Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15

ECLI:ECLI:DE:FGST:2015:0924.3V916.15.0A
24.09.2015

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom ... Juni 2015 gegenüber dem Amtsgericht Z zurückzunehmen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 1/11 und im Übrigen der Antragsgegner tragen.

Tatbestand

1

A. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere eines Antrags des Antragsgegners vom ... Juni 2015 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. In diesem führte der Antragsgegner u.a. aus, der Versuch des Vollziehungsbeamten, in bewegliche Sachen zu vollstrecken, sei im Oktober 2014 sowie März 2015 erfolglos gewesen, Umsatzsteuer werde ohne Rücksicht auf die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der am Umsatz beteiligten Personen erhoben und sei betriebswirtschaftlich lediglich als durchlaufender Posten zu behandeln, die Antragstellerin versteuere ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten, es bestünden offene Lohnsteuerforderungen, die entstanden seien, weil die Antragstellerin von ihr einbehaltene Lohnsteuerabzugsbeträge pflichtwidrig nicht an das Finanzamt abgeführt habe. Jene Beträge berührten weder das Vermögen noch die Liquidität der Antragstellerin, da sie als Fremdgelder bis zur pünktlichen Abführung an das Finanzamt lediglich treuhänderisch zu verwalten seien.

2

Das Amtsgericht Z forderte die Antragstellerin zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses auf.

3

Es beschloss später unter dem Aktenzeichen … IN M/15 am … Juli 2015 u.a.: „ … Die Antragsgegnerin hat dem Sachverständigen auf sein Verlangen alle zur Erfüllung seines Auftrags erforderlichen Auskünfte zu erteilen, …dem Sachverständigen Zutritt zu sämtlichen Geschäftsräumen und als Büro verwendeten Zimmern zu geben und ihm die Einsicht in sämtliche Geschäftspapiere zu gestatten bzw. diese vorzulegen. … Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich unverzüglich mit dem … Sachverständigen in Verbindung zu setzen und ihm eine vollständige Liste ihres Aktiv- und Passivvermögens unter genauer Bezeichnung ihrer Gläubiger und Schuldner mitzuteilen. Die Antragsgegnerin hat die Richtigkeit und Vollständigkeit der gegenüber dem Sachverständigen gemachten Angaben zu versichern. … Nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO werden Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind.“

4

Bereits mit Beschluss vom (g+h). Februar 2015 hatte das Amtsgericht Z im Verfahren … IN L/15 im von der C angestrengten Insolvenzantragsverfahren seinen Beschluss vom g. Februar 2015 aufgehoben, weil der Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin zu eröffnen, zurückgenommen worden war, weshalb Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 InsO nach Auffassung des Insolvenzgerichts aufzuheben waren.

5

Das Stammkapital der Antragstellerin beläuft sich auf 25.000,- €.

6

Die Geschäftsführerin der Antragstellerin trägt in der am ... August 2015 beim Gericht eingegangenen Antragsschrift vor, die Einleitung des beantragten Insolvenzverfahrens koste sie und ihre Familie die Existenz. „In Anlehnung“ an einen vorliegenden „Pfändungs- und Überweisungsbeschluss“ habe sie den Vorsteher des Antragsgegners aufgesucht.

7

Sie habe dem Antragsgegner die Uneinbringlichkeit von Forderungen i.H.v. ca. 400.000,- € „ordnungsgemäß“ angezeigt. Zu keiner Zeit hätten die Voraussetzungen einer Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten vorgelegen.

8

Sie beantragt, ihr zu gestatten, die Umsatzsteuer „weiterhin“ nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen.

9

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Antragstellerin wird auf deren Schriftsatz vom … August 2015 Bezug genommen.

10

Die Antragstellerin beantragt
die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch den Antragsgegner gegen sie und die Rücknahme des Insolvenzantrags
bis eine Begründung durch Einreichung der Steuererklärungen und Steueranmeldungen ihrerseits erfolgen könne.

11

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

12

Er trägt vor, dem Vortrag der Antragstellerin sei nicht eindeutig zu entnehmen, welchen Streitgegenstand sie ihrem gerichtlichen Antrag zugrunde lege. Da sie u.a. die „Rücknahme des Insolvenzverfahrens“ beantrage, sei zu vermuten, dass sie sich gegen den am ... Juni 2015 vom Antragsgegner beim Amtsgericht Stendal gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wende.

13

Bei vollstreckbaren Rückständen sei die Finanzbehörde im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten, bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds einen Insolvenzantrag zu stellen.

14

Die Antragstellerin sei ihren steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags hätten sich Abgabenrückstände i.H.v. 104.008,81 € ergeben.

15

Der Insolvenzantrag sei ermessensgerecht, weil die Vollstreckungsmaßnahmen ohne Erfolg geblieben seien.

16

Der Antragsgegner hat lediglich die für die Antragstellerin von ihm geführte Vollstreckungsakte vorgelegt.

17

Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für die Beurteilung des Ermessens der Finanzbehörde entscheidend sei, wobei er den Beschluss des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2013 im Verfahren 3 V 1340/12 unter Hinweis auf die Fundstelle EFG 2013, 1782, genannt hat.

Entscheidungsgründe

18

B. I. Der Antrag ist auszulegen. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragstellers, die Vollstreckung einstweilen einzustellen, insbesondere den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen zurückzunehmen, im Wege der einstweiligen Anordnung.

19

1. Die Antragstellerin begehrt Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung. Sie bezeichnet ihren Antrag als „Eilsache“ und zugleich als Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung.

20

2. Sie erhebt nicht etwa zugleich eine auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gerichtete Leistungsklage, wie der Umstand zeigt, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Rücknahme des Insolvenzantrags solange bestehen sollen, bis sie Steuererklärungen und –anmeldungen abgeben kann.

21

3. Die Tätigkeit des Gerichts soll sich nicht im Rechtsschutz gegen den Insolvenzantrag erschöpfen, sondern Rechtsschutz auch gegenüber Einzelvollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners umfassen.

22

4. Es soll einstweilen die Vollstreckung insgesamt eingestellt werden.

23

II. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er begründet.

24

1. Der Antrag ist teilweise zulässig.

25

a) Hinsichtlich der Einzelvollstreckung ist der Antrag in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses derzeit unzulässig, soweit nicht etwaige unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Denn es besteht keinerlei Veranlassung für die Annahme, der Antragsgegner werde dem Beschluss des Insolvenzgerichts nicht Folge leisten.

26

b) Freilich steht zu erwarten, dass der Antragsgegner dem hier gefassten Beschluss Folge leisten und seinen Insolvenzantrag zurücknehmen wird. Gleichfalls ist zu erwarten, dass das Amtsgericht die Einstellung der Maßnahmen der Zwangsvollstreckung aufheben wird, so dass sodann eine Einzelvollstreckung durch den Antragsgegner der Antragstellerin wieder drohen könnte. Gegenwärtig jedoch ist dies nicht der Fall.

27

c) Darüber hinaus gibt es keinerlei Hinweis auf etwaige unbewegliche Gegenstände im Vermögen der Antragstellerin, ebenso nicht darauf, dass sie solche künftig erwerben könnte. Auch insoweit ist ein aktuelles Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht ersichtlich.

28

d) Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Insolvenzantrags ist hingegen zulässig.

29

aa) Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Halbs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO – eröffnet.

30

Für die Überprüfung eines Antrags auf Eröffnung des AbbildungInsolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist – anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

31

(1) Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Antrags eines Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten (FG Münster Beschluss vom 15. März 2000 12 V 1054/00 AO, DStRE 2000, 668; FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

32

(2) Dass das Insolvenzgericht das rechtliche Interesse des Gläubigers, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 der InsolvenzordnungInsO –), prüft, führt nicht dazu, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet wäre, obschon gemäß § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht als Insolvenzgericht ausschließlich für das Insolvenzverfahren zuständig ist.

33

(a) Das Erfordernis des rechtlichen Interesses soll einem Missbrauch des Insolvenzantrags – etwa zu dem Zweck, Zahlungen solventer Schuldner zu erzwingen – vorbeugen (BT-Drs. 12/2443, S. 113). Die finanzgerichtliche Ermessenskontrolle geht jedoch – auch in den Schranken des Rechtsgedankens des § 102 Satz 1 FGO – über eine bloße Missbrauchskontrolle hinaus.

34

(b) Es mag zutreffen, dass das Insolvenzgericht, wenn es gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, ermittelt, einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch insoweit prüft, als es das rechtliche Interesse des antragstellenden Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit prüft.

