Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 08. Juli 2015 - 1 K 849/13
Tenor
Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/12 und der Beklagte zu 7/12, ausgenommen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Freiburg Urteil, 08. Juli 2015 - 1 K 849/13 zitiert oder wird zitiert von 19 Urteil(en).
Tenor
Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Gründe
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I.
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Der am 31. März 2012 in den Ruhestand getretene Kläger war Professor für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität F. und Leiter der Abteilung Klinische Chemie des beklagten Universitätsklinikums F. Das zur Entscheidung stehende Verfahren betrifft die Wirksamkeit der von dem Beklagten unter dem 24./25. Januar 2008 ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Dienstvertrags (Chefarztvertrags), den die Beteiligten am 24. Juli 2007 geschlossen hatten. Auf die von dem Kläger erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung angeführt, mit der Vertragskündigung sei eine Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter verbunden gewesen, für die das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des baden-württembergischen Universitätsklinika-Gesetzes (UKG BW) in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. September 2005 (GBl S. 625) erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität nicht vorgelegen habe. Zudem habe der Beklagte den Kläger im Zusammenhang mit der Kündigung unter Überschreitung seiner Zuständigkeit von der Wahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung ausgeschlossen. Der Beklagte erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.
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II.
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Die auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Mit seiner Rüge, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sei in mehrfacher Hinsicht mit einem derartigen Mangel behaftet (a) bis d)), vermag der Beklagte nicht durchzudringen.
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a) Der Beklagte macht geltend, dem Verwaltungsgerichtshof sei im Rahmen der Tatsachenfeststellung bei der Auslegung des Dienstvertrags vom 24. Juli 2007 (UA S. 20 ff.) ein als Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu rügender Verstoß gegen die Denkgesetze unterlaufen. Das Berufungsgericht habe § 1 Abs. 1 des Vertrags, in dem die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie des Beklagten bestätigt werde, entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nicht als lediglich deklaratorische, sondern als konstitutive Regelung verstanden. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht angenommen, er, der Beklagte, habe mit der in Rede stehenden Vertragsklausel zum Ausdruck gebracht, dass er an der bereits im Zusammenhang mit der Vorgängervereinbarung vom 9. Dezember 1998 vorgenommenen Bestellung des Klägers zum Abteilungsleiter festhalte. Denn diese frühere Vereinbarung sei gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Vertrags vom 24. Juli 2007 außer Kraft getreten. Die Bestätigung könne sich deshalb nur darauf beziehen, dass das Landesministerium für Wissenschaft und Kunst dem Kläger die entsprechende Funktion durch Erlass vom 9. Juli 1990 übertragen habe. Spätere Erklärungen von ihm, dem Beklagten, seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs für die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 nicht von Bedeutung.
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Aus diesem Vortrag ergibt sich kein die Revisionszulassung rechtfertigender Verfahrensfehler. Zwar handelt es sich auch um die Feststellung von Tatsachen, wenn der Inhalt von materiell-rechtlich erheblichen Willenserklärungen durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. für Verträge: Beschluss vom 24. Januar 1991 - BVerwG 8 B 164.90 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 6 S. 14, Urteil vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - NVwZ-RR 2003, 874 f.). Jedoch ist diese Auslegung nicht ausschließlich ein Akt der Tatsachenfeststellung. Auf tatsächlichem Gebiet liegt vor allem die Erfassung des Wortlauts einer Erklärung und die Sichtung und Aufklärung der tatsächlichen Umstände, die für die gewollte Bedeutung der Erklärung erheblich sind. Dagegen ergibt sich erst aus dem materiell-rechtlichen Hintergrund der Erklärung, ob mit ihr eine rechtliche Regelung angestrebt wird und welchen Inhalt diese gegebenenfalls haben kann (Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 165). Entsprechend kann ein Verstoß gegen die Denkgesetze als Verfahrensfehler nur dann geltend gemacht werden, wenn er sich auf die tatsächliche Würdigung beschränkt und die rechtliche Subsumtion nicht berührt (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 75; Beschluss vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 27 f.).
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An einem solchen Tatsachenbezug fehlt es der Rüge des Beklagten, denn sie hat nicht den klar zu Tage liegenden Wortlaut des Vertrags vom 24. Juli 2007 zum Gegenstand und bezieht sich auch nicht auf die Aufklärung der Umstände in Gestalt weiterer schriftlicher, in ihrem Inhalt als solchem nicht umstrittener Äußerungen des Beklagten, deren Heranziehung - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - für eine Vertragsauslegung in Betracht kommt. Der Beklagte greift vielmehr in Wahrheit die materiell-rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs an, die Beteiligten hätten durch den in Rede stehenden Vertrag eine Abrede mit zwei in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander abhängigen Teilen, nämlich einem verfügenden Teil - Beibehaltung der Funktion des Abteilungsleiters durch den Kläger - und einem schuldrechtlichen Teil - Regelung der gegenseitigen Rechte und Pflichten - getroffen. Mit Angriffen auf die Sachverhaltswürdigung der Tatsacheninstanz lässt sich die Zulassung der Revision indes in aller Regel und so auch hier nicht erreichen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 19). Jedenfalls steht hierfür die Verfahrensrüge nicht zur Verfügung (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 15).
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Selbst wenn man jedoch die Rüge des Beklagten dem Tatsachenbereich zuordnen wollte, ließe sich der geltend gemachte Verstoß gegen die Denkgesetze nicht bejahen. Denn ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, nicht dagegen schon dann, wenn eine Schlussfolgerung nicht zwingend oder nicht überzeugend oder sogar unwahrscheinlich sein sollte (Beschlüsse vom 24. Mai 1996 - BVerwG 8 B 98.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270 und vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15 f.). Von einer derartig verfehlten Schlussfolgerung kann in Bezug auf die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 durch den Verwaltungsgerichtshof nicht ansatzweise die Rede sein. Diese Interpretation ist im Gegenteil gut nachvollziehbar. Sie steht zum einen in Übereinstimmung mit den Erwägungen der Vorinstanz zu dem doppelten Dienstverhältnis bzw. dem sogenannten Kombinationsmodell im Bereich der Hochschulmedizin des Landes Baden-Württemberg (UA S. 24 f.). Sie ist zum anderen eingebettet in den Zusammenhang, der von der vorhergehenden vertraglichen Regelung vom 9. Dezember 1998 und den von dem Berufungsgericht benannten (UA S. 22) späteren Schreiben des Beklagten, insbesondere dem Kündigungsbegleitschreiben vom 25. bzw. 28. Januar 2008 gebildet wird. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten war das Berufungsgericht nicht gehindert, bei der Vertragsauslegung auf diese außerhalb des Vertrags vom 24. Juli 2007 liegenden Umstände abzustellen (vgl. dazu allgemein: Ellenberger, in: Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 133 Rn. 15, 17).
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b) Hieraus folgt zugleich, dass auch die Verfahrensrüge erfolglos bleiben muss, die der Beklagte gegen die Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 23) richtet, nach dem Empfängerhorizont des Klägers habe bei Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein können, dass die Kündigung vom 24./25. Januar 2008 auch die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung bedeutete.
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Die Annahme des Beklagten, das Berufungsgericht habe hierdurch gegen die Denkgesetze bei der Ermittlung des Sachverhalts und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und außerdem den Streitgegenstand des zu entscheidenden Verfahrens im Sinne des § 90 VwGO verkannt, geht fehl. Sein Vortrag, der Gegenstand des Rechtsstreits in Form der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 beziehe sich nicht auf die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung, sondern nur auf den Vertrag vom 24. Juli 2007, durch den der Kläger nicht zum Abteilungsleiter bestellt worden sei, geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Denn die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Vertrag unter anderem eben diese Bestellung enthielt, kann der Beklagte - wie dargelegt - nicht entkräften.
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c) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Verwaltungsgerichtshof auch nicht in verfahrensfehlerhafter Weise zu der Einschätzung (UA S. 26) gelangt, es sei nicht erkennbar, dass der in § 8 des Vertrags vom 24. Juli 2007 geregelte Vergütungsanspruch dem Kläger unabhängig von seiner Bestellung zum Abteilungsleiter eingeräumt werde, weil üblicherweise nur leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) vom Krankenhausträger gestattet werde, Privatpatienten unter Inanspruchnahme der Sachausstattung und des Personals des Krankenhauses auf eigene Rechnung zu behandeln. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht darauf, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil der von ihm, dem Beklagten, im Berufungsverfahren angebrachte entscheidungserhebliche Vortrag, in seinem Verantwortungsbereich seien nicht alle Abteilungsleiter Chefärzte und nicht alle Chefärzte Abteilungsleiter, in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht erwähnt werde und dementsprechend von dem Berufungsgericht nicht in Erwägung gezogen und gewürdigt worden sei.
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Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag der Beteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Beschlüsse vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3, vom 20. April 2009 - BVerwG 6 B 107.08 - juris Rn. 9 und vom 15. März 2011 - BVerwG 7 B 51.10 - juris Rn. 12). Nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung muss das Gericht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen (Urteile vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 2 und vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158> = Buchholz 445.4 § 31 WHG Nr. 14 S. 5; Beschluss vom 15. März 2011 a.a.O. Rn. 13). Auch hier gilt jedoch, dass es für die Annahme, das Gericht habe dieser Verpflichtung nicht genügt, über das Fehlen einer Auseinandersetzung mit einem einzelnen Vorbringen hinaus sonstiger eindeutiger Anhaltspunkte bedarf (Urteil vom 25. März 1987 a.a.O. S. 2).
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Besondere Umstände, die wegen der Nichterwähnung des Vortrags des Beklagten über die bei ihm nicht durchweg bestehende Deckungsgleichheit von Chefarzt- und Abteilungsleiterfunktion die Annahme einer Verletzung des Gehörs- oder Überzeugungsgrundsatzes durch den Verwaltungsgerichtshof rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere war dieser Vortrag nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Denn zum einen hat dieses seine Auffassung von der Abteilungsleitung als genuinem Bestandteil des Vertrags vom 24. Juli 2007 unabhängig von der von dem Beklagten in den Vordergrund gerückten Vergütungsregelung gewonnen. Zum anderen hat es seine Erwägung über die Üblichkeit der Anbindung des Privatliquidationsrechts an die Stellung als leitender Krankenhausarzt im Sinne eines Chefarztes nicht auf die konkret bei dem Beklagten bestehenden Verhältnisse, sondern auf allgemeine Aussagen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513, 558/74 - BVerfGE 52, 303 <335>, BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2008 - BVerwG 2 C 27.06 - BVerwGE 130, 252 = Buchholz 237.7 § 72 NWLBG Nr. 6 Rn. 10) gestützt.
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d) Schließlich liegt, anders als der Beklagte meint, dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 35 ff.) hinsichtlich der Auswirkungen der Kündigung des Vertrags vom 24. Juli 2007 auf die Aufgaben des Klägers in der Krankenversorgung kein Verfahrensfehler zu Grunde. Der Beklagte rügt erfolglos, das Berufungsgericht habe bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch die Annahme, dass die Vertragskündigung dem Kläger die durch § 53 Abs. 1 LHG BW gesetzlich zugewiesenen Aufgaben in der Krankenversorgung entzogen bzw. die umfassende Entbindung des Klägers von diesen Aufgaben bewirkt habe, gegen die Denkgesetze und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen.
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Zunächst bezieht sich entsprechend den obigen Ausführungen auch diese Rüge der Sache nach nicht auf die Tatsachenfeststellung in Gestalt der Erfassung des Wortlauts des Vertrags vom 24. Juli 2007, der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 oder der von dem Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang herangezogenen weiteren Schreiben des Beklagten, sondern auf die materiell-rechtliche Beurteilung, die die Vorinstanz aus den festgestellten Tatsachen abgeleitet hat. Weiterhin spart der Inhalt des Vertrags vom 24. Juli 2007 die Aufgaben der Krankenversorgung nicht aus. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 36) - hier nun deutlich in tatsächlicher Hinsicht - festgestellt, dass der Vertrag die gesetzlich vorgesehene Aufgabe der Krankenversorgung unter Berücksichtigung der Belange von Forschung und Lehre jedenfalls näher ausgestaltet. Darüber hinaus kann nach dem oben umschriebenen engen Maßstab in der Beurteilung des Berufungsgerichts (UA S. 36 f.), der Beklagte habe im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Kündigung des Vertrags vom 24. Juli 2007 die Tätigkeit des Klägers in der Krankenversorgung in jedweder Hinsicht unterbinden und diesem damit einen Teil seiner beamtenrechtlich amtsangemessenen Beschäftigung entziehen wollen, dies auch in tatsächlicher Hinsicht so verwirklicht und damit seine Zuständigkeit überschritten, kein Verstoß gegen die Denkgesetze gefunden werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten konnte sich der Verwaltungsgerichtshof für diese Beurteilung der Auswirkungen der Kündigung ebenso wie für die Auslegung des Vertrags vom 24. Juli 2007 insbesondere auf das Kündigungsbegleitschreiben des Beklagten vom 25. bzw. 28. Januar 2008 stützen. Er hat sich überdies, was der Beklagte in diesem Zusammenhang in seiner Beschwerdebegründung nicht angreift, unter anderem auf das weitere, vorsorgliche Kündigungsschreiben des Beklagten vom 30. September 2009 bezogen.
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2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann die Revision ebenfalls nicht zugelassen werden. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr aufgeworfenen Fragen (a) bis c)) erfüllt sind.
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a) Der Beklagte möchte geklärt wissen,
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ob allein die Tatsache, dass ein verfahrensrechtlicher Mangel der Verantwortungssphäre einer Vertragspartei zuzurechnen ist, dazu führt, dass die Berufung auf diesen Verfahrensmangel treuwidrig und rechtsmissbräuchlich ist.
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Der Beklagte stellt diese Frage vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 27) seinen Einwand, der Kläger könne aus einer etwaigen Übertragung der Abteilungsleitung durch den Vertrag vom 24. Juli 2007 schon deshalb nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil auch für diese Bestellung das erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW gefehlt hätte und sie deshalb unwirksam gewesen wäre, unter Verweis auf die Lokalisierung des behaupteten Mangels in der von dem Beklagten selbst zu verantwortenden Sphäre als treuwidrig und rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen hat.
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Über diese den konkreten Fall kennzeichnenden Umstände weist die Frage des Beklagten nicht hinaus. Sie kann hier wie stets nur unter Berücksichtigung des zu entscheidenden Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben beantwortet werden. Eine grundsätzliche Bedeutung hat die Frage daher nicht.
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b) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält der Beklagte die weitere Frage,
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ob das Institut des Formenmissbrauchs es ermöglicht, die rechtlichen Anforderungen an die Kündigung eines Vertrages über die vertragsrechtlichen Anforderungen hinaus zu erweitern.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat auf das Verbot des Formenmissbrauchs in zwei Zusammenhängen abgestellt: Zum einen die Abberufung des Klägers von seiner Funktion als Abteilungsleiter (UA S. 28), zum anderen die umfassende, das Amt im abstrakt-funktionellen Sinne betreffende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung (UA S. 38). Auf beide Zusammenhänge bezieht sich die aufgeworfene Frage. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt ihr hier wie dort nicht zu.
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Das Verbot des Formenmissbrauchs ist eine Ausprägung des in § 242 BGB statuierten, auch im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (Urteile vom 26. März 2003 - BVerwG 6 C 24.02 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 50 S. 21 und vom 28. April 2009 - BVerwG 2 A 8.08 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 55 Rn. 18). Ob dieser Grundsatz als solcher des revisiblen Bundesrechts oder als solcher des nicht revisiblen Landesrechts angewandt wird, hängt davon ab, ob er zur Ergänzung von Bundesrecht oder Landesrecht herangezogen wird (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 90 S. 19 und vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - BVerwGE 69, 46 <48> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195 S. 180, Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6).
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Hier hat sich der Verwaltungsgerichtshof allein auf dem Gebiet des nach § 137 Abs. 1 VwGO irrevisiblen Landesrechts bewegt, indem er auf das Verbot des Formenmissbrauchs im Zusammenhang mit einer seiner Einschätzung nach drohenden Umgehung der für eine Abberufung des Klägers als Abteilungsleiter geltenden landesrechtlichen Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW abgestellt hat. Die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der von dem Beklagten aufgeworfenen Frage scheitert daher insofern bereits daran, dass sie in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist. Ob unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 127 Nr. 2 BRRG etwas anderes gilt, soweit das Berufungsgericht das Verbot des Formenmissbrauchs als Sperre gegen eine Umgehung von Zuständigkeiten des (Landes-) Beamtenrechts im Hinblick auf die vollständige Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung benannt hat, kann offen bleiben. In dieser Hinsicht kommt der in Rede stehenden Frage jedenfalls deshalb keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie einer allgemein gültigen, über den Einzelfall hinausweisenden Beantwortung nicht zugänglich ist. Denn nach dem insoweit zu Grunde zu legenden Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang im Zusammenhang mit der Kündigung eine Entziehung der amtsangemessenen Aufgaben beabsichtigt und verwirklicht wird. Dies hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ab.
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c) Schließlich sieht der Beklagte im Zusammenhang mit dem Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW die Fragen als grundsätzlich bedeutsam an,
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ob § 45 Abs. 1 Nr. 5 und/oder § 58 LVwVfG auf die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages analog anwendbar sind,
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ob das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät rückwirkend erteilt werden kann,
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ob der Erteilung des Einvernehmens durch die Medizinischen Fakultät nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen muss und ob dies voraussetzt, dass die Beschlussvorlage eindeutig erkennen lässt, auf welche Maßnahmen sich das Einvernehmen beziehen soll,
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und ob dann, wenn die Beschlussvorlage nicht eindeutig erkennen lässt, auf welche konkreten Organisationsmaßnahmen sich das Einvernehmen beziehen soll, eine Dokumentation der wesentlichen Erwägungen der Einvernehmenserteilung im Sinne einer schriftlichen Fixierung erforderlich ist.
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Diese Fragen zeigen allesamt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Sie lassen, ohne dass es darauf ankommt, inwieweit sie ungeachtet ihrer landesrechtlichen Anknüpfung durch die bundesverfassungsrechtliche Norm des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfangen sind, in einem Revisionsverfahren eine Klärung jedenfalls deshalb nicht erwarten, weil sie für das angefochtene Urteil nicht entscheidungserheblich gewesen sind.
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Die Fragen betreffen sämtlich den Begründungsstrang des berufungsgerichtlichen Urteils, der die Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25. Januar 2008 aus dem Fehlen des Einvernehmens der Medizinischen Fakultät der Universität nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG BW herleitet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich für dieses Ergebnis jedoch selbständig tragend auch auf den Begründungsstrang der umfassenden und von dem Beklagten unter Überschreitung seiner Zuständigkeit vorgenommenen Entbindung des Klägers von Aufgaben in der Krankenversorgung gestützt (ausdrücklich: UA S. 18, 35).
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Gegen den letztgenannten Begründungsstrang hat der Beklagte - wie dargelegt - keinen durchgreifenden Revisionszulassungsgrund ins Feld geführt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision gegen ein Urteil, das - wie hier - auf mehrere, je selbständig tragende Begründungen gestützt ist, nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 und vom 18. August 2010 - BVerwG 6 B 24.10 - juris Rn. 2).
(1) Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel Übereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt werden, so ist, wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die Durchschnittssumme maßgebend.
(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
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zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
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die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen unrichtiger bzw. unterlassener Aufklärung über die Kosten einer Bausanierung. Er erwarb 1992 die sanierungsbedürftige Villa B. in W. zum Preis von 397.830,00 DM. Am 24. März 1994 erstellten die Beklagten für das Gebäude eine so genannte "Kostenschätzung" für einen Neubau und zwei Sanierungsvarianten. Der Kläger entschied sich für die kostengünstigere Variante, deren Kosten mit 650.000 DM inklusive Abbruchkosten geschätzt worden waren. Er erteilte den Beklagten zunächst mündlich einen Planungsauftrag, der die Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI zum Gegenstand hatte. Später un-terzeichneten der Kläger im Oktober 1994 und die Beklagten im Januar 1995 einen schriftlichen Architektenvertrag. Am 14. Juni 1994 reichten die Beklagten für den Kläger den Bauantrag ein. Darin wurden die Baukosten mit 650.000 DM angegeben. In einer Kostenaufstellung für Kreditanträge vom 13. Oktober 1994 gaben die Beklagten die Baukosten inklusive Abbruchkosten erneut mit 650.000 DM an. Am 27. Oktober 1994 erstellten die Beklagten eine Baukostenschätzung "Stand 31. Dezember 1994", wonach die Baukosten ohne Abbrucharbeiten 779.000 DM bis zu diesem Datum betragen. Der Kläger begann am 7. November 1994 mit der Vergabe der Aufträge an Bauunternehmer. Das Bauvorhaben wurde im August 1995 bezugsfertig. Der Kläger hat Baukosten von 1.921.435,05 DM und Gesamtkosten von 2.734.638,84 DM errechnet. Die hohen Baukosten führt er nur in geringem Umfang auf Planungsänderungen und Zusatzwünsche während der Bauarbeiten zurück. Er behauptet, die Kostenschätzungen der Beklagten seien fehlerhaft gewesen. Die Beklagten hätten die Kosten bereits im März 1994 auf 1.340.000 DM schätzen müssen. Jedenfalls im Zeitpunkt des Bauantrags hätten diese Kosten auf der Grundlage der eingereichten Planung geschätzt werden müssen. Der Kläger behauptet, er habe sich zu der Sanierung entschlossen , weil er die Investition auf der Grundlage der von den Beklagten vorgenommenen Schätzung für rentabel gehalten habe. Hätte er vor Beauftragung der Bauunternehmer gewußt, daß sich die Baukosten verdoppeln würden, hätte er die Sanierung nicht begonnen und durchgeführt, sondern das Grundstück an einen konkret benannten Interessenten verkauft. Mit dem Kaufpreis hätte er seine bis dahin entstandenen Aufwendungen gedeckt. Der Kläger berechnet seinen Schaden in der Weise, daß er von den Gesamtkosten für das Bauwerk in Höhe von 2.734.638,84 DM den derzeitigen Wert des Grundstücks, den er
mit 1.400.000 DM angibt, abzieht. Als Mindestschaden macht er einen Betrag von 1.000.000 DM geltend. Er stützt seine Klage auch darauf, daß die Beklagten keine baubegleitenden Kostenermittlungen vorgelegt hätten. Im übrigen hat er behauptet, die Beklagten hätten die Handwerkerleistungen überteuert vergeben , die Rechnungen seien nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Zudem hat er Mängel der Leistung beanstandet. Die Beklagten haben Widerklage auf Zahlung von 170.000 DM erhoben. Diese Widerklage haben sie in Höhe von 100.000 DM auf Honoraransprüche aus einer Abschlagsrechnung für Leistungen gestützt, die sie für ein anderes Projekt, die Errichtung eines Bürogebäudes in W., erbracht haben. In Höhe von 70.000 DM haben sie Honoraransprüche für Leistungen für die Villa B. aus einer 4. Abschlagsrechnung geltend gemacht. Dieser haben sie eine Kostenberechnung , einen Kostenanschlag und eine Kostenfeststellung nach DIN 276 beigefügt. Der Kläger hat die Aufrechnung mit der Schadensersatzforderung erklärt. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. In der Berufung ist die Widerklage auf eine Teilschlußrechnung über Architektenleistungen für das Bürogebäude in Höhe von 105.874,36 DM und für die Villa B. in Höhe von 83.305,54 DM gestützt worden. Hilfsweise haben die Beklagten den Gesamtbetrag von 189.179,90 DM als Abschlagszahlung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Beklagten ist der Kläger zur Zahlung von 189.179,90 DM (96.726,14 €) nebst Zinsen verurteilt worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Beklagten nach seinem Klageantrag zu ver-
urteilen und die Widerklage abzuweisen. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet. Der Kläger könne Schadensersatz weder aus § 635 BGB noch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung verlangen. Zwischen den Parteien sei im Anschluß an die Besprechung der Kostenschätzung vom 24. März 1994 mündlich ein Architektenvertrag mit dem Inhalt geschlossen worden, wie er sich aus dem im Oktober 1994 und Januar 1995 von den Parteien unterzeichneten schriftlichen Vertrag ergebe. Danach seien die Beklagten verpflichtet gewesen, Architektenleistungen gemäß § 15 HOAI, Leistungsphasen 1 bis 9, zu erbringen. Eine mangelhafte Leistung der Beklagten liege nicht vor. Weder sei eine Kostenobergrenze noch ein Kostenrahmen vereinbart worden. Eine gemeinsame Kostenvorstellung der Parteien habe nicht vorgelegen. Die Kostenschät-zung vom 24. März 1994 habe nach ihrem Sinn und Zweck dem Kläger die Entscheidungsgrundlage zwischen zwei Sanierungsalternativen geboten. Soweit im Bauantrag die Kostenschätzung vom 24. März 1994 übernommen worden sei, habe der Kläger nicht davon ausgehen können, daß es sich hierbei um die neu berechneten Gesamtbaukosten auf der Grundlage seiner nach diesem Datum erteilten Vorgaben handele. Die Kostendarstellung vom 13. Oktober 1994 habe lediglich dazu gedient, die steuerrechtliche Abgrenzung der Baukosten für eigen- und fremdgenutzte Wohnungen vorzunehmen. Eine Kostenvereinbarung könne auch nicht der Baukostenschätzung "Stand 31. Dezember 1994" entnommen werden. Diese habe nur die Kosten bis zum 31. Dezember 1994 wieder gegeben. Ein Mangel könne auch nicht hinsichtlich der Erstellung der Kostenermittlungen , der Kostenberechnung, des Kostenanschlags und der Kostenfeststellung festgestellt werden. Diese seien zwar geschuldet. Die Leistungen seien jedoch während des Prozesses erbracht worden. Die verspätete Vorlage der Kostenermittlungen begründe einen Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB nicht. Da im Werkvertrag ein Erfolg geschuldet werde, werde die Leistung des Werkunternehmers grundsätzlich erst mit dem für die Ablieferung des Gesamtwerkes maßgeblichen Zeitpunkt fällig, sofern nicht eine Vereinbarung über eine frühere Fälligkeit von Teilleistungen getroffen worden sei. Eine solche frühere Fälligkeit der Kostenermittlungen hätten die Parteien weder mündlich am 23. März 1994 noch im schriftlichen Architektenvertrag vereinbart. Ob die Beklagten ihrer Pflicht, die Kosten des Bauvorhabens im Planungsvorhaben richtig zu ermitteln und diese Kostenermittlung dann auch im Rahmen der Bauausführung so umzusetzen, daß es nicht zu unvertretbar hohen Kostenüberschreitungen komme, nachgekommen seien, könne im Ergebnis dahinstehen. Jedenfalls sei die Kostenschätzung vom 24. März 1994 nach
dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht fehlerhaft gewesen. Ungünstige Vertragsabschlüsse seien den Beklagten nicht vorzuhalten. Auch wenn eine Pflichtverletzung der Beklagten zu bejahen sei, müßte der Schadensersatzanspruch daran scheitern, daß der Kläger keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gesetzt habe. Dem Kläger sei diese nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen. Er habe nach seiner Behauptung selbst um aktualisierte Kostenermittlungen gebeten. Bei der Vergabe der Aufträge sei die Kostensteigerung bereits erkennbar gewesen. Gleichwohl habe er bis zum Ende der Baumaßnahme davon abgesehen, die Beklagten zu einer Korrektur einer Planung aufzufordern. Der Kläger habe die Höhe des Schadens auch nicht substantiiert dargelegt. Er habe schon nicht dargelegt, welche Kosten er für die Sanierung der Immobilie tatsächlich aufgewandt habe. Eine Bezugnahme auf die Kostenermittlung der Beklagten werde den Anforderungen nicht gerecht, da zwischen den Parteien streitig sei, in welchem Umfang der Kläger die Rechnungen der Bauunternehmer bezahlt habe. Er habe darüber hinaus nicht dargelegt, welche Steuervorteile er sich infolge des Bauvorhabens anrechnen lasse. Auf die Frage , in welchem Umfang er Schadensersatzleistungen der Beklagten zu versteuern habe, komme es nicht an. An einen Ersatz des Schadens sei erst zu denken, wenn zuvor ein Schaden festgestellt worden sei. Ob ein Schaden vorliege , könne nicht festgestellt werden, da der Kläger zur Höhe seiner Steuervorteile nichts vorgetragen habe. Da der Kläger erhebliche Abschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz sowie nach § 7 EStG vorgenommen habe, sei es letztlich möglich, daß ein wirtschaftlicher Schaden überhaupt nicht eingetreten sei. Eine mögliche Schadensersatzzahlung der Beklagten vermindere die Anschaffungskosten nicht. Die Schadensersatzverpflichtung habe auf die entstandene und rechtmäßig festgesetzte Einkommenssteuer keinen Einfluß.
Der Kläger könne seinen Schadensersatzanspruch auch nicht auf eine positive Vertragsverletzung der Beklagten stützen. Eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten wäre für den geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden. Die grundsätzliche Pflicht der Beklagten, den Kläger über Baukostensteigerungen zu beraten, bestehe nur, wenn sich die Verteuerung nicht ohnedies aus den Gesamtumständen von Zusatzaufträgen ergebe bzw. dem Bauherr erkennbar sei. Dies werde bei grundlegenden baulichen Änderungen oder Qualitätsverbesserungen , die der Bauherr gegenüber dem ursprünglichen Ausbaustandard veranlasse, immer der Fall sein. Ob der Kläger auf dieser Grundlage beratungsbedürftig gewesen sei, bedürfe keiner Aufklärung. Ein Schadensersatzanspruch scheitere, wenn davon auszugehen sei, daß der Bauherr das Bauvorhaben auch bei rechtzeitiger Kenntnis der späteren Bausummenüberschreitung fortgesetzt hätte, weil die mangelnde Aufklärung über die fortlaufenden Kosten dann nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden sei. Davon, daß die in der ursprünglichen Kostenschätzung genannten und im Bauantrag wiederholten Kosten von 650.000 DM nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen seien, habe der Kläger spätestens nach Erhalt der Kostenzusammenstellung vom 13. Oktober 1994 sowie der Kostenschätzung vom 27. Oktober 1994 über rund 779.000 DM ausgehen müssen. Der Kläger habe in Kenntnis der geänderten Prognosen gleichwohl ab dem 7. November 1994 die ersten Aufträge erteilt. Er hätte durch einfache Addition der erteilten Aufträge erkennen können, daß er bereits Ende November die Baukostensumme von 1 Mio. DM überschreiten werde. Die Überschreitung habe nicht zum Abbruch des Objekts geführt. Der Kläger habe sich auch später zu keiner Zeit von der Fortsetzung des Projekts abhalten lassen.
Zur Widerklage führt das Berufungsgericht aus, den Beklagten stehe aus der Honorarteilschlußrechnung vom 15. Juli 1999 über Leistungen für das Bürogebäude ein Honorar von 105.874,36 DM und über Leistungen für die Villa B. ein Honorar von 83.305,54 DM zu. Die Leistungen aus den abgerechneten Leistungsphasen seien erbracht. Die neben der Kostenschätzung noch geschuldeten Kostenermittlungen lägen der Honorarteilschlußrechnung bei. Mit Schadensersatzansprüchen aus dem Bauvorhaben Villa B. könne der Kläger nicht aufrechnen, weil diese nicht bestünden.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. A. Zur Klage Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die Behauptung, die Beklagten hätten ihn nicht richtig über die voraussichtlichen Baukosten für die von ihm gewählte Sanierung aufgeklärt, bevor er die ersten Bauunternehmer beauftragt und damit die Durchführung der Maßnahme in die Wege geleitet habe. Die Aufklärungspflichtverletzung sei ursächlich für seine Entscheidung gewesen, das Bauwerk zu sanieren und nicht zu veräußern. Infolge der unterlassenen Aufklärung habe sich sein Vermögen um mindestens 1 Mio. DM verringert. 1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Verletzung von Aufklärungspflichten scheitert nach dem in der Revision zu unterstellenden Sachverhalt nicht daran, daß die Beklagten keine Pflichten verletzt haben. Auch kann die Ursächlichkeit einer möglichen Pflichtverletzung nicht mit den Erwägungen des Berufungsgerichts verneint werden.a) Zwischen den Parteien ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Vertrag über Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI für die Sanierung der Villa B. geschlossen worden. aa) Auf der Grundlage dieses Vertrages schuldeten die Beklagten ungeachtet ihrer Verpflichtung, verschiedene Kostenermittlungen vorzulegen, eine zutreffende Aufklärung über die voraussichtlichen Baukosten. Der Architekt ist bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung gehalten, den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken (BGH, Urteil vom 17. Januar 1991 - VII ZR 47/90, BauR 1991, 366, 367). Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß die Beklagten nach § 1.2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag verpflichtet waren, den Kläger zu den Baukosten und deren Ermittlung allgemein zu beraten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067 = ZfBR 1998, 22). Die Kostenberatung durch den Architekten hat den Zweck, den Besteller über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit dieser die Entscheidung über die Durchführung des Bauvorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen kann. Diese allgemeine Beratungspflicht erfährt keine Einschränkung dadurch, daß Kostenangaben des Architekten zu besonderen Zwecken benötigt werden. Sofern sich aus den Umständen nichts besonderes ergibt, darf der Besteller davon ausgehen, daß zu solchen Zwecken abgegebene Kostenschätzungen zutreffend sind. Ist das nicht der Fall, muß der Architekt über die Schwächen der Kostenangaben aufklären. Er muß deshalb darüber aufklären, daß seine Kostenangaben im Bauantrag oder zur Unterstützung von Kreditanträgen sowie zur Sicherung von Förderungsmöglichkeiten ungenau oder sogar fehlerhaft und deshalb keine geeignete Grundlage für die Investitionsentscheidung sein können.
Unzutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Aufklärungspflicht bestehe nur, wenn die spätere Verteuerung für den Besteller nicht ohnehin erkennbar sei. Die allgemeine Beratungspflicht über die Kosten des Bauvorhabens besteht bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung. Hat der Architekt die Vorlage verschiedener Kostenermittlungen, wie Kostenberechnung , Kostenanschlag und Kostenfeststellung übernommen, ist er jedenfalls in den Zeitpunkten, in denen diese Kostenermittlungen vorgelegt werden müssen, zu zutreffenden Kostenangaben verpflichtet. Legt der Architekt unabhängig davon fehlerhafte Kostenschätzungen zu besonderen Zwecken vor, so besteht eine gesteigerte Aufklärungspflicht über deren Fehler in diesem Zeitpunkt. Sie wird nicht dadurch gemindert, daß der Besteller die Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit später erkennen kann. In Ausnahmefällen kann die Aufklärungspflicht entfallen, wenn der Besteller positive Kenntnis von den aufzuklärenden Umständen hat und auch in der Lage ist, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens selbständig zu erkennen, so daß er einer Beratung durch den Architekten nicht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 – VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319, 1322 = ZfBR 2000, 28). bb) Gegen ihre Verpflichtung, den Kläger richtig aufzuklären, haben die Beklagten nach dem in der Revision zu unterstellenden Sachverhalt mehrfach verstoßen. Die Beklagten haben im Bauantrag vom 14. Juni 1994 Baukosten von 650.000 DM angegeben. Nach dem Gutachten des Sachverständigen waren diese Kosten fehlerhaft ermittelt. Die Kosten hätten nach der dem Bauantrag zugrunde liegenden Planung auf 1.340.000 DM geschätzt werden müssen. In dem vom Berufungsgericht erwähnten Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige lediglich seine Ausführungen zur Kostenschätzung vom 24. März 1994 korrigiert, nicht jedoch die Ausführungen zu den zu schätzenden Baukosten im
Zeitpunkt des Bauantrags. Die Beklagten haben den Kläger nicht darüber aufgeklärt , daß die Angaben im Bauantrag fehlerhaft sind. Die zu diesem Zeitpunkt vorzulegende Kostenberechnung, die über die Fehlerhaftigkeit und Unzuverlässigkeit der bisherigen Kostenangaben Auskunft gegeben hätte, haben sie nicht vorgelegt. Die Beklagten haben sodann in ihrer zur Unterstützung von Kreditanträgen vorgenommenen Kostenschätzung vom 13. Oktober 1994 zu geringe Kosten angegeben. Auch in diesem Zusammenhang haben sie nicht darüber aufgeklärt, daß die Kostenschätzung fehlerhaft ist. Schließlich ergibt sich auch aus der Kostenschätzung vom 27. Oktober 1994 nicht, daß sie die Kosten auch weiterhin zu niedrig eingeschätzt haben.
b) Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der Beklagten für die Entscheidung des Klägers, das Haus zu sanieren und nicht zu veräußern, kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. aa) Richtig ist, daß die Pflichtverletzung dann nicht ursächlich für einen Schaden aus einer Aufklärungspflichtverletzung ist, wenn der Geschädigte sich nach der gebotenen Aufklärung nicht anders verhalten hätte. bb) Zu Unrecht will das Berufungsgericht das annehmen, weil der Kläger das Bauvorhaben in Kenntnis von Kostensteigerungen begonnen und fortgesetzt hat. Allein aus dem Umstand, daß der Kläger in Kenntnis von Kostensteigerungen die Bauunternehmer beauftragt hat, kann nicht geschlossen werden, daß er das Bauvorhaben bei richtiger Aufklärung ebenfalls durchgeführt hätte. In der Revision ist davon auszugehen, daß ihm bei richtiger Aufklärung bewußt gewesen wäre, daß die Baukosten 1.340.000 DM betragen werden und deshalb das Bauvorhaben, wie er behauptet, nach damaliger Einschätzung nicht rentabel ist. Dann liegt es nahe, daß er jedenfalls dann von dem Objekt Abstand ge-
nommen hätte, wenn er es ohne Verlust hätte verkaufen können. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich kein vernünftiger Grund, warum der Kläger ein unrentables Objekt hätte durchführen sollen. Daraus, daß es bereits bei der Beauftragung Kostensteigerungen im behaupteten Umfang von ca. 230.000 DM gegeben hat, kann nicht geschlossen werden, daß der Kläger bereit war, auch eine deutlich höhere Kostensteigerung, die zur Unrentabilität führt, zu akzeptieren. Aus dem Umstand, daß der Kläger im Laufe des Jahres 1995 den deutlich werdenden Kostensteigerungen nicht widersprochen hat und das Bauvorhaben fortführen ließ, kann nicht ohne Abwägung der gesamten Umstände geschlossen werden, daß er das Bauvorhaben in Kenntnis der hohen Kosten auch begonnen hätte. Das Berufungsgericht läßt unberücksichtigt, daß bei fortschreitendem Bauvorhaben ein wirtschaftlicher Zwang bestehen kann, das Bauvorhaben trotz steigender Kosten fortzuführen. 2. Die Klage kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung als unsubstantiiert abgewiesen werden, daß der Kläger nicht angegeben habe, welche Kosten er für die Sanierung der Immobilie tatsächlich aufgewandt habe; eine Bezugnahme auf die Kostenermittlung der Beklagten werde den Anforderungen nicht gerecht, da zwischen den Parteien streitig sei, in welchem Umfang der Kläger die Rechnungen bezahlt habe. Diese Begründung belegt nicht, daß der Kläger seinen Schaden nicht substantiiert dargelegt hat. Die Frage, in welchem Umfang die Bezahlung der Rechnungen streitig ist, spielt für die Substantiierung des Schadensersatzanspruches keine Rolle. Das Berufungsgericht hat möglicherweise zudem nicht bedacht, daß bereits die Belastung mit Verbindlichkeiten ein Schaden ist. Der Kläger kann sich insoweit auf die Kostenfeststellung der Beklagten beziehen.
3. Das Urteil hat auch keinen Bestand, soweit das Berufungsgericht die Klage deshalb als unschlüssig angesehen hat, weil der Kläger zur Höhe seiner Steuervorteile nicht vorgetragen habe.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger seinen Schaden darlegen muß. Der Schaden des Klägers besteht nach seiner Behauptung darin, daß er Herstellungskosten von über 2 Mio. DM aufgewandt hat, die er bei zutreffender Beratung nicht aufgewandt hätte. Von dieser Schadenssumme muß er sich nicht nur den Wert des Objektes abziehen lassen, sondern auch die Vorteile, die er dadurch erlangt hat, daß er die Herstellungskosten steuerlich abgesetzt hat (BGH, Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114 ff.). Diese steuerlichen Vorteile muß der Kläger darlegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1987 - VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814).
b) Der Geschädigte kann allerdings unter Umständen seiner Darlegungslast ohne detaillierte Angaben zu den Steuervorteilen genügen, wenn er einen Sachverhalt vorträgt, nach dem der Steuervorteil deshalb nicht zu einer Schadensminderung führt, weil er den Schadensersatz versteuern muß. Ein durch eine Investitionsentscheidung erlangter Steuervorteil ist grundsätzlich dann nicht zu berücksichtigen, wenn der dem Geschädigten gezahlte Schadensersatz , mit dem er so gestellt wird, als hätte er die Investitionsentscheidung nicht vorgenommen, versteuert werden muß (BGH, Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, aaO; Urteil vom 21. September 1987 - II ZR 265/86, NJW-RR 1988, 161). Die Darlegungslast des Geschädigten zu dem von ihm erlittenen Schaden kann auf Grundlage dieser Rechtsprechung nur dann erleichtert sein, wenn Steuervorteil und Steuernachteil im wesentlichen auf der selben Berechnungsgrundlage entstehen. Denn nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, daß sich beide ausgleichsfähig gegenüberstehen. Ist die Berechnungsgrundlage für den Steuervorteil hingegen wesentlich höher als für den Steuernachteil, ist es Sache
des Geschädigten, den ihm dann regelmäßig zwangsläufig verbleibenden Steuervorteil darzulegen. In aller Regel wird ihm das nur möglich sein, wenn er die gesamten steuerlichen Vorteile und auch die durch die Versteuerung des Schadensersatzes drohenden Nachteile darlegt und saldiert. Die durch die Versteuerung drohenden Nachteile kann der Geschädigte aufgrund seiner für ihn erkennbaren steuerlichen Situation schätzen. Wegen der durch die Schätzung verbleibenden Unsicherheit kann er einen Feststellungsantrag stellen.
c) Auf dieser Grundlage reicht der Vortrag des Klägers entgegen seiner Ansicht nicht aus. Er hat nach seiner Behauptung Herstellungskosten von 2.007.440 DM abzüglich seines Eigenanteils steuerlich geltend gemacht. Die Schadensersatzverpflichtung in Höhe von 1.000.000 DM bleibt deutlich unter diesem Betrag. Es ist danach davon auszugehen, daß dem Kläger steuerliche Vorteile zugeflossen sind, die durch die Versteuerung des Schadensersatzes nicht ausgeglichen werden. Unter diesen Umständen ist er verpflichtet, den Schaden unter konkreter Berechnung sämtlicher steuerlicher Vorteile und möglicher Nachteile zu berechnen.
d) Zu diesem Ergebnis kommt auch das Berufungsgericht. Gleichwohl ist sein Urteil aufzuheben, weil seine Begründung nicht zu erkennen gibt, daß der Kläger mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Der Verweis auf das Urteil des Senats vom 16. Dezember 1993 (VII ZR 115/92, BauR 1994, 268 = ZfBR 1994, 119) reicht dazu nicht. Auch aus dem Vortrag der Beklagten ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger sich nicht auf die dargestellte Rechtsprechung berufen kann. Der Kläger muß Gelegenheit bekommen, seinen Vortrag zu ergänzen.
B. Zur Widerklage 1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten Honoraransprüche aus den Teilschlußrechnungen vom 15. Juli 1999 zuerkannt. Es hat nicht geprüft, ob die Berufung schon deshalb unzulässig ist, weil die Beklagten mit der Klage keine Ansprüche aus einer Teilschlußrechnung, sondern aus einer Abschlagsrechnung geltend gemacht haben. Die Berufung ist zulässig, ungeachtet dessen, daß sie auch als Anschlußberufung zulässig wäre. Allerdings muß der Kläger mit der Berufung die Beschwer bekämpfen, die sich durch die Abweisung der Klage ergibt. Stützt der Kläger seine Zahlungsklage in der Berufung auf einen neuen Streitgegenstand, so verfolgt er damit nicht die Beschwer des klageabweisenden Urteils (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – VII ZR 81/02, BauR 2004, 365 = ZfBR 2004, 151 = NZBau 2004, 157). Anders ist das, wenn der Kläger mit der Berufung statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung einen anderen Gegenstand oder das Interesse fordert, § 264 Nr. 3 ZPO. Dieser Fall liegt vor. Die Beklagten haben in der Berufung eine Schlußrechnung vorgelegt mit der Behauptung, sie seien nach Beendigung der Teilleistung berechtigt, anstelle der Abschlagszahlung eine Schlußzahlung zu verlangen. Damit haben sie wegen einer späteren Veränderung ein anderes Interesse geltend gemacht (BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 160/83, BauR 1985, 360 = NJW 1985, 1840 = ZfBR 1985, 174; Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 217/85, BauR 1987, 453 = NJW-RR 1987, 724 = ZfBR 1987, 200). Der Anspruch auf Abschlagszahlung ist lediglich eine modifizierte Form des Anspruchs auf Werklohn (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, BauR 2004, 1146 = NJW-RR 2004, 957 = ZfBR 2004, 552). An seiner insoweit abweichenden Entscheidung (Urteil vom 5. November 1998 – VII ZR 191/97, BauR 1999, 267 = NJW 1999, 713 = ZfBR 1999, 98) hält der Senat nicht fest.
2. Soweit das Berufungsgericht der Honorarklage stattgibt, kann das Berufungsurteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Kläger mit der Schadensersatzforderung aufgerechnet hat. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht prüft nicht, ob das Honorar deshalb zu mindern ist, weil die Beklagten während des Bauvorhabens die geschuldeten Kostenermittlungen nicht vorgenommen haben. Eine Minderung des Honorars kommt in Betracht.
a) Nach der vom Berufungsgericht vorgenommen Vertragsauslegung waren die Beklagten verpflichtet, die in § 15 Abs. 2 HOAI in den verschiedenen Leistungsphasen dargestellten Kostenermittlungen vorzunehmen. Diese der Revision günstige Auslegung ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht erkennt, daß in § 15 HOAI keine Leistungspflichten geregelt sind. Werden dem Architekten die Leistungsphasen 1 bis 9 aus § 15 Abs. 2 HOAI übertragen, ist eine Vertragsauslegung dahin möglich und nahe liegend, daß dem Architekten damit auch die Verpflichtung auferlegt wird, eine Kostenschätzung, eine Kostenberechnung , einen Kostenanschlag und eine Kostenfeststellung vorzulegen.
b) Das Berufungsgericht geht in anderem Zusammenhang davon aus, daß es den Beklagten frei steht, wann sie die Kostenermittlungen vornehmen. Da beim Werkvertrag ein Erfolg geschuldet sei, werde die Leistung des Werkunternehmers grundsätzlich erst mit dem für die Ablieferung des Gesamtwerkes maßgeblichen Zeitpunkt fällig, sofern nicht eine Vereinbarung über eine frühere Fälligkeit von Teilleistungen getroffen worden sei. Eine solche frühere Fälligkeit hätten die Parteien nicht vereinbart.
Das ist rechtsfehlerhaft. Der vom Architekten geschuldete Gesamterfolg ist im Regelfall nicht darauf beschränkt, daß er die Aufgaben wahrnimmt, die für die mangelfreie Errichtung des Bauwerks erforderlich sind. Vielmehr können auch Teilerfolge vereinbart sein. Inwieweit das der Fall ist, ist durch die Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Dabei sind die durch den Vertrag begründeten Interessen des Bestellers an den Arbeitsschritten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – VII ZR 259/02, BauR 2004, 1640, 1642 = NZBau 2004, 509). Vereinbaren die Parteien, daß der Architekt die in § 15 Abs. 2 HOAI genannten Kostenermittlungen schuldet, so sind diese als Teilerfolge geschuldet (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 5 Rdn. 20; Preussner in: Thode /Wirth/Kuffer, Prax.Hdb.Architektenrecht, § 9 Rdn. 52). Sie müssen grundsätzlich in den Leistungsphasen erbracht werden, denen sie in der HOAI zugeordnet sind. Andernfalls würden sie ihren Zweck regelmäßig nicht mehr erfüllen können. Dieser besteht darin, eine vom Planungsstand abhängige Information über die voraussichtlichen Kosten des Bauwerks zu erhalten. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 3. Juli 1997 – VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067 = ZfBR 1998, 22, etwas anderes ergibt, wird daran nicht festgehalten.
c) Danach kommt eine Minderung der Vergütung der Beklagten sowohl für die Leistungen für das Bürogebäude als auch für das Vorhaben Villa B. in Betracht. Die Minderung der Honoraransprüche wegen des Fehlens der Kostenschätzung , Kostenberechnung und des Kostenanschlags kann nicht deshalb versagt werden, weil der Kläger den Beklagten keine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat. Auch wenn, wofür viel spricht, § 634 Abs. 1 BGB anwendbar ist, kann der Kläger Schadensersatz oder Minderung verlangen. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist entbehrlich. Eine etwa erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nicht Voraussetzung für die Minderung wegen eines Mangels der Architektenleistung, wenn der Besteller das Interesse an der Leistung deshalb verloren hat, weil die Leistung ihren vertraglich
vorgesehenen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Das ist für die Kostenschätzungen , Kostenberechnungen und Kostenanschläge, die erst nach Durchführung des Bauvorhabens und meist zu Zwecken der Honorarberechnung vorgelegt werden, ohne weiteres anzunehmen. Unzutreffend ist die in anderem Zusammenhang dargestellte Meinung des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Kostenermittlungen könne deshalb nicht geltend gemacht werden, weil es dem Kläger während des Bauvorhabens zumutbar gewesen sei, eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen. Das Berufungsgericht stellt auf einen Zeitpunkt ab, der für die Beurteilung nicht maßgebend ist. Inwieweit die im Prozeß vorgelegte Kostenfeststellung ihren Zweck erfüllen kann, so daß sie eine zwar verspätete, aber dennoch sachlich mangelfreie Erfüllung des Vertrages darstellt, die eine Minderung ausschließt, kann der Senat mangels Feststellungen nicht beurteilen.
C.
Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dressler Thode Kuffer Kniffka BaunerSoweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens , mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferin der Beklagten trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem und gepfändetem Recht als Prozessbürgin in Anspruch.
- 2
- Die I. GmbH (im Folgenden: I. ) wurde durch - inzwischen rechtskräftiges - Vorbehaltsurteil des Landgerichts E. vom 23. Dezember 1998 verurteilt, 90.943 DM nebst Zinsen an die IM. GmbH (im Folgenden: IM. ) zu zahlen. Der I. wurde nachgelassen, die Vollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105.000 DM abzuwenden. Nach dem Beschluss des Landgerichts E. vom 28. Januar 1999 konnte die Sicherheitsleistung auch durch eine Bankbürgschaft erbracht werden.
- 3
- Am 29. Juli 1999 verbürgte sich die Beklagte gegenüber der IM. für die von der I. zu leistende Sicherheit in Höhe von 52.600,95 DM. Die IM. trat der Klägerin am 10. September 1999 ihre Forderungen aus dem Rechtsstreit gegen die I. und aus der Bürgschaft sicherungshalber ab. Am selben Tag erklärte sie in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis, der Klägerin 260.000 DM zu schulden, und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die IM. im Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 wurden die Forderungen der IM. gegen die I. und gegen die Beklagte gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen.
- 4
- Klage Die auf Zahlung von 26.894,44 € (= 52.600,95 DM) nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Die Klägerin sei aufgrund der Abtretung vom 10. September 1999 aktivlegitimiert. Außerdem habe sie, auch wenn sie als Zessionarin bereits materielle Rechtsinhaberin gewesen sei, die Forderung der IM. pfänden können, um Inhaberin der formell titulierten Rechtsposition zu werden. Die Pfändungen seien nicht aus formellen Gründen nichtig. Die gepfändete Forderung sei in dem Beschluss vom 11. Februar 2003 ausreichend genau bezeichnet. Dass die IM. als Vollstreckungsschuldnerin bereits seit dem Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht gewesen sei, stehe der Wirksamkeit der Pfändung nicht entgegen.
- 8
- Die Klageforderung sei nicht verjährt. Ein Anspruch aus einer Prozessbürgschaft verjähre wie die titulierte Hauptforderung in 30 Jahren. Aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebe sich eine Gleichwertigkeit von Bürgschaft und Hinterlegung. Der Anspruch auf Herausgabe hinterlegter Gegenstände erlösche gemäß § 21 Abs. 1 HinterlO grundsätzlich nach 30 Jahren.
- 9
- Auch bei Zugrundelegung einer nur dreijährigen Verjährungsfrist sei keine Verjährung eingetreten. Die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bis zum 31. Dezember 2004 laufende Verjährungsfrist sei durch die Zustellung der Klage am 15. Dezember 2004 gehemmt worden. Dies gelte nicht nur, wenn die Klägerin die Bürgschaftsforderung durch die Pfändung erworben habe, auf die die Klage von Anfang an gestützt worden sei, sondern auch bei einem Erwerb durch die Abtretung, auf die die Klägerin sich erstmals im Schriftsatz vom 1. Juni 2005 bezogen habe. Streitgegenstand sei immer die Bürgschaftsforderung gewesen, die die Klägerin aus fremdem Recht geltend gemacht habe. Ob die Klägerin durch Abtretung oder durch Pfändung Rechtsinhaberin geworden sei, habe auf den Streitgegenstand der Bürgschaftsklage keinen Einfluss.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 10. September 1999 Inhaberin der Forderung gemäß § 765 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte in Höhe der Klagesumme geworden ist. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin auch aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 aktivlegitimiert ist, d.h. ob die Klägerin die Forderung, deren Inhaberin sie bereits durch die Abtretung geworden war, noch wirksam pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen konnte (bejahend: OLG Köln WM 1978, 383, 385; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl. § 829 Rdn. 21, 67; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl. § 829 Rdn. 8; Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 829 Rdn. 11; HK-ZPO/Kemper, § 829 Rdn. 9; vgl. auch RGZ 86, 135, 137; verneinend: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 54 S. 636; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 829 Rdn. 18).
- 12
- 2. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klageforderung sei nicht verjährt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 13
- a) Dies gilt auch dann, wenn für den Anspruch aus der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 die kürzeste in Betracht kommende, nämlich die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt, die nach der rechtsfehlerfreien und von der Revision unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts am 31. Dezember 2004 endete. Deshalb kann dahinstehen, ob aufgrund einer längeren Verjährungsfrist, eines späteren Fristbeginns, etwa erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen, oder einer Ablaufhemmung , z.B. bis zur Verjährung der Hauptschuld (vgl. Palandt/Sprau, BGB 66. Aufl. § 765 Rdn. 26 m.w.Nachw.), von einem späteren Ende der Verjährungsfrist auszugehen ist.
- 14
- b) Die Verjährungsfrist ist durch die Zustellung der Klageschrift am 15. Dezember 2004 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Aktivlegitimation in der Klageschrift nur mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 11. und 17. Februar 2003 begründet und erst nach Ablauf der Verjäh- rungsfrist in einem Schriftsatz vom 1. Juni 2005 auf die Abtretung vom 10. September 1999 gestützt worden ist.
- 15
- Die Erhebung der Klage hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005 m.w.Nachw.). Hingegen erstreckt sich die Verjährungshemmung nicht auf Ansprüche, die nicht Gegenstand der Klageerhebung waren (vgl. BGHZ 104, 268, 271 ff.; BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066). Der auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der auf die Abtretung gestützte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision derselbe prozessuale Anspruch.
- 16
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert , und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinn geht der Klagegrund über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGHZ 117, 1, 5 f.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126, 3127 m.w.Nachw.).
- 17
- Nach diesen Grundsätzen liegt im Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts grundsätzlich ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung gemäß § 263 ZPO (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005). Hingegen ändert sich der Streitgegenstand nicht, wenn bei einer stillen Sicherungszession der Zedent die abgetretene Forderung zunächst aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung geltend macht und später aufgrund einer Rückabtretung des Sicherungsnehmers weiterverfolgt. Dasselbe gilt für eine Umstellung des Klageantrages auf Zahlung an den Sicherungsnehmer nach Offenlegung der Sicherungsabtretung. Bei einer stillen Zession macht der Zedent nämlich aufgrund der Einziehungsermächtigung, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die an den Sicherungsnehmer abgetretene Forderung geltend (BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066).
- 18
- bb) Gemessen hieran hat sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 765 Abs. 1 BGB aufgrund der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 zunächst auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 und später auf die Abtretung vom 10. September 1999 gestützt hat. Die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unabhängig von der Begründung ihrer Aktivlegitimation, immer die in der Person der IM. entstan- dene Bürgschaftsforderung gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, die Klägerin sei aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aus fremdem Recht, aufgrund der Abtretung hingegen aus eigenem Recht vorgegangen. Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung bewirkt zwar keinen Forderungsübergang (BGHZ 114, 138, 141) und steht deshalb einer Forderungsabtretung nicht gleich (Stöber, Forderungspfändung 14. Aufl. Rdn. 589). Sie verschafft dem Vollstreckungsgläubiger aber ein eigenes Einziehungsrecht und ermächtigt ihn, die Forderung in eigenem Namen einzuziehen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1981 - VII ZR 319/80, WM 1981, 1338). Deshalb tritt - ebenso wie bei Geltendmachung einer abgetretenen Forderung aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Einziehungsermächtigung und später aufgrund einer Rückabtretung (BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066) - keine Änderung des Streitgegenstandes ein, wenn - wie hier - eine Forderung zunächst aufgrund des durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangten Einziehungsrechts und später aufgrund einer Abtretung geltend gemacht wird. Der zeitliche Abstand zwischen der Abtretung und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist entgegen der Auffassung der Revision für die Bestimmung des Streitgegenstandes unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065).
III.
- 19
- Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Mayen Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 26.10.2005 - 21 O 530/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2006 - 13 U 226/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung in Berlin, die er mit notariellem Vertrag vom 19. März 1989 an Frau M., die Nichte der Beklagten, verkaufte. Die Käuferin vermietete mit Zustimmung des Klägers die Wohnung durch
Vertrag vom 11. April 1989 an die Beklagte. Der Kaufvertrag wurde nicht vollzogen.
Mit einer im März 1995 erhobenen Klage verlangte der Kläger von der Beklagten Räumung der Wohnung und Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Der Räumungsklage wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. März 1998 (V ZR 298/96) stattgegeben, weil der Kaufvertrag wegen Unterverbriefung des Kaufpreises formnichtig war. Im Mai 1998 ist die Beklagte aus der Wohnung ausgezogen. Der Kläger hat seinen Anspruch wegen der Nutzung der Wohnung auf insgesamt 146.239,08 DM beziffert und gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht.
Schon am 27. August 1993 hatte die Käuferin wegen einer Forderung von insgesamt 18.797,98 DM zuzüglich Zinsen die angebliche Forderung des Klägers gegen die Beklagte aus "Mietzahlungen für Wohnung" einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge gepfändet. Am 11. April, 17. Juni und 29. August 1994 hatte das Finanzamt Zehlendorf wegen Steuerforderungen von insgesamt 530,99 DM und am 21. Februar 1995 das Finanzamt BerlinMitte /Tiergarten wegen einer Forderung von 12.695,86 DM auf dieselben Ansprüche gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen.
