Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Aug. 2011 - VII B 59/11

bei uns veröffentlicht am31.08.2011

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 114


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des An

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Bundesfinanzhof Beschluss, 25. Feb. 2011 - VII B 226/10

bei uns veröffentlicht am 25.02.2011

Tatbestand 1 I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag
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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 18. Mai 2017 - 2 V 117/17

bei uns veröffentlicht am 18.05.2017

Tatbestand 1 I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen vom Antragsgegner gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 2 Die A ... GmbH & Co. KG (A) schuldet dem Antragsgegner Steuern un

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15

bei uns veröffentlicht am 24.09.2015

Tenor Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom ... Juni 2015 gegenüber dem Amtsgericht Z zurückzunehmen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Jan. 2013 - 3 V 1340/12

bei uns veröffentlicht am 10.01.2013

Tenor Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner z

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

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1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

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a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

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bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

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2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.