Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Jan. 2013 - 3 V 1340/12

ECLI:ECLI:DE:FGST:2013:0110.3V1340.12.0A
bei uns veröffentlicht am10.01.2013

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

1

A. Unter dem 08. Juni 2012 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht ... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Der Antrag ging dort am 12. Juni 2012 ein. In seinem Antrag gab der Antragsgegner Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 125.029,63 € an. Die aufgeführten Forderungen, zu denen auch Säumniszuschläge zählten, seien unanfechtbar festgesetzt. Seit dem 01. April 2011 hätten keine Zahlungen realisiert werden können. Die Antragstellerin selbst habe ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen sei am 06. Juni 2011 fruchtlos verlaufen. Die Pfändungen der Konten bei der B. und der C. vom 05. Januar 2011 sowie der D. und der E. vom 25. März 2011 wie auch die Forderungspfändung bei der F. Werbung GmbH u. Co KG vom 05. Januar 2011 hätten insgesamt lediglich zu Zahlungen i.H.v. 952,16 € geführt.

2

In den Verwaltungsvorgängen findet sich ein vom jetzigen Prozessbevollmächtigten und seinerzeitigem Vorstand der Antragstellerin unterzeichneter Fragebogen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei juristischen Personen. Nach den dortigen Angaben vom 27. Juni 2012 gegenüber dem Insolvenzgericht ist die Antragstellerin nicht zahlungsunfähig und hat ihr Unternehmen im Bereich der Verwaltung noch nicht eingestellt. An Vermögensgegenständen ist lediglich eine Forderung gegen die F. ... AG und Co. KG i.H.v. 130.000,- € angegeben, der Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 100.000,- € gegenüber stünden. Die Forderung sei durch eine Teilabtretung einer Steuererstattung in selber Höhe gesichert.

3

Mit Schreiben vom 06. Juli 2012 an das Insolvenzgericht führte der Antragsgegner aus, das Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Vertreter der Antragstellerin ... sei noch nicht abgeschlossen. Die bis dato festgesetzte Umsatzsteuer für 2009 und 2010 stimme rechnerisch mit den abgegebenen Jahreserklärungen überein. Nach Veranlagung ergäbe sich keine Änderung der Forderungen des Antragsgegners. Zur fruchtlosen Pfändung vom 06. Juni 2011 habe seine Vollziehungsbeamtin vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragstellerin G. Auskunft über deren wirtschaftliche Situation erhalten. Die Antragstellerin sei damit über die bestehenden Forderungen informiert gewesen.

4

Er halte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin aufrecht und folge dem Antrag des „Geschäftsführers“ der Antragstellerin, den Antrag zurückzunehmen, nicht.

5

Die Antragstellerin legt in Fotokopie ein Protokoll über die Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2012 am 05. September 2012 vor, mit der steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. ./. 574.243,- € angemeldet worden sind, aus denen sich ein Steuerbetrag von ./. 109.106,30,- € ergab. Zudem legt sie die Kopie einer nicht unterzeichneten Umsatzsteuervoranmeldung für denselben Voranmeldungszeitraum mit denselben Daten vor.

6

Am 25. September 2012 bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es ordnete die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin und auch an, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

7

Mit Bescheid vom 23. November 2012, den er der Antragstellerin übersandte, setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2012 auf ./. 92.006,17 € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung erhielt er aufrecht. Es ergab sich ein Guthaben in Höhe des Betrags, über dessen Verwendung eine gesonderte Mitteilung ergehe. Die Steuer beruhte einzig auf der Annahme negativer Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 484.243,- €.

8

Mit Bescheid selben Datums, den er gleichfalls der Antragstellerin bekannt gab, setzte er die Umsatzsteuer für 2009 auf 123.014,99 € fest, wobei er die Änderung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützte. Im Ergebnis seiner Abrechnung waren von der Antragstellerin 128.498,57 € zu zahlen, zu denen Zinsen zur Umsatzsteuer für 2009 i.H.v. 4.341,- € traten.

9

Die Antragstellerin legt ein Schreiben vom 28. November 2011 in Kopie vor, mit dem sie dem Antragsgegner „die Steuererklärung und den Jahresabschluss für das Jahr 2010“ übersandt haben will. Mit kopiert ist ein handschriftlicher Vermerk „Keine Steuerbescheide bis heute“.

10

Das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters trägt als Datum den 04. Dezember 2012. Forderungen gegen den Antragsteller werden nicht ausgewiesen, die ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten hingegen mit 125.030,- €. Sie werden nicht spezifiziert. Es werden Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber anderen Gläubigern als dem Antragsteller genannt.

11

Unter dem 19. Dezember schrieb das Insolvenzgericht an Dr. H., es führe weitere Ermittlungen durch, um eine Entscheidung über den Insolvenzantrag des Antragsgegners treffen zu können. Es habe vom Antragsgegner wie auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter weitere Zuarbeiten erbeten. Soweit Einwendungen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters erhoben würden, werde auf die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht der Antragstellerin hingewiesen. Zur Glaubhaftmachung der Einwendungen bzgl. des Anlagevermögens und der Höhe der Verbindlichkeiten seien dem Insolvenzgericht binnen einer Frist von drei Wochen Belege, Urkunden, Verträge, evtl. HRB-Auszüge, Wertgutachten bzw. die benannte aktuelle Jahresbilanz vorzulegen. Die von der Antragstellerin vorgelegte Kopie des Schreibens trägt einen den 27. Dezember 2012 ausweisenden Stempelabdruck, handschriftlich ist der 17. Januar 2013 notiert.

12

Ebenfalls unter dem 19. Dezember 20012 erließ der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin eine Prüfungsanordnung hinsichtlich Körperschafts-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 2008 bis einschließlich 2010, der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf und des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010 sowie von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010. Die Prüfung werde voraussichtlich am 05. Februar 2013 beginnen. Zur Vorbereitung möge die Antragstellerin bis zum 15. Januar 2013 einen Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten übersenden.

13

Ausweislich des Handelsregisters ist die F. ... AG & CO KG aufgelöst und liquidationslos erloschen. Unter dem 19. Dezember 2012 sandte der Antragsgegner der Antragstellerin „als persönlich haftender Gesellschafter der F. ... AG & Co.KG“ „für“ die KG eine Prüfungsanordnung. Er ordnete eine Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuer für das III. Quartal 2012 an, mit der er voraussichtlich am 17. Januar 2013 beginnen werde, und bat um Übersendung eines Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten bis zum 07. Januar 2013.

14

Der Antrag der Antragstellerin ist beim Finanzgericht am 20. Dezember 2012 eingegangen.

15

Die Antragstellerin legt in Kopie ein Protokoll der Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 der F. ... AG & Co. KG vom 05. November 2012 vor, mit der eine Steuer i.H.v. ./. 60.525,23 € angemeldet wird. Es werde Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 73.670,47 € und abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 74.522,63 € erklärt.

16

Unter dem 30. November 2012 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, würden im einzelnen spezifizierte Forderungen i.H.v. insgesamt 86.285,17 € beglichen, so könne er den Insolvenzantrag für erledigt erklären.

17

Der Antragsteller legt eine Aufstellung offener Forderungen per 04. Januar 2013 vor, nach der er Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 86.879,67 € hat. Er legt eine weitere Aufstellung vor, nach der das Guthaben, dass sich aus dem geänderten Vorauszahlungsbescheid über Umsatzsteuer für Juli 2012 ergab, auf die Umsatzsteuer für 2009 und eine weitere Umsatzsteuerforderung vollständig erloschen ist.

18

Die Antragstellerin trägt vor, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners gegenüber dem Insolvenzgericht habe sie nicht etwa erklärt, sie sei zahlungsunfähig, sondern sich vielmehr für zahlungsfähig erklärt. Sie habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner genannten Steuerforderungen nicht in der von ihm genannten Höhe bestünden. Das Finanzamt J. habe unter dem 23. November 2012 einen Bescheid über Körperschaftsteuer für 2010 erlassen, aus dem sich ergebe, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sich auf ./. 4.955,59 € beliefen, so dass keine Körperschaftsteuer anfalle. – Es handelt sich jedoch um einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb, in dem für die Antragstellerin ein Gewinn festgestellt wird. –

19

Die F. ... AG & Co. KG, sei per 30. Juli 2012 erloschen, nachdem die letzte Kommanditistin die F. ... GmbH & Co. KG, zu jenem Termin ausgeschieden sei. Rechtsnachfolgerin der erloschenen KG sei die Antragstellerin. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 sei angesichts der Festlegung der Quartalszahlung durch den Antragsgegner noch im Namen der erloschenen KG abgegeben worden. Sie, die Antragstellerin, behalte sich eine Korrektur vor.

20

Steuerbescheide für 2010 seien ihr gegenüber trotz nebst Jahresabschluss eingereichter Steuererklärung nicht ergangen.

21

Die Antragstellerin beantragt, dem Antragsteller aufzugeben, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

22

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

23

Er trägt vor, er könne weder die Betriebsprüfungs- noch die zugehörige Arbeitsakte übersenden, da die Akten verwendet würden und sich die zuständigen Mitarbeiter in Urlaub befänden. Ein Stundungs- und Erlassantrag könne nicht festgestellt werden. Der Feststellungsbescheid des Finanzamts J. könne hinsichtlich der Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht berücksichtigt werden.