Das Landgericht hat die Zahlungsklage wegen dieser Pfändungen als unzulässig abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger den Anspruch weiterverfolgt, hilfsweise Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten und weiter hilfsweise Hinterlegung zum Zwecke der Auskehr an die Gläubiger Finanzamt Mitte/Tiergarten und die Käuferin sowie das Finanzamt Zehlendorf und des Restbetrages an sich selbst begehrt. Außerdem hat der Kläger in Erweiterung
des Hauptantrages Schadensersatz in Höhe von 23.000 DM zuzüglich Zinsen wegen schuldhafter Beschädigungen der Wohnung und nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen verlangt. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit der Hauptantrag in Höhe von 15.000 DM zuzüglich Zinsen (Schadensersatz wegen Beschädigung der Wohnung) sowie die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
A.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe den Schaden nicht im einzelnen substantiiert. Er habe pauschal einzelne Beträge angegeben, ohne darzulegen, wie und aufgrund welcher Tatsachen die angeblichen Kosten ermittelt worden seien. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Ein Mietvertrag ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Das Berufungsgericht geht daher im Ansatz zutreffend davon aus, daß der
geltend gemachte Anspruch nur gemäß §§ 989, 990 BGB begründet sein kann. Nach dem Vorbringen des Klägers wußte die Beklagte im Zeitpunkt der Veränderung und der Beschädigungen, daß sie zum Besitz nicht berechtigt war, und wäre auch in der Lage gewesen, die Verschlechterungen der Sache zu vermeiden. Dem entgegenstehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte dem Kläger für die behaupteten Beschädigungen und Veränderungen der Mietsache Schadensersatz schuldet.
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Schaden nicht hinreichend substantiiert dargetan, wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, genügt seiner Substantiierungslast (§ 138 Abs. 1 ZPO) durch die Behauptung von Tatsachen, die geeignet sind, in Verbindung mit einem Rechtssatz die behauptete Rechtsfolge entstehen zu lassen (BGH, Urt. v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 18. Mai 1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, 2887, 2888). Das ist hier dadurch geschehen, daß der Kläger die von ihm beanstandeten Beschädigungen und Veränderungen der Wohnung im einzelnen benannt und den geschätzten Beseitigungsaufwand angegeben hat. Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte in der Wohnung eine Wand entfernt. Deren Wiederherstellung koste 4.000 DM; außerdem seien für im Zusammenhang damit notwendige Elektroinstallationen 1.000 DM und für Malerarbeiten 2.000 DM aufzuwenden. Weiter entständen Kosten von 4.000 DM im Bad für die Erneuerung beschädigter Fliesen , defekter und demontierter Armaturen sowie einer völlig verschmutzten Toilettenschüssel. Schließlich koste in der Küche der Austausch von Fliesen,
das Neuverlegen des beschädigten Bodens, die tischlermäßige Instandsetzung der Möblierung sowie der Wiedereinbau einer Abzugshaube insgesamt 4.000 DM. Da der benötigte Geldbetrag verlangt werden kann, bevor der ordnungsgemäße Zustand der Sache wieder hergestellt ist (§ 249 Satz 2 BGB), gehört zu einer schlüssigen Schadensdarstellung nicht die genaue Angabe aller im einzelnen erforderlichen Arbeiten sowie eine betragsmäßig exakte Kostenberechnung. Im übrigen brauchte der Kläger den Schaden auch deshalb nicht ausführlicher zu erläutern, weil die Beklagte seine Behauptungen lediglich pauschal bestritten hat (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO).
3. Wegen des ihm in diesem Punkt zustehenden Anspruchs kann der Kläger Zahlung an sich verlangen; denn die ergangenen Pfändungsakte erstrecken sich nicht auf Schadensersatzforderungen.
B.
Soweit die Klage den behaupteten Nutzungsentschädigungsanspruch des Klägers in Höhe von 146.239,08 DM betrifft, hat das Berufungsgericht die Hilfsanträge mangels Prozeßführungsbefugnis des Klägers als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Der Hilfsantrag auf Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten müsse erfolglos bleiben, weil weitere Pfändungsmaßnahmen getroffen worden seien, die des Finanzamts Zehlendorf sowie der Käuferin M.. Die von beiden Finanzämtern erteilten Ermächtigungen reichten nicht aus, weil sie die an die einzel-
nen Pfändungsgläubiger auszukehrenden Anteile der Forderungen nicht erfaßten und es zudem an einer Ermächtigung der Gläubigerin M. fehle.
Die Hinterlegung stelle lediglich ein Erfüllungssurrogat zugunsten des Schuldners dar; dieser sei unter den Voraussetzungen des § 372 BGB zur Hinterlegung berechtigt, nicht verpflichtet. Eine Hinterlegung des zur Erfüllung der mehrfach gepfändeten Forderung benötigten Betrages verschlechtere zudem möglicherweise die Rechtsstellung einzelner Pfändungsgläubiger.
Diesen Erwägungen ist ebenfalls nicht zu folgen; denn sie lassen die berechtigten Interessen des Klägers als Gläubiger der gepfändeten Forderungen außer Acht.
I.
Mit dem ersten Hilfsantrag in der bisher gestellten Form auf Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten kann die Klage allerdings keinen Erfolg haben.
Die Pfändung der Gläubigerin M. geht der Pfändungsverfügung des Finanzamts im Range vor. Da der Pfändungsbeschluß keine Beschränkung enthält , erstreckt er sich auf die Gesamtforderung des Klägers; diese ist insgesamt verstrickt worden (vgl. BGH, Urt. v. 22. Januar 1975 - VIII ZR 119/73, NJW 1975, 738; v. 21. November 1985 - VII ZR 305/84, NJW 1986, 977, 978). Verlangt bei mehrfacher Pfändung ein nachrangiger Gläubiger Zahlung, bevor der bevorrechtigte Gläubiger befriedigt ist, steht dem Drittschuldner der Ein-
wand aus § 804 Abs. 3 ZPO zu. Er kann sich also auf den Vorrang der anderweitigen Pfändung berufen. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner Leistung an den nachrangigen Gläubiger verlangt, weil er nicht zu Verfügungen berechtigt ist, die die Pfändungsgläubiger beeinträchtigen. Davon abgesehen steht dem Finanzamt Mitte/Tiergarten nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nur noch eine Forderung von 12.695,86 DM zu.
II.
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht erkannt, daß das der Klage zugrundeliegende Begehren des Klägers mittels einer sachdienlichen Umgestaltung des ersten Hilfsantrags erreichbar ist.
1. Das Klagevorbringen sowie die Staffelung der Anträge machen deutlich , daß der Kläger den behaupteten Anspruch in erster Linie mittels eines Antrags auf Leistung an sich - insoweit ist die Klage infolge der Nichtannahme der Revision rechtskräftig abgewiesen -, in zweiter Linie durch einen Antrag, der zur Folge hat, daß vorrangig die Pfändungsgläubiger befriedigt werden und er den verbleibenden Rest der Forderung erhält, und höchst fürsorglich mit einem Hinterlegungsantrag geltend macht. Vor der Behandlung dieses zweiten Hilfsantrags hätte der Tatrichter prüfen müssen, ob das erkennbar gewordene Klageziel durch eine sachgerechte Fassung des hilfsweise formulierten Zahlungsantrags zum Erfolg führen kann. Aufgrund der dem Richter gemäß § 139 Abs. 1 ZPO obliegenden Hinweispflicht war auf eine entsprechende Ä nderung selbst dann hinzuwirken, wenn es einer weitgehenden Umgestaltung des bis-
her formulierten Antrags bedurfte. Das war hier insbesondere deshalb geboten, weil der Kläger, was sich der Gestaltung seiner Anträge ohne weiteres entnehmen ließ, das wirtschaftlich erstrebte Ziel auf jedem nur möglichen prozessualen Wege erreichen wollte.
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Kläger berechtigt , die Gesamtforderung umfassende Leistungsanträge zu stellen, auch ohne dazu von der vorrangigen Pfändungsgläubigerin ermächtigt worden zu sein.
a) Eine für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung bewirkt lediglich, daß er die Forderung nicht mehr für sich einziehen, also nicht Leistung an sich verlangen kann (RGZ 83, 116, 118 f; BGHZ 82, 28, 31; 114, 138, 141). Verboten sind dem Schuldner allein Verfügungen zum Nachteil des pfändenden Gläubigers. Rechtshandlungen, die weder den Bestand der Pfandrechte noch den der gepfändeten Forderung beeinträchtigen, sind ihm infolge der bei ihm verbliebenen Berechtigung dagegen gestattet. Aus diesem Grunde darf er auf Leistung an den Pfändungsgläubiger klagen, und zwar aus eigenem Recht. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage folgt schon aus dem Interesse des Schuldners, von der dem Pfändungsgläubiger gegenüber bestehenden Verbindlichkeit befreit zu werden. Da sich die Prozeßführungsbefugnis schon daraus ergibt, daß ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (vgl. BGHZ 114 aaO; Zöller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 836 Rn. 5).
b) Diese Rechtsstellung bleibt auch dann erhalten, wenn die Forderung des Schuldners mehrfach gepfändet worden ist. Aus § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO
folgt, daß seine Verpflichtung sich nunmehr darauf erstreckt, die Rechte aller Pfändungsgläubiger und damit auch das unter ihnen bestehende Rangverhältnis (§ 804 Abs. 3 ZPO) zu beachten. Sind diese Interessen gewahrt, gibt es keinen einsichtigen Grund, ihm bei mehrfacher Pfändung die Klage auf Zahlung an die Pfändungsgläubiger zu versagen. Der Klageantrag muß lediglich zweifelsfrei das Rangverhältnis unter den Gläubigern kennzeichnen, damit dieses bei der Vollstreckung beachtet wird.
c) Da der Schuldner noch Inhaber der Forderung ist, wird ihm von der ganz herrschenden Meinung die Befugnis eingeräumt, auf Feststellung des Bestehens der Forderung zu klagen (vgl. BGHZ 114, 138, 141; Zöller/Stöber, aaO § 836 Rn. 5; Musielak/Becker, ZPO 2. Aufl. § 835 Rn. 12). Dies mag sachgerecht sein, wenn der Schuldner nicht auf Leistung an die Pfändungsgläubiger klagen will. Hier geht es jedoch um eine andere Frage. Der Kläger berühmt sich einer Forderung, die über die Summe der Ansprüche seiner Pfändungsgläubiger weit hinausgeht, von der Drittschuldnerin jedoch bestritten wird. Der Kläger möchte den nach Befriedigung der Pfändungsgläubiger verbleibenden Restanspruch schon jetzt im Wege der Leistungsklage gegen die Beklagte geltend machen. Daran hat er ein berechtigtes Interesse, sofern sichergestellt ist, daß er die Restforderung nicht ausbezahlt erhält, bevor die Forderungen der Pfändungsgläubiger getilgt sind. Der Schuldner verdient auch Schutz davor, daß die Durchsetzung seiner Restforderung durch die infolge der Pfändung gemäß § 829 Abs. 3 ZPO ausgelösten Wirkungen nicht mehr als unbedingt notwendig verzögert und gefährdet wird. Diese Gefahr besteht in besonderem Maße, wenn die durch die Pfändung gesicherten Ansprüche weitaus niedriger sind, als die gepfändete Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner und die Pfändungsgläubiger von sich aus den Drittschuldner nicht in
Anspruch nehmen. Die daraus dem Schuldner entstehenden Risiken treten im Streitfall besonders deutlich hervor. Die Käuferin als vorrangige Pfändungsgläubigerin ist untätig geblieben, möglicherweise deshalb, weil sie kein Interesse daran hat, daß ihre Forderung aus dem Vermögen der Beklagten, ihrer Tante, befriedigt wird. Wäre der Schuldner in solchen Fällen gehindert, gegen den Drittschuldner vorzugehen, solange die Forderungen der Pfändungsgläubiger nicht erfüllt sind, bliebe ihm nur die Möglichkeit, von dem Gläubiger, der die Beitreibung der ihm überwiesenen Forderung verzögert hat, den daraus entstandenen Schaden erstattet zu verlangen (§ 842 ZPO). Daß das Gesetz einen solchen Ersatzanspruch vorsieht, rechtfertigt es jedoch nicht, dem Schuldner die alsbaldige Durchsetzung der ihm trotz der Pfändung verbleibenden Restforderung gegen den Drittschuldner zu versagen, wenn eine Form der Leistungsklage möglich ist, die die berechtigten Belange weder der Pfändungsgläubiger noch des Drittschuldners beeinträchtigt.
d) Der Schuldner kann deshalb zur Sicherung seiner eigenen Rechte schon vor Befriedigung der Pfändungsgläubiger Klage auf zukünftige Leistung erheben.
aa) Eine Klage auf zukünftige Leistung ist gemäß § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Ernstliches Bestreiten der behaupteten Forderung begründet in der Regel die Besorgnis der Leistungsverweigerung (BGHZ 5, 342, 344; BGH, Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, NJW 1999, 954, 955). Die Beklagte hat ihre Verpflichtung schon dem Grunde nach in Abrede gestellt und davon abgesehen auch die Höhe des Anspruchs bestritten.
bb) Die geltend gemachten Ansprüche müssen bereits entstanden sein; sie dürfen aber von einer Gegenleistung abhängen oder bedingt sein (BGHZ 43, 28, 31; Zöller/Greger, aaO § 259 Rn. 1). Diesen Anforderungen entspricht ein Begehren auf Leistung des nach Befriedigung der Pfändungsgläubiger verbleibenden Restes an den Kläger; denn seine Forderung ist schon jetzt fällig und die Berechtigung auf Zahlung an ihn nur davon abhängig, daß die Pfändungsgläubiger befriedigt sind. Bedingung für den Anspruch ist also der Wegfall der zu deren Gunsten bestehenden Pfändungspfandrechte. Da diese erlöschen, sobald die Forderungen der Gläubiger erfüllt sind, steht einer Klage auf zukünftige Leistung auch nicht der Umstand entgegen, daß gegenwärtig infolge der Pfändung die Gesamtforderung verstrickt ist.
cc) Die Anträge sind auf Zahlung an die einzelnen Pfändungsgläubiger ihrem Rang entsprechend zu richten. Deren Forderungen, einschließlich der aus den Pfändungsbeschlüssen oder -verfügungen ersichtlichen Kostenbeträge (vgl. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO), müssen genau beziffert werden. Mit diesem Begehren kann ein Antrag auf Zahlung an den Schuldner verbunden werden, der den Gesamtbetrag des geltend gemachten Anspruchs bezeichnet und zugleich zum Ausdruck bringt, daß der Drittschuldner daraus nur den Restbetrag an den Kläger zu leisten hat, der diesem nach Erfüllung der Ansprüche der Pfändungsgläubiger noch zusteht.
dd) Durch diese Form der Antragstellung sind die Rechte der Pfändungsgläubiger ebenso wie die Belange des Drittschuldners sogar dann ausreichend geschützt, wenn die den Pfändungen zugrundeliegenden Forderungen im Klageantrag fehlerhaft, nämlich zu niedrig, angegeben werden. Im Um-
fang der Differenz ist der Antrag auf Zahlung an den Schuldner wegen des Vorrangs der Pfändungsgläubiger als unbegründet abzuweisen. Wird der Fehler im Prozeß zwischen Schuldner und Drittschuldner nicht bemerkt, erleiden die Pfändungsgläubiger im allgemeinen keinen Rechtsverlust. Sie sind in einem solchen Falle berechtigt, den nicht befriedigten Teil der gepfändeten Forderung selbständig gegen den Drittschuldner geltend zu machen. Nach Überweisung der gepfändeten Forderung kann sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner Klage erheben. Beiden steht die Klagebefugnis unabhängig voneinander zu (BGHZ 114, 138, 141; Stöber, Forderungspfändung 12. Aufl. Rn. 671). Das Urteil, das der Schuldner erzielt, äußert gegenüber den Pfändungsgläubigern keine Rechtskraftwirkung. Der Drittschuldner andererseits hat die Möglichkeit, sich vor der Gefahr doppelter Zahlung dadurch zu schützen, daß er den zwischen Schuldner und Pfändungsgläubiger streitigen Betrag hinterlegt (vgl. BGHZ 86, 337, 340). Erhält ein Pfändungsgläubiger im Einzelfall gleichwohl nicht die volle ihm zustehende Leistung und wird an den Schuldner zu viel ausbezahlt, kann er jedenfalls gegen den Schuldner einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen (vgl. BGHZ 82, 28). Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners trifft den pfändenden Gläubiger also allenfalls dann, wenn er sich nicht hinreichend um die Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs bemüht.
III.
Da der Kläger den Hinterlegungsantrag nur für den Fall gestellt hat, daß der Zahlungsantrag erfolglos bleibt, ist der zweite Hilfsantrag für die Entschei-
dung über die Revision nicht erheblich. Der Senat braucht daher nicht darauf einzugehen, ob der bisher praktisch einhelligen Meinung, der Schuldner könne den jedem Pfändungsgläubiger gemäß § 856 Abs. 1 ZPO zustehenden Anspruch nicht geltend machen (RGZ 77, 141, 144; Zöller/Stöber, aaO § 836 Rn. 5), ohne jede Einschränkung zu folgen ist.
C.
Das Berufungsgericht wird nunmehr die Begründetheit der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in dem bezeichneten Umfang zu prüfen haben. Das gibt dem Kläger die Möglichkeit, den Einwand zu erheben und zu beweisen , daß die Pfändungsverfügungen des Finanzamts Zehlendorf inzwischen aufgehoben sind.
Sollte sich im weiteren Verlauf des Rechtsstreits herausstellen, daß die Gläubigerin M. die Pfändung aufrechterhält, eine Zahlung der Beklagten
jedoch nicht annehmen will, kommt eine Verurteilung der Beklagten zur Hinterlegung dieses Betrages in Betracht (§ 372 Satz 1 BGB). Gerät die Pfändungsgläubigerin erst nach rechtskräftiger Verurteilung der Beklagten in Annahmeverzug , wird die Zahlungsverpflichtung ebenfalls im Wege der Hinterlegung erfüllt.
Kreft Kirchhof Fischer
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Zugehör ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft Ganter
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beigeladenen ist die Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Mit dem Hauptanspruch verjährt der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an das Amtsgericht, dessen Beschluss ihm zuerst zugestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen.
(1) Jeder Gläubiger, dem der Anspruch überwiesen wurde, ist berechtigt, gegen den Drittschuldner Klage auf Erfüllung der nach den Vorschriften der §§ 853 bis 855 diesem obliegenden Verpflichtungen zu erheben.
(2) Jeder Gläubiger, für den der Anspruch gepfändet ist, kann sich dem Kläger in jeder Lage des Rechtsstreits als Streitgenosse anschließen.
(3) Der Drittschuldner hat bei dem Prozessgericht zu beantragen, dass die Gläubiger, welche die Klage nicht erhoben und dem Kläger sich nicht angeschlossen haben, zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen werden.
(4) Die Entscheidung, die in dem Rechtsstreit über den in der Klage erhobenen Anspruch erlassen wird, ist für und gegen sämtliche Gläubiger wirksam.
(5) Der Drittschuldner kann sich gegenüber einem Gläubiger auf die ihm günstige Entscheidung nicht berufen, wenn der Gläubiger zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden ist.
(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.
(2) Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Juli 2010 - 8 K 273/10 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 27. Juli 2010 - auf jeweils 100.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. November 2011 - 8 Sa 1021/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2007 bis 2010 in Anspruch.
- 2
-
Der Kläger trat im Jahre 1995 in die Dienste der Beklagten, die ein Unternehmen für Maschinenbau betreibt. Er war bis zu seinem Ausscheiden im Januar 2012 als Zerspanungsmechaniker tätig und erzielte eine monatliche Vergütung von rund 3.000,00 Euro brutto.
-
Im Arbeitsvertrag vom 5. Dezember 2005, der zuletzt die Zusammenarbeit der Parteien regelte, heißt es ua.:
-
„§ 6 Vergütungen
…
+ Weihnachtsgratifikation
50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten
100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten
von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.
Sie wird zusammen mit dem Novemberlohn/-gehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt.
...
Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche - auch anteilige - Ansprüche auf das Weihnachtsgeld ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich.
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall berechtigt, das Weihnachtsgeld zurückzufordern und mit einer Rückzahlungsforderung gegen alle etwaigen fälligen bzw. noch fällig werdenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen aufzurechnen.“
- 4
-
Gleichlautende Regelungen vereinbarte die Beklagte mit ihren übrigen Mitarbeitern.
- 5
-
Der Kläger erhielt im Jahr 2001 Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsgrundlohns. In den Jahren 2002 und 2003 belief sich die Höhe auf jeweils 40 %, im Jahr 2004 auf 31,4 % und im Jahr 2005 auf 25 % des damaligen Grundlohns. Für das Jahr 2006 ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Weihnachtsgeld in Höhe von nur 8 % oder von rund 30 % des Grundlohns gezahlt wurde. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 524,00 Euro brutto, im Jahr 2008 in Höhe von 393,00 Euro brutto. In den Jahren 2009 und 2010 wurde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage kein Weihnachtsgeld gezahlt. Stattdessen erhielt der Kläger im Jahr 2010 als „kleines Dankeschön“ zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff.
- 6
-
Der Kläger hat die Zahlung von Weihnachtsgeld in Anlehnung an tarifliche Vorschriften der Metallbranche verlangt. Die Regelung im Arbeitsvertrag benachteilige ihn unangemessen und sei unwirksam. An ihre Stelle trete die branchenübliche Regelung der Metallindustrie, die ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vorsehe. Daraus ergebe sich - nach Abzug der bereits erbrachten Leistungen - die für den Zeitraum 2007 bis 2010 eingeklagte Summe.
-
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.847,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2010 zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe nach dem Vertrag ein Leistungsbestimmungsrecht, von dem sie angesichts der jeweiligen wirtschaftlichen Lage in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
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I. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
- 11
-
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Betrags. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 des Arbeitsvertrags. Die Vorschrift legt keine bestimmte Höhe für die Sonderzahlung fest.
- 12
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2. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf § 612 BGB iVm. tariflichen Vorschriften über Sonderzahlungen stützen. Voraussetzung hierfür wäre die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelung zur Weihnachtsgratifikation. § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags ist jedoch wirksam.
- 13
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a) Die Vorschrift regelt die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Entgegen der Auffassung des Klägers beinhaltet sie keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Sie gewährt dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in einer von der Beklagten nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) festzulegenden Höhe. Die Höhe der Gratifikation musste, da der Kläger länger als zwölf Monate beschäftigt war, 100 % der von der Beklagten festzusetzenden Gratifikation betragen. Das ergibt die Auslegung der Vertragsklausel.
- 14
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b) Die Regelung der Weihnachtsgratifikation ist im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Vergütungen“ enthalten. Sie beschreibt in Vomhundertsätzen die Höhe der zu leistenden Zahlung und legt den Zahlungstermin (jeweils mit dem Novemberlohn) fest. Als Anspruchsvoraussetzung für die Entstehung des Anspruchs dem Grunde nach ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 31. März des Folgejahres vom Arbeitnehmer gekündigt, nicht durch Aufhebungsvertrag beendet und auch nicht ruhend gestellt ist. Der Anspruch ist damit weder an Arbeitsleistung im Bezugszeitraum noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Irgendein Vorbehalt oder eine Widerrufsmöglichkeit für den Arbeitgeber ist nicht vorgesehen. Allerdings ist die Höhe des Anspruchs nicht im Vertrag bestimmt. Von ihr ist gesagt, sie sei vom Arbeitgeber jeweils festzusetzen. Damit ist hinreichend deutlich, dass einerseits ein Anspruch vereinbart werden sollte, andererseits die Bestimmung der Höhe dem Arbeitgeber vorbehalten sein sollte. Für derartige Vertragsregelungen legt § 315 Abs. 1 BGB fest, dass die Leistungsbestimmung billigem Ermessen zu entsprechen hat und dass bei unterlassener oder verzögerter Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eine Festsetzung durch das Gericht erfolgt(§ 315 Abs. 3 BGB).
- 15
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c) Mit diesem Inhalt hält § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.
- 16
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aa) § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.
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(1) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne von § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32 mwN, NZA 2013, 148).
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(2) So liegt es hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist nicht auf eine bestimmte Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern auf Entscheidung nach billigem Ermessen über die Höhe der Gratifikation und gegebenenfalls ihre Auszahlung im November des Bezugsjahres gerichtet. Die Beklagte entscheidet jährlich jeweils neu über die Höhe der Gratifikation.
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bb) Die vertragliche Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).
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(2) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch den Arbeitsvertrag ausreichend beschrieben. Der Kläger konnte erkennen, dass die Beklagte über die Festsetzung der Höhe der Gratifikation zu entscheiden hatte. Erkennbar war auch, dass die Entscheidung eine Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten erforderte. Richtig ist, dass die Vertragsklausel selbst keine Maßstäbe für die von der Beklagten zu treffende Entscheidung festlegt. Insoweit ist die Auffassung des Klägers nachvollziehbar, aus der Klausel sei nicht zu erkennen, wie hoch insgesamt sich letzten Endes die vertraglichen Zahlungen belaufen werden. Indes betrifft das Leistungsbestimmungsrecht im Streitfall noch nicht einmal das im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgelt, sondern lediglich eine - der Höhe nach unbestimmte - Zusatzleistung, zu welcher der Arbeitgeber an sich nicht verpflichtet wäre. Der Streitfall liegt also anders als bei Preisänderungsklauseln, etwa in Gaslieferungsverträgen. Diese räumen dem Bestimmungsberechtigten die Möglichkeit ein, das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten einseitig zu verändern (vgl. etwa BGH 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09 - BB 2011, 719). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere hätte der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, Leistungen der hier betroffenen Art jeweils mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden und dadurch einen Rechtsanspruch für die Zukunft auszuschließen.
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(3) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein bei der jeweiligen Zahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, BAGE 136, 294), wohingegen vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, jedenfalls wenn sie alle zukünftigen Leistungen erfassen sollen, unzulässig sind (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung darüber vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen bei der Zahlung erklärten klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, 30 ff., aaO).
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(4) Verglichen mit einer solchen - zulässigen - Vertragsgestaltung ist die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts in der hier gegebenen Form - also auch ohne nähere Eingrenzung der für das billige Ermessen geltenden Maßstäbe - nicht zu beanstanden. Immerhin erhält der Arbeitnehmer auf diese Weise einen klagbaren Anspruch. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber kann er vom Gericht überprüfen lassen. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist.
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cc) Die Vertragsklausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen würde.
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(1) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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(a) Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner, bei der auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten sind, ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 23, BAGE 124, 259; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 122, 182).
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(b) Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts und die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).
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(2) Nach diesen Maßstäben enthält die Klausel keine unangemessene Benachteiligung.
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(a) Die Regelung weicht mit ihrem durch Auslegung ermittelten Inhalt nicht vom Gesetz ab. Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 42, NZA 2013, 148).
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(b) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die vertragliche Regelung setzt keine spezifischen Leistungsanreize. Anspruchsvoraussetzung ist lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. März des Folgejahres. Die Gratifikation ändert deshalb auch nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt.
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3. Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfüllt und damit erloschen ist, kann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, dahinstehen, weil der Kläger nicht geltend macht, die von der Beklagten für die im Streit stehenden Jahre getroffene Leistungsbestimmung entspreche nicht billigem Ermessen und sei daher nicht bindend.
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a) Soll die Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt (vgl. BGH 9. Mai 2012 - XII ZR 79/10 - Rn. 39, NJW 2012, 2178; 6. März 1986 - III ZR 195/84 - zu III 1 der Gründe, BGHZ 97, 212). Die Klage kann auch unmittelbar auf Leistung gerichtet werden (BGH 26. September 2006 - X ZR 181/03 - Rn. 24, NJW-RR 2007, 103).
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b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe einen Anspruch auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen mit der Klage nicht geltend gemacht. Das hat der Kläger in der Senatsverhandlung bestätigen lassen. Er errechnet seinen Zahlungsanspruch nicht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung, indem er etwa geltend machen würde, die Ausübung billigen Ermessens müsse zu einer Festsetzung der zu zahlenden Gratifikation in der verlangten Höhe führen. Im Gegenteil, er beruft sich ausdrücklich auf die Unwirksamkeit der Vertragsklausel und meint, diese führe zur Lückenhaftigkeit des Vertrags, die wiederum durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei.
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c) Da die Vertragsklausel wirksam ist, kann die Richtigkeit der Auffassung des Klägers, die durch ihre Unwirksamkeit entstehende Lücke sei gemäß der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung in der Metallindustrie zu füllen, dahinstehen.
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II. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Thiel
Stefan Fluri
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel Übereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt werden, so ist, wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die Durchschnittssumme maßgebend.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. März 2014 aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag vom 29. November 2007 von der Beklagten landwirtschaftliche Grundstücke unter Inanspruchnahme des in § 3 Abs. 7 AusglLeistG vorgesehenen Preisnachlasses von 35% des Verkehrswerts für 352.418,61 €. Ergänzend bestimmt der Kaufvertrag folgendes:
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„Nach Ansicht des Käufers ergibt sich für ihn nach den Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV ein Anspruch darauf, die vertragsgegenständlichen Flächen zu einem günstigeren als dem vereinbarten Kaufpreis erwerben zu können. Er behält sich daher vor, gerichtlich die erfolgte Kaufpreisbildung und -höhe einer Prüfung zu unterziehen sowie einen Anspruch auf Anpassung des vereinbarten Kaufpreises geltend zu machen.
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Die Verkäuferin erklärt, dass sie bei der Kaufpreisbildung, die sie dem Käufer im Einzelnen dargelegt hat, nicht von niedrigeren Werten als den von ihr festgestellten und anhand anderer vergleichbarer Verkäufe in der Region abgeleiteten Vergleichswerten ausgehen durfte. Anderenfalls würde sie bei Vereinbarung eines niedrigeren Kaufpreises eine ggf. europarechtswidrige Beihilfe gewähren, zumindest aber einen höheren Preisnachlass als den durch das AusglLeistG vorgegebenen 35%igen Abschlag vom Verkehrswert.
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Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass sie den Vertrag entsprechend einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ggf. anpassen werden. Die Einigkeit besteht jedoch auch darüber, dass der Vertrag mit dem vereinbarten Kaufpreis Bestand haben soll, sofern der Käufer den sich vorbehaltenen Kaufpreisanpassungsanspruch nicht weiterverfolgt oder ggf. durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt wird, dass ihm ein solcher nicht zusteht.“
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Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis zu dem vereinbarten Fälligkeitstermin am 29. Februar 2008 an die Beklagte. Mit Schreiben vom 8. September 2011 erhob er Widerspruch gegen die Kaufpreisermittlung. Ein Gutachten vom 27. Dezember 2011 kam zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert für den Kaufgegenstand zum Stichtag 29. November 2007 nur 357.000 € betragen habe. Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter 120.368,61 € zu. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
- 3
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
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I.
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Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch jedenfalls für verjährt. Sowohl für den Anspruch auf Anpassung des Kaufpreises als auch für einen aus der Anpassung resultierenden Rückzahlungsanspruch gelte nicht die Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 196 BGB, sondern die regelmäßige Verjährungsfrist. Diese habe mit Vertragsschluss begonnen. Die Anpassungsregelung sei auch nicht als ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB anzusehen mit der Folge, dass erst die rechtskräftige Feststellung der geschuldeten Leistung durch Gerichtsurteil den Lauf der Verjährung auslöse. Denn die Anpassung des Kaufpreises richte sich nach dem tatsächlichen Verkehrswert. Dem Beginn der Verjährung stehe auch nicht die fehlende Kenntnis des Klägers von der Person des Schuldners und den den Anspruch begründenden Umständen entgegen. Der Kläger sei unmittelbar nach Vertragsschluss in der Lage gewesen, seinen möglichen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. An dieser Beurteilung ändere es nichts, wenn als Beginn der Verjährung nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, sondern derjenige der Kaufpreiszahlung zugrunde gelegt werde. Dann beginne die Verjährung zwar nicht schon am 1. Januar 2008, sondern erst am 1. Januar 2009. Die dreijährige Frist habe der Kläger durch seine am 29. Dezember 2011 eingereichte Klage aber dennoch nicht gewahrt, weil er den Kostenvorschuss zu spät habe einzahlen lassen.
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II.
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Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist nicht verjährt.
- 6
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1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch zusteht, wenn sich der Verkehrswert, der der Berechnung des vereinbarten Kaufpreises zugrunde liegt, als überhöht erweist.
- 7
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a) Die Parteien haben in § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags vereinbart, den Kaufvertrag an das Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung des Verkehrswerts anzupassen. Diese Anpassung kann bei dem von dem Kläger erwarteten und für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Ergebnis dieser Prüfung nur in einer Herabsetzung des Kaufpreises und in einem vertraglichen Rückzahlungsanspruch des Klägers bestehen. Denn der Kläger hatte zunächst den vereinbarten - möglicherweise überhöhten - Kaufpreis bei Fälligkeit zu zahlen und konnte eine Reduktion des Kaufpreises erst nach rechtskräftiger Feststellung verlangen, dass der für die Berechnung des Kaufpreises nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG zugrunde gelegte Verkehrswert niedriger als von der Beklagten angenommen ist.
- 8
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b) Den Rückzahlungsanspruch kann der Kläger unmittelbar geltend machen. Wer eine Anpassung des Vertrags verlangen kann, muss nicht erst diese durchsetzen. Er kann, unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie erfolgt, auch unmittelbar die Ansprüche geltend machen, die sich aus der Anpassung ergeben (Senat, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056 für § 315 Abs. 3 BGB, vom 30. September 2011- V ZR 17/11, BGHZ 191, 139 Rn. 34 für § 313 Abs. 1 BGB und vom 12. Mai 2006 - V ZR 97/05, NJW 2006, 2843 Rn. 27 für einen Vorvertrag).
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2. Richtig ist ferner, dass dieser Anspruch im Sinne sowohl von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch im Sinne von § 200 BGB nicht erst mit dem Ergebnis der vorbehaltenen gerichtlichen Überprüfung entsteht. Wenn der Verkehrswert von der Beklagten oder von dem Gericht entsprechend § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen oder wie durch einen Schiedsgutachter nach § 317, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Parteien verbindlich festzustellen wäre, entstünde er zwar erst mit dem Abschluss einer gerichtlichen Überprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12, WM 2013, 1452 Rn. 33). So ist es bei der Ermittlung des Verkehrswerts und des davon abhängigen Kaufpreises bei Verkäufen nach § 3 AusglLeistG aber nicht.
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a) Ein Leistungsbestimmungsrecht setzt nach § 315 Abs. 1 und 3 BGB voraus, dass einer der Vertragsschließenden die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen soll. Das ist hier nach Ansicht des Klägers die Beklagte, die den von ihm geschuldeten Kaufpreis nach billigem Ermessen zu bestimmen habe. Denkbar wäre auch eine Anpassungsklausel, nach welcher die Bestimmung der Leistung entsprechend den § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil erfolgen soll (Senat, Urteile vom 7. April 1978 - V ZR 141/75, BGHZ 71, 276, 284 und vom 3. Februar 1995 - V ZR 222/93, NJW 1995, 1360). Ein solches Leistungsbestimmungsrecht ist nur anzunehmen, wenn die Leistung nicht schon in dem Vertrag und den in dem Vertrag in Bezug genommenen Vorschriften oder Regelwerken festgelegt ist, sondern letztlich erst durch die Entscheidung der bestimmungsberechtigten Vertragspartei festgelegt wird (Senat, Urteil vom 5. Juli 1991 - V ZR 117/90, NJW-RR 1992, 142 und BGH, Urteil vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93, BGHZ 128, 54, 57 f.; Erman/Hager, BGB, 14. Aufl., § 315 Rn. 7). Dabei wäre es unschädlich, wenn das Ermessen der Vertragspartei gebunden wäre. Es muss nur überhaupt bestehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 19). Bei einer der Schiedsgutachtenabrede ähnlichen Vereinbarung käme es darauf an, dass die von der Partei oder dem Dritten vorzunehmende Feststellung - hier des Verkehrswerts - und die Ausfüllung der damit gegebenenfalls verbundenen Wertungsspielräume einer gerichtlichen Überprüfung entzogen sein sollen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12, WM 2013, 1452 Rn. 28).
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b) Ein Recht der Beklagten, den Kaufpreis in diesem Sinne verbindlich festzulegen oder festzustellen, verneint das Berufungsgericht zu Recht.
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aa) Die Auslegung der maßgeblichen Regelung in § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags der Parteien unterliegt zwar der vollständigen Überprüfung durch den Senat, weil es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321, 323). Die Beklagte verwendet sie in einer Vielzahl von Verträgen (vgl. KG, NL-BzAR 2011, 27, dazu Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120). Die Auslegung des Berufungsgerichts ist aber auch in diesem erweiterten Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden, sondern zutreffend.
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bb) Schon dem Wortlaut der Klausel lässt sich eine Befugnis der Beklagten oder des Gerichts zur verbindlichen Festlegung oder Feststellung des Kaufpreises nach billigem Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 317, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entnehmen. Denn darin wird dem Kläger eine gerichtliche Überprüfung des Verkehrswerts gerade vorbehalten. Davon sind auch die Oberlandesgerichte ausgegangen, die im Zusammenhang mit der Klausel § 315 Abs. 3 BGB erwähnt haben (KG, NL-BzAR 2011, 27, 29 und OLG Dresden, RdL 2014, 96, 97).
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cc) Die am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch den Vertragszweck bestätigt. Der Kaufvertrag dient der Erfüllung des Erwerbsanspruchs des Klägers nach § 3 Abs. 1 AusglLeistG. Nach dieser Vorschrift kann der Kläger von der Beklagten den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen nicht nur in dem in § 3 Abs. 3 AusglLeistG festgelegten Umfang, sondern auch zu dem in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG festgelegten Preis verlangen. Von diesem Preis dürfte die Beklagte nicht abweichen. Sie darf die Bedingungen, zu denen die Verkäufe nach § 3 AusglLeistG durchgeführt werden, nicht privatautonom, also abweichend von den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen festlegen (Senat, Urteil vom 4. Mai 2007 - V ZR 162/06, ZOV 2007, 30 Rn. 9; vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 158/05, WM 2006, 2101 Rn. 22). Das gilt auch für den Verkaufspreis.
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dd) Aus dem vorgeschriebenen Verfahren bei dem Abschluss von Kaufverträgen nach § 3 AusglLeistG ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts anderes. Die Beklagte hat den - in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG als „Wertansatz“ bezeichneten - Kaufpreis nach § 9 Abs. 1 Satz 2 FlErwV nicht zu bestimmen, sondern nach Maßgabe des (hier einschlägigen) § 5 FlErwV und den in dieser Vorschrift in Bezug genommenen Vorschriften der Wertermittlungsverordnung (dazu: Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120 Rn. 7) zu „ermitteln“. Die Ermittlung des Kaufpreises durch die Beklagte bindet weder den Käufer noch die Privatisierungsstelle selbst. Beide dürfen nach dem hier noch maßgeblichen § 5 Abs. 1 Satz 4 FlErwV in der bis zum 10. Juli 2009 geltenden Fassung die Bestimmung des Verkehrswerts durch ein Verkehrswertgutachten nach § 192 BauGB durch den zuständigen Gutachterausschuss verlangen.
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ee) Ein Bestimmungsrecht lässt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus § 3a AusglLeistG ableiten. Danach gelten Kaufverträge nach § 3 AusglLeistG, die vor dem 28. Januar 1999 abgeschlossen wurden, mit der Maßgabe als bestätigt, dass der Verkäufer bei Verträgen mit anderen als den in § 3 Abs. 2 Satz 3 oder § 3 Abs. 5 Satz 1 bezeichneten Personen den Kaufpreis nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt. Zweck dieser Regelung war es, die durch einen Verstoß des deutschen Gesetzgebers gegen das Beihilfeverbot des Gemeinschaftsrechts nichtig gewordenen Kaufverträge zu heilen. Ein Preisanhebungsrecht des Verkäufers hat der Gesetzgeber vorgesehen, weil die Heilung nur durch Beseitigung des Verstoßes erfolgen konnte (Begründung des Entwurfs eines Vermögensrechtsergänzungsgesetzes in BT-Drucks. 14/1932 S. 16). Dass dazu in die Verträge eine besondere Anhebungsermächtigung eingefügt wurde, zeigt, dass die Beklagte als Privatisierungsstelle ohne eine solche besondere Regelung gerade nicht berechtigt ist, den Verkaufspreis nach billigem Ermessen festzulegen.
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3. Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, der aus einer geschuldeten Anpassung des Kaufvertrags folgende Rückzahlungsanspruch unterliege ebenso wie der Anspruch auf Anpassung selbst der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Der Anspruch verjährt vielmehr nach § 196 BGB in einer Frist von zehn Jahren.
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a) Diese Frist gilt, vorbehaltlich besonderer Regelungen wie § 902 BGB, für jeden Anspruch auf eine Verfügung über ein Recht an einem Grundstück und für jeden Anspruch auf die Gegenleistung für diese Verfügung. Unerheblich ist, auf welchem Rechtsgrund der Anspruch beruht (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f.). Deshalb gilt § 196 BGB nicht nur für die wechselseitigen Primäransprüche aus einem Vertrag, der eine Verfügung über ein Grundstück zum Gegenstand hat (dazu: Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 196 Rn. 6), sondern auch für die Sekundäransprüche und für die wechselseitigen Bereicherungsansprüche bei Nichtigkeit eines solchen Vertrags (Senat, Urteile vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f. und vom 6. Februar 2009 - V ZR 26/08, NVwZ-RR 2009, 412 Rn. 30). Es kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob ein nichtiger oder gescheiterter Vertrag vollständig rückabgewickelt wird. Der Anspruch auf die Gegenleistung verjährt auch dann nach § 196 BGB, wenn der Anspruch auf die Rückabwicklung der Verfügung nicht geltend gemacht wird oder gar nicht besteht, etwa weil es nicht zu einer Verfügung gekommen ist (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, aaO Rn. 24). Gegenstand des Anspruchs muss nicht die gesamte Gegenleistung sein. Wenn die Gegenleistung für die Verfügung über das Grundstück mehrere Komponenten hat, genügt es, wenn der Zahlungsanspruch eine davon ist (Senat, Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 11, 14). Entsprechendes gilt für die Rückabwicklung der Gegenleistung, die sich auf Teile der insgesamt geschuldeten Leistung beschränken kann (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, aaO Rn. 27).
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b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt der Rückzahlungsanspruch des Klägers der Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB.
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aa) Das folgt allerdings, anders als der Kläger meint, nicht daraus, dass der Kaufvertrag der Parteien wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG teilnichtig wäre. Ein solcher Verstoß liegt nämlich nicht vor. Er wird durch die Anpassungsregelung in § 2 Nr. 4 des Vertrags gerade vermieden. Diese Regelung stellt sicher, dass der Kläger im Ergebnis nur den gesetzlich vorgeschriebenen Preis von 65% des (tatsächlichen) Verkehrswerts bezahlen muss.
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bb) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers unterliegt aber deshalb der Verjährungsfrist des § 196 BGB, weil er auf Rückabwicklung von Teilen der im Vertrag vereinbarten Gegenleistung gerichtet ist. Der Kaufpreis durfte den in § 3 Abs. 7 Satz 1 AuslLeistG bestimmten Betrag nicht überschreiten. Ob der dazu von der Beklagten ermittelte Verkehrswert zutraf, war zwischen den Parteien streitig. Sie mussten deshalb eine Regelung treffen, die sicherstellte, dass im Ergebnis nur der gesetzlich festgelegte Kaufpreis zu zahlen war. Ob sie dazu einen möglicherweise zu niedrigen Kaufpreis verbunden mit einem Nachforderungsrecht der Beklagten vereinbarten oder - wie hier - umgekehrt einen möglicherweise überhöhten Kaufpreis verbunden mit einem Rückforderungsrecht des Klägers, ist für die Anwendbarkeit von § 196 BGB gleichgültig. Gegenstand des Anspruchs ist im einen wie im anderen Fall ein Teil des Kaufpreises, mithin der Gegenleistung für die Verfügung im Sinne von § 196 BGB.
- 22
-
c) An diesem Ergebnis ändert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts, dass der Anspruch der Parteien nach § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung eines Vertrags bei Wegfall der Geschäftsgrundlage der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen soll (in diesem Sinne: Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 3. Aufl., § 313 Rn. 95; MünchKomm-BGB/Finkenauer, 6. Aufl., § 313 Rn. 109; NK-BGB/Krebs, 2. Aufl., § 313 Rn. 97; Soergel/Teichmann, BGB, 13. Aufl., § 313 Rn. 152; BeckOK-UrhG/Ahlberg/Götting, Stand: 1. September 2013, § 32 Rn. 98). Ob dem insbesondere bei Grundstückskaufverträgen zu folgen wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Der Anpassungsanspruch des Klägers nach § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags dient nämlich keiner der Anpassung eines Vertrags an den Wegfall der Geschäftsgrundlage vergleichbaren Gestaltungsaufgabe. Er soll lediglich eine Überprüfung des Kaufpreises ermöglichen und zu einer Rückzahlung des überzahlten Kaufpreises führen, wenn der Preisberechnung nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG, § 4 FlErwV ein überhöhter Verkehrswert zugrunde liegt. Ein solcher Anspruch unterliegt nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist. Er ist dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Käufers bei Nichtigkeit des Vertrags vergleichbar, der nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f.) gemäß § 196 BGB verjährt.
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III.
- 23
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Der Anspruch des Klägers ist danach nicht verjährt. Da Feststellungen zum Verkehrswert fehlen, ist die Sache nicht entscheidungsreif. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nach Maßgabe der Wertermittlungsverordnung (dazu Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120 Rn. 7-9) festzustellen haben, ob der Verkehrswert der verkauften Flächen bei Vertragsschluss niedriger war, als bei der Berechnung des vereinbarten Verkaufspreises angenommen.
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Stresemann
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland
RiBGH Dr. Göbel ist infolge
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
Karlsruhe, den 9. Januar 2015Die Vorsitzende
Stresemann
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. Februar 2012 - 10 Sa 210/11 - aufgehoben.
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2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15. Dezember 2010 - 38 Ca 3536/10 - abgeändert, soweit es die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.
- 2
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Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten, der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften.
- 3
-
Der Kläger trat am 1. November 2002 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten und war bis zu seinem Ausscheiden Ende Oktober 2009 als Kundenbetreuer beschäftigt.
- 4
-
Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt ein zwischen den Parteien im April 2005 geschlossener Dienstvertrag, in dem es ua. wie folgt heißt:
-
„II.
Vergütung
Sie erhalten ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt, Sonderzahlung und Leistungsbonus zusammensetzt.
…
Leistungsbonus
Sie erhalten darüber hinaus einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr neu für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Leistungsbonus wird derzeit mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt. Er kann zwischen 0 - 200 % des Basiswertes betragen, der zurzeit bei EUR 5.400,00 brutto liegt.
…
V.
…
Betriebsvereinbarungen
Es gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“
- 5
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In der zuletzt geltenden einschlägigen Betriebsvereinbarung vom 13. Oktober 2005 (BV 2005) ist ua. Folgendes bestimmt:
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„B. Flexible Vergütung
I. Die zwei Vergütungskomponenten
Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)Bonus (im Folgenden Bonus genannt).
II. Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen
1. Tarifmitarbeiter
…
2. Außertariflich vergütete Mitarbeiter
Das Festgehalt außertariflich vergüteter Mitarbeiter besteht ebenfalls aus zwölf Monatsgehältern und einer Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts. Die Sonderzahlung wird jeweils zusammen mit dem Dezembergehalt ausgezahlt.
Der Basiswert des Bonus wird dem Mitarbeiter jeweils einzelvertraglich zugesagt. Der Anteil am Gesamtjahresgehalt richtet sich insbesondere nach der Funktion und dem Verantwortungsbereich des Mitarbeiters.
Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und Bonus zeitanteilig vergütet. …
C. Mitarbeitergespräch
…
IV. Zielerreichung/Gesamtbewertung
Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.
…
V. Festlegung der individuellen Höhe des Bonus
Die Höhe des individuellen Bonus hängt zum einen von der Höhe des jährlichen Bonustopfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom Gesamtbankerfolg bestimmt.
Darüber hinaus honoriert der Bonus auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen Bonus ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.“
- 6
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Der Kläger erhielt für das Jahr 2005 einen Bonus iHv. 8.000,00 Euro, für das Jahr 2006 iHv. 10.000,00 Euro und für das Jahr 2007 iHv. 20.000,00 Euro.
- 7
-
Der Bonusbasiswert wurde letztmals für das Geschäftsjahr 2008 auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Für dieses Jahr fand am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen“ führte.
- 8
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Die Rechtsvorgängerin der Beklagten geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Im Geschäftsjahr 2008 kam es zu einem Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro; die gesamte H-Gruppe wies einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Der H-Gruppe wurden in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristig Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten unmittelbar in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro.
- 9
-
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte bis einschließlich September 2008 an ausscheidende Mitarbeiter anteilige Boni. Ab 29. September 2008 stellte sie diese Praxis ein. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand der Bank in einem Mitarbeiterbrief im Intranet mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.
- 10
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Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe auch für das Jahr 2008 ein Anspruch auf Bezahlung einer variablen Vergütung zu. Er habe im Jahr 2008 die vereinbarten Ziele weit übertroffen, wie sich aus dem Mitarbeitergesprächsprotokoll vom 22. Januar 2009 ergebe. Bei einem festgesetzten Basiswert iHv. 15.000,00 Euro und angesichts der Übererfüllung der vereinbarten Ziele ergebe sich daraus eine Bewertung von 200 % und damit ein Anspruch iHv. 30.000,00 Euro brutto. Der Anspruch folge aus II des Dienstvertrags von April 2005. Soweit der Dienstvertrag von den Regelungen der Betriebsvereinbarung abweiche, gehe er vor. Die Zurverfügungstellung eines Bonustopfs sei hier nicht erforderlich. Aber auch nach der Betriebsvereinbarung selbst ergebe sich ein Anspruch des Klägers, weil auch diese nicht allein auf den Erfolg der Bank abstelle. Für die Bonuszahlung genüge allein die Erreichung der Ziele. Mit der Festsetzung des Bonus auf „Null“ habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Allein wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation sei auch nicht die Geschäftsgrundlage weggefallen. Schließlich folge ein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem im Jahr 2008 ausscheidende Arbeitnehmer eine Bonuszahlung erhalten hätten.
- 11
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2009 zu zahlen.
- 12
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe für das Jahr 2008 keine Bonuszahlung zu. Nachdem sich gezeigt habe, dass ein Überleben ohne massive staatliche Hilfe nicht möglich gewesen sei, sei der Vorstand berechtigt gewesen, im März 2009 zu beschließen, dass es keine Bonuszahlung geben werde. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes führe nicht zu einem Anspruch des Klägers. Wenn im Jahr 2008 ausgeschiedenen Mitarbeitern noch anteilig Bonusansprüche gezahlt worden seien, so liege dies daran, dass seinerzeit die finanzielle Schieflage noch nicht absehbar gewesen sei.
- 13
-
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro brutto für das Jahr 2008 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
- 15
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus II des Dienstvertrags von April 2005 iVm. § 315 Abs. 1 BGB.
- 16
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1. Nach II des Dienstvertrags erhält der Kläger einen Leistungsbonus, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.
- 17
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2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.
- 18
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a) Der Dienstvertrag von April 2005 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 ff. BGB. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
- 19
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b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19).
- 20
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c) Nach II des Dienstvertrags erhält („Sie erhalten …“) der Mitarbeiter einen Leistungsbonus. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des Bonus, die inhaltlich nicht konkretisiert sind und deren Verhältnis zueinander nicht festgeschrieben ist. Die Auffassung, bei Erfüllung eines der drei Kriterien müsse in jedem Fall ein Mindestbetrag gezahlt werden, steht mit den vertraglichen Vorgaben nicht im Einklang. Sie lassen die Festsetzung auf 0 % ausdrücklich zu, ohne dafür besondere Voraussetzungen zu nennen. Der Vertrag setzt demnach voraus, dass die Ausübung „billigen Ermessens“ auch die Bestimmung des Bonus mit dem Wert „Null“ ermöglichen kann. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten hat und die Festlegung des jeweiligen Bonus nach billigem Ermessen erfolgen muss.
- 21
-
d) Die im Vertrag enthaltene Beschreibung der Kriterien für die Bonuszahlung ist allerdings nicht bedeutungslos. Vielmehr setzt sie Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens durch den Arbeitgeber. Die im Vertrag genannten Gesichtspunkte sollen bei der Ausübung des Ermessens jedenfalls erwogen werden. Denn nach II des Dienstvertrags „richtet“ sich der Leistungsbonus nach den Bemessungskriterien. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden. Haben die Vertragsparteien - zB durch eine Zielvereinbarung - die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend vereinbart, so kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien ( BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag der Parteien entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann also nur dann billiges Ermessen wahren, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien ausnahmsweise besonders wichtige Gründe sprechen.
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a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 24
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aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80).
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bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den er gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 BGB).
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b) II des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 BGB.
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aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. BGB fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149).
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bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des Leistungsbonus nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.
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c) II des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
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aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f.; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines Leistungsbonus nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, Vergütungschancen zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den Leistungsbonus nach billigem Ermessen festzusetzen, und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46).
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cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht berührt.
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4. Der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Leistungsbonus für das Jahr 2008 ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch des Klägers erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).
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a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B IV 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10).
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c) Diesen Maßgaben wird die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den Leistungsbonus für das Jahr 2008 gerecht.
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aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der BV 2005 gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 BGB können sich aus vertraglichen(vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der BV 2005. Die vorher geltende Betriebsvereinbarung ist durch die BV 2005 abgelöst worden und hat im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; st. Rspr., vgl. BAG 18. September 2012 - 3 AZR 431/10 - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Die BV 2005 begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Leistungsbonus, sie bestimmt vielmehr das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines Leistungsbonus auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach C V Abs. 1 der BV 2005 hängt die Höhe des individuellen Bonus von der Höhe des jährlichen Bonustopfs ab, der vom Gesamtbankerfolg bestimmt wird. Auch nach der BV 2005 können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.
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bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der BV 2005, auch wenn am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch stattfand, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen" führte. Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Die Risiken übertrafen auch bei Weitem die typischerweise mit einer Insolvenz einhergehenden Gefährdungen, weil sie nicht nur Gläubiger der Bank betrafen, sondern das gesamte Bankensystem. Die Rettung von Banken diente nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung der guten Leistungen des Klägers nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Leistungsbonus auf „Null“ festgesetzt hat.
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II. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, obwohl an Mitarbeiter, die im Geschäftsjahr 2008 ausgeschieden sind, bis Anfang September anteilige Boni ausgekehrt wurden.
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1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (st. Rspr., vgl. BAG 13. April 2011 - 10 AZR 88/10 - Rn. 12, BAGE 137, 339; 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 14). Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt aber noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 242/11 - Rn. 79).
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2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Zahlungen an ausscheidende Mitarbeiter, die nach B II 2 Abs. 3 der BV 2005 dem Grunde nach auch vorgesehen sind, durch Anweisung der Personalleiterin mit E-Mail vom 29. September 2008 zu dem Zeitpunkt eingestellt worden, in dem die Krise erkennbar wurde. Bei der Entscheidung über einen Anspruch des Klägers und der anderen nicht ausgeschiedenen Mitarbeiter stellte sich die wirtschaftliche Situation grundlegend anders dar; die Besserstellung der ausscheidenden Mitarbeiter beruhte ausschließlich auf der zum Zeitpunkt des Ausscheidens fehlenden Absehbarkeit der späteren desaströsen Lage und damit auf einer anderen Tatsachengrundlage. Eine sachfremde Gruppenbildung liegt danach nicht vor.
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3. Unerheblich ist, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Entscheidung über einen Bonus aufgrund der Staatshilfen wieder zahlungsfähig war. An der maßgeblichen wirtschaftlichen Lage der H-Gruppe hat sich dadurch nichts geändert.
- 43
-
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
-
Mestwerdt
W. Reinfelder
Schmitz-Scholemann
Thiel
Petri
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
1. Auf die Revision beider Parteien wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. August 2011 - 5 Sa 490/11 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 489.760,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und soweit es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31. März 2011 - 1 Ca 2138/10 - hinsichtlich des weitergehenden Zahlungsantrags abgeändert und die Klage abgewiesen hat.
-
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
-
2. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe der variablen Vergütungsansprüche nach einem „Partnervergütungssystem“ (PVS) für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010, über die damit zusammenhängende Leistungsbewertung des Klägers und über Auskunftsansprüche.
-
Der Kläger ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Arbeitnehmer beschäftigt. Der ursprüngliche Anstellungsvertrag vom 27. September/1. Oktober 1996 enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 1
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 ist Herr S zum Mitglied der Geschäftsleitung (Partner Stufe II) der Niederlassung E ernannt worden.
…
§ 2
Herr S bezieht mit Wirkung vom 1. Januar 1996 ein Jahresgehalt von DM 162.000,-- (in Worten: Deutsche Mark einhundertzweiundsechzigtausend) zahlbar in monatlichen Raten postnumerando.
…
§ 3
Für den Fall eines günstigen Jahresabschlusses der C ist die Zahlung einer jährlichen Abschlussgratifikation vorgesehen. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Der Aufsichtsrat der C wird in jedem Jahr auf Vorschlag des Vorstandes darüber beschließen, ob und in welcher Höhe diese Gratifikation gezahlt werden soll.
Die Abschlussgratifikation wird zeitanteilig gekürzt, soweit während des Geschäftsjahres, auf das sich die Abschlussgratifikation bezieht, keine laufenden Bezüge gemäß § 2 gezahlt worden sind (z. B. bei Eintritt und Ausscheiden im Geschäftsjahr, bei einer länger dauernden Krankheit ab der 7. Woche, bei unbezahltem Urlaub etc.).
Ein 13. Gehalt, Vergütung für Überstunden, Stadttagegeld und ähnliche Leistungen werden nicht gezahlt.“
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Am 17. März/26. Mai 2006 vereinbarten die Parteien folgende Vertragsänderung (VÄ):
-
„Präambel
Mit Änderung des Konsortialvertrages wurde vom Arbeitsausschuss des Country Leadership Teams (CLT) in Abstimmung mit dem Partnerrat beschlossen, das bestehende Partnervergütungssystem zu modifizieren. Die Änderung besteht zum einen im ersatzlosen Entfall der Responsibility Kategorien (RK) für Partner. Zum anderen werden alle Partner einheitlich in einem Verhältnis zum Zieleinkommen von 60 % fix und 40 % variabel vergütet. Die daraus resultierende Änderung des Anstellungsvertrages wird mit Wirkung ab 1. Juli 2006 wie folgt vereinbart:
1.
Entfall der Responsibility Kategorien
Die Einstufung in RK-Gruppen allgemein und damit speziell ihre bisherige vertragliche Zuordnung entfällt mit Wirkung ab dem 1. Juli 2006 ersatzlos.
2.
Festbezüge und variable Vergütung
Die Festbezüge (Gehalt) betragen 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Ein eventuell erworbener Besitzstand bleibt erhalten. Soweit aufgrund eines Besitzstandes die Festbezüge 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens überschreiten, verringert sich entsprechend der Anteil der variablen Bezüge.
Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens.
3.
Partnervergütungssystem
Im Übrigen gilt zum 1. Juli 2006 das beigefügte Partnervergütungssystem.
Soweit nicht durch diese Vereinbarung geändert, gelten die bisher mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen unverändert fort.“
-
In dem PVS vom 1. Juli 2006 heißt es ua.:
-
„Vorbemerkung
…
Im Folgenden wird dargelegt, wie sich die dienstvertragliche Vergütung der Partner/Partnerinnen bestimmt. …
Dem eigentlichen Vergütungssystem vorgelagert sind die Grundsätze für eine angemessene Leistungsbeurteilung, wie sie durch Abschluss und Beurteilung von Zielvereinbarungen erfolgt.
1.