35

(c) Dennoch prüft das Insolvenzgericht nicht die im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Abwägung, insbesondere nicht einmal, ob ein solche stattgefunden hat oder ein sog. Ermessensausfall vorliegt (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; vgl. auch AG Göttingen Beschluss vom 07. August 1998 71 IN 34/98, ZInsO 1998, 190: Prüfung des Ermessens nur in eindeutigen Fällen von Rechtsmissbrauch).

36

Der etwaige Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens kann mithin nur durch den finanzgerichtlichen Rechtsschutz durchgesetzt werden, weswegen der Finanzrechtsweg – neben dem Weg zum Insolvenzgericht – zwingend eröffnet sein muss.

37

(d) Hinzu tritt, dass, sind Forderung und Eröffnungsgrund vom Gläubiger, dem Finanzamt, glaubhaft gemacht, ein rechtliches Interesse an der Insolvenzeröffnung angenommen wird (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; LG Magdeburg Beschluss vom 28. November 2011 11 T 491/11 (087), nachgewiesen bei juris), so dass der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht unter diesem Aspekt hinter demjenigen durch das Finanzgericht zurück bleibt (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

38

(e) Auch fehlt das rechtliches Interesse i.S.d. § 14 Abs.1 Satz 1 InsO nicht, wenn die Forderung nur in geringer Höhe besteht (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411), während ein Antrag der Finanzbehörde auf Eröffnung desAbbildungInsolvenzverfahrens ermessensfehlerhaft sein kann, wenn die geltend gemachte Forderung eine Bagatellforderung bildet (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002).

39

(3) Die Gefahr eines Wettlaufs von Finanz- und Insolvenzgericht (Amtsgericht) besteht nicht (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; zur Synchronisation Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. zur mangelnden Abstimmung von Insolvenzrecht und steuerlichem Verfahrensrecht, Bartone, Vollstreckungsrecht und Insolvenzrecht im Spannungsverhältnis – Aktuelle Einzelfragen und ihre Lösung, AO-StB 2004, 194), obschon der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 13 Abs. 2 InsO nach dessen Eröffnung selbst dann, wenn der Eröffnungsbeschluss nicht rechtskräftig ist (a.A. womöglich BFH-Beschlüsse vom 08. Mai 2013 VII B 36/13, BFH/NV 2013, 1267, vom26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122), gemäß § 13 Abs. 2 InsO nicht mehr zurückgenommen werden kann (Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 251, Rz. 22; Wegener in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 13, Rz. 156; Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 3. Auflage 2014, § 13, Rz. 13).

40

(a) Eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens (Zulassungsverfahrens) gem. § 4 InsO i.V.m. § 148 der ZivilprozessordnungZPO – scheidet allerdings aus (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326; Linker in Schmidt, InsO, 5. Aufl. 2015, § 14, Rz. 43; Hess, InsO, 2. Aufl. 2013, § 14, Rz. 121; a.A. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248: Aussetzung nach § 148 ZPO analog i.V.m. § 4 InsO), weil es sich bei Insolvenzverfahren um Eilverfahren handelt (BGH-Beschluss vom 29. März 2007 IX ZB 146/06, ZInsO 2007, 604, 605).

41

(b) Zu unzumutbaren Verzögerungen des als Eilverfahren ausgestalteten Insolvenzantragsverfahrens (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011) dadurch, dass der Schuldner finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, kann es nicht kommen (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011), da auch ein Ruhen des Insolvenzverfahrens aufgrund des Eilverfahrenscharakters nicht in Betracht kommt (Kreft in Kreft, InsO, 7. Aufl. 2014, § 4, Rz. 25; Linker in Schmidt, InsO, 5. Aufl. 2015, § 14, Rz. 43; Hess, InsO, 2. Aufl. 2013, § 14, Rz. 121).

42

(c) Die Gefahr, dass der finanzgerichtliche Rechtsschutz angesichts der Regelung des § 13 Abs. 2 InsO zu spät kommt, begründet lediglich dessen außerordentliche Dringlichkeit. Wie gerade die Entscheidung im Streitfall zeigt, trifft es nicht zu, dass die Insolvenzgerichte schneller als die Finanzgerichte entschieden (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326; Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

43

(4) Es trifft zu, dass das Finanzgericht auch unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht in für das Insolvenzgericht bindender Weise über insolvenzrechtliche Fragen wie Zahlungsunfähigkeit entscheiden kann (so AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, m.w.N.). Denn in Rechtskraft kann lediglich der Tenor der finanzgerichtlichen Entscheidung, nicht hingegen dessen Begründung erwachsen.

44

Daher besteht auch keine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

45

(a) Die Gefahr der unterschiedlichen Auslegung der gesetzlichen Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch verschiedene Spruchkörper, insbesondere solcher ohne gemeinsames Obergericht besteht ohnehin. Nicht die Einheit der Rechtsordnung, sondern allenfalls die Einheit der Rechtsprechung ist in Gefahr. Dieses Phänomen ist jedoch für im Rahmen einer Entscheidung zu klärende Vorfragen bildende Rechtsfragen gerade dann charakteristisch, wenn sie, wären sie nicht lediglich als Vorfragen zu klären, in einem anderen Rechtsweg zu entscheiden wären. Fachnähe und Sachkundigkeit hinsichtlich Vorfragen sind zur Bestimmung des Rechtswegs ungeeignet (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

46

(b) Zu einem (unzulässigen) Eingriff in die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts (Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; Schmerbach in Wimmer, Frankfurter Kommentar, InsO, 8. Aufl. 2015, § 14, Rz. 76) kommt es somit nicht (Schmahl/Vuia in MüKo, InsO, 3. Aufl. 2013, § 13, Rz. 115; vgl. Wegener in Uhlenbruck, 14. Aufl. 2015, § 14, Rz. 203). Vielmehr entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1des GerichtsverfassungsgesetzesGVG – das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

47

(c) Es ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Finanzbehörde als Gläubiger und dem Prozessrechtsverhältnis im Insolvenzeröffnungsverfahren zu unterscheiden (vgl. Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz. 9). Im vorliegenden Verfahren wird ausschließlich ersteres untersucht, obschon die Rechtmäßigkeit des eine Prozesshandlung bildenden Insolvenzantrag grundsätzlich im Prozessrechtsverhältnis zu beurteilen ist (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz. 9), erfolgt die Überprüfung des Insolvenzantrags als Ermessensentscheidung im Finanzrechtsweg (Schmahl/Vuia in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 14, Rz. 117; Wegener in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 14, Rz. 203). Auch wenn der Insolvenzantrag wie im Streitfall bereits gestellt ist, sind spezifisch verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte vom Finanzgericht zu prüfen (Schmahl/Vuia in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 14, Rz. 119; Wegener in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 14, Rz. 204).

48

Aufgrund des Antrags der C wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO der Antrag des Antragstellers nicht dadurch unzulässig, dass die Forderungen des Antragsgegners erfüllt werden, während dieser Umstand i.R.d. Betätigung seines Ermessens im Hinblick auf ein Aufrechterhalten seines Antrags zu berücksichtigen ist (vgl. Sächsisches FG Beschluss vom 28. März 2013 3 V 271/13, juris). Insbesondere setzt § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht voraus, dass der neuerliche Antrag vom selben Antragsteller gestellt wird (Gundlach in Karsten Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 14, Rz. 12; a.A. LG Koblenz Beschluss vom 09. August 2011 2 T 360/11, ZinsO 2011, 1987).

49

(d) Auch aus § 251 Abs. 2 Satz 1 der AbgabenordnungAO – ergibt sich nichts anderes (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411). Die Vorschriften der InsO mögen im sog. Insolvenzeröffnungsverfahren gegenüber denjenigen der AO vorrangig sein. Das vorliegende Verfahren steht jedoch neben dem Insolvenzeröffnungsverfahren.
§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO bezweckt eine Einschränkung gerichtlichen Rechtsschutzes nicht. Die Vorschrift regelt das Verwaltungsverfahren, sie ist nicht prozessualer Natur.

50

bb) Die Antragstellerin besitzt ein Bedürfnis nach Rechtsschutz durch das Finanzgericht.