24

Er hat lediglich die für die Antragstellerin von ihm geführte Vollstreckungsakte vorgelegt.

25

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

26

B. I. Der zulässige Antrag ist begründet.

27

1. Der Antrag ist zulässig.

28

a) Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Halbs. 1 FGO eröffnet.

29

Für die Überprüfung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist – anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; im Ergebnis wohl zustimmend Wehr in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2012, § 14 InsO, Rz 43; a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

30

aa) Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Antrags eines Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten (Finanzgericht Münster Beschluss vom 15. März 2000 12 V 1054/00 AO, DStRE 2000, 668; Finanzgericht des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

31

bb) Dass das Insolvenzgericht das rechtliche Interesse des Gläubigers, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Inso), prüft, führt nicht dazu, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet wäre, obschon gemäß § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht als Insolvenzgericht ausschließlich für das Insolvenzverfahren zuständig ist.

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(1) Das Erfordernis des rechtlichen Interesses soll einem Missbrauch des Insolvenzantrages – etwa zu dem Zweck, Zahlungen solventer Schuldner zu erzwingen – vorbeugen (BT-Drs. 12/2443, S. 113). Die finanzgerichtliche Ermessenskontrolle geht jedoch – auch in den Schranken des Rechtsgedankens des § 102 Satz 1 FGO – über eine bloße Missbrauchskontrolle hinaus.

33

(2) Es mag zutreffen, dass das Insolvenzgericht, wenn es gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, ermittelt, einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch zumindest insoweit prüft, als es das rechtliche Interesse des antragstellenden Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Inso und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit prüft.

34

(3) Dennoch prüft das Insolvenzgericht nicht die im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Abwägung, insbesondere nicht einmal, ob ein solche stattgefunden hat oder ein sog. Ermessensausfall vorliegt (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZinsO 2011, 895; vgl. auch AG Göttingen Beschluss vom 07. August 1998 71 IN 34/98, ZInsO 1998, 190: Prüfung des Ermessens nur in eindeutigen Fällen von Rechtsmissbrauch).

35

Der etwaige Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens kann mithin nur durch den finanzgerichtlichen Rechtsschutz durchgesetzt werden, weswegen der Finanzrechtsweg – neben dem Weg zum Insolvenzgericht – zwingend eröffnet sein muss.

36

(4) Hinzu tritt, dass, sind Forderung und Eröffnungsgrund vom Gläubiger, dem Finanzamt, glaubhaft gemacht, ein rechtliches Interesse an der Insolvenzeröffnung angenommen wird (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; LG Magdeburg Beschluss vom 28. November 2011 11 T 491/11 (087), nachgewiesen bei juris), so dass der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht unter diesem Aspekt hinter demjenigen durch das Finanzgericht zurück bleibt (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

37

(5) Auch fehlt das rechtliches Interesse i.S.d. § 14 Abs.1 Satz 1 InsO nicht, wenn die Forderung nur in geringer Höhe besteht (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411), während ein Antrag der Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerhaft sein kann, wenn die geltend gemachte Forderung eine Bagatellforderung bildet (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002).

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cc) Die Gefahr eines Wettlaufs von Finanz- und Insolvenzgericht (Amtsgericht) besteht nicht (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; zur Synchronisation Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. zur mangelnden Abstimmung von Insolvenzrecht und steuerlichem Verfahrensrecht, Bartone, Vollstreckungsrecht und Insolvenzrecht im Spannungsverhältnis – Aktuelle Einzelfragen und ihre Lösung, AO-StB 2004, 194), obschon der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 13 Abs. 2 InsO nach dessen Eröffnung selbst dann, wenn der Eröffnungsbeschluss nicht rechtskräftig ist, gemäß § 13 Abs. 2 InsO nicht mehr zurückgenommen werden kann (Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 2; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 153; Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 2. Auflage 2011, § 13, Rz 10).

39

(1) Eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens (Zulassungsverfahrens) gem. § 4 InsO i.V.m. § 148 ZPO scheidet allerdings aus (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326; a.A. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248: Aussetzung nach § 148 ZPO analog i.V.m. § 4 InsO), weil es sich bei Insolvenzverfahren um Eilverfahren handelt (BGH-Beschluss vom 29. März 2007 IX ZB 146/06, ZInsO 2007, 604, 605).

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(2) Zu unzumutbaren Verzögerungen des als Eilverfahren ausgestalteten Insolvenzverfahrens (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011) dadurch, dass der Schuldner finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, kann es nicht kommen (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011), da auch ein Ruhen des Insolvenzverfahrens aufgrund des Eilverfahrenscharakters nicht in Betracht kommt (Kirchhof in Kreft, InsO, 6. Aufl. 2011, § 4, Rz 25).

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(3) Die Gefahr, dass der finanzgerichtliche Rechtsschutz angesichts der Regelung des § 13 Abs. 2 InsO zu spät kommt, begründet lediglich dessen außerordentliche Dringlichkeit. – Wie gerade die Entscheidung im Streitfall zeigt, trifft es nicht zu, dass die Insolvenzgerichte schneller als die Finanzgerichte entschieden (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

42

dd) Es mag auch zutreffen, dass das Finanzgericht auch unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht in für das Insolvenzgericht bindender Weise über insolvenzrechtliche Fragen wie Zahlungsunfähigkeit entscheiden kann (so AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, m.w.N.). Denn in Rechtskraft kann lediglich der Tenor der finanzgerichtlichen Entscheidung, nicht hingegen dessen Begründung erwachsen.

43

ee) Daher besteht auch keine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

44

(1) Die Gefahr der unterschiedlichen Auslegung der gesetzlichen Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch verschiedene Spruchkörper, insbesondere solcher ohne gemeinsames Obergericht besteht ohnehin. Nicht die Einheit der Rechtsordnung, sondern allenfalls die Einheit der Rechtsprechung ist in Gefahr. Dieses Phänomen ist jedoch für im Rahmen einer Entscheidung zu klärende Vorfragen bildende Rechtsfragen gerade dann charakteristisch, wenn sie, wären sie nicht lediglich als Vorfragen zu klären, in einem anderen Rechtsweg zu entscheiden wären. Fachnähe und Sachkundigkeit hinsichtlich Vorfragen sind zur Bestimmung des Rechtswegs ungeeignet (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

45

(2) Zu einem Eingriff in die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9; Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895) kommt es somit nicht. Vielmehr entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

46

(3) Es ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Finanzbehörde als Gläubiger und dem Prozessrechtsverhältnis im Insolvenzeröffnungsverfahren zu unterscheiden (vgl. Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9). Im vorliegenden Verfahren wird ausschließlich ersteres untersucht, obschon die Rechtmäßigkeit des eine Prozesshandlung bildenden Insolvenzantrag grundsätzlich im Prozessrechtsverhältnis zu beurteilen ist (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9), erfolgt die Überprüfung des Insolvenzantrags als Ermessensentscheidung im Finanzrechtsweg (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 90; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 152). Auch wenn der Insolvenzantrag wie im Streitfall bereits gestellt ist, sind spezifisch verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte vom Finanzgericht zu prüfen (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 92; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 155).

47

ff) Der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht mag einfacher sein (so Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), effektiver ist er nicht (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Denn das Insolvenzgericht überprüft die Ermessensentscheidung des Finanzamts nicht als solche (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411) und somit auch nicht deren Ausfall, sondern allenfalls einzelne Fehler (vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), jedoch nicht vollständig im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens. Liegen solche vor, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weshalb die Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags zu verpflichten ist. Trotz eines solchen Ermessensfehlers kann jedoch, solange ein Insolvenzantrag gestellt ist, das Insolvenzverfahren aus anderen Gründen durchaus zu eröffnen sein. Auch erfolgt die Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Insolvenzeröffnungsverfahren, obwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, die diesen zu wahren hat, nur im Hinblick auf einen Missbrauch des Antrags durch sachfremde Erwägungen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Es wäre widersprüchlich, dem Schuldner einerseits den finanzgerichtlichen Rechtsschutz zu versagen, ihn andererseits aber auf ein Amtshaftungsverfahren zu verweisen, in dem die Ermessensausübung der Finanzbehörde geprüft werden könne (so aber Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

48

gg) Der Verweis auf ein etwaig fehlendes Spruchrichterprivileg des Insolvenzgerichts ist nicht geeignet, die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts unter Einschränkung des Rechtsschutzes hinsichtlich des Anspruchs auf pflichtgemäßes Ermessen einzuschränken (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

49

hh) Auch aus § 251 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt sich nichts anderes (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411). Die Vorschriften der InsO mögen im sog. Insolvenzeröffnungsverfahren gegenüber denjenigen der AO vorrangig sein. Das vorliegende Verfahren steht jedoch neben dem Insolvenzeröffnungsverfahren. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bezweckt eine Einschränkung gerichtlichen Rechtsschutzes nicht. Die Vorschrift regelt das Verwaltungsverfahren, sie ist nicht prozessualer Natur.