Gesamtbezüge
Die Gesamtbezüge eines Partners/einer Partnerin der P AG bestehen aus den
·
Festbezügen (Gehalt) und den
·
variablen Bezügen (Tantieme).
Die Gesamtbezüge werden bei Vertragsbeginn vereinbart und grundsätzlich jährlich für ein Geschäftsjahr neu festgelegt (Zieleinkommen).
Die Gesamtbezüge orientieren sich an den von dem Partner/der Partnerin in dem jeweiligen Geschäftsjahr wahrgenommenen Aufgaben, an seiner/ihrer Verantwortung, an den in dem Geschäftsjahr erbrachten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin sowie an dem Erfolg des Unternehmens und der Einheit, in der der Partner/die Partnerin tätig ist.
Festbezüge und variable Bezüge
Die Festbezüge betragen 60 % des Zieleinkommens. Die Höhe des Zieleinkommens und damit die Höhe der Festbezüge bemisst sich nach dem Inhalt der Aufgabe und dem damit verbundenen Verantwortungsbereich.
Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % des Zieleinkommens. Durch die Mitteilung der Gesamtvergütung (Zieleinkommen) wird auf Auszahlung der variablen Bezüge weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Anspruch begründet. Vielmehr folgt sowohl aus der Leistungsbezogenheit der variablen Bezüge als auch aus der Anknüpfung an den Erfolg des Unternehmens bzw. der jeweiligen Unternehmenseinheit, dass sie den Charakter einer Tantieme haben und in jedem Jahr neu verdient werden müssen. Insbesondere begründet die Zahlung variabler Bezüge im Vorjahr keinen Anspruch auf Gewährung von variablen Bezügen für das Folgejahr; Besitzstände können nicht erdient werden. Außerdem liegt der Bemessung der Tantieme die Erwartung zu Grunde, dass der Partner/die Partnerin auch im Folgejahr weiter erfolgreich für das Unternehmen tätig ist (Betriebstreue). Dieser Aspekt bleibt im Falle planmäßigen altersbedingten Ausscheidens außer Betracht.
Die Bemessung der variablen Bezüge berücksichtigt die individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr. Außerdem ist die Höhe der variablen Bezüge von dem Erfolg des Unternehmens P AG in der abgelaufenen Periode sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, zu der der Partner/die Partnerin gehört, abhängig.
2.
Zieleinkommen und Isteinkommen
Ausgangspunkt der Vergütung ist das sog. Zieleinkommen, das sowohl die Festbezüge als auch die variablen Bezüge umfasst und bei Vertragsbeginn sowie zu Beginn des Geschäftsjahrs festgelegt wird. Bei der Bestimmung des variablen Teils (40 % der Gesamtbezüge) wird unterstellt, dass die individuelle Leistung den Erwartungen und der Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit den budgetierten Beträgen entspricht. Das neue Zieleinkommen wird den Partnern/Partnerinnen zu Beginn jedes Geschäftsjahres mitgeteilt.
Nach Ablauf des Geschäftsjahres wird das Isteinkommen festgelegt. Diese nachträgliche Festlegung betrifft den variablen Teil der Bezüge. Grundlage für die endgültige Festlegung der variablen Bezüge sind die mit Hilfe der Zielvereinbarung festgestellten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ergebnisse des Partnerzielvereinbarungs- und
-beurteilungssystems) sowie der tatsächlich erzielte Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit und die Betriebstreue.Unter Berücksichtigung der individuellen Leistungen und des Unternehmenserfolgs sowie der Betriebstreue kann der variable Teil der Bezüge niedriger, aber auch höher festgesetzt werden als mit dem Betrag, der als Teil des Zieleinkommens vorgesehen war.
Grundlage für die Bemessung der individuellen Partnerperformance sind servicelineübergreifende Beurteilungskriterien, deren Erfüllungsgrad von dem Primary Reporting Partner (von der Primary Reporting Partnerin), ggf. dem Secondary Reporting Partner (der Secondary Reporting Partnerin), dem LoS-Leadershipteam und dem Unternehmens-Leadershipteam beurteilt wird. Hieraus wird die Entscheidung über die Vergütung abgeleitet.
3.
Auszahlung der Bezüge
Die Festbezüge in Höhe von 60 % des Zieleinkommens werden in zwölf gleichen Beträgen monatlich nachschüssig ausgezahlt. Die variablen Bezüge werden nach Ablauf des Geschäftsjahres und Feststellung des Jahresabschlusses sowie Genehmigung durch den Aufsichtsrat der P AG gezahlt.“
- 5
-
Darüber hinaus existiert ein „Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem für Partner/Anwenderhandbuch“ (im Folgenden: Handbuch). Aus diesem ergibt sich ua. eine fünfstufige Beurteilungsskala.
-
Auf Grundlage dieser Regelungen teilte die Beklagte dem Kläger jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres (1. Juli des Jahres bis 30. Juni des Folgejahres) sein Zieleinkommen und die Höhe der Festbezüge mit. Zudem schlossen die Parteien Zielvereinbarungen und bewerteten die Zielerreichung nach Ablauf des Beurteilungszeitraums. Danach teilte die Beklagte dem Kläger jeweils sein Gesamteinkommen und dessen Zusammensetzung mit. Für die Geschäftsjahre nach der Vertragsänderung ergaben sich folgende Werte:
-
Geschäftsjahr
Zieleinkommen
Festbezüge
Gesamteinkommen
Abschlussgratifikation
2006/2007
400.000,00
240.000,00
650.000,00
410.000,00
2007/2008
700.000,00
420.000,00
600.000,00
180.000,00
2008/2009
740.000,00
444.000,00
510.000,00
66.000,00
2009/2010
520.000,00
444.000,00
450.000,00
6.000,00
- 7
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, sein jährliches Zieleinkommen seit dem Geschäftsjahr 2008/2009 auf mindestens 740.000,00 Euro festzusetzen. Da seine Festvergütung von der Beklagten zuletzt zutreffend mit 444.000,00 Euro (= 60 %) angegeben worden sei, müsse die erreichbare variable Vergütung weitere 296.000,00 Euro (= 40 %) betragen. Auf den Freiwilligkeitsvorbehalt in Ziff. 1 PVS könne sich die Beklagte nicht berufen. Bei den dort geregelten Bezügen handele es sich erkennbar um Leistungsentgelt, auf das der Kläger einen Rechtsanspruch besitze. Darüber hinaus verstießen die Vergütungsregelungen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil nicht klar sei, wie sich der variable Teil seiner Vergütung und damit auch das Gesamteinkommen errechne. Die Bewertung und Benotung seiner Leistungen erweise sich als willkürlich und widersprüchlich, zumal es auch unter Berücksichtigung des Handbuchs an objektiv messbaren Kriterien für die Festsetzung des Zieleinkommens einerseits und für die Berechnung des tatsächlich erreichten Gesamteinkommens andererseits fehle.
- 8
-
Die für die Geschäftsjahre 2007/2008 und 2008/2009 vorgegebenen finanziellen Ziele seien zu hoch angesetzt und nicht zu erreichen gewesen. Überdies seien seine Leistungen fehlerhaft beurteilt worden. Für das Geschäftsjahr 2009/2010 müsse die Beurteilung schon als willkürlich bezeichnet werden. Die Beurteilungen und die niedrige Festsetzung des Zieleinkommens stünden im Zusammenhang mit dem Wunsch der Beklagten, sich von ihm zu trennen. Die beanspruchten Auskünfte benötige er zur Prüfung der Frage, ob es bei der Ermittlung der Vergütung zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung gegenüber anderen Partnern gekommen sei.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 620.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.
festzustellen, dass sein Zieleinkommen bei der Beklagten je Geschäftsjahr, beginnend mit dem Geschäftsjahr 2008/2009 mindestens 740.000,00 Euro beträgt,
3.
die Beklagte - im Wege der Stufenklage - zu verurteilen,
3.1
ihm Auskunft zu erteilen
a)
über die Höhe der Zieleinkommen sowie die von der Beklagten zur Ermittlung herangezogenen Kriterien sämtlicher bei ihr als Partner beschäftigter Arbeitnehmer - jeweils getrennt nach Geschäftsjahren - für die Zeiträume vom
1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007,
1. Juli 2007 bis 30. Juni 2008,
1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009,
1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010,
wobei die Auskunft für den jeweiligen Partner insbesondere folgende Angaben enthalten muss:
-
Name des Partners
-
Geburtsdatum des Partners
-
Eintrittsdatum des Partners bei der Beklagten sowie die Bewertungskriterien der daraus resultierenden Betriebstreue nach dem Partnervergütungssystem
-
Aufgabeninhalt, Funktion und jeweiliger Verantwortungsbereich des Partners sowie die Bewertungskriterien der daraus resultierenden Daten nach dem Partnervergütungssystem für den jeweiligen Partner
-
Region, in der der Partner tätig war
-
Höhe des für den jeweiligen Partner festgesetzten Zieleinkommens
-
Kriterien und Ergebnis der individuellen Leistungsbestimmung des jeweiligen Partners
-
Unternehmenseinheit des Partners und deren Erfolg im Sinne des Partnervergütungssystems sowie die insoweit für den jeweiligen Partner zugrunde gelegten Kriterien
-
Unternehmenserfolg im Sinne des Partnervergütungssystems und die insoweit für den jeweiligen Partner zugrunde gelegten Kriterien,
b)
über die tatsächlich gezahlten Bruttovergütungen sowie die von der Beklagten zur Ermittlung herangezogenen Kriterien sämtlicher bei ihr als Partner beschäftigter Arbeitnehmer - jeweils getrennt nach Geschäftsjahren - für die Zeiträume vom
1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007,
1. Juli 2007 bis 30. Juni 2008,
1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009,
1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010,
wobei die Auskunft für den jeweiligen Partner im jeweiligen Zeitraum insbesondere folgende Angaben enthalten muss:
-
Name des Partners
-
Umfang der Zielerreichung gemäß Partnervergütungssystem getrennt nach
-
Unternehmenserfolg
-
Erfolg der Unternehmenseinheit
-
individuelle Leistung gemäß Zielvereinbarung (Ergebnisse des Partnerzielvereinbarungs- und Beurteilungssystems)
-
Betriebstreue,
3.2
an ihn einen nach erteilter Auskunft noch zu beziffernden Betrag zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Freiwilligkeitsvorbehalt sei zulässig und rechtswirksam, weil die Zahlung der variablen Vergütung nach dem Partnervergütungssystem keinen Entgeltcharakter im engeren Sinne habe. Die bei ihr praktizierte Vergütungsregelung sei transparent. Die Kriterien zur Berechnung des Ziel- und des Gesamteinkommens stünden fest und der Kläger habe es selbst in der Hand, Einfluss auf die Festsetzung des jährlichen Zieleinkommens zu nehmen. Die Ziele im streitbefangenen Zeitraum hätten sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert. Aus dem PVS iVm. dem Handbuch ergebe sich im Einzelnen, wie die Zielvereinbarungen zu treffen seien, welche Kriterien beurteilt werden dürften, wie das Bewertungsverfahren ablaufe und welche Beurteilungsgrundsätze und Noten in Betracht kämen. Auch die jeweiligen Beurteilungen des Klägers seien nicht zu beanstanden, weil dieser zuletzt teilweise sehr schlechte Leistungen gezeigt habe. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung komme nicht in Betracht, da es bei der Festsetzung der Vergütung an einem abstrakt generalisierenden Prinzip fehle. Überdies stünden berechtigte Interessen der anderen Partner einer Auskunft entgegen; eine solche würde Datenschutzbestimmungen widersprechen.
-
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1. und zu 2. in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs und eines möglicherweise daraus folgenden Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert, den Zahlungsanspruch des Klägers reduziert und seinen Feststellungsantrag abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt weiterhin vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die zulässigen Revisionen beider Parteien sind hinsichtlich der für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers begründet (zu I). Hinsichtlich der begehrten Feststellung über die Höhe seines Zieleinkommens und hinsichtlich der Stufenklage ist die Revision des Klägers dagegen unbegründet (zu II).
- 13
-
I. Ob dem Kläger nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziff. 2 Abs. 2 VÄ und den Regelungen des PVS eine höhere variable Vergütung (Tantieme) für den streitgegenständlichen Zeitraum zusteht, steht noch nicht fest. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte weder die Beklagte zur Zahlung verurteilt noch die Klage teilweise abgewiesen werden. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Revisionen beider Parteien führen daher insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 14
-
1. Die vertraglichen Bestimmungen gewähren dem Kläger - neben dem Anspruch auf Festbezüge (Gehalt) in Höhe von 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens - grundsätzlich einen Anspruch auf eine variable Vergütung. Die Höhe der erreichbaren variablen Vergütung bestimmt sich für das jeweilige Geschäftsjahr nach einem nach billigem Ermessen durch die Arbeitgeberin festzusetzenden Zieleinkommen, welches mindestens ein bestimmtes Verhältnis zu den Festbezügen erreichen muss. Die Höhe der tatsächlich auszuzahlenden variablen Bezüge (Tantieme, auch als Abschlussgratifikation bezeichnet) ergibt sich aus einer Festsetzung nach billigem Ermessen unter Beachtung der individuellen Leistung, des Unternehmenserfolgs, des Erfolgs der Unternehmenseinheit und der Betriebstreue. Die Bewertung der individuellen Leistung erfolgt dabei bezogen auf das Erreichen der in einer Zielvereinbarung festgelegten Ziele. Dieses mit der Vertragsänderung im Jahre 2006 vereinbarte Vergütungssystem ist - mit einer Ausnahme - rechtlich nicht zu beanstanden.
- 15
-
a) Bei den Vertragsbestimmungen vom 17. März/26. Mai 2006 und den Regelungen des PVS handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 ff. BGB. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
- 16
-
b) Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54).
- 17
-
Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung der einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt, von denen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).
- 18
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c) Eine Auslegung nach diesen Grundsätzen ergibt, dass die Parteien eine Vergütung vereinbart haben, welche sich aus einem festen, durch die Arbeitgeberin nur zugunsten des Arbeitnehmers veränderbaren Anteil (Festbezüge/Gehalt) und aus einem variablen Anteil (Tantieme/Abschlussgratifikation), dessen Höhe sowohl hinsichtlich der Erwerbschancen als auch hinsichtlich der tatsächlichen Auszahlung schwanken kann und von der Beklagten jeweils nach billigem Ermessen festzusetzen ist, zusammensetzt.
- 19
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aa) Mit der VÄ sollte das Vergütungssystem der Partner/innen, wie sich aus der Präambel ergibt, umgestellt und vereinheitlicht werden. Das System sieht Festbezüge und variable Bezüge vor, deren Ermittlung - abgesehen von der erstmaligen Vereinbarung der Gesamtbezüge bei Vertragsbeginn - durch Festlegung eines Zieleinkommens vor und eines Isteinkommens nach Ablauf des Bezugszeitraums erfolgt (Ziff. 3 VÄ iVm. PVS). Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 VÄ legt dabei den Anteil der Festbezüge auf 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens fest, wobei sich Modifikationen durch die Besitzstandsklausel in Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ergeben. Ziff. 2 Abs. 2 VÄ bestimmt den Anteil der variablen Bezüge auf 40 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Die weiteren Einzelheiten des Vergütungssystems ergeben sich aus Ziff. 3 VÄ iVm. PVS. Dort ist ua. bestimmt, dass bei Festlegung des Zieleinkommens hinsichtlich des variablen Teils eine Zielerreichung unterstellt wird.
- 20
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(1) Die Vertragsbestimmungen vom 17. März/26. Mai 2006 enthalten keine konkrete Angabe über die Höhe der Gesamtbezüge des Klägers. Diese ergibt sich aber aus der vorgefundenen Vertragslage und der Vergütung zum Inkrafttreten der VÄ. Einer gesonderten Vereinbarung der Gesamtvergütung bedurfte es daher - anders als bei einer Neueinstellung - nicht. Zwischen den Parteien ist diese Frage nicht streitig; für das am 1. Juli 2006 beginnende Geschäftsjahr 2006/2007 betrug das Zieleinkommen nach dem Schreiben der Beklagten vom 17. Juli 2006 400.000,00 Euro und die Festbezüge waren mit 240.000,00 Euro, dh. 60 % hiervon, ausgewiesen. Damit betrug die feste Vergütung des Klägers gemäß Ziff. 2 Abs. 1 VÄ zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Vergütungssystems 240.000,00 Euro.
- 21
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(2) Mindestens in dieser Höhe waren die Festbezüge nach Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 VÄ festgeschrieben. Diese Besitzstandsklausel ist - anders als der vergangenheitsbezogene Wortlaut („erworbener Besitzstand“) zunächst glauben lässt - nicht auf den Zeitpunkt der Einführung des PVS beschränkt. Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 VÄ bestimmt nämlich, dass die Festbezüge 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens betragen. Es ist also vor und nach jedem Geschäftsjahr deren Anteil zu bestimmen. Gegebenenfalls tritt eine Erhöhung der Festbezüge ein, die dann den neuen Besitzstand darstellen. Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus. Erhöhungen des Zieleinkommens (zB im Geschäftsjahr 2008/2009) haben zu einer Anpassung der Festbezüge auf 60 % dieses Zieleinkommens und zu einem entsprechend höheren Besitzstand des Klägers im Folgejahr (444.000,00 Euro) geführt.
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(3) Hinsichtlich des variablen Teils der Vergütung fehlt es hingegen an einer solchen dauerhaften Festlegung. Zwar werden nach der Präambel der VÄ alle Partner einheitlich in einem Verhältnis zum Zieleinkommen von 60 % fix und 40 % variabel vergütet. Auch benennt Ziff. 2 Abs. 2 VÄ die Höhe der variablen Bezüge mit 40 %. Der Wert von 40 % bezieht sich aber - ebenso wie bei den Festbezügen - nicht nur auf das Zieleinkommen, sondern auch auf die Gesamtbezüge. Im Fall eines niedrigen Zielerreichungsgrades und damit eines niedrigeren Isteinkommens verschiebt sich damit notwendigerweise das Verhältnis zwischen fixen und variablen Vergütungsbestandteilen, da andernfalls eine - unzulässige und nicht vorgesehene - Absenkung der festen Vergütungsbestandteile die Folge wäre. Deshalb bestimmt Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 VÄ für diesen Fall ausdrücklich, dass sich der Anteil der variablen Bezüge entsprechend vermindert. Gleiches gilt, wenn aufgrund eines Besitzstandes bereits beim Zieleinkommen der Anteil der Festbezüge 60 % übersteigt. Der Anteil an variablen Bezügen verringert sich dann entsprechend. Eine andere Auslegung erscheint auch nach der Zweifelsregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht ernsthaft möglich, würde sie doch den Bezug auf die Gesamtbezüge völlig ausblenden. Auch die Regelungen des PVS tragen dieses Ergebnis. Sowohl Ziff. 1 PVS (Gesamtbezüge) als auch Ziff. 2 PVS (Zieleinkommen und Isteinkommen) legen fest, dass das Zieleinkommen zu Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres neu festgelegt wird. Damit ist erkennbar, dass das Zieleinkommen weder immer die gleiche Höhe haben muss noch dass eine Veränderung nur nach oben erfolgen kann.
- 23
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Das gefundene Ergebnis liegt auch nahe. Die beteiligten Verkehrskreise konnten bei Einführung eines teilvariablen Vergütungssystems nicht davon ausgehen, dass nicht nur die Festbezüge, sondern auch das Zieleinkommen unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und den individuellen Leistungen des jeweiligen Arbeitnehmers für alle Zukunft garantiert ist und sich allenfalls steigern kann. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die dynamische Ausgestaltung der Besitzstandsklausel hinsichtlich der Festbezüge.
- 24
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(4) Damit ist die Beklagte nach der vertraglichen Regelung berechtigt und verpflichtet, die Höhe des Zieleinkommens für jedes Geschäftsjahr neu zu bestimmen. Dabei ist sie hinsichtlich der Höhe der Festbezüge ebenso wie hinsichtlich des Verhältnisses von Festbezügen und variabler Vergütung durch die Regelungen der VÄ und des PVS gebunden. Dieses Verhältnis beträgt im Grundsatz 60 zu 40, soweit es sich nicht gemäß Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 VÄ verschoben hat. Von diesem Verhältnis kann die Beklagte nicht nach unten abweichen. Im Übrigen überlässt ihr die vertragliche Regelung bei der Festsetzung des Zieleinkommens ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB. Die Leistungsbestimmung hat nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen.
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Damit enthalten die vertraglichen Bestimmungen keinen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. zu einer solchen Konstellation: BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 16 ff., BAGE 124, 259). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Beklagte die Entscheidung vorbehalten wollte, die Vergütung auf die Festbezüge zu beschränken oder kein Zieleinkommen festzusetzen. Vielmehr ist sie hierzu nach den obigen Grundsätzen verpflichtet.
- 26
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(5) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine bestimmte Höhe des Zieleinkommens nicht aus seiner (stillschweigenden) Zustimmung zum Zieleinkommen des Vorjahres und einer daraus jeweils folgenden Vertragsänderung nach § 151 BGB. Es fehlt schon an einem Angebot der Beklagten zur Vertragsänderung. Ihre jeweiligen Schreiben, mit denen dem Kläger sein Zieleinkommen mitgeteilt wurde, beziehen sich ausdrücklich auf ein bestimmtes Geschäftsjahr und lassen im Übrigen erkennen, dass die Beklagte - in Übereinstimmung mit den vertraglichen Regelungen - hinsichtlich des variablen Teils der Vergütung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt.
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bb) Das Isteinkommen wird gemäß Ziff. 2 Abs. 2 PVS nach Ablauf des Geschäftsjahres festgelegt. Dabei betrifft die nachträgliche Festlegung nur den variablen Teil der Bezüge. Über diesen hat die Beklagte wiederum unter Berücksichtigung der vertraglichen Vorgaben nach billigem Ermessen iSd. § 315 BGB zu entscheiden.
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Ziff. 2 Abs. 2 Satz 3 PVS bestimmt vier Faktoren, die bei der Festlegung der variablen Bezüge zu berücksichtigen sind, nämlich die Betriebstreue, den Erfolg des Unternehmens, den Erfolg der Unternehmenseinheit sowie die individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin. Letztere bestimmen sich aus den Ergebnissen des Partnerzielvereinbarungs- und -beurteilungssystems (Ziff. 2 Abs. 4 PVS). Allerdings sind weder das Verhältnis der verschiedenen Faktoren zueinander noch die Höhe des zu verteilenden Gesamtbetrags festgelegt. Demnach kann die Höhe der variablen Bezüge von der Festsetzung im Rahmen des Zieleinkommens abweichen (vgl. Ziff. 2 Abs. 3 PVS). Damit verbleibt der Beklagten auch insoweit in bestimmtem Umfang ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Dieses ist mangels abweichender Anhaltspunkte ebenfalls nach billigem Ermessen auszuüben.
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d) Entgegen der Auffassung des Klägers hält das PVS mit dem oben beschriebenen Inhalt einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB im Wesentlichen stand.
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aa) Die Regelungen der VÄ und des PVS verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).
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(2) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch die Bestimmungen der VÄ iVm. dem PVS und der jeweiligen Zielvereinbarung ausreichend beschrieben. Für den Kläger als Wirtschaftsprüfer und leitenden Mitarbeiter der Beklagten war erkennbar, dass die Beklagte nach billigem Ermessen über das Zieleinkommen und die tatsächliche Höhe der variablen Bezüge zu entscheiden hat und an welche Faktoren sie hierbei gebunden ist. Soweit die Beklagte sich danach noch einen Beurteilungsspielraum, insbesondere zum Verhältnis der verschiedenen Faktoren und zur Beurteilung der Leistungen des Klägers vorbehalten hat, ist dieser im Hinblick auf die auf Dauer angelegte Regelung und sich stetig ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht unangemessen weit.
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bb) Die vertraglichen Regelungen enthalten keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.
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(1) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne des § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149; Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht 5. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 16; Staudinger/Coester-Waltjen (2006) § 308 Nr. 4 Rn. 5).
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(2) So verhält es sich hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist sowohl hinsichtlich des Zieleinkommens als auch hinsichtlich des variablen Anteils des Isteinkommens auf Entscheidungen nach billigem Ermessen unter Beachtung bestimmter vertraglicher Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Abweichung von einer bereits versprochenen Leistung behält sich die Beklagte mit dieser Vertragsgestaltung nicht vor. Vielmehr ist sichergestellt, dass die dem Kläger zugesagten Festbezüge unverändert zur Auszahlung kommen und sich diese allenfalls zugunsten des Klägers erhöhen können. Die variablen Bezüge sind demgegenüber nur in einem bestimmten, aber an sich verändernde Ausgangslagen angepassten Verhältnis festgeschrieben. An dieses Verhältnis ist die Beklagte auch bei ihrer Ermessensausübung gebunden.
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cc) Weder die Regelungen in Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 Abs. 1 PVS, wonach das Zieleinkommen jährlich neu festgelegt wird, noch das Recht der Beklagten, die tatsächliche Höhe des variablen Teils der Bezüge nach vorgegebenen Faktoren nach billigem Ermessen festzulegen, benachteiligen den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54).
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(2) Wie bereits dargelegt, enthält die vertragliche Regelung keinen Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. dazu BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 16 ff., BAGE 124, 259). Die Beklagte hat sich nicht das Recht vorbehalten, dem Kläger den Anspruch auf variable Bezüge und damit die entsprechende Vergütungschance zu entziehen. Zwar ist es denkbar, dass sich in Ausnahmefällen das Verhältnis zwischen Festbezügen und variablen Bezügen stark zugunsten der Festbezüge verschiebt. Dies kann der Fall sein, wenn der variable Teil des Isteinkommens aufgrund einer schlechten individuellen Leistung und/oder einer schlechten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und/oder des Unternehmensteils niedrig festgesetzt wird und auf einen hohen Besitzstand hinsichtlich der Festbezüge trifft. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber vertraglich verpflichtet, ein Zieleinkommen nach billigem Ermessen festzusetzen. Billiges Ermessen wird nur dann gewahrt sein, wenn eine im Verhältnis zum Festgehalt angemessene Chance auf Erzielung einer variablen Vergütung erhalten bleibt. Ob dies der Fall ist, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28).
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(3) Die Regelung weicht mit dem so ermittelten Inhalt auch nicht vom Gesetz ab. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine Abweichung von § 611 BGB vor, da hinsichtlich der variablen Vergütung keine bestimmte Leistung zugesagt wurde, deren späteren Entzug sich die Beklagte vorbehalten hätte. Weder die Höhe der Festvergütung noch der Anteil der variablen Vergütung lassen die Annahme zu, dass sich der Arbeitgeber faktisch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Gegenleistung vorbehalte und damit das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer übertrage (vgl. dazu zB Preis/Preis/Lindemann Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II Z 5 Rn. 15; eine solche Einschränkung ablehnend zB Annuß NZA 2007, 290, 291). Die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte sieht das Gesetz vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass diese einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber damit Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass sie für ein Partnervergütungssystem der vorliegenden Art nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar.
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(4) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die Beklagte ist sowohl an die Vorgaben der vertraglichen Regelungen gebunden als auch - hinsichtlich der Bestimmung der individuellen Leistung - an die getroffene Zielvereinbarung. Insbesondere kann sie nicht nachträglich das verabredete Leistungsprogramm verändern.
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(5) Eine unangemessene Benachteiligung liegt allerdings vor, soweit die Beklagte nach Ziff. 1 Abs. 5 PVS die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Partner/die Partnerin auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, und diesen Aspekt nur im Falle planmäßigen altersbedingten Ausscheidens außer Betracht lassen will. Eine solche Regelung, die die Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung oder jedenfalls deren Höhe an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums - hier des jeweiligen Geschäftsjahres - bindet, ist unwirksam und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Die Klausel steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert(vgl. für gewinn- und leistungsabhängige Bonuszahlungen: BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 25 ff., BAGE 124, 259). Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können, ist nicht ersichtlich (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31).
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Die Unwirksamkeit dieser Klausel führt nicht zur Unwirksamkeit der sonstigen Vergütungsregelungen. Vielmehr handelt es um eine teilbare Klausel. Der unzulässige Teil ist sprachlich eindeutig abtrennbar und die verbleibende Regelung weiterhin sinnvoll und verständlich. Der unzulässige Teil ist daher zu streichen (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Es ist ohne Weiteres möglich, bei der Ausübung billigen Ermessens diesen Aspekt außer Betracht zu lassen. Im Übrigen hat der Kläger die verlangte Betriebstreue im Streitzeitraum und im jeweiligen Folgejahr erbracht, sodass sich die Klausel nicht auf die Höhe seines Anspruchs ausgewirkt hat.
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2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre Folgendes:
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a) Für das Geschäftsjahr 2007/2008 steht noch nicht fest, ob ein Anspruch auf eine höhere variable Vergütung besteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann ein solcher nicht bejaht werden. Die Festsetzung des Zieleinkommens und die Höhe der Festbezüge stehen zwischen den Parteien für diesen Zeitraum nicht im Streit. Ob die Festsetzung der variablen Vergütung billigem Ermessen entspricht, kann aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht beurteilt werden.
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aa) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26 mwN, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31 mwN, BAGE 135, 239). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, trägt der Bestimmungsberechtigte (BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - aaO; 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, BAGE 135, 128; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28, NZA 2012, 1154; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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bb) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 12. Okto-ber 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Welche Folgen hieraus für die Reichweite der Überprüfung durch das Revisionsgericht zu ziehen sind, kann dahinstehen (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.
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cc) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es fehle an einem nachvollziehbaren System, wie die Faktoren zueinander in Beziehung zu setzen seien. Ein derartiges System ist - wie ausgeführt - nicht erforderlich. Darüber hinaus nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, woraus sich die Wertung „teilweise nicht erfüllt“ (= einfaches Minus) im Rahmen des Beurteilungssystems ergebe. Dabei hat es wesentlichen Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt. Aus dem Handbuch ergibt sich, dass die Bewertung nach einer fünfstufigen Beurteilungsskala erfolgt (dort Seite 15). Darüber hinaus ist festgelegt, dass es sowohl dem Beurteilten, der eine Selbsteinschätzung abzugeben hat, als auch dem Beurteiler (Reviewing Partner) obliegt, wie die einzelnen Kriterien bei der abschließenden Gesamtbeurteilung untereinander zu gewichten sind (dort Seite 22, 23). In der Bewertung der Zielerreichung für das Geschäftsjahr 2007/2008 haben sowohl der Kläger als auch der Reviewing Partner 1 unter Hinweis auf das Nichterreichen der wirtschaftlichen Ziele übereinstimmend die Einschätzung „Erwartungen/Ziel teilweise erfüllt“ abgegeben. Nach der Bewertungsskala ergibt dies ein einfaches Minus. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne entgegenstehende Anhaltspunkte annehmen, alle Beurteilungskriterien seien gleich zu gewichten, und mit dieser Begründung von einer Gesamtbewertung „gut“ (Erwartungen/Ziel erfüllt) ausgehen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die übereinstimmende Einschätzung des Klägers und seines Vorgesetzten zugrunde zu legen ist.
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Im Rahmen der Beurteilung der Grenzen billigen Ermessens wird das Landesarbeitsgericht allerdings die Behauptung des Klägers zu berücksichtigen haben, die Erreichung der wirtschaftlichen Ziele sei von vornherein unmöglich gewesen. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein - wofür nach dem Vortrag der Parteien bisher wenig spricht - müsste dies Beachtung finden. Billiges Ermessen ist nämlich nur dann gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind. Hierzu könnte beispielsweise eine deutliche Fehleinschätzung des Vorgesetzten im Rahmen des Zielvereinbarungsprozesses gehören. Allerdings hat der Kläger im Kommentarfeld, das für Konflikte im Zielvereinbarungsprozess vorgesehen ist (Handbuch Seite 20), keine Angaben gemacht. Auch dies kann nicht unbeachtet bleiben.
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Darüber hinaus wird das Landesarbeitsgericht zu überprüfen haben, ob die Beklagte hinsichtlich der Wertung der weiteren Faktoren (Unternehmensergebnis/Ergebnis der Unternehmenseinheit) und ihres Verhältnisses zur Bewertung der individuellen Leistung billiges Ermessens gewahrt hat. Dafür wird die Beklagte über ihren bisherigen Vortrag hinaus darlegen müssen, von welchem Unternehmensergebnis/Ergebnis der Unternehmenseinheit sie ausging, in welchem Verhältnis die drei Faktoren zueinander stehen und was dies für die Höhe und Verteilung der Tantieme auf die am PVS beteiligten Partner/innen bedeutet. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, auf den Vortrag der Beklagten zur Bandbreitenregelung (Schriftsatz vom 8. August 2011, Seite 10 ff.), näher einzugehen. Dabei trifft die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts zu, dass sich ein von der Beklagten aufgrund bestimmter Umstände vorgenommenes Abschlagsverfahren ausschließlich auf den variablen Anteil der Vergütung, nicht aber auf das Zieleinkommen beziehen kann. Nur der variable Teil der Vergütung ist vom Kläger durch seine Leistung beeinflussbar und von den im PVS genannten Faktoren abhängig. Eine andere Handhabung würde im Übrigen dem Charakter der Festvergütung nach Ziff. 2 Abs. 1 VÄ iVm. § 611 Abs. 1 BGB widersprechen.
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Sollte das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung dieser Faktoren zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte billiges Ermessen nicht gewahrt hat, so hat es gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Leistungsbestimmung durch Urteil vorzunehmen.
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b) Gleiches gilt für das Geschäftsjahr 2008/2009. Auch insoweit steht die Höhe des Zieleinkommens und der Festbezüge zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Höhe der Tantieme steht noch nicht fest.
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aa) Hinsichtlich der Bewertung der individuellen Leistung des Klägers ist zu prüfen, ob die Gesamtbeurteilung zutrifft. Dabei ist die Beklagte - da die Frage im Raum steht, ob sie billiges Ermessen gewahrt hat - für die Richtigkeit der Beurteilung als Teil der Leistungsbestimmung darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 77 Rn. 24; für diese Konstellation ebenso: Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück NZA 2005, 785, 791; ebenso bei einseitiger Zielfeststellung durch den Arbeitgeber, „insbesondere bei weichen Zielen“: Otto/Walk BB 2010, 373, 376 f.; bei Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers: Heiden Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht Diss. 2006, S. 317). Es gilt ein abgestuftes System der Darlegungslast. Maßgeblich sind zunächst die Beurteilungen in der Zielvereinbarung. Erst wenn der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen bestreitet, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese unter Vortrag von Tatsachen substanziiert zu begründen. Bestreitet der Arbeitnehmer solchen Vortrag substanziiert auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, so hat der Arbeitgeber die Richtigkeit der Beurteilung zu beweisen. Dabei werden die Anforderungen an ein substanziiertes Bestreiten steigen, wenn die arbeitgeberseitige Beurteilung einer vom Arbeitnehmer abgegebenen Selbsteinschätzung entspricht. Darüber hinaus kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass dem Beurteiler notwendigerweise ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. für dienstliche Beurteilungen: BAG 18. August 2009 - 9 AZR 617/08 - Rn. 33, BAGE 131, 367). Deshalb ist bei der Beurteilung der Zielerreichung innerhalb von Zielvereinbarungen zu unterscheiden. Geht es um die Erreichung sog. harter (quantitativer) Ziele wie zB Umsatz- oder Kundenzahlen, die Durchführung bestimmter Veranstaltungen etc., so ist konkreter Vortrag möglich und erforderlich. Geht es hingegen um das Erreichen sog. weicher (qualitativer) Ziele, wie zB das Führungsverhalten, muss der Arbeitgeber seine Wertungen auf entsprechendes Bestreiten (nur) soweit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Soweit solche Wertungen auf bestimmte Einzelvorkommnisse oder Bewertungen anderer Mitarbeiter (Upward-Feedback) gestützt werden, sind diese konkret zu benennen. Reine Werturteile bedürfen zwar keines näheren Vortrags, reichen aber für sich genommen nicht aus, um eine negative Bewertung zu stützen.
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Wie die Darlegungs- und Beweislast für die Zielerreichung in den Fällen verteilt ist, in denen in der Zielvereinbarung abschließend alle Faktoren und deren finanzielle Auswirkungen bestimmt sind, ohne dass dem Arbeitgeber noch ein Ermessensspielraum iSv. § 315 BGB verbleibt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. dazu zB Preis/Preis/Lindemann Der Arbeitsvertrag II Z 5 Rn. 32 - 34; Annuß NZA 2007, 290, 294; Behrens/Rinsdorf NZA 2003, 364; Deich Arbeitsvertragliche Gestaltung von Zielvereinbarungen S. 85 f.; Heiden Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht Diss. 2006, S. 299 ff.; Mohnke Zielvereinbarungen im Arbeitsverhältnis Diss. 2006, S. 295 ff.; Friedrich Arbeitsrechtliche Fragen der Zielvereinbarung Diss. 2008, S. 195 ff.; vgl. zum Entlastungsbeweis für den Fall der unterbliebenen Zielvereinbarung: BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 889/07 - Rn. 14 ff., AP BGB § 280 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 23).
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bb) Im Übrigen gelten auch beim Geschäftsjahr 2008/2009 die Anforderungen an die Darlegung der Beklagten zur wirtschaftlichen Lage und zum Verhältnis der verschiedenen Faktoren. Da substanzieller Vortrag hierzu bisher fehlt, kann auch die teilweise Klageabweisung durch das Landesarbeitsgericht keinen Bestand haben.
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c) Hinsichtlich des Geschäftsjahres 2009/2010 ist die Festsetzung sowohl des Zieleinkommens als auch des Isteinkommens streitig.
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aa) Ob das festgesetzte Zieleinkommen billigem Ermessen entsprach, steht noch nicht fest. Die Beklagte hat dieses auf 520.000,00 Euro und damit deutlich niedriger als im Vorjahr festgesetzt. Eine solche Festsetzung ist dann nicht ausgeschlossen, wenn die Gesamtbezüge des Klägers im Geschäftsjahr 2008/2009 tatsächlich entsprechend dem Schreiben vom 25. September 2009 (nur) 510.000,00 Euro betragen haben. In diesem Fall hätte sich das Verhältnis zwischen Festbezügen und variabler Vergütung auf 87 % zu 13 % verschoben. Damit hätte die Beklagte ein Zieleinkommen bestimmt, das sich an diesem geänderten Verhältnis orientiert. Allerdings wird die Beklagte auch dann noch darlegen müssen, inwieweit dieses Zieleinkommen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände (wie zB des Budgets und dessen Verteilung auf die verschiedenen Partner) billigem Ermessen entspricht. Sollte sich hinsichtlich der Gesamtbezüge des Geschäftsjahres 2008/2009 (vgl. oben zu b) jedoch ein höherer Anspruch des Klägers ergeben, wird das Landesarbeitsgericht das sich dann ergebende Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung zugrunde zu legen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Zieleinkommen zu bestimmen haben.
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bb) Wegen des Streits über die Zielerreichung und wegen der Bewertung der verschiedenen Faktoren zueinander ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Dabei wird der Vortrag des Klägers zu berücksichtigen sein, dass ihm die Kostenstellenverantwortung entzogen wurde, und es wird festzustellen sein, inwieweit dies Auswirkungen auf die Möglichkeiten seiner Zielerreichung hatte.
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d) Ein möglicher Zinsanspruch bestünde gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB bis zur Höhe eines Betrages von 330.000,00 Euro brutto bereits ab 29. Juli 2010, da die Klageschrift am 28. Juli 2010 zugestellt wurde. Lediglich hinsichtlich des übersteigenden Betrages bestünde ein Zinsanspruch erst ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 30. Oktober 2010.
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II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Zieleinkommens von mindestens 740.000,00 Euro ab dem Geschäftsjahr 2008/2009 hat. Auf die Ausführungen zu I 1 wird verwiesen.
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2. Ebenso wenig ist die Annahme der Vorinstanzen zu beanstanden, dass nach dem Vortrag des Klägers weder der geltend gemachte Auskunftsanspruch noch ein Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehen. Deshalb konnte über die Stufenklage einheitlich entschieden und die Klage insoweit insgesamt abgewiesen werden (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 385/09 - Rn. 16, AP BetrAVG § 9 Nr. 24 = EzA BetrAVG § 9 Nr. 9).
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a) Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht im Arbeitsverhältnis nicht. Auch die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substanziierten Bestreiten hinausgehende - Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindern den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht die Regelung der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen. Gewohnheitsrechtlich ist aber anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Denn der Ausgleich gestörter Vertragsparität gehört zu den Hauptaufgaben des Zivilrechts. Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus. Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme; dies ist nunmehr ausdrücklich in § 241 Abs. 2 BGB normiert. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, zB weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden. Grundlage ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (grundlegend dazu: BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 113, 55).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet ein Auskunfts- und Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus. Der Kläger benennt keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einen Auskunftsanspruch begründen könnten. Er begehrt umfassend Auskunft über die individuelle Vergütungssituation der anderen Partner/innen, ohne dass er die Erforderlichkeit solcher Auskünfte dargelegt hat. Soweit er sich auf abstrakte Regelungen bei der Festlegung der Vergütungshöhe bezieht, könnte deren Existenz allenfalls einen hierauf gerichteten Auskunftsanspruch begründen. Soweit der Kläger der Sache nach wissen möchte, wie die Festsetzung seines Zieleinkommens und seiner Gesamtbezüge zustande kommt und welche Faktoren dabei in welcher Gewichtung Berücksichtigung finden, ist dafür weder die begehrte Auskunft erforderlich, noch erreicht er mit dieser das angestrebte Ziel. Vielmehr wird die Beklagte im Rahmen ihrer Darlegungslast nach § 315 BGB zu erläutern haben, wie sich die Höhe von Zieleinkommen und variabler Vergütung ergibt; dem insoweit berechtigten Anliegen des Klägers wird damit an anderer Stelle Rechnung getragen.
-
Mikosch
Schmitz-Scholemann
W. Reinfelder
W. Guthier
A. Effenberger
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine rechtlich selbständige kirchliche Einrichtung in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, hat die Aufgabe, Beschäftigten des kirchlichen und kirchlich-caritativen Dienstes in den Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung nach den für Angestellte im öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen zu gewähren. Gemäß § 11 Abs. 2 ihrer Satzung (KZVKS) ist Voraussetzung für den Erwerb einer Beteiligung, dass der Arbeitgeber das für die Mitglieder der in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände zusammengeschlossenen Arbeitgeberverbände geltende Versorgungstarifrecht oder in Bezug auf die Leistungen ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts tarifvertraglich oder allgemein einzelvertraglich anwendet. Das Beteiligungsverhältnis ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KZVKS ein privatrechtliches Versi- cherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Klägerin. Die Beklagte hat in ihrer Beteiligungsvereinbarung das jeweils geltende Satzungsrecht der Kasse als verbindlich anerkannt und ausdrücklich erklärt, ein Versorgungsrecht entsprechend der Kassensatzung anzuwenden.
- 2
- Mit Neufassung ihrer Satzung vom 24. Juni 2002 (veröffentlicht im Amtsblatt des Erzbistums K. 2002, S. 214 ff.) stellte die Klägerin ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag ) um. Zuvor hatten die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften im Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) vom 1. März 2002 einen entsprechenden Systemwechsel vereinbart. Dabei regelt § 17 Abs. 1 Satz1 ATV-K, dass die Zusatzversorgungskassen zur Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels zum Punktemodell zusätzlichen Finanzbedarfs, der über die am 1. November 2001 jeweils geltende Umlage hinausgeht, vom Arbeitgeber Sanierungsgelder erheben. Die Höhe des Sanierungsgeldes ist für die Klägerin tarifvertraglich nicht festgelegt. Anlage 5 des ATV-K enthält den Tarifvertrag Altersvorsorgeplan 2001 (AVP 2001). Nach dessen Ziff. 2.2. Abs. 3 Satz 2 werden von den Überschüssen der Kasse nach Abzug der Verwaltungskosten vorrangig die sozialen Komponenten und die Bonuspunkte finanziert.
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- Ziff. 4.1 AVP 2001 bestimmt: "Jede Kasse regelt ihre Finanzierung selbst. Zusätzlicher Finanzbedarf über die tatsächliche Umlage des Jahres 2001 hinaus (Stichtag 1.11.2001) - mindestens jedoch als Umlagesatz von 4 v.H. - wird durch steuerfreie, pauschale Sanierungsgelder gedeckt. …"
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- In der KZVKS finden sich unter anderem folgende Finanzierungsregelungen : § 53 Kassenvermögen (1) … 3Innerhalb des Kassenvermögens werden drei ge- trennte Abrechnungsverbände geführt, und zwar
a) für Anwartschaften und Ansprüche, die auf nach dem 31. Dezember 2001 entrichteten Pflichtbeiträgen beruhen (Abrechnungsverband P),
b) für Anwartschaften und Ansprüche, die auf nach dem 31. Dezember 2001 entrichteten freiwilligen Beiträgen beruhen (Abrechnungsverband F) und
c) für alle übrigen Anwartschaften und Ansprüche (Abrechnungsverband S). ... (3) 1Für jedes Geschäftsjahr erstellt die Kasse nach den Grundsätzen des kaufmännischen Rechnungswesens einen Wirtschaftsplan … sowie einen Rechnungsabschluss. 2Bestandteil des Rechnungsabschlusses ist eine gesonderte Bilanz, die vom Verantwortlichen Aktuar zu testieren ist. … § 54 Deckungsrückstellung 1In der gesonderten Bilanz ist eine Deckungsrückstellung in Höhe des versicherungsmathematischen Barwerts aller am Bilanzstichtag dem Grunde und der Höhe nach bestehenden Anwartschaften und Ansprüche von Pflichtversicherten … sowie beitragsfrei Versicherten mit erfüllter Wartezeit einzustellen. … § 55 Deckung von Fehlbeträgen und Überschussverwendung … (3) 1Weist die gesonderte Bilanz einen Fehlbetrag aus, können zu seiner Deckung die Verlustrücklage und die Rückstellung für Überschussbeteiligung herangezogen werden. …3Solange die Verlustrücklage einen für den Abrechnungsverband S festgestellten Fehlbetrag der Höhe nach unterschreitet, kann der Verwaltungsrat der Kasse auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars zur Deckung des Fehlbetrages die Erhebung eines Sanierungsgeldes festle- gen. … § 63 Sanierungsgeld (1) Der Beteiligte ist Schuldner eines pauschalen Sanierungsgeldes. (2) Das insgesamt von allen Beteiligten zu entrichtende Sanierungsgeld beläuft sich je Kalenderjahr auf den vom Verwaltungsrat auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars festgesetzten Vomhundertsatz der Summe der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte der jeweiligen Pflichtversicherten des Abrechnungsverbandes S, … … (5) 1Das Sanierungsgeld wird von der Kasse nach Abschluss der Jahresabrechnung für das vorangegangene Ka- lenderjahr erhoben. …
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- Der Verwaltungsrat der Klägerin setzte durch Beschluss vom 16. April 2002 die Höhe des zu erhebenden Sanierungsgeldes ab dem 1. Januar 2002 auf 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts fest.
- 6
- Im Leistungsrecht regelt § 35 Abs. 1 bis Abs. 4 KZVKS soziale Komponenten. Dazu gehören unter anderem Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten , Kindererziehungszeiten und eine Übergangsregelung für die Versicherten mit einer Mindestpflichtversicherungszeit von 20 Jahren.
- 7
- Die Klägerin erhebt zudem einen so genannten Beitragszuschuss Ost. Dabei stützt sie sich auf § 64 KZVKS, wonach sie "nach Maßgabe gesonderter Durchführungsvorschriften von Dritten und Beteiligten Zuschüsse entgegennehmen" kann. Der Beitragszuschuss Ost dient der Finanzierung der weiteren sozialen Komponente gemäß § 35 Abs. 5 KZVKS, demzufolge in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet unabhängig vom tatsächlichen Beitrag Versorgungspunkte auf Basis des Beitragssatzes hinzugerechnet werden, der auch im übrigen Bundesgebiet erhoben wird. Zu § 64 KZVKS wurde eine gesonderte Durchführungsvorschrift erlassen (veröffentlicht im Amtsblatt des Erzbistums K. 2002, S. 233). Auszugsweise heißt es dort: "1. Die nach § 35 Abs. 5 hinzugerechneten Versorgungspunkte werden zu einem Drittel aus den Überschüssen des Abrechnungsverbandes P und zu einem weiteren Drittel durch einen Zuschuss der zum 31. Dezember 2001 vorhandenen Beteiligten aus dem Tarifgebiet West und schließlich zu einem weiteren Drittel durch einen Zuschuss des Verbandes der Diözesen Deutschlands finanziert. … 3. Basis für die Belastung des jeweiligen Dienstgebers ist sein gesamtes zusatzversorgungspflichtiges Entgelt des Jahres 2001. ..."
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- Bei der Beklagten sind Arbeitnehmer des kirchlich-caritativen Dienstes beschäftigt. Sie ist Beteiligte der Klägerin. In ihrer Beteiligungsvereinbarung hat sie das jeweils gültige Satzungsrecht der Kasse als verbindlich anerkannt. Von der Klägerin geforderte Zahlungen für das Sanierungsgeld und den Beitragszuschuss Ost hat sie nicht geleistet; diese summieren sich für die Jahre 2002 bis 2005 auf rund 935.000 €.
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- Die Klägerin hält § 63 KZVKS für wirksam. Sie habe das Sanierungsgeld zu Recht erhoben. Anlässlich der Systemumstellung habe sich eine Deckungslücke von 446.840.912,26 € ergeben, die aus den in das neue Betriebsrentensystem zu überführenden Besitzständen resultiere. Diese Deckungslücke sei gemäß dem Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars durch Erhebung eines Sanierungsgeldes in Höhe von 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts zu schließen. Der Beitragszuschuss Ost sei auf Grundlage des § 64 KZVKS rechtmäßig erhoben worden. Unter Zuwendungen seien im Sinne von § 4c Abs. 1 EStG Zuwendungen zur Abdeckung von Fehlbeträgen der Kasse zu verstehen. Der Beitragszuschuss Ost schließe einen Finanzierungsbedarf der Klägerin.
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- Nach Ansicht der Beklagten ist § 63 KZVKS unwirksam. Die Klägerin könne sich bei der Einführung des Sanierungsgeldes nicht auf den ATV-K stützen, da ihre Beteiligten nicht diesen Tarifvertrag, sondern die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C. (AVR) anwendeten. Für den Beitragszuschuss Ost fehle es an einer Rechtsgrundlage; unter einer Zuwendung i.S. des § 64 KZVKS sei nur eine freiwillige Leistung zu verstehen.
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- Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob bei der Klägerin ein durch die Systemum- stellung bedingter Finanzierungsbedarf bestanden habe, abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderungen weiter.
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- Der Verwaltungsrat der Klägerin hat mit Beschluss vom 20. Mai 2010 den Vomhundertsatz für die Erhebung des Sanierungsgeldes rückwirkend für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 erneut auf 0,75 und für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 auf 1,35 festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision hat keinen Erfolg.
- 14
- I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Sanierungsgeld verneint. Die Satzungsregelung des § 63 KZVKS sei zwar wirksam. Allerdings sei der Verwaltungsratsbeschluss vom 16. April 2002 über die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes unwirksam. Die auf billiges Ermessen hin zu überprüfende Entscheidung des Verwaltungsrats beruhe auf einem Ermessensfehler, weil der Verwaltungsrat von einer unzutreffenden Höhe der umstellungsbedingten Deckungslücke ausgegangen sei. Zum einen widerspreche die von der Klägerin vorgenommene Berücksichtigung von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit der abschließenden Regelung in § 54 Satz 1 KZVKS, wonach bei der Deckungsrückstellung nur beitragsfrei Versicherte mit erfüllter Wartezeit zu berücksichtigen seien. Zum anderen seien in die Deckungslücke die sozialen Komponenten nach § 35 Abs. 1 bis Abs. 4 KZVKS pauschal hineingerechnet worden, obwohl diese aus Überschüssen zu finanzieren seien, die hin- reichende Möglichkeit einer konkreten Berechnung bestehe und die sozialen Komponenten überwiegend zum Abrechnungsverband P gehörten und deshalb nicht im Abrechnungsverband S zu berücksichtigen seien. Die Deckungslücke für 2002 liege daher um rund 286 Mio. € niedriger als die vom Verwaltungsrat angenommene Summe von rund 447 Mio. €. Diese Diskrepanz schließe eine sachgerechte und ermessensfehlerfreie Ermessensausübung des Verwaltungsrats aus.
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- Einen Anspruch auf den Beitragszuschuss Ost gebe es ebenso wenig. § 64 KZVKS könne nicht im Sinne einer Zahlungsverpflichtungen auslösenden Anordnungsermächtigung verstanden werden. Überdies könnten die West-Beteiligten nicht im Wege einer bloßen Durchführungsvorschrift zu einer Sonderfinanzierung herangezogen werden.
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- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sanierungsgeld verneint.
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- a) Allerdings enthält die Satzung der Klägerin - anders als das Berufungsgericht meint - in § 63 i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS nur einen einzigen, einheitlichen Sanierungsgeldtatbestand. Der Beteiligte hat als durchschnittlicher Versicherungsnehmer keinen Anlass, von unterschiedlichen Sanierungsgeldern in § 63 KZVKS einerseits und § 55 Abs. 3 KZVKS andererseits auszugehen. Insbesondere kann er § 63 KZVKS kein gesondertes, von einem konkreten Finanzierungsbedarf abgekoppeltes Sanierungsgeld entnehmen.
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- b) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Einführung eines Sanierungsgeldes durch § 63 i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS und dessen Erhebung allein von den Arbeitgebern nicht als unangemessene Benachteiligung der Beklagten i.S. des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB betrachtet. Die Satzungsbestimmungen der Klägerin übernehmen insoweit tarifrechtliche Grundentscheidungen der Tarifvertragsparteien (§ 17 ATV-K und Ziff. 4.1 AVP 2001). Soweit hiernach § 55 und § 63 KZVKS nur einer Überprüfung an Hand des deutschen Verfassungsrechts und des europäischen Gemeinschaftsrechts unterliegt, verstößt er hiergegen nicht; ebenso sind die Grenzen der Satzungsänderungsbefugnis nicht überschritten (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 76/09, BGHZ 190, 314Rn. 63 ff.). Dabei muss sich die Beklagte über ihre Beteiligungsvereinbarung im Rahmen der AGB-Prüfung den ATV-K und den AVP 2001 entgegenhalten lassen (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 aaO Rn. 59 ff.). Keine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien besteht indessen zur konkreten Höhe des Sanierungsgeldes, weil der ATV-K und der AVP 2001 insoweit keine Regelung für die Klägerin treffen.
- 20
- c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes durch den Verwaltungsratsbeschluss vom 16. April 2002 auf die Einhaltung billigen Ermessens hin überprüft und diesen für unwirksam erachtet.
- 21
- aa) § 315 Abs. 1 BGB setzt eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, wonach eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung bestimmen kann (BGH, Urteil vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 33 m.w.N.). Ein faktisches Bestimmungsrecht reicht nicht aus (BGH aaO). Eine vertragliche Bestimmung der Leistung geht vor und schließt die Anwendung des § 315 BGB aus, etwa wenn die Vertragspartner objektive Maßstäbe vereinbaren, die es ermöglichen, die vertraglichen Leistungspflichten zu bestimmen (Erman/Hager, BGB 13. Aufl. § 315 Rn. 1, 4). So liegt bei einer Preisanpassungsklausel nur dann ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor, wenn dem Leistungserbringer bei der Preisgestaltung ein Ermessensspielraum zusteht; dies ist nicht der Fall, wenn vertraglich die Berechnungsfaktoren im Einzelnen bestimmt sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 19).
- 22
- Nach diesen Grundsätzen ist von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 BGB auszugehen. § 63 Abs. 2 KZVKS überlässt die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes allein der Klägerin. Die Satzung selbst gibt zwar den Rahmen vor, indem § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS als Voraussetzung für die Erhebung einen Fehlbetrag im Abrechnungsverband S festlegt, § 63 Abs. 2 KZVKS Verfahrensregelungen trifft und § 63 Abs. 3 KZVKS Einzelheiten zur Berechnung enthält. Die Kernentscheidung der Bestimmung der Sanierungsgeldhöhe bleibt indes ausdrücklich kraft satzungsmäßiger Zuweisung dem Verwaltungsrat der Klägerin vorbehalten, womit allein ihm die Leistungsbestimmung obliegt. Diese hat er gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen.
- 23
- bb) Gegenstand des Verfahrens ist allein der Beschluss des Verwaltungsrats vom 16. April 2002. Der nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangene neue Beschluss des Verwaltungsrats vom 20. Mai 2010 ist entgegen der Ansicht der Klägerin im Revisionsverfahren nicht zu beachten.
- 24
- Das Revisionsgericht hat das zur Zeit seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (BGH, Urteil vom 26. Februar 1953 - III ZR 214/50, BGHZ 9, 101; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 545 Rn. 9). Hierzu gehören Vorschriften, die Normen objektiven Rechts enthalten. Dem Verwaltungsratsbeschluss fehlt es an der erforderlichen Normqualität. Er ist lediglich Tatbestandsvoraussetzung des als Allgemeine Versicherungsbedingung anzusehenden § 63 Abs. 2 KZVKS, enthält jedoch kein revisibles objektives Recht.
- 25
- cc) Das Berufungsgericht hat mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung eine Überschreitung des billigen Ermessens angenommen.
- 26
- (1) Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 BGB können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 20 m.w.N.).
- 27
- (2) Das Berufungsgericht hat den Begriff des billigen Ermessens nicht verkannt. Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG NJW 1962, 268, 270). Mithin ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidungskontrolle nicht auf eine Ergebniskontrolle verengt werden darf, sondern auch der subjektive Ermessensfehlgebrauch in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Ermessensfehlerlehre von Bedeutung ist (Staudinger/ Rieble, BGB Neubearb. 2009 § 315 Rn. 327 f.). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht geprüft, ob der Verwaltungsrat deshalb nicht ermessensfehlerfrei entscheiden konnte, weil er von einem unzutreffenden Sachverhalt in Form eines weit überhöhten umstellungsbedingten Finanzierungsbedarfs ausgegangen war. Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, dass der Verwaltungsrat nach dem Vorbringen der Klägerin den gleichen Vomhundertsatz mit einer anderen Begründung hätte festsetzen können.
- 28
- (3) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht den Beschluss des Verwaltungsrats der Klägerin vom 16. April 2002 als ermessensfehlerhaft betrachtet hat, weil diesem die Annahme einer weit übersetzten Deckungslücke zu Grunde lag.
- 29
- (aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht aus § 54 Satz 1 KZVKS abgeleitet, dass bei der Bestimmung der Deckungsrückstellung allein Versicherte mit erfüllter Wartezeit zu berücksichtigen sind und im Umkehrschluss Versicherte ohne erfüllte Wartezeit bei der Berechnung keine Berücksichtigung finden können. Der Auslegung der Revision, wonach der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkenne, dass diese Bestimmungen zur Bilanzierung nicht vollständig seien und deshalb anderweitige Bilanzierungsregeln Vorrang hätten, kann nicht gefolgt wer- den. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer orientiert sich bei seinem Verständnis am Satzungswortlaut. Gibt ihm dieser wie hier keinen entsprechenden Hinweis, besteht für ihn kein Anlass, nicht benannten Bilanzregeln den Vorrang vor ausdrücklich genannten Bewertungsregeln zu geben. Gleiches gilt für den Einwand der Revision, die Anknüpfung des Sanierungsgeldes in § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS beziehe sich auf den Fehlbetrag in der gesonderten Bilanz und nicht auf die Deckungsrückstellung. Dass das Berufungsgericht dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt ist, für die Versicherten ohne Wartezeit bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Wartezeit über eine anderweitige Beschäftigung , lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Aus § 54 Satz 1 KZVKS ist zu entnehmen, dass dieser Umstand erst Berücksichtigung finden soll, wenn die Wartezeit erfüllt und mithin die von der Revision aufgezeigte Wahrscheinlichkeit eingetreten ist.
