2010 entstand bei der Beklagten der Verdacht, der Kläger könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Am 20. August und 30. September 2010 hörte sie den Kläger zu den aus ihrer Sicht verdachtsbegründenden Umständen an. Er bestritt die Vorwürfe.

4

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus. Gegen sie erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage. Am 14. Januar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Auch dagegen erhob der Kläger - in einem eigenständigen Verfahren - Klage.

5

Am 28. Juli 2011 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten weitere Unregelmäßigkeiten fest. Im November 2009 hatte eine Baugesellschaft der Beklagten für ein Bauvorhaben an einer Tankstelle 8.929,52 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren ua. die Lieferung und das Verlegen von Terrassenplatten (terracotta, 40 x 40 für 80,64 m²) mit 2.056,32 Euro ausgewiesen. Aus den beigefügten Bautagesberichten, Gesprächsnotizen, Lieferangeboten, Aufträgen, Aufmaßskizzen und Lieferscheinen für das Bauvorhaben war ersichtlich, dass entsprechende Leistungen nicht auf einem Tankstellengelände der Beklagten, sondern auf dem Wohngrundstück des Klägers ausgeführt worden waren. Mit Schriftsatz vom 22. August 2011 hat die Beklagte diese tatsächlichen Erkenntnisse ohne erneute Anhörung des Klägers in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

6

Der Kläger hat bestritten, dass er auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten in seiner Grundstücksauffahrt habe verlegen lassen. Die abgerechneten Leistungen der Baugesellschaft ständen in keiner Verbindung zu seiner Wohnanschrift. Dies ergebe sich aus den Mengenangaben und dem Gesamtarbeitsaufwand. Im Übrigen hat der Kläger gemeint, weil sie ihn dazu zuvor nicht angehört habe, vermöge die Beklagte die Kündigung auf diesen Vorwurf ohnehin nicht zu stützen.

7

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich betrügerisch zu ihren Lasten bereichert. Er habe auf seinem Privatgrundstück Baumaßnahmen ausführen lassen, die als Umbau einer Tankstelle deklariert worden seien. Den auf diesen tatsächlichen Umständen beruhenden Kündigungsgrund habe sie nachträglich in den Rechtsstreit einführen können, ohne dass sie den Kläger zuvor habe anhören müssen.

9

Das Arbeitsgericht hat der vorliegenden Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011, der Klage gegen die Kündigung vom 14. Januar 2011 mit Urteil vom 17. März 2011 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat über die Berufungen der Beklagten in getrennten Verfahren am selben Tag verhandelt. Nach Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren hat es beschlossen, eine Entscheidung am Ende der Sitzung zu verkünden. In der sich anschließenden Verhandlung im Verfahren über die Kündigung vom 14. Januar 2011 hat es darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser um eine unzulässige Wiederholungskündigung handeln dürfte. Die Beklagte hat daraufhin die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011 zurückgenommen. Der Kläger hat der Rücknahme ausdrücklich zugestimmt.

10

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Er bringt vor, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 stehe schon die durch die Berufungsrücknahme eingetretene Rechtskraft der Entscheidung vom 17. März 2011 entgegen. Diese enthalte mittelbar die Feststellung, dass bei Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten noch bestanden habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Das Landesarbeitsgericht war trotz der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 nicht gehindert, die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu überprüfen (I.). Seine Annahme, die nachgeschobenen Kündigungsgründe trügen diese Kündigung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (II.).

12

I. Die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011, derzufolge die Kündigung vom 14. Januar 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, steht der Annahme nicht entgegen, das Arbeitsverhältnis sei schon durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 beendet worden.

13

1. Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11- Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13).

14

2. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gegenstand der Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt, dh. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens oder Zugangs der Kündigung einer Entscheidung entzogen werden kann (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Eine solche Einschränkung des Streitgegenstands und Umfangs der Rechtskraft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die sich aus dem Antrag und der Entscheidung selbst ergeben müssen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, für die Bestimmung des Streitgegenstands und des Umfangs der Rechtskraft Umstände heranzuziehen, die schon mit der Entscheidungsfindung zusammenhängen. So kann für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Gegenstand der Klage gegen eine später wirkende Kündigung der Umstand sprechen, dass dieselbe Kammer des (Landes-)Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entscheidet. In einem solchen Fall wollen regelmäßig weder der Kläger noch das Gericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Zugang der späteren Kündigung zum Gegenstand des über deren Wirksamkeit geführten Rechtsstreits machen (vgl. BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe).

15

3. Im Streitfall kann dahinstehen, wie weit die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 reicht. Die Parteien haben mit der Zurücknahme der Berufung durch die Beklagte und der Annahme dieser Erklärung durch den Kläger nicht nur ihren Rechtsstreit mit der Folge beendet, dass die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14. Januar 2011 feststeht. Ihre Prozesserklärungen haben vielmehr zugleich einen materiellrechtlichen Inhalt. Der Kläger soll aus der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Kündigung vom 14. Januar 2011 keine Rechte herleiten können, die einer inhaltlich eigenständigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 entgegenstünden. Das ergibt die Auslegung der beiderseitigen Erklärungen (§§ 133, 157 BGB).

16

a) Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft unterliegen zwar nicht der Disposition der Parteien (vgl. BGH 28. Januar 1987 - IVb ZR 12/86 - zu 2 a der Gründe; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 152 Rn. 17; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 212; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 58). Die Parteien können diese Wirkungen aber durch Vereinbarungen beeinflussen. Bei solchen Abreden handelt es sich nicht um unzulässige „Eingriffe“ in die Rechtskraft, sondern um zulässige, ggf. nachträgliche Regelungen ihrer materiellen Folgen, die der Verfügung der Parteien unterliegen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO Rn. 18; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 325 Rn. 43a).

17

b) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungsrücknahme zum Ausdruck gebracht, sie sei bereit, die Unwirksamkeit der zweiten Kündigung hinzunehmen. Sie hat damit aus Sicht eines objektiven Empfängers - für den Kläger ohne Weiteres erkennbar - nicht zugleich erklärt, sie wolle auch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 anerkennen. Damit hätte sie dem nach wie vor anhängigen Rechtsstreit über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 die Grundlage entzogen. Dies war ersichtlich nicht gewollt. Beide Parteien erwarteten insoweit vielmehr eine Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts. In den Prozesserklärungen der Parteien liegt danach die materiellrechtliche Abrede, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses allein von der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 abhängig machen zu wollen. Der Kläger kann sich bereits aus diesem Grund nicht darauf berufen, es stehe rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis noch im Januar 2011 bestanden habe.

18

II. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu Recht als wirksam angesehen.

19

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

20

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16).

21

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei unter Berücksichtigung des im zweitinstanzlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Kündigungsgrundes einer schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die erstinstanzlich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe trügen die Kündigung vom 5. Oktober 2010 nicht. Es bestehe aber der - die Kündigung rechtfertigende - dringende Verdacht, der Kläger habe auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten an seine Privatanschrift liefern und dort verlegen lassen.

24

b) Das Landesarbeitsgericht durfte die entsprechenden, von der Beklagten in zweiter Instanz in das Verfahren eingeführten Indiztatsachen seiner Würdigung zugrunde legen.

25

aa) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21; 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 86, 88).

26

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf die von der Beklagten nachgetragenen, den Verdacht auf einen eigenständigen Vertragsverstoß begründenden Tatsachen abstellen.

27

(1) Die Verlegung der Terrassenplatten auf dem Grundstück des Klägers war der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung bereits in Rechnung gestellt und von ihr beglichen worden. Dies wurde ihr jedoch erst im Juli 2011 bekannt.

28

(2) Es bedurfte für die Beachtlichkeit des Vorbringens keiner neuerlichen Anhörung des Klägers.

29

(a) Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 1067/06 - Rn. 34).

30

(b) Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der - erneuten - Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht (noch offengelassen in BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 5 der Gründe, BAGE 81, 27; wie hier: KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216; aA Höland Anm. AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25; Moll/Schulte MAH Arbeitsrecht 3. Aufl. § 44 Rn. 110; Ittmann ArbR 2011, 6; wohl auch Hoefs Die Verdachtskündigung S. 215). Das ergibt sich aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses.

31

(aa) Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155). Ist aber - wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen - die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann (KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216).

32

(bb) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat analog § 102 Abs. 1 BetrVG zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 86, 88; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 49, 39). Die Anhörung des Betriebsrats dient - anders als die Anhörung des Arbeitnehmers - nicht (nur) der Aufklärung des Sachverhalts. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken (vgl. BAG 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - aaO). Das lässt sich bezogen auf nachgeschobene Gründe nur erreichen, wenn diese dem - anders als der Arbeitnehmer am Rechtsstreit nicht beteiligten - Betriebsrat vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden. Zwar kann auch der Betriebsrat die schon erfolgte Kündigung als solche nicht mehr verhindern. Er kann aber nur so seine - den Arbeitnehmer uU entlastende - Sicht der Dinge zu Gehör bringen.

33

(3) § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 86, 88).

34

c) Die Würdigung des Kündigungssachverhalts durch das Berufungsgericht ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30). Einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dieser Art hat der Kläger nicht aufgezeigt. Das Landesarbeitsgericht hat aus dem Umstand, dass hinsichtlich der von der Baugesellschaft gelieferten Materialien der Lieferort, die Flächen, die Art der Pflasterung und Bauskizzen mit der Auffahrt des Klägers übereinstimmten, widerspruchsfrei gefolgert, es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe sich auf Kosten der Beklagten rechtswidrig bereichert. Es hat nachvollziehbar angenommen, jedenfalls ein Teil der den Bautagesberichten zu entnehmenden Arbeitsstunden habe sich auf das Bauprojekt auf dem Grundstück des Klägers bezogen. Der Kläger ist den tatsächlichen Grundlagen dieses Verdachts nicht substanziiert entgegengetreten. Seinem Vortrag lässt sich auch nicht etwa entnehmen, er habe die auf seinem Grundstück ausgeführten Arbeiten selbst bezahlt.

35

d) Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

36

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

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2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

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3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

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II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

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1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

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2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

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(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Juni 2010 - 1 Ca 2998/09 - zurückgewiesen hat.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.

3

In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.

4

Der Umgang mit Geld war für alle Märkte in sog. Kassenanweisungen geregelt. Deren Erhalt hatte die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt. Nach den zuletzt gültigen Regelungen war es Kassenmitarbeitern untersagt, Bargeld in der Dienstkleidung oder im Schubfach des Kassentischs aufzubewahren, Geld aus der Kasse zu entnehmen oder es sich leihweise selbst oder anderen zur Verfügung zu stellen. Geld durfte weder zwischen den Kassenkräften untereinander gewechselt noch nach Geschäftsschluss in den Schubfächern der Kassen aufbewahrt werden. Die Herausgabe zusätzlichen Wechselgelds hatte durch die Marktleitung zu erfolgen. Geldwechselgeschäfte mit Kunden waren untersagt. Geld, das von Kunden liegengelassen wurde, war unmittelbar der Marktleitung auszuhändigen; anschließend sollte es im Büro/Tresor deponiert werden. Im August 2009 erließ die Beklagte zusätzlich eine „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“. Danach sollten „Kassierdifferenzen“ täglich dem Geschäftsleiter gemeldet werden. „Fundgeld“ sollte einmal monatlich „in die 99-er Kasse eingezahlt“, „Klüngelgeld“ einmal pro Woche „auf WGR 700“ gebucht werden.

5

Im Getränkemarkt war seit jeher eine Videokamera installiert. Darüber waren die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Die Kamera ermöglichte die Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge. Die eigentlichen Kassiervorgänge wurden nicht erfasst.

6

Zur Mitte des Jahres 2009 stellte die Beklagte anlässlich einer Revision fest, dass in der ersten Jahreshälfte Leergutdifferenzen iHv. mehr als 7.000,00 Euro aufgetreten waren. Nachdem Kontrollen des Lagerbestands und des Warenausgangs keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete sie deren Ursache im Kassenbereich. Sie ging von der Möglichkeit aus, dass dort ohne Entgegennahme von Leergut „falsche“ Bons gedruckt und entsprechende Gelder der Kasse entnommen würden. Am 7. Juli 2009 vereinbarte sie mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats für die Dauer von vier Wochen die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs. Sie beauftragte eine Fachfirma, die in der Zeit vom 13. Juli bis 3. August 2009 die Kassenvorgänge mittels Videokamera aufzeichnete. Die der Firma gleichfalls übertragene Auswertung der Aufzeichnungen einschließlich der Erstellung eines Zusammenschnitts und einer Dokumentation war am 3. September 2009 abgeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16. Juli 2009 gegen 8:45 Uhr, am 22. Juli 2009 gegen 16:13 Uhr und am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

7

Am 14. August 2009 hatte die Beklagte der Klägerin wegen eines Verhaltens vom 11. Juli 2009 eine Abmahnung erteilt. An diesem Tag hatte die Klägerin nach Dienstschluss Wechselgeld iHv. 300,00 Euro mit nach Hause genommen, statt es weisungsgemäß im Kassenbüro abzugeben. Die Klägerin hatte sich in einem noch am selben Abend geführten Telefonat auf ein Versehen berufen und das Geld am 12. Juli 2009 bei der Beklagten abgeliefert.

8

Noch am 3. September 2009 führte die Beklagte im Getränkemarkt eine Kontrolle des Kassenbereichs durch; der dort vorgefundene Plastikbehälter enthielt Münzen im Wert von 12,35 Euro. Am 4. September 2009 hörte sie die Klägerin zur Existenz dieser sog. Klüngelgeld-Kasse an und konfrontierte sie mit dem Vorwurf, hieraus Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. September 2009 bat sie den Betriebsrat um Stellungnahme zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Mit Schreiben vom 11. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010“.

9

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. „Klüngelgeld-Kassen“ existierten in sämtlichen Bereichen des Einkaufsmarkts. Sie dienten dazu, Wechselgeld aufzubewahren, das Kunden partout nicht hätten mitnehmen wollen. Sie selbst habe Geld, das sie dieser Kasse entnommen habe, dafür verwendet - wie in vergleichbaren Fällen andere Kassenkräfte auch -, morgens einen Einkaufswagen auszulösen, um damit zugleich mehrere im Getränkemarkt benötigte Kasseneinsätze zu transportieren. Teilweise habe sie dafür zunächst ein eigenes Geldstück benutzt und dies später über die „Klüngelgeld-Kasse“ ausgeglichen. Teilweise sei Kleingeld aus dieser Kasse gegen Geld im Kasseneinsatz getauscht worden, um nicht noch kurz vor Kassenschluss eine neue Wechselgeldrolle öffnen zu müssen. Ihr Verhalten rechtfertige keine Kündigung. Die Zusammenschnitte der Videoaufnahmen, die ohnehin einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, böten keinen tauglichen Beweis dafür, dass sie sich Geld aus der fraglichen Kasse rechtswidrig zugeeignet habe. Überdies sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Die Klägerin hat Lohnforderungen für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2010 erhoben.

10

Sie hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.506,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diversen Teilbeträgen seit unterschiedlichen Zeitpunkten zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein über 275,00 Euro auszustellen und auszuhändigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe ihre Vertragspflichten schon durch das unerlaubte Führen einer „schwarzen Kasse“ erheblich verletzt. Darüber hinaus habe sie der fraglichen Kasse Geld in der offenkundigen Absicht entnommen, es für sich zu behalten. Zumindest sei sie einer solchen Tat dringend verdächtig. Die Klägerin habe sich - wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich - vor jeder Geldentnahme vergewissert, dass ihr niemand zusehe. Dessen habe es bei redlichem Vorgehen nicht bedurft. Ihre Einlassung, sie habe Geldstücke für den Transport der Kasseneinsätze benötigt, stelle eine Schutzbehauptung dar. Für entsprechende Zwecke habe ein Einkaufswagen bereitgestanden, der nicht eigens habe ausgelöst werden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Videomaterial nicht, dass die Klägerin mitgeführte Geldstücke je in die „Klüngelgeld-Kasse“ zurückgelegt habe. Die Videoaufzeichnungen seien rechtlich verwertbar. Im Zeitpunkt der Beobachtung habe ein hinreichend eingegrenzter Verdacht dahingehend bestanden, dass Leergutdifferenzen durch Unregelmäßigkeiten im Kassenbereich des Getränkemarkts entstünden. Mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken in Augenschein genommen und die Klage - soweit noch von Interesse - in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt. Zudem hat es die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nebst Zinsen für die Zeit bis zum 31. März 2010 und zur Aushändigung eines Warengutscheins verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung und davon abhängiger Ansprüche weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

13

Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 ist unwirksam. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin richtet, hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden.

15

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

16

2. Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen vgl. nur BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN).

17

3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass gegen die Klägerin ein dringender Verdacht bestand, sich mehrfach Geldstücke aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben, und deshalb „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Im Rahmen seiner Beurteilung, selbst dann sei es der Beklagten bei Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, hat das Landesarbeitsgericht alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zugutegehalten, dass sie durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit über rund 18 Jahre hinweg als Verkäuferin und Kassiererin Loyalität zur Beklagten gezeigt habe. Dies hält sich - auch in Anbetracht der Abmahnung vom 14. August 2009 - im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Die Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, sie habe am 11. Juli 2009 die Ablieferung des Wechselgeldes aufgrund hohen Arbeitsanfalls schlicht vergessen, nicht entgegengetreten. Bei dem gerügten Verhalten handelt es sich mithin um einen - unbewussten - Ordnungsverstoß, der die Annahme, die Klägerin habe sich bis zu den umstrittenen Geldentnahmen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ als vertrauenswürdig erwiesen, nicht, schon gar nicht zwingend infrage zu stellen vermochte.