50

b) Der auf eine Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO (a.A. Brandis EFG 2005, 374, Bartone, AO-StB 2004, 194, 195,FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, die eine Sicherungsanordnung annehmen) gerichtete Antrag ist statthaft und insbesondere nicht gemäß § 114 Abs. 5 FGO ausgeschlossen.

51

aa) Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt wird, ein schlichtes hoheitliches (a.A. vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 277) Handeln (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105) und dementsprechend keinen Verwaltungsakt, da der Antrag nicht, wie für einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO erforderlich, auf eine unmittelbare Regelung nach außen gerichtet ist (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 276) und vom Insolvenzgericht überprüft wird (FG des Saarlandes Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021; a.A. Brockmeyer in Klein AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11, und Lippross, Rechtsschutz gegen Konkursanträge der Finanzbehörden, DB 1985, 2482).

52

(1) Der Insolvenzantrag ist lediglich ein Antrag an das Insolvenzgericht, ein bestimmtes Verfahren einzuleiten. Als solcher bildet er eine Prozesshandlung (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 166. Lfg. September 2000, m.w.N.). Rechtswirkungen erzeugen erst bestimmte Maßnahmen des Insolvenzgerichts. Mit dem Antrag wird nicht – unmittelbar – eine Regelung getroffen, sondern eine – unmittelbare – Regelung erst erstrebt (Lohse in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, RZ 18; Fritsch in Pahlke(Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 21; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210). Die unmittelbare Regelung wird erst vom Amtsgericht getroffen (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135).

53

(2) Der Schuldner ist nicht Adressat des Antrages, sondern von ihm nur in Form eines Rechtsreflexes betroffen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411, m.w.N.).

54

(3) Die Auffassung, der Insolvenzantrag bilde einen Verwaltungsakt wird nicht konsequent umgesetzt, wenn vorläufiger Rechtsschutz nur durch eine einstweilige Anordnung, nicht aber durch Aussetzung der Vollziehung gewährt (so aber Brockmeyer in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11; vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275 und 278).

55

bb) Der Antrag nach § 114 FGO entspricht verfahrensrechtlich im einstweiligen Rechtsschutz der in der Hauptsache statthaften Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 Satz 3 FGO (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

56

cc) Es handelt sich um eine Regelungs- und nicht um eine Sicherungsanordnung (vgl. im Ergebnis BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; a.A. Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

57

(1) Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht. Mit der Entscheidung des Finanzgerichts wird der Zustand der Freiheit von einem Insolvenzverfahren allenfalls indirekt gesichert, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt zwar einen Antrag voraus (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO), erforderlich ist jedoch lediglich der Antrag eines Gläubigers, so dass das Insolvenzverfahren auf Antrag eines oder mehrerer weiterer Gläubiger auch dann eröffnet werden kann, wenn das Finanzamt zur Rücknahme seines Antrags verpflichtet wird.

58

(2) Unmittelbar ist der Antrag nicht auf Sicherung eines bestehenden Zustands gerichtet, sondern auf dessen abweichende Regelung, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll dem Begehren der Antragstellerin nach zurückgenommen werden, wo durch sich der bestehende Rechtszustand zu ihren Gunsten ändert (vgl. im Ergebnis FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

59

c) Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Stattgabe macht den Antrag nicht unzulässig.

60

aa) In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes soll freilich regelmäßig keine endgültige Maßnahme zu treffen, die das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehmen würde (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 38, m. w. N.).

61

bb) Allerdings kann die Vorwegnahme der Hauptsache im Einzelfall erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtschutz zu gewährleisten (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 41, m. w. N.).

62

cc) So verhält es sich im Streitfall, weil der Verweis auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren angesichts der gravierenden Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, insbesondere auch im Einzelfall des Antragstellerin, zu irreversiblen Schäden führen würde und ihr deshalb nicht zuzumuten ist.

63

(1) Im Vergleich zu den Nachteilen, die der Antragstellerin mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen drohen, ist die durch die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin getroffene Regelung begrenzt, denn sie hindert den Antragsgegner nicht, unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnissen und erneuter oder erstmaliger Betätigung seines Ermessens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400), während andererseits eine Rücknahme des Antrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.

64

(2) Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht noch vor seiner Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Maßnahmen zu Lasten der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a, 2 (ggf. mit der in § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehenen Folge der Bestellung eines sog. vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters), 4 und 5 sowie Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InsO trifft. Auch weitere Maßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO könnten die Antragstellerin in ihrer Kreditwürdigkeit zusätzlich belasten.

65

(3) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist angesichts der vorgenannten Umstände jedenfalls dann zulässig, wenn in Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nur eine summarische Prüfung erfolgt.

66

dd) Auch ist eine Verpflichtung zu einer – einstweiligen – Einschränkung des Antrags i.S. einer Beschränkung auf das Begehren, einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, nicht möglich, da die InsO einen solchen Antrag nicht zulässt.

67

ee) Es besteht auch nicht die Möglichkeit, als eine Art Zwischenlösung den Antragsgegner zu verpflichten, ein Ruhen des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht zu beantragen, denn auf das Insolvenzverfahren finden die Vorschriften über das Ruhen und die Aussetzung keine Anwendung (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, RZ 92, und § 16, RZ 22, m.wN.; FG Hamburg Beschluss vom 25. April 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. BGH-Beschluss vom 29. Juli 2007 IX ZB 141/06; ZInsO 2007, 604).

68

d) Die Antragstellerin besitzt ein anzuerkennendes gegenwärtiges Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung.

69

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht etwa dadurch, dass das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hat (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

70

(1) Dies ergibt sich bereits aus obigen Erwägungen zur Eröffnung des Finanzrechtswegs.

71

(2) Der Insolvenzantrag erfordert unabhängig von den über den Insolvenzantrag hinausgehenden Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.).

72

(3) Neben die Ermessenskontrolle tritt die Überprüfung des Insolvenzantrags durch das Finanzgericht nach den Vollstreckungsvorschriften der AO (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

73

(4) Es mag zutreffen, das das Insolvenzgericht missbräuchliche, d. h. zu einem anderen Zweck als der gleichmäßigen Befriedigung aller Schuldner gestellte Anträge, wie etwa solche nur zum Druck zur Zahlung oder zur reinen Existenzvernichtung, zurückzuweisen hat (FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, m.w.N.) Es kann jedoch dahinstehen, ob der Antragsgegner lediglich Druck auf die Antragstellerin ausüben will, worauf sein Schreiben vom 30. November 2012 hindeuten könnte, denn in jedem Fall geht die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Finanzgericht über eine bloße Missbrauchs- und Verhältnismäßigkeitskontrolle hinaus (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

74

(5) Auch der Umstand, dass das Insolvenzgericht bereits mit einer inhaltlichen Prüfung des Antrags begonnen und die Antragstellerin zur Stellungnahme aufgefordert hat, würde hieran nichts ändern (a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475).

75

bb) Das Bedürfnis nach finanzgerichtlichem Rechtsschutz im Wege der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners besteht solange fort, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschossen oder aber den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122, vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, und vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).

76

cc) Das Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere nicht etwa mit der Bestellung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters entfallen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris). Vielmehr droht der Antragstellerin, nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter sein Gutachten vorgelegt hat, die Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters und darüber hinaus die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

77

2. Der Antrag ist begründet.

78

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

79

Ein Erfolg des Antrags setzt voraus, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), und einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO; vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

80

a) Ein Anordnungsgrund liegt vor.

81

Es kann dahinstehen, ob der Anordnungsgrund bereits aus der Natur der Sache folgt, weil wegen der weitreichenden, regelmäßig nicht wieder rückgängig zu machenden Wirkungen eines erfolgreichen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder seiner Ablehnung wegen fehlender Masse, die Dringlichkeit der Entscheidung keiner weiteren Glaubhaftmachung bedarf (so FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris; a.A. Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) auch wenn sie jeden Insolvenzschuldner treffen und üblicherweise mit dem Insolvenzantrag oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sind (a. A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877).

82

aa) Selbst wenn die im Schreiben des Insolvenzgericht gesetzte Frist erst mit dessen Zugang zu laufen begonnen haben sollte, so würde eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens nunmehr, auch insoweit ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wie stets im Hinblick auf den Anordnungsgrund (Dombert in Finkelnburg / Dombert, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren 6. Aufl. 2011, S. 335) maßgeblich, binnen Wochenfrist drohen, was auch in zeitlicher Hinsicht zu einem Anordnungsgrund führt.

83

bb) Im Übrigen dürften auch die zumindest ebenso zeitnah zu besorgenden weiteren o.g. Maßnahmen des Insolvenzgerichts Anordnungsgründe bilden.

84

cc) Selbst wenn es bei Insolvenzgerichten gängige Praxis sein sollte, Verfahren, wenn parallel zum Insolvenzeröffnungsverfahren eine Leistungsklage auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim Finanzgericht anhängig gemacht worden ist, nicht zu fördern, sondern die Insolvenzgerichte i.d.R. mit Rücksicht auf § 13 Abs. 2 InsO, d.h. die Erledigung des Insolvenzantragsverfahrens durch Antragsrücknahme, die Entscheidung der Finanzgerichtsbarkeit abwarten sollten (so Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248), entfällt der Anordnungsgrund nicht.

85

b) Die Antragstellerin besitzt einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme seines Insolvenzantrags.