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- (bb) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Abrechnungsverband S habe nicht über die Berücksichtigung sozialer Komponenten bei der Deckungsrückstellung belastet werden dürfen.
- 31
- Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die sozialen Komponenten aus den Überschüssen zu finanzieren sind. Ziff. 2.2 Abs. 3 Satz 2 AVP 2001 bestimmt dies für die dort näher genannten sozialen Komponenten der Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungs - und Hinterbliebenenrenten, Kindererziehungszeiten und der Übergangsregelung für langjährig Versicherte ausdrücklich durch Tarifvertrag. Hiervon ist die Klägerin nicht abgewichen. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit den Technischen Geschäftsplan der Klägerin als widersprüchlich angesehen, weil er einerseits anordnet, dass die Finan- zierung der sozialen Komponenten aus dem Überschuss erfolgt, und andererseits die Deckungsrückstellung mit sozialen Komponenten belastet. Daher gibt es keine Grundlage dafür, Aufwendungen für soziale Komponenten bei der Ermittlung der systembedingten Deckungslücke anzusetzen. Überzeugend hat das Berufungsgericht den Einwand der Klägerin verworfen, die vorherige Einstellung in die Deckungsrücklage sei nichts anderes als eine Überschussverteilung, weil auf diese Weise später kein oder ein geringerer Überschuss verbleibe. Überschussverteilung bedeutet , dass ein Überschuss ermittelt und dessen positiver Saldo verteilt wird. Mithin besagt die Überschussfinanzierung der sozialen Komponenten , dass der Verantwortliche Aktuar die sozialen Komponenten aus den erwirtschafteten Erträgen der Kasse abdecken muss (Langenbrinck/ Mühlstädt, Betriebsrente der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, 3. Aufl. Rn. 55).
- 32
- Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme des Berufungsgerichts , dass es auf Grundlage des technischen Geschäftsplans der Klägerin gegen versicherungsmathematische Grundsätze verstößt, die Deckungsrückstellung - wie von der Klägerin praktiziert - durch den Ansatz einer Pauschale für die sozialen Komponenten zu belasten. Diese auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten gestützte tatrichterliche Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal der Technische Geschäftsplan der Klägerin selbst davon spricht, dass die sozialen Komponenten bei der Ermittlung der Deckungsrückstellung grundsätzlich erst berücksichtigt werden, wenn sie endgültig feststehen.
- 33
- Da bereits aus diesen Gründen die Einbeziehung der sozialen Komponenten in die Berechnung der umstellungsbedingten Deckungslücke fehlerhaft ist, kann dahinstehen, ob sich - wie das Berufungsgericht meint - zusätzlich noch aus § 53 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a KZVKS eine Zuordnung der sozialen Komponenten zum Abrechnungsverband P ergibt.
- 34
- d) Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verzichtet, eine eigene Bestimmung der Leistung durch Urteil vorzunehmen.
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- Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Betriebsrente ist § 315 Abs. 3 BGB einschränkend dahingehend auszulegen, dass bei komplexen Versorgungssystemen mit kollektiver Wirkung zwar die Anpassungsentscheidung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, das Gericht jedoch nicht seine Entscheidung an die Stelle einer unwirksamen Anpassungsentscheidung setzen kann (BAG NZA-RR 2008, 520). Dies gilt auch hier. Die Zusatzversorgung der Klägerin stellt ein komplexes Versicherungssystem dar, das bezüglich seiner Finanzierung über die Belange der Beklagten hinausgeht und die Beteiligten in ihrer Gesamtheit betrifft.
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- 2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf den von ihr erhobenen Beitragszuschuss Ost mangels entsprechender Anspruchsgrundlage verneint.
- 37
- a) Dabei hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer der Bestimmung des § 64 KZVKS "Die Kasse kann nach Maßgabe besonderer Durchführungsvorschriften von Dritten und Beteiligten Zuschüsse entgegennehmen." keine Regelung entnehmen kann, die ihm eine Zahlungspflicht auferlegt. Es kann dahinstehen, ob der hier maßgebliche Kreis der kirchlichen Arbeitgeber unter einem Zuschuss gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch eine freiwillige Leistung oder gemäß dem steuerrechtli- chen Begriff der Zuwendung i.S. des § 4c EStG einen Zuschuss an eine Pensionskasse zur Sicherstellung ihrer Leistungen (Heger in Blümich, EStG, 115. Aufl. § 4c EStG Rn. 38) versteht. Der Begriff des "Entgegennehmens" beschreibt einen rein passiven Akt auf Seiten der Klägerin. Eine Zahlungsverpflichtung auf Seiten des Beteiligten wird damit nicht statuiert , zumal der Begriff "kann" den unverbindlichen Charakter nochmals unterstreicht. Die Satzung spricht nicht davon, dass Zuschüsse von der Kasse verpflichtend erhoben werden können. Dass eine Partei etwas entgegennimmt, besagt nicht zwangsläufig, dass die gebende Partei eine Verpflichtung hierzu hat. Dies zeigt sich anschaulich daran, dass 1/3 der von der Klägerin entgegen genommenen Zuwendungen aus einem freiwilligen Zuschuss des Verbandes der Diözesen Deutschlands stammt.
- 38
- b) Ein anderes Verständnis folgt nicht aus der Durchführungsvorschrift zu § 64 KZVKS.
- 39
- Trotz des Verweises in § 64 KZVKS auf die einschlägige Durchführungsvorschrift braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese nicht zu berücksichtigen, weil sie als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
- 40
- aa) Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (Senatsurteile vom 21. Juli 2011 - IV ZR 42/10, VersR 2011, 1257 Rn. 16; vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Rn. 13 m.w.N.). Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu ei- ner ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - VII ZR 262/11, NJW-RR 2012, 1261 Rn. 10; vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 Rn. 27; vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 unter 2 a). Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt vielmehr dann ergeben , wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 aaO; vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 Rn. 16 f.).
- 41
- bb) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
- 42
- Die Durchführungsvorschrift beschreibt unter Ziff. 1 die Finanzierung der sozialen Komponente des § 35 Abs. 5 KZVKS. Dabei spricht Ziff. 1 davon, dass ein Drittel der Kosten "durch einen Zuschuss der zum 31. Dezember 2001 vorhandenen Beteiligten aus dem Tarifgebiet West" finanziert wird. Ziff. 3 bestimmt, dass Basis für die "Belastung des jeweiligen Dienstgebers" sein gesamtes zusatzversorgungspflichtiges Entgelt des Jahres 2001 ist. Dies besagt, dass die Kasse eine zwangsweise Belastung der Beteiligten West vornimmt.
- 43
- Ein kirchlicher Arbeitgeber braucht nicht damit zu rechnen, dass in einer so gefassten Durchführungsvorschrift zu einer Satzungsbestimmung erstmals eine zwangsweise Zahlungsverpflichtung begründet wird. Der Beteiligte muss sich als durchschnittlicher Versicherungsnehmer da- rauf verlassen können, dass in der Satzung der Klägerin alle wesentlichen Regelungen getroffen sind. Nach allgemeinem Verständnis haben Durchführungsvorschriften nur subsidiären Charakter; sie dienen dazu, die in der Satzung getroffenen Regelungen mit Detailbestimmungen auszugestalten. Keinesfalls sind sie dazu bestimmt, Kernverpflichtungen des Beteiligten aus seinem Beteiligungsverhältnis wie dessen laufende Zahlungen an die Klägerin erstmals festzulegen. Die von der Klägerin gewählte Form der Erhebung des Beitragszuschusses Ost ist für den Beteiligten daher ungewöhnlich und erfolgt in einer Art und Weise, mit der dieser nicht zu rechnen braucht.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 13.01.2009 - 8 O 433/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 17.03.2010- 20 U 45/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung eines Teils des gezahlten Entgelts für die Nutzung eines Hochspannungsnetzes im Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Oktober 2005.
- 2
- Die Klägerin betreibt ein Stromverteilnetz, die Beklagte das vorgelagerte Hochspannungsnetz. Die Klägerin zahlte für die Nutzung dieses Netzes Entgelte , die auf der Grundlage eines veröffentlichten Preisblatts (Anlage K3) berechnet wurden und deren Kalkulation die Verbändevereinbarung Strom II plus zugrunde lag.
- 3
- Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 2008 (K8) forderte die Klägerin die Beklagte auf, einen Teil des gezahlten Entgelts für das Jahr 2005 zu erstatten. Im vorliegenden Rechtsstreit, der durch einen am 23. Dezember 2008 eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides eingeleitet wurde, hat sie erstinstanzlich Zahlung von 633.967,50 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin nur noch Bereicherungsansprüche für den Zeitraum bis 28. Oktober 2005 weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 503.289,36 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 6
- Der Klägerin stehe der mit der Berufung geltend gemachte Betrag gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu, weil die Beklagte nicht hinreichend dargelegt habe, dass die Bestimmung des Entgelts der Billigkeit entsprochen habe.
- 7
- Die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit der Bestimmung liege allerdings primär bei der Klägerin. Zwar spreche einiges dafür, dass die Klägerin zunächst nur Abschlagszahlungen erbracht habe. Diese hätten mit der von der Beklagten erstellten Endabrechnung aber ihre Bedeutung verloren. Nach der Abrechnung liege eine endgültige Zahlung vor. Die Klägerin habe auch nicht schlüssig dargelegt, das Entgelt unter Vorbehalt gezahlt zu haben. Der nach ihrer Auffassung aus Nr. 6.7 des Netznutzungsvertrages konkludent zu entnehmende Vorbehalt betreffe nur nachträgliche Rechtsänderungen oder behördliche Maßnahmen, nicht aber die Unbilligkeit der Entgeltbestimmung.
- 8
- Der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin stehe aber eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten gegenüber. Diese sei gehalten, entsprechenden Sachvortrag der Klägerin substantiiert zu bestreiten, was schlüssigen Vortrag zur Angemessenheit der von ihr erhobenen Entgelte voraussetze. Der Sachvortrag der Klägerin, auf der Grundlage der genehmigten Preise aus dem ab 1. Oktober 2006 gültigen Preisblatt ergebe sich ein um rund 9,75 % geringeres Entgelt, sei zur Begründung einer sekundären Darlegungs- und Beweislast ausreichend. Die Entgeltgenehmigung stelle ein gewichtiges Indiz für die Billigkeit der genehmigten Entgelte und damit gleichzeitig für die Unbilligkeit der zuvor geforderten, im Ergebnis höheren Entgelte dar.
- 9
- Der Beklagten sei es nicht gelungen, dieses Indiz zu widerlegen. Die von ihr vorgelegten Zahlen zielten auf eine Rechtfertigung der geforderten Entgelte nach der Verbändevereinbarung II plus, ließen aber nicht erkennen, welche Bewertungsspielräume innerhalb der Preisfindungsprinzipien dieser Vereinbarung bestanden hätten und in welcher Weise die Beklagte diese genutzt habe. Da die Verbändevereinbarung keinen rechtsverbindlichen Maßstab für die Billigkeit von Netznutzungsentgelten darstelle, sei mithin nicht dargetan, dass die geforderten und gezahlten Entgelte der Billigkeit entsprochen hätten.
- 10
- Die Bestimmung des Entgelts habe deshalb durch das Gericht zu erfolgen , wozu gemäß § 287 ZPO eine Schätzung vorgenommen werden könne. Hierbei könne das ab 1. Oktober 2006 geltende Preisblatt der Beklagten herangezogen werden. Dies führe zu einer Reduzierung des Entgelts um den von der Klägerin zuletzt geltend gemachten Betrag.
- 11
- Dem Rückforderungsanspruch stehe nicht entgegen, dass die Klägerin die Netzentgelte vollständig an ihre Kunden weitergereicht habe. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung fänden im Bereicherungsrecht keine Anwendung. Sie dürften auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben herangezogen werden.
- 12
- II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 13
- 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Beklagten die volle Darlegungs - und Beweislast für die Billigkeit der von ihr in Rechnung gestellten Entgelte auferlegt.
- 14
- a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Netznutzer, der die Erstattung gezahlter Nutzungsentgelte verlangt, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine vom Netzbetreiber nach § 315 BGB vorgenommene Bestimmung des Entgelts nicht der Billigkeit entspricht. Dieser Ansatz steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 8 f.) und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
- 15
- b) Das Berufungsgericht ist ferner in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass die Darlegungsund Beweislast beim Netzbetreiber liegt, wenn der Nutzer nur Abschlags- oder Vorauszahlungen in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erbracht (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 343 - Stromnetznutzungsentgelt
I) oder die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung gezahlt hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 26 ff. - Stromnetznutzungsentgelt IV; Urteil vom 15. Mai 2012 - EnZR 105/10, RdE 2012, 382 Rn. 33 - Stromnetznutzungsentgelt V). Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen. Die Revision nimmt dies als ihr günstig hin, die Revisionserwiderung erhebt keine Gegenrügen. Rechtsfehler sind insoweit ebenfalls nicht zu erkennen.
- 16
- c) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht schließlich davon ausgegangen , dass den Netzbetreiber eine sekundäre Darlegungslast treffen kann.
- 17
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Bereicherungsgläubiger , dem insoweit der Beweis einer negativen Tatsache obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren Rechtsgrund für die erbrachte Leistung ausschließen. Es genügt vielmehr der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht. Dabei trifft den Schuldner eine erweiterte Behauptungslast, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während er selbst über derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind. Im Rahmen des Zumutbaren kann von ihm dann insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 9).
- 18
- d) Das Berufungsgericht ist indes davon ausgegangen, dass die Beklagte insoweit nicht nur eine Darlegungslast trägt, sondern auch die Beweislast. Dies ist mit den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast nicht vereinbar.
- 19
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast keine Anwendung auf die Beweisführung (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 18). Selbst eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden kann aus diesen Grundsätzen nicht abgeleitet werden, sondern allenfalls aus § 142 ZPO (BGH, Urteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 16).
- 20
- e) Die vom Berufungsgericht im Ergebnis angenommene Umkehr der Darlegungs- und Beweislast kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die für das Jahr 2005 verlangten Entgelte von den genehmigten Entgelten aus dem ab 1. Oktober 2006 geltenden Preisblatt abweichen.
- 21
- Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen die Ergebnisse der unmittelbar nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 und der Stromnetzentgeltverordnung durchgeführten Genehmigungsverfahren zwar bei der Billigkeitskontrolle der zuvor verlangten Entgelte herangezogen werden, weil sie auf den Unternehmensdaten des Jahres 2004 und damit auf einer zeitnahen und auch für angrenzende Jahre brauchbaren Beurteilungsgrundlage beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 43 - Stromnetznutzungsentgelt IV). Dies gilt indes nur für die gerichtliche Bestimmung des Entgelts gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und setzt somit voraus, dass die Unbilligkeit der vom Netzbetreiber getroffenen Bestimmung feststeht.
- 22
- Die Annahme des Berufungsgerichts, wenn die Genehmigung der Entgelte ein Indiz für die Billigkeit der Festsetzung bilde, begründe eine Abweichung von den genehmigten Entgelten ein Indiz für die Unbilligkeit, ist nicht tragfähig. Sie beruht auf der Prämisse, nur ein einziges Entgelt könne der Billigkeit entsprechen. Diese Prämisse ist unzutreffend.
- 23
- Eine Vertragspartei, die nach § 315 Abs. 1 BGB zur Bestimmung der Leistung befugt ist, hat einen Ermessensspielraum. Die von ihr vorgenommene Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht hingegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 299/02, BGHZ 163, 119, 130 = GRUR 2005, 757 - PRO-Verfahren). Daraus ist zu folgern, dass nicht jede Abweichung von einer behördlichen Genehmigung oder einer gerichtlichen Bestimmung des Entgelts als Indiz für die Überschreitung des Ermessensspielraums gewertet werden kann. Jedenfalls die vom Berufungsgericht festgestellte Abweichung um 9,75 % reicht hierfür nicht aus. Damit kann offen bleiben, ob es überhaupt eine abstrakte Grenze gibt, von der an eine solche Indizwirkung in der Regel bejaht werden kann.
- 24
- 2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe ihrer Darlegungslast nicht genügt.
- 25
- In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob an den Vortrag des Netzbetreibers geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn diesen wie hier nur eine sekundäre Darlegungslast trifft. Der Vortrag der Beklagten ist auch dann hinreichend substantiiert, wenn er an denselben Anforderungen gemessen wird, die gälten, wenn der Beklagten die primäre Darlegungslast obläge.
- 26
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats wird der allgemeine Maßstab des billigen Ermessens, den § 315 Abs. 1 BGB vorsieht, durch § 6 Abs. 1 EnWG aF konkretisiert.
- 27
- Danach wird das Ermessen des Netzbetreibers in zweifacher Hinsicht gebunden. Außer an der Beachtung des Diskriminierungsverbots muss sich die Preisbildung daran orientieren, dass die Bedingungen guter fachlicher Praxis nach § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG aF einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG aF) und darüber hinaus der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs dienen sollen. Danach kommt es für die Beurteilung , ob die Ermessensentscheidung des Netzbetreibers der Billigkeit entspricht , darauf an, inwiefern das geforderte Netzentgelt der Deckung der Kosten des Netzbetriebs und der Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient. Es obliegt dabei dem Netzbetreiber, im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihm nach seiner Kalkulation durch den Netzbetrieb in dem in Rede stehenden Zeitraum entstanden sind, abzudecken waren und welchen Teil seiner Einnahmen er zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit dem der Klägerin berechneten Preis erzielen wollte (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 32 f. - Stromnetznutzungsentgelt IV).
- 28
- b) Im Streitfall hat die Beklagte wie bereits erwähnt ihre Kalkulation offengelegt. Damit hat sie die aufgezeigten Anforderungen an die Substantiierung ihres Vortrags erfüllt.
- 29
- Die Beklagte hat die angesetzten Kosten im Einzelnen aufgeführt und dargelegt, anhand welcher Methoden sie diese aus der Bilanz und der Gewinnund Verlustrechnung abgeleitet hat. Sie hat auch den Zinssatz für die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals angegeben, und zwar mit 6,5 %. Ferner hat sie dargelegt, nach welchen Grundsätzen sie die Kosten auf die Netznutzer verteilt hat.
- 30
- Dies entspricht den oben genannten Anforderungen und ermöglicht die gerichtliche Überprüfung, ob die von der Beklagten angewendeten Methoden vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen dem Maßstab der Billigkeit entsprechen.
- 31
- c) Das Berufungsgericht hält den Vortrag für unzureichend, weil lediglich dargelegt werde, dass die Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung II plus eingehalten seien, nicht aber, welche Spielräume diese Prinzipien eröffnet hätten und in welcher Weise die Beklagte diese ausgefüllt habe.
- 32
- Damit hat das Berufungsgericht die vom Senat aufgestellten Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags überspannt.
- 33
- Wie die Revision zutreffend geltend macht, hat die Beklagte zum Beispiel eingehend aufgezeigt, welche verschiedenen Möglichkeiten es zur Bemessung der kalkulatorischen Abschreibungen auf das Anlagevermögen und zur Verteilung der Kosten auf die einzelnen Netznutzer gibt und aufgrund welcher Erwägungen sie sich für die von ihr angewendete Methode entschieden hat. Dass es hinsichtlich weiterer, für die Preisbildung wesentlicher Faktoren Spielräume ge- geben haben könnte, ist nicht ersichtlich und wird weder vom Berufungsgericht noch von der Revisionserwiderung konkret aufgezeigt.
- 34
- III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif.
- 35
- 1. Das Berufungsgericht wird der Klägerin im wiedereröffneten Berufungsverfahren auf der Basis der zutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen geben müssen.
- 36
- 2. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass der Klägerin ein Anspruch zusteht, wird es die Klage nicht im Hinblick auf die weiteren von der Revision erhobenen Rügen abzuweisen haben.
- 37
- a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe der von ihm vorgenommenen Entgeltbestimmung unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Senats sei es nur zulässig, die verlangten Preise entsprechend den Kürzungen herabzusetzen, die die Regulierungsbehörde im Rahmen der ersten Entscheidungen zur Entgeltgenehmigung vorgenommen hätte; die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung anhand des Verhältnisses zwischen den früher verlangten und den der ersten Genehmigung zugrunde liegenden Entgelten sei demgegenüber unzulässig.
- 38
- Diese Rüge ist unbegründet.
- 39
- Der Senat hat es in der oben aufgezeigten Entscheidung (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 41 ff. - Stromnetznutzungsentgelt IV) nicht beanstandet, die richterliche Bestimmung des Entgelts anhand von durchschnittlichen Kürzungsraten aus den ersten Genehmigungsverfahren vorzunehmen. Dies schließt es indes nicht aus, im Einzelfall einen anderen, (mindestens) in gleicher Weise geeigneten Maßstab heranzuziehen.
- 40
- Einen solchen Maßstab hat das Berufungsgericht zutreffend im Verhältnis zwischen den Entgelten gesehen, die die Beklagte vor und nach der ersten Genehmigung verlangt hat. Die beiden Entgeltregelungen betreffen unmittelbar aufeinanderfolgende Zeiträume. Mangels besonderer Umstände des Einzelfalls - deren Vorliegen weder festgestellt ist noch von der Revision aufgezeigt wird - kann davon ausgegangen werden, dass sich die Kostenstruktur im Netz der Beklagten innerhalb dieser Zeitspanne nicht wesentlich geändert hat. Nach der Lebenserfahrung ist zudem damit zu rechnen, dass die Kosten selbst bei ansonsten gleichen Ausgangsbedingungen aufgrund der Teuerung angestiegen sind. Angesichts dessen erscheinen die Entgelte, die für das konkrete Netz Gegenstand der ersten Entgeltgenehmigung waren, als Maßstab für die richterliche Entgeltbestimmung grundsätzlich mindestens ebenso gut geeignet wie die aus einer Mehrzahl von Entscheidungen bezüglich unterschiedlicher Netzbetreiber gebildeten Durchschnittswerte der von der Regulierungsbehörde vorgenommenen Kürzungen. Mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten - der sich weder aus den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt noch von der Revision aufgezeigt wird - brauchte sich das Berufungsgericht folglich nicht mit der Frage zu befassen, welches Entgelt Gegenstand des ersten Antrags der Beklagten auf Erteilung einer Entgeltgenehmigung war und welche Kürzungen die Regulierungsbehörde ausgehend davon vorgenommen hat.
- 41
- b) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe der Beklagten den Einwand der Vorteilsausgleichung zu Unrecht versagt.
- 42
- Diese Auffassung, für die sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch das Bundeskartellamt eingesetzt hat, ist unzutreffend.
- 43
- aa) Wie auch die Revision und das Bundeskartellamt im Ansatz nicht verkennen, finden die schadensersatzrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine Anwendung (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rn. 34; Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307, 315 f. mwN).
- 44
- Das gilt auch im Streitfall. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung führen, liegen entgegen der Auffassung der Revision und des Bundeskartellamts nicht vor.
- 45
- bb) Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben können zwar im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Verhältnis zwischen zwei Netzbetreibern aber nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 1961 (III ZR 130/60, BGHZ 36, 232 = NJW 1962, 580) zugrunde lag.
- 46
- In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall waren die Kläger, die die Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen überhöhten Kaufpreises (durch unzulässige Einschaltung einer staatlichen Stelle als Zwischenhändler) geltend machten, nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs nicht als selbständig disponierende Kaufleute am Markt tätig, sondern als "Glieder in dem Automatismus der staatlich gelenkten Warenverteilung" ohne jedes Preis- oder Absatzrisiko. Die Weiterveräußerung der Ware (Trockenvollei) zum Einkaufspreis zuzüglich eines behördlich bewilligten Handelsaufschlags war von Anfang an gesichert. Selbst die Käufer, an welche die Kläger die Ware zu liefern hatten, waren im Vorhinein behördlich festgelegt worden.
- 47
- Auch wenn die Stellung eines Netzbetreibers, der ein vorgelagertes Netz in Anspruch nimmt, dazu die eine oder andere Ähnlichkeit aufweist, kann er nicht als bloßes Glied einer staatlich gelenkten Warenverteilung angesehen werden. Er kann die Kosten der Nutzung vorgelagerter Netze zwar an seine Kunden weitergeben. Er trägt aber das Absatzrisiko und das Risiko der Zah- lungsunfähigkeit seiner Kunden. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, wenn die Klägerin überhöhte Entgelte zurückfordern kann, auch wenn sie nicht damit zu rechnen hat, ihrerseits von ihren Kunden in Anspruch genommen zu werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Stellung der Klägerin - ebenfalls anders als in dem Fall aus der Nachkriegszeit - nicht wesentlich von derjenigen der Beklagten unterscheidet.
- 48
- cc) Die vom Senat aufgestellten Grundsätze über die Vorteilsanrechnung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Verstößen gegen das Kartellrecht (passing-on defence) führen jedenfalls in Konstellationen wie der vorliegenden ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
- 49
- (1) Nach der Rechtsprechung des Senats muss es sich ein Geschädigter , der wegen eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften Schadensersatz verlangt, schadensmindernd anrechnen lassen, wenn es ihm gelungen ist, einen wegen des Verstoßes überhöhten Kaufpreis auf seine eigenen Abnehmer abzuwälzen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 55 ff. - ORWI). Diese Abnehmer können den Schaden, der ihnen durch die Abwälzung entstanden ist, unmittelbar vom Schädiger ersetzt verlangen, weil dieser aufgrund des begangenen Verstoßes auch ihnen gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist (aaO Rn. 18 ff.).
- 50
- (2) Diese Grundsätze können auf Fälle, in denen eine Preisbestimmung schon gemäß § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist und dem Abnehmer deshalb ein auf (teilweise) Rückzahlung des Entgelts gerichteter Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht, nicht übertragen werden.
- 51
- Ein Bereicherungsanspruch der genannten Art kann auch dann bestehen, wenn die unwirksame Preisbestimmung weder auf eine Kartellabsprache noch auf einen Missbrauch von Marktmacht zurückgeht. Dann stehen typischerweise weder dem unmittelbaren Abnehmer noch den Abnehmern auf nachgelagerten Absatzstufen Schadensersatzansprüche gegen denjenigen zu, der die unwirksame Preisbestimmung vorgenommen hat. Eine Inanspruchnahme dieses Schuldners durch mittelbare Abnehmer auf anderer Rechtsgrundlage scheidet in der Regel aus, weil es insoweit an einem unmittelbaren Rechtsverhältnis fehlt und weil auch eventuelle Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen geltend gemacht werden dürfen. Müsste es sich der erste Abnehmer anspruchsmindernd anrechnen lassen, dass er das überhöhte Entgelt ganz oder teilweise auf die nächste Absatzstufe abwälzen konnte, so blieben dem Schuldner die Vorteile der unwirksamen Preisbestimmung damit in der Regel schon aus Rechtsgründen erhalten. Dies ist mit der Zielsetzung von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB nicht vereinbar und stünde auch in Widerspruch zu dem Anliegen, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu fördern.
- 52
- (3) Ob eine abweichende Beurteilung geboten ist, wenn das Verlangen eines überhöhten Entgelts ausschließlich auf einem Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften beruht, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, der sich wie hier bereits daraus ergibt, dass eine Preisbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist, darf jedenfalls nicht deshalb eingeschränkt werden, weil die Preisbestimmung zugleich gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 315 Abs. 3 und § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB tritt in solchen Fällen vielmehr neben eventuelle Schadensersatzansprüche aus § 33 GWB.
- 53
- Sofern eine Handlung die Tatbestände mehrerer anspruchsbegründender Normen erfüllt, treten die daraus resultierenden Ansprüche, soweit sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, grundsätzlich in so genannter echter Anspruchskonkurrenz nebeneinander, mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen , seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurtei- len ist und seinen eigenen Regeln folgt (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03, NJW-RR 2005, 172; Urteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.). Eine abweichende Beurteilung ist zwar geboten, wenn einer Vorschrift zu entnehmen ist, dass sie einen Sachverhalt erschöpfend regeln und dementsprechend die Haftung aus anderen Anspruchsgrundlagen ausschließen oder in bestimmter Hinsicht beschränken will (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300; Urteil vom 17. März 1987- VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 201). In der hier zu beurteilenden Konstellation kann § 33 GWB aber nicht die Zielsetzung entnommen werden, dass ein schon auf anderer Grundlage begründeter Bereicherungsanspruch einzuschränken ist, um jede Überlagerung des kartellrechtlichen Sanktionensystems zu verhindern.
- 54
- Zwar ist denkbar, dass der Schuldner wegen des überhöhten Entgelts sowohl von seinem unmittelbaren Abnehmer aus Bereicherungsrecht als auch von mittelbaren Abnehmern aus § 33 GWB in Anspruch genommen wird. Sofern den mittelbaren Abnehmern zugleich ein Ausgleichsanspruch gegen den unmittelbaren Abnehmer zusteht, ist der Schuldner vor einer doppelten Inanspruchnahme im Ergebnis aber dadurch geschützt, dass er entsprechend § 255 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 29 mwN) zur Leistung von Schadensersatz an den mittelbaren Abnehmer nur Zug um Zug gegen Abtretung von dessen Ansprüchen gegen den unmittelbaren Abnehmer verpflichtet ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass dem mittelbaren Abnehmer in einzelnen Fallkonstellationen keine Ausgleichsansprüche gegen den unmittelbaren Abnehmer zustehen. Diese theoretische Möglichkeit bildet aber keine hinreichende Grundlage, um Bereicherungsansprüche des unmittelbaren Abnehmers abweichend von den anerkannten Grundsätzen des Bereicherungsrechts zu beschränken.
Bacher Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2012 - 37 O 180/09 (Kart) -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.04.2013 - VI-2 U (Kart) 8/12 -
Tenor
Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.
- 2
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Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.
-
Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:
-
„Sehr geehrte Damen und Herren,
leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.
Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.
…
Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.
(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)
Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.
Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.
Hochachtungsvoll
…“
- 4
-
Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.
- 5
-
Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
-
Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:
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„Sehr geehrter Herr R,
aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.
Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“
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Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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1.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;
2.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.
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In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).
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II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.
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1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).
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2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.
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3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
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a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
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b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.
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aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.
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bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).
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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.
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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.
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(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
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III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).
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IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Reinders
Ilgenfritz-Donné
Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger macht gegen die Beklagte Zugewinnausgleichsansprüche geltend. Er hat beim Familiengericht zunächst eine als Stufenklage bezeichnete Klageschrift eingereicht mit folgenden Anträgen: "I. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Verkehrswerte folgender ihr gehörender Gegenstände, und zwar jeweils zum Zeitpunkt des Erwerbs, sowie per 24. März 1993 ... (es werden 10, zum Teil bebaute Grundstücke aufgeführt). II. an den Kläger den sich aus den Auskünften zu I. ergebenden Zugewinn (Wertsteigerung in der Zeit ab dem Erwerbszeitpunkt durch dieBeklagte und dem 24. März 1993 abzüglich der auf diese Zeit ent- fallenden Kaufkraftverminderung) zu zahlen, vorerst 3.900 DM." In der Begründung wird ausgeführt, er - der Kläger - habe keinen Zugewinn erzielt. Bezüglich eines Vermögensgegenstandes könne er den von der Beklagten gemachten Zugewinn berechnen, dieser betrage 3.900 DM. Bezüglich zehn weiterer Vermögensgegenstände sei er auf eine Auskunft der Beklagten angewiesen. Mit der Klage hat der Kläger in Form von Gerichtskostenmarken einen Vorschuß für einen Streitwert von 3.900 DM eingezahlt. Das Gericht hat die Klage zunächst nicht zugestellt und den Kläger mit Verfügung vom 22. März 1996 aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen, "welche Vorstellungen er von der Höhe des von der Beklagten zu zahlenden Zugewinns" habe. Der gezahlte Kostenvorschuß sei wohl bei weitem nicht ausreichend. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. März 1996 mitgeteilt, er mache "zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend". Die ursprüngliche Klageschrift wurde dann zusammen mit dem Schriftsatz vom 28. März 1996 zugestellt. Die Beklagte hat nicht nur zu dem bezifferten Antrag Stellung genommen , sondern auch zu den Vermögenspositionen, zu denen der Kläger in der Klageschrift Auskunft verlangt hatte. Daraufhin haben die Parteien den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß ihm aufgrund der erteilten Auskünfte ein Zugewinnausgleichsanspruch auf Zahlung weiterer 1.572.210,70 DM zustehe. Mit Schriftsatz vom 18. November 1996 hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und ihm Prozeßkostenhilfe für einen weitergehenden, auf 1.572.210,70 DM zuzüglich Zinsen ge-
richteten Zahlungsantrag zu bewilligen. Den Antrag auf Bewilligung von Pro- zeßkostenhilfe für die Erweiterung der Klage hat das Familiengericht durch Beschluß vom 19. November 1996 zurückgewiesen, eine Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluß und eine Gegenvorstellung gegen die Beschwerdeentscheidung hatten keinen Erfolg. Im Termin vor dem Familiengericht am 8. Dezember 1998 hat der Kläger den Antrag aus der ursprünglichen Klageschrift zu Ziffer II gestellt mit dem Bemerken , er "mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend". Außerdem hat er beantragt , ein Grundurteil zu erlassen "mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet". Seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Erweiterung der Klage hat er wiederholt. Die Beklagte hat den Zahlungsanspruch aus dem Antrag II der Klageschrift anerkannt. Durch Urteil vom 8. Januar 1999 hat das Familiengericht die Beklagte im Wege des Anerkenntnisses verurteilt, an den Kläger 3.900 DM zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß über mehr nicht zu entscheiden sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung weiterer 5.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Familiengericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen mit der Begründung, der Kläger sei durch das angefochtene Urteil nicht beschwert. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nach §§ 547 ZPO a.F., 26 Nr. 5 EGZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die Berufung unzulässig , weil der Kläger durch das angefochtene erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, gerade diese Beschwer durch das Rechtsmittel zu beseitigen (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. vor § 711 Rdn. 10 m.N. aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Daß der Rechtsmittelkläger mit seinem Rechtsmittel andere, möglicherweise an sich berechtigte Interessen verfolgt , genügt nicht. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von der sogenannten formellen Beschwer auszugehen. Das bedeutet, daß der Rechtsmittelkläger beschwert ist, wenn das angefochtene Urteil von seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen abweicht (ständ. Rechtspr. des BGH, vgl. Urteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 89/90 - NJW 1991, 703, 704 m.w.N.). Das erstinstanzliche Gericht hat dem Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung von 3.900 DM zu verurteilen, im Wege eines Anerkenntnisurteils uneingeschränkt stattgegeben. Eine Klage mit einem darüber hinausgehenden Klageantrag ist nicht rechtshängig geworden. Das Familiengericht hatte deshalb nur über den bezifferten Klageantrag auf Zahlung von 3.900 DM zu entscheiden und hat auch nur über diesen Antrag entschieden. Da es ihm voll stattgegeben hat, scheidet eine Beschwer des Klägers aus.a) Die Revision geht zu Unrecht davon aus, das Familiengericht habe auch über eine über den bezifferten Zahlungsantrag hinausgehende Stufenklage entscheiden müssen. Eine Stufenklage ist nicht rechtshängig geworden. Die ursprüngliche Klageschrift enthielt allerdings eine Stufenklage. Darin hat der Kläger geltend gemacht, er könne wegen eines bestimmten Teils seiner Klageforderung seine Ansprüche beziffern, weil er insofern keine Auskünfte benötige. Wegen eines anderen, größeren Teils könne er seinen Anspruch dagegen noch nicht beziffern, weil er insofern auf Auskünfte der Beklagten angewiesen sei. Insofern hat der Kläger in der ursprünglichen Klageschrift eine bezifferte Teilklage geltend gemacht verbunden mit einer unbezifferten Stufenklage. Gegen diese Art des prozessualen Vorgehens bestehen zwar keine Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in einem solchen Falle die Klage nur hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen (BGHZ 107, 236, 239 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rdn. 18; Lüke in MünchKomm /ZPO 2. Aufl., § 254 Rdn. 16). Die Klageschrift ist aber nicht uneingeschränkt mit dem ursprünglichen Inhalt zugestellt worden. Sie ist vielmehr zusammen mit dem Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 zugestellt worden, in dem er - auf die Verfügung des Gerichts vom 22. März 1996 hin - ausdrücklich erklärt hat, er mache "zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend." Es hätte nahegelegen, den Kläger aufzufordern, zum Zwecke der Zustellung eine dem neuen Begehren angepaßte Klageschrift vorzulegen. Daß das Gericht diesen Weg nicht gewählt hat, ändert aber nichts daran, daß der zu dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage geltend gemachte Klageantrag anhand der von dem Kläger abgegebenen Erklärungen auszulegen ist (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO
aaO § 253 Rdn. 90 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ). Aus dem gleichzeitig mit der Klageschrift zugestellten Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 ergibt sich, daß der Kläger - jedenfalls zunächst und aus Kostengründen - nur wegen des mit 3.500 DM bezifferten Zahlungsantrags aus der Klageschrift Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollte. Das bedeutet, daß auch nur insofern Rechtshängigkeit eingetreten ist. Daß der Kläger dies selbst auch so verstanden hat, ergibt sich aus seinen Schriftsätzen vom 11. November 1996 und vom 18. November 1996. Auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 11. November 1996 heißt es ausdrücklich, der Kläger mache "nach wie vor" aus Gründen der Prozeßökonomie vorerst nur den rangletzten Teilbetrag in Höhe von 3.900 DM geltend. In dem Schriftsatz vom 18. November 1996 kündigt der Kläger den Antrag an, die Beklagte zu verurteilen , an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen, und beantragt wegen einer beabsichtigten Klageerweiterung Prozeßkostenhilfe.
b) Da nur eine bezifferte Zahlungsklage, nicht aber eine Stufenklage rechtshängig geworden ist, hatte die von den Parteien wegen des in der Klageschrift ursprünglich geltend gemachten Auskunftsanspruchs abgegebene Erledigungserklärung für den vorliegenden Prozeß keine Bedeutung, sie ging insofern ins Leere. Bedeutung konnte sie nur für die von dem Kläger beabsichtigte Klageerweiterung haben, für die er erfolglos Prozeßkostenhilfe beantragt und die er dann nicht vorgenommen hat.
c) Zu Unrecht meint die Revision, die Rechtshängigkeit der gesamten in der Klageschrift enthaltenen Stufenklage sei nach den §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO zumindest dadurch eingetreten, daß der Kläger in den mündlichen Verhandlungen vom 26. Februar 1998 und insbesondere vom 8. Dezember 1998, auf die hin das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, den Klageantrag II aus der ur-
sprünglichen Klageschrift "insgesamt" gestellt habe. Auch diese Anträge konnten nach den Erklärungen, die der Kläger mehrfach abgegeben hatte, nur dahin verstanden werden, daß er den in dem Antrag II der Klageschrift enthaltenen bezifferten Zahlungsantrag stelle. In der entscheidenden mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dies noch einmal ausdrücklich klargestellt, indem er hinzugefügt hat: "Ich mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend." Wäre die Stufenklage, wie von der Revision angenommen, in der mündlichen Verhandlung (oder schon durch die Zustellung der Klageschrift) rechtshängig geworden, hätte das im übrigen nur zur Folge, daß dieser Teil der Klage als unzulässig abgewiesen werden müßte. Nachdem der Kläger nämlich erklärt hat, daß ihm alle erforderlichen Auskünfte erteilt seien, und nachdem er in dem Prozeßkostenhilfeverfahren den ihm seiner Ansicht nach zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch beziffert hatte, hätte er auch im Rahmen einer Stufenklage einen bezifferten Leistungsantrag stellen müssen. Dies hat er nicht getan mit der Folge, daß die Stufenklage durch Prozeßurteil abzuweisen wäre (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO aaO § 254 Rdn. 21).
d) Entgegen der Annahme der Revision ergibt sich eine Beschwer des Klägers auch nicht deshalb, weil das Familiengericht dem zusätzlichen Antrag des Klägers auf Erlaß eines Grundurteils "mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet", nicht entsprochen hat. Der Antrag, ein Grundurteil zu erlassen, ist ein Prozeßantrag, kein Sachantrag. Der Erlaß eines Grundurteils nach § 304 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Ein Grundurteil kann nur bezüglich des rechtshängig gewordenen Anspruchs erlassen werden, wenn dieser Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Da im vorliegenden Fall über den rechtshängig gewordenen Anspruch aufgrund des
Anerkenntnisses der Beklagten abschließend entschieden werden konnte, kam der Erlaß eines Grundurteils nicht in Betracht.
e) Entgegen der Ansicht der Revision bestand für das Familiengericht auch kein Anlaß, den Antrag auf Erlaß eines Grundurteils wegen des genannten Zusatzes in eine Feststellungsklage umzudeuten, die einen die bezifferten 3.900 DM übersteigenden Zugewinnausgleichsanspruch betrifft. Eine solche Umdeutung verbietet sich schon deshalb, weil ein entsprechender Feststellungsantrag unzulässig gewesen wäre. Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag seinen Zahlungsanspruch uneingeschränkt beziffern konnte, hätte für die Erhebung einer Feststellungsklage das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) gefehlt. Der Kläger kann eine Beschwer nicht daraus herleiten, daß das Familiengericht den Prozeßantrag nicht in einen unzulässigen Feststellungsantrag umgedeutet hat, durch den der Umfang der Rechtshängigkeit erweitert worden wäre.
f) Schließlich hatte das Berufungsgericht auch keine Veranlassung, sich mit der Frage zu befassen, ob der von dem Kläger in erster Instanz gestellte Antrag auf Erlaß eines Grundurteils in einen Antrag auf Erlaß eines Zwischenfeststellungsurteils nach § 256 Abs. 2 ZPO hätte umgedeutet werden können. Das Urteil des Familiengerichts behandelt diese Frage nicht. Hätte der Kläger mit der Berufung geltend machen wollen, daß er eine Entscheidung nach § 256 Abs. 2 ZPO vermisse, hätte er hierzu in der Berufungsbegründung Ausführungen machen müssen. Selbst wenn man unterstellt, daß der Kläger mit seiner Berufung auch das Fehlen einer Entscheidung über einen konkludent gestellten Zwischenfeststellungsantrag angefochten hat, wäre seine Berufung insofern mangels Begründung unzulässig.
g) Da dem Begehren des Klägers, soweit es rechtshängig geworden ist, durch das erstinstanzliche Urteil uneingeschränkt entsprochen worden ist, ist der Kläger durch dieses Urteil nicht beschwert.
Hahne Gerber Weber-Monecke
Fuchs Ahlt
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Einsicht in Akten des Bundesministeriums der Justiz, die im Zusammenhang mit einem Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts entstanden sind.
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Mit Urteil vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01 - (BVerfGE 107, 150) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelung des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB über die nur unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Ausübung der gemeinsamen Sorge für nichteheliche Kinder mit dem Elternrecht des Vaters vereinbar sei. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde liegende prognostische Annahme auch vor der Wirklichkeit Bestand habe.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 bat der Kläger um Auskunft zu Stand und Ergebnis der hierzu vom Bundesministerium der Justiz bei Jugendämtern und Rechtsanwälten durchgeführten Befragung und beantragte zugleich Einsicht in die diesbezüglichen Akten des Ministeriums. Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 teilte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger mit, dass nach der Auswertung der Befragung - deren Zusammenfassung war beigefügt - eine wissenschaftliche Untersuchung erforderlich sei. Den Antrag auf Akteneinsicht lehnte das Ministerium ab.
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Im Laufe des Klageverfahrens gewährte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger Einsicht in die Aktenbestandteile, die Grundlage der bereits erteilten Auskunft waren. Bezüglich der übrigen Akten gab das Verwaltungsgericht der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Akteneinsicht. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dem Kläger erneut bzw. erstmalig Akteneinsicht in sämtliche zum Prüfungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts beim Bundesministerium der Justiz vorhandenen Originalakten zugesagt mit Ausnahme personenbezogener Daten sowie von zwei in den Akten enthaltenen hausinternen Vorlagen für die Ministerin. Hinsichtlich der freigegebenen Akten haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Als Teil der Exekutive sei das Bundesministerium der Justiz grundsätzlich informationspflichtige Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Eine Differenzierung zwischen Regierungshandeln und Behördentätigkeit finde in dieser Bestimmung keine Stütze. Weder der Wortlaut und der systematische Zusammenhang noch ein Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen rechtfertigten eine restriktive Auslegung des Behördenbegriffs. Diese sei des Weiteren nicht mit Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes vereinbar, das nach dem Willen des Gesetzgebers in weitem Umfang Partizipation und Kontrolle ermöglichen solle. Ablehnungsgründe stünden dem Informationsanspruch nicht entgegen. Eine nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG erforderliche konkrete Gefährdung des innerbehördlichen Beratungsvorgangs sei vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung im Bereich des Sorgerechts für nichteheliche Kinder weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Dezember 2009 - Nr. 22028/04, Zaunegger (NJW 2010, 501) und der daran anschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) seien die ursprünglich im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns überholt. Der pauschale Hinweis, dass der politisch verantwortlichen Ministerin ein von Einsichtsansprüchen unbelasteter "Schutzraum" zugebilligt werden müsse, könne die gebotene einzelfallbezogene Darlegung einer konkreten Gefährdung nicht ersetzen. Der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG greife hiernach ebenso wenig ein. Schließlich sei jedenfalls substantiiert auch nichts dafür dargetan, dass der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bei dem hier abgeschlossenen Vorgang der Herausgabe der Informationen entgegenstehe. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht die Billigkeitsentscheidung zu Lasten der Beklagten auf die Erwägung gestützt, dass diese den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe.
- 5
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Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:
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Die Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB unterfielen als Regierungshandeln nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG rezipierte funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG umfasse den Bereich des Regierungshandelns von vornherein nicht. Die ausführende Verwaltung sei von den Maßnahmen der Regierung, die mit ihrem staatsleitenden Charakter unmittelbar auf verfassungsrechtlichen Befugnissen fußten, zu unterscheiden. Die Doppelrolle der Ministerien als Verfassungsorgan und Behörde dürfe nicht überspielt werden; vielmehr komme es für die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes auf den jeweiligen Funktionsbereich an. Soweit in der Gesetzesbegründung die Gesetzesvorbereitung als Verwaltungshandeln angesehen worden sei, handele es sich nur um die Mitteilung einer - unzutreffenden - Rechtsansicht; nicht aber um den Ausdruck eines Regelungswillens. Eine enge Auslegung des Behördenbegriffs sei auch von Verfassung wegen geboten. Das Grundgesetz differenziere bei der vollziehenden Gewalt zwischen Verwaltung und Regierung. Davon ausgehend habe es eine Wertentscheidung zu Gunsten einer repräsentativen Demokratie mit einzelnen plebiszitären Elementen getroffen. Dabei werde die vollziehende Gewalt durch den Bundestag als das unmittelbar demokratisch legitimierte Organ kontrolliert, nicht aber direkt durch das Volk. Eine zusätzliche Kontrolle der Regierung durch den Einzelnen würde das System der Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungsbereichen im Verhältnis zwischen Regierung und Bundestag verändern. Bei der Gesetzesvorbereitung handele die Regierung als Verfassungsorgan, das auf den dauerhaften Schutz seiner Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung vertrauen dürfe. Die Frage, ob und wie Gesetzesvorhaben verfolgt würden, sei eine typische Leitungsaufgabe. Hierzu zähle bereits die Vorbereitung und Ausarbeitung im Hinblick auf ein eventuelles Gesetzesvorhaben; auch die Sammlung von Tatsachen und die Aufbereitung und Bewertung zur Vorbereitung einer ministeriellen Entscheidung gehörten hierzu. Insbesondere die Anfangsphase sei von besonderer Bedeutung und Sensibilität, sodass insofern eine Sphäre der Vertraulichkeit zu gewährleisten sei.
- 6
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Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht jedenfalls die Versagungsgründe nach § 3 Nr. 4 IFG und § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG verkannt. Des Weiteren stehe der Schutz der exekutiven Eigenverantwortung als ungeschriebener Versagungstatbestand dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Abschließend rügt die Beklagte, dass das Ermessen im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des erledigten Teils der Klage nicht sachgerecht ausgeübt worden sei.
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-
Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet und demnach zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht den Informationszugangsanspruch bejaht und die Berufung zurückgewiesen hat (1.). Soweit die Beklagte ausdrücklich eine Korrektur der Kostenentscheidung bezüglich des in der Berufungsinstanz für erledigt erklärten Teils des Verfahrens begehrt, ist die Revision bereits unzulässig und gemäß § 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen (2.).
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1. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zugang zu den noch im Streit stehenden Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist eröffnet (a). Versagungsgründe stehen dem Anspruch nicht entgegen (b).
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a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Das Bundesministerium der Justiz zählt zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich zur Auskunft verpflichteten Behörden; die gesetzesvorbereitende Tätigkeit als Teil des Regierungshandelns ist hiervon nicht ausgenommen.
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aa) Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Begriffs der Behörde, der in einem organisatorisch-institutionellen oder in einem funktionellen Sinn verwendet werden kann. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG legt indessen ein funktionelles Verständnis nahe, indem sie bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig macht. Dieses auf die Aufgabe bezogene Merkmal kennzeichnet dann sowohl die in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG als auch die im folgenden Satz genannten Anspruchsverpflichteten. Die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt dies durch den Verweis auf § 1 Abs. 4 VwVfG (BTDrucks 15/4493 S. 7). Danach sind Behörden alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.
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aaa) Der Begriff der Stelle hat einen organisationsrechtlichen Bezug. Er bezeichnet eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und meint jede Person des öffentlichen Rechts und ihre Organe, d.h. jede Organisationseinheit, die durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach den einschlägigen Zuständigkeitsregelungen berufen ist, unter eigenem Namen eigenständige Aufgaben wahrzunehmen (Urteil vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 5 <13> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 198; vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 241, 248 f.). Beim Bundesministerium der Justiz als einer Behörde im organisationsrechtlichen Sinne sind diese Voraussetzungen ohne Weiteres gegeben.
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bbb) Nach materiellen Kriterien entscheidet sich, ob die Aufgaben der Stelle dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt allerdings nicht weiter. Denn damit werden nur einzelne typische Merkmale der Verwaltung hervorgehoben, ohne allerdings ihre Vielfalt abschließend zu erfassen. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die den Bereich der Verwaltung im Wege der Subtraktionsmethode allein in Abgrenzung von den anderen Staatsfunktionen ermittelt (vgl. nur Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5 ff. m.w.N.). Dieser Ansatz führt zu einem weiten Verständnis der Verwaltung, wenn in Anlehnung an den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltenteilung bzw. der Funktionentrennung die Verwaltung mit der vollziehenden Gewalt gleichgesetzt und lediglich der Gesetzgebung und der Rechtsprechung gegenübergestellt wird. Der Bereich der Verwaltung fällt demgegenüber enger aus, wenn - wie nach Ansicht der Beklagten geboten - innerhalb der Exekutive die typischerweise gesetzesgebundene Verwaltung von der Aufgabe der Regierung unterschieden wird, die Anteil an der Staatsleitung hat und in den allein von der Verfassung gesetzten rechtlichen Grenzen Ziele und Zwecke des staatlichen Handelns vorgibt (vgl. etwa Schröder, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 106 Rn. 4, 10 f., 29 f.).
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Wenn auch im Staatsrecht die Eigenständigkeit der Regierungsfunktion betont wird, so weist der Rechtsbegriff der Verwaltung gleichwohl einen gesetzesübergreifend allgemein gültigen Inhalt nicht auf; er ist vielmehr je eigenständig zu bestimmen (vgl. Ehlers a.a.O. Rn. 12). Der Normtext kann insoweit aus sich heraus aussagekräftig sein. So spricht etwa § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG von der "Regierung und anderen Stellen der Verwaltung" und gibt damit für einen unionsrechtlich determinierten Ausschnitt des Informationsfreiheitsrechts (siehe Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen) zu erkennen, dass die Verwaltung umfassend verstanden wird (siehe hierzu auch Urteil vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1 Rn. 21). Fehlt es wie hier im Gesetzestext an ausdrücklichen Hinweisen auf das maßgebliche Normverständnis, ist auf den jeweiligen Regelungszusammenhang und das Regelungsziel des Gesetzes abzustellen. Das führt hier zu einem weiten Verständnis der Verwaltung und hieran anknüpfend zu einem umfassenden Begriff der Behörde.
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(1) Für den Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes wird die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts geprägt.
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Zum einen verweist das Informationsfreiheitsgesetz insoweit nicht auf das Verwaltungsverfahrensgesetz. Vielmehr übernimmt das Informationsfreiheitsgesetz nur den dort normierten Behördenbegriff (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 79). Die zum Verwaltungsverfahrensgesetz ergangene Rechtsprechung, die u.a. mit dem Begriff des Regierungsakts einen gesonderten Bereich der Regierungstätigkeit anerkennt, bezieht sich demgegenüber auf den Begriff der Verwaltungstätigkeit nach § 1 Abs. 1 VwVfG, die den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibt und somit dem Individualrechtsschutz beim Verwaltungshandeln verpflichtet ist (siehe Schmitz a.a.O. § 1 Rn. 83, 165 ff., 186 ff.; vgl. auch Pieper, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2008, S. 59 <75 f.>). Darum geht es beim Informationsfreiheitsgesetz aber nicht. Zwar wird mit dem Antrag auf Informationszugang ein eigenes Verwaltungsverfahren eröffnet. Dessen Anknüpfungspunkt, die begehrte amtliche Information, muss aber nicht aus einem behördlichen Handeln stammen, das als solches dem Verwaltungsverfahrensgesetz unterliegt.
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Zum anderen kann ein enger Bezug zum Verwaltungsverfahrensgesetz auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, dass das Informationsfreiheitsgesetz der Sache nach verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen enthalte. Denn das Informationsfreiheitsgesetz gewährt einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch auf Informationszugang, der sich vom Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren grundlegend unterscheidet (Beschluss vom 15. Oktober 2007 - BVerwG 7 B 9.07 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 20; vgl. etwa Gusy, GVwR, Bd. II, § 23 Rn. 81 ff. m.w.N.).
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(2) Gibt demnach der gesetzesübergreifende Regelungszusammenhang für ein enges Verständnis von Verwaltung nichts her, ergeben sich aus einer Zusammenschau der Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG demgegenüber Anhaltspunkte für ein umfassendes Verständnis. Ausgehend von einem funktionellen Behördenbegriff hat die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG für die sonstigen Bundesorgane und -einrichtungen keine konstitutive Bedeutung (Schoch a.a.O. § 1 Rn. 90). Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichte sowie Bundesbank vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (BTDrucks 15/4493 S. 7 f.). Ein entsprechender und bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beklagten gleichfalls klarstellender Hinweis, dass bei einem wichtigen Teil der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, nämlich den obersten Bundesbehörden, ein ganz bedeutender Ausschnitt ihrer Tätigkeit ausgenommen sein soll, fehlt indessen. Das legt den Schluss nahe, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG im Wesentlichen den Bereich der Staatstätigkeit bezeichnen soll, auf die sich die Informationspflicht nicht erstreckt. Davon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs aus, nach der "nach § 1 Abs. 1 (...) nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten, (...) der Rechtsprechung und sonstiger unabhängiger Tätigkeiten vom Informationszugang ausgenommen bleiben" soll (BTDrucks 15/4493 S. 8).
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(3) Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung ist letztlich das Regelungsziel des Gesetzes. Sinn und Zweck des Gesetzes erschließen sich insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien. Hiernach spricht, wie bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, alles für ein weites Verständnis (so auch Schoch a.a.O. § 1 Rn. 84, 88; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 111 ff.; Gurlit, Verw 2011, S. 75 <84 ff.>; Schaar, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2010, S. 1 <4 ff.>; Sokol, in: FS Jaeger, 2011, S. 573 <587>; a.A. etwa Pieper a.a.O. <68 ff.>).
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Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen (BTDrucks 15/4493 S. 6). Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. In Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ohne Weiteres davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen sollte und sich Ausnahmen - jedenfalls grundsätzlich - nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so lässt sich erklären, dass die Begründung des Gesetzentwurfs, der im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht widersprochen worden ist, ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Entsprechendes hat insbesondere für den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. a IFG zu gelten. Auch die ausdrückliche Einordnung der Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit (BTDrucks 15/4493 S. 7) kann nicht als rechtsirrig und deshalb unbeachtlich abgetan werden.
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bb) Dieser Auslegung des Begriffs der Verwaltung, der sich grundsätzlich auch auf das Regierungshandeln erstreckt, stehen verfassungsrechtliche Vorgaben nicht entgegen. Die Einwände der Beklagten greifen nicht durch.
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aaa) Die im Grundgesetz verwirklichte Staatsform der repräsentativen Demokratie mit der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Ermöglichung einer informellen öffentlichen Kontrolle auch des Regierungshandelns durch einen grundsätzlich umfassenden Informationszugang.
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In der parlamentarischen Demokratie wird die Herrschaft des Volkes durch die Wahl der Volksvertretung mediatisiert, also nicht dauernd unmittelbar ausgeübt. Die Wahl ist dabei das wesentliche Element des Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen (BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 - 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 - BVerfGE 123, 39
). Im Wahlakt erschöpft sich dieser Prozess allerdings nicht. Denn das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur darin, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung, der Bildung der "öffentlichen Meinung" (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56 <98>). Die demokratische Ordnung ist deswegen durch einen parlamentsübergreifenden Prozesscharakter gekennzeichnet (vgl. Dreier, in ders. , GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2008, Art. 20 Rn. 83). Die parlamentarische Kontrolle der Regierung, die den demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang gegenüber dem Repräsentationsorgan herstellt, schließt deswegen eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, nicht aus. Vielmehr können sich diese verschiedenen Kontrollen auch ergänzen (vgl. Böckenförde, HStR, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 19; sowie Scherzberg, GVwR, Bd. III, § 49 Rn. 126; Kahl, GVwR, Bd. III, § 47 Rn. 210). Dieser staatsrechtlichen Verortung des vom Informationsfreiheitsgesetz ermöglichten Informationszugangs steht nicht entgegen, dass er als Jedermannsrecht nicht dem Staatsbürger als dem Zurechnungsendsubjekt der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt vorbehalten ist. Denn der auf die demokratische Willensbildung bezogene Wirkungszusammenhang wird durch eine in personeller Hinsicht überschießende Regelung nicht beeinträchtigt.
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bbb) Soweit die Beklagte auf die besondere Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung verweist, so ist dem zunächst unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen (siehe unten, 1. b) cc)).
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b) Versagungsgründe stehen dem Anspruch auf Zugang zu den streitigen Unterlagen nicht entgegen. Für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von der Beklagten für die hausinternen Vorlagen für die Ministerin in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ist nichts dargetan.
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aa) Die Berufung auf § 3 Nr. 4 IFG geht fehl. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Die Unterlagen der Ministerin werden vom damit gewährleisteten besonderen Geheimnisschutz nicht erfasst. Denn die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 6 BMinG zählt ebenso wenig wie die im Beamtenrecht geregelten Verschwiegenheitspflichten (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 37 BeamtStG) zu den besonderen Amtsgeheimnissen (vgl. hierzu Urteil vom 24. Mai 2011 - BVerwG 7 C 6.10 - NVwZ 2011, 1012 Rn. 15).
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bb) § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG steht dem Informationsanspruch ebenso wenig entgegen. Nach dieser Bestimmung soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt wird. Ob die hausinternen Vorlagen für die Ministerien in diesem Sinne zu den Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung zählen, kann dahinstehen. Denn der Versagungsgrund greift jedenfalls wegen der zeitlichen Abläufe nicht ein.