20

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagten allenfalls ein geringfügiger Schaden entstanden sei. Hat der Arbeitnehmer die Integrität von Eigentum oder Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich verletzt oder ist er einer solchen Tat dringend verdächtig, beeinträchtigt dies zwar die für die Durchführung der Vertragsbeziehung notwendige Vertrauensgrundlage grundsätzlich unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, BAGE 134, 349). Das schließt es aber nicht aus, bei der Gewichtung des Kündigungssachverhalts auf die Höhe eines eingetretenen Schadens Bedacht zu nehmen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184). Die im Berufungsurteil getroffene Interessenabwägung ist - anders als die Beklagte meint - nicht deshalb zu beanstanden, weil sich in der fraglichen Kasse am 4. September 2009 Münzen im Wert von etwas mehr als zwölf Euro befanden. Unbeschadet der Frage, ob bei einem Vermögensnachteil in dieser Höhe eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wäre, ist nicht festgestellt, dass die Klägerin im Verdacht stand, sich Geld in diesem Umfang rechtswidrig zugeeignet oder hierzu doch unmittelbar angesetzt zu haben. Im Übrigen handelte es sich bei dem Umgang mit „Klüngelgeld“ um einen Bereich am Rande der Kassentätigkeit, den die Beklagte ausweislich der im August 2009 erlassenen „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“ offenbar selbst für nicht ausreichend geregelt hielt. Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht geeignet ist, das dem - unterstellten - Verdacht zugrundeliegende Verhalten zu rechtfertigen, durfte das Landesarbeitsgericht ihn zugunsten der Klägerin in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

21

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Heimlichkeit des dem Verdacht zugrundeliegenden - unterstellten - Verhaltens nicht außer Acht gelassen, wie die Beklagte gemeint hat. Es hat in ihr lediglich keinen Umstand gesehen, der im vorliegenden Fall die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist ausgeschlossen hätte. Das hält sich ebenso im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum wie die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Kind.

22

II. Ob das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats aus (1.). Es durfte aber nicht annehmen, die ordentliche Kündigung sei auch materiell-rechtlich als Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie zwar nicht den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB, wohl aber denen des § 1 Abs. 2 KSchG genüge. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das, wäre es erwiesen, nicht auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - trotz des Verdachts - nicht unzumutbar(2.). Da das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung bereits als Verdachtskündigung für wirksam gehalten hat, hat es nicht geprüft, ob eine ordentliche Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten berechtigt wäre. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei darf es den Inhalt der Videoaufzeichnungen nicht berücksichtigen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig (3.).

23

1. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlerhaft angewandt, ist unbegründet.

24

a) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“(BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN).

25

b) Danach ist die Anhörung inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.

26

aa) Die Beklagte hat den Betriebsrat am 8. September 2009 schriftlich von ihrer Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen des „Verdachts einer Untreue und Unterschlagung“ hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Sie hat ihm dabei die Sozialdaten der Klägerin und die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist mitgeteilt. Außerdem hat sie den Anlass, den Zeitraum und das Ergebnis der Videoüberwachung dargestellt. Selbst wenn sich einzelne Angaben als unzutreffend herausgestellt haben sollten - etwa weil die für den 24. Juli 2009 mitgeteilte Geldentnahme tatsächlich nicht die Klägerin, sondern eine Kollegin betrifft und weder die „Speisung“ der Kasse noch die Geldentnahme vom 22. Juli 2009 in Zusammenhang mit der Entgegennahme von Leergut gestanden haben mögen - genügt die Anhörung den gesetzlichen Anforderungen. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine bewusst unrichtige oder irreführende Unterrichtung des Betriebsrats vor. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten oder fehlerhaften Deutung von Äußerungen der Klägerin im Anhörungsgespräch vom 4. September 2009, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich. Entscheidend ist, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Maßgebend für den Kündigungsentschluss der Beklagten war, dass die Klägerin entgegen eindeutigen Vorgaben Geld, das entweder ihr - der Beklagten - oder ihren Kunden zustand, in einem Plastikbehälter neben der Kasse im Getränkemarkt aufbewahrte, und der damit in Zusammenhang stehende Verdacht, aus diesem Behälter gelegentlich Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Darauf, ob die Klägerin dies zweimal oder dreimal tat, kam es der Beklagten nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob die Geldentnahme in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedienung eines Kunden stand.

27

bb) Die Beklagte brauchte den Betriebsrat nicht darüber zu unterrichten, dass die Überwachung mittels Videokamera - wie die Klägerin gemeint hat - unrechtmäßig war. Davon ging sie subjektiv nicht aus. Soweit die Klägerin nähere Angaben zur Interessenabwägung vermisst, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die Anhörung zu ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen, impliziert die von der Beklagten zu ihren - der Klägerin - Lasten getroffene Abwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung nicht erforderlich. Die Klägerin übersieht, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess(vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19 mwN).

28

cc) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat der Betriebsrat am 10. September 2009 erklärt, er habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen. Das Landesarbeitsgericht hat darin fehlerfrei eine abschließende Stellungnahme erblickt, die es der Beklagten betriebsverfassungsrechtlich ermöglichte, die ordentliche Kündigung am 11. September 2009 zu erklären.

29

2. Dagegen trägt die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 auch materiell-rechtlich für wirksam angesehen hat, seine Würdigung nicht.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin komme zwar nicht als Verursacherin der Leergutdifferenzen in Betracht. Sie stehe aber im dringenden Verdacht, sich fremdes Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben. Am 16. Juli und am 22. Juli 2009 habe sie einzelne daraus entnommene Geldstücke in ihre Hosentasche gesteckt. Durch die in Augenschein genommenen Videosequenzen sei bewiesen, dass sie sich bei diesen Handlungen jeweils „versichernd“ in mehrere Richtungen umgesehen habe. Damit habe sie sicherstellen wollen, nicht beobachtet zu werden. Das heimliche Vorgehen spreche für eine Zueignungsabsicht. Zugleich widerlege es ihre Einlassung, die Geldstücke für das Auslösen eines Einkaufswagens benötigt zu haben. Erhärtet werde der Verdacht auf eine Zueignungsabsicht dadurch, dass die Klägerin am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr der fraglichen Kasse mehrere Geldstücke entnommen und gegen Geld aus der Scannerkasse „getauscht“ habe. Überdies sei die Höhe des am 3. September 2009 in dem fraglichen Behälter vorgefundenen Geldbetrags nicht mit dem nur gelegentlichen Auslösen eines Einkaufswagens zu erklären. Gestützt auf diese tatsächlichen Umstände ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, die Kündigung vom 11. September 2009 sei „durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt“. Das Vertrauen der Beklagten in die Zuverlässigkeit der Klägerin sei „durch die erwiesenen Verdachtsmomente“ irreparabel erschüttert. Die ordentliche Kündigung sei deshalb als gegenüber der außerordentlichen Kündigung milderes Mittel sozial gerechtfertigt.

31

b) Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. September 2009 erkennbar als die einer Verdachtskündigung bejaht. Als solche genügt sie den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht. Zwar kann eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber auch als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erklärt werden und muss nicht notwendig eine außerordentliche Kündigung sein. Sie unterliegt in diesem Fall jedoch keinen geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.

32

aa) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein (vorausgesetzt in BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 42; Bader/Bram-Bram KSchG § 1 Rn. 251). Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“.

33

bb) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf.

34

cc) Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.

35

c) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB angenommen, dass das Verhalten, dessen die Klägerin verdächtig ist, eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermöchte. Diese Würdigung hält, wie dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Damit steht zugleich fest, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.

36

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 zwar nicht als Verdachts-, aber doch als sog. Tatkündigung wirksam wäre. Als solche ist sie nicht schon auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin sozial gerechtfertigt. Um dies auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es an Feststellungen und deren Würdigung durch das Landesarbeitsgericht. Diese sind nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beklagte auf eine erwiesene Pflichtverletzung als Kündigungsgrund prozessual nicht berufen hat und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter diesem Aspekt überdies § 102 Abs. 1 BetrVG entgegenstünde.

37

a) Das Vorbringen der Klägerin selbst trägt die Kündigung nicht. Die Klägerin hat sich für die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ auf eine in verschiedenen Abteilungen des Betriebs geübte Praxis und überdies darauf berufen, diese sei der Beklagten - zumindest rudimentär - bekannt gewesen. Trifft dies zu, liegt in dem Vorhalten der fraglichen Kasse für sich genommen kein Verhalten, das die Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung rechtfertigen könnte. Dass die Klägerin, wie sie einräumt, dieser Kasse gelegentlich einzelne Geldstücke entnommen und außerdem darin enthaltene Münzen gegen im Kasseneinsatz befindliche Geldstücke gewechselt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass sie Geldstücke an sich genommen habe, um sich diese rechtswidrig zuzueignen, hat die Klägerin stets in Abrede gestellt.

38

b) Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Auch wenn die Beklagte neben dem Führen der „Klüngelgeld-Kasse“ als solchem nur den Verdacht auf die rechtswidrige Zueignung von Geldstücken als Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt hat, ist das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, aufgrund der objektiven Verdachtsumstände ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, der Verdacht habe sich in der Weise bestätigt, dass die fragliche Pflichtwidrigkeit nachgewiesen sei.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht würde auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigen, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, BAGE 131, 155). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 26, BAGE 137, 54; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, BAGE 134, 349).

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich insoweit ersichtlich weder eine positive noch eine negative Überzeugung gebildet, weil es schon den Verdacht auf eine Zueignungsabsicht der Klägerin als Grund für die ordentliche Kündigung hat ausreichen lassen. Die Beklagte darf nach Aufhebung des für sie günstigen Berufungsurteils nicht um die prozessuale Chance gebracht werden, dass das Landesarbeitsgericht auf der Basis der Rechtsauffassung des Senats die mögliche Erwiesenheit einer Pflichtwidrigkeit der Klägerin geprüft und dabei eine für sie - die Beklagte - günstige Überzeugung gewonnen hätte.

41

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat von der Beklagten nur zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer Wirksamkeit der Kündigung wegen eines nachgewiesenen Pflichtenverstoßes nicht notwendig entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des fraglichen Geschehens als erwiesene Tat setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat am 8. September 2009 sämtliche Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur - möglichen - Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Tatvorwurf begründen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, BAGE 134, 349; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 131, 155). In diesem Fall wäre dem Normzweck des § 102 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat würde dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, aaO; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 217).

42

d) Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

43

aa) Allerdings kennt die Zivilprozessordnung selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30 mwN). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindert, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

44

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

45

cc) Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

46

(1) In diesem Sinne regelt § 6b BDSG die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329, S. 38). Unerheblich ist, ob das Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 36). Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Überwachung nur zulässig, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

47

(2) Gemäß dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

48

dd) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kassen des Getränkemarkts vom übrigen Verkaufsraum abgegrenzt waren und die verdeckte Videoüberwachung deshalb keinen „öffentlichen Raum“ iSd. § 6b BDSG betraf(zur Problematik Simitis/Scholz BDSG 7. Aufl. § 6b Rn. 51; Bayreuther NZA 2005, 1038). Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob § 32 BDSG auf Überwachungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten bereits beendet waren, und wie der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu dem des § 6b BDSG abzugrenzen ist(dazu ErfK/Franzen 13. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2; Simitis/Scholz aaO; Bayreuther DB 2012, 2222). Schließlich kann dahinstehen, ob Videoaufzeichnungen, die nicht von den Erlaubnistatbeständen des BDSG gedeckt sind, ohne Weiteres einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen oder ob es für ein solches Verbot einer weitergehenden Abwägung der betroffenen Grundrechte bedarf, in die freilich die im Bundesdatenschutzgesetz getroffene Interessenabwägung einzubeziehen wäre (dazu Bayreuther DB 2012, 2222, 2225; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 349; Lunk NZA 2009, 457; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Die Verwertung des verdeckt gewonnenen Videomaterials allein für den Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich bei der - als solcher unstreitigen - Entnahme von „Klüngelgeld“ „versichernd umgeschaut“, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

49

(1) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36 mwN).

50

(2) Dementsprechend sind Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 - beide Male vor Inkrafttreten des § 32 BDSG ). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO).

51

(3) Das in § 6b Abs. 2 BDSG normierte Kennzeichnungsgebot steht einer Verwertung von Daten, die aus einer verdeckten Videoüberwachung gewonnen wurden, nicht zwingend entgegen(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Das gegenteilige Normverständnis, das zu einem absoluten, nur durch bereichsspezifische Spezialregelungen (etwa durch § 100c, § 100h StPO)eingeschränkten Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen führte, begegnete mit Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers verfassungsrechtlichen Bedenken.

52

(4) Die Regelung des § 32 BDSG baut auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie diese nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist, und verlangt insoweit eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten abwägende Einzelfallentscheidung. Diese muss zumindest den schon bisher geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung entsprechen (Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235).

53

(5) Es kann dahinstehen, ob § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG weitergehend verlangt, dass sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten richtet und deshalb auch der Verdacht auf schwere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde, die Beobachtung nicht rechtfertigen könnte. Ebenso kann offenbleiben, ob die Regelung zusätzliche Anforderungen an die personelle Konkretisierung des Verdachts sowie dessen Dokumentation stellt (zweifelnd Bauer/Schansker NJW 2012, 3537, 3539; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Hier fehlt es schon an der Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung und der Verwertung des daraus gewonnenen Materials. Damit liegt auch ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand nicht vor.

54

(a) Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, für die verdeckte Beobachtung des Kassenbereichs habe ein hinreichender Anlass bestanden. Zwar ist - mangels zulässiger Verfahrensrügen der Revision - davon auszugehen, dass im ersten Halbjahr 2009 im Getränkemarkt Leergutdifferenzen iHv. insgesamt 7.081,63 Euro zu verzeichnen waren. Es ist weder dargetan noch festgestellt, durch welche konkreten Maßnahmen die Beklagte ausgeschlossen haben will, dass Leergut nicht etwa aus dem Lager entwendet worden ist. Ihr Vorbringen, sie habe „keine Fehlbestände an Leergut im Lager und im Kassenbereich festgestellt“ bleibt im Allgemeinen haften. Es lässt nicht erkennen, dass sie stichprobenartige Kontrollen ausreichend oft durchgeführt hätte. Überdies macht ihr Vortrag nicht deutlich, ob vergleichbare Fehlbestände schon früher aufgetreten, ob diese ggf. als „auflaufender Posten“ in die Berechnungen des Jahres 2009 eingeflossen sind und wie Fehlbuchungen als mögliche Ursache ausgeschlossen wurden. Selbst wenn die Beklagte die Ursache der Leergutdifferenzen berechtigterweise im Kassenbereich hätte vermuten dürfen, fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, weshalb die Videoüberwachung das praktisch einzig verbliebene Mittel gewesen sein soll, die Unregelmäßigkeiten aufzuklären oder doch den Verdacht in personeller Hinsicht weiter einzugrenzen. So ist nicht erkennbar, weshalb nicht stichprobenartige Überprüfungen der Menge des an der - einzigen - Leergutkasse abgegebenen Pfandguts und der jeweiligen Kassenabschlüsse zusammen mit Kontrollen der Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes geeignete Maßnahmen hätten sein können.

55

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt im Übrigen nicht ausreichend, dass der fragliche Kündigungssachverhalt der Beklagten nur „zufällig“ bekannt geworden ist. Auf seine Entdeckung war die heimliche Videoüberwachung nicht gerichtet.

56

(aa) Zwar mögen solche „Zufallsfunde“ - unbeschadet der Regelung in § 6b Abs. 3 BDSG - nicht in jedem Fall deshalb unverwertbar sein, weil sie außerhalb des Beobachtungszwecks liegen(vgl. Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Bergwitz NZA 2012, 353, 358). Auch bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ muss aber das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine wenn nicht strafbare, so doch schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, muss die Verwertung des Videomaterials unterbleiben.

57

(bb) So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Klägerin daraus gelegentlich kleinere Geldstücke entnommen hat. Die Beweisaufnahme durch Augenschein sollte allein dem Nachweis dienen, dass sich die Klägerin bei der Geldentnahme „versichernd umgesehen“ hat und deshalb vermutlich Zueignungsabsicht besaß. Das rechtfertigt keine Verwertung der heimlichen Videoaufzeichnungen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Verwertung erforderlich war, um die Einlassung der Klägerin zum Fehlen ihrer Zueignungsabsicht zu widerlegen. Zum anderen ist die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, schlechthin unverhältnismäßig.

58

(cc) Es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer nochmaligen Beweiswürdigung auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Videoaufzeichnungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das fragliche Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ entnommen, um es für sich zu behalten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, für das Auslösen eines Einkaufswagens mit Hilfe von „Klüngelgeld“ habe keinerlei dienstliches Bedürfnis bestanden. Zum Zweck des Transports der Kasseneinsätze sei stets ein frei zugänglicher Wagen bereitgestellt worden.

59

III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die von der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung abhängen. Wegen der der Klägerin für die Zeit bis zum 31. März 2010 zugesprochenen Vergütungsansprüche hat die Entscheidung dagegen Bestand. Die gegen sie gerichtete Anschlussrevision der Beklagten bleibt auch insoweit ohne Erfolg.

60

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden. Der für diese Zeit geltend gemachte Vergütungsanspruch folgt aus § 615 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG iVm. § 11 Nr. 3 KSchG. Er ist der Höhe nach ebenso unstreitig wie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Warengutscheins.

61

2. Der entsprechende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Sowohl der betreffende Antrag der Klägerin als auch der Tenor des Berufungsurteils sind dahin auszulegen, dass - im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruchsübergang - Zinsen nur aus den jeweiligen Bruttobeträgen abzüglich des für den jeweiligen Monat in Anrechnung gebrachten Arbeitslosengelds verlangt bzw. geschuldet sind.

62

IV. Die Zurückverweisung erfasst ferner die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Beide Anträge verfolgt die Klägerin nur für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsbegehren.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Söller    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. November 2009 - 13 Sa 1497/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1978 in die Dienste des beklagten Landes. Er war zuletzt als stellvertretender Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität O beschäftigt und für Haushalt und Finanzen zuständig.

3

Ab 1986 mussten die Benutzer des Computersaals im Rechenzentrum Codekarten verwenden, für die eine Kaution zu hinterlegen war. Die Kautionsgelder kamen in eine Handkasse, die in einem Tresor verwahrt wurde. Aufzeichnungen über Kassenbewegungen wurden im Wesentlichen nicht geführt.

4

Als die Ausgabe der Codekarten im Jahre 1998 beendet wurde, stellten zwei Angestellte des Rechenzentrums einen Kassenbestand von 28.430,00 DM fest. Dieser Betrag reichte zur Erstattung der Kautionen für zurückgegebene Codekarten nur bis zum 24. Juli 2000. Die Kautionen für die danach eingereichten Karten im Umfang von etwa 3.500,00 Euro mussten anderweitig aufgebracht werden.