86

aa) Allerdings hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner den Insolvenzantrag gestellt hätte, ohne das zu erkennen wäre, dass er das ihm eingeräumte Ermessen betätigt hätte.

87

bb) Es kann dahinstehen, ob es eines solchen Vortrags auch hinsichtlich eines Ausfalls des Ermessens bedarf (so Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) oder aber ein solcher Vortrag nicht erforderlich ist, weil es sich beim Ausfall des Ermessens um eine negative Tatsache handelt .

88

(1) Der Antragsgegner hat trotz der Hinweise des Berichterstatters darauf, dass die Finanzbehörde bei der Entscheidung, ob sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantrage, eine Ermessensentscheidung zu treffen habe und maßgeblich für deren Beurteilung womöglich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, weder vorgetragen, er habe sein Ermessen betätigt noch Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Betätigung eines Ermessens erkennen ließe. Insbesondere lassen die vorgelegten Vollstreckungsakten keinerlei Betätigung des Ermessens erkennen.

89

(2) Unstreitige Tatsachen – wie im Streitfall die Nichtbetätigung des Ermessens – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533; § 114 Abs. 2 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

90

bb) Wenn der Antragsgegner seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrecht erhält, ohne sein Ermessen zu betätigen, so verletzt er das subjektive Recht der Antragstellerin auf dieses aktuell.

91

(1) Die Stellung des Insolvenzantrags bildet eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde (Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt, AO, 20. Aufl. 2011, § 251, Rz 8) gestellte Vollstreckungsmaßnahme (FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO). Der Abgabenschuldner hat Anspruch auf die Betätigung des Ermessens durch die Behörde, insbesondere eine Begründung der Ermessensentscheidung, in der die angestellten Überlegungen und der Gang des Abwägungsprozesses erkennbar werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens hat das Finanzamt die sich aus dem jeweiligen Steuerrechtsverhältnis ergebenden konkreten Besonderheiten umfassend zu würdigen (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).Es sind die Belange des Schuldners und die wirtschaftlichen Auswirkungen mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzuwägen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 279; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzamts, AO-StB 2007, 210).

92

Eine Begründung der im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Ermessensentscheidung ist allerdings ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Formalität bildete, da die Gründe offensichtlich sind, insbesondere wenn dem Betroffenen die Auffassung der Finanzbehörde hinsichtlich der Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar ist (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Streitfall jedoch ist dies gerade im Hinblick auf eine Interessenabwägung nicht der Fall.

93

Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Rücknahme des Insolvenzantrags, wenn die in dessen Stellung liegende Ermessensentscheidung diese Erfordernisse – wie im Streit-
fall – nicht erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

94

(2) Es kann dahinstehen, ob § 102 FGO auf den Insolvenzantrag unmittelbare Anwendung findet (bejahend BFH-Beschlüsse vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002, und vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), obwohl es sich bei der Stellung des Insolvenzantrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt, weshalb auch für ein Aufrechterhalten eines solchen Antrags keinen Verwaltungsakt bilden kann. Denn:

95

(a) Entweder ist § 102 Satz 1 FGO entsprechend anwendbar, wogegen freilich spricht, dass die Einschränkung des § 102 Satz 2 FGO dann ebenfalls entsprechend anzuwenden sein dürfte,

96

(b) oder aber ein behördliches Ermessen ist im gerichtlichen Verfahren, wenn es sich nicht in einem Verwaltungsakt niedergeschlagen haben kann, angesichts des klarstellenden Charakters des § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt überprüfbar.

97

(c) In jedem Fall jedoch kann geprüft werden, ob es zu einem sog. Ermessensausfall gekommen ist, d.h. gar keine Abwägungentscheidungserheblicher Umstände und der wirtschaftlichen Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles erfolgt ist (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

98

(3) Zu beurteilen ist nicht, ob die Stellung des Insolvenzantrags seinerzeit ermessensgerecht war. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist vielmehr der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

99

(a) Die Prüfung durch das Gericht hat sich auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (FG des Saarlands Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, hinsichtlich einer Leistungsklage; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 01. Juni 2007 1 V 990/07, DZWIR 2007, 326, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris, Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, FG Köln Beschluss vom 26 Juni 2008 6 V 973/08, EFG 2009, 870; Brandis, EFG 2005, 374, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 22; a.A. Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; offengelassen in BFH-Beschlüssen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

100

(b) Sind die vom Finanzamt zu diesem Zeitpunkt für die Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrages angegebenen Gründe ermessensgerecht, kann es daher (im Klageverfahren) nicht mehr zur Rücknahme dieses Antrages verurteilt werden, nur weil die vormals bei Stellung des Antrages angegebenen Gründe gegebenenfalls ermessensfehlerhaft waren. Umgekehrt muss das Finanzamt (im Klageverfahren) zur Rücknahme des Insolvenzantrages verurteilt werden, wenn die Antragsvoraussetzungen zwar bei Stellung des Antrages vorgelegen haben, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht mehr gegeben sind (FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

101

(4) Anders als im Falle des Begehrens der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde ist, da die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nicht formell bestandskräftig werden kann, nicht zwischen einem Ermessen hinsichtlich einer gedachten Stellung des Insolvenzantrags im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und der Aufrechterhaltung in Form eines Verzichts auf die Rücknahme des Insolvenzantrags zu unterscheiden.

102

(5) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidungen nicht nur in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 102 Satz 2 FGO ergänzen, sondern eine Ermessensentscheidung, gerade weil kein Verwaltungsakt vorliegt, so dass § 102 Satz 2 FGO und auch § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar sind (FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11) völlig neu (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, und Lindwurm, Zulässigkeit eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, AO-StB 2011, 136) oder sogar unter erstmaliger Betätigung ihres Ermessens treffen darf. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner sein Ermessen betätigt oder auch nur erkannt hätte.

103

(a) Eine ursprüngliche Ermessensbetätigung, an der der Antragsgegner festhielte, ist nicht zu erkennen.

104

(b) Auch eine spätere Betätigung des Ermessens durch den Antragsgegner lässt sich nicht feststellen.

105

(c) Freilich hat der Antragsgegner Einzelvollstreckungsmaßnahmen ergriffen, durch die er keine vollständige Befriedigung seiner Forderungen gegen die Antragstellerin erlangt hat, was letzterer bekannt ist. Ebenso ist ihr bekannt, dass die Stellung des Insolvenzantrags eine Reaktion auf die unvollständige Befriedigung der Forderungen im Wege der Einzelvollstreckung ist.

106

(d) Dennoch ist aber, insbesondere in Ermangelung einer Reaktion auf die Hinweise des Berichterstatters auf die zu treffende Ermessensentscheidung, nicht erkennbar, dass der Antragsgegner überhaupt erkannt hätte, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

107

cc) Unabhängig vom Ausfall des Ermessens läge ein Ermessensdefizit vor, das einen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Insolvenzantrags begründete:

108

(1) Ist aus den Erwägungen der Finanzbehörde nicht zu erkennen ist, dass es neben ihr noch weitere Gläubiger desselben Schuldners gibt, liegt ein Ermessensdefizit vor, zumal das Insolvenzverfahren nicht der Befriedigung lediglich eines einzigen Gläubigers dienen darf (vgl. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. § 1 Satz 1 InsO: „die Gläubiger“; vgl. auch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge – Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311) und die Finanzbehörde die Möglichkeit hat, sich durch die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses pflichtgemäß Kenntnis von Verbindlichkeiten ihres Schuldners gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen (Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248). Ist die Finanzbehörde nach ihrer Kenntnis der einzige Gläubiger des Schuldners, so entspricht der Insolvenzantrag nicht den gesetzlichen Zielvorstellungen der Insolvenzordnung, nämlich der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (Schmerbach in FK-InsO, 6. Aufl. 2011, § 1, Rz 2; Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Kießner in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582; a.A. Schmerbach in FK-InsO, 6.Aufl. 2011, § 14, Rz 68) und ist hierdurch ermessensfehlerhaft (vgl. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

109

Nach Aktenlage ist nicht zu ersehen, dass der Antragsgegner Kenntnis von Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber weiteren Gläubigern gehabt hätte oder hätte und diese Kenntnis in seine Entscheidung über die Stellung des Insolvenzantrags oder aber dessen Aufrechterhalten einbezogen hätte.

110

(2) Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht im Gegensatz zum Finanzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Steuerforderungen der Finanzbehörde aus einem vollziehbaren Steuerbescheid. Das Insolvenzgericht darf somit einen Grund für die von der Finanzbehörde beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann annehmen, wenn über die Forderungen, auf die die Eröffnung gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist (BGH-Beschluss vom 06. Mai 2010 IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091).

111

(a) Die fehlende Bestandskraft einer Steuerfestsetzung steht einem in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gestellten Insolvenzantrag der Finanzbehörde nicht von vornherein entgegen (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Allein der Umstand, dass der Steuerbescheid vollziehbar ist, schließt jedoch nicht aus, dass die Berücksichtigung der sich aus ihm ergebenden Forderung ermessensfehlerhaft ist (a.A. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

112

(b) Wenn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, aber noch nicht beschieden oder aber der Einspruch gegen deren Ablehnung noch nicht beschieden worden ist, muss die Finanzbehörde trotz der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281) prüfen, ob und inwieweit Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids oder eines ihm zugrundeliegenden Grundlagenbescheids bestehen (Carlé, Einleitung des Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; vgl. FG Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419). Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, so ist es ermessensfehlerhaft, den Insolvenzantrag auf den angefochtenen Bescheid zu stützen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281; Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 22; wohl bejahend FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; auch für den Fall überwiegender Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, in Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 20. November 1984 VII B 39/84, ZIP 1985, 1160; vgl. auch BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400).