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Der mit § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG bezweckte Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses ist zeitlich begrenzt und endet spätestens mit dem Abschluss des Verfahrens (Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Dabei kann ein Verfahren nicht nur durch eine Sachentscheidung beendet werden; es kann sich auch auf andere Weise erledigen, etwa wenn das beabsichtigte Vorhaben nicht mehr weiterverfolgt werden soll oder wenn veränderte Umstände eine Entscheidung entbehrlich machen. Nach den von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns durch den zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) überholt. Das Verfahren hat sich insoweit erledigt und ein Schutz durch § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG ist entfallen. Aber selbst wenn man im Anschluss an die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung annehmen wollte, dass auch diese Unterlagen im Hinblick auf die weiterhin anstehende - nun durch das Bundesverfassungsgericht zwingend vorgegebene - gesetzliche Neuregelung von Bedeutung sein können und sich folglich auf einen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess beziehen, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Sache nach die Verweigerung des Informationszugangs gerechtfertigt wäre. Inwieweit durch eine Veröffentlichung dieser Unterlagen der Erfolg der Entscheidung - hier gegebenenfalls die Formulierung und Einbringung eines Gesetzentwurfs - vereitelt werden könnte, erschließt sich nämlich nicht.
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cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf, dass dem begehrten Informationszugang der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegenstehe.
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Diese ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein (siehe zuletzt BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78
). Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Denn ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbstständigen Funktion beeinträchtigen. Schließlich gilt, dass Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen umso schutzwürdiger sind, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber der parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen.
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Der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit muss sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dessen Anliegen überschneidet sich indessen jedenfalls teilweise mit geschriebenen Versagungsgründen, insbesondere dem nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann dabei über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind auch offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung. Hiernach spricht viel dafür, dass den verfassungsrechtlichen Vorgaben bereits im Rahmen der vorrangig zu prüfenden gesetzlich normierten Versagungsgründe Rechnung getragen werden kann. Falls sich gleichwohl Schutzlücken auftun sollten, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen. Ob eine solche Sondersituation hier gegeben ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn es ist nichts dafür dargetan, dass die streitigen Ministervorlagen am Schutz des Kernbereichs teilhaben. Die Beklagte trägt hierzu lediglich vor, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, auch künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Mit diesem Vorbringen, das im Übrigen das Bild einer Ministerialverwaltung mit einem eher geringen Selbstbewusstsein zeichnet, wird die Beklagte dem Erfordernis nicht gerecht, die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar zu belegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 110, 199
). Die Beklagte macht letztlich geltend, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssten und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürften. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit des Ministeriums entgegen den abweichenden und in Kenntnis der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Kernbereichsschutz getätigten Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Das überzeugt nicht.
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2. Soweit die Beklagte sich auch gegen die Kostenentscheidung bezüglich des für erledigt erklärten Teils des Berufungsverfahrens wendet und meint, dass die Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO von Rechts wegen zu beanstanden sei, ist die Revision unzulässig und deshalb zu verwerfen. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Das gilt grundsätzlich auch im Falle einer Teilerledigungserklärung, bei der die einheitliche Kostenentscheidung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruht (Beschluss vom 7. August 1998 - BVerwG 4 B 75.98 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 158 Rn. 33 ff.). Ob Abweichendes ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die Kostenentscheidung bezüglich des streitigen Teils mit den nach § 161 Abs. 2 VwGO identisch sind (so Urteil vom 8. September 2005 - BVerwG 3 C 50.04 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 5), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor. Denn bezüglich der Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht nicht etwa auf die Erfolgsaussichten der Klage abgestellt und insoweit auf die Ausführungen zum nicht erledigten Teil Bezug genommen; es hat die Kostenentscheidung vielmehr auf die Erwägung gestützt, dass die Beklagte den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe. Da die Revision sich nur teilweise als unzulässig erweist, kann sie abweichend von § 144 Abs. 1 VwGO insoweit durch Urteil verworfen werden (Urteile vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 Rn. 14 sowie vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <340> = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 50; Neumann a.a.O. § 144 Rn. 12 f.).
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen unrichtiger bzw. unterlassener Aufklärung über die Kosten einer Bausanierung. Er erwarb 1992 die sanierungsbedürftige Villa B. in W. zum Preis von 397.830,00 DM. Am 24. März 1994 erstellten die Beklagten für das Gebäude eine so genannte "Kostenschätzung" für einen Neubau und zwei Sanierungsvarianten. Der Kläger entschied sich für die kostengünstigere Variante, deren Kosten mit 650.000 DM inklusive Abbruchkosten geschätzt worden waren. Er erteilte den Beklagten zunächst mündlich einen Planungsauftrag, der die Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI zum Gegenstand hatte. Später un-terzeichneten der Kläger im Oktober 1994 und die Beklagten im Januar 1995 einen schriftlichen Architektenvertrag. Am 14. Juni 1994 reichten die Beklagten für den Kläger den Bauantrag ein. Darin wurden die Baukosten mit 650.000 DM angegeben. In einer Kostenaufstellung für Kreditanträge vom 13. Oktober 1994 gaben die Beklagten die Baukosten inklusive Abbruchkosten erneut mit 650.000 DM an. Am 27. Oktober 1994 erstellten die Beklagten eine Baukostenschätzung "Stand 31. Dezember 1994", wonach die Baukosten ohne Abbrucharbeiten 779.000 DM bis zu diesem Datum betragen. Der Kläger begann am 7. November 1994 mit der Vergabe der Aufträge an Bauunternehmer. Das Bauvorhaben wurde im August 1995 bezugsfertig. Der Kläger hat Baukosten von 1.921.435,05 DM und Gesamtkosten von 2.734.638,84 DM errechnet. Die hohen Baukosten führt er nur in geringem Umfang auf Planungsänderungen und Zusatzwünsche während der Bauarbeiten zurück. Er behauptet, die Kostenschätzungen der Beklagten seien fehlerhaft gewesen. Die Beklagten hätten die Kosten bereits im März 1994 auf 1.340.000 DM schätzen müssen. Jedenfalls im Zeitpunkt des Bauantrags hätten diese Kosten auf der Grundlage der eingereichten Planung geschätzt werden müssen. Der Kläger behauptet, er habe sich zu der Sanierung entschlossen , weil er die Investition auf der Grundlage der von den Beklagten vorgenommenen Schätzung für rentabel gehalten habe. Hätte er vor Beauftragung der Bauunternehmer gewußt, daß sich die Baukosten verdoppeln würden, hätte er die Sanierung nicht begonnen und durchgeführt, sondern das Grundstück an einen konkret benannten Interessenten verkauft. Mit dem Kaufpreis hätte er seine bis dahin entstandenen Aufwendungen gedeckt. Der Kläger berechnet seinen Schaden in der Weise, daß er von den Gesamtkosten für das Bauwerk in Höhe von 2.734.638,84 DM den derzeitigen Wert des Grundstücks, den er
mit 1.400.000 DM angibt, abzieht. Als Mindestschaden macht er einen Betrag von 1.000.000 DM geltend. Er stützt seine Klage auch darauf, daß die Beklagten keine baubegleitenden Kostenermittlungen vorgelegt hätten. Im übrigen hat er behauptet, die Beklagten hätten die Handwerkerleistungen überteuert vergeben , die Rechnungen seien nicht ordnungsgemäß geprüft worden. Zudem hat er Mängel der Leistung beanstandet. Die Beklagten haben Widerklage auf Zahlung von 170.000 DM erhoben. Diese Widerklage haben sie in Höhe von 100.000 DM auf Honoraransprüche aus einer Abschlagsrechnung für Leistungen gestützt, die sie für ein anderes Projekt, die Errichtung eines Bürogebäudes in W., erbracht haben. In Höhe von 70.000 DM haben sie Honoraransprüche für Leistungen für die Villa B. aus einer 4. Abschlagsrechnung geltend gemacht. Dieser haben sie eine Kostenberechnung , einen Kostenanschlag und eine Kostenfeststellung nach DIN 276 beigefügt. Der Kläger hat die Aufrechnung mit der Schadensersatzforderung erklärt. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. In der Berufung ist die Widerklage auf eine Teilschlußrechnung über Architektenleistungen für das Bürogebäude in Höhe von 105.874,36 DM und für die Villa B. in Höhe von 83.305,54 DM gestützt worden. Hilfsweise haben die Beklagten den Gesamtbetrag von 189.179,90 DM als Abschlagszahlung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Beklagten ist der Kläger zur Zahlung von 189.179,90 DM (96.726,14 €) nebst Zinsen verurteilt worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Beklagten nach seinem Klageantrag zu ver-
urteilen und die Widerklage abzuweisen. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unbegründet. Der Kläger könne Schadensersatz weder aus § 635 BGB noch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung verlangen. Zwischen den Parteien sei im Anschluß an die Besprechung der Kostenschätzung vom 24. März 1994 mündlich ein Architektenvertrag mit dem Inhalt geschlossen worden, wie er sich aus dem im Oktober 1994 und Januar 1995 von den Parteien unterzeichneten schriftlichen Vertrag ergebe. Danach seien die Beklagten verpflichtet gewesen, Architektenleistungen gemäß § 15 HOAI, Leistungsphasen 1 bis 9, zu erbringen. Eine mangelhafte Leistung der Beklagten liege nicht vor. Weder sei eine Kostenobergrenze noch ein Kostenrahmen vereinbart worden. Eine gemeinsame Kostenvorstellung der Parteien habe nicht vorgelegen. Die Kostenschät-zung vom 24. März 1994 habe nach ihrem Sinn und Zweck dem Kläger die Entscheidungsgrundlage zwischen zwei Sanierungsalternativen geboten. Soweit im Bauantrag die Kostenschätzung vom 24. März 1994 übernommen worden sei, habe der Kläger nicht davon ausgehen können, daß es sich hierbei um die neu berechneten Gesamtbaukosten auf der Grundlage seiner nach diesem Datum erteilten Vorgaben handele. Die Kostendarstellung vom 13. Oktober 1994 habe lediglich dazu gedient, die steuerrechtliche Abgrenzung der Baukosten für eigen- und fremdgenutzte Wohnungen vorzunehmen. Eine Kostenvereinbarung könne auch nicht der Baukostenschätzung "Stand 31. Dezember 1994" entnommen werden. Diese habe nur die Kosten bis zum 31. Dezember 1994 wieder gegeben. Ein Mangel könne auch nicht hinsichtlich der Erstellung der Kostenermittlungen , der Kostenberechnung, des Kostenanschlags und der Kostenfeststellung festgestellt werden. Diese seien zwar geschuldet. Die Leistungen seien jedoch während des Prozesses erbracht worden. Die verspätete Vorlage der Kostenermittlungen begründe einen Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB nicht. Da im Werkvertrag ein Erfolg geschuldet werde, werde die Leistung des Werkunternehmers grundsätzlich erst mit dem für die Ablieferung des Gesamtwerkes maßgeblichen Zeitpunkt fällig, sofern nicht eine Vereinbarung über eine frühere Fälligkeit von Teilleistungen getroffen worden sei. Eine solche frühere Fälligkeit der Kostenermittlungen hätten die Parteien weder mündlich am 23. März 1994 noch im schriftlichen Architektenvertrag vereinbart. Ob die Beklagten ihrer Pflicht, die Kosten des Bauvorhabens im Planungsvorhaben richtig zu ermitteln und diese Kostenermittlung dann auch im Rahmen der Bauausführung so umzusetzen, daß es nicht zu unvertretbar hohen Kostenüberschreitungen komme, nachgekommen seien, könne im Ergebnis dahinstehen. Jedenfalls sei die Kostenschätzung vom 24. März 1994 nach
dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht fehlerhaft gewesen. Ungünstige Vertragsabschlüsse seien den Beklagten nicht vorzuhalten. Auch wenn eine Pflichtverletzung der Beklagten zu bejahen sei, müßte der Schadensersatzanspruch daran scheitern, daß der Kläger keine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gesetzt habe. Dem Kläger sei diese nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen. Er habe nach seiner Behauptung selbst um aktualisierte Kostenermittlungen gebeten. Bei der Vergabe der Aufträge sei die Kostensteigerung bereits erkennbar gewesen. Gleichwohl habe er bis zum Ende der Baumaßnahme davon abgesehen, die Beklagten zu einer Korrektur einer Planung aufzufordern. Der Kläger habe die Höhe des Schadens auch nicht substantiiert dargelegt. Er habe schon nicht dargelegt, welche Kosten er für die Sanierung der Immobilie tatsächlich aufgewandt habe. Eine Bezugnahme auf die Kostenermittlung der Beklagten werde den Anforderungen nicht gerecht, da zwischen den Parteien streitig sei, in welchem Umfang der Kläger die Rechnungen der Bauunternehmer bezahlt habe. Er habe darüber hinaus nicht dargelegt, welche Steuervorteile er sich infolge des Bauvorhabens anrechnen lasse. Auf die Frage , in welchem Umfang er Schadensersatzleistungen der Beklagten zu versteuern habe, komme es nicht an. An einen Ersatz des Schadens sei erst zu denken, wenn zuvor ein Schaden festgestellt worden sei. Ob ein Schaden vorliege , könne nicht festgestellt werden, da der Kläger zur Höhe seiner Steuervorteile nichts vorgetragen habe. Da der Kläger erhebliche Abschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz sowie nach § 7 EStG vorgenommen habe, sei es letztlich möglich, daß ein wirtschaftlicher Schaden überhaupt nicht eingetreten sei. Eine mögliche Schadensersatzzahlung der Beklagten vermindere die Anschaffungskosten nicht. Die Schadensersatzverpflichtung habe auf die entstandene und rechtmäßig festgesetzte Einkommenssteuer keinen Einfluß.
Der Kläger könne seinen Schadensersatzanspruch auch nicht auf eine positive Vertragsverletzung der Beklagten stützen. Eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten wäre für den geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden. Die grundsätzliche Pflicht der Beklagten, den Kläger über Baukostensteigerungen zu beraten, bestehe nur, wenn sich die Verteuerung nicht ohnedies aus den Gesamtumständen von Zusatzaufträgen ergebe bzw. dem Bauherr erkennbar sei. Dies werde bei grundlegenden baulichen Änderungen oder Qualitätsverbesserungen , die der Bauherr gegenüber dem ursprünglichen Ausbaustandard veranlasse, immer der Fall sein. Ob der Kläger auf dieser Grundlage beratungsbedürftig gewesen sei, bedürfe keiner Aufklärung. Ein Schadensersatzanspruch scheitere, wenn davon auszugehen sei, daß der Bauherr das Bauvorhaben auch bei rechtzeitiger Kenntnis der späteren Bausummenüberschreitung fortgesetzt hätte, weil die mangelnde Aufklärung über die fortlaufenden Kosten dann nicht ursächlich für den geltend gemachten Schaden sei. Davon, daß die in der ursprünglichen Kostenschätzung genannten und im Bauantrag wiederholten Kosten von 650.000 DM nicht mehr aufrecht zu erhalten gewesen seien, habe der Kläger spätestens nach Erhalt der Kostenzusammenstellung vom 13. Oktober 1994 sowie der Kostenschätzung vom 27. Oktober 1994 über rund 779.000 DM ausgehen müssen. Der Kläger habe in Kenntnis der geänderten Prognosen gleichwohl ab dem 7. November 1994 die ersten Aufträge erteilt. Er hätte durch einfache Addition der erteilten Aufträge erkennen können, daß er bereits Ende November die Baukostensumme von 1 Mio. DM überschreiten werde. Die Überschreitung habe nicht zum Abbruch des Objekts geführt. Der Kläger habe sich auch später zu keiner Zeit von der Fortsetzung des Projekts abhalten lassen.
Zur Widerklage führt das Berufungsgericht aus, den Beklagten stehe aus der Honorarteilschlußrechnung vom 15. Juli 1999 über Leistungen für das Bürogebäude ein Honorar von 105.874,36 DM und über Leistungen für die Villa B. ein Honorar von 83.305,54 DM zu. Die Leistungen aus den abgerechneten Leistungsphasen seien erbracht. Die neben der Kostenschätzung noch geschuldeten Kostenermittlungen lägen der Honorarteilschlußrechnung bei. Mit Schadensersatzansprüchen aus dem Bauvorhaben Villa B. könne der Kläger nicht aufrechnen, weil diese nicht bestünden.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. A. Zur Klage Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die Behauptung, die Beklagten hätten ihn nicht richtig über die voraussichtlichen Baukosten für die von ihm gewählte Sanierung aufgeklärt, bevor er die ersten Bauunternehmer beauftragt und damit die Durchführung der Maßnahme in die Wege geleitet habe. Die Aufklärungspflichtverletzung sei ursächlich für seine Entscheidung gewesen, das Bauwerk zu sanieren und nicht zu veräußern. Infolge der unterlassenen Aufklärung habe sich sein Vermögen um mindestens 1 Mio. DM verringert. 1. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Verletzung von Aufklärungspflichten scheitert nach dem in der Revision zu unterstellenden Sachverhalt nicht daran, daß die Beklagten keine Pflichten verletzt haben. Auch kann die Ursächlichkeit einer möglichen Pflichtverletzung nicht mit den Erwägungen des Berufungsgerichts verneint werden.a) Zwischen den Parteien ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Vertrag über Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI für die Sanierung der Villa B. geschlossen worden. aa) Auf der Grundlage dieses Vertrages schuldeten die Beklagten ungeachtet ihrer Verpflichtung, verschiedene Kostenermittlungen vorzulegen, eine zutreffende Aufklärung über die voraussichtlichen Baukosten. Der Architekt ist bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung gehalten, den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken (BGH, Urteil vom 17. Januar 1991 - VII ZR 47/90, BauR 1991, 366, 367). Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, daß die Beklagten nach § 1.2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag verpflichtet waren, den Kläger zu den Baukosten und deren Ermittlung allgemein zu beraten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067 = ZfBR 1998, 22). Die Kostenberatung durch den Architekten hat den Zweck, den Besteller über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit dieser die Entscheidung über die Durchführung des Bauvorhabens auf einer geeigneten Grundlage treffen kann. Diese allgemeine Beratungspflicht erfährt keine Einschränkung dadurch, daß Kostenangaben des Architekten zu besonderen Zwecken benötigt werden. Sofern sich aus den Umständen nichts besonderes ergibt, darf der Besteller davon ausgehen, daß zu solchen Zwecken abgegebene Kostenschätzungen zutreffend sind. Ist das nicht der Fall, muß der Architekt über die Schwächen der Kostenangaben aufklären. Er muß deshalb darüber aufklären, daß seine Kostenangaben im Bauantrag oder zur Unterstützung von Kreditanträgen sowie zur Sicherung von Förderungsmöglichkeiten ungenau oder sogar fehlerhaft und deshalb keine geeignete Grundlage für die Investitionsentscheidung sein können.
Unzutreffend ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Aufklärungspflicht bestehe nur, wenn die spätere Verteuerung für den Besteller nicht ohnehin erkennbar sei. Die allgemeine Beratungspflicht über die Kosten des Bauvorhabens besteht bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung. Hat der Architekt die Vorlage verschiedener Kostenermittlungen, wie Kostenberechnung , Kostenanschlag und Kostenfeststellung übernommen, ist er jedenfalls in den Zeitpunkten, in denen diese Kostenermittlungen vorgelegt werden müssen, zu zutreffenden Kostenangaben verpflichtet. Legt der Architekt unabhängig davon fehlerhafte Kostenschätzungen zu besonderen Zwecken vor, so besteht eine gesteigerte Aufklärungspflicht über deren Fehler in diesem Zeitpunkt. Sie wird nicht dadurch gemindert, daß der Besteller die Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit später erkennen kann. In Ausnahmefällen kann die Aufklärungspflicht entfallen, wenn der Besteller positive Kenntnis von den aufzuklärenden Umständen hat und auch in der Lage ist, die Konsequenzen für die weitere Planung und Durchführung des Bauvorhabens selbständig zu erkennen, so daß er einer Beratung durch den Architekten nicht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1999 – VII ZR 196/98, BauR 1999, 1319, 1322 = ZfBR 2000, 28). bb) Gegen ihre Verpflichtung, den Kläger richtig aufzuklären, haben die Beklagten nach dem in der Revision zu unterstellenden Sachverhalt mehrfach verstoßen. Die Beklagten haben im Bauantrag vom 14. Juni 1994 Baukosten von 650.000 DM angegeben. Nach dem Gutachten des Sachverständigen waren diese Kosten fehlerhaft ermittelt. Die Kosten hätten nach der dem Bauantrag zugrunde liegenden Planung auf 1.340.000 DM geschätzt werden müssen. In dem vom Berufungsgericht erwähnten Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige lediglich seine Ausführungen zur Kostenschätzung vom 24. März 1994 korrigiert, nicht jedoch die Ausführungen zu den zu schätzenden Baukosten im
Zeitpunkt des Bauantrags. Die Beklagten haben den Kläger nicht darüber aufgeklärt , daß die Angaben im Bauantrag fehlerhaft sind. Die zu diesem Zeitpunkt vorzulegende Kostenberechnung, die über die Fehlerhaftigkeit und Unzuverlässigkeit der bisherigen Kostenangaben Auskunft gegeben hätte, haben sie nicht vorgelegt. Die Beklagten haben sodann in ihrer zur Unterstützung von Kreditanträgen vorgenommenen Kostenschätzung vom 13. Oktober 1994 zu geringe Kosten angegeben. Auch in diesem Zusammenhang haben sie nicht darüber aufgeklärt, daß die Kostenschätzung fehlerhaft ist. Schließlich ergibt sich auch aus der Kostenschätzung vom 27. Oktober 1994 nicht, daß sie die Kosten auch weiterhin zu niedrig eingeschätzt haben.
b) Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung der Beklagten für die Entscheidung des Klägers, das Haus zu sanieren und nicht zu veräußern, kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. aa) Richtig ist, daß die Pflichtverletzung dann nicht ursächlich für einen Schaden aus einer Aufklärungspflichtverletzung ist, wenn der Geschädigte sich nach der gebotenen Aufklärung nicht anders verhalten hätte. bb) Zu Unrecht will das Berufungsgericht das annehmen, weil der Kläger das Bauvorhaben in Kenntnis von Kostensteigerungen begonnen und fortgesetzt hat. Allein aus dem Umstand, daß der Kläger in Kenntnis von Kostensteigerungen die Bauunternehmer beauftragt hat, kann nicht geschlossen werden, daß er das Bauvorhaben bei richtiger Aufklärung ebenfalls durchgeführt hätte. In der Revision ist davon auszugehen, daß ihm bei richtiger Aufklärung bewußt gewesen wäre, daß die Baukosten 1.340.000 DM betragen werden und deshalb das Bauvorhaben, wie er behauptet, nach damaliger Einschätzung nicht rentabel ist. Dann liegt es nahe, daß er jedenfalls dann von dem Objekt Abstand ge-
nommen hätte, wenn er es ohne Verlust hätte verkaufen können. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich kein vernünftiger Grund, warum der Kläger ein unrentables Objekt hätte durchführen sollen. Daraus, daß es bereits bei der Beauftragung Kostensteigerungen im behaupteten Umfang von ca. 230.000 DM gegeben hat, kann nicht geschlossen werden, daß der Kläger bereit war, auch eine deutlich höhere Kostensteigerung, die zur Unrentabilität führt, zu akzeptieren. Aus dem Umstand, daß der Kläger im Laufe des Jahres 1995 den deutlich werdenden Kostensteigerungen nicht widersprochen hat und das Bauvorhaben fortführen ließ, kann nicht ohne Abwägung der gesamten Umstände geschlossen werden, daß er das Bauvorhaben in Kenntnis der hohen Kosten auch begonnen hätte. Das Berufungsgericht läßt unberücksichtigt, daß bei fortschreitendem Bauvorhaben ein wirtschaftlicher Zwang bestehen kann, das Bauvorhaben trotz steigender Kosten fortzuführen. 2. Die Klage kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung als unsubstantiiert abgewiesen werden, daß der Kläger nicht angegeben habe, welche Kosten er für die Sanierung der Immobilie tatsächlich aufgewandt habe; eine Bezugnahme auf die Kostenermittlung der Beklagten werde den Anforderungen nicht gerecht, da zwischen den Parteien streitig sei, in welchem Umfang der Kläger die Rechnungen bezahlt habe. Diese Begründung belegt nicht, daß der Kläger seinen Schaden nicht substantiiert dargelegt hat. Die Frage, in welchem Umfang die Bezahlung der Rechnungen streitig ist, spielt für die Substantiierung des Schadensersatzanspruches keine Rolle. Das Berufungsgericht hat möglicherweise zudem nicht bedacht, daß bereits die Belastung mit Verbindlichkeiten ein Schaden ist. Der Kläger kann sich insoweit auf die Kostenfeststellung der Beklagten beziehen.
3. Das Urteil hat auch keinen Bestand, soweit das Berufungsgericht die Klage deshalb als unschlüssig angesehen hat, weil der Kläger zur Höhe seiner Steuervorteile nicht vorgetragen habe.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger seinen Schaden darlegen muß. Der Schaden des Klägers besteht nach seiner Behauptung darin, daß er Herstellungskosten von über 2 Mio. DM aufgewandt hat, die er bei zutreffender Beratung nicht aufgewandt hätte. Von dieser Schadenssumme muß er sich nicht nur den Wert des Objektes abziehen lassen, sondern auch die Vorteile, die er dadurch erlangt hat, daß er die Herstellungskosten steuerlich abgesetzt hat (BGH, Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114 ff.). Diese steuerlichen Vorteile muß der Kläger darlegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1987 - VI ZR 17/86, NJW 1987, 1814).
b) Der Geschädigte kann allerdings unter Umständen seiner Darlegungslast ohne detaillierte Angaben zu den Steuervorteilen genügen, wenn er einen Sachverhalt vorträgt, nach dem der Steuervorteil deshalb nicht zu einer Schadensminderung führt, weil er den Schadensersatz versteuern muß. Ein durch eine Investitionsentscheidung erlangter Steuervorteil ist grundsätzlich dann nicht zu berücksichtigen, wenn der dem Geschädigten gezahlte Schadensersatz , mit dem er so gestellt wird, als hätte er die Investitionsentscheidung nicht vorgenommen, versteuert werden muß (BGH, Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77, aaO; Urteil vom 21. September 1987 - II ZR 265/86, NJW-RR 1988, 161). Die Darlegungslast des Geschädigten zu dem von ihm erlittenen Schaden kann auf Grundlage dieser Rechtsprechung nur dann erleichtert sein, wenn Steuervorteil und Steuernachteil im wesentlichen auf der selben Berechnungsgrundlage entstehen. Denn nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, daß sich beide ausgleichsfähig gegenüberstehen. Ist die Berechnungsgrundlage für den Steuervorteil hingegen wesentlich höher als für den Steuernachteil, ist es Sache
des Geschädigten, den ihm dann regelmäßig zwangsläufig verbleibenden Steuervorteil darzulegen. In aller Regel wird ihm das nur möglich sein, wenn er die gesamten steuerlichen Vorteile und auch die durch die Versteuerung des Schadensersatzes drohenden Nachteile darlegt und saldiert. Die durch die Versteuerung drohenden Nachteile kann der Geschädigte aufgrund seiner für ihn erkennbaren steuerlichen Situation schätzen. Wegen der durch die Schätzung verbleibenden Unsicherheit kann er einen Feststellungsantrag stellen.
c) Auf dieser Grundlage reicht der Vortrag des Klägers entgegen seiner Ansicht nicht aus. Er hat nach seiner Behauptung Herstellungskosten von 2.007.440 DM abzüglich seines Eigenanteils steuerlich geltend gemacht. Die Schadensersatzverpflichtung in Höhe von 1.000.000 DM bleibt deutlich unter diesem Betrag. Es ist danach davon auszugehen, daß dem Kläger steuerliche Vorteile zugeflossen sind, die durch die Versteuerung des Schadensersatzes nicht ausgeglichen werden. Unter diesen Umständen ist er verpflichtet, den Schaden unter konkreter Berechnung sämtlicher steuerlicher Vorteile und möglicher Nachteile zu berechnen.
d) Zu diesem Ergebnis kommt auch das Berufungsgericht. Gleichwohl ist sein Urteil aufzuheben, weil seine Begründung nicht zu erkennen gibt, daß der Kläger mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Rechtslage hingewiesen worden ist. Der Verweis auf das Urteil des Senats vom 16. Dezember 1993 (VII ZR 115/92, BauR 1994, 268 = ZfBR 1994, 119) reicht dazu nicht. Auch aus dem Vortrag der Beklagten ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger sich nicht auf die dargestellte Rechtsprechung berufen kann. Der Kläger muß Gelegenheit bekommen, seinen Vortrag zu ergänzen.
B. Zur Widerklage 1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten Honoraransprüche aus den Teilschlußrechnungen vom 15. Juli 1999 zuerkannt. Es hat nicht geprüft, ob die Berufung schon deshalb unzulässig ist, weil die Beklagten mit der Klage keine Ansprüche aus einer Teilschlußrechnung, sondern aus einer Abschlagsrechnung geltend gemacht haben. Die Berufung ist zulässig, ungeachtet dessen, daß sie auch als Anschlußberufung zulässig wäre. Allerdings muß der Kläger mit der Berufung die Beschwer bekämpfen, die sich durch die Abweisung der Klage ergibt. Stützt der Kläger seine Zahlungsklage in der Berufung auf einen neuen Streitgegenstand, so verfolgt er damit nicht die Beschwer des klageabweisenden Urteils (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – VII ZR 81/02, BauR 2004, 365 = ZfBR 2004, 151 = NZBau 2004, 157). Anders ist das, wenn der Kläger mit der Berufung statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung einen anderen Gegenstand oder das Interesse fordert, § 264 Nr. 3 ZPO. Dieser Fall liegt vor. Die Beklagten haben in der Berufung eine Schlußrechnung vorgelegt mit der Behauptung, sie seien nach Beendigung der Teilleistung berechtigt, anstelle der Abschlagszahlung eine Schlußzahlung zu verlangen. Damit haben sie wegen einer späteren Veränderung ein anderes Interesse geltend gemacht (BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 160/83, BauR 1985, 360 = NJW 1985, 1840 = ZfBR 1985, 174; Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 217/85, BauR 1987, 453 = NJW-RR 1987, 724 = ZfBR 1987, 200). Der Anspruch auf Abschlagszahlung ist lediglich eine modifizierte Form des Anspruchs auf Werklohn (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, BauR 2004, 1146 = NJW-RR 2004, 957 = ZfBR 2004, 552). An seiner insoweit abweichenden Entscheidung (Urteil vom 5. November 1998 – VII ZR 191/97, BauR 1999, 267 = NJW 1999, 713 = ZfBR 1999, 98) hält der Senat nicht fest.
2. Soweit das Berufungsgericht der Honorarklage stattgibt, kann das Berufungsurteil schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Kläger mit der Schadensersatzforderung aufgerechnet hat. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht prüft nicht, ob das Honorar deshalb zu mindern ist, weil die Beklagten während des Bauvorhabens die geschuldeten Kostenermittlungen nicht vorgenommen haben. Eine Minderung des Honorars kommt in Betracht.
a) Nach der vom Berufungsgericht vorgenommen Vertragsauslegung waren die Beklagten verpflichtet, die in § 15 Abs. 2 HOAI in den verschiedenen Leistungsphasen dargestellten Kostenermittlungen vorzunehmen. Diese der Revision günstige Auslegung ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht erkennt, daß in § 15 HOAI keine Leistungspflichten geregelt sind. Werden dem Architekten die Leistungsphasen 1 bis 9 aus § 15 Abs. 2 HOAI übertragen, ist eine Vertragsauslegung dahin möglich und nahe liegend, daß dem Architekten damit auch die Verpflichtung auferlegt wird, eine Kostenschätzung, eine Kostenberechnung , einen Kostenanschlag und eine Kostenfeststellung vorzulegen.
b) Das Berufungsgericht geht in anderem Zusammenhang davon aus, daß es den Beklagten frei steht, wann sie die Kostenermittlungen vornehmen. Da beim Werkvertrag ein Erfolg geschuldet sei, werde die Leistung des Werkunternehmers grundsätzlich erst mit dem für die Ablieferung des Gesamtwerkes maßgeblichen Zeitpunkt fällig, sofern nicht eine Vereinbarung über eine frühere Fälligkeit von Teilleistungen getroffen worden sei. Eine solche frühere Fälligkeit hätten die Parteien nicht vereinbart.
Das ist rechtsfehlerhaft. Der vom Architekten geschuldete Gesamterfolg ist im Regelfall nicht darauf beschränkt, daß er die Aufgaben wahrnimmt, die für die mangelfreie Errichtung des Bauwerks erforderlich sind. Vielmehr können auch Teilerfolge vereinbart sein. Inwieweit das der Fall ist, ist durch die Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Dabei sind die durch den Vertrag begründeten Interessen des Bestellers an den Arbeitsschritten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2004 – VII ZR 259/02, BauR 2004, 1640, 1642 = NZBau 2004, 509). Vereinbaren die Parteien, daß der Architekt die in § 15 Abs. 2 HOAI genannten Kostenermittlungen schuldet, so sind diese als Teilerfolge geschuldet (Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 5 Rdn. 20; Preussner in: Thode /Wirth/Kuffer, Prax.Hdb.Architektenrecht, § 9 Rdn. 52). Sie müssen grundsätzlich in den Leistungsphasen erbracht werden, denen sie in der HOAI zugeordnet sind. Andernfalls würden sie ihren Zweck regelmäßig nicht mehr erfüllen können. Dieser besteht darin, eine vom Planungsstand abhängige Information über die voraussichtlichen Kosten des Bauwerks zu erhalten. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 3. Juli 1997 – VII ZR 159/96, BauR 1997, 1067 = ZfBR 1998, 22, etwas anderes ergibt, wird daran nicht festgehalten.
c) Danach kommt eine Minderung der Vergütung der Beklagten sowohl für die Leistungen für das Bürogebäude als auch für das Vorhaben Villa B. in Betracht. Die Minderung der Honoraransprüche wegen des Fehlens der Kostenschätzung , Kostenberechnung und des Kostenanschlags kann nicht deshalb versagt werden, weil der Kläger den Beklagten keine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt hat. Auch wenn, wofür viel spricht, § 634 Abs. 1 BGB anwendbar ist, kann der Kläger Schadensersatz oder Minderung verlangen. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist entbehrlich. Eine etwa erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nicht Voraussetzung für die Minderung wegen eines Mangels der Architektenleistung, wenn der Besteller das Interesse an der Leistung deshalb verloren hat, weil die Leistung ihren vertraglich
vorgesehenen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Das ist für die Kostenschätzungen , Kostenberechnungen und Kostenanschläge, die erst nach Durchführung des Bauvorhabens und meist zu Zwecken der Honorarberechnung vorgelegt werden, ohne weiteres anzunehmen. Unzutreffend ist die in anderem Zusammenhang dargestellte Meinung des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Kostenermittlungen könne deshalb nicht geltend gemacht werden, weil es dem Kläger während des Bauvorhabens zumutbar gewesen sei, eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen. Das Berufungsgericht stellt auf einen Zeitpunkt ab, der für die Beurteilung nicht maßgebend ist. Inwieweit die im Prozeß vorgelegte Kostenfeststellung ihren Zweck erfüllen kann, so daß sie eine zwar verspätete, aber dennoch sachlich mangelfreie Erfüllung des Vertrages darstellt, die eine Minderung ausschließt, kann der Senat mangels Feststellungen nicht beurteilen.
C.
Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dressler Thode Kuffer Kniffka BaunerSoweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens , mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferin der Beklagten trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die beklagte Bank aus abgetretenem und gepfändetem Recht als Prozessbürgin in Anspruch.
- 2
- Die I. GmbH (im Folgenden: I. ) wurde durch - inzwischen rechtskräftiges - Vorbehaltsurteil des Landgerichts E. vom 23. Dezember 1998 verurteilt, 90.943 DM nebst Zinsen an die IM. GmbH (im Folgenden: IM. ) zu zahlen. Der I. wurde nachgelassen, die Vollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105.000 DM abzuwenden. Nach dem Beschluss des Landgerichts E. vom 28. Januar 1999 konnte die Sicherheitsleistung auch durch eine Bankbürgschaft erbracht werden.
- 3
- Am 29. Juli 1999 verbürgte sich die Beklagte gegenüber der IM. für die von der I. zu leistende Sicherheit in Höhe von 52.600,95 DM. Die IM. trat der Klägerin am 10. September 1999 ihre Forderungen aus dem Rechtsstreit gegen die I. und aus der Bürgschaft sicherungshalber ab. Am selben Tag erklärte sie in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis, der Klägerin 260.000 DM zu schulden, und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden war, wurde die IM. im Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 wurden die Forderungen der IM. gegen die I. und gegen die Beklagte gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen.
- 4
- Klage Die auf Zahlung von 26.894,44 € (= 52.600,95 DM) nebst Zinsen hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Die Klägerin sei aufgrund der Abtretung vom 10. September 1999 aktivlegitimiert. Außerdem habe sie, auch wenn sie als Zessionarin bereits materielle Rechtsinhaberin gewesen sei, die Forderung der IM. pfänden können, um Inhaberin der formell titulierten Rechtsposition zu werden. Die Pfändungen seien nicht aus formellen Gründen nichtig. Die gepfändete Forderung sei in dem Beschluss vom 11. Februar 2003 ausreichend genau bezeichnet. Dass die IM. als Vollstreckungsschuldnerin bereits seit dem Jahre 2002 im Handelsregister gelöscht gewesen sei, stehe der Wirksamkeit der Pfändung nicht entgegen.
- 8
- Die Klageforderung sei nicht verjährt. Ein Anspruch aus einer Prozessbürgschaft verjähre wie die titulierte Hauptforderung in 30 Jahren. Aus § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebe sich eine Gleichwertigkeit von Bürgschaft und Hinterlegung. Der Anspruch auf Herausgabe hinterlegter Gegenstände erlösche gemäß § 21 Abs. 1 HinterlO grundsätzlich nach 30 Jahren.
- 9
- Auch bei Zugrundelegung einer nur dreijährigen Verjährungsfrist sei keine Verjährung eingetreten. Die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB bis zum 31. Dezember 2004 laufende Verjährungsfrist sei durch die Zustellung der Klage am 15. Dezember 2004 gehemmt worden. Dies gelte nicht nur, wenn die Klägerin die Bürgschaftsforderung durch die Pfändung erworben habe, auf die die Klage von Anfang an gestützt worden sei, sondern auch bei einem Erwerb durch die Abtretung, auf die die Klägerin sich erstmals im Schriftsatz vom 1. Juni 2005 bezogen habe. Streitgegenstand sei immer die Bürgschaftsforderung gewesen, die die Klägerin aus fremdem Recht geltend gemacht habe. Ob die Klägerin durch Abtretung oder durch Pfändung Rechtsinhaberin geworden sei, habe auf den Streitgegenstand der Bürgschaftsklage keinen Einfluss.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
- 11
- 1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 10. September 1999 Inhaberin der Forderung gemäß § 765 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte in Höhe der Klagesumme geworden ist. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klägerin auch aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 aktivlegitimiert ist, d.h. ob die Klägerin die Forderung, deren Inhaberin sie bereits durch die Abtretung geworden war, noch wirksam pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen konnte (bejahend: OLG Köln WM 1978, 383, 385; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 22. Aufl. § 829 Rdn. 21, 67; Musielak/Becker, ZPO 5. Aufl. § 829 Rdn. 8; Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 829 Rdn. 11; HK-ZPO/Kemper, § 829 Rdn. 9; vgl. auch RGZ 86, 135, 137; verneinend: Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 54 S. 636; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 829 Rdn. 18).
- 12
- 2. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klageforderung sei nicht verjährt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 13
- a) Dies gilt auch dann, wenn für den Anspruch aus der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 die kürzeste in Betracht kommende, nämlich die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt, die nach der rechtsfehlerfreien und von der Revision unangegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts am 31. Dezember 2004 endete. Deshalb kann dahinstehen, ob aufgrund einer längeren Verjährungsfrist, eines späteren Fristbeginns, etwa erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen, oder einer Ablaufhemmung , z.B. bis zur Verjährung der Hauptschuld (vgl. Palandt/Sprau, BGB 66. Aufl. § 765 Rdn. 26 m.w.Nachw.), von einem späteren Ende der Verjährungsfrist auszugehen ist.
- 14
- b) Die Verjährungsfrist ist durch die Zustellung der Klageschrift am 15. Dezember 2004 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Aktivlegitimation in der Klageschrift nur mit den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen vom 11. und 17. Februar 2003 begründet und erst nach Ablauf der Verjäh- rungsfrist in einem Schriftsatz vom 1. Juni 2005 auf die Abtretung vom 10. September 1999 gestützt worden ist.
- 15
- Die Erhebung der Klage hemmt die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005 m.w.Nachw.). Hingegen erstreckt sich die Verjährungshemmung nicht auf Ansprüche, die nicht Gegenstand der Klageerhebung waren (vgl. BGHZ 104, 268, 271 ff.; BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066). Der auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse und der auf die Abtretung gestützte Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision derselbe prozessuale Anspruch.
- 16
- aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird mit der Klage nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert , und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. In diesem Sinn geht der Klagegrund über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu unterbreiten hat (BGHZ 117, 1, 5 f.; BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - III ZR 265/98, NJW 1999, 3126, 3127 m.w.Nachw.).
- 17
- Nach diesen Grundsätzen liegt im Übergang von einem Anspruch aus eigenem Recht zu einem solchen aus abgetretenem Recht wegen der Änderung des dazu vorgetragenen Lebenssachverhalts grundsätzlich ein Wechsel des Streitgegenstandes im Sinne einer Klageänderung gemäß § 263 ZPO (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005). Hingegen ändert sich der Streitgegenstand nicht, wenn bei einer stillen Sicherungszession der Zedent die abgetretene Forderung zunächst aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung geltend macht und später aufgrund einer Rückabtretung des Sicherungsnehmers weiterverfolgt. Dasselbe gilt für eine Umstellung des Klageantrages auf Zahlung an den Sicherungsnehmer nach Offenlegung der Sicherungsabtretung. Bei einer stillen Zession macht der Zedent nämlich aufgrund der Einziehungsermächtigung, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die an den Sicherungsnehmer abgetretene Forderung geltend (BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066).
- 18
- bb) Gemessen hieran hat sich der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht dadurch geändert, dass die Klägerin den Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 765 Abs. 1 BGB aufgrund der Prozessbürgschaft vom 29. Juli 1999 zunächst auf die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 11. und 17. Februar 2003 und später auf die Abtretung vom 10. September 1999 gestützt hat. Die Klägerin hat, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, unabhängig von der Begründung ihrer Aktivlegitimation, immer die in der Person der IM. entstan- dene Bürgschaftsforderung gegen die Beklagte geltend gemacht. Die Revision wendet hiergegen ohne Erfolg ein, die Klägerin sei aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aus fremdem Recht, aufgrund der Abtretung hingegen aus eigenem Recht vorgegangen. Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung bewirkt zwar keinen Forderungsübergang (BGHZ 114, 138, 141) und steht deshalb einer Forderungsabtretung nicht gleich (Stöber, Forderungspfändung 14. Aufl. Rdn. 589). Sie verschafft dem Vollstreckungsgläubiger aber ein eigenes Einziehungsrecht und ermächtigt ihn, die Forderung in eigenem Namen einzuziehen (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1981 - VII ZR 319/80, WM 1981, 1338). Deshalb tritt - ebenso wie bei Geltendmachung einer abgetretenen Forderung aufgrund einer rechtsgeschäftlich erteilten Einziehungsermächtigung und später aufgrund einer Rückabtretung (BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065, 1066) - keine Änderung des Streitgegenstandes ein, wenn - wie hier - eine Forderung zunächst aufgrund des durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlangten Einziehungsrechts und später aufgrund einer Abtretung geltend gemacht wird. Der zeitliche Abstand zwischen der Abtretung und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist entgegen der Auffassung der Revision für die Bestimmung des Streitgegenstandes unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, WM 1999, 1065).
III.
- 19
- Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Mayen Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 26.10.2005 - 21 O 530/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2006 - 13 U 226/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung in Berlin, die er mit notariellem Vertrag vom 19. März 1989 an Frau M., die Nichte der Beklagten, verkaufte. Die Käuferin vermietete mit Zustimmung des Klägers die Wohnung durch
Vertrag vom 11. April 1989 an die Beklagte. Der Kaufvertrag wurde nicht vollzogen.
Mit einer im März 1995 erhobenen Klage verlangte der Kläger von der Beklagten Räumung der Wohnung und Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Der Räumungsklage wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. März 1998 (V ZR 298/96) stattgegeben, weil der Kaufvertrag wegen Unterverbriefung des Kaufpreises formnichtig war. Im Mai 1998 ist die Beklagte aus der Wohnung ausgezogen. Der Kläger hat seinen Anspruch wegen der Nutzung der Wohnung auf insgesamt 146.239,08 DM beziffert und gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht.
Schon am 27. August 1993 hatte die Käuferin wegen einer Forderung von insgesamt 18.797,98 DM zuzüglich Zinsen die angebliche Forderung des Klägers gegen die Beklagte aus "Mietzahlungen für Wohnung" einschließlich der künftig fällig werdenden Beträge gepfändet. Am 11. April, 17. Juni und 29. August 1994 hatte das Finanzamt Zehlendorf wegen Steuerforderungen von insgesamt 530,99 DM und am 21. Februar 1995 das Finanzamt BerlinMitte /Tiergarten wegen einer Forderung von 12.695,86 DM auf dieselben Ansprüche gerichtete Pfändungs- und Einziehungsverfügungen erlassen.
Das Landgericht hat die Zahlungsklage wegen dieser Pfändungen als unzulässig abgewiesen. Im Berufungsrechtszug hat der Kläger den Anspruch weiterverfolgt, hilfsweise Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten und weiter hilfsweise Hinterlegung zum Zwecke der Auskehr an die Gläubiger Finanzamt Mitte/Tiergarten und die Käuferin sowie das Finanzamt Zehlendorf und des Restbetrages an sich selbst begehrt. Außerdem hat der Kläger in Erweiterung
des Hauptantrages Schadensersatz in Höhe von 23.000 DM zuzüglich Zinsen wegen schuldhafter Beschädigungen der Wohnung und nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen verlangt. Der Senat hat die Revision angenommen, soweit der Hauptantrag in Höhe von 15.000 DM zuzüglich Zinsen (Schadensersatz wegen Beschädigung der Wohnung) sowie die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
A.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe den Schaden nicht im einzelnen substantiiert. Er habe pauschal einzelne Beträge angegeben, ohne darzulegen, wie und aufgrund welcher Tatsachen die angeblichen Kosten ermittelt worden seien. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Ein Mietvertrag ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Das Berufungsgericht geht daher im Ansatz zutreffend davon aus, daß der
geltend gemachte Anspruch nur gemäß §§ 989, 990 BGB begründet sein kann. Nach dem Vorbringen des Klägers wußte die Beklagte im Zeitpunkt der Veränderung und der Beschädigungen, daß sie zum Besitz nicht berechtigt war, und wäre auch in der Lage gewesen, die Verschlechterungen der Sache zu vermeiden. Dem entgegenstehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte dem Kläger für die behaupteten Beschädigungen und Veränderungen der Mietsache Schadensersatz schuldet.
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Schaden nicht hinreichend substantiiert dargetan, wird von der Revision mit Erfolg angegriffen.
Derjenige, der einen Anspruch geltend macht, genügt seiner Substantiierungslast (§ 138 Abs. 1 ZPO) durch die Behauptung von Tatsachen, die geeignet sind, in Verbindung mit einem Rechtssatz die behauptete Rechtsfolge entstehen zu lassen (BGH, Urt. v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 18. Mai 1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, 2887, 2888). Das ist hier dadurch geschehen, daß der Kläger die von ihm beanstandeten Beschädigungen und Veränderungen der Wohnung im einzelnen benannt und den geschätzten Beseitigungsaufwand angegeben hat. Nach dem Vortrag des Klägers hat die Beklagte in der Wohnung eine Wand entfernt. Deren Wiederherstellung koste 4.000 DM; außerdem seien für im Zusammenhang damit notwendige Elektroinstallationen 1.000 DM und für Malerarbeiten 2.000 DM aufzuwenden. Weiter entständen Kosten von 4.000 DM im Bad für die Erneuerung beschädigter Fliesen , defekter und demontierter Armaturen sowie einer völlig verschmutzten Toilettenschüssel. Schließlich koste in der Küche der Austausch von Fliesen,
das Neuverlegen des beschädigten Bodens, die tischlermäßige Instandsetzung der Möblierung sowie der Wiedereinbau einer Abzugshaube insgesamt 4.000 DM. Da der benötigte Geldbetrag verlangt werden kann, bevor der ordnungsgemäße Zustand der Sache wieder hergestellt ist (§ 249 Satz 2 BGB), gehört zu einer schlüssigen Schadensdarstellung nicht die genaue Angabe aller im einzelnen erforderlichen Arbeiten sowie eine betragsmäßig exakte Kostenberechnung. Im übrigen brauchte der Kläger den Schaden auch deshalb nicht ausführlicher zu erläutern, weil die Beklagte seine Behauptungen lediglich pauschal bestritten hat (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO).
3. Wegen des ihm in diesem Punkt zustehenden Anspruchs kann der Kläger Zahlung an sich verlangen; denn die ergangenen Pfändungsakte erstrecken sich nicht auf Schadensersatzforderungen.
B.
Soweit die Klage den behaupteten Nutzungsentschädigungsanspruch des Klägers in Höhe von 146.239,08 DM betrifft, hat das Berufungsgericht die Hilfsanträge mangels Prozeßführungsbefugnis des Klägers als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Der Hilfsantrag auf Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten müsse erfolglos bleiben, weil weitere Pfändungsmaßnahmen getroffen worden seien, die des Finanzamts Zehlendorf sowie der Käuferin M.. Die von beiden Finanzämtern erteilten Ermächtigungen reichten nicht aus, weil sie die an die einzel-
nen Pfändungsgläubiger auszukehrenden Anteile der Forderungen nicht erfaßten und es zudem an einer Ermächtigung der Gläubigerin M. fehle.
Die Hinterlegung stelle lediglich ein Erfüllungssurrogat zugunsten des Schuldners dar; dieser sei unter den Voraussetzungen des § 372 BGB zur Hinterlegung berechtigt, nicht verpflichtet. Eine Hinterlegung des zur Erfüllung der mehrfach gepfändeten Forderung benötigten Betrages verschlechtere zudem möglicherweise die Rechtsstellung einzelner Pfändungsgläubiger.
Diesen Erwägungen ist ebenfalls nicht zu folgen; denn sie lassen die berechtigten Interessen des Klägers als Gläubiger der gepfändeten Forderungen außer Acht.
I.
Mit dem ersten Hilfsantrag in der bisher gestellten Form auf Zahlung an das Finanzamt Mitte/Tiergarten kann die Klage allerdings keinen Erfolg haben.
Die Pfändung der Gläubigerin M. geht der Pfändungsverfügung des Finanzamts im Range vor. Da der Pfändungsbeschluß keine Beschränkung enthält , erstreckt er sich auf die Gesamtforderung des Klägers; diese ist insgesamt verstrickt worden (vgl. BGH, Urt. v. 22. Januar 1975 - VIII ZR 119/73, NJW 1975, 738; v. 21. November 1985 - VII ZR 305/84, NJW 1986, 977, 978). Verlangt bei mehrfacher Pfändung ein nachrangiger Gläubiger Zahlung, bevor der bevorrechtigte Gläubiger befriedigt ist, steht dem Drittschuldner der Ein-
wand aus § 804 Abs. 3 ZPO zu. Er kann sich also auf den Vorrang der anderweitigen Pfändung berufen. Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner Leistung an den nachrangigen Gläubiger verlangt, weil er nicht zu Verfügungen berechtigt ist, die die Pfändungsgläubiger beeinträchtigen. Davon abgesehen steht dem Finanzamt Mitte/Tiergarten nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nur noch eine Forderung von 12.695,86 DM zu.
II.
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht erkannt, daß das der Klage zugrundeliegende Begehren des Klägers mittels einer sachdienlichen Umgestaltung des ersten Hilfsantrags erreichbar ist.
1. Das Klagevorbringen sowie die Staffelung der Anträge machen deutlich , daß der Kläger den behaupteten Anspruch in erster Linie mittels eines Antrags auf Leistung an sich - insoweit ist die Klage infolge der Nichtannahme der Revision rechtskräftig abgewiesen -, in zweiter Linie durch einen Antrag, der zur Folge hat, daß vorrangig die Pfändungsgläubiger befriedigt werden und er den verbleibenden Rest der Forderung erhält, und höchst fürsorglich mit einem Hinterlegungsantrag geltend macht. Vor der Behandlung dieses zweiten Hilfsantrags hätte der Tatrichter prüfen müssen, ob das erkennbar gewordene Klageziel durch eine sachgerechte Fassung des hilfsweise formulierten Zahlungsantrags zum Erfolg führen kann. Aufgrund der dem Richter gemäß § 139 Abs. 1 ZPO obliegenden Hinweispflicht war auf eine entsprechende Ä nderung selbst dann hinzuwirken, wenn es einer weitgehenden Umgestaltung des bis-
her formulierten Antrags bedurfte. Das war hier insbesondere deshalb geboten, weil der Kläger, was sich der Gestaltung seiner Anträge ohne weiteres entnehmen ließ, das wirtschaftlich erstrebte Ziel auf jedem nur möglichen prozessualen Wege erreichen wollte.
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Kläger berechtigt , die Gesamtforderung umfassende Leistungsanträge zu stellen, auch ohne dazu von der vorrangigen Pfändungsgläubigerin ermächtigt worden zu sein.
a) Eine für den Gläubiger gepfändete und ihm überwiesene Forderung verbleibt im Vermögen des Pfändungsschuldners. Die Überweisung bewirkt lediglich, daß er die Forderung nicht mehr für sich einziehen, also nicht Leistung an sich verlangen kann (RGZ 83, 116, 118 f; BGHZ 82, 28, 31; 114, 138, 141). Verboten sind dem Schuldner allein Verfügungen zum Nachteil des pfändenden Gläubigers. Rechtshandlungen, die weder den Bestand der Pfandrechte noch den der gepfändeten Forderung beeinträchtigen, sind ihm infolge der bei ihm verbliebenen Berechtigung dagegen gestattet. Aus diesem Grunde darf er auf Leistung an den Pfändungsgläubiger klagen, und zwar aus eigenem Recht. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage folgt schon aus dem Interesse des Schuldners, von der dem Pfändungsgläubiger gegenüber bestehenden Verbindlichkeit befreit zu werden. Da sich die Prozeßführungsbefugnis schon daraus ergibt, daß ihm die Forderung (noch) gehört, benötigt er insoweit keine Erklärung des Gläubigers, die ihm eine entsprechende Berechtigung erteilt (vgl. BGHZ 114 aaO; Zöller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 836 Rn. 5).
b) Diese Rechtsstellung bleibt auch dann erhalten, wenn die Forderung des Schuldners mehrfach gepfändet worden ist. Aus § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO
folgt, daß seine Verpflichtung sich nunmehr darauf erstreckt, die Rechte aller Pfändungsgläubiger und damit auch das unter ihnen bestehende Rangverhältnis (§ 804 Abs. 3 ZPO) zu beachten. Sind diese Interessen gewahrt, gibt es keinen einsichtigen Grund, ihm bei mehrfacher Pfändung die Klage auf Zahlung an die Pfändungsgläubiger zu versagen. Der Klageantrag muß lediglich zweifelsfrei das Rangverhältnis unter den Gläubigern kennzeichnen, damit dieses bei der Vollstreckung beachtet wird.
c) Da der Schuldner noch Inhaber der Forderung ist, wird ihm von der ganz herrschenden Meinung die Befugnis eingeräumt, auf Feststellung des Bestehens der Forderung zu klagen (vgl. BGHZ 114, 138, 141; Zöller/Stöber, aaO § 836 Rn. 5; Musielak/Becker, ZPO 2. Aufl. § 835 Rn. 12). Dies mag sachgerecht sein, wenn der Schuldner nicht auf Leistung an die Pfändungsgläubiger klagen will. Hier geht es jedoch um eine andere Frage. Der Kläger berühmt sich einer Forderung, die über die Summe der Ansprüche seiner Pfändungsgläubiger weit hinausgeht, von der Drittschuldnerin jedoch bestritten wird. Der Kläger möchte den nach Befriedigung der Pfändungsgläubiger verbleibenden Restanspruch schon jetzt im Wege der Leistungsklage gegen die Beklagte geltend machen. Daran hat er ein berechtigtes Interesse, sofern sichergestellt ist, daß er die Restforderung nicht ausbezahlt erhält, bevor die Forderungen der Pfändungsgläubiger getilgt sind. Der Schuldner verdient auch Schutz davor, daß die Durchsetzung seiner Restforderung durch die infolge der Pfändung gemäß § 829 Abs. 3 ZPO ausgelösten Wirkungen nicht mehr als unbedingt notwendig verzögert und gefährdet wird. Diese Gefahr besteht in besonderem Maße, wenn die durch die Pfändung gesicherten Ansprüche weitaus niedriger sind, als die gepfändete Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner und die Pfändungsgläubiger von sich aus den Drittschuldner nicht in
Anspruch nehmen. Die daraus dem Schuldner entstehenden Risiken treten im Streitfall besonders deutlich hervor. Die Käuferin als vorrangige Pfändungsgläubigerin ist untätig geblieben, möglicherweise deshalb, weil sie kein Interesse daran hat, daß ihre Forderung aus dem Vermögen der Beklagten, ihrer Tante, befriedigt wird. Wäre der Schuldner in solchen Fällen gehindert, gegen den Drittschuldner vorzugehen, solange die Forderungen der Pfändungsgläubiger nicht erfüllt sind, bliebe ihm nur die Möglichkeit, von dem Gläubiger, der die Beitreibung der ihm überwiesenen Forderung verzögert hat, den daraus entstandenen Schaden erstattet zu verlangen (§ 842 ZPO). Daß das Gesetz einen solchen Ersatzanspruch vorsieht, rechtfertigt es jedoch nicht, dem Schuldner die alsbaldige Durchsetzung der ihm trotz der Pfändung verbleibenden Restforderung gegen den Drittschuldner zu versagen, wenn eine Form der Leistungsklage möglich ist, die die berechtigten Belange weder der Pfändungsgläubiger noch des Drittschuldners beeinträchtigt.
d) Der Schuldner kann deshalb zur Sicherung seiner eigenen Rechte schon vor Befriedigung der Pfändungsgläubiger Klage auf zukünftige Leistung erheben.
aa) Eine Klage auf zukünftige Leistung ist gemäß § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sich der Schuldner der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Ernstliches Bestreiten der behaupteten Forderung begründet in der Regel die Besorgnis der Leistungsverweigerung (BGHZ 5, 342, 344; BGH, Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, NJW 1999, 954, 955). Die Beklagte hat ihre Verpflichtung schon dem Grunde nach in Abrede gestellt und davon abgesehen auch die Höhe des Anspruchs bestritten.
bb) Die geltend gemachten Ansprüche müssen bereits entstanden sein; sie dürfen aber von einer Gegenleistung abhängen oder bedingt sein (BGHZ 43, 28, 31; Zöller/Greger, aaO § 259 Rn. 1). Diesen Anforderungen entspricht ein Begehren auf Leistung des nach Befriedigung der Pfändungsgläubiger verbleibenden Restes an den Kläger; denn seine Forderung ist schon jetzt fällig und die Berechtigung auf Zahlung an ihn nur davon abhängig, daß die Pfändungsgläubiger befriedigt sind. Bedingung für den Anspruch ist also der Wegfall der zu deren Gunsten bestehenden Pfändungspfandrechte. Da diese erlöschen, sobald die Forderungen der Gläubiger erfüllt sind, steht einer Klage auf zukünftige Leistung auch nicht der Umstand entgegen, daß gegenwärtig infolge der Pfändung die Gesamtforderung verstrickt ist.
cc) Die Anträge sind auf Zahlung an die einzelnen Pfändungsgläubiger ihrem Rang entsprechend zu richten. Deren Forderungen, einschließlich der aus den Pfändungsbeschlüssen oder -verfügungen ersichtlichen Kostenbeträge (vgl. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO), müssen genau beziffert werden. Mit diesem Begehren kann ein Antrag auf Zahlung an den Schuldner verbunden werden, der den Gesamtbetrag des geltend gemachten Anspruchs bezeichnet und zugleich zum Ausdruck bringt, daß der Drittschuldner daraus nur den Restbetrag an den Kläger zu leisten hat, der diesem nach Erfüllung der Ansprüche der Pfändungsgläubiger noch zusteht.
dd) Durch diese Form der Antragstellung sind die Rechte der Pfändungsgläubiger ebenso wie die Belange des Drittschuldners sogar dann ausreichend geschützt, wenn die den Pfändungen zugrundeliegenden Forderungen im Klageantrag fehlerhaft, nämlich zu niedrig, angegeben werden. Im Um-
fang der Differenz ist der Antrag auf Zahlung an den Schuldner wegen des Vorrangs der Pfändungsgläubiger als unbegründet abzuweisen. Wird der Fehler im Prozeß zwischen Schuldner und Drittschuldner nicht bemerkt, erleiden die Pfändungsgläubiger im allgemeinen keinen Rechtsverlust. Sie sind in einem solchen Falle berechtigt, den nicht befriedigten Teil der gepfändeten Forderung selbständig gegen den Drittschuldner geltend zu machen. Nach Überweisung der gepfändeten Forderung kann sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner Klage erheben. Beiden steht die Klagebefugnis unabhängig voneinander zu (BGHZ 114, 138, 141; Stöber, Forderungspfändung 12. Aufl. Rn. 671). Das Urteil, das der Schuldner erzielt, äußert gegenüber den Pfändungsgläubigern keine Rechtskraftwirkung. Der Drittschuldner andererseits hat die Möglichkeit, sich vor der Gefahr doppelter Zahlung dadurch zu schützen, daß er den zwischen Schuldner und Pfändungsgläubiger streitigen Betrag hinterlegt (vgl. BGHZ 86, 337, 340). Erhält ein Pfändungsgläubiger im Einzelfall gleichwohl nicht die volle ihm zustehende Leistung und wird an den Schuldner zu viel ausbezahlt, kann er jedenfalls gegen den Schuldner einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen (vgl. BGHZ 82, 28). Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners trifft den pfändenden Gläubiger also allenfalls dann, wenn er sich nicht hinreichend um die Durchsetzung des gepfändeten Anspruchs bemüht.