5

In diesem Zusammenhang entstand der Verdacht, dass die Codekartenkasse einen beträchtlichen Fehlbestand aufweise. Am 26. Juni 2000 stellte die Universität Strafantrag. Bei hausinternen Ermittlungen legte der Kläger am 14. Juli 2000 in einem Gedächtnisprotokoll dar, im Jahre 1996 sei wegen des anwachsenden Bargeldbestands die Möglichkeit erörtert worden, das Geld zugunsten anderer Universitätskassen einzuzahlen und zB im Bereich Hochschulsport zu „parken“. Er habe das mit dem Leiter der Datenverarbeitung besprochen. Noch 1996 habe er zusammen mit einem Angestellten das Geld in der Codekartenhauptkasse gezählt. Dann seien 29.000,00 DM entnommen worden. Der Angestellte habe den Vorgang handschriftlich vermerkt, und er, der Kläger, habe gegengezeichnet. Das entnommene Bargeld sei von einer Mitarbeiterin an den Leiter der Datenverarbeitung zwecks Einzahlung und weiterer Veranlassung gegen Quittung weitergegeben worden. Von dem entnommenen Geld seien letztlich 14.000,00 DM im Etat des Hochschulsports „geparkt“ worden, 15.000,00 DM seien einer Finanzstelle des Rechenzentrums gutgeschrieben worden. Im weiteren Verlauf der internen Nachforschungen bestritten die Mitarbeiterin und der Leiter, Geld zur Weiterleitung bzw. Einzahlung aus der Codekartenkasse erhalten zu haben.

6

Nach Verurteilung des Klägers wegen Unterschlagung durch das Amtsgericht am 16. Mai 2003 hörte das beklagte Land den Personalrat mit Schreiben vom 19. Mai 2003 - bei Verkürzung der Frist zur Stellungnahme auf drei Tage - zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Am 21. Mai 2003 erklärte der Personalrat, er nehme die außerordentliche Kündigung unter Beachtung der Begründung zur Kenntnis. Mit Schreiben vom 23. Mai 2003, das dem Kläger am selben Tage zuging, kündigte das beklagte Land außerordentlich.

7

Der Kläger hat die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das beklagte Land habe die im Gesetz vorgesehene Frist zur Stellungnahme für den Personalrat ohne ausreichende Gründe abgekürzt. Die Stellungnahme sei nicht ordnungsgemäß abgegeben, weil ein Angestelltenvertreter nicht mitunterzeichnet habe. Die Kündigungsvorwürfe hat der Kläger bestritten.

8

Der Kläger hat, soweit noch von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2003 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei wirksam. Die Beteiligung des Personalrats habe dem Gesetz entsprochen. Es bestehe der dringende Verdacht der Unterschlagung von 29.000,00 DM, zumal die Zeugen die Behauptungen des Klägers zum Zählen und „Parken“ der Gelder nicht bestätigt hätten. Dokumente, die ein solches Unterfangen belegen könnten, seien nicht gefunden worden. Insbesondere seien entsprechende Einzahlungen auf Konten der Universität nicht erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hatte die Aussetzung des Rechtsstreits für die Dauer des - letztlich am 11. Dezember 2007 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellten - Strafverfahrens angeordnet. Im Einstellungsbeschluss des Landgerichts O heißt es ua. ein konkreter Fehlbestand habe durch Beweisaufnahme nicht festgestellt werden können und in Anbetracht der geleisteten Rückzahlungen sei die Schuld gering gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Mai 2008 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 23. Mai 2003 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Ob die Wirksamkeit der Kündigung bereits an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats scheitert, kann offen bleiben (A). Die Kündigung ist nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt(B). Der von dem beklagten Land gehegte Verdacht der Unterschlagung ist nicht hinreichend dringend (B II 1). Der vom Landesarbeitsgericht angenommene dringende Verdacht, der Kläger könne das „Parken“ von Geldern vorgetäuscht haben, stellt keinen wichtigen Grund dar (B II 2).

13

A. Ob die Beteiligung des Personalrats an einem Fehler leidet, der die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte, bedarf keiner Entscheidung. Im Streitfall hat das beklagte Land die Frist zur Stellungnahme des Personalrats auf drei Tage abgekürzt, weil ein „dringender Fall“ iSd. § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG vorgelegen habe. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen eines dringenden Falles gegeben waren und das beklagte Land die Frist zurecht abgekürzt hat, kann dahin stehen. Zum einen führen Verfahrensfehler des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung. So ist etwa die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch eine andere als die im Gesetz dafür vorgesehene Person auf Seiten des Arbeitgebers dann unschädlich, wenn der Personalrat diesen Mangel nicht rügt (Senat 26. Oktober 1995 - 2 AZR 743/94 - AP BPersVG § 79 Nr. 8; 13. Juni 1996 - 2 AZR 402/95 - AP LPVG Sachsen-Anhalt § 67 Nr. 1). In gleicher Weise hat das Bundesverwaltungsgericht eine Rüge des Personalrats für den Fall gefordert, dass er die Fristverkürzung nach § 69 Abs. 2 Satz 4 LPVG BW nicht gelten lassen will(BVerwG 15. November 1995 - 6 P 4/94 - zu II 2 der Gründe, ZfPR 1996, 88). Ob auch eine zu Unrecht erfolgte Abkürzung der Frist nach § 76 Abs. 2 Satz 2 NPersVG gerügt werden müsste, kann im Streitfall auf sich beruhen. Zum Anderen nämlich entbehrt die Kündigung bereits in der Sache der Rechtfertigung.

14

B. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam, weil sie nicht durch einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt ist.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt sein. Er muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (vgl. Senat 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27).

17

2. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch der Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf unter dem Gesichtspunkt des Strafrechts geprüft wird - zumal die Aussetzung, wie im Streitfall, zu einer bedenklichen, für die Parteien mit erheblichen wirtschaftlichen Risiken verbundenen Verzögerung des Kündigungsschutzprozesses führen kann.

18

II. Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

19

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass ein dringender Verdacht der Veruntreuung von 29.000,00 DM gegen den Kläger nicht besteht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich unbedenklich. Richtig ist, dass der Kläger nach seiner eigenen Einlassung im Jahre 1996 der Kasse 29.000,00 DM entnommen und in anderen Kassen der Universität „geparkt“ haben will, ohne dass der Verbleib des Geldes geklärt wäre. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch für den Senat bindend festgestellt, dass nach Ausschöpfung des Barbestands in der Kautionskasse im Juli 2000 noch Codekarten im Wert von 3.576,31 € eingetauscht wurden. In dieser Höhe ist ein Defizit nachweisbar. Das Defizit müsste jedoch, wenn der Kläger den Betrag von 29.000,00 DM unterschlagen hätte, wesentlich höher sein. Der Fehlbetrag deckt sich nicht einmal annähernd mit der Geldsumme, die der Kläger „geparkt“ haben will. Auch von irgendeinem anderen Betrag ist nicht erkennbar, dass und wann der Kläger ihn auf die Seite gebracht haben könnte. Dass der Kläger etwa - wenn auch nur zeitweise - alleinigen Zugang zur Barkasse gehabt hätte und bei dieser Gelegenheit der Kasse Geld in annähernder Höhe des entstandenen Defizits entnommen haben könnte, ist nicht einmal angedeutet. Bei dieser Lage bestehen zwar erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger seiner vertraglich übernommenen Verantwortung gerecht geworden ist. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich ein Arbeitnehmer, in dessen Verantwortungsbereich Gelder in vierstelliger Höhe auf ungeklärte Weise verschwinden, berechtigtem Argwohn ausgesetzt sieht. Ein solcher Argwohn kann jedoch nicht die objektiven Indizien ersetzen, auf die sich ein dringender Verdacht stützen können müsste, wenn er einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden soll.

20

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der gegen den Kläger bestehende dringende Verdacht, er habe das „Parken“ des Betrages von 29.000,00 DM vorgetäuscht, rechtfertige als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB die außerordentliche Kündigung, ist nicht berechtigt. Richtig ist, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, er habe im Jahre 1996 im Zusammenwirken mit zwei Arbeitnehmern der Kasse 29.000,00 DM entnommen und ihre Weiterleitung an andere Kassen veranlasst, von den betreffenden Arbeitnehmern nicht bestätigt worden ist. Es mag ebenfalls zutreffen, dass der Verdacht, der Kläger habe diesen Umgang mit dem in seinem Zuständigkeitsbereich zu verwaltenden Geld nur vorgetäuscht, dringend war. In diesem Vortäuschen läge auch - wenn es denn stattgefunden hat - die Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Der Kläger war für Haushalt und Finanzen zuständig. Dass er in dieser Funktion seinem Arbeitgeber über den Verbleib von Geldern in seinem Verantwortungsbereich jederzeit wahrheitsgemäß Rechenschaft abzulegen hat, steht außer Zweifel. Diese Pflicht bestand auch dann, wenn er glaubte, durch eine falsche Erklärung die aus seiner Sicht offenbar naheliegende, gleichwohl falsche Vermutung entkräften zu können, ihm sei nachlässiger Umgang mit Kautionsgeldern vorzuwerfen oder er habe gar Unterschleife zu verantworten. Indes wäre ein Verstoß gegen diese Pflicht - und damit erst recht der Verdacht eines solchen Verstoßes - nicht geeignet, das Vertrauen des beklagten Landes in die zukünftige Vertragstreue derart zu erschüttern, dass es durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können. Wenn der Kläger seine Vorgesetzten in die Irre führte, dann kann er es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getan haben, um einen vorsätzlichen Angriff auf das Vermögen des Arbeitgebers zu verschleiern, sondern um den Peinlichkeiten der Entdeckung unachtsamer Dienstausübung zu entgehen. Deren Bemäntelung kann regelmäßig keine schärfere Reaktion als sie selbst rechtfertigen.

21

C. Gem. § 97 Abs. 1 ZPO fallen die Kosten des Revisionsverfahrens dem beklagten Land zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände und nur dann zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine Straftat nach § 89a oder § 89c Absatz 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs oder nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches oder eine der in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten begangen zu haben, ist eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem auf Grund von Tatsachen anzunehmen ist, daß sich der Beschuldigte in ihm aufhält.

(2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 gelten nicht für Räume, in denen der Beschuldigte ergriffen worden ist oder die er während der Verfolgung betreten hat.

(1) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Durchsuchungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 ordnet der Richter an; die Staatsanwaltschaft ist hierzu befugt, wenn Gefahr im Verzug ist.

(2) Wenn eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ohne Beisein des Richters oder des Staatsanwalts stattfindet, so sind, wenn möglich, ein Gemeindebeamter oder zwei Mitglieder der Gemeinde, in deren Bezirk die Durchsuchung erfolgt, zuzuziehen. Die als Gemeindemitglieder zugezogenen Personen dürfen nicht Polizeibeamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sein.

(3) Wird eine Durchsuchung in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Einrichtung oder Anlage der Bundeswehr erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Bundeswehr um ihre Durchführung ersucht. Die ersuchende Stelle ist zur Mitwirkung berechtigt. Des Ersuchens bedarf es nicht, wenn die Durchsuchung von Räumen vorzunehmen ist, die ausschließlich von anderen Personen als Soldaten bewohnt werden.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Jeder Zeuge ist einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen.

(2) Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenübergestellt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines Unternehmens

1.
einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, oder
2.
ohne Einwilligung des Unternehmens einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen eine Handlung vornehme oder unterlasse und dadurch seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletze.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat,

1.
bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder,
2.
soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 260/08
vom
14. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________
1. Die für eine Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB erforderliche (angestrebte
) Unrechtsvereinbarung setzt voraus, dass der Vorteilsgeber mit dem
Ziel handelt, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu
nehmen und/oder seine vergangene Dienstausübung zu honorieren, wobei
eine solche dienstliche Tätigkeit nach seinen Vorstellungen nicht - noch nicht
einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein muss.
2. Ob in diesem Sinne eine Unrechtsvereinbarung vorliegt, ist Tatfrage und unterliegt
der wertenden Beurteilung des Tatgerichts, die regelmäßig im Wege
einer Ge-samtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat.
3. In die Würdigung fließen als mögliche Indizien neben der Plausibilität einer
anderen Zielsetzung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die
Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben (dienstliche
Be-rührungspunkte), die Vorgehensweise bei dem Angebot, dem Versprechen
oder dem Gewähren von Vorteilen (Heimlichkeit oder Transparenz) sowie
die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile.
BGH, Urt. vom 14. Oktober 2008 - 1 StR 260/08 - LG Karlsruhe
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsgewährung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt und
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 28. November 2007 wird verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen freigesprochen. Der hiergegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt der Erfolg versagt.

I.

2
1. Das Landgericht hat - für den Senat bindend - festgestellt:
3
Der Angeklagte war Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energie Baden-Württemberg AG (fortan: EnBW). Bereits vor Aufnahme seiner Tätigkeit hatte die EnBW im Februar 2002 von der Fédération Internationale de Football Association (fortan: FIFA) Sponsoren- bzw. Werberechte für die im Jahre 2006 in Deutschland stattfindende Fußballweltmeisterschaft erworben. Die EnBW war Hauptsponsor der FIFA-WM 2006 und der einzige nationale Sponsor aus Baden-Württemberg. Im Rahmen von gemeinsamen Initiativen von Staat und Wirtschaft, an denen auch die Bundesregierung beteiligt war, entwickelte sich eine enge Kooperation der EnBW vor allem mit dem Land Baden-Württemberg. Bei Gesprächen mit dem Referat "Landesmarketing" des Staatsministeriums wurde vereinbart, die jeweiligen Einladungslisten für die Fußballweltmeisterschaft miteinander abzugleichen, um Doppeleinladungen zu vermeiden.
4
Die Marketingabteilung der EnBW entwickelte ein Sponsoringkonzept. Hierzu gehörte ein Konzept zur Verteilung der ca. 14.000 Eintrittskarten, die der EnBW zur Verfügung standen. Dieses Einladungskonzept sah unter anderem vor, "einen kleinen Teil der Karten für Repräsentanten aus Wirtschaft, Gesellschaft , Kultur, Wissenschaft und Politik zu verwenden, um den Eingeladenen die Gelegenheit zu geben, ihre entsprechenden Institutionen zu präsentieren und repräsentieren, und zugleich durch das öffentliche Erscheinen angesehener und bekannter Persönlichkeiten die Rolle der EnBW als Hauptsponsor der Fußballweltmeisterschaft werbewirksam hervorzuheben" (UA S. 11). Geplant war, jedenfalls die hochrangigen Vertreter der Politik "zunächst" nicht in der Loge der EnBW, sondern "in erster Linie" im FIFA-Ehrenbereich unterzubringen, für den der EnBW ebenfalls Eintrittskarten zustanden. Zudem war vorgesehen, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung BadenWürttemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen.
5
Am 20. Dezember 2005 unterzeichnete der Angeklagte als Vorstandsvorsitzender in Anwesenheit seiner persönlichen Referentin und zweier Sekretärinnen ca. 700 Weihnachtsgrußkarten. Adressaten waren Personen, deren Daten in der bei EnBW gepflegten VIP-Datei des Angeklagten gespeichert waren. "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollari- sche Wertigkeit des Kontakts, nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Auf den vorformulierten Grußkarten fügte der Angeklagte handschriftlich den jeweiligen Namen mit Anrede sowie seine Unterschrift ein, in einigen Fällen auch einige persönliche Worte. Bei etwa der Hälfte der Karten machten die drei Mitarbeiterinnen einen Vorschlag für ein Präsent, mit dem der Adressat bedacht werden sollte. Der Vorschlag erfolgte auf der Grundlage einer Präsentliste, welche die Mitarbeiterinnen gemeinsam mit der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erstellt hatten. Unter den Präsenten befanden sich mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehene Gutscheine für Logenplätze bei einem Fußballweltmeisterschaftsspiel in Stuttgart oder Berlin. Eine Versendung der Eintrittskarten selbst war aufgrund der vom Veranstalter festgelegten Bedingungen noch nicht möglich. Die Gutscheine waren - so das Landgericht - "personengebunden und nicht übertragbar" (UA S. 13, 15); vorgesehen war, dass die Koordinierung und Abwicklung der Kartenvergabe über die Leiterin der Protokollabteilung der EnBW erfolgen sollte. Der Angeklagte stimmte dem aufgrund der Präsentliste gemachten Vorschlag der Mitarbeiterinnen in allen Fällen zu.
6
Auf die beschriebene Art und Weise ließ der Angeklagte an 36 Personen mit den Weihnachtsgrußkarten WM-Gutscheine versenden, unter anderem - in den sieben verfahrensgegenständlichen Fällen - an den Ministerpräsidenten und fünf Minister des Landes Baden-Württemberg (für jeweils zwei Eintrittskarten ) sowie an den beamteten Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit M. (für eine Eintrittskarte). Fünf Gutscheine waren für den Spielort Stuttgart, zwei Gutscheine für den Spielort Berlin ausgestellt. Wie das Urteil im Einzelnen ausführt, waren die Landesminister und ihre Ministerien im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit mit Angelegenheiten befasst , die für die Geschäftspolitik und den wirtschaftlichen Erfolg der EnBW oder den Angeklagten persönlich von erheblicher Bedeutung waren; Gleiches galt für das Bundesumweltministerium. Diese "Beziehungen" waren dem Angeklagten - wenn auch nicht im Detail - bekannt. Die Grußkarte an die Landesumweltministerin G. war mit dem handschriftlichen Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" versehen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte diese Worte niederschrieb, wusste er allerdings - nach den Feststellungen des Landgerichts - noch nicht, ob der Umweltministerin ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war.
7
Der Angeklagte handelte im Bewusstsein des - insofern noch offenen - Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW, wobei ihm als Vorstandsvorsitzenden ein Gestaltungsspielraum zukam. Ihm war bekannt, dass die sieben verfahrensgegenständlichen Empfänger zu dem Personenkreis einzuladender hochrangiger Repräsentanten zählten.
8
Nachdem in der Presse über die Versendung der Gutscheine berichtet worden war und die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Mitte Februar 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet hatte, lehnte der badenwürttembergische Ministerpräsident mit Schreiben vom 2. März 2006 die Einladungen namens der Regierungsmitglieder ab. Obwohl dies im Sponsoringkonzept vorgesehen war, kam es ebenso wenig - auf Anraten des Verteidigers des Angeklagten - zur Einladung der anderen Regierungsmitglieder durch die EnBW wie zum Abgleich der Einladungslisten zwischen dieser und dem Land. Gleichfalls am 2. März 2006 zog Staatssekretär M. seine zunächst erteilte Zusage zurück.
9
Sämtliche Mitglieder der Landesregierung hatten anderweitig freien Zugang mit Begleitung jedenfalls zu allen WM-Spielen in Stuttgart. Zur Verfügung standen ihnen Plätze sowohl in der Loge, die sich das Land mit dem Unternehmen Daimler-Chrysler teilte, als auch im FIFA-Ehrenbereich.
10
Bereits am 31. Mai 2005 hatten die Minister des Landes Baden-Württemberg im Ministerrat einen Beschluss zur Annahme von Geschenken durch Regierungsmitglieder gefasst. Unter Nr. 4 war Folgendes festgehalten worden: "Ehrenkarten für Veranstaltungen, deren Besuch zu den Repräsentationspflichten eines Regierungsmitglieds gehört, sind nicht als Geschenke zu bewerten und unterfallen daher nicht der Genehmigungspflicht."
11
2. Das Landgericht hat den Angeklagten "aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen" freigesprochen.
12
Aus rechtlichen Gründen ist der Freispruch erfolgt, weil das Landgericht die Eintrittskarten nicht als Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB gewertet hat. Was die sechs Taten zugunsten der Mitglieder der Landesregierung betrifft, so hat es darüber hinaus den zuvor im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen, die als Rechtfertigungsgrund zur Straflosigkeit führe. Auf tatsächlichen Gründen beruht der Freispruch dagegen insoweit, als sich das Landgericht nicht von einer "für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche(n) Unrechtsvereinbarung" hat überzeugen können (UA S. 51).