51

Der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht mag einfacher sein (so Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), effektiver ist er nicht (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Denn das Insolvenzgericht überprüft die Ermessensentscheidung des Finanzamts nicht als solche (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411) und somit auch nicht deren Ausfall, sondern allenfalls einzelne Fehler (vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), jedoch nicht vollständig im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens. Liegen solche vor, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weshalb die Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags zu verpflichten ist. Trotz eines solchen Ermessensfehlers kann jedoch, solange ein Insolvenzantrag gestellt ist, das Insolvenzverfahren aus anderen Gründen durchaus zu eröffnen sein. Auch erfolgt die Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im AbbildungInsolvenzeröffnungsverfahren, obwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, die diesen zu wahren hat, nur im Hinblick auf einen Missbrauch des Antrags durch sachfremde Erwägungen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Das Insolvenzgericht prüft lediglich das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, der den Insolvenzantrag stellt, während das Finanzgericht die Ermessensentscheidung des Gläubigers überprüft (Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Rechtswegs, ZInsO 2013, 1992). Es wäre widersprüchlich, dem Schuldner einerseits den finanzgerichtlichen Rechtsschutz zu versagen, ihn andererseits aber auf ein Amtshaftungsverfahren zu verweisen, in dem die Ermessensausübung der Finanzbehörde geprüft werden könne (so aber Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

52

cc) Der auf eine Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO (a.A. Brandis EFG 2005, 374, Bartone, AO-StB 2004, 194, 195, FG Hamburg Beschlüsse vom 13. Juni 2014 6 V 76/14, ZInsO 2015, 101; vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Rechtswegs, ZInsO 2013, 1992, die eine Sicherungsanordnung annehmen) gerichtete Antrag ist statthaft und insbesondere nicht gemäß § 114 Abs. 5 FGO ausgeschlossen.

53

(1) Der Antrag ist auch dann zulässig, wenn ein Hauptsacheverfahren (in Form einer Leistungsklage) noch nicht anhängig ist (Schmittmann, Einstweiliger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des Rechtswegs, ZInsO 2013, 1992).

54

(2) Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt wird, ein schlichtes hoheitliches Handeln (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 293) und dementsprechend keinen Verwaltungsakt (2.3 AEAO zu § 251), da der Antrag nicht, wie für einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO erforderlich, auf eine unmittelbare Regelung nach außen gerichtet ist (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 292; Werth in Klein AO, 12. Aufl. 2014, § 251, Rz. 11; Dißars in Schwarz/Pahlke, AO, 161. Lfg. November 2014, § 251, Rz. 31) und vom Insolvenzgericht überprüft wird (FG des Saarlandes Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021; a.A. Lippross, Rechtsschutz gegen Konkursanträge der Finanzbehörden, DB 1985, 2482).

55

(a) Der Insolvenzantrag ist lediglich ein Antrag an das Insolvenzgericht, ein bestimmtes Verfahren einzuleiten. Als solcher bildet er eine Prozesshandlung (Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 224. Lfg. September 2013, § 251, Rz. 96; Werth in Klein AO, 12. Aufl. 2014).

56

Rechtswirkungen erzeugen erst bestimmte Maßnahmen des Insolvenzgerichts. Mit dem Antrag wird nicht – unmittelbar – eine Regelung getroffen, sondern eine – unmittelbare – Regelung erst erstrebt (Loose in Tipke/Kruse, AO, 141. Lfg. Juli 2015, § 251, Rz. 18; Fritsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 251, Rz. 21; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210). Die unmittelbare Regelung wird erst vom Amtsgericht getroffen (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

57

(b) Der Schuldner ist nicht Adressat des Antrages, sondern von ihm nur in Form eines Rechtsreflexes betroffen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411, m.w.N.).

58

(c) Die Auffassung, der Insolvenzantrag bilde einen Verwaltungsakt wird nicht konsequent umgesetzt, wenn vorläufiger Rechtsschutz nur durch eine einstweilige Anordnung, nicht aber durch Aussetzung der Vollziehung gewährt (so aber noch Brockmeyer in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz. 11; vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 291 und 293).

59

(3) Der Antrag nach § 114 FGO entspricht verfahrensrechtlich im einstweiligen Rechtsschutz der in der Hauptsache statthaften Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 Satz 3 FGO (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 293).

60

(4) Es handelt sich um eine Regelungs- und nicht um eine Sicherungsanordnung (Hessisches FG Beschluss vom 25. April 2013 1 V 495/13, juris; Sächsisches FG Beschluss vom 28. März 2013 3 V 271/13, juris; vgl. im Ergebnis BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; a.A. Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

61

(a) Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht. Mit der Entscheidung des Finanzgerichts wird der Zustand der Freiheit von einem Insolvenzverfahren allenfalls indirekt gesichert, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt zwar einen Antrag voraus (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO), erforderlich ist jedoch lediglich der Antrag eines Gläubigers, so dass das Insolvenzverfahren auf Antrag eines oder mehrerer weiterer Gläubiger auch dann eröffnet werden kann, wenn das Finanzamt zur Rücknahme seines Antrags verpflichtet wird.

62

(b) Unmittelbar ist der Antrag nicht auf Sicherung eines bestehenden Zustands gerichtet, sondern auf dessen abweichende Regelung, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll dem Begehren der Antragstellerin nach zurückgenommen werden, wo durch sich der bestehende Rechtszustand zu ihren Gunsten ändert (vgl. im Ergebnis FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

63

dd) Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Stattgabe macht den Antrag nicht unzulässig.

64

(1) In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes soll freilich regelmäßig keine endgültige Maßnahme getroffen werden können, die das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehmen würde (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 138. Lfg. Oktober 2014, § 114 FGO, Rz. 38, m. w. N.).

65

(2) Allerdings kann die Vorwegnahme der Hauptsache im Einzelfall erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtschutz zu gewährleisten, weil eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 138. Lfg. Oktober 2014, § 114 FGO, Rz. 41, m. w. N.).

66

(3) So verhält es sich im Streitfall, weil der Verweis auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren angesichts der gravierenden Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens insbesondere auch im konkreten Einzelfall des Antragstellerin, zu irreversiblen Schäden führen würde und ihr deshalb nicht zuzumuten ist.

67

(a) Im Vergleich zu den Nachteilen, die der Antragstellerin mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen drohen, ist die durch die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin getroffene Regelung begrenzt, denn sie hindert den Antragsgegner nicht, unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnissen und erneuter oder erstmaliger Betätigung seines Ermessens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400), während andererseits eine Rücknahme des Antrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.

68

(b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Vollbeendigung der Antragstellerin führen.

69

(aa) Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter HaftungGmbHG – genannten Fällen eine Fortsetzung der Gesellschaft möglich. Es sind: Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans oder gemäß §§ 212, 213 InsO auf Antrag der Gesellschaft. Bei anderweitiger Beendigung des Insolvenzverfahrens (Aufhebung gemäß § 200 InsO nach Durchführung der Schlussverteilung, Einstellung gemäß § 207 InsO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse) sollen veränderte Umstände denkbar sein, unter denen eine sinnvolle wirtschaftliche Betätigung der Gesellschaft zu erwarten sei. Entscheidend soll sein, ob Insolvenzreife und Masselosigkeit der Gesellschaft beseitigt seien (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 60, Rz. 43 und 51). Grundsätzlich könne jeder Auflösungsgrund durch Fortsetzung behoben werden. Neben einem Fortsetzungsbeschluss setze das voraus, dass die Normativbedingungen wieder hergestellt seien, von denen das Gesetz den Bestand der GmbH abhängig mache. Der Auflösungsgrund müsse beseitigt sein (Bitter in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, vor § 64, Rz. 180). Die Gesellschafter sollen dann mit 3/4-Mehrheit einen Fortsetzungsbeschluss fassen können (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl. 2012, § 60, Rz. 46 und 51; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 60, Rz. 35; Bitter in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, vor § 64, Rz. 182), was sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 274 Abs. 1 Satz 2 AktG ergebe (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 60, Rz. 29).