113

(c) Zu beachten ist hier die Selbstbindung der Finanzverwaltung durch die Vollstreckungsanweisung (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275). I.d.R. ist die Finanzbehörde infolgedessen gehalten, zunächst über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Hat der Vollstreckungsschuldner wegen Rückständen, die der Vollstreckungsstelle bereits mitgeteilt worden sind, Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO) beantragt, soll über die Anträge gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 1 VollstrA unverzüglich entschieden werden. Die Vollstreckungsstelle hat sodann gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 4 VollstreckA zu entscheiden, ob Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder bereits begonnene Vollstreckungsverfahren eingestellt, beschränkt oder fortgeführt werden sollen. Das Vollstreckungsverfahren ist einzuleiten oder fortzuführen, wenn die Anträge aussichtslos erscheinen, wenn sie offensichtlich nur den Zweck verfolgen, das Vollstreckungsverfahren hinauszuschieben oder wenn Gefahr im Verzug besteht Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 1 VollstrA.

114

(d) Dasselbe gilt, wenn das Gericht noch nicht über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO entschieden hat oder aber über die gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gerichtete Beschwerde noch nicht entschieden worden ist.

115

(e) Womöglich gilt dasselbe auch dann, wenn der Verwaltungsakt mit dem Einspruch angefochten ist, kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, über den Einspruch jedoch noch nicht entschieden ist (so Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), weil gemäß § 361 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 AO und § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung auch von Amts wegen gewähren kann. Dieser Auffassung könnte jedoch § 256 AO, sollte er auf den Insolvenzantrag anwendbar sein, zumindest jedoch dessen Rechtsgedanke entgegen stehen (vgl. Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419; a.A. Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), wenn nämlich § 251 Abs. 2 Satz 1 AO lediglich bestimmt, dass die Vorschriften der InsO über die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens unberührt bleiben, dies jedoch den Umstand, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Maßnahme im Vollstreckungsverfahren bildet, nicht tangiert (so BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, zur KO). In letzterem Fall bildete die Stellung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eine Obliegenheit des Steuerschuldners (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282).

116

(3) Ist ein Verwaltungsakt, aus dem sich eine offene Forderung der Finanzbehörde ergibt, zwar formell, jedoch nicht materiell bestandskräftig, so hat sie dessen Rechtmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt seiner Änderbarkeit im Rahmen der Betätigung ihres Ermessens zu prüfen (vgl. Carlé, Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage, AO-StB 2002, 428; vgl. auch Carlé Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; a.A. Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582).

117

(aa) Auch wenn ein Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid nicht von der Steuererklärung abweicht, ist die Änderungsmöglichkeit von Amts wegen bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Es mag unwahrscheinlich sein, dass die Steuer zu hoch festgesetzt ist, wenn der Schuldner keine substantiierten Einwendungen gegen den Verwaltungsakt vorbringt (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282; vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch angesichts der Gebundenheit des Verwaltungsakts unerheblich (offen gelassen von Dißars in Schwarz, AO, 148. Lfg. Mai 2012, § 251, Rz 32). Vielmehr hat die Finanzbehörde von Amts wegen zu untersuchen und die zutreffende Regelung zu treffen (§§ 85 und 88 Abs. 1 und 2 AO). Dies muss um so mehr gelten, wenn eine Außenprüfung bereits angeordnet ist (vgl. AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950).

118

(bb) Eines Änderungsantrags des Schuldners bedarf es nicht, soweit die Änderung des Verwaltungsakts einen solchen nicht voraussetzt (§ 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 173 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO, § 174 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017); vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, zu Schätzungsbescheiden; vgl. auch AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden; a.A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden). Denn in diesem Fall trifft die Finanzbehörde eine Pflicht zu Änderung von Amts wegen. Auch auf eine vorläufige Steuerfestsetzung kann ein Insolvenzantrag nach obigen Maßgaben gestützt werden. Sie ist nicht notwendig mit einer zu großen Unsicherheit belastet (a.A. Frotscher, Besteuerung in der AO, 7. Aufl. 2010, S. 282).

119

(4) Allerdings schließt eine vorläufige Festsetzung oder Feststellung die Stellung eines Insolvenzantrags nicht aufgrund der ihr anhaftenden Unsicherheit in dem Sinne aus, dass sie fehlerhaft wäre (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Auch ist ein teilweiser Ausschluss der Stellung eines Insolvenzantrags nicht denkbar (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Denn die Finanzbehörde hat eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Antragstellung zu treffen, in der sie die Vorläufigkeit berücksichtigt. Hierbei kann sie auch berücksichtigen, dass der Insolvenzantrag auch ohne Berücksichtigung der sich aus dem vorläufigen Verwaltungsakt ergebenden Forderung im Hinblick auf Überschuldung und / oder (drohende) Zahlungsunfähigkeit gerechtfertigt ist. Diese Überlegungen dürfen jedoch nicht bei der Betätigung des Ermessens außen vor bleiben.

120

(5) Im Streitfall braucht dennoch nicht entschieden zu werden, ob womöglich aufgrund von Einsprüchen, Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung oder fehlender materieller Bestandskraft der Steuerbescheide mit den die vom Antragsgegner geltend gemachten Forderungen Ermessensüberschreitungen (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877) und / oder Ermessensfehler des Antragsgegners vorliegen oder auch dem Antrag bereits deshalb stattzugeben ist, weil der Antragsgegner trotz ausreichender Gelegenheit die Steuerakten nicht vorgelegt hat, denn dem Antrag ist bereits aus obigen Gründen stattzugeben (vgl. hierzu auch BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533).

121

dd) Es kann somit dahinstehen, ob die Antragstellerin im Wege der Anwachsung Gesamtrechtsnachfolgerin der liquidationslos vollbeendeten F. ... AG & Co. KG geworden ist, weil sie deren einzige Komplementärin war und sämtliche Kommanditisten ausgeschieden sind. – Sollte dies der Fall sein, so wären die gegen die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin gerichteten Forderungen des Antragsgegners ebenso wie seine Verbindlichkeiten ihr als der gen. Gesamtrechtsnachfolgerin gegenüber zu berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn solche Verbindlichkeiten des Antragsgegners bestehen sollten, läge ein Ermessensfehler vor, weil er sie nach Aktenlage nicht berücksichtigt hätte.

122

ee) Es kann dahinstehen,

- ob die erfolglosen Einzelvollstreckungsmaßnahmen ausreichend zeitnah (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 283) zum Beurteilungszeitpunkt erfolgt sind

- ob die Finanzbehörde ermitteln muss, ob die Antragstellerin ihm Sicherheiten stellen kann (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2010 VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309).

 - ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer ratenweise Tilgung oder sogar einer weitergehenden Stundung berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Möglichkeit eines – vollständigen oder teilweisen – Erlasses berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N. w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem Dritten, insbesondere einem Gesamtschuldner, z.B. einem Haftungsschuldner (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO)
getilgt wird, berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde die in der Einzelzwangsvollstreckung erreichbare Realisierung ihrer Forderungen mit derjenigen die im Insolvenzverfahren zu erwarten ist abwägen muss (zweifelhaft, so jedoch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge des FA - Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311)

- ob die Finanzbehörde die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldner würdigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde an eine AG, vertreten durch den Vorstand, eine Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung richten muss (§ 248 Abs. 3 Satz 2 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), insbesondere, ob dies jedenfalls dann nicht mehr erforderlich ist, wenn die AG – dem Insolvenzgericht – ein Vermögensverzeichnis vorlegt.

123

Es kann schließlich dahinstehen, ob der Antragsgegner für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig war oder auch ist, auch wenn die Antragsgegner ein subjektives Rechts auf Ausübung des Ermessens durch die örtlich zuständige Behörde hat (vgl. FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11).

124

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

125

III. Gründe für eine etwaige Zulassung der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

126

1. Die Abweichung vom Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick auf den Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht erfordert die Zulassung der Beschwerde nicht, weil der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung über die vom FG Hamburg zugelassene Beschwerde ein solches bejaht hat (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

127

2. Im Streitfall kommt es nicht auf die Beantwortung der Frage, welcher der zutreffende Beurteilungszeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung sei, an.

128

3. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Finanzbehörde die fehlende materielle oder formelle Bestandskraft, insbesondere die Möglichkeit der Aussetzung und / oder Aufhebung der Vollziehung – auch angesichts der Bestimmung des § 251 Abs. 2 Satz 1 AO und sei es nur auf einen entsprechenden Antrag hin und nicht von Amts wegen (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.) – zu berücksichtigen habe.