II.

13
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vorgebrachten Gründen nicht durch.
14
2. Der Freispruch von den Vorwürfen der Vorteilsgewährung in sieben Fällen hält sachlich-rechtlicher Überprüfung - noch - stand.
15
Die Strafkammer ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, es fehle schon an einem - vom Angeklagten angebotenen oder versprochenen - Vorteil im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB (nachfolgend a). Rechtsfehlerhaft ist das Urteil auch insoweit, als sie den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat (unten b). Soweit die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dem Angeklagten sei eine "Unrechtsvereinbarung" nicht nachzuweisen gewesen, ist dies dagegen im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (unten c).
16
a) Die Eintrittskarten für Fußballweltmeisterschaftsspiele in Stuttgart und Berlin, die der Angeklagte nach den Feststellungen sechs Mitgliedern der Landesregierung und dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium anbot oder versprach, stellen Vorteile im Sinne von § 333 Abs. 1 StGB dar.
17
Unter einem Vorteil ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. nur BGHSt 47, 295, 304; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310). Besser gestellt wird der Amtsträger vor allem durch materielle Zuwendungen jeder Art. Hierzu zählen auch Eintrittskarten für regulär entgeltpflichtige Veranstaltungen, da solche Karten einen Vermögenswert haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 62).
18
aa) Dass die vom Angeklagten bedachten Mitglieder der Landesregierung nach den Feststellungen ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen Weltmeisterschaftsspielen in Stuttgart hatten (UA S. 41), hat auf die Bewertung der für diesen Spielort vorgesehenen Eintrittskarten als Vorteil keinen Einfluss. Insoweit gilt: Wird dem Amtsträger oder Dritten ein geldwerter Vorteil angeboten, versprochen oder gewährt, so ist es von vornherein unbeachtlich , wenn der Begünstigte einen vergleichbaren Vorteil auch auf eine andere Art und Weise erlangen kann. Auf derartige hypothetische Erwägungen kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 2001, 907, 908). Sie können allenfalls für die subjektive Wertschätzung durch den Begünstigten und damit für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung von Bedeutung sein. Identisch waren die Vorteile, die der Angeklagte anbot oder versprach, und diejenigen, die den Mitgliedern der Landesregierung ohnehin zustanden, hier nicht. Denn es handelte sich in jedem der Fälle um zweierlei Eintrittskarten für verschiedene Zuschauerplätze. Insbesondere was die "EnBW-Loge" einerseits und "Landesloge" andererseits betrifft, liegt dies auf der Hand, zumal der Aufenthalt in der "EnBW-Loge" die Bewirtung vorsah, während entsprechende Feststellungen für die "Landesloge" nicht getroffen sind.
19
All dies gilt entsprechend in Bezug auf den Staatssekretär M. . Auf seine - rein hypothetischen - Angaben als Zeuge, er hätte "Karten zu WM-Spielen bekommen, wenn er sich in seiner Eigenschaft als Staatssekretär darum bemüht hätte" (UA S. 42), kommt es erst recht nicht an.
20
bb) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Kammer, es sei schon deswegen kein Vorteil gegeben, weil die Eintrittskarten den Begünstigten lediglich die Ausübung der dienstlichen Aufgabe ermöglichen sollten, das Land bzw. den Bund in der Öffentlichkeit zu repräsentieren (UA S. 50).
21
Zwar hat die Kammer die Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben zu Recht zu den Dienstpflichten von Regierungsmitgliedern, auch von Staatssekretären gezählt (vgl. UA S. 35 f.). Dies nimmt den in Aussicht gestellten Eintrittskarten jedoch nicht den Vorteilscharakter. Auf die im Schrifttum teilweise vertretene Meinung, ein Vorteil ergebe sich nicht schon daraus, dass dem Amtsträger lediglich die zur Dienstausübung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt würden (so etwa Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 12; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 331 Rdn. 5, jew. unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken NStZ 1982, 204: kostenloses Benzin an Polizeibeamten für Ermittlungen in der Freizeit; a.A. etwa Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 331 Rdn. 28 und Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94, denen zufolge dies ausschließlich im Rahmen der sog. Unrechtsvereinbarung zu berücksichtigen ist), kommt es dabei nicht an. Ob für den Vorteilsbegriff in § 333 Abs. 1 StGB überhaupt eine derartige Ausnahme zu machen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn hier sollten die Eintrittskarten für die Mitglieder der Landesregierung und ihre Begleitpersonen sowie für den Staatssekretär M. nicht nur einen solchen dienstlichen Nutzen haben. Die beabsichtigten geldwerten Zuwendungen dienten vielmehr gerade der Befriedigung persönlicher Interessen, die mit dem unmittelbaren Erleben eines Weltmeisterschaftsspiels im Stadion verbunden sind. Dies sah auch der Angeklagte so, aus dessen Sicht es "Sinn der Präsentversendung (war), zu Weihnachten eine Freude zu machen, mit den Gutscheinen insbesondere die Vorfreude auf die Fußball-WM … zu wecken" (UA S. 23).
22
b) Soweit die Strafkammer den am 31. Mai 2005 im Ministerrat gefassten Beschluss als eine Genehmigung im Sinne von § 333 Abs. 3 StGB angesehen hat, tragen die insoweit unzureichenden Feststellungen die rechtliche Wertung nicht:
23
Es liegt schon nicht fern, dass mit dem in dem Beschluss verwendeten Begriff "Ehrenkarten" nur solche Karten gemeint sind, die von dem Veranstalter selbst - für seine "Ehrengäste" - zur Verfügung gestellt werden. Ferner könnte die nur auszugsweise wiedergegebene Regelung dahin zu verstehen sein, dass auf die dienstrechtliche Nichtgenehmigungsbedürftigkeit bestimmter als strafrechtlich unbedenklich angesehener Vorteile - hier "Ehrenkarten" - hingewiesen wird (vgl. dazu Korte aaO Rdn. 168); hierfür spricht der Wortlaut der Regelung ("unterfallen … nicht der Genehmigungspflicht" anstatt "werden generell genehmigt" ). Dann wäre die Vorfrage der Strafbarkeit losgelöst von dieser Regelung zu beurteilen. Im Übrigen versteht sich auch nicht von selbst, dass die Re- gelung besagt, die bedachten Regierungsmitglieder dürften solche "Ehrenkarten" in jedem Fall - unabhängig von den konkreten protokollarischen Pflichten - zudem für eine Begleitperson annehmen.
24
c) Die Auffassung des Landgerichts, "eine für die Tatbestandserfüllung (nach § 333 Abs. 1 StGB) erforderliche Unrechtsvereinbarung (sei) nicht nachzuweisen" , hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung stand. Dass das Landgericht sich nicht von der notwendigen inhaltlichen Verknüpfung zwischen dem angebotenen oder versprochenen Vorteil und der Dienstausübung zu überzeugen vermocht hat, also davon, dass der Angeklagte - so der Wortlaut des § 333 Abs. 1 StGB - jeweils den Vorteil "für die Dienstausübung" anbot oder versprach , ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
25
aa) Für die Frage, wie der Gesetzeswortlaut insoweit auszulegen ist, gibt die Gesetzgebungsgeschichte wichtige Hinweise. Das am 20. August 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 (BGBl I 2038) hat zwar die Anforderungen an die Unrechtsvereinbarung, die Kernstück aller Bestechungsdelikte ist, für die Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB ebenso wie für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB herabgesetzt , aber nicht aufgegeben:
26
Nach seiner alten Fassung hatte der Tatbestand der Vorteilsgewährung vorausgesetzt, dass der Vorteil "Gegenleistung dafür (sein soll), daß er (der Amtsträger) eine in seinem Ermessen stehende Diensthandlung künftig vornehme" ; dementsprechend war Bezugspunkt der Unrechtsvereinbarung die einzelne - zumindest ihrem sachlichen Gehalt nach grob umrissene (vgl. BGH NStZ 1999, 561 m.w.N.) - Diensthandlung. Nunmehr genügt es, wenn ein Vorteil "für die (vergangene oder künftige) Dienstausübung" im Allgemeinen angeboten , versprochen oder gewährt wird. http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NJW&B=2003&S=763&I=765 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=48&S=44 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=BGHSt&B=49&S=275&I=281 - 13 -
27
Die Neufassung der Tatbestände der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung führt dazu, dass der Anwendungsbereich dieser Strafnormen nun auch in größerem Umfang eröffnet ist, wenn Amtsträger höherer Ebenen mit breit gefächerten Entscheidungsspielräumen betroffen sind (vgl. BTDrucks. 16/4333 S. 2; Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 99). Zuvor galt: Je weiter sich der Aufgabenbereich des Amtsträgers darstellte, umso schwieriger war die Zuordnung des Vorteils zu einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Diensthandlung (vgl. BGH NStZ 1999, 561). Anliegen der Erweiterung der Tatbestände war gerade auch, Beweisschwierigkeiten zu beseitigen, die mit dem Erfordernis der Bestimmbarkeit der Diensthandlung verbunden waren. Ferner sollte die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung auf von den Vorschriften in der bisherigen Fassung nicht erfasste Fälle (vgl. BGHSt 47, 295, 307; BGH NJW 2003, 763, 765 m.w.N. [insoweit in BGHSt 48, 44 nicht abgedr.
]) erstreckt werden, in denen durch einen Vorteil nur das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers erkauft (vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15) bzw. "allgemeine Klimapflege" betrieben wird (BGHSt 49, 275, 281; BGH NStZ 2008, 216, 217; NStZ-RR 2007, 309, 310).
28
Andererseits hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der §§ 331, 333 StGB prinzipiell an dem Erfordernis einer (angestrebten) Unrechtsvereinbarung bewusst festgehalten. Für die Auslegung der Tatbestände ist von Bedeutung, dass der weiter reichende Vorschlag im Bundesratsentwurf eines Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 18. Dezember 1995 (BTDrucks. 13/3353) nicht Gesetz wurde (vgl. BRDrucks. 483/97). Dieser hatte - beruhend auf einem Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 24. Mai 1995 (BRDrucks. 298/95) - vorgesehen , auf die Unrechtsvereinbarung gleichsam zu verzichten und die Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme und -gewährung davon abhängig zu machen, dass dem Amtsträger ein Vorteil "im Zusammenhang mit seinem Amt" zugewendet werden soll. Auch dies sollte gewährleisten, dass Handlungen - wie etwa das sog. "Anfüttern" - erfasst werden, die dazu dienen, das generelle Wohlwollen und die Geneigtheit des Amtsträgers zu sichern (vgl. BRDrucks. 298/95 S. 9; BTDrucks. 13/3353 S. 11). Ein die Strafbarkeit begründender Zusammenhang mit dem Amt sollte immer dann gegeben sein, "wenn die zuwendende Person sich davon leiten lässt, daß der Beamte ein bestimmtes Amt bekleidet oder bekleidet hat" (BTDrucks. aaO). Die Bundesregierung und der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hatten gegen den Entwurf – neben Abgrenzungsschwierigkeiten – eingewandt, dass durch die vorgesehene Erweiterung der Tatbestände "ein breites Spektrum nicht strafwürdiger Handlungen grundsätzlich in die Strafbarkeit einbezogen würde" (BTDrucks. 13/6424 S. 13; 13/8079 S. 15). Dementsprechend hat die Bundesregierung in jüngerer Zeit nochmals klargestellt, dass "auch nach der heute gültigen Fassung der §§ 331 und 333 StGB feststehen (müsse), dass der Vorteil überhaupt für dienstliche Handlungen angenommen oder gewährt" worden sei (BTDrucks. 16/4333 S. 5 f.).
29
bb) Vor diesem Hintergrund sind für den Tatbestand der Vorteilsgewährung nach § 333 Abs. 1 StGB an die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung folgende Anforderungen zu stellen:
30
Zwischen dem Vorteil und der Dienstausübung muss ein "Gegenseitigkeitsverhältnis" in dem Sinne bestehen, dass der Vorteil nach dem (angestrebten ) ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung hat (vgl. BGH NJW 2005, 3011, 3012 m.w.N.). Dies erfordert, dass Ziel der Vorteilszuwendung ist, auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 309, 310 f.) und/oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren (ähnlich Fischer, StGB 55. Aufl. § 331 Rdn. 23). In diesem allgemeinen Sinne muss der Vorteil somit nach wie vor Gegenleistungscharakter haben (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner Dölling, Gutachten für den 61. Deutschen Juristentag [1996] C 64 f., an dessen Vorschlag die Neufassung der §§ 331, 333 StGB angeknüpft hat [vgl. BTDrucks. 13/8079 S. 15]). Unter Dienstausübung ist dabei grundsätzlich jede dienstliche Tätigkeit zu verstehen. Diese muss nach den Vorstellungen der Beteiligten nicht - noch nicht einmal in groben Umrissen - konkretisiert sein; daher genügt es, wenn der Wille des Vorteilsgebers auf ein generelles Wohlwollen bezogen auf künftige Fachentscheidungen gerichtet ist, das bei Gelegenheit aktiviert werden kann.
31
Ob der Vorteilsgeber ein solches von § 333 Abs. 1 StGB pönalisiertes oder ein anderes Ziel verfolgt, ist Tatfrage. Die Grenzbestimmung hat in wertender Beurteilung zu erfolgen, die mit oftmals schwierigen Beweisfragen einhergeht. Pauschale Bewertungen in Anlehnung an Begrifflichkeiten wie "allgemeine Klimapflege" oder "Anfüttern" verbieten sich dabei (vgl. Korte aaO Rdn. 100; ferner Dölling ZStW 112 [2000] 334, 344 mit differenzierenden Erwägungen zur korruptiven Erscheinungsform des "Anfütterns"). Vielmehr ist die Abgrenzung nach den fallbezogenen Umständen - insbesondere der gesamten Interessenlage der Beteiligten - vorzunehmen.
32
Als mögliche Indizien für oder gegen das Ziel, mit dem Vorteil auf die künftige Dienstausübung Einfluss zu nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren, fließen neben der Plausibilität einer anderen - behaupteten oder sonst in Betracht kommenden - Zielsetzung in die wertende Beurteilung namentlich ein: die Stellung des Amtsträgers und die Beziehung des Vorteilsgebers zu dessen dienstlichen Aufgaben, die Vorgehensweise bei dem Angebot , dem Versprechen oder dem Gewähren von Vorteilen sowie die Art, der Wert und die Zahl solcher Vorteile. So können etwa dienstliche Berührungspunkte zwischen Vorteilsgeber und Amtsträger ebenso in Ausschlag gebender Weise für eine Unrechtsvereinbarung sprechen, wie die Heimlichkeit des Vorgehens (BGH NStZ 2008, 216, 218; NStZ-RR 2007, 309, 310 f.; im Hinblick auf dienstliche Berührungspunkte im Ergebnis auch BGH NStZ 2005, 334, 335; zur Heimlichkeit vgl. ferner BGHSt 48, 44, 51). Vorzunehmen ist jedoch regelmäßig eine Gesamtschau aller Indizien (vgl. BGH NStZ 2008 aaO; NStZ-RR aaO 311).
33
Das bedeutet auch, dass die Strafbestimmung der Vorteilsgewährung nicht schon dadurch unanwendbar wird, dass eine (angestrebte) Unrechtsvereinbarung in sozialadäquate Handlungen - wie die Durchführung eines für sich gesehen in strafrechtlicher Hinsicht gänzlich unverdächtigen Sponsoringkonzepts - eingebunden wird. Auch in diesem Fall ist maßgeblich, wie sich das Vorgehen aufgrund der gesamten Umstände, unter denen es geschieht, darstellt.
34
Der Senat ist sich bewusst, dass das Merkmal der Unrechtsvereinbarung nach der hier vorgenommenen Auslegung im Randbereich kaum trennscharfe Konturen aufweist; dies kann zu Beweisschwierigkeiten führen und räumt dem Tatrichter eine beträchtliche Entscheidungsmacht ein. Diese Auslegung trägt jedoch dem Willen des Gesetzgebers Rechnung. In ihr spiegelt sich der Kompromisscharakter der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 reformierten Regelung wider, die über die alte Rechtslage hinausgeht , aber hinter dem weitergehenden Vorschlag des Bundesrats zurückbleibt, die Strafbarkeit allein an die Amtsbezogenheit der Vorteilszuwendung zu knüpfen (siehe oben aa). Inwieweit ein derartiger Vorschlag in Verbindung mit einer weitgehenden, Transparenz gewährleistenden Anzeige- oder Genehmigungslösung (vgl. den Vorschlag von T. Schäfer/Liesching ZRP 2008, 173, 175 f.) sachgerechter gewesen wäre, hat der Senat indessen nicht zu entscheiden.
35
cc) Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
36
Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen. Zwar ist die Formulierung, eine Unrechtsvereinbarung sei nicht nach- zuweisen gewesen, missverständlich. § 333 Abs. 1 StGB setzt nämlich in der Tathandlungsvariante des Anbietens nicht voraus, dass es tatsächlich zu einer "Unrechtsvereinbarung" kommt; vielmehr reicht aus, dass das Angebot auf eine solche Übereinkunft gerichtet ist (vgl. BGH NStZ 2000, 439 f.; 2008, 33, 34; entsprechend für die Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB in der Tathandlungsalternative des Forderns eines Vorteils BGH NStZ 2006, 628, 629). Dass das Landgericht dies nicht verkannt hat, geht jedoch aus dem Urteil - trotz der missverständlichen Formulierung - eindeutig hervor. Denn die Beweiswürdigung befasst sich namentlich damit, welches Ziel der Angeklagte mit der Gutscheinversendung verfolgte.
37
Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, die Feststellung der (angestrebten ) Unrechtsvereinbarung setze den Nachweis voraus, dass "die Zuwendung der Gutscheine ihren Grund gerade in der Dienstausübung hatte bzw. die Dienstausübung als Gegenleistung (mit-)bestimmender Beweggrund" für die Zuwendung war. Dabei hat es zu Recht angenommen, dass unter Dienstausübung in diesem Zusammenhang allein die Fachentscheidungen der bedachten Amtsträger zu verstehen sind. Dagegen genügt es insoweit nicht, dass der Angeklagte Einfluss auf die dienstliche Aufgabe der Repräsentation nehmen wollte , da der Vorteil hierfür keinen Gegenleistungscharakter hat, sondern nur Mittel zur Erfüllung dieser Aufgabe sein sollte (vgl. Korte in MüKo-StGB § 331 Rdn. 94; ferner BGH NStZ-RR 2003, 171, 172).
38
Bei der "einzelfallbezogene(n) Betrachtung" hat das Landgericht "nach einer Gesamtschau sämtlicher Umstände die … Möglichkeit nicht ausgeschlossen …, dass die Zuwendung einen (sachlich gerechtfertigten) anderen Beweggrund als den der Beeinflussung der Dienstausübung hat". Einen solchen anderen Beweggrund hat das Landgericht darin gesehen, dass, indem den Empfängern der Gutscheine die Gelegenheit zur Repräsentation bei der Fußballwelt- meisterschaft gegeben werden sollte, ihr Erscheinen "zu Werbezwecken genutzt" werden sollte, um die Veranstaltung aufzuwerten und die Rolle der EnBW als Sponsor der Veranstaltung hervorzuheben (UA S. 52). Davon, dass der Angeklagte das Ziel verfolgte, die Empfänger - "gewissermaßen unter dem 'Deckmantel' Sponsoring/Repräsentation" - geneigt zu machen, bei der Dienstausübung zugunsten der EnBW zu handeln, hat sich das Landgericht hingegen nicht zu überzeugen vermocht.
39
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den relevanten Indizien auseinandergesetzt und bei seiner Entscheidung insbesondere folgende Umstände berücksichtigt: – Zwischen den sieben Gutscheinempfängern - allesamt Personen mit weit reichenden Entscheidungskompetenzen - und der EnBW bestanden dienstliche Berührungspunkte. Das Landgericht hat aber auch festgestellt, dass der Angeklagte die Auswahl der Empfänger nicht gezielt nach diesem Kriterium vornahm : "Entscheidend für die Aufnahme (einer Person) in die VIP-Datei war die persönliche Bekanntschaft zum Vorstandsvorsitzenden sowie die protokollarische Wertigkeit des Kontakts , nicht aber eine eventuelle dienstliche Relation zum Unternehmen" (UA S. 13). Der Indizwert der dienstlichen Berührungspunkte wird zudem dadurch stark relativiert, dass der Angeklagte - so die Feststellungen des Landgerichts - im Bewusstsein des insofern noch offenen Sponsoring- und Einladungskonzepts der EnBW handelte (UA S. 42 f.). Das Konzept sah, wie der Angeklagte wusste, vor, sämtliche Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung Baden-Württemberg einschließlich der Staatssekretäre einzuladen (UA S. 12, 35). Der Angeklagte handelte demnach - revisionsrechtlich nicht angreifbar - in der Vorstellung, dass die nicht mit den Weihnachtsgrußkarten bedachten Regierungsmitglieder später noch Eintrittskarten erhalten würden. Dass das Einladungskonzept nachher nicht weiter verfolgt wurde, war durch die Einlei- tung des Ermittlungsverfahrens Mitte Februar 2006 veranlasst, der entsprechende Presseberichte vorausgegangen waren (UA S. 24). – Hinsichtlich der Vorgehensweise hat das Landgericht im Fall der an die baden-württembergische Umweltministerin G. versandten Weihnachtsgrußkarte gesehen, dass der handschriftliche Zusatz "Vielen Dank für die stets exzellente Zusammenarbeit" Indizwert für eine angestrebte Unrechtsvereinbarung haben könnte. Diesbezüglich hat das Landgericht freilich insbesondere - für den Senat bindend - festgestellt, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, zu dem er diese Worte niederschrieb , noch nicht wusste, ob der Umweltministerin überhaupt ein Präsent und gegebenenfalls welches ihr zugedacht war (UA S. 28, 38 f., 47). – Im Übrigen war die Vorgehensweise des Angeklagten nach der Wertung des Landgerichts nicht durch Verschleierung bzw. Heimlichkeit geprägt: Die Gutscheine wurden an die dienstlichen Adressen der Empfänger versandt (UA S. 44) und waren mit dem offiziellen WM-Sponsorenlogo der EnBW versehen (UA S. 13). Die Einladungen wären im Rahmen des geplanten Abgleichs der Einladungslisten zwischen der EnBW und dem Land Baden-Württemberg offen zu legen gewesen; nicht zuletzt hätte das öffentliche Auftreten der Empfänger als Gast des WM-Sponsors EnBW insoweit "Transparenz" bewirkt (UA S. 44). – Zur Beschaffenheit der Vorteile hat das Landgericht zum einen festgestellt, dass die Gutscheine "personengebunden und nicht übertragbar" waren (UA S. 13, 15). Zum anderen war, jedenfalls was die WM-Spiele in Stuttgart betrifft, für die Mitglieder der Landesregierung Baden-Württemberg der Wert der Eintrittskarten - unbeschadet der im Einzelnen schwierigen Berechnung - subjektiv gemindert. Denn die Mitglieder der Landesregierung hatten ohnehin freien Zugang "mit Begleitung jedenfalls" zu allen WM-Spielen in Stuttgart (UA S. 41).
40
Bei alledem hat das Landgericht darüber hinaus erkennbar im Blick gehabt , dass es sich bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 um ein einzigartiges sportliches Großereignis für die Bundesrepublik Deutschland handelte, das mit einer Kooperation zwischen "höchster" Politik und Wirtschaft einherging. Eine organisierte Zusammenarbeit wurde von der Bundesregierung offiziell gefördert und entspricht bei derartigen Ereignissen weltweiten Gepflogenheiten.
41
dd) Die gegen die Beurteilung durch das Landgericht gerichteten Beanstandungen der Revision greifen nicht durch.
42
(1) Soweit die Revision die Beweiswürdigung angreift, indem sie - im Kern ihrer Ausführungen - einzelne Feststellungen anzweifelt, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf.
43
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Trifft er aufgrund der in der Hauptverhandlung angefallenen Erkenntnisse Feststellungen oder kann er wegen verbleibender Zweifel keine Feststellungen treffen, so ist dies durch das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Im Grundsatz gilt, dass allein das, was der Tatrichter festgestellt hat, bei der revisionsrechtlichen Überprüfung zugrunde zu legen ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht Erkenntnisse anders gewürdigt oder dem Tatrichter verbleibende Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn dem Revisionsgericht vom Tatrichter getroffene Feststellungen "lebensfremd" erscheinen. Im Strafprozess gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (vgl. Senatsurt. vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07 - Rdn. 18 m.w.N.).
44
Anderes gilt nur dann, wenn die Beweiswürdigung Rechtsfehler, etwa Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen die Gesetze der Lo- gik oder gesicherte Erfahrungssätze, aufweist. Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere beruhen die Feststellungen auch auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage, indem sie durch im Einzelnen benannte Beweismittel , namentlich durch die Angaben von Zeugen, belegt sind.
45
Näherer Betrachtung bedarf insoweit nur die festgestellte - von der Leiterin der Protokollabteilung der EnBW zeugenschaftlich bestätigte (UA S. 37) - Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit der Gutscheine:
46
Diese Feststellung wird nach dem oben Gesagten durch die in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft vom 17. Juni 2008 enthaltenen Erwägungen der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nicht in Frage gestellt. Das gilt sowohl für die Erwägung, dass auf den Gutscheinen - Gegenteiliges ist nicht festgestellt - der jeweilige Empfänger nicht bezeichnet gewesen sein dürfte, als auch für diejenige, dass die Personengebundenheit und Nichtübertragbarkeit "sich nicht von selbst versteht", nach Auffassung des Senats sogar wenig lebensnah anmutet. Die Feststellung scheint zwar deswegen zu kurz zu greifen, weil, wie die Generalstaatsanwaltschaft weiter ausgeführt hat, die Identität der zweiten (Begleit-)Person offen war und augenscheinlich von den näheren Angaben des Gutscheinempfängers abhing. Deshalb ist in Betracht zu ziehen, dass die zweite Eintrittskarte einer Person hätte zugute kommen können, die über das Kartenkontingent des Landes Baden-Württemberg nicht hätte begünstigt werden können. Ob, wie die Verteidigung in ihrem Schriftsatz vom 12. August 2008 (S. 20) geltend gemacht hat, in einem protokollarischen Sinne mit Begleitperson nur der Ehe- oder Lebenspartner des hochrangigen Amtsträgers gemeint gewesen sein könnte, kann der Senat jedoch offen lassen. In Anbetracht der übrigen Umstände kann er jedenfalls ausschließen, dass - nach der Beurteilung des Landgerichts - derartige als eher nebensächlich einzu- stufende Erwägungen zur Begleitperson für das Handeln des Angeklagten (mit-)bestimmend waren.
47
(2) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe die für die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung sprechenden Indizien verkannt. Insbesondere hat es sich mit dem Beweiswert der dienstlichen Berührungspunkte auseinander gesetzt; des Weiteren hat es den Umstand berücksichtigt, dass die Gutscheinversendung nicht vorgesehener Teil des Sponsoring- und Einladungskonzepts war, sondern aufgrund einer autonomen Entscheidung des Angeklagten gleichsam im willkürlichen Vorgriff hierauf erfolgte und erst später mit diesem abgestimmt werden sollte. Schließlich hat das Landgericht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - die Gutscheinversendung nicht als transparente Vorgehensweise bewertet; vielmehr hat es lediglich ein auf Verschleierung oder Heimlichkeit gerichtetes Vorgehen des Angeklagten verneint.
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Die den Angeklagten erheblich belastenden Indizien mögen berechtigten Anlass dazu gegeben haben, gegen ihn Anklage zu erheben und sodann wegen der noch ungesicherten Rechtslage eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Dass sich das Landgericht trotz dieser belastenden Indizien nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte die Versendung der Gutscheine veranlasste, um etwaige dienstliche Tätigkeiten der bedachten Amtsträger zu honorieren oder zu beeinflussen, ist jedoch - gemäß dem oben Gesagten - nach revisionsrechtlichen Maßstäben hinzunehmen. Dass eine gegenteilige Überzeugung möglicherweise ebenso revisionsrechtlich unbeanstandet geblieben wäre, ändert hieran nichts. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Sander