70

(bb) Im Übrigen ist vorgenannter Auffassung ohnehin nicht zu folgen: § 199 Satz 2 InsO zeigt, dass das Insolvenzverfahren zur Vollbeendigung der Kapitalgesellschaft führen soll. Dem Regelungszusammenhang des § 60 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GmbHG ist zu entnehmen, dass im Falle der Auflösung auf der Grundlage einer Entscheidung des Insolvenzgerichts eine Fortsetzung ausschließlich unter den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG aufgeführten engen Voraussetzungen möglich sein soll, in denen nämlich eine weitere Prüfung und Entscheidung durch das Insolvenzgericht – über die Verfahrenseinstellung oder die Planbestätigung – stattfindet (OLG Köln Beschluss vom 22. Februar 2010 2 Wx 18/10, DB 2010, 839). Nach engerer Auffassung handelt es sich bei den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG vorgesehenen Fällen der Fortsetzung der Gesellschaft um eine Regelung mit Ausschließlichkeit, wofür spricht, dass der Wortlaut des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG im Zuge der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1994 gerade nicht erweitert wurde (Bitter in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, vor § 64, Rz. 179). Ebenso besteht kein Bedürfnis eine Fortsetzung nach Schlussverteilung zuzulassen, wenn die Gesellschafter diesen „negativen“ Ausgang des Insolvenzverfahrens zugelassen haben, ohne Anträge nach §§ 212, 213 InsO zu stellen (Berner in Münchener Kommentar, GmbHG, § 60, Rz. 273; vgl. Chr. Schmidt-Leithoff/Baumert in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, vor § 64, Rz. 277). Findet keine weitere Prüfung und Entscheidung des Insolvenzgerichts statt, so fehlt es an einer verfahrensrechtlichen Grundlage für eine Fortsetzung der Gesellschaft. Die Gesetzessystematik lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, nach der Stellung eines Insolvenzantrags die Fortführung der Gesellschaft nur auf der Grundlage einer Entscheidung des Insolvenzgerichts zuzulassen (OLG Köln Beschluss vom 22. Februar 2010 2 Wx 18/10, DB 2010, 839). Im Übrigen ist das Insolvenzverfahren erst aufzuheben, nachdem der Insolvenzverwalter die Liquidation der Gesellschaft zu Ende geführt hat, wie § 200 Abs. 1 InsO (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 60, Rz. 95) und die Ausnahme der §§ 212 Satz 1 und 213 Abs. 1 Satz 1 InsO zeigen.

71

(cc) Außerdem wäre wohl von den Gesellschaftern das erforderliche Stammkapital erneut aufzubringen, zumindest jedoch das gesetzliche Mindestkapital (vgl. die Nachweise bei Berner in Münchener Kommentar, GmbHG, § 60, Rz. 272).

72

(c) Selbst im Falle einer Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin mangels Masse würde die Rücknahme des Antrags durch den Antragsgegner die Auflösung der Antragstellerin nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht mehr aufhalten, wenn die Rücknahme des Antrags erst nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses erfolgte.

73

(d) Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht noch vor seiner Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Maßnahmen zu Lasten der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 2 (ggf. mit der in § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehenen Folge der Bestellung eines sog. vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters), 4 und 5 sowie Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InsO trifft.

74

(4) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist angesichts der vorgenannten Umstände jedenfalls dann zulässig, wenn in Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nur eine summarische Prüfung erfolgt.

75

(5) Auch ist eine Verpflichtung zu einer – einstweiligen – Einschränkung des Antrags i.S. einer Beschränkung auf das Begehren, einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, nicht möglich, da die InsO einen solchen Antrag nicht zulässt.

76

(6) Es besteht auch nicht die Möglichkeit, als eine Art Zwischenlösung den Antragsgegner zu verpflichten, ein Ruhen des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht zu beantragen, denn auf das Insolvenzverfahren finden die Vorschriften über das Ruhen und die Aussetzung keine Anwendung (Schmahl/Vuia in MüKo-InsO, 3. Aufl. 2013, § 14, Rz. 118, und § 16, Rz. 23, m.wN.; FG Hamburg Beschluss vom 25. April 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. BGH-Beschluss vom 29. Juli 2007 IX ZB 141/06, ZInsO 2007, 604).

77

ee) Die Antragstellerin besitzt ein anzuerkennendes gegenwärtiges Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung.

78

(1) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht etwa dadurch, dass das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hat (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

79

(a) Dies ergibt sich bereits aus obigen Erwägungen zur Eröffnung des Finanzrechtswegs.

80

(b) Der Insolvenzantrag erfordert unabhängig von den über den Insolvenzantrag hinausgehenden Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.).

81

(c) Neben die Ermessenskontrolle tritt die Überprüfung des Insolvenzantrags durch das Finanzgericht nach den Vollstreckungsvorschriften der AO (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

82

(2) Es mag zutreffen, das das Insolvenzgericht missbräuchliche, d. h. zu einem anderen Zweck als der gleichmäßigen Befriedigung aller Schuldner gestellte Anträge, wie etwa solche nur zum Druck zur Zahlung oder zur reinen Existenzvernichtung, zurückzuweisen hat (FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, m.w.N.; vgl. speziell zum auf Löschung im Handelsregister zielenden Insolvenzantrag Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 4. Aufl. 2014, § 14, Rz. 8; LG Potsdam Beschluss vom 05. April 2002 5 T 79/01, ZinsO 2002, 1149), in jedem Fall aber geht die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Finanzgericht über eine bloße Missbrauchs- und Verhältnismäßigkeitskontrolle hinaus (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

83

(3) Das Bedürfnis nach finanzgerichtlichem Rechtsschutz im Wege der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners besteht solange fort, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder aber den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122; vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).

84

2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er begründet.

85

Hinsichtlich des Insolvenzantrags ist der Antrag auf Verpflichtung zur einstweiligen Einstellung der Vollstreckung i.S.v. § 258 AO im Wege der Rücknahme des Insolvenzantrags begründet.

86

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

87

Ein Erfolg des Antrags setzt voraus, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), und einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO; vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

88

a) Ein Anordnungsgrund liegt vor.

89

aa) Der Anordnungsgrund folgt bereits aus der Natur der Sache, weil wegen der weitreichenden, regelmäßig nicht wieder rückgängig zu machenden Wirkungen eines erfolgreichen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder seiner Ablehnung wegen fehlender Masse, die Dringlichkeit der Entscheidung keiner weiteren Glaubhaftmachung bedarf (Hessisches FG Beschluss vom 25. April 2013 1 V 495/13, juris; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. Sächsisches FG Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris; a.A. Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) auch wenn sie jeden Insolvenzschuldner treffen und üblicherweise mit dem Insolvenzantrag oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sind (a. A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877).

90

bb) Im Übrigen dürften auch die zumindest ebenso zeitnah zu besorgenden weiteren o.g. Maßnahmen des Insolvenzgerichts Anordnungsgründe bilden.

91

cc) Selbst wenn es bei Insolvenzgerichten gängige Praxis sein sollte, Verfahren, wenn parallel zum Insolvenzeröffnungsverfahren eine Leistungsklage auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim Finanzgericht anhängig gemacht worden ist, nicht zu fördern, sondern die Insolvenzgerichte i.d.R. mit Rücksicht auf § 13 Abs. 2 InsO, d.h. die Erledigung des Insolvenzantragsverfahrens durch Antragsrücknahme, die Entscheidung der Finanzgerichtsbarkeit abwarten sollten (so Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248), was wohl vielfach selbst dann, wenn die Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags im Wege der einstweiligen Anordnung des Finanzgerichts begehrt wird, ohnehin nicht der Realität entsprechen dürfte, entfällt der Anordnungsgrund nicht.

92

b)Die Antragstellerin besitzt einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme seines Insolvenzantrags.

93

aa) Allerdings hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner den Insolvenzantrag gestellt hätte, ohne das zu erkennen wäre, dass er das ihm eingeräumte Ermessen betätigt hätte.

94

bb) Der Antragsgegner hat trotz des Hinweises des Berichterstatters auf den Beschluss des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2013 3 V 1340/12, EFG 2013, 1782, und somit darauf, dass die Finanzbehörde bei der Entscheidung, ob sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantrage, eine Ermessensentscheidung zu treffen habe und maßgeblich für deren Beurteilung womöglich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, lediglich vorgetragen, der Insolvenzantrag sei ermessensgerecht, da die Vollstreckungsmaßnahmen ohne Erfolg geblieben seien. Er sei bei vollstreckbaren Rückständen im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten, bei Vorliegen von Insolvenzgründen einen Insolvenzantrag zu stellen.

95

Er hat keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine weitergehende Betätigung eines Ermessens erkennen ließe. Insbesondere lassen die vorgelegten Vollstreckungsakten keinerlei Betätigung des Ermessens erkennen.

96

Unstreitige Tatsachen – wie im Streitfall die vorgenannten Umstände – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533; § 114 Abs. 2 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

97

cc) Wenn der Antragsgegner im Streitfall seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrensaufrecht erhält, ohne sein Ermessen in weiterem Umfang zu betätigen, so verletzt er das subjektive Recht der Antragstellerin auf dieses aktuell.

98

(1) Die Stellung des Insolvenzantrags bildet eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde (Loose in Tipke/Kruse, AO, 141. Lfg. Juli 2015, § 251, Rz. 19; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt, AO, 21. Aufl. 2015, § 251, Rz. 8) gestellte Vollstreckungsmaßnahme (FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO). Der Abgabenschuldner hat Anspruch auf die Betätigung des Ermessens durch die Behörde, insbesondere eine Begründung der Ermessensentscheidung, in der die angestellten Überlegungen und der Gang des Abwägungsprozesses erkennbar werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens hat das Finanzamt die sich aus dem jeweiligen Steuerrechtsverhältnis ergebenden konkreten Besonderheiten umfassend zu würdigen (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105). Es sind die Belange des Schuldners und die wirtschaftlichen Auswirkungen mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzuwägen (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 294; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzamts, AO-StB 2007, 210).