129

4. Ferner kommt es ebenfalls nicht auf die bislang nicht geklärte Rechtsfrage an, ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer Stundung von Amts wegen (vgl. § 222 Satz 2 AO, Loose in Tipke/Kruse, AO, 129. Lfg. Juni 2012, § 222, Rz 49) oder auch eines Erlasses nach § 227 Halbs. 1 AO von Amts wegen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, 127. Lfg. Oktober 2011, § 227, Rz 132; bejahend für den Fall eines noch nicht beschiedenen Antrags BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017) wie auch einer abweichenden Festsetzung von Steuern auch Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 und auch Satz 2 AO von Amts wegen im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Stellung eines Insolvenzantrags zu berücksichtigen habe.


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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 164 Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung


(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175 Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden und bei rückwirkenden Ereignissen


(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,1.soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,2.soweit ein Ereignis eintritt, das steu

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

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(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht w

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(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn1.ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteue

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(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer a

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 361 Aussetzung der Vollziehung


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(1) 1Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, so gilt der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos als vor den sonstigen Rücklagen umgewandelt. 2Maßgeblich ist dabei der sich vor Anwendung des Satzes 1 ergebende Bestand des

Insolvenzordnung - InsO | § 5 Verfahrensgrundsätze


(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldner

Insolvenzordnung - InsO | § 14 Antrag eines Gläubigers


(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass

Abgabenordnung - AO 1977 | § 85 Besteuerungsgrundsätze


Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unre

Abgabenordnung - AO 1977 | § 222 Stundung


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Insolvenzordnung - InsO | § 13 Eröffnungsantrag


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 45 Gesamtrechtsnachfolge


(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder. (2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schuld

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 256 Einwendungen gegen die Vollstreckung


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Insolvenzordnung - InsO | § 2 Amtsgericht als Insolvenzgericht


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2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1)1Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen.2Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben.3Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 und der Mehrabführungen im Sinne des Absatzes 6 mindern das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).4Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann durch Leistungen nicht negativ werden; Absatz 6 bleibt unberührt.5Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.

(2)1Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird gesondert festgestellt.2Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt.3Bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht ist der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen gesondert festzustellen; der gesondert festgestellte Bestand gilt als Bestand des steuerlichen Einlagekontos am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs.4Kapitalgesellschaften haben auf den Schluss jedes Wirtschaftsjahrs Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abzugeben.5Die Erklärungen sind von den in § 34 der Abgabenordnung bezeichneten Personen eigenhändig zu unterschreiben.

(3)1Erbringt eine Kapitalgesellschaft für eigene Rechnung Leistungen, die nach Absatz 1 Satz 3 als Abgang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, so ist sie verpflichtet, ihren Anteilseignern die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:

1.
den Namen und die Anschrift des Anteilseigners,
2.
die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde,
3.
den Zahlungstag.
2Die Bescheinigung braucht nicht unterschrieben zu werden, wenn sie in einem maschinellen Verfahren ausgedruckt worden ist und den Aussteller erkennen lässt.

(4)1Ist die in Absatz 1 bezeichnete Leistung einer Kapitalgesellschaft von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig und wird sie für Rechnung der Kapitalgesellschaft durch ein inländisches Kreditinstitut erbracht, so hat das Institut dem Anteilseigner eine Bescheinigung mit den in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen.2Aus der Bescheinigung muss ferner hervorgehen, für welche Kapitalgesellschaft die Leistung erbracht wird.3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn anstelle eines inländischen Kreditinstituts eine inländische Zweigniederlassung eines der in § 53b Absatz 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes genannten Unternehmen die Leistung erbringt.

(5)1Ist für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert.2Ist für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt.3In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung von Steuerbescheinigungen im Sinne des Absatzes 3 nicht zulässig.4In anderen Fällen ist die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend zu machen; § 44 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes gilt insoweit nicht.5Die Steuerbescheinigungen können berichtigt werden.6Die Feststellung im Sinne des Absatzes 2 für das Wirtschaftsjahr, in dem die entsprechende Leistung erfolgt ist, ist an die der Kapitalertragsteuerhaftung nach Satz 4 zugrunde gelegte Einlagenrückgewähr anzupassen.

(6) Minderabführungen erhöhen und Mehrabführungen mindern das Einlagekonto einer Organgesellschaft, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben. Mehrabführungen im Sinne des Satzes 1 mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vor anderen Leistungen.

(7) Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.

(8)1Eine Einlagenrückgewähr können auch Körperschaften oder Personenvereinigungen erbringen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, wenn sie Leistungen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.2Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 zu ermitteln.3Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für das jeweilige Wirtschaftsjahr gesondert festgestellt.4Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ende des zwölften Monats zu stellen, der auf das Ende des Wirtschaftsjahres folgt, in dem die Leistung erfolgt ist.5Zuständig für die gesonderte Feststellung ist die Finanzbehörde, die im Zeitpunkt der Abgabe des Antrags nach § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung nach dem Einkommen örtlich zuständig ist.6Bei Körperschaften oder Personenvereinigungen, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20 der Abgabenordnung keine Finanzbehörde zuständig ist, ist abweichend von Satz 5 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig.7Im Antrag sind die für die Berechnung der Einlagenrückgewähr erforderlichen Umstände darzulegen.8In die Bescheinigung nach Absatz 3 ist das Aktenzeichen der nach Satz 5 oder 6 zuständigen Behörde aufzunehmen.9Soweit für Leistungen nach Satz 1 oder Nennkapitalrückzahlungen eine Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt worden ist, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes führen.

(1)1Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, so gilt der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos als vor den sonstigen Rücklagen umgewandelt.2Maßgeblich ist dabei der sich vor Anwendung des Satzes 1 ergebende Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Rücklagenumwandlung.3Enthält das Nennkapital auch Beträge, die ihm durch Umwandlung von sonstigen Rücklagen mit Ausnahme von aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zugeführt worden sind, so sind diese Teile des Nennkapitals getrennt auszuweisen und gesondert festzustellen (Sonderausweis).4§ 27 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2)1Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist.2Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.3Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen.4Soweit der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos für den Abzug nach Satz 3 nicht ausreicht, gilt die Rückzahlung des Nennkapitals ebenfalls als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.

(3) Ein Sonderausweis zum Schluss des Wirtschaftsjahrs vermindert sich um den positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu diesem Stichtag; der Bestand des steuerlichen Einlagekontos vermindert sich entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

(1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 sollen je Bezirk eines Oberlandesgerichts ein Insolvenzgericht bestimmen, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a begründet werden kann. Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstreckt werden.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.

(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.

(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.

(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:

1.
das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten;
2.
ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden;
3.
zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.

(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen.

(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 86/09
vom
9. Juli 2009
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
am 9. Juli 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. März 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 367.378,32 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Am 28. September 2006 beantragte der beteiligte Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin wegen Steuerschulden in Höhe von 46.870,45 €, die vollstreckbar seien. Dem Antrag war ein Ausdruck beigefügt , welcher diesen Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide aufschlüsselt. Die Schuldnerin stellte am 22. Februar 2007 ihrerseits Insolvenzantrag , nahm diesen Antrag aber am 21. Januar 2008 wieder zurück. Mit Be- schluss vom 13. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und die Zurückweisung des Eröffnungsantrags erreichen.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
Das 1. Beschwerdegericht hat keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt , der von der Senatsrechtsprechung zu den an die Glaubhaftmachung der Forderung des antragstellenden Gläubigers (§ 14 InsO) zu erhebende Anforderungen abweicht. Es hat insbesondere den Grundsatz des Beschlusses vom 13. Juni 2006 (IX ZB 214/05, NZI 2006, 590, 591 Rn. 9) zitiert, dass als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen zu verlangen sei, aber gemeint , im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen zu können, weil das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschrieben und die Schuldnerin sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen habe, über die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Finanzgericht mit Bestandskraft entschieden hätten. Das ist grundsätzlich möglich. Unstreitige Tatsachen - hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten Steuerbescheiden - brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (§ 294 ZPO). Streit besteht über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände. Deren Berechtigung kann das Insolvenzgericht unabhängig davon nicht prüfen, ob die Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
4
2. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz liegt auch nicht im Hinblick auf die Begründetheit des Gläubigerantrags vor. Die Forderung des antragstellenden Gläubigers muss (nur) dann zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts feststehen, wenn sie zugleich den Insolvenzgrund bildet (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 mit weiteren Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen vom 19. Dezember 1991 (III ZR 9/91, ZIP 1992, 947) und vom 11. November 2004 (IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92). Im vorliegenden Fall hängt der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht davon ab, ob und in welcher Höhe Steuerforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen bestehen. Das Beschwerdegericht hat - wie schon das Insolvenzgericht - weitere gegen die Schuldnerin gerichtete fällige Forderungen in Höhe von insgesamt 1.020.000 € (V. bank ) und 599.360,55 € (S. ) festgestellt, welche die Schuldnerin nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann.
5
3. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Schuldnerin übergangen und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Schuldnerin hat vorgetragen, sie habe gegen die Steuerfestsetzungen, die Grundlage des Insolvenzantrags seien, durchweg Einspruch eingelegt. Teilweise seien diese bereits Gegenstand einer vor dem Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klage. Soweit Steuerforderungen nicht angefochten worden seien, seien sie beglichen wor- den. Dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren , die Steuerforderungen seien bereits durch Verrechnung mit Steuererstattungen bzw. durch geänderte Bescheide erledigt worden. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, eine Ergänzung ihres Vorbringens sei der Schuldnerin ohne die konkrete Bezeichnung und Vorlage der Bescheide nicht möglich gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Aufstellung, welche das zuständige Finanzamt als Anlage zum Insolvenzantrag eingereicht hat, weist neben Steuerart und Zeitraum auch die Daten der Bescheide aus. Die Schuldnerin hat nicht bestritten, dass diese Bescheide erlassen worden und ihr zugegangen sind. Sie hätte im Einzelnen vortragen können, gegen welche Bescheide sie Einspruch eingelegt und Klage erhoben hat, welche Zahlungen sie geleistet und welche Verrechnungen sie erklärt hat und welche Bescheide geändert worden sind.