(1) Ein Amtsträger, ein Europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ein Richter, Mitglied eines Gerichts der Europäischen Union oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 15. Januar 2014 - 2 Sa 66/12 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es ihre Berufung gegen die Entscheidung über den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag in dem Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 19. Januar 2012 - 7 Ca 7039/11 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertrieb Schienen und anderes für den Gleisbau benötigtes Material. Mit diesen Produkten belieferte sie die D AG. In den Jahren 2011 und 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr war - für den „Bereich B“ - ein Betriebsrat gebildet. Die im Rahmen der Auftragsabwicklung benötigten Schienen bezog die Beklagte von der TSTG GmbH & Co. KG (im Folgenden: TSTG) - einem dem V-Konzern angehörenden Unternehmen mit Sitz in D. Sie stand im Wettbewerb zur V K B GmbH. Diese bezog ihre Schienen für die Auftragsabwicklung in Deutschland von der V S GmbH, die ein Schienenwerk in Ö betreibt.

3

Der 1950 geborene Kläger war seit August 1967 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1993 war er Leiter des Verkaufsbüros B. Zu seinen Aufgaben gehörte die Bestellung von Baumaterialien zur Durchführung von Kundenaufträgen. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf rund 15.300,00 Euro.

4

Im Jahr 2001 schloss die Beklagte mit der TSTG einen Rahmenvertrag über die Belieferung von Schienen. Daneben existierte zwischen einzelnen Mitarbeitern dieser beiden Unternehmen sowie Mitarbeitern der V K B GmbH und der V S GmbH ein „Absprachesystem“ über den Vertrieb von Schienen an Nahverkehrskunden, Regionalbahnen, Industriebahnen und Bauunternehmen, die entsprechende Produkte angefragt oder eine Ausschreibung gemacht hatten. Danach sollte die Beklagte den Vertrieb der TSTG - im Widerspruch zu dem bestehenden Rahmenvertrag - nahezu exklusiv abwickeln. Gegenstand der Absprachen waren außerdem Abstimmungen über anzubietende Preise, um hierüber die Auftragsvergabe potentieller Kunden an die Wettbewerber zu steuern. Ob der Kläger an derartigen Abmachungen beteiligt war, ist zwischen den Parteien streitig.

5

Im Jahr 2003 beauftragte die D AG eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) mit Gleisbauarbeiten für die Strecke H/B. Zu den Baumaterialien, die von der Beklagten geliefert werden sollten, gehörten sog. Zwischenlagen. Dabei handelt es sich um Teile, die Schienen mit Schwellen verbinden. Der Kläger bestellte Zwischenlagen bei verschiedenen Herstellern. Wenigstens 80.000 Stück orderte er bei der Firma S C SRL (im Folgenden: C) - einem in Rumänien ansässigen Unternehmen. Jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Bestellung waren die Zwischenlagen durch die D AG nicht zugelassen oder zertifiziert. Auch waren die in Rumänien georderten Produkte etwas teurer als die daneben bei deutschen Herstellern angeforderten - und bereits zertifizierten - Zwischenlagen.

6

Von den bei C bestellten Zwischenlagen wurden 20.000 Stück an eine deutsche Firma, die Baumaterialien für die ARGE lagerte, geliefert und seitens der ARGE bezahlt. Verbaut wurde im Rahmen des Projekts H/B jedoch keine einzige von ihnen. Zollamtlich wurde darüber hinaus die Einfuhr weiterer Zwischenlagen aus Rumänien bescheinigt.

7

C stellte der Beklagten in den Jahren 2003 und 2004 drei Rechnungen über die Lieferung von insgesamt 80.000 Zwischenlagen, die einen Gesamtpreis von 74.000,00 Euro auswiesen. Die Forderungen wurden, nachdem sie im Verkaufsbüro B vorgeprüft und durch die Sekretärin des Klägers paraphiert worden waren, aus der Zentrale der Beklagten in E beglichen.

8

Im Rahmen interner Recherchen stieß die Beklagte Ende des Jahres 2010 auf den Vorgang „C“. Mit dem Kläger führte sie hierüber am 24. Januar, am 4. und am 9. Februar 2011 Gespräche. Am 11. Februar 2011 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an, von der sie im Zuge von Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags wieder Abstand nahm. Nach Scheitern dieser Bemühungen und erneuter Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. März 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage.

9

Am 5. Juli 2012 erließ das Bundeskartellamt wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens von Mitarbeitern und organschaftlichen Vertretern der Beklagten im Zusammenhang mit dem Komplex „D Schiene“ einen Bescheid über ein Bußgeld von 103 Millionen Euro. Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 setzte es zusätzlich ein Bußgeld in Höhe von 88 Millionen Euro fest. In diesem - zweiten - Bescheid ist der Kläger in seiner Eigenschaft als Leiter des Verkaufsbüros B als mutmaßlicher Beteiligter an wettbewerbswidrigen Absprachen namentlich genannt. Die Staatsanwaltschaft Bo führte anschließend gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2012 hörte die Beklagte den Kläger ergänzend zu dem Vorwurf an, er habe sich im Zuge des Projekts „A/G“, das er im Jahr 2006 betreut habe, an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen beteiligt. Den Sachverhalt führte sie - nach Anhörung des Betriebsrats - in den vorliegenden Rechtsstreit ein. Mit Schreiben vom 25. September 2012 kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut - nunmehr fristlos. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Klage in einem eigenständigen, derzeit ausgesetzten Verfahren.

11

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 9. März 2011 sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Die bei C georderten Zwischenlagen seien vollständig geliefert und lediglich wegen geänderter Anforderungen der D AG nicht verwendet worden. Die rumänische Firma habe bei Auftragserteilung schriftlich bestätigt, sie werde die erforderliche Zertifizierung erhalten. Darauf habe er vertrauen und überdies annehmen dürfen, anfängliche Mehrkosten würden sich im Rahmen der von C angestrebten langfristigen Geschäftsbeziehung amortisieren. Für die Begleichung der Rechnungen sei er nicht verantwortlich. Deren Prüfung sei in E erfolgt. An kartellrechtswidrigen Preisabsprachen habe er sich nicht beteiligt. Er habe auch nicht an Gesprächen teilgenommen, die solche Absprachen zum Gegenstand gehabt hätten. Bei dem Projekt A/G habe er ein Angebot auf der Basis von Preisen abgegeben, die ihm durch die Zentrale der Beklagten vorgegeben worden seien. Soweit die Kündigung auf Verdachtsmomente gestützt werde, sei er zu diesen nicht wirksam angehört worden. Ebenso wenig sei eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats erfolgt.