99

(2) Es besteht ein Anspruch auf Rücknahme des Insolvenzantrags, wenn die in dessen Stellung liegende Ermessensentscheidung diese Erfordernisse wie im Streitfall nicht erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017), der Antragsgegner geht vielmehr rechtlich unzutreffend von einem vorgeprägten Ermessen aus.

100

(3) Eine Begründung der im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Ermessensentscheidung ist allerdings ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Formalität bildete, da die Gründe offensichtlich sind, insbesondere wenn dem Betroffenen die Auffassung der Finanzbehörde hinsichtlich der Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar ist (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Streitfall jedoch ist dies gerade im Hinblick auf eine Interessenabwägung nicht der Fall.

101

(4) Ohne dass es noch darauf ankäme, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegner damit rechnet, dass sein Antrag mangels Masse abgewiesen wird. In diesem Falle ist die Stellung des Insolvenzantrags ermessensfehlerhaft (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH; Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 224. Lfg. September 2013, § 251, Rz. 99 und 105; vgl. auch Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 10. Aufl. 2014, S. 121, zur existenzvernichtenden Wirkung des Insolvenzantrags).

102

(5) Auch auf den Umstand, dass der Antragsgegner im Rahmen seines Ermessens den Insolvenzantrag der C ermessensdefizitärerweise nicht berücksichtigt hat, kommt es nicht mehr an.

103

c) Es kann dahinstehen, ob § 102 FGO auf den Insolvenzantrag unmittelbare Anwendung findet (bejahend BFH-Beschlüsse vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002; vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), obwohl es sich bei der Stellung des Insolvenzantrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt, weshalb auch für ein Aufrechterhalten eines solchen Antrags keinen Verwaltungsakt bilden kann.

104

aa) Entweder ist § 102 Satz 1 FGO entsprechend anwendbar, wogegen freilich spricht, dass die Einschränkung des § 102 Satz 2 FGO dann ebenfalls entsprechend anzuwenden sein dürfte,

105

bb) oder aber ein behördliches Ermessen ist im gerichtlichen Verfahren, wenn es sich nicht in einem Verwaltungsakt niedergeschlagen haben kann, angesichts des klarstellenden Charakters des § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt überprüfbar.

106

d) Zu beurteilen ist nicht, ob die Stellung des Insolvenzantrags seinerzeit ermessensgerecht war. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist vielmehr der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

107

aa) Die Prüfung durch das Gericht hat sich auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (FG des Saarlands Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759; vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, hinsichtlich einer Leistungsklage; FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11; Sächsisches FG Beschluss vom 01. Juni 2007 1 V 990/07, DZWIR 2007, 326; Sächsisches FG Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; FG Köln Beschluss vom 26 Juni 2008 6 V 973/08, EFG 2009, 870; Brandis, EFG 2005, 374; Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; Loose in Tipke/Kruse, AO, 141. Lfg. Juli 2015, § 251, Rz. 22; Hess, InsO, 2. Aufl. 2013, § 14, Rz. 119; a.A. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris; Sächsisches FG Beschluss vom 02. Juli 2013 6 K 813/13, juris; BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; offengelassen in BFH-Beschlüssen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

108

bb) Sind die vom Finanzamt zu diesem Zeitpunkt für die Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrags angegebenen Gründe ermessensgerecht, kann es daher (im Klageverfahren) nicht mehr zur Rücknahme dieses Antrages verurteilt werden, nur weil die vormals bei Stellung des Antrages angegebenen Gründe gegebenenfalls ermessensfehlerhaft waren (a.A. möglicherweise Sächsisches FG Beschluss vom 28. März 2013 3 V 271/13, juris, das prüft, ob der Antrag sowohl bei Antragstellung als auch später rechtmäßig war). Umgekehrt muss das Finanzamt (im Klageverfahren) zur Rücknahme des Insolvenzantrags verurteilt werden, wenn die Antragsvoraussetzungen zwar bei Stellung des Antrages vorgelegen haben, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht mehr gegeben sind (FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

109

cc) Anders als im Falle des Begehrens der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde ist, da die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nicht formell bestandskräftig werden kann, nicht zwischen einem Ermessen hinsichtlich einer gedachten Stellung des Insolvenzantrags im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und der Aufrechterhaltung in Form eines Verzichts auf die Rücknahme des Insolvenzantrags zu unterscheiden.

110

dd) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidungen nicht nur in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 102 Satz 2 FGO ergänzen, sondern eine Ermessensentscheidung, gerade weil kein Verwaltungsakt vorliegt, so dass § 102 Satz 2 FGO und auch § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar sind (FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11), völlig neu (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021; Lindwurm, Zulässigkeit eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, AO-StB 2011, 136) oder sogar unter erstmaliger Betätigung ihres Ermessens treffen darf. Denn

111

(1) Eine ursprüngliche Ermessensbetätigung, an der der Antragsgegner festhielte, ist nicht zu erkennen.

112

(2) Auch eine spätere Betätigung des Ermessens hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

113

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

114

1. Hinsichtlich ihres Begehrens nach Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Insolvenzantrags obsiegt die Antragstellerin.

115

Hinsichtlich dieses Antrags beläuft sich der Streitwert auf 50.000,- € (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt Beschuss vom 15. Mai 2013 3 K 1339/12, EFG 2013, 1697).

116

Das Interesse der Antragstellerin ist im Streitfall ihrem Interesse im Falle einer Leistungsklage auf Verurteilung des Finanzamts zur Rücknahme des Insolvenzantrags identisch, da der begehrte Rechtsschutz denselben Umfang besitzen soll.

117

2. Mit ihrem übrigen Begehren unterliegt die Antragstellerin.

118

Insoweit ist der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG in Ansatz zu bringen, da nicht ersichtlich ist, dass der Antragstellerin überhaupt Einzelvollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners drohen würden.

119

3. Der Erfolg der Antragstellerin beläuft sich mithin auf etwa 10/11. Dementsprechend sind der Antragstellerin 1/11 der Kosten aufzuerlegen.

120

IV. Gründe für eine etwaige Zulassung der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

121

Die Abweichung vom Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick auf den Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht erfordert die Zulassung der Beschwerde nicht, weil der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung über die vom FG Hamburg zugelassene Beschwerde ein solches bejaht hat (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15 zitiert 36 §§.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17


(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht w

Insolvenzordnung - InsO | § 21 Anordnung vorläufiger Maßnahmen


(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 40


(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer a

Insolvenzordnung - InsO | § 22 Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters


(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 114


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des An

Abgabenordnung - AO 1977 | § 118 Begriff des Verwaltungsakts


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Insolvenzordnung - InsO | § 5 Verfahrensgrundsätze


(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldner

Insolvenzordnung - InsO | § 207 Einstellung mangels Masse


(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender G

Insolvenzordnung - InsO | § 14 Antrag eines Gläubigers


(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 60 Auflösungsgründe


(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit;2. durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehr

Insolvenzordnung - InsO | § 200 Aufhebung des Insolvenzverfahrens


(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

Insolvenzordnung - InsO | § 13 Eröffnungsantrag


(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Gesc

Abgabenordnung - AO 1977 | § 258 Einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung


Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 249 Vollstreckungsbehörden


(1) Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Dies gilt auch für Steueranmeldungen (§ 168). Vollstreckungsbehörden si

Insolvenzordnung - InsO | § 258 Aufhebung des Insolvenzverfahrens


(1) Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens. (2) Vor der Aufhebung hat der Verwalter die unstreitigen fä

Insolvenzordnung - InsO | § 212 Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds


Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des

Insolvenzordnung - InsO | § 199 Überschuß bei der Schlußverteilung


Können bei der Schlußverteilung die Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt werden, so hat der Insolvenzverwalter einen verbleibenden Überschuß dem Schuldner herauszugeben. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so hat der

Insolvenzordnung - InsO | § 213 Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger


(1) Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom

Insolvenzordnung - InsO | § 2 Amtsgericht als Insolvenzgericht


(1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig. (2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen F

Aktiengesetz - AktG | § 274 Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft


(1) Ist eine Aktiengesellschaft durch Zeitablauf oder durch Beschluß der Hauptversammlung aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist, die Fortsetzung der Gesell