III.
Da der Kläger den Hinterlegungsantrag nur für den Fall gestellt hat, daß der Zahlungsantrag erfolglos bleibt, ist der zweite Hilfsantrag für die Entschei-
dung über die Revision nicht erheblich. Der Senat braucht daher nicht darauf einzugehen, ob der bisher praktisch einhelligen Meinung, der Schuldner könne den jedem Pfändungsgläubiger gemäß § 856 Abs. 1 ZPO zustehenden Anspruch nicht geltend machen (RGZ 77, 141, 144; Zöller/Stöber, aaO § 836 Rn. 5), ohne jede Einschränkung zu folgen ist.
C.
Das Berufungsgericht wird nunmehr die Begründetheit der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in dem bezeichneten Umfang zu prüfen haben. Das gibt dem Kläger die Möglichkeit, den Einwand zu erheben und zu beweisen , daß die Pfändungsverfügungen des Finanzamts Zehlendorf inzwischen aufgehoben sind.
Sollte sich im weiteren Verlauf des Rechtsstreits herausstellen, daß die Gläubigerin M. die Pfändung aufrechterhält, eine Zahlung der Beklagten
jedoch nicht annehmen will, kommt eine Verurteilung der Beklagten zur Hinterlegung dieses Betrages in Betracht (§ 372 Satz 1 BGB). Gerät die Pfändungsgläubigerin erst nach rechtskräftiger Verurteilung der Beklagten in Annahmeverzug , wird die Zahlungsverpflichtung ebenfalls im Wege der Hinterlegung erfüllt.
Kreft Kirchhof Fischer
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Zugehör ist wegen Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft Ganter
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beigeladenen ist die Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beigeladenen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 - 1 K 1568/10 - geändert. Die Klage auf Zurückzahlung entrichteter Abwassergebühren wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Mit dem Hauptanspruch verjährt der Anspruch auf die von ihm abhängenden Nebenleistungen, auch wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Ist eine Geldforderung für mehrere Gläubiger gepfändet, so ist der Drittschuldner berechtigt und auf Verlangen eines Gläubigers, dem die Forderung überwiesen wurde, verpflichtet, unter Anzeige der Sachlage und unter Aushändigung der ihm zugestellten Beschlüsse an das Amtsgericht, dessen Beschluss ihm zuerst zugestellt ist, den Schuldbetrag zu hinterlegen.
(1) Jeder Gläubiger, dem der Anspruch überwiesen wurde, ist berechtigt, gegen den Drittschuldner Klage auf Erfüllung der nach den Vorschriften der §§ 853 bis 855 diesem obliegenden Verpflichtungen zu erheben.
(2) Jeder Gläubiger, für den der Anspruch gepfändet ist, kann sich dem Kläger in jeder Lage des Rechtsstreits als Streitgenosse anschließen.
(3) Der Drittschuldner hat bei dem Prozessgericht zu beantragen, dass die Gläubiger, welche die Klage nicht erhoben und dem Kläger sich nicht angeschlossen haben, zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen werden.
(4) Die Entscheidung, die in dem Rechtsstreit über den in der Klage erhobenen Anspruch erlassen wird, ist für und gegen sämtliche Gläubiger wirksam.
(5) Der Drittschuldner kann sich gegenüber einem Gläubiger auf die ihm günstige Entscheidung nicht berufen, wenn der Gläubiger zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden ist.
(1) Hat der Schuldner außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten zu entrichten, so wird eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung zunächst auf die Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptleistung angerechnet.
(2) Bestimmt der Schuldner eine andere Anrechnung, so kann der Gläubiger die Annahme der Leistung ablehnen.
Tenor
Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. Februar 2010 - 3 K 2749/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene je zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Juli 2010 - 8 K 273/10 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Streitwert des Verfahrens in beiden Instanzen wird - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 27. Juli 2010 - auf jeweils 100.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. November 2011 - 8 Sa 1021/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2007 bis 2010 in Anspruch.
- 2
-
Der Kläger trat im Jahre 1995 in die Dienste der Beklagten, die ein Unternehmen für Maschinenbau betreibt. Er war bis zu seinem Ausscheiden im Januar 2012 als Zerspanungsmechaniker tätig und erzielte eine monatliche Vergütung von rund 3.000,00 Euro brutto.
-
Im Arbeitsvertrag vom 5. Dezember 2005, der zuletzt die Zusammenarbeit der Parteien regelte, heißt es ua.:
-
„§ 6 Vergütungen
…
+ Weihnachtsgratifikation
50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten
100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten
von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.
Sie wird zusammen mit dem Novemberlohn/-gehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt.
...
Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03. des folgenden Jahres durch Kündigung des Arbeitnehmers, sind jegliche - auch anteilige - Ansprüche auf das Weihnachtsgeld ausgeschlossen. Eine Aufhebungsvereinbarung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehen einer Kündigung gleich.
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall berechtigt, das Weihnachtsgeld zurückzufordern und mit einer Rückzahlungsforderung gegen alle etwaigen fälligen bzw. noch fällig werdenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unter Beachtung der Pfändungsschutzbestimmungen aufzurechnen.“
- 4
-
Gleichlautende Regelungen vereinbarte die Beklagte mit ihren übrigen Mitarbeitern.
- 5
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Der Kläger erhielt im Jahr 2001 Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsgrundlohns. In den Jahren 2002 und 2003 belief sich die Höhe auf jeweils 40 %, im Jahr 2004 auf 31,4 % und im Jahr 2005 auf 25 % des damaligen Grundlohns. Für das Jahr 2006 ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Weihnachtsgeld in Höhe von nur 8 % oder von rund 30 % des Grundlohns gezahlt wurde. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 524,00 Euro brutto, im Jahr 2008 in Höhe von 393,00 Euro brutto. In den Jahren 2009 und 2010 wurde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage kein Weihnachtsgeld gezahlt. Stattdessen erhielt der Kläger im Jahr 2010 als „kleines Dankeschön“ zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff.
- 6
-
Der Kläger hat die Zahlung von Weihnachtsgeld in Anlehnung an tarifliche Vorschriften der Metallbranche verlangt. Die Regelung im Arbeitsvertrag benachteilige ihn unangemessen und sei unwirksam. An ihre Stelle trete die branchenübliche Regelung der Metallindustrie, die ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vorsehe. Daraus ergebe sich - nach Abzug der bereits erbrachten Leistungen - die für den Zeitraum 2007 bis 2010 eingeklagte Summe.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.847,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2010 zu zahlen.
- 8
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe nach dem Vertrag ein Leistungsbestimmungsrecht, von dem sie angesichts der jeweiligen wirtschaftlichen Lage in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
-
I. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.
- 11
-
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Betrags. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 6 des Arbeitsvertrags. Die Vorschrift legt keine bestimmte Höhe für die Sonderzahlung fest.
- 12
-
2. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf § 612 BGB iVm. tariflichen Vorschriften über Sonderzahlungen stützen. Voraussetzung hierfür wäre die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelung zur Weihnachtsgratifikation. § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags ist jedoch wirksam.
- 13
-
a) Die Vorschrift regelt die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Entgegen der Auffassung des Klägers beinhaltet sie keinen Freiwilligkeitsvorbehalt. Sie gewährt dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in einer von der Beklagten nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) festzulegenden Höhe. Die Höhe der Gratifikation musste, da der Kläger länger als zwölf Monate beschäftigt war, 100 % der von der Beklagten festzusetzenden Gratifikation betragen. Das ergibt die Auslegung der Vertragsklausel.
- 14
-
b) Die Regelung der Weihnachtsgratifikation ist im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Vergütungen“ enthalten. Sie beschreibt in Vomhundertsätzen die Höhe der zu leistenden Zahlung und legt den Zahlungstermin (jeweils mit dem Novemberlohn) fest. Als Anspruchsvoraussetzung für die Entstehung des Anspruchs dem Grunde nach ist bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 31. März des Folgejahres vom Arbeitnehmer gekündigt, nicht durch Aufhebungsvertrag beendet und auch nicht ruhend gestellt ist. Der Anspruch ist damit weder an Arbeitsleistung im Bezugszeitraum noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Irgendein Vorbehalt oder eine Widerrufsmöglichkeit für den Arbeitgeber ist nicht vorgesehen. Allerdings ist die Höhe des Anspruchs nicht im Vertrag bestimmt. Von ihr ist gesagt, sie sei vom Arbeitgeber jeweils festzusetzen. Damit ist hinreichend deutlich, dass einerseits ein Anspruch vereinbart werden sollte, andererseits die Bestimmung der Höhe dem Arbeitgeber vorbehalten sein sollte. Für derartige Vertragsregelungen legt § 315 Abs. 1 BGB fest, dass die Leistungsbestimmung billigem Ermessen zu entsprechen hat und dass bei unterlassener oder verzögerter Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen eine Festsetzung durch das Gericht erfolgt(§ 315 Abs. 3 BGB).
- 15
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c) Mit diesem Inhalt hält § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.
- 16
-
aa) § 6 Abs. 4 des Arbeitsvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.
- 17
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(1) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne von § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32 mwN, NZA 2013, 148).
- 18
-
(2) So liegt es hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist nicht auf eine bestimmte Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern auf Entscheidung nach billigem Ermessen über die Höhe der Gratifikation und gegebenenfalls ihre Auszahlung im November des Bezugsjahres gerichtet. Die Beklagte entscheidet jährlich jeweils neu über die Höhe der Gratifikation.
- 19
-
bb) Die vertragliche Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 20
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).
- 21
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(2) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch den Arbeitsvertrag ausreichend beschrieben. Der Kläger konnte erkennen, dass die Beklagte über die Festsetzung der Höhe der Gratifikation zu entscheiden hatte. Erkennbar war auch, dass die Entscheidung eine Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten erforderte. Richtig ist, dass die Vertragsklausel selbst keine Maßstäbe für die von der Beklagten zu treffende Entscheidung festlegt. Insoweit ist die Auffassung des Klägers nachvollziehbar, aus der Klausel sei nicht zu erkennen, wie hoch insgesamt sich letzten Endes die vertraglichen Zahlungen belaufen werden. Indes betrifft das Leistungsbestimmungsrecht im Streitfall noch nicht einmal das im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgelt, sondern lediglich eine - der Höhe nach unbestimmte - Zusatzleistung, zu welcher der Arbeitgeber an sich nicht verpflichtet wäre. Der Streitfall liegt also anders als bei Preisänderungsklauseln, etwa in Gaslieferungsverträgen. Diese räumen dem Bestimmungsberechtigten die Möglichkeit ein, das Äquivalenzverhältnis der Hauptleistungspflichten einseitig zu verändern (vgl. etwa BGH 9. Februar 2011 - VIII ZR 162/09 - BB 2011, 719). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere hätte der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, Leistungen der hier betroffenen Art jeweils mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden und dadurch einen Rechtsanspruch für die Zukunft auszuschließen.
- 22
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(3) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein bei der jeweiligen Zahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern (BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 16 mwN, BAGE 136, 294), wohingegen vertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, jedenfalls wenn sie alle zukünftigen Leistungen erfassen sollen, unzulässig sind (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung darüber vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt. Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Gibt es einen bei der Zahlung erklärten klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB. In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, 30 ff., aaO).
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(4) Verglichen mit einer solchen - zulässigen - Vertragsgestaltung ist die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts in der hier gegebenen Form - also auch ohne nähere Eingrenzung der für das billige Ermessen geltenden Maßstäbe - nicht zu beanstanden. Immerhin erhält der Arbeitnehmer auf diese Weise einen klagbaren Anspruch. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber kann er vom Gericht überprüfen lassen. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist.
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cc) Die Vertragsklausel ist nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligen würde.
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(1) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
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(a) Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner, bei der auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten sind, ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 23, BAGE 124, 259; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 19 mwN, BAGE 122, 182).
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(b) Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, dh. alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts und die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten(BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 24, BAGE 124, 259).
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(2) Nach diesen Maßstäben enthält die Klausel keine unangemessene Benachteiligung.
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(a) Die Regelung weicht mit ihrem durch Auslegung ermittelten Inhalt nicht vom Gesetz ab. Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorkehrungen nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar (BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 42, NZA 2013, 148).
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(b) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die leistungssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits aber die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die vertragliche Regelung setzt keine spezifischen Leistungsanreize. Anspruchsvoraussetzung ist lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. März des Folgejahres. Die Gratifikation ändert deshalb auch nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Entgelt.
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3. Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfüllt und damit erloschen ist, kann, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, dahinstehen, weil der Kläger nicht geltend macht, die von der Beklagten für die im Streit stehenden Jahre getroffene Leistungsbestimmung entspreche nicht billigem Ermessen und sei daher nicht bindend.
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a) Soll die Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem Gläubiger ist damit ein - nicht fristgebundenes, aber durch den Gesichtspunkt der Verwirkung begrenztes - Klagerecht eingeräumt (vgl. BGH 9. Mai 2012 - XII ZR 79/10 - Rn. 39, NJW 2012, 2178; 6. März 1986 - III ZR 195/84 - zu III 1 der Gründe, BGHZ 97, 212). Die Klage kann auch unmittelbar auf Leistung gerichtet werden (BGH 26. September 2006 - X ZR 181/03 - Rn. 24, NJW-RR 2007, 103).
- 33
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b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe einen Anspruch auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen mit der Klage nicht geltend gemacht. Das hat der Kläger in der Senatsverhandlung bestätigen lassen. Er errechnet seinen Zahlungsanspruch nicht auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung, indem er etwa geltend machen würde, die Ausübung billigen Ermessens müsse zu einer Festsetzung der zu zahlenden Gratifikation in der verlangten Höhe führen. Im Gegenteil, er beruft sich ausdrücklich auf die Unwirksamkeit der Vertragsklausel und meint, diese führe zur Lückenhaftigkeit des Vertrags, die wiederum durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei.
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c) Da die Vertragsklausel wirksam ist, kann die Richtigkeit der Auffassung des Klägers, die durch ihre Unwirksamkeit entstehende Lücke sei gemäß der entsprechenden tarifvertraglichen Regelung in der Metallindustrie zu füllen, dahinstehen.
-
II. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
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Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Thiel
Stefan Fluri
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel Übereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt werden, so ist, wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die Durchschnittssumme maßgebend.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31. März 2014 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
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Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag vom 29. November 2007 von der Beklagten landwirtschaftliche Grundstücke unter Inanspruchnahme des in § 3 Abs. 7 AusglLeistG vorgesehenen Preisnachlasses von 35% des Verkehrswerts für 352.418,61 €. Ergänzend bestimmt der Kaufvertrag folgendes:
-
„Nach Ansicht des Käufers ergibt sich für ihn nach den Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV ein Anspruch darauf, die vertragsgegenständlichen Flächen zu einem günstigeren als dem vereinbarten Kaufpreis erwerben zu können. Er behält sich daher vor, gerichtlich die erfolgte Kaufpreisbildung und -höhe einer Prüfung zu unterziehen sowie einen Anspruch auf Anpassung des vereinbarten Kaufpreises geltend zu machen.
-
Die Verkäuferin erklärt, dass sie bei der Kaufpreisbildung, die sie dem Käufer im Einzelnen dargelegt hat, nicht von niedrigeren Werten als den von ihr festgestellten und anhand anderer vergleichbarer Verkäufe in der Region abgeleiteten Vergleichswerten ausgehen durfte. Anderenfalls würde sie bei Vereinbarung eines niedrigeren Kaufpreises eine ggf. europarechtswidrige Beihilfe gewähren, zumindest aber einen höheren Preisnachlass als den durch das AusglLeistG vorgegebenen 35%igen Abschlag vom Verkehrswert.
-
Die Parteien sind sich jedoch darüber einig, dass sie den Vertrag entsprechend einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ggf. anpassen werden. Die Einigkeit besteht jedoch auch darüber, dass der Vertrag mit dem vereinbarten Kaufpreis Bestand haben soll, sofern der Käufer den sich vorbehaltenen Kaufpreisanpassungsanspruch nicht weiterverfolgt oder ggf. durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt wird, dass ihm ein solcher nicht zusteht.“
- 2
-
Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis zu dem vereinbarten Fälligkeitstermin am 29. Februar 2008 an die Beklagte. Mit Schreiben vom 8. September 2011 erhob er Widerspruch gegen die Kaufpreisermittlung. Ein Gutachten vom 27. Dezember 2011 kam zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert für den Kaufgegenstand zum Stichtag 29. November 2007 nur 357.000 € betragen habe. Der Kläger meint, ihm stehe ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter 120.368,61 € zu. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
- 3
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 4
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Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Anspruch jedenfalls für verjährt. Sowohl für den Anspruch auf Anpassung des Kaufpreises als auch für einen aus der Anpassung resultierenden Rückzahlungsanspruch gelte nicht die Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 196 BGB, sondern die regelmäßige Verjährungsfrist. Diese habe mit Vertragsschluss begonnen. Die Anpassungsregelung sei auch nicht als ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB anzusehen mit der Folge, dass erst die rechtskräftige Feststellung der geschuldeten Leistung durch Gerichtsurteil den Lauf der Verjährung auslöse. Denn die Anpassung des Kaufpreises richte sich nach dem tatsächlichen Verkehrswert. Dem Beginn der Verjährung stehe auch nicht die fehlende Kenntnis des Klägers von der Person des Schuldners und den den Anspruch begründenden Umständen entgegen. Der Kläger sei unmittelbar nach Vertragsschluss in der Lage gewesen, seinen möglichen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. An dieser Beurteilung ändere es nichts, wenn als Beginn der Verjährung nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, sondern derjenige der Kaufpreiszahlung zugrunde gelegt werde. Dann beginne die Verjährung zwar nicht schon am 1. Januar 2008, sondern erst am 1. Januar 2009. Die dreijährige Frist habe der Kläger durch seine am 29. Dezember 2011 eingereichte Klage aber dennoch nicht gewahrt, weil er den Kostenvorschuss zu spät habe einzahlen lassen.
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II.
- 5
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Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch ist nicht verjährt.
- 6
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1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch zusteht, wenn sich der Verkehrswert, der der Berechnung des vereinbarten Kaufpreises zugrunde liegt, als überhöht erweist.
- 7
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a) Die Parteien haben in § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags vereinbart, den Kaufvertrag an das Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung des Verkehrswerts anzupassen. Diese Anpassung kann bei dem von dem Kläger erwarteten und für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Ergebnis dieser Prüfung nur in einer Herabsetzung des Kaufpreises und in einem vertraglichen Rückzahlungsanspruch des Klägers bestehen. Denn der Kläger hatte zunächst den vereinbarten - möglicherweise überhöhten - Kaufpreis bei Fälligkeit zu zahlen und konnte eine Reduktion des Kaufpreises erst nach rechtskräftiger Feststellung verlangen, dass der für die Berechnung des Kaufpreises nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG zugrunde gelegte Verkehrswert niedriger als von der Beklagten angenommen ist.
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b) Den Rückzahlungsanspruch kann der Kläger unmittelbar geltend machen. Wer eine Anpassung des Vertrags verlangen kann, muss nicht erst diese durchsetzen. Er kann, unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie erfolgt, auch unmittelbar die Ansprüche geltend machen, die sich aus der Anpassung ergeben (Senat, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056 für § 315 Abs. 3 BGB, vom 30. September 2011- V ZR 17/11, BGHZ 191, 139 Rn. 34 für § 313 Abs. 1 BGB und vom 12. Mai 2006 - V ZR 97/05, NJW 2006, 2843 Rn. 27 für einen Vorvertrag).
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2. Richtig ist ferner, dass dieser Anspruch im Sinne sowohl von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch im Sinne von § 200 BGB nicht erst mit dem Ergebnis der vorbehaltenen gerichtlichen Überprüfung entsteht. Wenn der Verkehrswert von der Beklagten oder von dem Gericht entsprechend § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen oder wie durch einen Schiedsgutachter nach § 317, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Parteien verbindlich festzustellen wäre, entstünde er zwar erst mit dem Abschluss einer gerichtlichen Überprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054, 1056; BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12, WM 2013, 1452 Rn. 33). So ist es bei der Ermittlung des Verkehrswerts und des davon abhängigen Kaufpreises bei Verkäufen nach § 3 AusglLeistG aber nicht.
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a) Ein Leistungsbestimmungsrecht setzt nach § 315 Abs. 1 und 3 BGB voraus, dass einer der Vertragsschließenden die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen soll. Das ist hier nach Ansicht des Klägers die Beklagte, die den von ihm geschuldeten Kaufpreis nach billigem Ermessen zu bestimmen habe. Denkbar wäre auch eine Anpassungsklausel, nach welcher die Bestimmung der Leistung entsprechend den § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil erfolgen soll (Senat, Urteile vom 7. April 1978 - V ZR 141/75, BGHZ 71, 276, 284 und vom 3. Februar 1995 - V ZR 222/93, NJW 1995, 1360). Ein solches Leistungsbestimmungsrecht ist nur anzunehmen, wenn die Leistung nicht schon in dem Vertrag und den in dem Vertrag in Bezug genommenen Vorschriften oder Regelwerken festgelegt ist, sondern letztlich erst durch die Entscheidung der bestimmungsberechtigten Vertragspartei festgelegt wird (Senat, Urteil vom 5. Juli 1991 - V ZR 117/90, NJW-RR 1992, 142 und BGH, Urteil vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93, BGHZ 128, 54, 57 f.; Erman/Hager, BGB, 14. Aufl., § 315 Rn. 7). Dabei wäre es unschädlich, wenn das Ermessen der Vertragspartei gebunden wäre. Es muss nur überhaupt bestehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 19). Bei einer der Schiedsgutachtenabrede ähnlichen Vereinbarung käme es darauf an, dass die von der Partei oder dem Dritten vorzunehmende Feststellung - hier des Verkehrswerts - und die Ausfüllung der damit gegebenenfalls verbundenen Wertungsspielräume einer gerichtlichen Überprüfung entzogen sein sollen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12, WM 2013, 1452 Rn. 28).
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b) Ein Recht der Beklagten, den Kaufpreis in diesem Sinne verbindlich festzulegen oder festzustellen, verneint das Berufungsgericht zu Recht.
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aa) Die Auslegung der maßgeblichen Regelung in § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags der Parteien unterliegt zwar der vollständigen Überprüfung durch den Senat, weil es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321, 323). Die Beklagte verwendet sie in einer Vielzahl von Verträgen (vgl. KG, NL-BzAR 2011, 27, dazu Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120). Die Auslegung des Berufungsgerichts ist aber auch in diesem erweiterten Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden, sondern zutreffend.
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bb) Schon dem Wortlaut der Klausel lässt sich eine Befugnis der Beklagten oder des Gerichts zur verbindlichen Festlegung oder Feststellung des Kaufpreises nach billigem Ermessen entsprechend § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 317, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entnehmen. Denn darin wird dem Kläger eine gerichtliche Überprüfung des Verkehrswerts gerade vorbehalten. Davon sind auch die Oberlandesgerichte ausgegangen, die im Zusammenhang mit der Klausel § 315 Abs. 3 BGB erwähnt haben (KG, NL-BzAR 2011, 27, 29 und OLG Dresden, RdL 2014, 96, 97).
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cc) Die am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch den Vertragszweck bestätigt. Der Kaufvertrag dient der Erfüllung des Erwerbsanspruchs des Klägers nach § 3 Abs. 1 AusglLeistG. Nach dieser Vorschrift kann der Kläger von der Beklagten den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen nicht nur in dem in § 3 Abs. 3 AusglLeistG festgelegten Umfang, sondern auch zu dem in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG festgelegten Preis verlangen. Von diesem Preis dürfte die Beklagte nicht abweichen. Sie darf die Bedingungen, zu denen die Verkäufe nach § 3 AusglLeistG durchgeführt werden, nicht privatautonom, also abweichend von den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen festlegen (Senat, Urteil vom 4. Mai 2007 - V ZR 162/06, ZOV 2007, 30 Rn. 9; vgl. auch Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 158/05, WM 2006, 2101 Rn. 22). Das gilt auch für den Verkaufspreis.
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dd) Aus dem vorgeschriebenen Verfahren bei dem Abschluss von Kaufverträgen nach § 3 AusglLeistG ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nichts anderes. Die Beklagte hat den - in § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG als „Wertansatz“ bezeichneten - Kaufpreis nach § 9 Abs. 1 Satz 2 FlErwV nicht zu bestimmen, sondern nach Maßgabe des (hier einschlägigen) § 5 FlErwV und den in dieser Vorschrift in Bezug genommenen Vorschriften der Wertermittlungsverordnung (dazu: Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120 Rn. 7) zu „ermitteln“. Die Ermittlung des Kaufpreises durch die Beklagte bindet weder den Käufer noch die Privatisierungsstelle selbst. Beide dürfen nach dem hier noch maßgeblichen § 5 Abs. 1 Satz 4 FlErwV in der bis zum 10. Juli 2009 geltenden Fassung die Bestimmung des Verkehrswerts durch ein Verkehrswertgutachten nach § 192 BauGB durch den zuständigen Gutachterausschuss verlangen.
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ee) Ein Bestimmungsrecht lässt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus § 3a AusglLeistG ableiten. Danach gelten Kaufverträge nach § 3 AusglLeistG, die vor dem 28. Januar 1999 abgeschlossen wurden, mit der Maßgabe als bestätigt, dass der Verkäufer bei Verträgen mit anderen als den in § 3 Abs. 2 Satz 3 oder § 3 Abs. 5 Satz 1 bezeichneten Personen den Kaufpreis nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt. Zweck dieser Regelung war es, die durch einen Verstoß des deutschen Gesetzgebers gegen das Beihilfeverbot des Gemeinschaftsrechts nichtig gewordenen Kaufverträge zu heilen. Ein Preisanhebungsrecht des Verkäufers hat der Gesetzgeber vorgesehen, weil die Heilung nur durch Beseitigung des Verstoßes erfolgen konnte (Begründung des Entwurfs eines Vermögensrechtsergänzungsgesetzes in BT-Drucks. 14/1932 S. 16). Dass dazu in die Verträge eine besondere Anhebungsermächtigung eingefügt wurde, zeigt, dass die Beklagte als Privatisierungsstelle ohne eine solche besondere Regelung gerade nicht berechtigt ist, den Verkaufspreis nach billigem Ermessen festzulegen.
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3. Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, der aus einer geschuldeten Anpassung des Kaufvertrags folgende Rückzahlungsanspruch unterliege ebenso wie der Anspruch auf Anpassung selbst der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Der Anspruch verjährt vielmehr nach § 196 BGB in einer Frist von zehn Jahren.
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a) Diese Frist gilt, vorbehaltlich besonderer Regelungen wie § 902 BGB, für jeden Anspruch auf eine Verfügung über ein Recht an einem Grundstück und für jeden Anspruch auf die Gegenleistung für diese Verfügung. Unerheblich ist, auf welchem Rechtsgrund der Anspruch beruht (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f.). Deshalb gilt § 196 BGB nicht nur für die wechselseitigen Primäransprüche aus einem Vertrag, der eine Verfügung über ein Grundstück zum Gegenstand hat (dazu: Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 196 Rn. 6), sondern auch für die Sekundäransprüche und für die wechselseitigen Bereicherungsansprüche bei Nichtigkeit eines solchen Vertrags (Senat, Urteile vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f. und vom 6. Februar 2009 - V ZR 26/08, NVwZ-RR 2009, 412 Rn. 30). Es kommt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob ein nichtiger oder gescheiterter Vertrag vollständig rückabgewickelt wird. Der Anspruch auf die Gegenleistung verjährt auch dann nach § 196 BGB, wenn der Anspruch auf die Rückabwicklung der Verfügung nicht geltend gemacht wird oder gar nicht besteht, etwa weil es nicht zu einer Verfügung gekommen ist (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, aaO Rn. 24). Gegenstand des Anspruchs muss nicht die gesamte Gegenleistung sein. Wenn die Gegenleistung für die Verfügung über das Grundstück mehrere Komponenten hat, genügt es, wenn der Zahlungsanspruch eine davon ist (Senat, Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014, 1000 Rn. 11, 14). Entsprechendes gilt für die Rückabwicklung der Gegenleistung, die sich auf Teile der insgesamt geschuldeten Leistung beschränken kann (Senat, Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, aaO Rn. 27).
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b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt der Rückzahlungsanspruch des Klägers der Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB.
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aa) Das folgt allerdings, anders als der Kläger meint, nicht daraus, dass der Kaufvertrag der Parteien wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 7 Satz 1 AusglLeistG teilnichtig wäre. Ein solcher Verstoß liegt nämlich nicht vor. Er wird durch die Anpassungsregelung in § 2 Nr. 4 des Vertrags gerade vermieden. Diese Regelung stellt sicher, dass der Kläger im Ergebnis nur den gesetzlich vorgeschriebenen Preis von 65% des (tatsächlichen) Verkehrswerts bezahlen muss.
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bb) Der Rückzahlungsanspruch des Klägers unterliegt aber deshalb der Verjährungsfrist des § 196 BGB, weil er auf Rückabwicklung von Teilen der im Vertrag vereinbarten Gegenleistung gerichtet ist. Der Kaufpreis durfte den in § 3 Abs. 7 Satz 1 AuslLeistG bestimmten Betrag nicht überschreiten. Ob der dazu von der Beklagten ermittelte Verkehrswert zutraf, war zwischen den Parteien streitig. Sie mussten deshalb eine Regelung treffen, die sicherstellte, dass im Ergebnis nur der gesetzlich festgelegte Kaufpreis zu zahlen war. Ob sie dazu einen möglicherweise zu niedrigen Kaufpreis verbunden mit einem Nachforderungsrecht der Beklagten vereinbarten oder - wie hier - umgekehrt einen möglicherweise überhöhten Kaufpreis verbunden mit einem Rückforderungsrecht des Klägers, ist für die Anwendbarkeit von § 196 BGB gleichgültig. Gegenstand des Anspruchs ist im einen wie im anderen Fall ein Teil des Kaufpreises, mithin der Gegenleistung für die Verfügung im Sinne von § 196 BGB.
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c) An diesem Ergebnis ändert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nichts, dass der Anspruch der Parteien nach § 313 Abs. 1 BGB auf Anpassung eines Vertrags bei Wegfall der Geschäftsgrundlage der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen soll (in diesem Sinne: Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 3. Aufl., § 313 Rn. 95; MünchKomm-BGB/Finkenauer, 6. Aufl., § 313 Rn. 109; NK-BGB/Krebs, 2. Aufl., § 313 Rn. 97; Soergel/Teichmann, BGB, 13. Aufl., § 313 Rn. 152; BeckOK-UrhG/Ahlberg/Götting, Stand: 1. September 2013, § 32 Rn. 98). Ob dem insbesondere bei Grundstückskaufverträgen zu folgen wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Der Anpassungsanspruch des Klägers nach § 2 Nr. 4 des Kaufvertrags dient nämlich keiner der Anpassung eines Vertrags an den Wegfall der Geschäftsgrundlage vergleichbaren Gestaltungsaufgabe. Er soll lediglich eine Überprüfung des Kaufpreises ermöglichen und zu einer Rückzahlung des überzahlten Kaufpreises führen, wenn der Preisberechnung nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG, § 4 FlErwV ein überhöhter Verkehrswert zugrunde liegt. Ein solcher Anspruch unterliegt nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist. Er ist dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des Käufers bei Nichtigkeit des Vertrags vergleichbar, der nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 25. Januar 2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Rn. 20 f.) gemäß § 196 BGB verjährt.
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III.
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Der Anspruch des Klägers ist danach nicht verjährt. Da Feststellungen zum Verkehrswert fehlen, ist die Sache nicht entscheidungsreif. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nach Maßgabe der Wertermittlungsverordnung (dazu Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 192/10, ZOV 2011, 120 Rn. 7-9) festzustellen haben, ob der Verkehrswert der verkauften Flächen bei Vertragsschluss niedriger war, als bei der Berechnung des vereinbarten Verkaufspreises angenommen.
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Stresemann
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland
RiBGH Dr. Göbel ist infolge
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
Karlsruhe, den 9. Januar 2015Die Vorsitzende
Stresemann
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 8. Februar 2012 - 10 Sa 210/11 - aufgehoben.
-
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15. Dezember 2010 - 38 Ca 3536/10 - abgeändert, soweit es die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt hat. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.
- 2
-
Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten, der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften.
- 3
-
Der Kläger trat am 1. November 2002 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten und war bis zu seinem Ausscheiden Ende Oktober 2009 als Kundenbetreuer beschäftigt.
- 4
-
Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt ein zwischen den Parteien im April 2005 geschlossener Dienstvertrag, in dem es ua. wie folgt heißt:
-
„II.
Vergütung
Sie erhalten ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt, Sonderzahlung und Leistungsbonus zusammensetzt.
…
Leistungsbonus
Sie erhalten darüber hinaus einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr neu für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Leistungsbonus wird derzeit mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt. Er kann zwischen 0 - 200 % des Basiswertes betragen, der zurzeit bei EUR 5.400,00 brutto liegt.
…
V.
…
Betriebsvereinbarungen
Es gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“
- 5
-
In der zuletzt geltenden einschlägigen Betriebsvereinbarung vom 13. Oktober 2005 (BV 2005) ist ua. Folgendes bestimmt:
-
„B. Flexible Vergütung
I. Die zwei Vergütungskomponenten
Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)Bonus (im Folgenden Bonus genannt).
II. Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen
1. Tarifmitarbeiter
…
2. Außertariflich vergütete Mitarbeiter
Das Festgehalt außertariflich vergüteter Mitarbeiter besteht ebenfalls aus zwölf Monatsgehältern und einer Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts. Die Sonderzahlung wird jeweils zusammen mit dem Dezembergehalt ausgezahlt.
Der Basiswert des Bonus wird dem Mitarbeiter jeweils einzelvertraglich zugesagt. Der Anteil am Gesamtjahresgehalt richtet sich insbesondere nach der Funktion und dem Verantwortungsbereich des Mitarbeiters.
Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und Bonus zeitanteilig vergütet. …
C. Mitarbeitergespräch
…
IV. Zielerreichung/Gesamtbewertung
Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.
…
V. Festlegung der individuellen Höhe des Bonus
Die Höhe des individuellen Bonus hängt zum einen von der Höhe des jährlichen Bonustopfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom Gesamtbankerfolg bestimmt.
Darüber hinaus honoriert der Bonus auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen Bonus ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.“
- 6
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Der Kläger erhielt für das Jahr 2005 einen Bonus iHv. 8.000,00 Euro, für das Jahr 2006 iHv. 10.000,00 Euro und für das Jahr 2007 iHv. 20.000,00 Euro.
- 7
-
Der Bonusbasiswert wurde letztmals für das Geschäftsjahr 2008 auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Für dieses Jahr fand am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen“ führte.
- 8
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Die Rechtsvorgängerin der Beklagten geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Im Geschäftsjahr 2008 kam es zu einem Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro; die gesamte H-Gruppe wies einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Der H-Gruppe wurden in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristig Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten unmittelbar in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro.
- 9
-
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte bis einschließlich September 2008 an ausscheidende Mitarbeiter anteilige Boni. Ab 29. September 2008 stellte sie diese Praxis ein. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand der Bank in einem Mitarbeiterbrief im Intranet mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.
- 10
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Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe auch für das Jahr 2008 ein Anspruch auf Bezahlung einer variablen Vergütung zu. Er habe im Jahr 2008 die vereinbarten Ziele weit übertroffen, wie sich aus dem Mitarbeitergesprächsprotokoll vom 22. Januar 2009 ergebe. Bei einem festgesetzten Basiswert iHv. 15.000,00 Euro und angesichts der Übererfüllung der vereinbarten Ziele ergebe sich daraus eine Bewertung von 200 % und damit ein Anspruch iHv. 30.000,00 Euro brutto. Der Anspruch folge aus II des Dienstvertrags von April 2005. Soweit der Dienstvertrag von den Regelungen der Betriebsvereinbarung abweiche, gehe er vor. Die Zurverfügungstellung eines Bonustopfs sei hier nicht erforderlich. Aber auch nach der Betriebsvereinbarung selbst ergebe sich ein Anspruch des Klägers, weil auch diese nicht allein auf den Erfolg der Bank abstelle. Für die Bonuszahlung genüge allein die Erreichung der Ziele. Mit der Festsetzung des Bonus auf „Null“ habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Allein wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation sei auch nicht die Geschäftsgrundlage weggefallen. Schließlich folge ein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem im Jahr 2008 ausscheidende Arbeitnehmer eine Bonuszahlung erhalten hätten.
- 11
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Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2009 zu zahlen.
- 12
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe für das Jahr 2008 keine Bonuszahlung zu. Nachdem sich gezeigt habe, dass ein Überleben ohne massive staatliche Hilfe nicht möglich gewesen sei, sei der Vorstand berechtigt gewesen, im März 2009 zu beschließen, dass es keine Bonuszahlung geben werde. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes führe nicht zu einem Anspruch des Klägers. Wenn im Jahr 2008 ausgeschiedenen Mitarbeitern noch anteilig Bonusansprüche gezahlt worden seien, so liege dies daran, dass seinerzeit die finanzielle Schieflage noch nicht absehbar gewesen sei.
- 13
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Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro brutto für das Jahr 2008 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
- 15
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus II des Dienstvertrags von April 2005 iVm. § 315 Abs. 1 BGB.
- 16
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1. Nach II des Dienstvertrags erhält der Kläger einen Leistungsbonus, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.
- 17
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2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.
- 18
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a) Der Dienstvertrag von April 2005 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 ff. BGB. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
- 19
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b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19).
- 20
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c) Nach II des Dienstvertrags erhält („Sie erhalten …“) der Mitarbeiter einen Leistungsbonus. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des Bonus, die inhaltlich nicht konkretisiert sind und deren Verhältnis zueinander nicht festgeschrieben ist. Die Auffassung, bei Erfüllung eines der drei Kriterien müsse in jedem Fall ein Mindestbetrag gezahlt werden, steht mit den vertraglichen Vorgaben nicht im Einklang. Sie lassen die Festsetzung auf 0 % ausdrücklich zu, ohne dafür besondere Voraussetzungen zu nennen. Der Vertrag setzt demnach voraus, dass die Ausübung „billigen Ermessens“ auch die Bestimmung des Bonus mit dem Wert „Null“ ermöglichen kann. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten hat und die Festlegung des jeweiligen Bonus nach billigem Ermessen erfolgen muss.
- 21
-
d) Die im Vertrag enthaltene Beschreibung der Kriterien für die Bonuszahlung ist allerdings nicht bedeutungslos. Vielmehr setzt sie Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens durch den Arbeitgeber. Die im Vertrag genannten Gesichtspunkte sollen bei der Ausübung des Ermessens jedenfalls erwogen werden. Denn nach II des Dienstvertrags „richtet“ sich der Leistungsbonus nach den Bemessungskriterien. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden. Haben die Vertragsparteien - zB durch eine Zielvereinbarung - die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend vereinbart, so kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien ( BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag der Parteien entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann also nur dann billiges Ermessen wahren, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien ausnahmsweise besonders wichtige Gründe sprechen.
- 23
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a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
- 24
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aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80).
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bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den er gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 BGB).
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b) II des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 BGB.
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aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. BGB fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149).
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bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des Leistungsbonus nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.
- 29
-
c) II des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
- 30
-
aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f.; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
- 31
-
bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines Leistungsbonus nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, Vergütungschancen zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den Leistungsbonus nach billigem Ermessen festzusetzen, und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46).
- 32
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cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht berührt.
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4. Der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Leistungsbonus für das Jahr 2008 ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch des Klägers erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).
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a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B IV 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10).
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c) Diesen Maßgaben wird die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den Leistungsbonus für das Jahr 2008 gerecht.
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aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der BV 2005 gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 BGB können sich aus vertraglichen(vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der BV 2005. Die vorher geltende Betriebsvereinbarung ist durch die BV 2005 abgelöst worden und hat im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; st. Rspr., vgl. BAG 18. September 2012 - 3 AZR 431/10 - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Die BV 2005 begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Leistungsbonus, sie bestimmt vielmehr das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines Leistungsbonus auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach C V Abs. 1 der BV 2005 hängt die Höhe des individuellen Bonus von der Höhe des jährlichen Bonustopfs ab, der vom Gesamtbankerfolg bestimmt wird. Auch nach der BV 2005 können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.
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bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der BV 2005, auch wenn am 22. Januar 2009 ein Mitarbeitergespräch stattfand, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen" führte. Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Die Risiken übertrafen auch bei Weitem die typischerweise mit einer Insolvenz einhergehenden Gefährdungen, weil sie nicht nur Gläubiger der Bank betrafen, sondern das gesamte Bankensystem. Die Rettung von Banken diente nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung der guten Leistungen des Klägers nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Leistungsbonus auf „Null“ festgesetzt hat.
- 39
-
II. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, obwohl an Mitarbeiter, die im Geschäftsjahr 2008 ausgeschieden sind, bis Anfang September anteilige Boni ausgekehrt wurden.
- 40
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1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (st. Rspr., vgl. BAG 13. April 2011 - 10 AZR 88/10 - Rn. 12, BAGE 137, 339; 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 14). Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt aber noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 242/11 - Rn. 79).
- 41
-
2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Zahlungen an ausscheidende Mitarbeiter, die nach B II 2 Abs. 3 der BV 2005 dem Grunde nach auch vorgesehen sind, durch Anweisung der Personalleiterin mit E-Mail vom 29. September 2008 zu dem Zeitpunkt eingestellt worden, in dem die Krise erkennbar wurde. Bei der Entscheidung über einen Anspruch des Klägers und der anderen nicht ausgeschiedenen Mitarbeiter stellte sich die wirtschaftliche Situation grundlegend anders dar; die Besserstellung der ausscheidenden Mitarbeiter beruhte ausschließlich auf der zum Zeitpunkt des Ausscheidens fehlenden Absehbarkeit der späteren desaströsen Lage und damit auf einer anderen Tatsachengrundlage. Eine sachfremde Gruppenbildung liegt danach nicht vor.
- 42
-
3. Unerheblich ist, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Entscheidung über einen Bonus aufgrund der Staatshilfen wieder zahlungsfähig war. An der maßgeblichen wirtschaftlichen Lage der H-Gruppe hat sich dadurch nichts geändert.
- 43
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
-
Mestwerdt
W. Reinfelder
Schmitz-Scholemann
Thiel
Petri
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
Tenor
-
1. Auf die Revision beider Parteien wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. August 2011 - 5 Sa 490/11 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 489.760,00 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und soweit es auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31. März 2011 - 1 Ca 2138/10 - hinsichtlich des weitergehenden Zahlungsantrags abgeändert und die Klage abgewiesen hat.
-
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
-
2. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe der variablen Vergütungsansprüche nach einem „Partnervergütungssystem“ (PVS) für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010, über die damit zusammenhängende Leistungsbewertung des Klägers und über Auskunftsansprüche.
-
Der Kläger ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Arbeitnehmer beschäftigt. Der ursprüngliche Anstellungsvertrag vom 27. September/1. Oktober 1996 enthält ua. folgende Regelungen:
-
„§ 1
Mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 ist Herr S zum Mitglied der Geschäftsleitung (Partner Stufe II) der Niederlassung E ernannt worden.
…
§ 2
Herr S bezieht mit Wirkung vom 1. Januar 1996 ein Jahresgehalt von DM 162.000,-- (in Worten: Deutsche Mark einhundertzweiundsechzigtausend) zahlbar in monatlichen Raten postnumerando.
…
§ 3
Für den Fall eines günstigen Jahresabschlusses der C ist die Zahlung einer jährlichen Abschlussgratifikation vorgesehen. Ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Der Aufsichtsrat der C wird in jedem Jahr auf Vorschlag des Vorstandes darüber beschließen, ob und in welcher Höhe diese Gratifikation gezahlt werden soll.
Die Abschlussgratifikation wird zeitanteilig gekürzt, soweit während des Geschäftsjahres, auf das sich die Abschlussgratifikation bezieht, keine laufenden Bezüge gemäß § 2 gezahlt worden sind (z. B. bei Eintritt und Ausscheiden im Geschäftsjahr, bei einer länger dauernden Krankheit ab der 7. Woche, bei unbezahltem Urlaub etc.).
Ein 13. Gehalt, Vergütung für Überstunden, Stadttagegeld und ähnliche Leistungen werden nicht gezahlt.“
-
Am 17. März/26. Mai 2006 vereinbarten die Parteien folgende Vertragsänderung (VÄ):
-
„Präambel
Mit Änderung des Konsortialvertrages wurde vom Arbeitsausschuss des Country Leadership Teams (CLT) in Abstimmung mit dem Partnerrat beschlossen, das bestehende Partnervergütungssystem zu modifizieren. Die Änderung besteht zum einen im ersatzlosen Entfall der Responsibility Kategorien (RK) für Partner. Zum anderen werden alle Partner einheitlich in einem Verhältnis zum Zieleinkommen von 60 % fix und 40 % variabel vergütet. Die daraus resultierende Änderung des Anstellungsvertrages wird mit Wirkung ab 1. Juli 2006 wie folgt vereinbart:
1.
Entfall der Responsibility Kategorien
Die Einstufung in RK-Gruppen allgemein und damit speziell ihre bisherige vertragliche Zuordnung entfällt mit Wirkung ab dem 1. Juli 2006 ersatzlos.
2.
Festbezüge und variable Vergütung
Die Festbezüge (Gehalt) betragen 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Ein eventuell erworbener Besitzstand bleibt erhalten. Soweit aufgrund eines Besitzstandes die Festbezüge 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens überschreiten, verringert sich entsprechend der Anteil der variablen Bezüge.
Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens.
3.
Partnervergütungssystem
Im Übrigen gilt zum 1. Juli 2006 das beigefügte Partnervergütungssystem.
Soweit nicht durch diese Vereinbarung geändert, gelten die bisher mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen unverändert fort.“
-
In dem PVS vom 1. Juli 2006 heißt es ua.:
-
„Vorbemerkung
…
Im Folgenden wird dargelegt, wie sich die dienstvertragliche Vergütung der Partner/Partnerinnen bestimmt. …
Dem eigentlichen Vergütungssystem vorgelagert sind die Grundsätze für eine angemessene Leistungsbeurteilung, wie sie durch Abschluss und Beurteilung von Zielvereinbarungen erfolgt.
1.
Gesamtbezüge
Die Gesamtbezüge eines Partners/einer Partnerin der P AG bestehen aus den
·
Festbezügen (Gehalt) und den
·
variablen Bezügen (Tantieme).
Die Gesamtbezüge werden bei Vertragsbeginn vereinbart und grundsätzlich jährlich für ein Geschäftsjahr neu festgelegt (Zieleinkommen).
Die Gesamtbezüge orientieren sich an den von dem Partner/der Partnerin in dem jeweiligen Geschäftsjahr wahrgenommenen Aufgaben, an seiner/ihrer Verantwortung, an den in dem Geschäftsjahr erbrachten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin sowie an dem Erfolg des Unternehmens und der Einheit, in der der Partner/die Partnerin tätig ist.
Festbezüge und variable Bezüge
Die Festbezüge betragen 60 % des Zieleinkommens. Die Höhe des Zieleinkommens und damit die Höhe der Festbezüge bemisst sich nach dem Inhalt der Aufgabe und dem damit verbundenen Verantwortungsbereich.
Die variablen Bezüge (Tantieme) betragen 40 % des Zieleinkommens. Durch die Mitteilung der Gesamtvergütung (Zieleinkommen) wird auf Auszahlung der variablen Bezüge weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Anspruch begründet. Vielmehr folgt sowohl aus der Leistungsbezogenheit der variablen Bezüge als auch aus der Anknüpfung an den Erfolg des Unternehmens bzw. der jeweiligen Unternehmenseinheit, dass sie den Charakter einer Tantieme haben und in jedem Jahr neu verdient werden müssen. Insbesondere begründet die Zahlung variabler Bezüge im Vorjahr keinen Anspruch auf Gewährung von variablen Bezügen für das Folgejahr; Besitzstände können nicht erdient werden. Außerdem liegt der Bemessung der Tantieme die Erwartung zu Grunde, dass der Partner/die Partnerin auch im Folgejahr weiter erfolgreich für das Unternehmen tätig ist (Betriebstreue). Dieser Aspekt bleibt im Falle planmäßigen altersbedingten Ausscheidens außer Betracht.
Die Bemessung der variablen Bezüge berücksichtigt die individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr. Außerdem ist die Höhe der variablen Bezüge von dem Erfolg des Unternehmens P AG in der abgelaufenen Periode sowie dem Erfolg der Unternehmenseinheit, zu der der Partner/die Partnerin gehört, abhängig.
2.
Zieleinkommen und Isteinkommen
Ausgangspunkt der Vergütung ist das sog. Zieleinkommen, das sowohl die Festbezüge als auch die variablen Bezüge umfasst und bei Vertragsbeginn sowie zu Beginn des Geschäftsjahrs festgelegt wird. Bei der Bestimmung des variablen Teils (40 % der Gesamtbezüge) wird unterstellt, dass die individuelle Leistung den Erwartungen und der Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit den budgetierten Beträgen entspricht. Das neue Zieleinkommen wird den Partnern/Partnerinnen zu Beginn jedes Geschäftsjahres mitgeteilt.
Nach Ablauf des Geschäftsjahres wird das Isteinkommen festgelegt. Diese nachträgliche Festlegung betrifft den variablen Teil der Bezüge. Grundlage für die endgültige Festlegung der variablen Bezüge sind die mit Hilfe der Zielvereinbarung festgestellten individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ergebnisse des Partnerzielvereinbarungs- und
-beurteilungssystems) sowie der tatsächlich erzielte Erfolg des Unternehmens und der Unternehmenseinheit und die Betriebstreue.Unter Berücksichtigung der individuellen Leistungen und des Unternehmenserfolgs sowie der Betriebstreue kann der variable Teil der Bezüge niedriger, aber auch höher festgesetzt werden als mit dem Betrag, der als Teil des Zieleinkommens vorgesehen war.
Grundlage für die Bemessung der individuellen Partnerperformance sind servicelineübergreifende Beurteilungskriterien, deren Erfüllungsgrad von dem Primary Reporting Partner (von der Primary Reporting Partnerin), ggf. dem Secondary Reporting Partner (der Secondary Reporting Partnerin), dem LoS-Leadershipteam und dem Unternehmens-Leadershipteam beurteilt wird. Hieraus wird die Entscheidung über die Vergütung abgeleitet.
3.
Auszahlung der Bezüge
Die Festbezüge in Höhe von 60 % des Zieleinkommens werden in zwölf gleichen Beträgen monatlich nachschüssig ausgezahlt. Die variablen Bezüge werden nach Ablauf des Geschäftsjahres und Feststellung des Jahresabschlusses sowie Genehmigung durch den Aufsichtsrat der P AG gezahlt.“
- 5
-
Darüber hinaus existiert ein „Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem für Partner/Anwenderhandbuch“ (im Folgenden: Handbuch). Aus diesem ergibt sich ua. eine fünfstufige Beurteilungsskala.
-
Auf Grundlage dieser Regelungen teilte die Beklagte dem Kläger jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres (1. Juli des Jahres bis 30. Juni des Folgejahres) sein Zieleinkommen und die Höhe der Festbezüge mit. Zudem schlossen die Parteien Zielvereinbarungen und bewerteten die Zielerreichung nach Ablauf des Beurteilungszeitraums. Danach teilte die Beklagte dem Kläger jeweils sein Gesamteinkommen und dessen Zusammensetzung mit. Für die Geschäftsjahre nach der Vertragsänderung ergaben sich folgende Werte:
-
Geschäftsjahr
Zieleinkommen
Festbezüge
Gesamteinkommen
Abschlussgratifikation
2006/2007
400.000,00
240.000,00
650.000,00
410.000,00
2007/2008
700.000,00
420.000,00
600.000,00
180.000,00
2008/2009
740.000,00
444.000,00
510.000,00
66.000,00
2009/2010
520.000,00
444.000,00
450.000,00
6.000,00
- 7
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, sein jährliches Zieleinkommen seit dem Geschäftsjahr 2008/2009 auf mindestens 740.000,00 Euro festzusetzen. Da seine Festvergütung von der Beklagten zuletzt zutreffend mit 444.000,00 Euro (= 60 %) angegeben worden sei, müsse die erreichbare variable Vergütung weitere 296.000,00 Euro (= 40 %) betragen. Auf den Freiwilligkeitsvorbehalt in Ziff. 1 PVS könne sich die Beklagte nicht berufen. Bei den dort geregelten Bezügen handele es sich erkennbar um Leistungsentgelt, auf das der Kläger einen Rechtsanspruch besitze. Darüber hinaus verstießen die Vergütungsregelungen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil nicht klar sei, wie sich der variable Teil seiner Vergütung und damit auch das Gesamteinkommen errechne. Die Bewertung und Benotung seiner Leistungen erweise sich als willkürlich und widersprüchlich, zumal es auch unter Berücksichtigung des Handbuchs an objektiv messbaren Kriterien für die Festsetzung des Zieleinkommens einerseits und für die Berechnung des tatsächlich erreichten Gesamteinkommens andererseits fehle.
- 8
-
Die für die Geschäftsjahre 2007/2008 und 2008/2009 vorgegebenen finanziellen Ziele seien zu hoch angesetzt und nicht zu erreichen gewesen. Überdies seien seine Leistungen fehlerhaft beurteilt worden. Für das Geschäftsjahr 2009/2010 müsse die Beurteilung schon als willkürlich bezeichnet werden. Die Beurteilungen und die niedrige Festsetzung des Zieleinkommens stünden im Zusammenhang mit dem Wunsch der Beklagten, sich von ihm zu trennen. Die beanspruchten Auskünfte benötige er zur Prüfung der Frage, ob es bei der Ermittlung der Vergütung zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung gegenüber anderen Partnern gekommen sei.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 620.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.
festzustellen, dass sein Zieleinkommen bei der Beklagten je Geschäftsjahr, beginnend mit dem Geschäftsjahr 2008/2009 mindestens 740.000,00 Euro beträgt,
3.
die Beklagte - im Wege der Stufenklage - zu verurteilen,
3.1
ihm Auskunft zu erteilen
a)
über die Höhe der Zieleinkommen sowie die von der Beklagten zur Ermittlung herangezogenen Kriterien sämtlicher bei ihr als Partner beschäftigter Arbeitnehmer - jeweils getrennt nach Geschäftsjahren - für die Zeiträume vom
1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007,
1. Juli 2007 bis 30. Juni 2008,
1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009,
1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010,
wobei die Auskunft für den jeweiligen Partner insbesondere folgende Angaben enthalten muss:
-
Name des Partners
-
Geburtsdatum des Partners
-
Eintrittsdatum des Partners bei der Beklagten sowie die Bewertungskriterien der daraus resultierenden Betriebstreue nach dem Partnervergütungssystem
-
Aufgabeninhalt, Funktion und jeweiliger Verantwortungsbereich des Partners sowie die Bewertungskriterien der daraus resultierenden Daten nach dem Partnervergütungssystem für den jeweiligen Partner
-
Region, in der der Partner tätig war
-
Höhe des für den jeweiligen Partner festgesetzten Zieleinkommens
-
Kriterien und Ergebnis der individuellen Leistungsbestimmung des jeweiligen Partners
-
Unternehmenseinheit des Partners und deren Erfolg im Sinne des Partnervergütungssystems sowie die insoweit für den jeweiligen Partner zugrunde gelegten Kriterien
-
Unternehmenserfolg im Sinne des Partnervergütungssystems und die insoweit für den jeweiligen Partner zugrunde gelegten Kriterien,
b)
über die tatsächlich gezahlten Bruttovergütungen sowie die von der Beklagten zur Ermittlung herangezogenen Kriterien sämtlicher bei ihr als Partner beschäftigter Arbeitnehmer - jeweils getrennt nach Geschäftsjahren - für die Zeiträume vom
1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007,
1. Juli 2007 bis 30. Juni 2008,
1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009,
1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010,
wobei die Auskunft für den jeweiligen Partner im jeweiligen Zeitraum insbesondere folgende Angaben enthalten muss:
-
Name des Partners
-
Umfang der Zielerreichung gemäß Partnervergütungssystem getrennt nach
-
Unternehmenserfolg
-
Erfolg der Unternehmenseinheit
-
individuelle Leistung gemäß Zielvereinbarung (Ergebnisse des Partnerzielvereinbarungs- und Beurteilungssystems)
-
Betriebstreue,
3.2
an ihn einen nach erteilter Auskunft noch zu beziffernden Betrag zu zahlen.