12

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Kündigung vom 9. März 2011 unwirksam ist und hierdurch das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Leiter des Verkaufsbüros B weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich im Zusammenhang mit der Bestellung der Zwischenlagen bei C der Untreue schuldig gemacht, zumindest bestehe ein dahingehender Verdacht. Die Materialien seien nicht benötigt und qualitativ völlig unbrauchbar gewesen. Bereits vor der Auftragsvergabe sei eine ausreichende Menge an zertifizierten Zwischenlagen bei anderen Herstellern geordert worden. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen widerspreche es einem ordnungsgemäßen Geschäftsgebaren, Materialien einzukaufen, die teurer als üblich seien. Nachvollziehbare Gründe dafür habe der Kläger nicht benannt. Seine anfängliche Einlassung, er habe die Produkte zu Prüfzwecken geordert, sei mit Blick auf die bestellte Menge nicht glaubhaft. Wenigstens 60.000 Zwischenlagen seien überhaupt nicht geliefert worden. Allein daraus sei ihr ein Schaden iHv. 54.000,00 Euro entstanden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass in der Zentrale keine sachliche Prüfung von Rechnungen mehr erfolge, wenn diese - wie im Streitfall geschehen - durch das Verkaufsbüro abgezeichnet worden seien. Ein möglicher Anspruch auf Nachlieferung der Zwischenlagen sei wertlos, da sie keine Chance hätten, zertifiziert zu werden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Vorgang „C“ vorsätzlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und ihr - der Beklagten - bewusst Schaden zugefügt habe. Auf die Motive des Klägers komme es nicht an.

14

Ein weiterer Kündigungsgrund liege in der Beteiligung des Klägers an wettbewerbswidrigen Handlungen. Der Kläger habe zumindest gegen seine Verpflichtung verstoßen, ihr gegenüber entsprechende, ihm bekannt gewordene Verstöße zu offenbaren. Im Zusammenhang mit dem Projekt A/G habe ein Treffen zwischen Vertretern verschiedener Firmen stattgefunden, an dem der Kläger teilgenommen habe. Gemäß einer dort getroffenen Absprache habe die V K B GmbH etwa 50.000,00 Euro als Kompensation dafür erhalten sollen, dass sie das Projekt nicht übernehme. Der Betrag sei nicht ausgezahlt, sondern mit anderen „Kompensationen“ verrechnet worden. Von diesen Umständen habe sie zwar erst im Lauf des Prozesses Kenntnis erlangt, sie hätten aber bei Kündigungszugang im März 2011 objektiv schon vorgelegen.

15

Sie habe dem Kläger außerhalb des Rechtsstreits ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Einer Anhörung des Betriebsrats habe es wegen dessen Stellung als leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht bedurft. Gleichwohl habe sie den Betriebsrat über die Kündigungsgründe - auch den nachgeschobenen Sachverhalt - vorsorglich und inhaltlich umfassend unterrichtet.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage - soweit noch rechtshängig - abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage - soweit sie in der Revision zur Entscheidung angefallen ist - nicht stattgeben (I.). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2011 aufgelöst worden ist. Dies führt - im Umfang der Anfechtung - zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO)(II.).

18

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

19

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein in diesem Sinne kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13 mwN; 11. Juli 2013 - 2 AZR 994/12 - Rn. 20 mwN).

20

2. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303).

21

a) Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektive Tatsachen gründende Verdachtsmomente vorliegen, die geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21, BAGE 142, 188). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 21; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - aaO; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

b) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 32, BAGE 146, 303).

23

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt - zutreffend - ausgegangen. Es hat sie aber nicht fehlerfrei auf den Streitfall zur Anwendung gebracht. Das gilt schon für seine Annahme, das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang „C“ rechtfertige selbst eine Verdachtskündigung nicht.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, wegen der Bestellung der Zwischenlagen komme allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht. Die Beklagte greift dies nicht an. Ein materieller Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar. Die Beklagte hat sich für ihre Behauptung, der Kläger habe mit der Bestellung unnützer und untauglicher Zwischenlagen ihren Vermögensinteressen bewusst zuwider gehandelt, auf Indizien berufen. Das Landesarbeitsgericht war in den Grenzen des § 286 ZPO frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft es den behaupteten Hilfstatsachen im Einzelnen und in der Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst(vgl. allgemein zum Indizienbeweis BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Es hat auf der Grundlage schon des Vorbringens der Beklagten für nicht erwiesen erachtet, dass der Kläger tatsächlich - im Sinne einer nachgewiesenen Pflichtverletzung - vorsätzlich deren Vermögensinteressen zuwider gehandelt und diese bewusst geschädigt habe. Mit dieser Würdigung hat es den ihm zukommenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

25

b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, das in Rede stehende mögliche Verhalten des Klägers sei grundsätzlich geeignet, sogar eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Handelt der Arbeitnehmer bewusst den Vermögensinteressen seines Arbeitgebers zuwider, liegt darin eine erhebliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber - unterstellt, sie läge vor - grundsätzlich zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zumindest bedingt vorsätzlich gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Pflicht verstößt, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren drohende Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden(zu dieser Pflicht vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 21 mwN). Darauf, ob die Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, als Untreue (§ 266 StGB) strafbar wäre, kommt es nicht an. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 20; 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

26

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht außerdem angenommen, ein die Kündigung rechtfertigender, dringender Verdacht ergebe sich nicht aus der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bezahlung aller georderten Zwischenlagen veranlasst, obwohl deren überwiegender Teil gar nicht geliefert worden sei. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht die weitere Behauptung der Beklagten, der Kläger habe die Bestellungen ausgelöst, obwohl im Rahmen des Bauvorhabens kein Bedarf an weiteren Zwischenlagen bestanden habe, als nicht tragfähig angesehen hat. Die Beklagte hat insoweit ihrer Darlegungslast nicht genügt.

27

aa) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der gebotene Umfang der Darlegungen hängt davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf den anfänglichen Vortrag des Arbeitgebers einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung aufzuzeigen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; LAG Rheinland-Pfalz 3. Juli 2014 - 5 Sa 27/14 -). Vielmehr ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers, einen solchen Grund ins Verfahren einzuführen.

28

bb) Eine sekundäre Darlegungslast der primär nicht darlegungsbelasteten Partei kommt dann in Betracht, wenn es dieser zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner die Darlegung der nur zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse durch nähere Angaben zu ermöglichen, weil sie, anders als der außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs stehende Gegner, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23). Kommt der sekundär Darlegungspflichtige in einer solchen Prozesslage seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen iSd. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). An die sekundäre Behauptungslast des gekündigten Arbeitnehmers dürfen allerdings keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungspflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. seinerseits substantiiert zum möglichen Entlastungsgrund vorzutragen und Beweis für sein Nichtvorliegen anzutreten. Genügt das Vorbringen des Arbeitnehmers diesen Anforderungen, ist es Sache des Arbeitgebers, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuweisen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

29

cc) Nach diesen Maßstäben hat das Landesarbeitsgericht die Darlegungslast der Beklagten weder grundlegend verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an ihren Sachvortrag gestellt. Zu Recht hat es die Auffassung vertreten, die Beklagte habe zum Umfang der Lieferungen und zum Verbleib der Zwischenlagen weiter vortragen müssen. Es ist nicht dargetan, weshalb es dieser nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, der - von ihm in das Wissen eines Zeugen gestellten - Behauptung des Klägers weiter nachzugehen, alle georderten Zwischenlagen seien bei einer konkret bezeichneten Drittfirma angekommen und dort für die ARGE eingelagert worden. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Beklagten, für die Bestellung von Zwischenlagen in der bei C georderten Menge habe von vorneherein kein Bedarf bestanden. Diesem Vorwurf ist der Kläger mit der Behauptung entgegen getreten, die D AG habe sich erst nach der Beauftragung von C entschieden, keine hochelastischen Zwischenlagen zu verwenden; solche habe er in Rumänien aber bestellt. Zwar hat der Kläger zu diesem Sachverhalt keine näheren Einzelheiten vorgetragen. Dies ist aber unschädlich. Das Vorbringen der Beklagten lässt nicht erkennen, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, den Sachverhalt anhand der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen weiter aufzuklären. Das gilt umso mehr, als ihr - wovon das Landesarbeitsgericht - rügelos - ausgegangen ist - die auf Seiten der ARGE verantwortlichen Verhandlungspartner des Klägers bekannt sind. Vor diesem Hintergrund ist eine andere Bewertung auch nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger zur Begründung dafür, weshalb die rumänischen Zwischenlagen sukzessive bestellt worden seien, vorgebracht hat, während der Bauphase der Strecke H/B sei festgestellt worden, dass die anfänglich bei anderen Herstellern georderte Menge an Zwischenlagen nicht ausreichen werde. Das Vorbringen steht nicht in einem unauflöslichen Widerspruch zu der nachfolgenden Einlassung des Klägers, die zusätzlich angeforderten Teile seien am Ende wegen einer veränderten Planung doch nicht benötigt worden.

30

dd) Soweit die Beklagte die Würdigung ihres Vorbringens zum Umfang der Lieferungen und zu einem von der ARGE angemeldeten Zusatzbedarf an Zwischenlagen mit Verfahrensrügen nach § 286 ZPO angreift, erachtet der Senat diese - nach Prüfung - nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

31

d) Nicht frei von formellen Rechtsfehlern ist jedoch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Verdachtskündigung sei auch vor dem Hintergrund der Behauptung der Beklagten nicht gerechtfertigt, der Kläger habe die Zwischenlagen bei C bestellt, obwohl sie mangels Zertifizierung bei dem Bauvorhaben keine Verwendung hätten finden können.

32

aa) Das Vorbringen ist nicht von vorneherein unbeachtlich. Das Landesarbeitsgericht geht selbst davon aus, dass die Verdachtskündigung „an sich“ begründet wäre, wenn der Kläger die rumänischen Zwischenlagen im Bewusstsein bestellt hätte, eine rechtzeitige, den Anforderungen der D AG genügende Zertifizierung sei nicht gesichert. Die Erwägung trifft zu. Unterstellt, die von C angebotenen Zwischenlagen wären objektiv ungeeignet gewesen und der Kläger hätte dies im Zeitpunkt der Auftragsvergabe positiv gewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen, läge darin ein gewichtiges Indiz, das jedenfalls den dringenden Verdacht einer vorsätzlichen - schadensgleichen - Gefährdung des Vermögens der Beklagten zu begründen vermöchte. Zum anderen läge es vor diesem Hintergrund - auch angesichts des Preises der rumänischen Produkte und der Zertifizierung anderer am Markt verfügbarer Zwischenlagen - nahe anzunehmen, dass die Auftragsvergabe an C von sachfremden Erwägungen des Klägers getragen war. Dem steht nicht entgegen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte für eine persönliche Vorteilsnahme gibt.

33

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, ein möglicher Verdacht richte sich auch mit Blick auf die Qualität der in Rumänien georderten Zwischenlagen nicht auf eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte rügt mit Recht, die Würdigung beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

34

(1) Art. 103 Abs. 1 GG sichert - iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsstaatsprinzip - den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör vor Gericht und das mit ihm im Zusammenhang stehende Recht auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und fairen Prozesses. Dies gebietet ein Ausmaß an rechtlichem Gehör, das sachangemessen ist, um den in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten bestehenden Anforderungen an einen solchen Rechtsschutz gerecht zu werden. Zu den insoweit unerlässlichen Verfahrensregeln gehört, dass das Gericht über die Richtigkeit streitiger Tatsachenbehauptungen nicht ohne hinreichende Prüfung entscheidet. Ohne eine solche Prüfung fehlt es an einer dem Rechtsstaatsprinzip genügenden Entscheidungsgrundlage (vgl. BVerfG 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00 - zu III 1 a der Gründe; BAG 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 57 mwN).

35

(2) Im Streitfall ist der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.

36

(a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, von einer vorsätzlichen, den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider laufenden Handlung des Klägers könne nicht ausgegangen werden. Die Beklagte habe es versäumt aufzuzeigen, dass der Kläger über einschlägige Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren verfüge und deshalb nicht auf Zusicherungen der rumänischen Firma habe vertrauen dürfen, es werde in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten geben.

37

(b) Damit hat es seiner Entscheidung ohne Weiteres die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt, die betreffende Firma habe ihm die Zertifizierungsfähigkeit zugesichert, obwohl die Beklagte eine solche Erklärung ausdrücklich in Abrede gestellt hatte. Es hat damit streitiges Vorbringen als unstreitiges behandelt.

38

(aa) Der Kläger hatte behauptet, das rumänische Unternehmen habe bei den Vertragsverhandlungen schriftlich bestätigt, dass es die Zulassung gemäß „UIC-Kodex“ besitze und die „D-Zulassung“ als „Q1-Lieferant der D-AG“, wenn es sie beantrage, sofort erhalten werde. Das Landesarbeitsgericht hat diese Behauptung im Tatbestand seiner Entscheidung als streitig dargestellt.

39

(bb) Der gleichfalls als streitig angeführte Gegenvortrag der Beklagten ist im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast schlüssig. Die Beklagte hatte geltend gemacht, die Unterlagen zum Projekt H/B seien nach Schließung der Niederlassung B komplett in die Niederlassung Ha verbracht und dort archiviert worden. In den Akten sei kein Hinweis auf eine entsprechende „Zusicherung“ der rumänischen Firma zu finden. Hierfür hatte sie sich auf das Zeugnis einer Mitarbeiterin berufen, die von ihr beauftragt worden sei, die Schriftstücke auf die Behauptung des Klägers hin zu sichten. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne weitere Sachaufklärung annehmen, die umstrittene schriftliche Bestätigung habe es tatsächlich gegeben. Das gilt umso mehr, als der Kläger sich nicht etwa darauf berufen hat, er habe die fragliche Zusage nicht zu den Akten genommen.

40

II. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich. Der Senat kann mangels ausreichender Sachaufklärung nicht abschließend beurteilen, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

41

1. Das Landesarbeitsgericht hat - ausgehend von der vermeintlichen Zusicherung - angenommen, die Vereinbarungen mit C könnten ein „Risikogeschäft“ sein, bei dessen Abschluss der Kläger lediglich - wenn auch grob fahrlässig - seine Pflicht verletzt habe, die Wahrscheinlichkeit einer Verwirklichung der Risiken hinreichend sorgfältig zu prüfen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Landesarbeitsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn sich die Behauptungen über die Zusagen des rumänischen Unternehmens als unzutreffend erwiesen hätten. Soweit es dem Kläger angesichts vorhandener „Unschärfen“ in seinem Sachvortrag den zeitlichen Abstand zu dem Geschehen und eine darauf beruhende „Verblassung“ seines Erinnerungsvermögens zugutegehalten hat, entspricht eine solche Annahme zwar der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. dazu bspw. BGH 13. Dezember 2012 - I ZR 182/11 - Rn. 38; 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - zu 1 der Gründe; Baumgärtel/Laumen/Prütting Handbuch der Beweislast - Grundlagen 2. Aufl. § 5 Rn. 46). Die Ausführungen des Urteils zu den möglichen Erinnerungslücken beziehen sich aber nicht - zumindest nicht zweifelsfrei - auf die Zusagen zur Zertifizierungsfähigkeit der rumänischen Zwischenlagen, wie sie der Kläger behauptet hat. Andernfalls wäre nicht nachvollziehbar, worin die „Unschärfen“ bestehen sollten. Der Kläger hat klar die Position bezogen, es habe eine schriftliche Bestätigung der Zertifizierungsfähigkeit gegeben, und er hat deren Details geschildert. Sollte sich ein entsprechendes Schriftstück nicht bei den Akten befinden, wäre es - im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast - zunächst Sache des Klägers gewesen aufzuzeigen, wann ungefähr und durch welche Person die Bestätigung erfolgt sein soll. Zumindest hätte er seine maßgebenden Gesprächspartner benennen müssen, um der Beklagten weitergehende Nachforschungen zu ermöglichen. Dieser wäre es dann unbenommen geblieben, sich für ihre Behauptung, die fragliche Zusage habe es nie gegeben, auf das Zeugnis der betreffenden Personen zu berufen (zu einer solchen Möglichkeit vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33 mwN). Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass der Kläger seiner Vortragslast unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens nachgekommen wäre.

42

2. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Frage, ob die Beklagte den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß zu dem gegen ihn erhobenen Verdacht angehört hat, nicht befasst. Ebenso wenig hat es Feststellungen dazu getroffen, ob der Betriebsrat - unterstellt, es hätte mit Blick auf § 5 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG seiner Unterrichtung bedurft - nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden ist. Dies wird es ggf. nachzuholen haben. Eine Unwirksamkeit der Kündigung drängt sich dabei unter beiden Gesichtspunkten nicht auf.

43

3. Kommt es auf den nachgeschobenen Kündigungsgrund an, ist auch die ihn betreffende Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

44

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die durchgeführte Beweisaufnahme habe nicht den erforderlichen Beweis dafür erbracht, dass der Kläger an einem „Kompensationsgeschäft“ zwischen Vertretern ihres Unternehmens und der V K B GmbH - aktiv oder passiv - beteiligt gewesen sei. „Bestätigt“ habe sich zwar der Verdacht seiner Beteiligung an „illegalen Preisabsprachen“. Hierauf könne die Beklagte die Kündigung vom 9. März 2011 aber zumindest deshalb nicht stützen, weil ihrem vormaligen Geschäftsführer, der die Kündigung erklärt habe, die „Absprachen mit der V Gruppe“ bekannt gewesen seien. In den schon anhängigen Rechtsstreit wiederum habe die Beklagte - jedenfalls mit Blick auf § 102 BetrVG - nur solche Tatsachen als Kündigungsgrund nachträglich einführen können, die sie im Kündigungszeitpunkt noch nicht gekannt habe.