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Sept. 2015 - 3 V 916/15 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2009 - IX ZB 86/09

bei uns veröffentlicht am 09.07.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 86/09 vom 9. Juli 2009 in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Rich

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 13. Juni 2014 - 6 V 76/14

bei uns veröffentlicht am 13.06.2014

Tatbestand 1 I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner (das Finanzamt -FA) zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verpflichten. 2 Der Antragsteller arbeitete bis zu

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 15. Mai 2013 - 3 K 1339/12

bei uns veröffentlicht am 15.05.2013

Tenor Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 13 v.H. und im Übrigen der Beklagte zu tragen. Tatbestand 1 I. Mit ihrem Klageantrag begehrte die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, sowohl eine Zahlung i.H.v. 7.418,97 €, die auf Umsatzst

Bundesfinanzhof Beschluss, 08. Mai 2013 - VII B 36/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2013

Tatbestand 1 I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die auf Einstellung und Beschränkung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerichtete Klage des Kläge

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Jan. 2013 - 3 V 1340/12

bei uns veröffentlicht am 10.01.2013

Tenor Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner z

Bundesfinanzhof Beschluss, 31. Aug. 2011 - VII B 59/11

bei uns veröffentlicht am 31.08.2011

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände,

Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Feb. 2011 - VII B 224/10

bei uns veröffentlicht am 28.02.2011

Tatbestand 1 I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteue

Bundesfinanzhof Beschluss, 25. Feb. 2011 - VII B 226/10

bei uns veröffentlicht am 25.02.2011

Tatbestand 1 I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag

Referenzen

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

1

A. Unter dem 08. Juni 2012 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht ... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Der Antrag ging dort am 12. Juni 2012 ein. In seinem Antrag gab der Antragsgegner Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 125.029,63 € an. Die aufgeführten Forderungen, zu denen auch Säumniszuschläge zählten, seien unanfechtbar festgesetzt. Seit dem 01. April 2011 hätten keine Zahlungen realisiert werden können. Die Antragstellerin selbst habe ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen sei am 06. Juni 2011 fruchtlos verlaufen. Die Pfändungen der Konten bei der B. und der C. vom 05. Januar 2011 sowie der D. und der E. vom 25. März 2011 wie auch die Forderungspfändung bei der F. Werbung GmbH u. Co KG vom 05. Januar 2011 hätten insgesamt lediglich zu Zahlungen i.H.v. 952,16 € geführt.

2

In den Verwaltungsvorgängen findet sich ein vom jetzigen Prozessbevollmächtigten und seinerzeitigem Vorstand der Antragstellerin unterzeichneter Fragebogen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei juristischen Personen. Nach den dortigen Angaben vom 27. Juni 2012 gegenüber dem Insolvenzgericht ist die Antragstellerin nicht zahlungsunfähig und hat ihr Unternehmen im Bereich der Verwaltung noch nicht eingestellt. An Vermögensgegenständen ist lediglich eine Forderung gegen die F. ... AG und Co. KG i.H.v. 130.000,- € angegeben, der Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 100.000,- € gegenüber stünden. Die Forderung sei durch eine Teilabtretung einer Steuererstattung in selber Höhe gesichert.

3

Mit Schreiben vom 06. Juli 2012 an das Insolvenzgericht führte der Antragsgegner aus, das Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Vertreter der Antragstellerin ... sei noch nicht abgeschlossen. Die bis dato festgesetzte Umsatzsteuer für 2009 und 2010 stimme rechnerisch mit den abgegebenen Jahreserklärungen überein. Nach Veranlagung ergäbe sich keine Änderung der Forderungen des Antragsgegners. Zur fruchtlosen Pfändung vom 06. Juni 2011 habe seine Vollziehungsbeamtin vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragstellerin G. Auskunft über deren wirtschaftliche Situation erhalten. Die Antragstellerin sei damit über die bestehenden Forderungen informiert gewesen.

4

Er halte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin aufrecht und folge dem Antrag des „Geschäftsführers“ der Antragstellerin, den Antrag zurückzunehmen, nicht.

5

Die Antragstellerin legt in Fotokopie ein Protokoll über die Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2012 am 05. September 2012 vor, mit der steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. ./. 574.243,- € angemeldet worden sind, aus denen sich ein Steuerbetrag von ./. 109.106,30,- € ergab. Zudem legt sie die Kopie einer nicht unterzeichneten Umsatzsteuervoranmeldung für denselben Voranmeldungszeitraum mit denselben Daten vor.

6

Am 25. September 2012 bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es ordnete die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin und auch an, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

7

Mit Bescheid vom 23. November 2012, den er der Antragstellerin übersandte, setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2012 auf ./. 92.006,17 € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung erhielt er aufrecht. Es ergab sich ein Guthaben in Höhe des Betrags, über dessen Verwendung eine gesonderte Mitteilung ergehe. Die Steuer beruhte einzig auf der Annahme negativer Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 484.243,- €.

8

Mit Bescheid selben Datums, den er gleichfalls der Antragstellerin bekannt gab, setzte er die Umsatzsteuer für 2009 auf 123.014,99 € fest, wobei er die Änderung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützte. Im Ergebnis seiner Abrechnung waren von der Antragstellerin 128.498,57 € zu zahlen, zu denen Zinsen zur Umsatzsteuer für 2009 i.H.v. 4.341,- € traten.

9

Die Antragstellerin legt ein Schreiben vom 28. November 2011 in Kopie vor, mit dem sie dem Antragsgegner „die Steuererklärung und den Jahresabschluss für das Jahr 2010“ übersandt haben will. Mit kopiert ist ein handschriftlicher Vermerk „Keine Steuerbescheide bis heute“.

10

Das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters trägt als Datum den 04. Dezember 2012. Forderungen gegen den Antragsteller werden nicht ausgewiesen, die ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten hingegen mit 125.030,- €. Sie werden nicht spezifiziert. Es werden Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber anderen Gläubigern als dem Antragsteller genannt.

11

Unter dem 19. Dezember schrieb das Insolvenzgericht an Dr. H., es führe weitere Ermittlungen durch, um eine Entscheidung über den Insolvenzantrag des Antragsgegners treffen zu können. Es habe vom Antragsgegner wie auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter weitere Zuarbeiten erbeten. Soweit Einwendungen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters erhoben würden, werde auf die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht der Antragstellerin hingewiesen. Zur Glaubhaftmachung der Einwendungen bzgl. des Anlagevermögens und der Höhe der Verbindlichkeiten seien dem Insolvenzgericht binnen einer Frist von drei Wochen Belege, Urkunden, Verträge, evtl. HRB-Auszüge, Wertgutachten bzw. die benannte aktuelle Jahresbilanz vorzulegen. Die von der Antragstellerin vorgelegte Kopie des Schreibens trägt einen den 27. Dezember 2012 ausweisenden Stempelabdruck, handschriftlich ist der 17. Januar 2013 notiert.

12

Ebenfalls unter dem 19. Dezember 20012 erließ der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin eine Prüfungsanordnung hinsichtlich Körperschafts-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 2008 bis einschließlich 2010, der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf und des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010 sowie von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010. Die Prüfung werde voraussichtlich am 05. Februar 2013 beginnen. Zur Vorbereitung möge die Antragstellerin bis zum 15. Januar 2013 einen Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten übersenden.

13

Ausweislich des Handelsregisters ist die F. ... AG & CO KG aufgelöst und liquidationslos erloschen. Unter dem 19. Dezember 2012 sandte der Antragsgegner der Antragstellerin „als persönlich haftender Gesellschafter der F. ... AG & Co.KG“ „für“ die KG eine Prüfungsanordnung. Er ordnete eine Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuer für das III. Quartal 2012 an, mit der er voraussichtlich am 17. Januar 2013 beginnen werde, und bat um Übersendung eines Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten bis zum 07. Januar 2013.

14

Der Antrag der Antragstellerin ist beim Finanzgericht am 20. Dezember 2012 eingegangen.

15

Die Antragstellerin legt in Kopie ein Protokoll der Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 der F. ... AG & Co. KG vom 05. November 2012 vor, mit der eine Steuer i.H.v. ./. 60.525,23 € angemeldet wird. Es werde Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 73.670,47 € und abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 74.522,63 € erklärt.

16

Unter dem 30. November 2012 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, würden im einzelnen spezifizierte Forderungen i.H.v. insgesamt 86.285,17 € beglichen, so könne er den Insolvenzantrag für erledigt erklären.