- 10
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Freiwilligkeitsvorbehalt sei zulässig und rechtswirksam, weil die Zahlung der variablen Vergütung nach dem Partnervergütungssystem keinen Entgeltcharakter im engeren Sinne habe. Die bei ihr praktizierte Vergütungsregelung sei transparent. Die Kriterien zur Berechnung des Ziel- und des Gesamteinkommens stünden fest und der Kläger habe es selbst in der Hand, Einfluss auf die Festsetzung des jährlichen Zieleinkommens zu nehmen. Die Ziele im streitbefangenen Zeitraum hätten sich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientiert. Aus dem PVS iVm. dem Handbuch ergebe sich im Einzelnen, wie die Zielvereinbarungen zu treffen seien, welche Kriterien beurteilt werden dürften, wie das Bewertungsverfahren ablaufe und welche Beurteilungsgrundsätze und Noten in Betracht kämen. Auch die jeweiligen Beurteilungen des Klägers seien nicht zu beanstanden, weil dieser zuletzt teilweise sehr schlechte Leistungen gezeigt habe. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung komme nicht in Betracht, da es bei der Festsetzung der Vergütung an einem abstrakt generalisierenden Prinzip fehle. Überdies stünden berechtigte Interessen der anderen Partner einer Auskunft entgegen; eine solche würde Datenschutzbestimmungen widersprechen.
-
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 1. und zu 2. in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs und eines möglicherweise daraus folgenden Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert, den Zahlungsanspruch des Klägers reduziert und seinen Feststellungsantrag abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge in vollem Umfang weiter. Die Beklagte begehrt weiterhin vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die zulässigen Revisionen beider Parteien sind hinsichtlich der für die Geschäftsjahre 2007/2008, 2008/2009 und 2009/2010 geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers begründet (zu I). Hinsichtlich der begehrten Feststellung über die Höhe seines Zieleinkommens und hinsichtlich der Stufenklage ist die Revision des Klägers dagegen unbegründet (zu II).
- 13
-
I. Ob dem Kläger nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. Ziff. 2 Abs. 2 VÄ und den Regelungen des PVS eine höhere variable Vergütung (Tantieme) für den streitgegenständlichen Zeitraum zusteht, steht noch nicht fest. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte weder die Beklagte zur Zahlung verurteilt noch die Klage teilweise abgewiesen werden. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Revisionen beider Parteien führen daher insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Die vertraglichen Bestimmungen gewähren dem Kläger - neben dem Anspruch auf Festbezüge (Gehalt) in Höhe von 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens - grundsätzlich einen Anspruch auf eine variable Vergütung. Die Höhe der erreichbaren variablen Vergütung bestimmt sich für das jeweilige Geschäftsjahr nach einem nach billigem Ermessen durch die Arbeitgeberin festzusetzenden Zieleinkommen, welches mindestens ein bestimmtes Verhältnis zu den Festbezügen erreichen muss. Die Höhe der tatsächlich auszuzahlenden variablen Bezüge (Tantieme, auch als Abschlussgratifikation bezeichnet) ergibt sich aus einer Festsetzung nach billigem Ermessen unter Beachtung der individuellen Leistung, des Unternehmenserfolgs, des Erfolgs der Unternehmenseinheit und der Betriebstreue. Die Bewertung der individuellen Leistung erfolgt dabei bezogen auf das Erreichen der in einer Zielvereinbarung festgelegten Ziele. Dieses mit der Vertragsänderung im Jahre 2006 vereinbarte Vergütungssystem ist - mit einer Ausnahme - rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Bei den Vertragsbestimmungen vom 17. März/26. Mai 2006 und den Regelungen des PVS handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 ff. BGB. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
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b) Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54).
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Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung der einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt, von denen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht. Der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber muss bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen (st. Rspr., zB BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 20, BAGE 135, 239).
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c) Eine Auslegung nach diesen Grundsätzen ergibt, dass die Parteien eine Vergütung vereinbart haben, welche sich aus einem festen, durch die Arbeitgeberin nur zugunsten des Arbeitnehmers veränderbaren Anteil (Festbezüge/Gehalt) und aus einem variablen Anteil (Tantieme/Abschlussgratifikation), dessen Höhe sowohl hinsichtlich der Erwerbschancen als auch hinsichtlich der tatsächlichen Auszahlung schwanken kann und von der Beklagten jeweils nach billigem Ermessen festzusetzen ist, zusammensetzt.
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aa) Mit der VÄ sollte das Vergütungssystem der Partner/innen, wie sich aus der Präambel ergibt, umgestellt und vereinheitlicht werden. Das System sieht Festbezüge und variable Bezüge vor, deren Ermittlung - abgesehen von der erstmaligen Vereinbarung der Gesamtbezüge bei Vertragsbeginn - durch Festlegung eines Zieleinkommens vor und eines Isteinkommens nach Ablauf des Bezugszeitraums erfolgt (Ziff. 3 VÄ iVm. PVS). Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 VÄ legt dabei den Anteil der Festbezüge auf 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens fest, wobei sich Modifikationen durch die Besitzstandsklausel in Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ergeben. Ziff. 2 Abs. 2 VÄ bestimmt den Anteil der variablen Bezüge auf 40 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens. Die weiteren Einzelheiten des Vergütungssystems ergeben sich aus Ziff. 3 VÄ iVm. PVS. Dort ist ua. bestimmt, dass bei Festlegung des Zieleinkommens hinsichtlich des variablen Teils eine Zielerreichung unterstellt wird.
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(1) Die Vertragsbestimmungen vom 17. März/26. Mai 2006 enthalten keine konkrete Angabe über die Höhe der Gesamtbezüge des Klägers. Diese ergibt sich aber aus der vorgefundenen Vertragslage und der Vergütung zum Inkrafttreten der VÄ. Einer gesonderten Vereinbarung der Gesamtvergütung bedurfte es daher - anders als bei einer Neueinstellung - nicht. Zwischen den Parteien ist diese Frage nicht streitig; für das am 1. Juli 2006 beginnende Geschäftsjahr 2006/2007 betrug das Zieleinkommen nach dem Schreiben der Beklagten vom 17. Juli 2006 400.000,00 Euro und die Festbezüge waren mit 240.000,00 Euro, dh. 60 % hiervon, ausgewiesen. Damit betrug die feste Vergütung des Klägers gemäß Ziff. 2 Abs. 1 VÄ zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Vergütungssystems 240.000,00 Euro.
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(2) Mindestens in dieser Höhe waren die Festbezüge nach Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 VÄ festgeschrieben. Diese Besitzstandsklausel ist - anders als der vergangenheitsbezogene Wortlaut („erworbener Besitzstand“) zunächst glauben lässt - nicht auf den Zeitpunkt der Einführung des PVS beschränkt. Ziff. 2 Abs. 1 Satz 1 VÄ bestimmt nämlich, dass die Festbezüge 60 % der Gesamtbezüge bzw. des Zieleinkommens betragen. Es ist also vor und nach jedem Geschäftsjahr deren Anteil zu bestimmen. Gegebenenfalls tritt eine Erhöhung der Festbezüge ein, die dann den neuen Besitzstand darstellen. Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus. Erhöhungen des Zieleinkommens (zB im Geschäftsjahr 2008/2009) haben zu einer Anpassung der Festbezüge auf 60 % dieses Zieleinkommens und zu einem entsprechend höheren Besitzstand des Klägers im Folgejahr (444.000,00 Euro) geführt.
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(3) Hinsichtlich des variablen Teils der Vergütung fehlt es hingegen an einer solchen dauerhaften Festlegung. Zwar werden nach der Präambel der VÄ alle Partner einheitlich in einem Verhältnis zum Zieleinkommen von 60 % fix und 40 % variabel vergütet. Auch benennt Ziff. 2 Abs. 2 VÄ die Höhe der variablen Bezüge mit 40 %. Der Wert von 40 % bezieht sich aber - ebenso wie bei den Festbezügen - nicht nur auf das Zieleinkommen, sondern auch auf die Gesamtbezüge. Im Fall eines niedrigen Zielerreichungsgrades und damit eines niedrigeren Isteinkommens verschiebt sich damit notwendigerweise das Verhältnis zwischen fixen und variablen Vergütungsbestandteilen, da andernfalls eine - unzulässige und nicht vorgesehene - Absenkung der festen Vergütungsbestandteile die Folge wäre. Deshalb bestimmt Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 VÄ für diesen Fall ausdrücklich, dass sich der Anteil der variablen Bezüge entsprechend vermindert. Gleiches gilt, wenn aufgrund eines Besitzstandes bereits beim Zieleinkommen der Anteil der Festbezüge 60 % übersteigt. Der Anteil an variablen Bezügen verringert sich dann entsprechend. Eine andere Auslegung erscheint auch nach der Zweifelsregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht ernsthaft möglich, würde sie doch den Bezug auf die Gesamtbezüge völlig ausblenden. Auch die Regelungen des PVS tragen dieses Ergebnis. Sowohl Ziff. 1 PVS (Gesamtbezüge) als auch Ziff. 2 PVS (Zieleinkommen und Isteinkommen) legen fest, dass das Zieleinkommen zu Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres neu festgelegt wird. Damit ist erkennbar, dass das Zieleinkommen weder immer die gleiche Höhe haben muss noch dass eine Veränderung nur nach oben erfolgen kann.
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Das gefundene Ergebnis liegt auch nahe. Die beteiligten Verkehrskreise konnten bei Einführung eines teilvariablen Vergütungssystems nicht davon ausgehen, dass nicht nur die Festbezüge, sondern auch das Zieleinkommen unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und den individuellen Leistungen des jeweiligen Arbeitnehmers für alle Zukunft garantiert ist und sich allenfalls steigern kann. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die dynamische Ausgestaltung der Besitzstandsklausel hinsichtlich der Festbezüge.
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(4) Damit ist die Beklagte nach der vertraglichen Regelung berechtigt und verpflichtet, die Höhe des Zieleinkommens für jedes Geschäftsjahr neu zu bestimmen. Dabei ist sie hinsichtlich der Höhe der Festbezüge ebenso wie hinsichtlich des Verhältnisses von Festbezügen und variabler Vergütung durch die Regelungen der VÄ und des PVS gebunden. Dieses Verhältnis beträgt im Grundsatz 60 zu 40, soweit es sich nicht gemäß Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 VÄ verschoben hat. Von diesem Verhältnis kann die Beklagte nicht nach unten abweichen. Im Übrigen überlässt ihr die vertragliche Regelung bei der Festsetzung des Zieleinkommens ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSd. § 315 BGB. Die Leistungsbestimmung hat nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen.
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Damit enthalten die vertraglichen Bestimmungen keinen sog. Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. zu einer solchen Konstellation: BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 16 ff., BAGE 124, 259). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die Beklagte die Entscheidung vorbehalten wollte, die Vergütung auf die Festbezüge zu beschränken oder kein Zieleinkommen festzusetzen. Vielmehr ist sie hierzu nach den obigen Grundsätzen verpflichtet.
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(5) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine bestimmte Höhe des Zieleinkommens nicht aus seiner (stillschweigenden) Zustimmung zum Zieleinkommen des Vorjahres und einer daraus jeweils folgenden Vertragsänderung nach § 151 BGB. Es fehlt schon an einem Angebot der Beklagten zur Vertragsänderung. Ihre jeweiligen Schreiben, mit denen dem Kläger sein Zieleinkommen mitgeteilt wurde, beziehen sich ausdrücklich auf ein bestimmtes Geschäftsjahr und lassen im Übrigen erkennen, dass die Beklagte - in Übereinstimmung mit den vertraglichen Regelungen - hinsichtlich des variablen Teils der Vergütung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für sich in Anspruch nimmt.
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bb) Das Isteinkommen wird gemäß Ziff. 2 Abs. 2 PVS nach Ablauf des Geschäftsjahres festgelegt. Dabei betrifft die nachträgliche Festlegung nur den variablen Teil der Bezüge. Über diesen hat die Beklagte wiederum unter Berücksichtigung der vertraglichen Vorgaben nach billigem Ermessen iSd. § 315 BGB zu entscheiden.
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Ziff. 2 Abs. 2 Satz 3 PVS bestimmt vier Faktoren, die bei der Festlegung der variablen Bezüge zu berücksichtigen sind, nämlich die Betriebstreue, den Erfolg des Unternehmens, den Erfolg der Unternehmenseinheit sowie die individuellen Leistungen des Partners/der Partnerin. Letztere bestimmen sich aus den Ergebnissen des Partnerzielvereinbarungs- und -beurteilungssystems (Ziff. 2 Abs. 4 PVS). Allerdings sind weder das Verhältnis der verschiedenen Faktoren zueinander noch die Höhe des zu verteilenden Gesamtbetrags festgelegt. Demnach kann die Höhe der variablen Bezüge von der Festsetzung im Rahmen des Zieleinkommens abweichen (vgl. Ziff. 2 Abs. 3 PVS). Damit verbleibt der Beklagten auch insoweit in bestimmtem Umfang ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Dieses ist mangels abweichender Anhaltspunkte ebenfalls nach billigem Ermessen auszuüben.
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d) Entgegen der Auffassung des Klägers hält das PVS mit dem oben beschriebenen Inhalt einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB im Wesentlichen stand.
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aa) Die Regelungen der VÄ und des PVS verstoßen nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 47; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40).
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(2) Eine derartige Gefahr ist hier nicht erkennbar. Der mögliche Anspruch des Klägers ist durch die Bestimmungen der VÄ iVm. dem PVS und der jeweiligen Zielvereinbarung ausreichend beschrieben. Für den Kläger als Wirtschaftsprüfer und leitenden Mitarbeiter der Beklagten war erkennbar, dass die Beklagte nach billigem Ermessen über das Zieleinkommen und die tatsächliche Höhe der variablen Bezüge zu entscheiden hat und an welche Faktoren sie hierbei gebunden ist. Soweit die Beklagte sich danach noch einen Beurteilungsspielraum, insbesondere zum Verhältnis der verschiedenen Faktoren und zur Beurteilung der Leistungen des Klägers vorbehalten hat, ist dieser im Hinblick auf die auf Dauer angelegte Regelung und sich stetig ändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht unangemessen weit.
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bb) Die vertraglichen Regelungen enthalten keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB.
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(1) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Sinne des § 315 ff. BGB fallen jedoch nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149; Dammann in Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht 5. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 16; Staudinger/Coester-Waltjen (2006) § 308 Nr. 4 Rn. 5).
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(2) So verhält es sich hier. Der vertragliche Anspruch des Klägers ist sowohl hinsichtlich des Zieleinkommens als auch hinsichtlich des variablen Anteils des Isteinkommens auf Entscheidungen nach billigem Ermessen unter Beachtung bestimmter vertraglicher Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Abweichung von einer bereits versprochenen Leistung behält sich die Beklagte mit dieser Vertragsgestaltung nicht vor. Vielmehr ist sichergestellt, dass die dem Kläger zugesagten Festbezüge unverändert zur Auszahlung kommen und sich diese allenfalls zugunsten des Klägers erhöhen können. Die variablen Bezüge sind demgegenüber nur in einem bestimmten, aber an sich verändernde Ausgangslagen angepassten Verhältnis festgeschrieben. An dieses Verhältnis ist die Beklagte auch bei ihrer Ermessensausübung gebunden.
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cc) Weder die Regelungen in Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 2 Abs. 1 PVS, wonach das Zieleinkommen jährlich neu festgelegt wird, noch das Recht der Beklagten, die tatsächliche Höhe des variablen Teils der Bezüge nach vorgegebenen Faktoren nach billigem Ermessen festzulegen, benachteiligen den Kläger unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
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(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f., AP BGB § 307 Nr. 26; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist(st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54).
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(2) Wie bereits dargelegt, enthält die vertragliche Regelung keinen Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. dazu BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 16 ff., BAGE 124, 259). Die Beklagte hat sich nicht das Recht vorbehalten, dem Kläger den Anspruch auf variable Bezüge und damit die entsprechende Vergütungschance zu entziehen. Zwar ist es denkbar, dass sich in Ausnahmefällen das Verhältnis zwischen Festbezügen und variablen Bezügen stark zugunsten der Festbezüge verschiebt. Dies kann der Fall sein, wenn der variable Teil des Isteinkommens aufgrund einer schlechten individuellen Leistung und/oder einer schlechten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und/oder des Unternehmensteils niedrig festgesetzt wird und auf einen hohen Besitzstand hinsichtlich der Festbezüge trifft. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber vertraglich verpflichtet, ein Zieleinkommen nach billigem Ermessen festzusetzen. Billiges Ermessen wird nur dann gewahrt sein, wenn eine im Verhältnis zum Festgehalt angemessene Chance auf Erzielung einer variablen Vergütung erhalten bleibt. Ob dies der Fall ist, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28).
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(3) Die Regelung weicht mit dem so ermittelten Inhalt auch nicht vom Gesetz ab. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine Abweichung von § 611 BGB vor, da hinsichtlich der variablen Vergütung keine bestimmte Leistung zugesagt wurde, deren späteren Entzug sich die Beklagte vorbehalten hätte. Weder die Höhe der Festvergütung noch der Anteil der variablen Vergütung lassen die Annahme zu, dass sich der Arbeitgeber faktisch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich seiner Gegenleistung vorbehalte und damit das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer übertrage (vgl. dazu zB Preis/Preis/Lindemann Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II Z 5 Rn. 15; eine solche Einschränkung ablehnend zB Annuß NZA 2007, 290, 291). Die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte sieht das Gesetz vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass diese einem berechtigten Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestimmungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber damit Vorkehrungen getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass sie für ein Partnervergütungssystem der vorliegenden Art nicht ausreichend wären, sind nicht erkennbar.
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(4) Die Regelung verstößt auch nicht gegen ungeschriebene Rechtsgrundsätze. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass der Arbeitgeber einerseits die verhaltenssteuernde Wirkung eines vertraglichen Versprechens für die Zukunft in Anspruch nimmt, andererseits die Entscheidung über den Eintritt der Bedingung allein vom eigenen Willen abhängig macht. Die Beklagte ist sowohl an die Vorgaben der vertraglichen Regelungen gebunden als auch - hinsichtlich der Bestimmung der individuellen Leistung - an die getroffene Zielvereinbarung. Insbesondere kann sie nicht nachträglich das verabredete Leistungsprogramm verändern.
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(5) Eine unangemessene Benachteiligung liegt allerdings vor, soweit die Beklagte nach Ziff. 1 Abs. 5 PVS die Bemessung der variablen Vergütung davon abhängig macht, dass der Partner/die Partnerin auch im Folgejahr weiter für das Unternehmen tätig ist, und diesen Aspekt nur im Falle planmäßigen altersbedingten Ausscheidens außer Betracht lassen will. Eine solche Regelung, die die Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung oder jedenfalls deren Höhe an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums - hier des jeweiligen Geschäftsjahres - bindet, ist unwirksam und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Die Klausel steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, weil sie die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert(vgl. für gewinn- und leistungsabhängige Bonuszahlungen: BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 25 ff., BAGE 124, 259). Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können, ist nicht ersichtlich (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31).
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Die Unwirksamkeit dieser Klausel führt nicht zur Unwirksamkeit der sonstigen Vergütungsregelungen. Vielmehr handelt es um eine teilbare Klausel. Der unzulässige Teil ist sprachlich eindeutig abtrennbar und die verbleibende Regelung weiterhin sinnvoll und verständlich. Der unzulässige Teil ist daher zu streichen (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, AP BGB § 307 Nr. 56 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 54). Es ist ohne Weiteres möglich, bei der Ausübung billigen Ermessens diesen Aspekt außer Betracht zu lassen. Im Übrigen hat der Kläger die verlangte Betriebstreue im Streitzeitraum und im jeweiligen Folgejahr erbracht, sodass sich die Klausel nicht auf die Höhe seines Anspruchs ausgewirkt hat.
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2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für die streitgegenständlichen Geschäftsjahre Folgendes:
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a) Für das Geschäftsjahr 2007/2008 steht noch nicht fest, ob ein Anspruch auf eine höhere variable Vergütung besteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann ein solcher nicht bejaht werden. Die Festsetzung des Zieleinkommens und die Höhe der Festbezüge stehen zwischen den Parteien für diesen Zeitraum nicht im Streit. Ob die Festsetzung der variablen Vergütung billigem Ermessen entspricht, kann aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht beurteilt werden.
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aa) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26 mwN, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31 mwN, BAGE 135, 239). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, trägt der Bestimmungsberechtigte (BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - aaO; 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, BAGE 135, 128; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28, NZA 2012, 1154; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
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bb) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 12. Okto-ber 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46, AP BGB § 315 Nr. 92 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 28). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Welche Folgen hieraus für die Reichweite der Überprüfung durch das Revisionsgericht zu ziehen sind, kann dahinstehen (vgl. dazu BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 92 mwN, BAGE 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.
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cc) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es fehle an einem nachvollziehbaren System, wie die Faktoren zueinander in Beziehung zu setzen seien. Ein derartiges System ist - wie ausgeführt - nicht erforderlich. Darüber hinaus nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, woraus sich die Wertung „teilweise nicht erfüllt“ (= einfaches Minus) im Rahmen des Beurteilungssystems ergebe. Dabei hat es wesentlichen Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt. Aus dem Handbuch ergibt sich, dass die Bewertung nach einer fünfstufigen Beurteilungsskala erfolgt (dort Seite 15). Darüber hinaus ist festgelegt, dass es sowohl dem Beurteilten, der eine Selbsteinschätzung abzugeben hat, als auch dem Beurteiler (Reviewing Partner) obliegt, wie die einzelnen Kriterien bei der abschließenden Gesamtbeurteilung untereinander zu gewichten sind (dort Seite 22, 23). In der Bewertung der Zielerreichung für das Geschäftsjahr 2007/2008 haben sowohl der Kläger als auch der Reviewing Partner 1 unter Hinweis auf das Nichterreichen der wirtschaftlichen Ziele übereinstimmend die Einschätzung „Erwartungen/Ziel teilweise erfüllt“ abgegeben. Nach der Bewertungsskala ergibt dies ein einfaches Minus. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne entgegenstehende Anhaltspunkte annehmen, alle Beurteilungskriterien seien gleich zu gewichten, und mit dieser Begründung von einer Gesamtbewertung „gut“ (Erwartungen/Ziel erfüllt) ausgehen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die übereinstimmende Einschätzung des Klägers und seines Vorgesetzten zugrunde zu legen ist.
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Im Rahmen der Beurteilung der Grenzen billigen Ermessens wird das Landesarbeitsgericht allerdings die Behauptung des Klägers zu berücksichtigen haben, die Erreichung der wirtschaftlichen Ziele sei von vornherein unmöglich gewesen. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein - wofür nach dem Vortrag der Parteien bisher wenig spricht - müsste dies Beachtung finden. Billiges Ermessen ist nämlich nur dann gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind. Hierzu könnte beispielsweise eine deutliche Fehleinschätzung des Vorgesetzten im Rahmen des Zielvereinbarungsprozesses gehören. Allerdings hat der Kläger im Kommentarfeld, das für Konflikte im Zielvereinbarungsprozess vorgesehen ist (Handbuch Seite 20), keine Angaben gemacht. Auch dies kann nicht unbeachtet bleiben.
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Darüber hinaus wird das Landesarbeitsgericht zu überprüfen haben, ob die Beklagte hinsichtlich der Wertung der weiteren Faktoren (Unternehmensergebnis/Ergebnis der Unternehmenseinheit) und ihres Verhältnisses zur Bewertung der individuellen Leistung billiges Ermessens gewahrt hat. Dafür wird die Beklagte über ihren bisherigen Vortrag hinaus darlegen müssen, von welchem Unternehmensergebnis/Ergebnis der Unternehmenseinheit sie ausging, in welchem Verhältnis die drei Faktoren zueinander stehen und was dies für die Höhe und Verteilung der Tantieme auf die am PVS beteiligten Partner/innen bedeutet. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, auf den Vortrag der Beklagten zur Bandbreitenregelung (Schriftsatz vom 8. August 2011, Seite 10 ff.), näher einzugehen. Dabei trifft die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts zu, dass sich ein von der Beklagten aufgrund bestimmter Umstände vorgenommenes Abschlagsverfahren ausschließlich auf den variablen Anteil der Vergütung, nicht aber auf das Zieleinkommen beziehen kann. Nur der variable Teil der Vergütung ist vom Kläger durch seine Leistung beeinflussbar und von den im PVS genannten Faktoren abhängig. Eine andere Handhabung würde im Übrigen dem Charakter der Festvergütung nach Ziff. 2 Abs. 1 VÄ iVm. § 611 Abs. 1 BGB widersprechen.
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Sollte das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung dieser Faktoren zu dem Ergebnis kommen, dass die Beklagte billiges Ermessen nicht gewahrt hat, so hat es gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Leistungsbestimmung durch Urteil vorzunehmen.
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b) Gleiches gilt für das Geschäftsjahr 2008/2009. Auch insoweit steht die Höhe des Zieleinkommens und der Festbezüge zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Höhe der Tantieme steht noch nicht fest.
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aa) Hinsichtlich der Bewertung der individuellen Leistung des Klägers ist zu prüfen, ob die Gesamtbeurteilung zutrifft. Dabei ist die Beklagte - da die Frage im Raum steht, ob sie billiges Ermessen gewahrt hat - für die Richtigkeit der Beurteilung als Teil der Leistungsbestimmung darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 77 Rn. 24; für diese Konstellation ebenso: Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück NZA 2005, 785, 791; ebenso bei einseitiger Zielfeststellung durch den Arbeitgeber, „insbesondere bei weichen Zielen“: Otto/Walk BB 2010, 373, 376 f.; bei Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers: Heiden Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht Diss. 2006, S. 317). Es gilt ein abgestuftes System der Darlegungslast. Maßgeblich sind zunächst die Beurteilungen in der Zielvereinbarung. Erst wenn der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen bestreitet, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese unter Vortrag von Tatsachen substanziiert zu begründen. Bestreitet der Arbeitnehmer solchen Vortrag substanziiert auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, so hat der Arbeitgeber die Richtigkeit der Beurteilung zu beweisen. Dabei werden die Anforderungen an ein substanziiertes Bestreiten steigen, wenn die arbeitgeberseitige Beurteilung einer vom Arbeitnehmer abgegebenen Selbsteinschätzung entspricht. Darüber hinaus kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass dem Beurteiler notwendigerweise ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. für dienstliche Beurteilungen: BAG 18. August 2009 - 9 AZR 617/08 - Rn. 33, BAGE 131, 367). Deshalb ist bei der Beurteilung der Zielerreichung innerhalb von Zielvereinbarungen zu unterscheiden. Geht es um die Erreichung sog. harter (quantitativer) Ziele wie zB Umsatz- oder Kundenzahlen, die Durchführung bestimmter Veranstaltungen etc., so ist konkreter Vortrag möglich und erforderlich. Geht es hingegen um das Erreichen sog. weicher (qualitativer) Ziele, wie zB das Führungsverhalten, muss der Arbeitgeber seine Wertungen auf entsprechendes Bestreiten (nur) soweit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Soweit solche Wertungen auf bestimmte Einzelvorkommnisse oder Bewertungen anderer Mitarbeiter (Upward-Feedback) gestützt werden, sind diese konkret zu benennen. Reine Werturteile bedürfen zwar keines näheren Vortrags, reichen aber für sich genommen nicht aus, um eine negative Bewertung zu stützen.
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Wie die Darlegungs- und Beweislast für die Zielerreichung in den Fällen verteilt ist, in denen in der Zielvereinbarung abschließend alle Faktoren und deren finanzielle Auswirkungen bestimmt sind, ohne dass dem Arbeitgeber noch ein Ermessensspielraum iSv. § 315 BGB verbleibt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. dazu zB Preis/Preis/Lindemann Der Arbeitsvertrag II Z 5 Rn. 32 - 34; Annuß NZA 2007, 290, 294; Behrens/Rinsdorf NZA 2003, 364; Deich Arbeitsvertragliche Gestaltung von Zielvereinbarungen S. 85 f.; Heiden Entgeltrelevante Zielvereinbarungen aus arbeitsrechtlicher Sicht Diss. 2006, S. 299 ff.; Mohnke Zielvereinbarungen im Arbeitsverhältnis Diss. 2006, S. 295 ff.; Friedrich Arbeitsrechtliche Fragen der Zielvereinbarung Diss. 2008, S. 195 ff.; vgl. zum Entlastungsbeweis für den Fall der unterbliebenen Zielvereinbarung: BAG 10. Dezember 2008 - 10 AZR 889/07 - Rn. 14 ff., AP BGB § 280 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 23).
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bb) Im Übrigen gelten auch beim Geschäftsjahr 2008/2009 die Anforderungen an die Darlegung der Beklagten zur wirtschaftlichen Lage und zum Verhältnis der verschiedenen Faktoren. Da substanzieller Vortrag hierzu bisher fehlt, kann auch die teilweise Klageabweisung durch das Landesarbeitsgericht keinen Bestand haben.
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c) Hinsichtlich des Geschäftsjahres 2009/2010 ist die Festsetzung sowohl des Zieleinkommens als auch des Isteinkommens streitig.
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aa) Ob das festgesetzte Zieleinkommen billigem Ermessen entsprach, steht noch nicht fest. Die Beklagte hat dieses auf 520.000,00 Euro und damit deutlich niedriger als im Vorjahr festgesetzt. Eine solche Festsetzung ist dann nicht ausgeschlossen, wenn die Gesamtbezüge des Klägers im Geschäftsjahr 2008/2009 tatsächlich entsprechend dem Schreiben vom 25. September 2009 (nur) 510.000,00 Euro betragen haben. In diesem Fall hätte sich das Verhältnis zwischen Festbezügen und variabler Vergütung auf 87 % zu 13 % verschoben. Damit hätte die Beklagte ein Zieleinkommen bestimmt, das sich an diesem geänderten Verhältnis orientiert. Allerdings wird die Beklagte auch dann noch darlegen müssen, inwieweit dieses Zieleinkommen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände (wie zB des Budgets und dessen Verteilung auf die verschiedenen Partner) billigem Ermessen entspricht. Sollte sich hinsichtlich der Gesamtbezüge des Geschäftsjahres 2008/2009 (vgl. oben zu b) jedoch ein höherer Anspruch des Klägers ergeben, wird das Landesarbeitsgericht das sich dann ergebende Verhältnis zwischen fester und variabler Vergütung zugrunde zu legen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Zieleinkommen zu bestimmen haben.
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bb) Wegen des Streits über die Zielerreichung und wegen der Bewertung der verschiedenen Faktoren zueinander ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Dabei wird der Vortrag des Klägers zu berücksichtigen sein, dass ihm die Kostenstellenverantwortung entzogen wurde, und es wird festzustellen sein, inwieweit dies Auswirkungen auf die Möglichkeiten seiner Zielerreichung hatte.
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d) Ein möglicher Zinsanspruch bestünde gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB bis zur Höhe eines Betrages von 330.000,00 Euro brutto bereits ab 29. Juli 2010, da die Klageschrift am 28. Juli 2010 zugestellt wurde. Lediglich hinsichtlich des übersteigenden Betrages bestünde ein Zinsanspruch erst ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 30. Oktober 2010.
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II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Zieleinkommens von mindestens 740.000,00 Euro ab dem Geschäftsjahr 2008/2009 hat. Auf die Ausführungen zu I 1 wird verwiesen.
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2. Ebenso wenig ist die Annahme der Vorinstanzen zu beanstanden, dass nach dem Vortrag des Klägers weder der geltend gemachte Auskunftsanspruch noch ein Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehen. Deshalb konnte über die Stufenklage einheitlich entschieden und die Klage insoweit insgesamt abgewiesen werden (BAG 28. Juni 2011 - 3 AZR 385/09 - Rn. 16, AP BetrAVG § 9 Nr. 24 = EzA BetrAVG § 9 Nr. 9).
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a) Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht im Arbeitsverhältnis nicht. Auch die Zivilprozessordnung kennt keine - über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substanziierten Bestreiten hinausgehende - Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindern den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht die Regelung der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen. Gewohnheitsrechtlich ist aber anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Denn der Ausgleich gestörter Vertragsparität gehört zu den Hauptaufgaben des Zivilrechts. Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus. Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme; dies ist nunmehr ausdrücklich in § 241 Abs. 2 BGB normiert. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, zB weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden. Grundlage ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (grundlegend dazu: BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 113, 55).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet ein Auskunfts- und Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus. Der Kläger benennt keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einen Auskunftsanspruch begründen könnten. Er begehrt umfassend Auskunft über die individuelle Vergütungssituation der anderen Partner/innen, ohne dass er die Erforderlichkeit solcher Auskünfte dargelegt hat. Soweit er sich auf abstrakte Regelungen bei der Festlegung der Vergütungshöhe bezieht, könnte deren Existenz allenfalls einen hierauf gerichteten Auskunftsanspruch begründen. Soweit der Kläger der Sache nach wissen möchte, wie die Festsetzung seines Zieleinkommens und seiner Gesamtbezüge zustande kommt und welche Faktoren dabei in welcher Gewichtung Berücksichtigung finden, ist dafür weder die begehrte Auskunft erforderlich, noch erreicht er mit dieser das angestrebte Ziel. Vielmehr wird die Beklagte im Rahmen ihrer Darlegungslast nach § 315 BGB zu erläutern haben, wie sich die Höhe von Zieleinkommen und variabler Vergütung ergibt; dem insoweit berechtigten Anliegen des Klägers wird damit an anderer Stelle Rechnung getragen.
-
Mikosch
Schmitz-Scholemann
W. Reinfelder
W. Guthier
A. Effenberger
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine rechtlich selbständige kirchliche Einrichtung in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts, hat die Aufgabe, Beschäftigten des kirchlichen und kirchlich-caritativen Dienstes in den Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung nach den für Angestellte im öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen zu gewähren. Gemäß § 11 Abs. 2 ihrer Satzung (KZVKS) ist Voraussetzung für den Erwerb einer Beteiligung, dass der Arbeitgeber das für die Mitglieder der in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände zusammengeschlossenen Arbeitgeberverbände geltende Versorgungstarifrecht oder in Bezug auf die Leistungen ein Tarifrecht wesentlich gleichen Inhalts tarifvertraglich oder allgemein einzelvertraglich anwendet. Das Beteiligungsverhältnis ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KZVKS ein privatrechtliches Versi- cherungsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Klägerin. Die Beklagte hat in ihrer Beteiligungsvereinbarung das jeweils geltende Satzungsrecht der Kasse als verbindlich anerkannt und ausdrücklich erklärt, ein Versorgungsrecht entsprechend der Kassensatzung anzuwenden.
- 2
- Mit Neufassung ihrer Satzung vom 24. Juni 2002 (veröffentlicht im Amtsblatt des Erzbistums K. 2002, S. 214 ff.) stellte die Klägerin ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag ) um. Zuvor hatten die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften im Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) vom 1. März 2002 einen entsprechenden Systemwechsel vereinbart. Dabei regelt § 17 Abs. 1 Satz1 ATV-K, dass die Zusatzversorgungskassen zur Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels zum Punktemodell zusätzlichen Finanzbedarfs, der über die am 1. November 2001 jeweils geltende Umlage hinausgeht, vom Arbeitgeber Sanierungsgelder erheben. Die Höhe des Sanierungsgeldes ist für die Klägerin tarifvertraglich nicht festgelegt. Anlage 5 des ATV-K enthält den Tarifvertrag Altersvorsorgeplan 2001 (AVP 2001). Nach dessen Ziff. 2.2. Abs. 3 Satz 2 werden von den Überschüssen der Kasse nach Abzug der Verwaltungskosten vorrangig die sozialen Komponenten und die Bonuspunkte finanziert.
- 3
- Ziff. 4.1 AVP 2001 bestimmt: "Jede Kasse regelt ihre Finanzierung selbst. Zusätzlicher Finanzbedarf über die tatsächliche Umlage des Jahres 2001 hinaus (Stichtag 1.11.2001) - mindestens jedoch als Umlagesatz von 4 v.H. - wird durch steuerfreie, pauschale Sanierungsgelder gedeckt. …"
- 4
- In der KZVKS finden sich unter anderem folgende Finanzierungsregelungen : § 53 Kassenvermögen (1) … 3Innerhalb des Kassenvermögens werden drei ge- trennte Abrechnungsverbände geführt, und zwar
a) für Anwartschaften und Ansprüche, die auf nach dem 31. Dezember 2001 entrichteten Pflichtbeiträgen beruhen (Abrechnungsverband P),
b) für Anwartschaften und Ansprüche, die auf nach dem 31. Dezember 2001 entrichteten freiwilligen Beiträgen beruhen (Abrechnungsverband F) und
c) für alle übrigen Anwartschaften und Ansprüche (Abrechnungsverband S). ... (3) 1Für jedes Geschäftsjahr erstellt die Kasse nach den Grundsätzen des kaufmännischen Rechnungswesens einen Wirtschaftsplan … sowie einen Rechnungsabschluss. 2Bestandteil des Rechnungsabschlusses ist eine gesonderte Bilanz, die vom Verantwortlichen Aktuar zu testieren ist. … § 54 Deckungsrückstellung 1In der gesonderten Bilanz ist eine Deckungsrückstellung in Höhe des versicherungsmathematischen Barwerts aller am Bilanzstichtag dem Grunde und der Höhe nach bestehenden Anwartschaften und Ansprüche von Pflichtversicherten … sowie beitragsfrei Versicherten mit erfüllter Wartezeit einzustellen. … § 55 Deckung von Fehlbeträgen und Überschussverwendung … (3) 1Weist die gesonderte Bilanz einen Fehlbetrag aus, können zu seiner Deckung die Verlustrücklage und die Rückstellung für Überschussbeteiligung herangezogen werden. …3Solange die Verlustrücklage einen für den Abrechnungsverband S festgestellten Fehlbetrag der Höhe nach unterschreitet, kann der Verwaltungsrat der Kasse auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars zur Deckung des Fehlbetrages die Erhebung eines Sanierungsgeldes festle- gen. … § 63 Sanierungsgeld (1) Der Beteiligte ist Schuldner eines pauschalen Sanierungsgeldes. (2) Das insgesamt von allen Beteiligten zu entrichtende Sanierungsgeld beläuft sich je Kalenderjahr auf den vom Verwaltungsrat auf Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars festgesetzten Vomhundertsatz der Summe der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte der jeweiligen Pflichtversicherten des Abrechnungsverbandes S, … … (5) 1Das Sanierungsgeld wird von der Kasse nach Abschluss der Jahresabrechnung für das vorangegangene Ka- lenderjahr erhoben. …
- 5
- Der Verwaltungsrat der Klägerin setzte durch Beschluss vom 16. April 2002 die Höhe des zu erhebenden Sanierungsgeldes ab dem 1. Januar 2002 auf 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts fest.
- 6
- Im Leistungsrecht regelt § 35 Abs. 1 bis Abs. 4 KZVKS soziale Komponenten. Dazu gehören unter anderem Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten , Kindererziehungszeiten und eine Übergangsregelung für die Versicherten mit einer Mindestpflichtversicherungszeit von 20 Jahren.
- 7
- Die Klägerin erhebt zudem einen so genannten Beitragszuschuss Ost. Dabei stützt sie sich auf § 64 KZVKS, wonach sie "nach Maßgabe gesonderter Durchführungsvorschriften von Dritten und Beteiligten Zuschüsse entgegennehmen" kann. Der Beitragszuschuss Ost dient der Finanzierung der weiteren sozialen Komponente gemäß § 35 Abs. 5 KZVKS, demzufolge in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet unabhängig vom tatsächlichen Beitrag Versorgungspunkte auf Basis des Beitragssatzes hinzugerechnet werden, der auch im übrigen Bundesgebiet erhoben wird. Zu § 64 KZVKS wurde eine gesonderte Durchführungsvorschrift erlassen (veröffentlicht im Amtsblatt des Erzbistums K. 2002, S. 233). Auszugsweise heißt es dort: "1. Die nach § 35 Abs. 5 hinzugerechneten Versorgungspunkte werden zu einem Drittel aus den Überschüssen des Abrechnungsverbandes P und zu einem weiteren Drittel durch einen Zuschuss der zum 31. Dezember 2001 vorhandenen Beteiligten aus dem Tarifgebiet West und schließlich zu einem weiteren Drittel durch einen Zuschuss des Verbandes der Diözesen Deutschlands finanziert. … 3. Basis für die Belastung des jeweiligen Dienstgebers ist sein gesamtes zusatzversorgungspflichtiges Entgelt des Jahres 2001. ..."
- 8
- Bei der Beklagten sind Arbeitnehmer des kirchlich-caritativen Dienstes beschäftigt. Sie ist Beteiligte der Klägerin. In ihrer Beteiligungsvereinbarung hat sie das jeweils gültige Satzungsrecht der Kasse als verbindlich anerkannt. Von der Klägerin geforderte Zahlungen für das Sanierungsgeld und den Beitragszuschuss Ost hat sie nicht geleistet; diese summieren sich für die Jahre 2002 bis 2005 auf rund 935.000 €.
- 9
- Die Klägerin hält § 63 KZVKS für wirksam. Sie habe das Sanierungsgeld zu Recht erhoben. Anlässlich der Systemumstellung habe sich eine Deckungslücke von 446.840.912,26 € ergeben, die aus den in das neue Betriebsrentensystem zu überführenden Besitzständen resultiere. Diese Deckungslücke sei gemäß dem Vorschlag des Verantwortlichen Aktuars durch Erhebung eines Sanierungsgeldes in Höhe von 0,75% des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts zu schließen. Der Beitragszuschuss Ost sei auf Grundlage des § 64 KZVKS rechtmäßig erhoben worden. Unter Zuwendungen seien im Sinne von § 4c Abs. 1 EStG Zuwendungen zur Abdeckung von Fehlbeträgen der Kasse zu verstehen. Der Beitragszuschuss Ost schließe einen Finanzierungsbedarf der Klägerin.
- 10
- Nach Ansicht der Beklagten ist § 63 KZVKS unwirksam. Die Klägerin könne sich bei der Einführung des Sanierungsgeldes nicht auf den ATV-K stützen, da ihre Beteiligten nicht diesen Tarifvertrag, sondern die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen C. (AVR) anwendeten. Für den Beitragszuschuss Ost fehle es an einer Rechtsgrundlage; unter einer Zuwendung i.S. des § 64 KZVKS sei nur eine freiwillige Leistung zu verstehen.
- 11
- Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob bei der Klägerin ein durch die Systemum- stellung bedingter Finanzierungsbedarf bestanden habe, abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderungen weiter.
- 12
- Der Verwaltungsrat der Klägerin hat mit Beschluss vom 20. Mai 2010 den Vomhundertsatz für die Erhebung des Sanierungsgeldes rückwirkend für den Zeitraum ab 1. Januar 2002 erneut auf 0,75 und für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 auf 1,35 festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
- 13
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- 14
- I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Sanierungsgeld verneint. Die Satzungsregelung des § 63 KZVKS sei zwar wirksam. Allerdings sei der Verwaltungsratsbeschluss vom 16. April 2002 über die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes unwirksam. Die auf billiges Ermessen hin zu überprüfende Entscheidung des Verwaltungsrats beruhe auf einem Ermessensfehler, weil der Verwaltungsrat von einer unzutreffenden Höhe der umstellungsbedingten Deckungslücke ausgegangen sei. Zum einen widerspreche die von der Klägerin vorgenommene Berücksichtigung von Versicherten ohne erfüllte Wartezeit der abschließenden Regelung in § 54 Satz 1 KZVKS, wonach bei der Deckungsrückstellung nur beitragsfrei Versicherte mit erfüllter Wartezeit zu berücksichtigen seien. Zum anderen seien in die Deckungslücke die sozialen Komponenten nach § 35 Abs. 1 bis Abs. 4 KZVKS pauschal hineingerechnet worden, obwohl diese aus Überschüssen zu finanzieren seien, die hin- reichende Möglichkeit einer konkreten Berechnung bestehe und die sozialen Komponenten überwiegend zum Abrechnungsverband P gehörten und deshalb nicht im Abrechnungsverband S zu berücksichtigen seien. Die Deckungslücke für 2002 liege daher um rund 286 Mio. € niedriger als die vom Verwaltungsrat angenommene Summe von rund 447 Mio. €. Diese Diskrepanz schließe eine sachgerechte und ermessensfehlerfreie Ermessensausübung des Verwaltungsrats aus.
- 15
- Einen Anspruch auf den Beitragszuschuss Ost gebe es ebenso wenig. § 64 KZVKS könne nicht im Sinne einer Zahlungsverpflichtungen auslösenden Anordnungsermächtigung verstanden werden. Überdies könnten die West-Beteiligten nicht im Wege einer bloßen Durchführungsvorschrift zu einer Sonderfinanzierung herangezogen werden.
- 16
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sanierungsgeld verneint.
- 18
- a) Allerdings enthält die Satzung der Klägerin - anders als das Berufungsgericht meint - in § 63 i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS nur einen einzigen, einheitlichen Sanierungsgeldtatbestand. Der Beteiligte hat als durchschnittlicher Versicherungsnehmer keinen Anlass, von unterschiedlichen Sanierungsgeldern in § 63 KZVKS einerseits und § 55 Abs. 3 KZVKS andererseits auszugehen. Insbesondere kann er § 63 KZVKS kein gesondertes, von einem konkreten Finanzierungsbedarf abgekoppeltes Sanierungsgeld entnehmen.
- 19
- b) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Einführung eines Sanierungsgeldes durch § 63 i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS und dessen Erhebung allein von den Arbeitgebern nicht als unangemessene Benachteiligung der Beklagten i.S. des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB betrachtet. Die Satzungsbestimmungen der Klägerin übernehmen insoweit tarifrechtliche Grundentscheidungen der Tarifvertragsparteien (§ 17 ATV-K und Ziff. 4.1 AVP 2001). Soweit hiernach § 55 und § 63 KZVKS nur einer Überprüfung an Hand des deutschen Verfassungsrechts und des europäischen Gemeinschaftsrechts unterliegt, verstößt er hiergegen nicht; ebenso sind die Grenzen der Satzungsänderungsbefugnis nicht überschritten (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 76/09, BGHZ 190, 314Rn. 63 ff.). Dabei muss sich die Beklagte über ihre Beteiligungsvereinbarung im Rahmen der AGB-Prüfung den ATV-K und den AVP 2001 entgegenhalten lassen (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2011 aaO Rn. 59 ff.). Keine Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien besteht indessen zur konkreten Höhe des Sanierungsgeldes, weil der ATV-K und der AVP 2001 insoweit keine Regelung für die Klägerin treffen.
- 20
- c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes durch den Verwaltungsratsbeschluss vom 16. April 2002 auf die Einhaltung billigen Ermessens hin überprüft und diesen für unwirksam erachtet.
- 21
- aa) § 315 Abs. 1 BGB setzt eine ausdrückliche oder stillschweigende rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, wonach eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung bestimmen kann (BGH, Urteil vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 33 m.w.N.). Ein faktisches Bestimmungsrecht reicht nicht aus (BGH aaO). Eine vertragliche Bestimmung der Leistung geht vor und schließt die Anwendung des § 315 BGB aus, etwa wenn die Vertragspartner objektive Maßstäbe vereinbaren, die es ermöglichen, die vertraglichen Leistungspflichten zu bestimmen (Erman/Hager, BGB 13. Aufl. § 315 Rn. 1, 4). So liegt bei einer Preisanpassungsklausel nur dann ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vor, wenn dem Leistungserbringer bei der Preisgestaltung ein Ermessensspielraum zusteht; dies ist nicht der Fall, wenn vertraglich die Berechnungsfaktoren im Einzelnen bestimmt sind (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 19).
- 22
- Nach diesen Grundsätzen ist von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 BGB auszugehen. § 63 Abs. 2 KZVKS überlässt die Festlegung der Höhe des Sanierungsgeldes allein der Klägerin. Die Satzung selbst gibt zwar den Rahmen vor, indem § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS als Voraussetzung für die Erhebung einen Fehlbetrag im Abrechnungsverband S festlegt, § 63 Abs. 2 KZVKS Verfahrensregelungen trifft und § 63 Abs. 3 KZVKS Einzelheiten zur Berechnung enthält. Die Kernentscheidung der Bestimmung der Sanierungsgeldhöhe bleibt indes ausdrücklich kraft satzungsmäßiger Zuweisung dem Verwaltungsrat der Klägerin vorbehalten, womit allein ihm die Leistungsbestimmung obliegt. Diese hat er gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen.
- 23
- bb) Gegenstand des Verfahrens ist allein der Beschluss des Verwaltungsrats vom 16. April 2002. Der nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangene neue Beschluss des Verwaltungsrats vom 20. Mai 2010 ist entgegen der Ansicht der Klägerin im Revisionsverfahren nicht zu beachten.
- 24
- Das Revisionsgericht hat das zur Zeit seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (BGH, Urteil vom 26. Februar 1953 - III ZR 214/50, BGHZ 9, 101; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 545 Rn. 9). Hierzu gehören Vorschriften, die Normen objektiven Rechts enthalten. Dem Verwaltungsratsbeschluss fehlt es an der erforderlichen Normqualität. Er ist lediglich Tatbestandsvoraussetzung des als Allgemeine Versicherungsbedingung anzusehenden § 63 Abs. 2 KZVKS, enthält jedoch kein revisibles objektives Recht.
- 25
- cc) Das Berufungsgericht hat mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung eine Überschreitung des billigen Ermessens angenommen.
- 26
- (1) Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 BGB können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat (BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 20 m.w.N.).
- 27
- (2) Das Berufungsgericht hat den Begriff des billigen Ermessens nicht verkannt. Die Billigkeit i.S. des § 315 BGB bezeichnet die Grenzen des Ermessens, die eingehalten werden müssen, damit die getroffene Entscheidung für den Empfänger der Bestimmungserklärung verbindlich ist. Es sind die beiderseitigen Interessen objektiv gegeneinander abzuwägen. Die Ausübung des billigen Ermessens ist gerichtlich dahingehend nachprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten sind und ob nicht sachfremde oder willkürliche Motive für die Bestimmung maßgebend gewesen sind (BAG NJW 1962, 268, 270). Mithin ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidungskontrolle nicht auf eine Ergebniskontrolle verengt werden darf, sondern auch der subjektive Ermessensfehlgebrauch in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Ermessensfehlerlehre von Bedeutung ist (Staudinger/ Rieble, BGB Neubearb. 2009 § 315 Rn. 327 f.). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht geprüft, ob der Verwaltungsrat deshalb nicht ermessensfehlerfrei entscheiden konnte, weil er von einem unzutreffenden Sachverhalt in Form eines weit überhöhten umstellungsbedingten Finanzierungsbedarfs ausgegangen war. Entgegen der Ansicht der Revision ist es unerheblich, dass der Verwaltungsrat nach dem Vorbringen der Klägerin den gleichen Vomhundertsatz mit einer anderen Begründung hätte festsetzen können.
- 28
- (3) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht den Beschluss des Verwaltungsrats der Klägerin vom 16. April 2002 als ermessensfehlerhaft betrachtet hat, weil diesem die Annahme einer weit übersetzten Deckungslücke zu Grunde lag.
- 29
- (aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht aus § 54 Satz 1 KZVKS abgeleitet, dass bei der Bestimmung der Deckungsrückstellung allein Versicherte mit erfüllter Wartezeit zu berücksichtigen sind und im Umkehrschluss Versicherte ohne erfüllte Wartezeit bei der Berechnung keine Berücksichtigung finden können. Der Auslegung der Revision, wonach der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkenne, dass diese Bestimmungen zur Bilanzierung nicht vollständig seien und deshalb anderweitige Bilanzierungsregeln Vorrang hätten, kann nicht gefolgt wer- den. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer orientiert sich bei seinem Verständnis am Satzungswortlaut. Gibt ihm dieser wie hier keinen entsprechenden Hinweis, besteht für ihn kein Anlass, nicht benannten Bilanzregeln den Vorrang vor ausdrücklich genannten Bewertungsregeln zu geben. Gleiches gilt für den Einwand der Revision, die Anknüpfung des Sanierungsgeldes in § 55 Abs. 3 Satz 3 KZVKS beziehe sich auf den Fehlbetrag in der gesonderten Bilanz und nicht auf die Deckungsrückstellung. Dass das Berufungsgericht dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt ist, für die Versicherten ohne Wartezeit bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Wartezeit über eine anderweitige Beschäftigung , lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Aus § 54 Satz 1 KZVKS ist zu entnehmen, dass dieser Umstand erst Berücksichtigung finden soll, wenn die Wartezeit erfüllt und mithin die von der Revision aufgezeigte Wahrscheinlichkeit eingetreten ist.
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- (bb) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Abrechnungsverband S habe nicht über die Berücksichtigung sozialer Komponenten bei der Deckungsrückstellung belastet werden dürfen.
- 31
- Dabei ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die sozialen Komponenten aus den Überschüssen zu finanzieren sind. Ziff. 2.2 Abs. 3 Satz 2 AVP 2001 bestimmt dies für die dort näher genannten sozialen Komponenten der Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungs - und Hinterbliebenenrenten, Kindererziehungszeiten und der Übergangsregelung für langjährig Versicherte ausdrücklich durch Tarifvertrag. Hiervon ist die Klägerin nicht abgewichen. Zu Recht hat das Berufungsgericht insoweit den Technischen Geschäftsplan der Klägerin als widersprüchlich angesehen, weil er einerseits anordnet, dass die Finan- zierung der sozialen Komponenten aus dem Überschuss erfolgt, und andererseits die Deckungsrückstellung mit sozialen Komponenten belastet. Daher gibt es keine Grundlage dafür, Aufwendungen für soziale Komponenten bei der Ermittlung der systembedingten Deckungslücke anzusetzen. Überzeugend hat das Berufungsgericht den Einwand der Klägerin verworfen, die vorherige Einstellung in die Deckungsrücklage sei nichts anderes als eine Überschussverteilung, weil auf diese Weise später kein oder ein geringerer Überschuss verbleibe. Überschussverteilung bedeutet , dass ein Überschuss ermittelt und dessen positiver Saldo verteilt wird. Mithin besagt die Überschussfinanzierung der sozialen Komponenten , dass der Verantwortliche Aktuar die sozialen Komponenten aus den erwirtschafteten Erträgen der Kasse abdecken muss (Langenbrinck/ Mühlstädt, Betriebsrente der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, 3. Aufl. Rn. 55).
- 32
- Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme des Berufungsgerichts , dass es auf Grundlage des technischen Geschäftsplans der Klägerin gegen versicherungsmathematische Grundsätze verstößt, die Deckungsrückstellung - wie von der Klägerin praktiziert - durch den Ansatz einer Pauschale für die sozialen Komponenten zu belasten. Diese auf ein gerichtliches Sachverständigengutachten gestützte tatrichterliche Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen, zumal der Technische Geschäftsplan der Klägerin selbst davon spricht, dass die sozialen Komponenten bei der Ermittlung der Deckungsrückstellung grundsätzlich erst berücksichtigt werden, wenn sie endgültig feststehen.
- 33
- Da bereits aus diesen Gründen die Einbeziehung der sozialen Komponenten in die Berechnung der umstellungsbedingten Deckungslücke fehlerhaft ist, kann dahinstehen, ob sich - wie das Berufungsgericht meint - zusätzlich noch aus § 53 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a KZVKS eine Zuordnung der sozialen Komponenten zum Abrechnungsverband P ergibt.
- 34
- d) Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verzichtet, eine eigene Bestimmung der Leistung durch Urteil vorzunehmen.
- 35
- Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Betriebsrente ist § 315 Abs. 3 BGB einschränkend dahingehend auszulegen, dass bei komplexen Versorgungssystemen mit kollektiver Wirkung zwar die Anpassungsentscheidung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, das Gericht jedoch nicht seine Entscheidung an die Stelle einer unwirksamen Anpassungsentscheidung setzen kann (BAG NZA-RR 2008, 520). Dies gilt auch hier. Die Zusatzversorgung der Klägerin stellt ein komplexes Versicherungssystem dar, das bezüglich seiner Finanzierung über die Belange der Beklagten hinausgeht und die Beteiligten in ihrer Gesamtheit betrifft.
- 36
- 2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf den von ihr erhobenen Beitragszuschuss Ost mangels entsprechender Anspruchsgrundlage verneint.
- 37
- a) Dabei hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer der Bestimmung des § 64 KZVKS "Die Kasse kann nach Maßgabe besonderer Durchführungsvorschriften von Dritten und Beteiligten Zuschüsse entgegennehmen." keine Regelung entnehmen kann, die ihm eine Zahlungspflicht auferlegt. Es kann dahinstehen, ob der hier maßgebliche Kreis der kirchlichen Arbeitgeber unter einem Zuschuss gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch eine freiwillige Leistung oder gemäß dem steuerrechtli- chen Begriff der Zuwendung i.S. des § 4c EStG einen Zuschuss an eine Pensionskasse zur Sicherstellung ihrer Leistungen (Heger in Blümich, EStG, 115. Aufl. § 4c EStG Rn. 38) versteht. Der Begriff des "Entgegennehmens" beschreibt einen rein passiven Akt auf Seiten der Klägerin. Eine Zahlungsverpflichtung auf Seiten des Beteiligten wird damit nicht statuiert , zumal der Begriff "kann" den unverbindlichen Charakter nochmals unterstreicht. Die Satzung spricht nicht davon, dass Zuschüsse von der Kasse verpflichtend erhoben werden können. Dass eine Partei etwas entgegennimmt, besagt nicht zwangsläufig, dass die gebende Partei eine Verpflichtung hierzu hat. Dies zeigt sich anschaulich daran, dass 1/3 der von der Klägerin entgegen genommenen Zuwendungen aus einem freiwilligen Zuschuss des Verbandes der Diözesen Deutschlands stammt.
- 38
- b) Ein anderes Verständnis folgt nicht aus der Durchführungsvorschrift zu § 64 KZVKS.
- 39
- Trotz des Verweises in § 64 KZVKS auf die einschlägige Durchführungsvorschrift braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese nicht zu berücksichtigen, weil sie als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
- 40
- aa) Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (Senatsurteile vom 21. Juli 2011 - IV ZR 42/10, VersR 2011, 1257 Rn. 16; vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Rn. 13 m.w.N.). Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu ei- ner ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - VII ZR 262/11, NJW-RR 2012, 1261 Rn. 10; vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 Rn. 27; vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 unter 2 a). Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt vielmehr dann ergeben , wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH, Urteile vom 21. Juli 2010 aaO; vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 Rn. 16 f.).
- 41
- bb) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
- 42
- Die Durchführungsvorschrift beschreibt unter Ziff. 1 die Finanzierung der sozialen Komponente des § 35 Abs. 5 KZVKS. Dabei spricht Ziff. 1 davon, dass ein Drittel der Kosten "durch einen Zuschuss der zum 31. Dezember 2001 vorhandenen Beteiligten aus dem Tarifgebiet West" finanziert wird. Ziff. 3 bestimmt, dass Basis für die "Belastung des jeweiligen Dienstgebers" sein gesamtes zusatzversorgungspflichtiges Entgelt des Jahres 2001 ist. Dies besagt, dass die Kasse eine zwangsweise Belastung der Beteiligten West vornimmt.
- 43
- Ein kirchlicher Arbeitgeber braucht nicht damit zu rechnen, dass in einer so gefassten Durchführungsvorschrift zu einer Satzungsbestimmung erstmals eine zwangsweise Zahlungsverpflichtung begründet wird. Der Beteiligte muss sich als durchschnittlicher Versicherungsnehmer da- rauf verlassen können, dass in der Satzung der Klägerin alle wesentlichen Regelungen getroffen sind. Nach allgemeinem Verständnis haben Durchführungsvorschriften nur subsidiären Charakter; sie dienen dazu, die in der Satzung getroffenen Regelungen mit Detailbestimmungen auszugestalten. Keinesfalls sind sie dazu bestimmt, Kernverpflichtungen des Beteiligten aus seinem Beteiligungsverhältnis wie dessen laufende Zahlungen an die Klägerin erstmals festzulegen. Die von der Klägerin gewählte Form der Erhebung des Beitragszuschusses Ost ist für den Beteiligten daher ungewöhnlich und erfolgt in einer Art und Weise, mit der dieser nicht zu rechnen braucht.