45

b) Diese Würdigung steht mit § 1 Abs. 2 KSchG, § 102 BetrVG nicht in Einklang.

46

aa) Auch in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Vielmehr können ebenso Umstände, die ihm erst später bekannt wurden, in den Prozess eingeführt werden, zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv schon gegeben waren. Dies gilt auch für Umstände, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21). Da es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung allein auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Zugangs ankommt und der Arbeitgeber weder nach § 1 KSchG noch nach § 626 Abs. 1 BGB zur (abschließenden) Angabe der Kündigungsgründe verpflichtet ist, ergeben sich aus dem KSchG oder dem BGB für ein Nachschieben von Kündigungsgründen grundsätzlich keine Beschränkungen, auch nicht aus § 626 Abs. 2 BGB(vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 33; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 49, 39; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 245; SES/Schwarze KSchG § 1 Rn. 68; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 95). Ohne Bedeutung ist insbesondere, ob ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit den schon bekannten Kündigungsgründen besteht (vgl. BAG 18. Januar 1980 - 7 AZR 260/78 - zu 2 b der Gründe).

47

bb) Soweit vor Ausspruch der Kündigung eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich ist, ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, von denen er dem Gremium aber keine Mitteilung gemacht hat, unzulässig. Das hat zur Folge, dass diese Gründe im schon laufenden Kündigungsschutzprozess keine Berücksichtigung finden können. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Dem Betriebsrat soll Gelegenheit gegeben werden, vor Erklärung der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seine Absicht beeinflussenden Umstände einzuwirken. Diesem Zweck widerspricht es, dem Arbeitgeber zu gestatten, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf „neue“ Gründe zu berufen, die zwar seinen Kündigungsentschluss womöglich mit beeinflusst haben, hinsichtlich derer er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; grundlegend 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 49, 39; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Gestützt auf erst nachträglich bekannt gewordene Umstände ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen dagegen möglich, wenn - in analoger Anwendung von § 102 BetrVG - der Betriebsrat zu ihnen angehört worden ist(BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

48

cc) Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an. Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht - wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB - eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier - wie bei § 626 Abs. 2 BGB - auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (BAG 5. Mai 1977 - 2 AZR 297/76 - zu II 3 der Gründe, BAGE 29, 158). Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter (für die Zurechnung im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB vgl. BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 53, BAGE 125, 70; 20. September 1984 - 2 AZR 73/83 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 46, 386; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 349).

49

dd) Ein entsprechendes Wissen muss sich der Arbeitgeber regelmäßig auch dann zurechnen lassen, wenn das Organmitglied oder der sonstige Vertreter bei der Behandlung des Sachverhalts eigene Pflichten ihm gegenüber verletzt hat (zum Einstehenmüssen der Gesellschaft für satzungswidrige Handlungen ihrer Geschäftsführer vgl. BAG 5. April 2001 - 2 AZR 696/99 - zu II 3 der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Kenntnis von Handlungen geht, die der Vertreter im kollusiven Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer gegen die Interessen der Gesellschaft vorgenommen hat (vgl. HaKo-KSchR/Gieseler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 136; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 349, 361, 364).

50

ee) Im Hinblick auf § 102 BetrVG ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Einschränkungen, die sich aus dem Anhörungsverfahren für die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen ergeben, auch dem Schutz kollektiver Interessen dienen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist es unter diesem Aspekt, den Betriebsrat zu befähigen, sein Anhörungsrecht sachgerecht auszuüben und seinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Belegschaft zu sichern (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - zu B I 4 a der Gründe, BAGE 107, 221; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vertreter des Arbeitgebers seine Informationen auch intern vollständig weitergibt und die Bereitschaft mitbringt, für eine sachgerechte Unterrichtung des Betriebsrats Sorge zu tragen. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Vertreter seinerseits in die Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers verstrickt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste. Handelt es sich objektiv um eine solche Situation, ist es - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG(zu dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 102 BetrVG vgl. BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - aaO; 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 c bb der Gründe, aaO) - gerechtfertigt, für die Kenntnis des Arbeitgebers nicht auf den Wissensstand des „verstrickten“, sondern auf den eines „undolosen“ Vertreters oder Organmitglieds abzustellen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats werden dadurch nicht ausgehöhlt, weil er vor einem „Nachschieben“ der Kündigungsgründe in den Prozess allemal nach § 102 BetrVG anzuhören ist.

51

ff) Danach ist die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht tragfähig. Es hat aus den Feststellungen im Bescheid des Bundeskartellamts vom 18. Juli 2013 und aus dem dort erhobenen Vorwurf, ein im Juli 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschiedener Geschäftsführer habe zumindest im Zeitraum von 2001 bis Mai 2011 vorsätzlich dem Verbot wettbewerbswidriger Vereinbarungen zuwider gehandelt, auf eine Kenntnis der Geschäftsführung von der fraglichen „Absprachepraxis“ geschlossen. Außerdem hat es auf das Eingeständnis des früheren Geschäftsführers abgestellt, wonach er „von Absprachen mit der V Gruppe … gewusst habe“. Ob das Landesarbeitsgericht damit gemeint hat, der frühere Geschäftsführer sei selbst in das „Absprachesystem“ aktiv oder passiv eingebunden gewesen, ist nicht klar. Ggf. wird es dazu weitere Feststellungen zu treffen haben.

52

gg) Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es indessen nur an, wenn der Kläger kein leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG war. Andernfalls war der Betriebsrat nicht zu beteiligen. Zu diesem - nach seiner eigenen Begründungslinie erheblichen - Punkt hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen, obwohl die Beklagte zur Stellung des Klägers als leitender Angestellter - ua. in ihren Schriftsätzen vom 20. März 2013 und vom 4. Juni 2013 - Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht etwa von vorneherein unbeachtlich.

53

c) Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob der nach seiner Überzeugung durch die Beweisaufnahme „bestätigte“ Verdacht einer Beteiligung des Klägers an illegalen Preisabsprachen hinreichend stark war. Eine eigene Beurteilung ist dem Senat schon deshalb verwehrt, weil das Landesarbeitsgericht zu Art und Umfang der fraglichen „Beteiligung“ keine abschließenden Feststellungen getroffen hat.

54

aa) Die Mitwirkung eines Arbeitnehmers an einer (Kartell-)Straftat - sei es in Täterschaft oder Teilnahme - ist grundsätzlich geeignet, eine (außerordentliche) Kündigung zu rechtfertigen. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf das Gewicht der Pflichtverletzung an, das sich maßgeblich nach Art und Ausmaß der Mitwirkung des Arbeitnehmers bestimmt. Je nach der Qualität der Pflichtverletzung und der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen kann überdies Bedeutung gewinnen, ob er Anlass hatte anzunehmen, die wettbewerbswidrigen Handlungen seien dem Arbeitgeber bekannt und würden von ihm ausdrücklich gebilligt oder unterstützt (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 32, BAGE 142, 188; 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 22).

55

bb) In welchem Rahmen der Kläger überhaupt - ggf. außerhalb des Gesprächs aus dem Jahr 2006 - an kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligt gewesen sein soll, und ob es unter Berücksichtigung der bei der Beklagten bestehenden Antikorruptions- und Kartellrichtlinien möglich ist, dass er im Fall seiner Beteiligung annehmen durfte, nicht pflichtwidrig zu handeln, ist den bisherigen Feststellungen nicht zu entnehmen, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung und kann der Senat nicht selbst prüfen.

56

d) Die zahlreichen Verfahrensrügen, mit denen die Beklagte sich gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wendet, dem Kläger sei eine aktive Beteiligung an dem von ihr behaupteten „Kompensationsgeschäft“ - im Sinne einer Tat - nicht vorzuwerfen, bedürfen wegen der gebotenen Zurückverweisung keiner abschließenden Behandlung. Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat lediglich zu folgenden Hinweisen veranlasst:

57

aa) Es stellt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze dar, dass das Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon ausgegangen ist, der Kläger könne an dem fraglichen, das Projekt A/G betreffenden Termin im Jahr 2006 als solchem teilgenommen haben, ohne von Vereinbarungen über die Zahlung einer „monetären“ Kompensation an die V K B GmbH unmittelbar Kenntnis erlangt zu haben. Die Lebenserfahrung zeigt, dass kartellrechtswidrige Absprachen nicht offen erörtert und für jedermann erkennbar getroffen werden. Es liegt typischerweise im Interesse der an einer solchen Absprache beteiligten Personen, den Kreis der „Eingeweihten“ möglichst klein zu halten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass - nach der Aussage des Zeugen K - Gegenstand des Treffens keineswegs allein die Herbeiführung einer wettbewerbswidrigen Absprache gewesen sein soll. Vielmehr soll es - unter anderem - um die Klärung der Fragen gegangen sein, ob genügend Material beschafft und wie der Auftrag durchgeführt werden könne. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle am Tatnachweis, steht auch nicht die (leitende) Position des Klägers entgegen. Nach seinem - insoweit nicht bestrittenen - Vorbringen hat den Preis für sein Angebot nicht er selbst bestimmt und war an dem Gespräch mit Vertretern der Wettbewerberin mindestens noch ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten - der Zeuge W - beteiligt.

58

bb) Das Landesarbeitsgericht musste die Aussageverweigerung durch den Zeugen W nicht als zwingendes Indiz dafür werten, dass der Kläger an der in Rede stehenden „Kompensationsvereinbarung“ - aktiv oder im Sinne einer bewussten Duldung - tatsächlich mitgewirkt habe. Aus der Weigerung, vor Gericht Zeugnis abzulegen, kann - für sich genommen - nicht geschlossen werden, die in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung sei wahr. Es kommt allenfalls in Betracht, die Weigerung in Verbindung mit anderen Beweisergebnissen zu würdigen (BGH 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - Rn. 18; OLG München 10. November 2009 - 5 U 5130/08 - Rn. 18; Musielak/Voit/Huber ZPO 12. Aufl. § 384 Rn. 2; MüKoZPO/Damrau 4. Aufl. § 384 Rn. 4). Darin sind die Tatsachengerichte iSv. § 286 ZPO grundsätzlich frei.

59

cc) Das Landesarbeitsgericht hat - anders als die Beklagte meint - keine widersprüchlichen Feststellungen getroffen, soweit es einerseits der Auffassung war, es sei nicht erwiesen, dass sich der Kläger in dem fraglichen Gespräch an konkreten Preisabsprachen beteiligt habe, andererseits aber den Verdacht, er sei in solche Absprachen verwickelt gewesen, als „bestätigt“ angesehen hat. Damit hat es lediglich der von ihm für wahr erachteten Teilnahme des Klägers an einem Gespräch mit potentiellen Mitbewerbern der Beklagten über den Auftrag A/G nicht die Indizwirkung beigemessen, die ihr nach Auffassung der Beklagten zukommt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 286 ZPO.

60

dd) Das Landesarbeitsgericht hat der namentlichen Erwähnung des Klägers in dem Bescheid des Bundeskartellamts mit Recht eine verdachtsverstärkende Bedeutung zuerkannt. Es musste allein aus ihr aber nicht schließen - und durfte dies nicht einmal -, der Kläger habe sich nachweislich an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen beteiligt (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 16 mwN, BAGE 143, 244). Ein solcher Schluss könnte allenfalls aus den tatsächlichen Ergebnissen des kartellamtlichen Verfahrens gezogen werden, soweit die Beklagte diese zu ihrem eigenen Vortrag gemacht haben sollte.

61

III. Der Zurückverweisung unterliegt auch der - als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehende - Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 31. August 2011 - 3 Sa 29/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

2

Die Beklagte betreibt Tankstellen. Der Kläger war bei ihr seit Juli 2003 als Bezirksleiter für den Vertrieb im Außendienst beschäftigt.

3

Im August 2010 entstand bei der Beklagten der Verdacht, der Kläger könne an betrügerischen Auftragsvergaben zu ihren Lasten beteiligt gewesen sein. Am 20. August und 30. September 2010 hörte sie den Kläger zu den aus ihrer Sicht verdachtsbegründenden Umständen an. Er bestritt die Vorwürfe.

4

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung aus. Gegen sie erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage. Am 14. Januar 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Auch dagegen erhob der Kläger - in einem eigenständigen Verfahren - Klage.

5

Am 28. Juli 2011 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten weitere Unregelmäßigkeiten fest. Im November 2009 hatte eine Baugesellschaft der Beklagten für ein Bauvorhaben an einer Tankstelle 8.929,52 Euro in Rechnung gestellt. Darin waren ua. die Lieferung und das Verlegen von Terrassenplatten (terracotta, 40 x 40 für 80,64 m²) mit 2.056,32 Euro ausgewiesen. Aus den beigefügten Bautagesberichten, Gesprächsnotizen, Lieferangeboten, Aufträgen, Aufmaßskizzen und Lieferscheinen für das Bauvorhaben war ersichtlich, dass entsprechende Leistungen nicht auf einem Tankstellengelände der Beklagten, sondern auf dem Wohngrundstück des Klägers ausgeführt worden waren. Mit Schriftsatz vom 22. August 2011 hat die Beklagte diese tatsächlichen Erkenntnisse ohne erneute Anhörung des Klägers in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

6

Der Kläger hat bestritten, dass er auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten in seiner Grundstücksauffahrt habe verlegen lassen. Die abgerechneten Leistungen der Baugesellschaft ständen in keiner Verbindung zu seiner Wohnanschrift. Dies ergebe sich aus den Mengenangaben und dem Gesamtarbeitsaufwand. Im Übrigen hat der Kläger gemeint, weil sie ihn dazu zuvor nicht angehört habe, vermöge die Beklagte die Kündigung auf diesen Vorwurf ohnehin nicht zu stützen.

7

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe sich betrügerisch zu ihren Lasten bereichert. Er habe auf seinem Privatgrundstück Baumaßnahmen ausführen lassen, die als Umbau einer Tankstelle deklariert worden seien. Den auf diesen tatsächlichen Umständen beruhenden Kündigungsgrund habe sie nachträglich in den Rechtsstreit einführen können, ohne dass sie den Kläger zuvor habe anhören müssen.

9

Das Arbeitsgericht hat der vorliegenden Klage mit Urteil vom 13. Januar 2011, der Klage gegen die Kündigung vom 14. Januar 2011 mit Urteil vom 17. März 2011 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat über die Berufungen der Beklagten in getrennten Verfahren am selben Tag verhandelt. Nach Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren hat es beschlossen, eine Entscheidung am Ende der Sitzung zu verkünden. In der sich anschließenden Verhandlung im Verfahren über die Kündigung vom 14. Januar 2011 hat es darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser um eine unzulässige Wiederholungskündigung handeln dürfte. Die Beklagte hat daraufhin die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011 zurückgenommen. Der Kläger hat der Rücknahme ausdrücklich zugestimmt.

10

Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Er bringt vor, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 stehe schon die durch die Berufungsrücknahme eingetretene Rechtskraft der Entscheidung vom 17. März 2011 entgegen. Diese enthalte mittelbar die Feststellung, dass bei Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten noch bestanden habe.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 5. Oktober 2010 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Das Landesarbeitsgericht war trotz der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 nicht gehindert, die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu überprüfen (I.). Seine Annahme, die nachgeschobenen Kündigungsgründe trügen diese Kündigung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (II.).

12

I. Die Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 17. März 2011, derzufolge die Kündigung vom 14. Januar 2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, steht der Annahme nicht entgegen, das Arbeitsverhältnis sei schon durch die Kündigung vom 5. Oktober 2010 beendet worden.

13

1. Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess bestimmt sich nach dem Streitgegenstand. Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 19; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 909/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 81, 111). Die Rechtskraft schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus(BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11- Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13).

14

2. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gegenstand der Kündigungsschutzklage und damit der Umfang der Rechtskraft eines ihr stattgebenden Urteils auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die konkret angegriffene Kündigung beschränkt, dh. das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens oder Zugangs der Kündigung einer Entscheidung entzogen werden kann (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 20; 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 16, BAGE 130, 166). Eine solche Einschränkung des Streitgegenstands und Umfangs der Rechtskraft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die sich aus dem Antrag und der Entscheidung selbst ergeben müssen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, für die Bestimmung des Streitgegenstands und des Umfangs der Rechtskraft Umstände heranzuziehen, die schon mit der Entscheidungsfindung zusammenhängen. So kann für die „Ausklammerung“ der Rechtsfolgen einer eigenständigen, zeitlich früher wirkenden Kündigung aus dem Gegenstand der Klage gegen eine später wirkende Kündigung der Umstand sprechen, dass dieselbe Kammer des (Landes-)Arbeitsgerichts am selben Tag über beide Kündigungen entscheidet. In einem solchen Fall wollen regelmäßig weder der Kläger noch das Gericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bei Zugang der späteren Kündigung zum Gegenstand des über deren Wirksamkeit geführten Rechtsstreits machen (vgl. BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 278/98 - zu I der Gründe).

15

3. Im Streitfall kann dahinstehen, wie weit die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 17. März 2011 reicht. Die Parteien haben mit der Zurücknahme der Berufung durch die Beklagte und der Annahme dieser Erklärung durch den Kläger nicht nur ihren Rechtsstreit mit der Folge beendet, dass die Unwirksamkeit der Kündigung vom 14. Januar 2011 feststeht. Ihre Prozesserklärungen haben vielmehr zugleich einen materiellrechtlichen Inhalt. Der Kläger soll aus der rechtskräftig gewordenen Entscheidung über die Kündigung vom 14. Januar 2011 keine Rechte herleiten können, die einer inhaltlich eigenständigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 entgegenstünden. Das ergibt die Auslegung der beiderseitigen Erklärungen (§§ 133, 157 BGB).

16

a) Die Wirkungen der materiellen Rechtskraft unterliegen zwar nicht der Disposition der Parteien (vgl. BGH 28. Januar 1987 - IVb ZR 12/86 - zu 2 a der Gründe; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 152 Rn. 17; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 212; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 322 Rn. 58). Die Parteien können diese Wirkungen aber durch Vereinbarungen beeinflussen. Bei solchen Abreden handelt es sich nicht um unzulässige „Eingriffe“ in die Rechtskraft, sondern um zulässige, ggf. nachträgliche Regelungen ihrer materiellen Folgen, die der Verfügung der Parteien unterliegen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald aaO Rn. 18; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 325 Rn. 43a).