17

Der Antragsteller legt eine Aufstellung offener Forderungen per 04. Januar 2013 vor, nach der er Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 86.879,67 € hat. Er legt eine weitere Aufstellung vor, nach der das Guthaben, dass sich aus dem geänderten Vorauszahlungsbescheid über Umsatzsteuer für Juli 2012 ergab, auf die Umsatzsteuer für 2009 und eine weitere Umsatzsteuerforderung vollständig erloschen ist.

18

Die Antragstellerin trägt vor, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners gegenüber dem Insolvenzgericht habe sie nicht etwa erklärt, sie sei zahlungsunfähig, sondern sich vielmehr für zahlungsfähig erklärt. Sie habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner genannten Steuerforderungen nicht in der von ihm genannten Höhe bestünden. Das Finanzamt J. habe unter dem 23. November 2012 einen Bescheid über Körperschaftsteuer für 2010 erlassen, aus dem sich ergebe, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sich auf ./. 4.955,59 € beliefen, so dass keine Körperschaftsteuer anfalle. – Es handelt sich jedoch um einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb, in dem für die Antragstellerin ein Gewinn festgestellt wird. –

19

Die F. ... AG & Co. KG, sei per 30. Juli 2012 erloschen, nachdem die letzte Kommanditistin die F. ... GmbH & Co. KG, zu jenem Termin ausgeschieden sei. Rechtsnachfolgerin der erloschenen KG sei die Antragstellerin. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 sei angesichts der Festlegung der Quartalszahlung durch den Antragsgegner noch im Namen der erloschenen KG abgegeben worden. Sie, die Antragstellerin, behalte sich eine Korrektur vor.

20

Steuerbescheide für 2010 seien ihr gegenüber trotz nebst Jahresabschluss eingereichter Steuererklärung nicht ergangen.

21

Die Antragstellerin beantragt, dem Antragsteller aufzugeben, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

22

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

23

Er trägt vor, er könne weder die Betriebsprüfungs- noch die zugehörige Arbeitsakte übersenden, da die Akten verwendet würden und sich die zuständigen Mitarbeiter in Urlaub befänden. Ein Stundungs- und Erlassantrag könne nicht festgestellt werden. Der Feststellungsbescheid des Finanzamts J. könne hinsichtlich der Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht berücksichtigt werden.

24

Er hat lediglich die für die Antragstellerin von ihm geführte Vollstreckungsakte vorgelegt.

25

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

26

B. I. Der zulässige Antrag ist begründet.

27

1. Der Antrag ist zulässig.

28

a) Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Halbs. 1 FGO eröffnet.

29

Für die Überprüfung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist – anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; im Ergebnis wohl zustimmend Wehr in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2012, § 14 InsO, Rz 43; a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

30

aa) Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Antrags eines Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten (Finanzgericht Münster Beschluss vom 15. März 2000 12 V 1054/00 AO, DStRE 2000, 668; Finanzgericht des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

31

bb) Dass das Insolvenzgericht das rechtliche Interesse des Gläubigers, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Inso), prüft, führt nicht dazu, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet wäre, obschon gemäß § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht als Insolvenzgericht ausschließlich für das Insolvenzverfahren zuständig ist.

32

(1) Das Erfordernis des rechtlichen Interesses soll einem Missbrauch des Insolvenzantrages – etwa zu dem Zweck, Zahlungen solventer Schuldner zu erzwingen – vorbeugen (BT-Drs. 12/2443, S. 113). Die finanzgerichtliche Ermessenskontrolle geht jedoch – auch in den Schranken des Rechtsgedankens des § 102 Satz 1 FGO – über eine bloße Missbrauchskontrolle hinaus.

33

(2) Es mag zutreffen, dass das Insolvenzgericht, wenn es gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, ermittelt, einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch zumindest insoweit prüft, als es das rechtliche Interesse des antragstellenden Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit prüft.

34

(3) Dennoch prüft das Insolvenzgericht nicht die im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Abwägung, insbesondere nicht einmal, ob ein solche stattgefunden hat oder ein sog. Ermessensausfall vorliegt (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZinsO 2011, 895; vgl. auch AG Göttingen Beschluss vom 07. August 1998 71 IN 34/98, ZInsO 1998, 190: Prüfung des Ermessens nur in eindeutigen Fällen von Rechtsmissbrauch).

35

Der etwaige Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens kann mithin nur durch den finanzgerichtlichen Rechtsschutz durchgesetzt werden, weswegen der Finanzrechtsweg – neben dem Weg zum Insolvenzgericht – zwingend eröffnet sein muss.

36

(4) Hinzu tritt, dass, sind Forderung und Eröffnungsgrund vom Gläubiger, dem Finanzamt, glaubhaft gemacht, ein rechtliches Interesse an der Insolvenzeröffnung angenommen wird (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; LG Magdeburg Beschluss vom 28. November 2011 11 T 491/11 (087), nachgewiesen bei juris), so dass der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht unter diesem Aspekt hinter demjenigen durch das Finanzgericht zurück bleibt (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

37

(5) Auch fehlt das rechtliches Interesse i.S.d. § 14 Abs.1 Satz 1 InsO nicht, wenn die Forderung nur in geringer Höhe besteht (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411), während ein Antrag der Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerhaft sein kann, wenn die geltend gemachte Forderung eine Bagatellforderung bildet (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002).

38

cc) Die Gefahr eines Wettlaufs von Finanz- und Insolvenzgericht (Amtsgericht) besteht nicht (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; zur Synchronisation Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. zur mangelnden Abstimmung von Insolvenzrecht und steuerlichem Verfahrensrecht, Bartone, Vollstreckungsrecht und Insolvenzrecht im Spannungsverhältnis – Aktuelle Einzelfragen und ihre Lösung, AO-StB 2004, 194), obschon der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 13 Abs. 2 InsO nach dessen Eröffnung selbst dann, wenn der Eröffnungsbeschluss nicht rechtskräftig ist, gemäß § 13 Abs. 2 InsO nicht mehr zurückgenommen werden kann (Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 2; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 153; Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 2. Auflage 2011, § 13, Rz 10).

39

(1) Eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens (Zulassungsverfahrens) gem. § 4 InsO i.V.m. § 148 ZPO scheidet allerdings aus (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326; a.A. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248: Aussetzung nach § 148 ZPO analog i.V.m. § 4 InsO), weil es sich bei Insolvenzverfahren um Eilverfahren handelt (BGH-Beschluss vom 29. März 2007 IX ZB 146/06, ZInsO 2007, 604, 605).

40

(2) Zu unzumutbaren Verzögerungen des als Eilverfahren ausgestalteten Insolvenzverfahrens (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011) dadurch, dass der Schuldner finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, kann es nicht kommen (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011), da auch ein Ruhen des Insolvenzverfahrens aufgrund des Eilverfahrenscharakters nicht in Betracht kommt (Kirchhof in Kreft, InsO, 6. Aufl. 2011, § 4, Rz 25).

41

(3) Die Gefahr, dass der finanzgerichtliche Rechtsschutz angesichts der Regelung des § 13 Abs. 2 InsO zu spät kommt, begründet lediglich dessen außerordentliche Dringlichkeit. – Wie gerade die Entscheidung im Streitfall zeigt, trifft es nicht zu, dass die Insolvenzgerichte schneller als die Finanzgerichte entschieden (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

42

dd) Es mag auch zutreffen, dass das Finanzgericht auch unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht in für das Insolvenzgericht bindender Weise über insolvenzrechtliche Fragen wie Zahlungsunfähigkeit entscheiden kann (so AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, m.w.N.). Denn in Rechtskraft kann lediglich der Tenor der finanzgerichtlichen Entscheidung, nicht hingegen dessen Begründung erwachsen.

43

ee) Daher besteht auch keine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

44

(1) Die Gefahr der unterschiedlichen Auslegung der gesetzlichen Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch verschiedene Spruchkörper, insbesondere solcher ohne gemeinsames Obergericht besteht ohnehin. Nicht die Einheit der Rechtsordnung, sondern allenfalls die Einheit der Rechtsprechung ist in Gefahr. Dieses Phänomen ist jedoch für im Rahmen einer Entscheidung zu klärende Vorfragen bildende Rechtsfragen gerade dann charakteristisch, wenn sie, wären sie nicht lediglich als Vorfragen zu klären, in einem anderen Rechtsweg zu entscheiden wären. Fachnähe und Sachkundigkeit hinsichtlich Vorfragen sind zur Bestimmung des Rechtswegs ungeeignet (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

45

(2) Zu einem Eingriff in die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9; Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895) kommt es somit nicht. Vielmehr entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

46

(3) Es ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Finanzbehörde als Gläubiger und dem Prozessrechtsverhältnis im Insolvenzeröffnungsverfahren zu unterscheiden (vgl. Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9). Im vorliegenden Verfahren wird ausschließlich ersteres untersucht, obschon die Rechtmäßigkeit des eine Prozesshandlung bildenden Insolvenzantrag grundsätzlich im Prozessrechtsverhältnis zu beurteilen ist (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9), erfolgt die Überprüfung des Insolvenzantrags als Ermessensentscheidung im Finanzrechtsweg (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 90; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 152). Auch wenn der Insolvenzantrag wie im Streitfall bereits gestellt ist, sind spezifisch verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte vom Finanzgericht zu prüfen (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 92; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 155).