III.


6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 13.10.2008 - 61 IN 175/06 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 25.03.2009 - 7 T 256/08 -

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Dies gilt auch für Steueranmeldungen (§ 168). Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter und die Hauptzollämter sowie die Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist; § 328 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(2) Zur Vorbereitung der Vollstreckung können die Finanzbehörden die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln. Die Finanzbehörde darf ihr bekannte, nach § 30 geschützte Daten, die sie bei der Vollstreckung wegen Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden darf, auch bei der Vollstreckung wegen anderer Geldleistungen als Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden.

(3) Zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen können die Vollstreckungsbehörden Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung stellen. § 757a Absatz 5 der Zivilprozessordnung ist dabei nicht anzuwenden.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerrückständen, die im Jahr 2009 57.472,19 € betrugen, brachte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus, die jedoch ins Leere gingen. Weitere Vollstreckungsmöglichkeiten vermochte das FA trotz diesbezüglicher Nachforschungen nicht ausfindig zu machen. Zunächst vorgenommene Sachpfändungen wurden in der Folgezeit wieder aufgehoben. Am 19. Januar 2010 traf der Antragsteller mit dem FA eine Ratenzahlungsvereinbarung. Danach sollte er den Zahlungspflichten hinsichtlich neu festgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlungen nachkommen und die Umsatzsteuer nach ordnungsgemäßer Buchhaltung quartalsweise zeitnah begleichen. Zudem sollte er alle vierzehn Tage Raten in Höhe von 1.000 € leisten und eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Die geforderte Versicherung gab der Antragsteller am 1. Februar 2010 ab, jedoch ergab sich daraus kein wesentliches pfändbares Vermögen.

2

Zum 21. Juli 2010 betrugen die Rückstände noch 42.548,39 €. Nach einem Vermerk der Vollstreckungsstelle hatte der Antragsteller die vereinbarten vierzehntägigen Raten unabgesprochen auf einen Betrag von 500 € reduziert. Eine Reduzierung der Ratenhöhe lehnte das FA ab; den dagegen eingelegten Einspruch wies es als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung gab es zu erkennen, dass eine Aussetzung der Vollziehung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme. Den Rückkaufswert einer Lebensversicherung --die aus dem Vermögensverzeichnis nicht ersichtlich war-- nahm das FA mit einem Betrag von 500 € an. Zudem erkannte das FA, dass zugunsten des Antragstellers noch ein Schmerzensgeldanspruch bestehen könnte. Am 22. Juli 2010 stellte das FA beim Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. In der Anhörung wies dieser darauf hin, dass die Gewinnermittlung für 2007 keine Verluste ausweise und zur Herabsetzung der Einkommensteuer 2007 und einem Erstattungsanspruch führen werde. Ferner sei im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Einkommensteuer für 2008 herabzusetzen. Im August 2010 setzte das FA die Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 in Höhe eines Teilbetrags von 8.552,64 € aus.

3

Gegen den Antrag auf Insolvenzeröffnung begehrte der Antragsteller vor dem Finanzgericht (FG) einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dieses verpflichtete das FA, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Nach der mit dem FA getroffenen Vereinbarung, die nicht widerrufen worden sei, sei der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung mit insgesamt drei Raten, d.h. mit insgesamt 3.000 €, im Rückstand gewesen. Die geringe Höhe dieses Betrages lasse die Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerhaft erscheinen. Darüber hinaus habe der Antragsteller im Zeitraum von Mai bis August 2010 weitere Raten in Höhe von monatlich 1.000 € geleistet. Somit könne nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Weitere Gläubiger seien nicht bekannt. Seinen Antrag habe das FA nicht auf den Insolvenzgrund der Überschuldung gestützt (§ 19 der Insolvenzordnung --InsO--). Ausführungen zur Überschuldung, die im Übrigen nicht angenommen werden könne, habe es nicht gemacht. Im Streitfall liege ein Anordnungsgrund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der auch die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertige, denn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens scheide eine Rücknahme des Eröffnungsantrags aus.

4

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags des Antragstellers. Entgegen der Rechtsansicht des FG habe das FA seine Entscheidung ermessensgerecht getroffen. Die bis zum 31. August 2010 befristete Ratenzahlungsvereinbarung habe die Fälligkeit der Steuerforderungen nicht berührt. Eines Widerrufs habe es insoweit nicht bedurft. Rückständig seien nicht nur die nicht entrichteten Raten, sondern die gesamten Steuerforderungen gewesen. Zu Recht sei das FA von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen. Mit einer zeitnahen Tilgung der Forderungen habe nicht gerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage sei, innerhalb von drei Wochen 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zudem habe das FG, ohne diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen, eine drohende Existenzvernichtung des Antragstellers unterstellt.

5

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er führt aus, dass das FA das Auslaufen der Frist der Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgewartet, sondern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits am 22. Juli 2010 gestellt habe. Zudem sei das vom FA im Entwurf vorgelegte Schreiben vom 5. Februar 2010 bisher nicht zugegangen. Im Bescheid vom 2. November 2010 habe das FA selbst bestätigt, dass die vereinbarten Raten bezahlt worden seien. Ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom September 2010 habe der Antragsteller Ratenzahlungen bis zum Existenzminimum erbracht. Ohne Angabe von Gründen habe das FA eine Reduzierung der Raten abgelehnt. Durch Zahlung der vereinbarten Raten und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe der Antragsteller die mit dem FA getroffene Vereinbarung erfüllt. Unrichtig sei die zur Begründung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellte Behauptung, dass der Vollstreckungsschuldner seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Voraussichtlich sei er in der Lage, seine Steuerschulden in verbleibender Höhe von zurzeit 15.300 € innerhalb von 12 Monaten zu tilgen. Das FA sei der einzige Gläubiger. In seinem Schriftsatz vom 17. Februar 2011 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass der vom Insolvenzgericht beauftrage Gutachter die Ansicht vertritt, dass eine das Insolvenzverfahren deckende Masse vorhanden und der Insolvenzgrund des § 17 InsO gegeben sei. Voraussichtlich werde der Betrieb vom Insolvenzverwalter freigegeben.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet. Nach der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu dem Schluss, dass das FG dem FA zu Unrecht die Verpflichtung auferlegt hat, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Entgegen der Auffassung des FG erweist sich die getroffene Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerfrei.

7

1. Die Entscheidung des FA, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn dem FA ein Anspruch zusteht, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt, und wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Positiver Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse bedarf es nicht. Allerdings darf ein solcher Antrag nicht rechtsmissbräuchlich und aus sachfremden Erwägungen gestellt werden. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn das FA lediglich die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Vollstreckungsschuldners bezweckt (Senatsbeschluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41).

8

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei dem durch das FA gestellten Insolvenzantrag nicht um einen Verwaltungsakt (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 107), so dass als vorläufiger Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO in Betracht kommt (zur Konkursordnung vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Dabei hat sich die Prüfung des Gerichts auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach Ansicht der Instanzgerichte auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (Urteil des FG des Saarlandes vom 17. März 2004  1 K 437/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1021; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004  7 K 7182/04, EFG 2005, 11, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 22; offengelassen im Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Diese Frage bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung, weil der Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO auch bereits im Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags vorlag.

9

2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA wegen der noch nicht ausgelaufenen Ratenzahlungsvereinbarung gehindert gewesen sei, den Insolvenzantrag zu stellen. Die Vereinbarung war wegen Nichteinhaltung seitens des Antragstellers gegenstandslos geworden, so dass sie nicht hatte förmlich widerrufen werden müssen. Das FA musste die Beträge nicht wieder fällig stellen, nachdem der Antragsteller mit der zunächst pünktlichen Ratenzahlung in Rückstand geraten war. Ausweislich des Protokolls über die Besprechung an Amtsstelle ist eine Aussetzung der Vollziehung zunächst nicht gewährt worden. Vielmehr wurde die Vollstreckung lediglich ruhend gestellt und vom Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängig gemacht. Zudem hat das FA mit Schreiben vom 6. Mai 2010 die beantragte Reduzierung der Ratenhöhe abgelehnt und den dagegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2010 musste der Antragsteller entnehmen, dass eine Aussetzung der Vollstreckung nicht mehr in Betracht kam. Danach konnte er von einer Genehmigung zur Fortsetzung der Ratenzahlungen nicht mehr ausgehen und musste mit der umgehenden Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen rechnen.