17

b) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungsrücknahme zum Ausdruck gebracht, sie sei bereit, die Unwirksamkeit der zweiten Kündigung hinzunehmen. Sie hat damit aus Sicht eines objektiven Empfängers - für den Kläger ohne Weiteres erkennbar - nicht zugleich erklärt, sie wolle auch den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zugang der Kündigung vom 14. Januar 2011 anerkennen. Damit hätte sie dem nach wie vor anhängigen Rechtsstreit über die Kündigung vom 5. Oktober 2010 die Grundlage entzogen. Dies war ersichtlich nicht gewollt. Beide Parteien erwarteten insoweit vielmehr eine Sachentscheidung des Landesarbeitsgerichts. In den Prozesserklärungen der Parteien liegt danach die materiellrechtliche Abrede, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses allein von der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 5. Oktober 2010 abhängig machen zu wollen. Der Kläger kann sich bereits aus diesem Grund nicht darauf berufen, es stehe rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis noch im Januar 2011 bestanden habe.

18

II. Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 2010 zu Recht als wirksam angesehen.

19

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

20

a) Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16).

21

b) Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17).

22

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei unter Berücksichtigung des im zweitinstanzlichen Verfahren „nachgeschobenen“ Kündigungsgrundes einer schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

23

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die erstinstanzlich gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe trügen die Kündigung vom 5. Oktober 2010 nicht. Es bestehe aber der - die Kündigung rechtfertigende - dringende Verdacht, der Kläger habe auf Kosten der Beklagten Terrassenplatten an seine Privatanschrift liefern und dort verlegen lassen.

24

b) Das Landesarbeitsgericht durfte die entsprechenden, von der Beklagten in zweiter Instanz in das Verfahren eingeführten Indiztatsachen seiner Würdigung zugrunde legen.

25

aa) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen - Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 264/06 - Rn. 21; 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 86, 88).

26

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht auf die von der Beklagten nachgetragenen, den Verdacht auf einen eigenständigen Vertragsverstoß begründenden Tatsachen abstellen.

27

(1) Die Verlegung der Terrassenplatten auf dem Grundstück des Klägers war der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung bereits in Rechnung gestellt und von ihr beglichen worden. Dies wurde ihr jedoch erst im Juli 2011 bekannt.

28

(2) Es bedurfte für die Beachtlichkeit des Vorbringens keiner neuerlichen Anhörung des Klägers.

29

(a) Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 1067/06 - Rn. 34).

30

(b) Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der - erneuten - Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht (noch offengelassen in BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 5 der Gründe, BAGE 81, 27; wie hier: KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216; aA Höland Anm. AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25; Moll/Schulte MAH Arbeitsrecht 3. Aufl. § 44 Rn. 110; Ittmann ArbR 2011, 6; wohl auch Hoefs Die Verdachtskündigung S. 215). Das ergibt sich aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses.

31

(aa) Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155). Ist aber - wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen - die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann (KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 216).

32

(bb) Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat analog § 102 Abs. 1 BetrVG zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 4 der Gründe, BAGE 86, 88; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 49, 39). Die Anhörung des Betriebsrats dient - anders als die Anhörung des Arbeitnehmers - nicht (nur) der Aufklärung des Sachverhalts. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken (vgl. BAG 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - aaO). Das lässt sich bezogen auf nachgeschobene Gründe nur erreichen, wenn diese dem - anders als der Arbeitnehmer am Rechtsstreit nicht beteiligten - Betriebsrat vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden. Zwar kann auch der Betriebsrat die schon erfolgte Kündigung als solche nicht mehr verhindern. Er kann aber nur so seine - den Arbeitnehmer uU entlastende - Sicht der Dinge zu Gehör bringen.

33

(3) § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus(BAG 4. Juni 1997 - 2 AZR 362/96 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 86, 88).

34

c) Die Würdigung des Kündigungssachverhalts durch das Berufungsgericht ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, vom Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30). Einen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts dieser Art hat der Kläger nicht aufgezeigt. Das Landesarbeitsgericht hat aus dem Umstand, dass hinsichtlich der von der Baugesellschaft gelieferten Materialien der Lieferort, die Flächen, die Art der Pflasterung und Bauskizzen mit der Auffahrt des Klägers übereinstimmten, widerspruchsfrei gefolgert, es bestehe der dringende Verdacht, der Kläger habe sich auf Kosten der Beklagten rechtswidrig bereichert. Es hat nachvollziehbar angenommen, jedenfalls ein Teil der den Bautagesberichten zu entnehmenden Arbeitsstunden habe sich auf das Bauprojekt auf dem Grundstück des Klägers bezogen. Der Kläger ist den tatsächlichen Grundlagen dieses Verdachts nicht substanziiert entgegengetreten. Seinem Vortrag lässt sich auch nicht etwa entnehmen, er habe die auf seinem Grundstück ausgeführten Arbeiten selbst bezahlt.

35

d) Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist frei von Rechtsfehlern. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

36

III. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. November 2010 - 2 Sa 979/10 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 - 7 Ca 3503/09 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

2

Der im Jahr 1957 geborene Kläger ist verheiratet, gehbehindert und mit einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit dem Jahr 2005 war er beim staatlichen Immobilienmanagement, Niederlassung W (im Folgenden: Immobilienmanagement), tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach § 53 BAT war der Kläger ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Im Jahr 2007 beschwerte sich eine beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Leitung der Niederlassung über den Kläger. Sie fühlte sich von ihm belästigt. Es kam zu einem Verfahren vor der Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit Schreiben vom 19. April 2007 teilte die Beschwerdestelle dem Kläger mit, dass die Mitarbeiterin weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.

4

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wandte sich eine andere, seit Februar 2009 beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an dessen Direktor. Dieser leitete das Schreiben am 12. Oktober 2009 an die zuständige Personalabteilung in der Zentrale weiter. In dem Schreiben erklärte die Mitarbeiterin, dass sie sich durch den Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt fühle. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich abweisend geäußert habe, suche er weiterhin Kontakt zu ihr. In der Zeit von Mitte Juni 2009 bis Anfang Oktober 2009 hatte der Kläger - unstreitig - insgesamt mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS an die Mitarbeiterin versandt. Das beklagte Land teilte dem Kläger am 13. Oktober 2009 mit, dass eine Beschwerde gegen ihn vorliege, der Sachverhalt aber noch aufgeklärt werden müsse. Als „Sofortmaßnahme“ ordnete es an, dass der Kläger mit sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin zu unterlassen habe und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt zu ihr aufnehmen dürfe. Am 15. Oktober 2009 hörte das beklagte Land die Mitarbeiterin an, die ihm am 16. Oktober 2009 den gesamten E-Mail-Verkehr mit dem Kläger überließ. Noch am selben Tag wurde der Kläger schriftlich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Oktober 2009. Mit Schreiben von diesem Tage, das beim beklagten Land am 26. Oktober 2009 einging, nahm er zu den Vorwürfen Stellung.

5

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 hörte das beklagte Land den Personalrat der Niederlassung W zu einer - nach noch einzuholender Zustimmung des Integrationsamts - beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung, hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist bis zum 30. Juni 2010 an. Der Personalrat stimmte der Kündigung tags darauf zu. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 hörte das beklagte Land auch die örtliche Schwerbehindertenvertretung an. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage beantragte es beim Integrationsamt die Zustimmung, die dieses am 13. November 2009 erteilte.

6

Noch mit Schreiben vom 13. November 2009 erklärte das beklagte Land gegenüber dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise die außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2010.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung lägen nicht vor. Das beklagte Land habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Im Übrigen fehle es an einem wichtigen Grund. Nachdem die betreffende Mitarbeiterin Anfang September 2009 erklärt habe, keinen privaten Kontakt mehr mit ihm zu wünschen, habe er nur noch wenige Male den Kontakt zu ihr gesucht. Das beklagte Land habe ihn allenfalls abmahnen dürfen. Dass er zu einer Verhaltensänderung in der Lage sei, zeige sein Verhalten nach Erhalt des Schreibens vom 19. April 2007, welches freilich seinerseits gerade keine Abmahnung darstelle. Im Übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

8

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 weder fristlos noch mit Ablauf des 30. Juni 2010 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bereits die außerordentliche fristlose Kündigung sei unter allen rechtlichen Gesichtspunkten wirksam. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Einer (weiteren) Abmahnung habe es nicht bedurft, nachdem der Kläger sich bereits im Jahr 2007 in vergleichbarer Weise pflichtwidrig verhalten habe.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, steht noch nicht fest.

12

I. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es fehle für die außerordentliche Kündigung vom 13. November 2009 an einem wichtigen Grund iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB - und dem inhaltsgleichen § 54 Abs. 1 BAT - kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

14

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO ). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08  - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO).

15

b) Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09  - Rn. 37, BAGE 134, 349). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, aaO ; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08  - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).

16

c) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO).

17

2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mangels einschlägiger Abmahnung sei die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 wegen Fehlens eines wichtigen Grundes iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, auf der Basis seiner bisher getroffenen Feststellungen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, eine Abmahnung sei im Streitfall nicht entbehrlich gewesen, wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.

18

a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei dem Schreiben der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 habe es sich nicht um eine Abmahnung gehandelt.

19

aa) Dies folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht daraus, dass das Schreiben nicht auf die Änderung eines generellen Verhaltens auch gegenüber anderen Beschäftigten des beklagten Landes abzielte. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu unterlassende Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit gegebene Abmahnungs- und potentielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 31, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

20

bb) Entgegen der - Teilen des Schrifttums folgenden - Auffassung des Klägers fehlt dem Schreiben vom 19. April 2007 auch nicht deshalb der Abmahnungscharakter, weil die darin für den Wiederholungsfall enthaltene Androhung von „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ zur Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung nicht ausreichend wäre.

21

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion) (BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - zu II 1 der Gründe, BAGE 76, 35). Der Senat hat einer „ordnungsgemäßen Abmahnung“ ein „nur als Abmahnung bezeichnetes Schreiben“ gegenübergestellt, in welchem nicht ausdrücklich auf kündigungsrechtliche Konsequenzen hingewiesen, sondern nur „mit weiteren rechtlichen Schritten“ für den Wiederholungsfall gedroht worden war (vgl. BAG 15. März 2001 - 2 AZR 147/00 - EzA BGB § 626 nF Nr. 185; vgl. auch 8. Dezember 1988 - 2 AZR 294/88 - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 60). Die Androhung „arbeitsrechtlicher Schritte“ sei zur Erfüllung der Warnfunktion hingegen ausreichend (BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - zu B I 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6 mit zust. Anm. Bemm; vgl. auch 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34: Androhung „individualrechtlicher Konsequenzen“).

22

(2) Im Schrifttum wird zumeist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt, dass die Abmahnung einen Hinweis auf die Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses enthalten muss, um ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion zu erfüllen (Adam AuR 2001, 41; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert 8. Aufl. KSchR § 314 BGB Rn. 56; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 348; HaKo-Fiebig/Zimmermann 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 244; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 270; v. Hoyningen-Huene RdA 1990, 193, 198; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 389; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 495; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 25; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 8, 1205). Dafür sei zwar nicht unbedingt die ausdrückliche Androhung einer Kündigung notwendig, der Arbeitgeber müsse aber in einer dem Arbeitnehmer deutlich erkennbaren Art und Weise konkret bestimmte Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstanden und damit den eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis verbinden, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen seien Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 273 mwN ua. auf BAG 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - BAGE 46, 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497). Das Inaussichtstellen konkreter kündigungsrechtlicher Maßnahmen, etwa einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bzw. einer Beendigungs- oder Änderungskündigung, sei hingegen nicht erforderlich (Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert aaO; APS/Dörner/Vossen aaO; HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO); es reiche die Androhung „kündigungsrechtlicher Konsequenzen“ (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO). Zum Teil wird auch der Hinweis auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ für ausreichend gehalten (Beckerle Die Abmahnung 10. Aufl. S. 127 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert KSchR § 314 BGB Rn. 60) oder, jedenfalls unter besonderen Umständen, die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Schritte“ (v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497 unter Hinweis auf BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6; Th. Wolf Zur Abmahnung als Voraussetzung der verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber S. 164). Nach anderer Ansicht genügt die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ nicht, da dadurch nicht hinreichend deutlich gemacht werde, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher auf dem Spiel stehe; arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten auch Versetzungen, Umsetzungen oder weitere Abmahnungen sein (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO).

23

(3) Nach zutreffender Auffassung kann schon die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Mit einer solchen Formulierung wird ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren.

24

cc) Das Schreiben vom 19. April 2007 stellt gleichwohl keine Abmahnung dar. Es fehlt an einer Rüge vorherigen Fehlverhaltens. In dem Schreiben ist als Ergebnis des Beschwerdeverfahrens lediglich dokumentiert, dass die betroffene Mitarbeiterin keinen Kontakt mehr mit dem Kläger wünsche. Zwar wird außerdem - zur Vermeidung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ - die Beachtung dieses Wunsches der Mitarbeiterin für die Zukunft verlangt. Das Schreiben enthält aber nicht die eindeutige Bewertung, dass das vorangegangene Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt habe.

25

b) Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall auch nicht entbehrlich gewesen, hält dagegen - auf der Basis der bisher getroffenen Feststellungen - einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

26

aa) Es steht nicht fest, welchen Kündigungssachverhalt das Landesarbeitsgericht dieser Würdigung zugrunde gelegt hat. Es hat dahingestellt sein lassen, ob das Verhalten des Klägers gegenüber der betroffenen Mitarbeiterin eine Straftat oder jedenfalls eine schwerwiegende Pflichtverletzung dargestellt oder zumindest einen entsprechenden Verdacht begründet habe. Es hat angenommen, der Kläger habe, selbst wenn nur sein Sachvortrag als wahr unterstellt werde, die ihm aufgrund des Arbeitsvertrags obliegenden Verhaltenspflichten in jedem Fall verletzt. Es hat aber nicht gewürdigt, ob nicht auf Basis des Vorbringens des beklagten Landes von einer erheblich schwerer wiegenden Pflichtverletzung auszugehen wäre. Festgestellt sind nur die mehr als 120 vom Kläger an die betroffene Mitarbeiterin gesandten Nachrichten. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen des beklagten Landes hatte sich der Kläger jedoch immer wieder auch auf andere Weise, wie etwa durch unerwünschte persönliche Kontaktaufnahmen, aufgedrängt. Das beklagte Land hat ua. geltend gemacht, der Kläger habe sich gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Mitarbeiterin wiederholt und zunehmend aggressiv und aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr ua. damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine Anstellung beim Land bekomme, und werde ihren Ehemann, der über keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügte, bei der Polizei und der Ausländerbehörde anzeigen. Bei der Mitarbeiterin habe dies massive Angstzustände verursacht.

27

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dem Kläger habe die Distanzlosigkeit seines Verhaltens und die damit einhergehende Pflichtverletzung „aufgrund des schleichenden Prozesses“ entgehen können, steht dies im Widerspruch zu seiner Feststellung, die betroffene Mitarbeiterin habe dem Kläger Anfang September 2009 den „eindeutigen“ Hinweis gegeben, nur noch im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen mit ihm Kontakt haben zu wollen. Warum dem Kläger die Pflichtwidrigkeit und der bedrängende Charakter seines Verhaltens auch nach diesem Hinweis nicht erkennbar gewesen sein sollen, ist nicht ersichtlich. Nach dem vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt war aus den dem Hinweis nachfolgenden Nachrichten gerade nicht herauszulesen, der Kläger habe, wie von ihm behauptet, weiterhin lediglich einen rein freundschaftlichen Kontakt gewollt. Die Nachrichten hätten vielmehr einen drohenden Charakter angenommen. Abweichende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

28

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht ausreichend geprüft, ob eine Abmahnung im Streitfall deshalb entbehrlich war, weil dem Kläger schon aufgrund des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens und des Schreibens der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 bewusst sein musste, dass die Verletzung der Privatsphäre von Mitarbeiterinnen durch beharrliche Kontaktaufnahme gegen deren Willen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte, deren abermalige Hinnahme durch das beklagte Land ausgeschlossen wäre. Dem stünde nicht entgegen, dass sich das Schreiben nur mit dem zu respektierenden Wunsch der damals betroffenen Mitarbeiterin befasste. Der Kläger konnte nicht annehmen, das beklagte Land würde den entsprechenden Wunsch einer anderen Mitarbeiterin nicht für gleichermaßen verbindlich halten.

29

c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlverhalten des Klägers stelle sich nicht als so gravierend dar, dass seine Weiterbeschäftigung dem beklagten Land „unter keinen Umständen zuzumuten“ sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist erneut nicht ersichtlich, welches Fehlverhalten das Landesarbeitsgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers steht jedenfalls nicht notwendig entgegen, dass dieser auf die entsprechende Aufforderung des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009 hin jegliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Mitarbeiterin unterlassen hat. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger den Wunsch einer anderen Mitarbeiterin, ihre Privatsphäre zu respektieren, künftig wiederum solange missachten wird, wie ihn das beklagte Land nicht auffordert, ihm nachzukommen.

30

II. Die angegriffene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig oder sonst zur Endentscheidung reif. Ob die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, kann noch nicht beurteilt werden.

31

1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob dem beklagten Land unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Weiterbeschäftigung des Klägers iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar war.

32

a) Der Kündigungssachverhalt ist bisher nicht umfassend festgestellt. Ob eine Abmahnung angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers und des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens entbehrlich war, kann der Senat daher nicht abschließend würdigen. Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die nachfolgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.

33

b) Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 238 StGB), sondern auf die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Dieser hat die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter zu schützen. Ob das Nachstellen zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom Ausmaß und von der Intensität der Pflichtverletzung und deren Folgen - vor allem für die betroffenen Mitarbeiter -, einer etwaigen Wiederholungsgefahr und dem Grad des Verschuldens. Die für diese Würdigung relevanten Umstände sind deshalb festzustellen.

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - bislang nicht geprüft, ob das beklagte Land die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 54 Abs. 2 BAT, § 626 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 5 SGB IX gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat. Sollte es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis kommen, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB bestand, wird es dies nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.