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 13.01.2009 - 8 O 433/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 17.03.2010- 20 U 45/09 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung eines Teils des gezahlten Entgelts für die Nutzung eines Hochspannungsnetzes im Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Oktober 2005.
- 2
- Die Klägerin betreibt ein Stromverteilnetz, die Beklagte das vorgelagerte Hochspannungsnetz. Die Klägerin zahlte für die Nutzung dieses Netzes Entgelte , die auf der Grundlage eines veröffentlichten Preisblatts (Anlage K3) berechnet wurden und deren Kalkulation die Verbändevereinbarung Strom II plus zugrunde lag.
- 3
- Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 2008 (K8) forderte die Klägerin die Beklagte auf, einen Teil des gezahlten Entgelts für das Jahr 2005 zu erstatten. Im vorliegenden Rechtsstreit, der durch einen am 23. Dezember 2008 eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides eingeleitet wurde, hat sie erstinstanzlich Zahlung von 633.967,50 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin nur noch Bereicherungsansprüche für den Zeitraum bis 28. Oktober 2005 weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 503.289,36 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 6
- Der Klägerin stehe der mit der Berufung geltend gemachte Betrag gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu, weil die Beklagte nicht hinreichend dargelegt habe, dass die Bestimmung des Entgelts der Billigkeit entsprochen habe.
- 7
- Die Darlegungs- und Beweislast für die Unbilligkeit der Bestimmung liege allerdings primär bei der Klägerin. Zwar spreche einiges dafür, dass die Klägerin zunächst nur Abschlagszahlungen erbracht habe. Diese hätten mit der von der Beklagten erstellten Endabrechnung aber ihre Bedeutung verloren. Nach der Abrechnung liege eine endgültige Zahlung vor. Die Klägerin habe auch nicht schlüssig dargelegt, das Entgelt unter Vorbehalt gezahlt zu haben. Der nach ihrer Auffassung aus Nr. 6.7 des Netznutzungsvertrages konkludent zu entnehmende Vorbehalt betreffe nur nachträgliche Rechtsänderungen oder behördliche Maßnahmen, nicht aber die Unbilligkeit der Entgeltbestimmung.
- 8
- Der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin stehe aber eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Beklagten gegenüber. Diese sei gehalten, entsprechenden Sachvortrag der Klägerin substantiiert zu bestreiten, was schlüssigen Vortrag zur Angemessenheit der von ihr erhobenen Entgelte voraussetze. Der Sachvortrag der Klägerin, auf der Grundlage der genehmigten Preise aus dem ab 1. Oktober 2006 gültigen Preisblatt ergebe sich ein um rund 9,75 % geringeres Entgelt, sei zur Begründung einer sekundären Darlegungs- und Beweislast ausreichend. Die Entgeltgenehmigung stelle ein gewichtiges Indiz für die Billigkeit der genehmigten Entgelte und damit gleichzeitig für die Unbilligkeit der zuvor geforderten, im Ergebnis höheren Entgelte dar.
- 9
- Der Beklagten sei es nicht gelungen, dieses Indiz zu widerlegen. Die von ihr vorgelegten Zahlen zielten auf eine Rechtfertigung der geforderten Entgelte nach der Verbändevereinbarung II plus, ließen aber nicht erkennen, welche Bewertungsspielräume innerhalb der Preisfindungsprinzipien dieser Vereinbarung bestanden hätten und in welcher Weise die Beklagte diese genutzt habe. Da die Verbändevereinbarung keinen rechtsverbindlichen Maßstab für die Billigkeit von Netznutzungsentgelten darstelle, sei mithin nicht dargetan, dass die geforderten und gezahlten Entgelte der Billigkeit entsprochen hätten.
- 10
- Die Bestimmung des Entgelts habe deshalb durch das Gericht zu erfolgen , wozu gemäß § 287 ZPO eine Schätzung vorgenommen werden könne. Hierbei könne das ab 1. Oktober 2006 geltende Preisblatt der Beklagten herangezogen werden. Dies führe zu einer Reduzierung des Entgelts um den von der Klägerin zuletzt geltend gemachten Betrag.
- 11
- Dem Rückforderungsanspruch stehe nicht entgegen, dass die Klägerin die Netzentgelte vollständig an ihre Kunden weitergereicht habe. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung fänden im Bereicherungsrecht keine Anwendung. Sie dürften auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben herangezogen werden.
- 12
- II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 13
- 1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Beklagten die volle Darlegungs - und Beweislast für die Billigkeit der von ihr in Rechnung gestellten Entgelte auferlegt.
- 14
- a) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Netznutzer, der die Erstattung gezahlter Nutzungsentgelte verlangt, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass eine vom Netzbetreiber nach § 315 BGB vorgenommene Bestimmung des Entgelts nicht der Billigkeit entspricht. Dieser Ansatz steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 8 f.) und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
- 15
- b) Das Berufungsgericht ist ferner in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass die Darlegungsund Beweislast beim Netzbetreiber liegt, wenn der Nutzer nur Abschlags- oder Vorauszahlungen in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld erbracht (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 343 - Stromnetznutzungsentgelt
I) oder die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung gezahlt hat (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 26 ff. - Stromnetznutzungsentgelt IV; Urteil vom 15. Mai 2012 - EnZR 105/10, RdE 2012, 382 Rn. 33 - Stromnetznutzungsentgelt V). Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen. Die Revision nimmt dies als ihr günstig hin, die Revisionserwiderung erhebt keine Gegenrügen. Rechtsfehler sind insoweit ebenfalls nicht zu erkennen.
- 16
- c) Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht schließlich davon ausgegangen , dass den Netzbetreiber eine sekundäre Darlegungslast treffen kann.
- 17
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Bereicherungsgläubiger , dem insoweit der Beweis einer negativen Tatsache obliegt, nicht jeden theoretisch denkbaren Rechtsgrund für die erbrachte Leistung ausschließen. Es genügt vielmehr der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht. Dabei trifft den Schuldner eine erweiterte Behauptungslast, wenn der Gläubiger außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während er selbst über derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind. Im Rahmen des Zumutbaren kann von ihm dann insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 5. Februar 2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5, 9).
- 18
- d) Das Berufungsgericht ist indes davon ausgegangen, dass die Beklagte insoweit nicht nur eine Darlegungslast trägt, sondern auch die Beweislast. Dies ist mit den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast nicht vereinbar.
- 19
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs finden die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast keine Anwendung auf die Beweisführung (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 18). Selbst eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden kann aus diesen Grundsätzen nicht abgeleitet werden, sondern allenfalls aus § 142 ZPO (BGH, Urteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 16).
- 20
- e) Die vom Berufungsgericht im Ergebnis angenommene Umkehr der Darlegungs- und Beweislast kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die für das Jahr 2005 verlangten Entgelte von den genehmigten Entgelten aus dem ab 1. Oktober 2006 geltenden Preisblatt abweichen.
- 21
- Nach der Rechtsprechung des Senats dürfen die Ergebnisse der unmittelbar nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 und der Stromnetzentgeltverordnung durchgeführten Genehmigungsverfahren zwar bei der Billigkeitskontrolle der zuvor verlangten Entgelte herangezogen werden, weil sie auf den Unternehmensdaten des Jahres 2004 und damit auf einer zeitnahen und auch für angrenzende Jahre brauchbaren Beurteilungsgrundlage beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 43 - Stromnetznutzungsentgelt IV). Dies gilt indes nur für die gerichtliche Bestimmung des Entgelts gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und setzt somit voraus, dass die Unbilligkeit der vom Netzbetreiber getroffenen Bestimmung feststeht.
- 22
- Die Annahme des Berufungsgerichts, wenn die Genehmigung der Entgelte ein Indiz für die Billigkeit der Festsetzung bilde, begründe eine Abweichung von den genehmigten Entgelten ein Indiz für die Unbilligkeit, ist nicht tragfähig. Sie beruht auf der Prämisse, nur ein einziges Entgelt könne der Billigkeit entsprechen. Diese Prämisse ist unzutreffend.
- 23
- Eine Vertragspartei, die nach § 315 Abs. 1 BGB zur Bestimmung der Leistung befugt ist, hat einen Ermessensspielraum. Die von ihr vorgenommene Bestimmung ist erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht hingegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 299/02, BGHZ 163, 119, 130 = GRUR 2005, 757 - PRO-Verfahren). Daraus ist zu folgern, dass nicht jede Abweichung von einer behördlichen Genehmigung oder einer gerichtlichen Bestimmung des Entgelts als Indiz für die Überschreitung des Ermessensspielraums gewertet werden kann. Jedenfalls die vom Berufungsgericht festgestellte Abweichung um 9,75 % reicht hierfür nicht aus. Damit kann offen bleiben, ob es überhaupt eine abstrakte Grenze gibt, von der an eine solche Indizwirkung in der Regel bejaht werden kann.
- 24
- 2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe ihrer Darlegungslast nicht genügt.
- 25
- In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob an den Vortrag des Netzbetreibers geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn diesen wie hier nur eine sekundäre Darlegungslast trifft. Der Vortrag der Beklagten ist auch dann hinreichend substantiiert, wenn er an denselben Anforderungen gemessen wird, die gälten, wenn der Beklagten die primäre Darlegungslast obläge.
- 26
- a) Nach der Rechtsprechung des Senats wird der allgemeine Maßstab des billigen Ermessens, den § 315 Abs. 1 BGB vorsieht, durch § 6 Abs. 1 EnWG aF konkretisiert.
- 27
- Danach wird das Ermessen des Netzbetreibers in zweifacher Hinsicht gebunden. Außer an der Beachtung des Diskriminierungsverbots muss sich die Preisbildung daran orientieren, dass die Bedingungen guter fachlicher Praxis nach § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG aF einer möglichst sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG aF) und darüber hinaus der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs dienen sollen. Danach kommt es für die Beurteilung , ob die Ermessensentscheidung des Netzbetreibers der Billigkeit entspricht , darauf an, inwiefern das geforderte Netzentgelt der Deckung der Kosten des Netzbetriebs und der Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient. Es obliegt dabei dem Netzbetreiber, im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihm nach seiner Kalkulation durch den Netzbetrieb in dem in Rede stehenden Zeitraum entstanden sind, abzudecken waren und welchen Teil seiner Einnahmen er zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit dem der Klägerin berechneten Preis erzielen wollte (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 32 f. - Stromnetznutzungsentgelt IV).
- 28
- b) Im Streitfall hat die Beklagte wie bereits erwähnt ihre Kalkulation offengelegt. Damit hat sie die aufgezeigten Anforderungen an die Substantiierung ihres Vortrags erfüllt.
- 29
- Die Beklagte hat die angesetzten Kosten im Einzelnen aufgeführt und dargelegt, anhand welcher Methoden sie diese aus der Bilanz und der Gewinnund Verlustrechnung abgeleitet hat. Sie hat auch den Zinssatz für die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals angegeben, und zwar mit 6,5 %. Ferner hat sie dargelegt, nach welchen Grundsätzen sie die Kosten auf die Netznutzer verteilt hat.
- 30
- Dies entspricht den oben genannten Anforderungen und ermöglicht die gerichtliche Überprüfung, ob die von der Beklagten angewendeten Methoden vor dem Hintergrund der gesetzlichen Anforderungen dem Maßstab der Billigkeit entsprechen.
- 31
- c) Das Berufungsgericht hält den Vortrag für unzureichend, weil lediglich dargelegt werde, dass die Preisfindungsprinzipien der Verbändevereinbarung II plus eingehalten seien, nicht aber, welche Spielräume diese Prinzipien eröffnet hätten und in welcher Weise die Beklagte diese ausgefüllt habe.
- 32
- Damit hat das Berufungsgericht die vom Senat aufgestellten Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags überspannt.
- 33
- Wie die Revision zutreffend geltend macht, hat die Beklagte zum Beispiel eingehend aufgezeigt, welche verschiedenen Möglichkeiten es zur Bemessung der kalkulatorischen Abschreibungen auf das Anlagevermögen und zur Verteilung der Kosten auf die einzelnen Netznutzer gibt und aufgrund welcher Erwägungen sie sich für die von ihr angewendete Methode entschieden hat. Dass es hinsichtlich weiterer, für die Preisbildung wesentlicher Faktoren Spielräume ge- geben haben könnte, ist nicht ersichtlich und wird weder vom Berufungsgericht noch von der Revisionserwiderung konkret aufgezeigt.
- 34
- III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif.
- 35
- 1. Das Berufungsgericht wird der Klägerin im wiedereröffneten Berufungsverfahren auf der Basis der zutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen geben müssen.
- 36
- 2. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass der Klägerin ein Anspruch zusteht, wird es die Klage nicht im Hinblick auf die weiteren von der Revision erhobenen Rügen abzuweisen haben.
- 37
- a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe der von ihm vorgenommenen Entgeltbestimmung unzutreffende Maßstäbe zugrunde gelegt. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Senats sei es nur zulässig, die verlangten Preise entsprechend den Kürzungen herabzusetzen, die die Regulierungsbehörde im Rahmen der ersten Entscheidungen zur Entgeltgenehmigung vorgenommen hätte; die vom Berufungsgericht vorgenommene Herabsetzung anhand des Verhältnisses zwischen den früher verlangten und den der ersten Genehmigung zugrunde liegenden Entgelten sei demgegenüber unzulässig.
- 38
- Diese Rüge ist unbegründet.
- 39
- Der Senat hat es in der oben aufgezeigten Entscheidung (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, RdE 2010, 385 Rn. 41 ff. - Stromnetznutzungsentgelt IV) nicht beanstandet, die richterliche Bestimmung des Entgelts anhand von durchschnittlichen Kürzungsraten aus den ersten Genehmigungsverfahren vorzunehmen. Dies schließt es indes nicht aus, im Einzelfall einen anderen, (mindestens) in gleicher Weise geeigneten Maßstab heranzuziehen.
- 40
- Einen solchen Maßstab hat das Berufungsgericht zutreffend im Verhältnis zwischen den Entgelten gesehen, die die Beklagte vor und nach der ersten Genehmigung verlangt hat. Die beiden Entgeltregelungen betreffen unmittelbar aufeinanderfolgende Zeiträume. Mangels besonderer Umstände des Einzelfalls - deren Vorliegen weder festgestellt ist noch von der Revision aufgezeigt wird - kann davon ausgegangen werden, dass sich die Kostenstruktur im Netz der Beklagten innerhalb dieser Zeitspanne nicht wesentlich geändert hat. Nach der Lebenserfahrung ist zudem damit zu rechnen, dass die Kosten selbst bei ansonsten gleichen Ausgangsbedingungen aufgrund der Teuerung angestiegen sind. Angesichts dessen erscheinen die Entgelte, die für das konkrete Netz Gegenstand der ersten Entgeltgenehmigung waren, als Maßstab für die richterliche Entgeltbestimmung grundsätzlich mindestens ebenso gut geeignet wie die aus einer Mehrzahl von Entscheidungen bezüglich unterschiedlicher Netzbetreiber gebildeten Durchschnittswerte der von der Regulierungsbehörde vorgenommenen Kürzungen. Mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten - der sich weder aus den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt noch von der Revision aufgezeigt wird - brauchte sich das Berufungsgericht folglich nicht mit der Frage zu befassen, welches Entgelt Gegenstand des ersten Antrags der Beklagten auf Erteilung einer Entgeltgenehmigung war und welche Kürzungen die Regulierungsbehörde ausgehend davon vorgenommen hat.
- 41
- b) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe der Beklagten den Einwand der Vorteilsausgleichung zu Unrecht versagt.
- 42
- Diese Auffassung, für die sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch das Bundeskartellamt eingesetzt hat, ist unzutreffend.
- 43
- aa) Wie auch die Revision und das Bundeskartellamt im Ansatz nicht verkennen, finden die schadensersatzrechtlichen Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich keine Anwendung (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 227/06, BGHZ 174, 334 Rn. 34; Urteil vom 5. November 2002 - XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307, 315 f. mwN).
- 44
- Das gilt auch im Streitfall. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung führen, liegen entgegen der Auffassung der Revision und des Bundeskartellamts nicht vor.
- 45
- bb) Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben können zwar im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Verhältnis zwischen zwei Netzbetreibern aber nicht mit der Konstellation vergleichbar, die der von ihr zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. Dezember 1961 (III ZR 130/60, BGHZ 36, 232 = NJW 1962, 580) zugrunde lag.
- 46
- In dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Fall waren die Kläger, die die Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen überhöhten Kaufpreises (durch unzulässige Einschaltung einer staatlichen Stelle als Zwischenhändler) geltend machten, nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs nicht als selbständig disponierende Kaufleute am Markt tätig, sondern als "Glieder in dem Automatismus der staatlich gelenkten Warenverteilung" ohne jedes Preis- oder Absatzrisiko. Die Weiterveräußerung der Ware (Trockenvollei) zum Einkaufspreis zuzüglich eines behördlich bewilligten Handelsaufschlags war von Anfang an gesichert. Selbst die Käufer, an welche die Kläger die Ware zu liefern hatten, waren im Vorhinein behördlich festgelegt worden.
- 47
- Auch wenn die Stellung eines Netzbetreibers, der ein vorgelagertes Netz in Anspruch nimmt, dazu die eine oder andere Ähnlichkeit aufweist, kann er nicht als bloßes Glied einer staatlich gelenkten Warenverteilung angesehen werden. Er kann die Kosten der Nutzung vorgelagerter Netze zwar an seine Kunden weitergeben. Er trägt aber das Absatzrisiko und das Risiko der Zah- lungsunfähigkeit seiner Kunden. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, wenn die Klägerin überhöhte Entgelte zurückfordern kann, auch wenn sie nicht damit zu rechnen hat, ihrerseits von ihren Kunden in Anspruch genommen zu werden. Dies gilt umso mehr, als sich die Stellung der Klägerin - ebenfalls anders als in dem Fall aus der Nachkriegszeit - nicht wesentlich von derjenigen der Beklagten unterscheidet.
- 48
- cc) Die vom Senat aufgestellten Grundsätze über die Vorteilsanrechnung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Verstößen gegen das Kartellrecht (passing-on defence) führen jedenfalls in Konstellationen wie der vorliegenden ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
- 49
- (1) Nach der Rechtsprechung des Senats muss es sich ein Geschädigter , der wegen eines Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften Schadensersatz verlangt, schadensmindernd anrechnen lassen, wenn es ihm gelungen ist, einen wegen des Verstoßes überhöhten Kaufpreis auf seine eigenen Abnehmer abzuwälzen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 55 ff. - ORWI). Diese Abnehmer können den Schaden, der ihnen durch die Abwälzung entstanden ist, unmittelbar vom Schädiger ersetzt verlangen, weil dieser aufgrund des begangenen Verstoßes auch ihnen gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet ist (aaO Rn. 18 ff.).
- 50
- (2) Diese Grundsätze können auf Fälle, in denen eine Preisbestimmung schon gemäß § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist und dem Abnehmer deshalb ein auf (teilweise) Rückzahlung des Entgelts gerichteter Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zusteht, nicht übertragen werden.
- 51
- Ein Bereicherungsanspruch der genannten Art kann auch dann bestehen, wenn die unwirksame Preisbestimmung weder auf eine Kartellabsprache noch auf einen Missbrauch von Marktmacht zurückgeht. Dann stehen typischerweise weder dem unmittelbaren Abnehmer noch den Abnehmern auf nachgelagerten Absatzstufen Schadensersatzansprüche gegen denjenigen zu, der die unwirksame Preisbestimmung vorgenommen hat. Eine Inanspruchnahme dieses Schuldners durch mittelbare Abnehmer auf anderer Rechtsgrundlage scheidet in der Regel aus, weil es insoweit an einem unmittelbaren Rechtsverhältnis fehlt und weil auch eventuelle Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundloser Leistung grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen geltend gemacht werden dürfen. Müsste es sich der erste Abnehmer anspruchsmindernd anrechnen lassen, dass er das überhöhte Entgelt ganz oder teilweise auf die nächste Absatzstufe abwälzen konnte, so blieben dem Schuldner die Vorteile der unwirksamen Preisbestimmung damit in der Regel schon aus Rechtsgründen erhalten. Dies ist mit der Zielsetzung von § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB nicht vereinbar und stünde auch in Widerspruch zu dem Anliegen, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu fördern.
- 52
- (3) Ob eine abweichende Beurteilung geboten ist, wenn das Verlangen eines überhöhten Entgelts ausschließlich auf einem Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften beruht, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, der sich wie hier bereits daraus ergibt, dass eine Preisbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB unwirksam ist, darf jedenfalls nicht deshalb eingeschränkt werden, weil die Preisbestimmung zugleich gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt oder dies zumindest nicht auszuschließen ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 315 Abs. 3 und § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB tritt in solchen Fällen vielmehr neben eventuelle Schadensersatzansprüche aus § 33 GWB.
- 53
- Sofern eine Handlung die Tatbestände mehrerer anspruchsbegründender Normen erfüllt, treten die daraus resultierenden Ansprüche, soweit sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, grundsätzlich in so genannter echter Anspruchskonkurrenz nebeneinander, mit der Folge, dass jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen , seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurtei- len ist und seinen eigenen Regeln folgt (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03, NJW-RR 2005, 172; Urteil vom 16. September 1987 - VIII ZR 334/86, BGHZ 101, 337, 343 f.). Eine abweichende Beurteilung ist zwar geboten, wenn einer Vorschrift zu entnehmen ist, dass sie einen Sachverhalt erschöpfend regeln und dementsprechend die Haftung aus anderen Anspruchsgrundlagen ausschließen oder in bestimmter Hinsicht beschränken will (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Dezember 1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297, 300; Urteil vom 17. März 1987- VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 201). In der hier zu beurteilenden Konstellation kann § 33 GWB aber nicht die Zielsetzung entnommen werden, dass ein schon auf anderer Grundlage begründeter Bereicherungsanspruch einzuschränken ist, um jede Überlagerung des kartellrechtlichen Sanktionensystems zu verhindern.
- 54
- Zwar ist denkbar, dass der Schuldner wegen des überhöhten Entgelts sowohl von seinem unmittelbaren Abnehmer aus Bereicherungsrecht als auch von mittelbaren Abnehmern aus § 33 GWB in Anspruch genommen wird. Sofern den mittelbaren Abnehmern zugleich ein Ausgleichsanspruch gegen den unmittelbaren Abnehmer zusteht, ist der Schuldner vor einer doppelten Inanspruchnahme im Ergebnis aber dadurch geschützt, dass er entsprechend § 255 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 29 mwN) zur Leistung von Schadensersatz an den mittelbaren Abnehmer nur Zug um Zug gegen Abtretung von dessen Ansprüchen gegen den unmittelbaren Abnehmer verpflichtet ist. Zwar ist nicht auszuschließen, dass dem mittelbaren Abnehmer in einzelnen Fallkonstellationen keine Ausgleichsansprüche gegen den unmittelbaren Abnehmer zustehen. Diese theoretische Möglichkeit bildet aber keine hinreichende Grundlage, um Bereicherungsansprüche des unmittelbaren Abnehmers abweichend von den anerkannten Grundsätzen des Bereicherungsrechts zu beschränken.
Bacher Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.06.2012 - 37 O 180/09 (Kart) -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.04.2013 - VI-2 U (Kart) 8/12 -
Tenor
Es wird festgestellt, dass die mit Schreiben des Universitätsklinikums ... vom 24. und 25.01.2008 erklärte außerordentlichen Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam sind.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.
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Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.
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Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:
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„Sehr geehrte Damen und Herren,
leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.
Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.
…
Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.
(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)
Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.
Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.
Hochachtungsvoll
…“
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Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.
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Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.
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Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:
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„Sehr geehrter Herr R,
aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.
Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“
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Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.
-
Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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1.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;
2.
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.
- 9
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.
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In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 11
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Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 13
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Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- 14
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I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).
- 15
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II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.
- 16
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1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).
- 17
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2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.
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3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:
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a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
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b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.
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aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.
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bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.
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(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).
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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.
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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.
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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.
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(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.
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III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).
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IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.
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Müller-Glöge
Laux
Biebl
Reinders
Ilgenfritz-Donné
Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
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für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger macht gegen die Beklagte Zugewinnausgleichsansprüche geltend. Er hat beim Familiengericht zunächst eine als Stufenklage bezeichnete Klageschrift eingereicht mit folgenden Anträgen: "I. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die Verkehrswerte folgender ihr gehörender Gegenstände, und zwar jeweils zum Zeitpunkt des Erwerbs, sowie per 24. März 1993 ... (es werden 10, zum Teil bebaute Grundstücke aufgeführt). II. an den Kläger den sich aus den Auskünften zu I. ergebenden Zugewinn (Wertsteigerung in der Zeit ab dem Erwerbszeitpunkt durch dieBeklagte und dem 24. März 1993 abzüglich der auf diese Zeit ent- fallenden Kaufkraftverminderung) zu zahlen, vorerst 3.900 DM." In der Begründung wird ausgeführt, er - der Kläger - habe keinen Zugewinn erzielt. Bezüglich eines Vermögensgegenstandes könne er den von der Beklagten gemachten Zugewinn berechnen, dieser betrage 3.900 DM. Bezüglich zehn weiterer Vermögensgegenstände sei er auf eine Auskunft der Beklagten angewiesen. Mit der Klage hat der Kläger in Form von Gerichtskostenmarken einen Vorschuß für einen Streitwert von 3.900 DM eingezahlt. Das Gericht hat die Klage zunächst nicht zugestellt und den Kläger mit Verfügung vom 22. März 1996 aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen, "welche Vorstellungen er von der Höhe des von der Beklagten zu zahlenden Zugewinns" habe. Der gezahlte Kostenvorschuß sei wohl bei weitem nicht ausreichend. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. März 1996 mitgeteilt, er mache "zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend". Die ursprüngliche Klageschrift wurde dann zusammen mit dem Schriftsatz vom 28. März 1996 zugestellt. Die Beklagte hat nicht nur zu dem bezifferten Antrag Stellung genommen , sondern auch zu den Vermögenspositionen, zu denen der Kläger in der Klageschrift Auskunft verlangt hatte. Daraufhin haben die Parteien den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß ihm aufgrund der erteilten Auskünfte ein Zugewinnausgleichsanspruch auf Zahlung weiterer 1.572.210,70 DM zustehe. Mit Schriftsatz vom 18. November 1996 hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und ihm Prozeßkostenhilfe für einen weitergehenden, auf 1.572.210,70 DM zuzüglich Zinsen ge-
richteten Zahlungsantrag zu bewilligen. Den Antrag auf Bewilligung von Pro- zeßkostenhilfe für die Erweiterung der Klage hat das Familiengericht durch Beschluß vom 19. November 1996 zurückgewiesen, eine Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluß und eine Gegenvorstellung gegen die Beschwerdeentscheidung hatten keinen Erfolg. Im Termin vor dem Familiengericht am 8. Dezember 1998 hat der Kläger den Antrag aus der ursprünglichen Klageschrift zu Ziffer II gestellt mit dem Bemerken , er "mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend". Außerdem hat er beantragt , ein Grundurteil zu erlassen "mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet". Seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Erweiterung der Klage hat er wiederholt. Die Beklagte hat den Zahlungsanspruch aus dem Antrag II der Klageschrift anerkannt. Durch Urteil vom 8. Januar 1999 hat das Familiengericht die Beklagte im Wege des Anerkenntnisses verurteilt, an den Kläger 3.900 DM zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß über mehr nicht zu entscheiden sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung weiterer 5.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Familiengericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen mit der Begründung, der Kläger sei durch das angefochtene Urteil nicht beschwert. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nach §§ 547 ZPO a.F., 26 Nr. 5 EGZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist die Berufung unzulässig , weil der Kläger durch das angefochtene erstinstanzliche Urteil nicht beschwert ist. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, gerade diese Beschwer durch das Rechtsmittel zu beseitigen (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. vor § 711 Rdn. 10 m.N. aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Daß der Rechtsmittelkläger mit seinem Rechtsmittel andere, möglicherweise an sich berechtigte Interessen verfolgt , genügt nicht. Für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von der sogenannten formellen Beschwer auszugehen. Das bedeutet, daß der Rechtsmittelkläger beschwert ist, wenn das angefochtene Urteil von seinen in der Vorinstanz gestellten Anträgen abweicht (ständ. Rechtspr. des BGH, vgl. Urteil vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 89/90 - NJW 1991, 703, 704 m.w.N.). Das erstinstanzliche Gericht hat dem Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung von 3.900 DM zu verurteilen, im Wege eines Anerkenntnisurteils uneingeschränkt stattgegeben. Eine Klage mit einem darüber hinausgehenden Klageantrag ist nicht rechtshängig geworden. Das Familiengericht hatte deshalb nur über den bezifferten Klageantrag auf Zahlung von 3.900 DM zu entscheiden und hat auch nur über diesen Antrag entschieden. Da es ihm voll stattgegeben hat, scheidet eine Beschwer des Klägers aus.a) Die Revision geht zu Unrecht davon aus, das Familiengericht habe auch über eine über den bezifferten Zahlungsantrag hinausgehende Stufenklage entscheiden müssen. Eine Stufenklage ist nicht rechtshängig geworden. Die ursprüngliche Klageschrift enthielt allerdings eine Stufenklage. Darin hat der Kläger geltend gemacht, er könne wegen eines bestimmten Teils seiner Klageforderung seine Ansprüche beziffern, weil er insofern keine Auskünfte benötige. Wegen eines anderen, größeren Teils könne er seinen Anspruch dagegen noch nicht beziffern, weil er insofern auf Auskünfte der Beklagten angewiesen sei. Insofern hat der Kläger in der ursprünglichen Klageschrift eine bezifferte Teilklage geltend gemacht verbunden mit einer unbezifferten Stufenklage. Gegen diese Art des prozessualen Vorgehens bestehen zwar keine Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in einem solchen Falle die Klage nur hinsichtlich des Begehrens, das das bezifferte Zahlungsbegehren übersteigt, als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO anzusehen (BGHZ 107, 236, 239 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rdn. 18; Lüke in MünchKomm /ZPO 2. Aufl., § 254 Rdn. 16). Die Klageschrift ist aber nicht uneingeschränkt mit dem ursprünglichen Inhalt zugestellt worden. Sie ist vielmehr zusammen mit dem Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 zugestellt worden, in dem er - auf die Verfügung des Gerichts vom 22. März 1996 hin - ausdrücklich erklärt hat, er mache "zunächst nur den beantragten Teilbetrag in diesem Verfahren geltend." Es hätte nahegelegen, den Kläger aufzufordern, zum Zwecke der Zustellung eine dem neuen Begehren angepaßte Klageschrift vorzulegen. Daß das Gericht diesen Weg nicht gewählt hat, ändert aber nichts daran, daß der zu dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage geltend gemachte Klageantrag anhand der von dem Kläger abgegebenen Erklärungen auszulegen ist (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO
aaO § 253 Rdn. 90 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ). Aus dem gleichzeitig mit der Klageschrift zugestellten Schriftsatz des Klägers vom 28. März 1996 ergibt sich, daß der Kläger - jedenfalls zunächst und aus Kostengründen - nur wegen des mit 3.500 DM bezifferten Zahlungsantrags aus der Klageschrift Rechtsschutz in Anspruch nehmen wollte. Das bedeutet, daß auch nur insofern Rechtshängigkeit eingetreten ist. Daß der Kläger dies selbst auch so verstanden hat, ergibt sich aus seinen Schriftsätzen vom 11. November 1996 und vom 18. November 1996. Auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 11. November 1996 heißt es ausdrücklich, der Kläger mache "nach wie vor" aus Gründen der Prozeßökonomie vorerst nur den rangletzten Teilbetrag in Höhe von 3.900 DM geltend. In dem Schriftsatz vom 18. November 1996 kündigt der Kläger den Antrag an, die Beklagte zu verurteilen , an ihn 3.900 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen, und beantragt wegen einer beabsichtigten Klageerweiterung Prozeßkostenhilfe.
b) Da nur eine bezifferte Zahlungsklage, nicht aber eine Stufenklage rechtshängig geworden ist, hatte die von den Parteien wegen des in der Klageschrift ursprünglich geltend gemachten Auskunftsanspruchs abgegebene Erledigungserklärung für den vorliegenden Prozeß keine Bedeutung, sie ging insofern ins Leere. Bedeutung konnte sie nur für die von dem Kläger beabsichtigte Klageerweiterung haben, für die er erfolglos Prozeßkostenhilfe beantragt und die er dann nicht vorgenommen hat.
c) Zu Unrecht meint die Revision, die Rechtshängigkeit der gesamten in der Klageschrift enthaltenen Stufenklage sei nach den §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO zumindest dadurch eingetreten, daß der Kläger in den mündlichen Verhandlungen vom 26. Februar 1998 und insbesondere vom 8. Dezember 1998, auf die hin das erstinstanzliche Urteil ergangen ist, den Klageantrag II aus der ur-
sprünglichen Klageschrift "insgesamt" gestellt habe. Auch diese Anträge konnten nach den Erklärungen, die der Kläger mehrfach abgegeben hatte, nur dahin verstanden werden, daß er den in dem Antrag II der Klageschrift enthaltenen bezifferten Zahlungsantrag stelle. In der entscheidenden mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dies noch einmal ausdrücklich klargestellt, indem er hinzugefügt hat: "Ich mache diesen Betrag als Teilbetrag geltend." Wäre die Stufenklage, wie von der Revision angenommen, in der mündlichen Verhandlung (oder schon durch die Zustellung der Klageschrift) rechtshängig geworden, hätte das im übrigen nur zur Folge, daß dieser Teil der Klage als unzulässig abgewiesen werden müßte. Nachdem der Kläger nämlich erklärt hat, daß ihm alle erforderlichen Auskünfte erteilt seien, und nachdem er in dem Prozeßkostenhilfeverfahren den ihm seiner Ansicht nach zustehenden Zugewinnausgleichsanspruch beziffert hatte, hätte er auch im Rahmen einer Stufenklage einen bezifferten Leistungsantrag stellen müssen. Dies hat er nicht getan mit der Folge, daß die Stufenklage durch Prozeßurteil abzuweisen wäre (vgl. Lüke in MünchKomm/ZPO aaO § 254 Rdn. 21).
d) Entgegen der Annahme der Revision ergibt sich eine Beschwer des Klägers auch nicht deshalb, weil das Familiengericht dem zusätzlichen Antrag des Klägers auf Erlaß eines Grundurteils "mit dem Inhalt, daß die Beklagte dem Kläger auf Zahlung von Zugewinn haftet", nicht entsprochen hat. Der Antrag, ein Grundurteil zu erlassen, ist ein Prozeßantrag, kein Sachantrag. Der Erlaß eines Grundurteils nach § 304 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Ein Grundurteil kann nur bezüglich des rechtshängig gewordenen Anspruchs erlassen werden, wenn dieser Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Da im vorliegenden Fall über den rechtshängig gewordenen Anspruch aufgrund des
Anerkenntnisses der Beklagten abschließend entschieden werden konnte, kam der Erlaß eines Grundurteils nicht in Betracht.
e) Entgegen der Ansicht der Revision bestand für das Familiengericht auch kein Anlaß, den Antrag auf Erlaß eines Grundurteils wegen des genannten Zusatzes in eine Feststellungsklage umzudeuten, die einen die bezifferten 3.900 DM übersteigenden Zugewinnausgleichsanspruch betrifft. Eine solche Umdeutung verbietet sich schon deshalb, weil ein entsprechender Feststellungsantrag unzulässig gewesen wäre. Da der Kläger nach seinem eigenen Vortrag seinen Zahlungsanspruch uneingeschränkt beziffern konnte, hätte für die Erhebung einer Feststellungsklage das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) gefehlt. Der Kläger kann eine Beschwer nicht daraus herleiten, daß das Familiengericht den Prozeßantrag nicht in einen unzulässigen Feststellungsantrag umgedeutet hat, durch den der Umfang der Rechtshängigkeit erweitert worden wäre.
f) Schließlich hatte das Berufungsgericht auch keine Veranlassung, sich mit der Frage zu befassen, ob der von dem Kläger in erster Instanz gestellte Antrag auf Erlaß eines Grundurteils in einen Antrag auf Erlaß eines Zwischenfeststellungsurteils nach § 256 Abs. 2 ZPO hätte umgedeutet werden können. Das Urteil des Familiengerichts behandelt diese Frage nicht. Hätte der Kläger mit der Berufung geltend machen wollen, daß er eine Entscheidung nach § 256 Abs. 2 ZPO vermisse, hätte er hierzu in der Berufungsbegründung Ausführungen machen müssen. Selbst wenn man unterstellt, daß der Kläger mit seiner Berufung auch das Fehlen einer Entscheidung über einen konkludent gestellten Zwischenfeststellungsantrag angefochten hat, wäre seine Berufung insofern mangels Begründung unzulässig.
g) Da dem Begehren des Klägers, soweit es rechtshängig geworden ist, durch das erstinstanzliche Urteil uneingeschränkt entsprochen worden ist, ist der Kläger durch dieses Urteil nicht beschwert.
Hahne Gerber Weber-Monecke
Fuchs Ahlt
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger begehrt Einsicht in Akten des Bundesministeriums der Justiz, die im Zusammenhang mit einem Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts entstanden sind.
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Mit Urteil vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01 - (BVerfGE 107, 150) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelung des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB über die nur unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Ausübung der gemeinsamen Sorge für nichteheliche Kinder mit dem Elternrecht des Vaters vereinbar sei. Der Gesetzgeber sei jedoch verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde liegende prognostische Annahme auch vor der Wirklichkeit Bestand habe.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2008 bat der Kläger um Auskunft zu Stand und Ergebnis der hierzu vom Bundesministerium der Justiz bei Jugendämtern und Rechtsanwälten durchgeführten Befragung und beantragte zugleich Einsicht in die diesbezüglichen Akten des Ministeriums. Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 teilte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger mit, dass nach der Auswertung der Befragung - deren Zusammenfassung war beigefügt - eine wissenschaftliche Untersuchung erforderlich sei. Den Antrag auf Akteneinsicht lehnte das Ministerium ab.
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Im Laufe des Klageverfahrens gewährte das Bundesministerium der Justiz dem Kläger Einsicht in die Aktenbestandteile, die Grundlage der bereits erteilten Auskunft waren. Bezüglich der übrigen Akten gab das Verwaltungsgericht der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Gewährung von Akteneinsicht. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dem Kläger erneut bzw. erstmalig Akteneinsicht in sämtliche zum Prüfungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts beim Bundesministerium der Justiz vorhandenen Originalakten zugesagt mit Ausnahme personenbezogener Daten sowie von zwei in den Akten enthaltenen hausinternen Vorlagen für die Ministerin. Hinsichtlich der freigegebenen Akten haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Als Teil der Exekutive sei das Bundesministerium der Justiz grundsätzlich informationspflichtige Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Eine Differenzierung zwischen Regierungshandeln und Behördentätigkeit finde in dieser Bestimmung keine Stütze. Weder der Wortlaut und der systematische Zusammenhang noch ein Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen rechtfertigten eine restriktive Auslegung des Behördenbegriffs. Diese sei des Weiteren nicht mit Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes vereinbar, das nach dem Willen des Gesetzgebers in weitem Umfang Partizipation und Kontrolle ermöglichen solle. Ablehnungsgründe stünden dem Informationsanspruch nicht entgegen. Eine nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG erforderliche konkrete Gefährdung des innerbehördlichen Beratungsvorgangs sei vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung im Bereich des Sorgerechts für nichteheliche Kinder weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Dezember 2009 - Nr. 22028/04, Zaunegger (NJW 2010, 501) und der daran anschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) seien die ursprünglich im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns überholt. Der pauschale Hinweis, dass der politisch verantwortlichen Ministerin ein von Einsichtsansprüchen unbelasteter "Schutzraum" zugebilligt werden müsse, könne die gebotene einzelfallbezogene Darlegung einer konkreten Gefährdung nicht ersetzen. Der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG greife hiernach ebenso wenig ein. Schließlich sei jedenfalls substantiiert auch nichts dafür dargetan, dass der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bei dem hier abgeschlossenen Vorgang der Herausgabe der Informationen entgegenstehe. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht die Billigkeitsentscheidung zu Lasten der Beklagten auf die Erwägung gestützt, dass diese den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe.
- 5
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Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision trägt die Beklagte im Wesentlichen vor:
-
Die Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz zur Reform des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB unterfielen als Regierungshandeln nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG rezipierte funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG umfasse den Bereich des Regierungshandelns von vornherein nicht. Die ausführende Verwaltung sei von den Maßnahmen der Regierung, die mit ihrem staatsleitenden Charakter unmittelbar auf verfassungsrechtlichen Befugnissen fußten, zu unterscheiden. Die Doppelrolle der Ministerien als Verfassungsorgan und Behörde dürfe nicht überspielt werden; vielmehr komme es für die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes auf den jeweiligen Funktionsbereich an. Soweit in der Gesetzesbegründung die Gesetzesvorbereitung als Verwaltungshandeln angesehen worden sei, handele es sich nur um die Mitteilung einer - unzutreffenden - Rechtsansicht; nicht aber um den Ausdruck eines Regelungswillens. Eine enge Auslegung des Behördenbegriffs sei auch von Verfassung wegen geboten. Das Grundgesetz differenziere bei der vollziehenden Gewalt zwischen Verwaltung und Regierung. Davon ausgehend habe es eine Wertentscheidung zu Gunsten einer repräsentativen Demokratie mit einzelnen plebiszitären Elementen getroffen. Dabei werde die vollziehende Gewalt durch den Bundestag als das unmittelbar demokratisch legitimierte Organ kontrolliert, nicht aber direkt durch das Volk. Eine zusätzliche Kontrolle der Regierung durch den Einzelnen würde das System der Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungsbereichen im Verhältnis zwischen Regierung und Bundestag verändern. Bei der Gesetzesvorbereitung handele die Regierung als Verfassungsorgan, das auf den dauerhaften Schutz seiner Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung vertrauen dürfe. Die Frage, ob und wie Gesetzesvorhaben verfolgt würden, sei eine typische Leitungsaufgabe. Hierzu zähle bereits die Vorbereitung und Ausarbeitung im Hinblick auf ein eventuelles Gesetzesvorhaben; auch die Sammlung von Tatsachen und die Aufbereitung und Bewertung zur Vorbereitung einer ministeriellen Entscheidung gehörten hierzu. Insbesondere die Anfangsphase sei von besonderer Bedeutung und Sensibilität, sodass insofern eine Sphäre der Vertraulichkeit zu gewährleisten sei.
- 6
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Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht jedenfalls die Versagungsgründe nach § 3 Nr. 4 IFG und § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG verkannt. Des Weiteren stehe der Schutz der exekutiven Eigenverantwortung als ungeschriebener Versagungstatbestand dem geltend gemachten Anspruch entgegen. Abschließend rügt die Beklagte, dass das Ermessen im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des erledigten Teils der Klage nicht sachgerecht ausgeübt worden sei.
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Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet und demnach zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht den Informationszugangsanspruch bejaht und die Berufung zurückgewiesen hat (1.). Soweit die Beklagte ausdrücklich eine Korrektur der Kostenentscheidung bezüglich des in der Berufungsinstanz für erledigt erklärten Teils des Verfahrens begehrt, ist die Revision bereits unzulässig und gemäß § 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen (2.).
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1. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zugang zu den noch im Streit stehenden Unterlagen des Bundesministeriums der Justiz ohne Verstoß gegen Bundesrecht bejaht. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist eröffnet (a). Versagungsgründe stehen dem Anspruch nicht entgegen (b).
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a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Das Bundesministerium der Justiz zählt zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG grundsätzlich zur Auskunft verpflichteten Behörden; die gesetzesvorbereitende Tätigkeit als Teil des Regierungshandelns ist hiervon nicht ausgenommen.
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aa) Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Definition des Begriffs der Behörde, der in einem organisatorisch-institutionellen oder in einem funktionellen Sinn verwendet werden kann. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG legt indessen ein funktionelles Verständnis nahe, indem sie bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig macht. Dieses auf die Aufgabe bezogene Merkmal kennzeichnet dann sowohl die in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG als auch die im folgenden Satz genannten Anspruchsverpflichteten. Die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt dies durch den Verweis auf § 1 Abs. 4 VwVfG (BTDrucks 15/4493 S. 7). Danach sind Behörden alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.
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aaa) Der Begriff der Stelle hat einen organisationsrechtlichen Bezug. Er bezeichnet eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit und meint jede Person des öffentlichen Rechts und ihre Organe, d.h. jede Organisationseinheit, die durch Organisationsrecht gebildet, vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach den einschlägigen Zuständigkeitsregelungen berufen ist, unter eigenem Namen eigenständige Aufgaben wahrzunehmen (Urteil vom 20. Juli 1984 - BVerwG 7 C 28.83 - BVerwGE 70, 5 <13> = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 198; vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 1 Rn. 241, 248 f.). Beim Bundesministerium der Justiz als einer Behörde im organisationsrechtlichen Sinne sind diese Voraussetzungen ohne Weiteres gegeben.
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bbb) Nach materiellen Kriterien entscheidet sich, ob die Aufgaben der Stelle dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt allerdings nicht weiter. Denn damit werden nur einzelne typische Merkmale der Verwaltung hervorgehoben, ohne allerdings ihre Vielfalt abschließend zu erfassen. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die den Bereich der Verwaltung im Wege der Subtraktionsmethode allein in Abgrenzung von den anderen Staatsfunktionen ermittelt (vgl. nur Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, § 1 Rn. 5 ff. m.w.N.). Dieser Ansatz führt zu einem weiten Verständnis der Verwaltung, wenn in Anlehnung an den in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Gewaltenteilung bzw. der Funktionentrennung die Verwaltung mit der vollziehenden Gewalt gleichgesetzt und lediglich der Gesetzgebung und der Rechtsprechung gegenübergestellt wird. Der Bereich der Verwaltung fällt demgegenüber enger aus, wenn - wie nach Ansicht der Beklagten geboten - innerhalb der Exekutive die typischerweise gesetzesgebundene Verwaltung von der Aufgabe der Regierung unterschieden wird, die Anteil an der Staatsleitung hat und in den allein von der Verfassung gesetzten rechtlichen Grenzen Ziele und Zwecke des staatlichen Handelns vorgibt (vgl. etwa Schröder, HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 106 Rn. 4, 10 f., 29 f.).
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Wenn auch im Staatsrecht die Eigenständigkeit der Regierungsfunktion betont wird, so weist der Rechtsbegriff der Verwaltung gleichwohl einen gesetzesübergreifend allgemein gültigen Inhalt nicht auf; er ist vielmehr je eigenständig zu bestimmen (vgl. Ehlers a.a.O. Rn. 12). Der Normtext kann insoweit aus sich heraus aussagekräftig sein. So spricht etwa § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG von der "Regierung und anderen Stellen der Verwaltung" und gibt damit für einen unionsrechtlich determinierten Ausschnitt des Informationsfreiheitsrechts (siehe Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen) zu erkennen, dass die Verwaltung umfassend verstanden wird (siehe hierzu auch Urteil vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1 Rn. 21). Fehlt es wie hier im Gesetzestext an ausdrücklichen Hinweisen auf das maßgebliche Normverständnis, ist auf den jeweiligen Regelungszusammenhang und das Regelungsziel des Gesetzes abzustellen. Das führt hier zu einem weiten Verständnis der Verwaltung und hieran anknüpfend zu einem umfassenden Begriff der Behörde.
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(1) Für den Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes wird die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts geprägt.
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Zum einen verweist das Informationsfreiheitsgesetz insoweit nicht auf das Verwaltungsverfahrensgesetz. Vielmehr übernimmt das Informationsfreiheitsgesetz nur den dort normierten Behördenbegriff (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 79). Die zum Verwaltungsverfahrensgesetz ergangene Rechtsprechung, die u.a. mit dem Begriff des Regierungsakts einen gesonderten Bereich der Regierungstätigkeit anerkennt, bezieht sich demgegenüber auf den Begriff der Verwaltungstätigkeit nach § 1 Abs. 1 VwVfG, die den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibt und somit dem Individualrechtsschutz beim Verwaltungshandeln verpflichtet ist (siehe Schmitz a.a.O. § 1 Rn. 83, 165 ff., 186 ff.; vgl. auch Pieper, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2008, S. 59 <75 f.>). Darum geht es beim Informationsfreiheitsgesetz aber nicht. Zwar wird mit dem Antrag auf Informationszugang ein eigenes Verwaltungsverfahren eröffnet. Dessen Anknüpfungspunkt, die begehrte amtliche Information, muss aber nicht aus einem behördlichen Handeln stammen, das als solches dem Verwaltungsverfahrensgesetz unterliegt.
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Zum anderen kann ein enger Bezug zum Verwaltungsverfahrensgesetz auch nicht mit der Erwägung bejaht werden, dass das Informationsfreiheitsgesetz der Sache nach verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen enthalte. Denn das Informationsfreiheitsgesetz gewährt einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch auf Informationszugang, der sich vom Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren grundlegend unterscheidet (Beschluss vom 15. Oktober 2007 - BVerwG 7 B 9.07 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 20; vgl. etwa Gusy, GVwR, Bd. II, § 23 Rn. 81 ff. m.w.N.).
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(2) Gibt demnach der gesetzesübergreifende Regelungszusammenhang für ein enges Verständnis von Verwaltung nichts her, ergeben sich aus einer Zusammenschau der Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG demgegenüber Anhaltspunkte für ein umfassendes Verständnis. Ausgehend von einem funktionellen Behördenbegriff hat die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG für die sonstigen Bundesorgane und -einrichtungen keine konstitutive Bedeutung (Schoch a.a.O. § 1 Rn. 90). Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichte sowie Bundesbank vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (BTDrucks 15/4493 S. 7 f.). Ein entsprechender und bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beklagten gleichfalls klarstellender Hinweis, dass bei einem wichtigen Teil der von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erfassten Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, nämlich den obersten Bundesbehörden, ein ganz bedeutender Ausschnitt ihrer Tätigkeit ausgenommen sein soll, fehlt indessen. Das legt den Schluss nahe, dass § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG im Wesentlichen den Bereich der Staatstätigkeit bezeichnen soll, auf die sich die Informationspflicht nicht erstreckt. Davon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs aus, nach der "nach § 1 Abs. 1 (...) nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten, (...) der Rechtsprechung und sonstiger unabhängiger Tätigkeiten vom Informationszugang ausgenommen bleiben" soll (BTDrucks 15/4493 S. 8).
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(3) Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung ist letztlich das Regelungsziel des Gesetzes. Sinn und Zweck des Gesetzes erschließen sich insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien. Hiernach spricht, wie bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, alles für ein weites Verständnis (so auch Schoch a.a.O. § 1 Rn. 84, 88; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 111 ff.; Gurlit, Verw 2011, S. 75 <84 ff.>; Schaar, Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2010, S. 1 <4 ff.>; Sokol, in: FS Jaeger, 2011, S. 573 <587>; a.A. etwa Pieper a.a.O. <68 ff.>).
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Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen (BTDrucks 15/4493 S. 6). Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. In Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ohne Weiteres davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallen sollte und sich Ausnahmen - jedenfalls grundsätzlich - nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so lässt sich erklären, dass die Begründung des Gesetzentwurfs, der im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht widersprochen worden ist, ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Entsprechendes hat insbesondere für den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. a IFG zu gelten. Auch die ausdrückliche Einordnung der Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit (BTDrucks 15/4493 S. 7) kann nicht als rechtsirrig und deshalb unbeachtlich abgetan werden.
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bb) Dieser Auslegung des Begriffs der Verwaltung, der sich grundsätzlich auch auf das Regierungshandeln erstreckt, stehen verfassungsrechtliche Vorgaben nicht entgegen. Die Einwände der Beklagten greifen nicht durch.
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aaa) Die im Grundgesetz verwirklichte Staatsform der repräsentativen Demokratie mit der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Ermöglichung einer informellen öffentlichen Kontrolle auch des Regierungshandelns durch einen grundsätzlich umfassenden Informationszugang.
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In der parlamentarischen Demokratie wird die Herrschaft des Volkes durch die Wahl der Volksvertretung mediatisiert, also nicht dauernd unmittelbar ausgeübt. Die Wahl ist dabei das wesentliche Element des Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen (BVerfG, Urteil vom 3. März 2009 - 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 - BVerfGE 123, 39
). Im Wahlakt erschöpft sich dieser Prozess allerdings nicht. Denn das Recht des Bürgers auf Teilhabe an der politischen Willensbildung äußert sich nicht nur darin, sondern auch in der Einflussnahme auf den ständigen Prozess der politischen Meinungsbildung, der Bildung der "öffentlichen Meinung" (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56 <98>). Die demokratische Ordnung ist deswegen durch einen parlamentsübergreifenden Prozesscharakter gekennzeichnet (vgl. Dreier, in ders. , GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2008, Art. 20 Rn. 83). Die parlamentarische Kontrolle der Regierung, die den demokratischen Verantwortlichkeitszusammenhang gegenüber dem Repräsentationsorgan herstellt, schließt deswegen eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, nicht aus. Vielmehr können sich diese verschiedenen Kontrollen auch ergänzen (vgl. Böckenförde, HStR, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 34 Rn. 19; sowie Scherzberg, GVwR, Bd. III, § 49 Rn. 126; Kahl, GVwR, Bd. III, § 47 Rn. 210). Dieser staatsrechtlichen Verortung des vom Informationsfreiheitsgesetz ermöglichten Informationszugangs steht nicht entgegen, dass er als Jedermannsrecht nicht dem Staatsbürger als dem Zurechnungsendsubjekt der demokratischen Legitimation der Staatsgewalt vorbehalten ist. Denn der auf die demokratische Willensbildung bezogene Wirkungszusammenhang wird durch eine in personeller Hinsicht überschießende Regelung nicht beeinträchtigt.
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bbb) Soweit die Beklagte auf die besondere Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung verweist, so ist dem zunächst unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen (siehe unten, 1. b) cc)).
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b) Versagungsgründe stehen dem Anspruch auf Zugang zu den streitigen Unterlagen nicht entgegen. Für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der von der Beklagten für die hausinternen Vorlagen für die Ministerin in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ist nichts dargetan.
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aa) Die Berufung auf § 3 Nr. 4 IFG geht fehl. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Die Unterlagen der Ministerin werden vom damit gewährleisteten besonderen Geheimnisschutz nicht erfasst. Denn die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach § 6 BMinG zählt ebenso wenig wie die im Beamtenrecht geregelten Verschwiegenheitspflichten (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 37 BeamtStG) zu den besonderen Amtsgeheimnissen (vgl. hierzu Urteil vom 24. Mai 2011 - BVerwG 7 C 6.10 - NVwZ 2011, 1012 Rn. 15).
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bb) § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG steht dem Informationsanspruch ebenso wenig entgegen. Nach dieser Bestimmung soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt wird. Ob die hausinternen Vorlagen für die Ministerien in diesem Sinne zu den Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung zählen, kann dahinstehen. Denn der Versagungsgrund greift jedenfalls wegen der zeitlichen Abläufe nicht ein.
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Der mit § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG bezweckte Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses ist zeitlich begrenzt und endet spätestens mit dem Abschluss des Verfahrens (Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Dabei kann ein Verfahren nicht nur durch eine Sachentscheidung beendet werden; es kann sich auch auf andere Weise erledigen, etwa wenn das beabsichtigte Vorhaben nicht mehr weiterverfolgt werden soll oder wenn veränderte Umstände eine Entscheidung entbehrlich machen. Nach den von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die im Anschluss an den Prüfauftrag des Bundesverfassungsgerichts im Bundesministerium der Justiz angestellten Erwägungen und Untersuchungen zur Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns durch den zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 - (BVerfGE 127, 132) überholt. Das Verfahren hat sich insoweit erledigt und ein Schutz durch § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG ist entfallen. Aber selbst wenn man im Anschluss an die Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung annehmen wollte, dass auch diese Unterlagen im Hinblick auf die weiterhin anstehende - nun durch das Bundesverfassungsgericht zwingend vorgegebene - gesetzliche Neuregelung von Bedeutung sein können und sich folglich auf einen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess beziehen, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Sache nach die Verweigerung des Informationszugangs gerechtfertigt wäre. Inwieweit durch eine Veröffentlichung dieser Unterlagen der Erfolg der Entscheidung - hier gegebenenfalls die Formulierung und Einbringung eines Gesetzentwurfs - vereitelt werden könnte, erschließt sich nämlich nicht.
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cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich darauf, dass dem begehrten Informationszugang der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegenstehe.
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Diese ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein (siehe zuletzt BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78
). Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Denn ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbstständigen Funktion beeinträchtigen. Schließlich gilt, dass Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen umso schutzwürdiger sind, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber der parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen.
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Der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit muss sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt (BTDrucks 15/4493 S. 12). Dessen Anliegen überschneidet sich indessen jedenfalls teilweise mit geschriebenen Versagungsgründen, insbesondere dem nach § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann dabei über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011 - BVerwG 7 B 14.11 - NVwZ 2011, 1072 Rn. 5). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind auch offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung. Hiernach spricht viel dafür, dass den verfassungsrechtlichen Vorgaben bereits im Rahmen der vorrangig zu prüfenden gesetzlich normierten Versagungsgründe Rechnung getragen werden kann. Falls sich gleichwohl Schutzlücken auftun sollten, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen. Ob eine solche Sondersituation hier gegeben ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn es ist nichts dafür dargetan, dass die streitigen Ministervorlagen am Schutz des Kernbereichs teilhaben. Die Beklagte trägt hierzu lediglich vor, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, auch künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könne. Es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Mit diesem Vorbringen, das im Übrigen das Bild einer Ministerialverwaltung mit einem eher geringen Selbstbewusstsein zeichnet, wird die Beklagte dem Erfordernis nicht gerecht, die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar zu belegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 110, 199
). Die Beklagte macht letztlich geltend, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssten und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürften. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit des Ministeriums entgegen den abweichenden und in Kenntnis der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Kernbereichsschutz getätigten Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Das überzeugt nicht.
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2. Soweit die Beklagte sich auch gegen die Kostenentscheidung bezüglich des für erledigt erklärten Teils des Berufungsverfahrens wendet und meint, dass die Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO von Rechts wegen zu beanstanden sei, ist die Revision unzulässig und deshalb zu verwerfen. Die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Das gilt grundsätzlich auch im Falle einer Teilerledigungserklärung, bei der die einheitliche Kostenentscheidung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruht (Beschluss vom 7. August 1998 - BVerwG 4 B 75.98 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 115; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 158 Rn. 33 ff.). Ob Abweichendes ausnahmsweise dann anzunehmen ist, wenn die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen für die Kostenentscheidung bezüglich des streitigen Teils mit den nach § 161 Abs. 2 VwGO identisch sind (so Urteil vom 8. September 2005 - BVerwG 3 C 50.04 - Buchholz 316 § 49a VwVfG Nr. 5), kann dahinstehen. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor. Denn bezüglich der Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits hat das Oberverwaltungsgericht nicht etwa auf die Erfolgsaussichten der Klage abgestellt und insoweit auf die Ausführungen zum nicht erledigten Teil Bezug genommen; es hat die Kostenentscheidung vielmehr auf die Erwägung gestützt, dass die Beklagte den Kläger ohne erkennbare Änderung der Sach- und Rechtslage klaglos gestellt habe. Da die Revision sich nur teilweise als unzulässig erweist, kann sie abweichend von § 144 Abs. 1 VwGO insoweit durch Urteil verworfen werden (Urteile vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 80.88 - Buchholz 436.61 § 18 SchwbG Nr. 6 Rn. 14 sowie vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <340> = Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 50; Neumann a.a.O. § 144 Rn. 12 f.).
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.