10

Nach summarischer Betrachtung der Sach- und Rechtslage konnte das FA auch von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen (§ 17 Abs. 1 und 2 InsO). Ausweislich der Akten hat der Antragsteller zwar in den Monaten Januar bis April 2010 die Raten in der vereinbarten Höhe von 2.000 € gezahlt, jedoch die Zahlungen bis August 2010 von zunächst 1.000 € auf 500 € zurückgeführt. Den Antrag vom 20. Juli 2010 auf entsprechende Reduzierung der Raten hat das FA abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Steuerrückstände auf 42.548,39 €. Ausweislich der im Rahmen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Vermögensaufstellung war verwertbares Vermögen nicht vorhanden, so dass weitere Vollstreckungsversuche aussichtslos erschienen. Zwar hat sich der Antragsteller auf einen für ihn günstigen Ausgang der anhängigen Einspruchsverfahren berufen, doch bestehen nach dem Vorbringen des FA selbst unter Berücksichtigung der inzwischen abgeschlossenen Verfahren Abgabenrückstände in Höhe von 34.264,61 €. Dass eine Begleichung der Steuerschulden in absehbarer Zeit zu erwarten ist, hat der Antragsteller lediglich behauptet, ohne dies jedoch substantiiert zu belegen. Bei diesem Befund ist ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich. Da bereits aus diesem Grund der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.

11

3. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass das FA den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Existenzvernichtung rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung. Soweit sich der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen hat, dass eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse wahrscheinlich sei, wird auch dadurch der Anordnungsanspruch nicht hinreichend belegt. Die zuverlässige Feststellung des Vermögens des Schuldners obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Wie der Antragsteller nunmehr selbst vorträgt, ist nach Auffassung des vom Insolvenzgericht bestellten Gutachters eine das Verfahren deckende Masse vorhanden. Auch ist eine Freigabe des Betriebs mit dem Ziel seiner Fortführung nicht ausgeschlossen, so dass eine Vernichtung der Existenz des Antragstellers nicht unabweisbar erscheint.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 176/09
vom
6. Mai 2010
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und
den Richter Dr. Fischer
am 6. Mai 2010

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23. Juni 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 6, 7, 26, 34 Abs. 1 InsO), jedoch unzulässig; weder hat die Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2
1. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene, als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob die den Insolvenzantrag stellende Finanzbehörde den Anforderungen an die Glaubhaftmachung bzw. den Nachweis ihrer Forderungen gegen den Schuldner gemäß § 14 InsO durch Vorlage der Steuerbeschei- de genügt, wenn über die den Steuerbescheiden zugrundeliegenden Steuerforderungen ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist, in dem auch über die Frage zu entscheiden ist, ob der Schuldner rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, ist nicht klärungsbedürftig.
3
Ebenso wenig ist klärungsbedürftig die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene , als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob das Insolvenzgericht einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 16 InsO annehmen darf, wenn über die Forderungen, auf die der Eröffnungsantrag gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist.
4
Beide Fragen sind geklärt (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 - IX ZB 177/09, ZIP 2010, 291, 292 Rn. 6 ff m.w.N.).
5
Nach § 14 Abs. 1 InsO muss der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452, 1453 f Rn. 11; BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 aaO S. 292 Rn. 6).
6
Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen (BGH, Beschl. v. 29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281, 282 Rn. 9; v. 14. Januar 2010 aaO). Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 - IX ZB 26/08, ZInsO 2009, 2072 Rn. 5 m.w.N.; v. 14. Januar 2010 aaO).
7
Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Forderungen (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 aaO). Ob hiervon bei unstreitigen oder offensichtlichen Sachverhalten eine Ausnahme zu machen ist, bedarf keiner Klärung, denn der Sachverhalt ist streitig und das Ergebnis des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht offensichtlich.
8
Der Schuldner hat nicht dargelegt, dass die Vollziehung der Steuerbescheide , die weder durch die behaupteten Einsprüche (vgl. § 361 Abs. 1 AO) noch durch die (Untätigkeits-) Klage gehemmt worden war (vgl. § 69 Abs. 1 FGO), ausgesetzt worden wäre (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 2 bis 4 FGO). Er hat nicht einmal entsprechende Anträge dargelegt.
9
2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners lag schon deshalb nicht vor, weil das nach seiner Auffassung übergangene Vorbringen - insbesondere die von ihm erhobene Klage vor dem Finanzgericht und sein dortiger Vortrag zur rechtzeitigen Einlegung der Einsprüche - aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich war.
10
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 20.03.2008 - 72 IN 102/07 -
LG Köln, Entscheidung vom 23.06.2009 - 1 T 30/09 -

(1) Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 4 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für die betroffene Person eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

(3) Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

(4) Durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Untersagung des Gewerbebetriebs oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. § 367 Abs. 1 Satz 2 gilt sinngemäß.

(5) Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung kann das Gericht nur nach § 69 Abs. 3 und 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung angerufen werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn

1.
ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung (§ 2), die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden,
2.
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist,
2a.
sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann,
3.
die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder
4.
die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 kann die Steuerfestsetzung auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.

(2) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären; eine ausgesetzte Steuerfestsetzung ist nachzuholen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 4 endet die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 muss eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Satz 2 nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 86/09
vom
9. Juli 2009
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
am 9. Juli 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. März 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 367.378,32 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Am 28. September 2006 beantragte der beteiligte Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin wegen Steuerschulden in Höhe von 46.870,45 €, die vollstreckbar seien. Dem Antrag war ein Ausdruck beigefügt , welcher diesen Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide aufschlüsselt. Die Schuldnerin stellte am 22. Februar 2007 ihrerseits Insolvenzantrag , nahm diesen Antrag aber am 21. Januar 2008 wieder zurück. Mit Be- schluss vom 13. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und die Zurückweisung des Eröffnungsantrags erreichen.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
Das 1. Beschwerdegericht hat keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt , der von der Senatsrechtsprechung zu den an die Glaubhaftmachung der Forderung des antragstellenden Gläubigers (§ 14 InsO) zu erhebende Anforderungen abweicht. Es hat insbesondere den Grundsatz des Beschlusses vom 13. Juni 2006 (IX ZB 214/05, NZI 2006, 590, 591 Rn. 9) zitiert, dass als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen zu verlangen sei, aber gemeint , im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen zu können, weil das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschrieben und die Schuldnerin sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen habe, über die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Finanzgericht mit Bestandskraft entschieden hätten. Das ist grundsätzlich möglich. Unstreitige Tatsachen - hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten Steuerbescheiden - brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (§ 294 ZPO). Streit besteht über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände. Deren Berechtigung kann das Insolvenzgericht unabhängig davon nicht prüfen, ob die Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
4
2. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz liegt auch nicht im Hinblick auf die Begründetheit des Gläubigerantrags vor. Die Forderung des antragstellenden Gläubigers muss (nur) dann zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts feststehen, wenn sie zugleich den Insolvenzgrund bildet (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 mit weiteren Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen vom 19. Dezember 1991 (III ZR 9/91, ZIP 1992, 947) und vom 11. November 2004 (IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92). Im vorliegenden Fall hängt der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht davon ab, ob und in welcher Höhe Steuerforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen bestehen. Das Beschwerdegericht hat - wie schon das Insolvenzgericht - weitere gegen die Schuldnerin gerichtete fällige Forderungen in Höhe von insgesamt 1.020.000 € (V. bank ) und 599.360,55 € (S. ) festgestellt, welche die Schuldnerin nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann.
5
3. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Schuldnerin übergangen und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Schuldnerin hat vorgetragen, sie habe gegen die Steuerfestsetzungen, die Grundlage des Insolvenzantrags seien, durchweg Einspruch eingelegt. Teilweise seien diese bereits Gegenstand einer vor dem Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klage. Soweit Steuerforderungen nicht angefochten worden seien, seien sie beglichen wor- den. Dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren , die Steuerforderungen seien bereits durch Verrechnung mit Steuererstattungen bzw. durch geänderte Bescheide erledigt worden. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, eine Ergänzung ihres Vorbringens sei der Schuldnerin ohne die konkrete Bezeichnung und Vorlage der Bescheide nicht möglich gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Aufstellung, welche das zuständige Finanzamt als Anlage zum Insolvenzantrag eingereicht hat, weist neben Steuerart und Zeitraum auch die Daten der Bescheide aus. Die Schuldnerin hat nicht bestritten, dass diese Bescheide erlassen worden und ihr zugegangen sind. Sie hätte im Einzelnen vortragen können, gegen welche Bescheide sie Einspruch eingelegt und Klage erhoben hat, welche Zahlungen sie geleistet und welche Verrechnungen sie erklärt hat und welche Bescheide geändert worden sind.

III.


6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 13.10.2008 - 61 IN 175/06 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 25.03.2009 - 7 T 256/08 -

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über. Dies gilt jedoch bei der Erbfolge nicht für Zwangsgelder.

(2) Erben haben für die aus dem Nachlass zu entrichtenden Schulden nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten einzustehen. Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der Erben begründet wird, bleiben unberührt.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Wird eine Sicherheit unzureichend, so ist sie zu ergänzen oder es ist anderweitige Sicherheit zu leisten.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Steueransprüche gegen den Steuerschuldner können nicht gestundet werden, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat. Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.