47

ff) Der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht mag einfacher sein (so Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), effektiver ist er nicht (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Denn das Insolvenzgericht überprüft die Ermessensentscheidung des Finanzamts nicht als solche (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411) und somit auch nicht deren Ausfall, sondern allenfalls einzelne Fehler (vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), jedoch nicht vollständig im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens. Liegen solche vor, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weshalb die Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags zu verpflichten ist. Trotz eines solchen Ermessensfehlers kann jedoch, solange ein Insolvenzantrag gestellt ist, das Insolvenzverfahren aus anderen Gründen durchaus zu eröffnen sein. Auch erfolgt die Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Insolvenzeröffnungsverfahren, obwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, die diesen zu wahren hat, nur im Hinblick auf einen Missbrauch des Antrags durch sachfremde Erwägungen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Es wäre widersprüchlich, dem Schuldner einerseits den finanzgerichtlichen Rechtsschutz zu versagen, ihn andererseits aber auf ein Amtshaftungsverfahren zu verweisen, in dem die Ermessensausübung der Finanzbehörde geprüft werden könne (so aber Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

48

gg) Der Verweis auf ein etwaig fehlendes Spruchrichterprivileg des Insolvenzgerichts ist nicht geeignet, die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts unter Einschränkung des Rechtsschutzes hinsichtlich des Anspruchs auf pflichtgemäßes Ermessen einzuschränken (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

49

hh) Auch aus § 251 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt sich nichts anderes (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411). Die Vorschriften der InsO mögen im sog. Insolvenzeröffnungsverfahren gegenüber denjenigen der AO vorrangig sein. Das vorliegende Verfahren steht jedoch neben dem Insolvenzeröffnungsverfahren. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bezweckt eine Einschränkung gerichtlichen Rechtsschutzes nicht. Die Vorschrift regelt das Verwaltungsverfahren, sie ist nicht prozessualer Natur.

50

b) Der auf eine Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO (a.A. Brandis EFG 2005, 374, Bartone, AO-StB 2004, 194, 195,FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, die eine Sicherungsanordnung annehmen) gerichtete Antrag ist statthaft und insbesondere nicht gemäß § 114 Abs. 5 FGO ausgeschlossen.

51

aa) Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt wird, ein schlichtes hoheitliches (a.A. vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 277) Handeln (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105) und dementsprechend keinen Verwaltungsakt, da der Antrag nicht, wie für einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO erforderlich, auf eine unmittelbare Regelung nach außen gerichtet ist (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 276) und vom Insolvenzgericht überprüft wird (FG des Saarlandes Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021; a.A. Brockmeyer in Klein AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11, und Lippross, Rechtsschutz gegen Konkursanträge der Finanzbehörden, DB 1985, 2482).

52

(1) Der Insolvenzantrag ist lediglich ein Antrag an das Insolvenzgericht, ein bestimmtes Verfahren einzuleiten. Als solcher bildet er eine Prozesshandlung (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 166. Lfg. September 2000, m.w.N.). Rechtswirkungen erzeugen erst bestimmte Maßnahmen des Insolvenzgerichts. Mit dem Antrag wird nicht – unmittelbar – eine Regelung getroffen, sondern eine – unmittelbare – Regelung erst erstrebt (Lohse in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, RZ 18; Fritsch in Pahlke(Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 21; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210). Die unmittelbare Regelung wird erst vom Amtsgericht getroffen (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135).

53

(2) Der Schuldner ist nicht Adressat des Antrages, sondern von ihm nur in Form eines Rechtsreflexes betroffen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411, m.w.N.).

54

(3) Die Auffassung, der Insolvenzantrag bilde einen Verwaltungsakt wird nicht konsequent umgesetzt, wenn vorläufiger Rechtsschutz nur durch eine einstweilige Anordnung, nicht aber durch Aussetzung der Vollziehung gewährt (so aber Brockmeyer in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11; vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275 und 278).

55

bb) Der Antrag nach § 114 FGO entspricht verfahrensrechtlich im einstweiligen Rechtsschutz der in der Hauptsache statthaften Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 Satz 3 FGO (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

56

cc) Es handelt sich um eine Regelungs- und nicht um eine Sicherungsanordnung (vgl. im Ergebnis BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; a.A. Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

57

(1) Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht. Mit der Entscheidung des Finanzgerichts wird der Zustand der Freiheit von einem Insolvenzverfahren allenfalls indirekt gesichert, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt zwar einen Antrag voraus (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO), erforderlich ist jedoch lediglich der Antrag eines Gläubigers, so dass das Insolvenzverfahren auf Antrag eines oder mehrerer weiterer Gläubiger auch dann eröffnet werden kann, wenn das Finanzamt zur Rücknahme seines Antrags verpflichtet wird.

58

(2) Unmittelbar ist der Antrag nicht auf Sicherung eines bestehenden Zustands gerichtet, sondern auf dessen abweichende Regelung, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll dem Begehren der Antragstellerin nach zurückgenommen werden, wo durch sich der bestehende Rechtszustand zu ihren Gunsten ändert (vgl. im Ergebnis FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

59

c) Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Stattgabe macht den Antrag nicht unzulässig.

60

aa) In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes soll freilich regelmäßig keine endgültige Maßnahme zu treffen, die das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehmen würde (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 38, m. w. N.).

61

bb) Allerdings kann die Vorwegnahme der Hauptsache im Einzelfall erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtschutz zu gewährleisten (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 41, m. w. N.).

62

cc) So verhält es sich im Streitfall, weil der Verweis auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren angesichts der gravierenden Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, insbesondere auch im Einzelfall des Antragstellerin, zu irreversiblen Schäden führen würde und ihr deshalb nicht zuzumuten ist.

63

(1) Im Vergleich zu den Nachteilen, die der Antragstellerin mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen drohen, ist die durch die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin getroffene Regelung begrenzt, denn sie hindert den Antragsgegner nicht, unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnissen und erneuter oder erstmaliger Betätigung seines Ermessens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400), während andererseits eine Rücknahme des Antrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.

64

(2) Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht noch vor seiner Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Maßnahmen zu Lasten der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a, 2 (ggf. mit der in § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehenen Folge der Bestellung eines sog. vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters), 4 und 5 sowie Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InsO trifft. Auch weitere Maßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO könnten die Antragstellerin in ihrer Kreditwürdigkeit zusätzlich belasten.

65

(3) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist angesichts der vorgenannten Umstände jedenfalls dann zulässig, wenn in Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nur eine summarische Prüfung erfolgt.

66

dd) Auch ist eine Verpflichtung zu einer – einstweiligen – Einschränkung des Antrags i.S. einer Beschränkung auf das Begehren, einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, nicht möglich, da die InsO einen solchen Antrag nicht zulässt.

67

ee) Es besteht auch nicht die Möglichkeit, als eine Art Zwischenlösung den Antragsgegner zu verpflichten, ein Ruhen des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht zu beantragen, denn auf das Insolvenzverfahren finden die Vorschriften über das Ruhen und die Aussetzung keine Anwendung (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, RZ 92, und § 16, RZ 22, m.wN.; FG Hamburg Beschluss vom 25. April 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. BGH-Beschluss vom 29. Juli 2007 IX ZB 141/06; ZInsO 2007, 604).

68

d) Die Antragstellerin besitzt ein anzuerkennendes gegenwärtiges Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung.

69

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht etwa dadurch, dass das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hat (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

70

(1) Dies ergibt sich bereits aus obigen Erwägungen zur Eröffnung des Finanzrechtswegs.

71

(2) Der Insolvenzantrag erfordert unabhängig von den über den Insolvenzantrag hinausgehenden Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.).

72

(3) Neben die Ermessenskontrolle tritt die Überprüfung des Insolvenzantrags durch das Finanzgericht nach den Vollstreckungsvorschriften der AO (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

73

(4) Es mag zutreffen, das das Insolvenzgericht missbräuchliche, d. h. zu einem anderen Zweck als der gleichmäßigen Befriedigung aller Schuldner gestellte Anträge, wie etwa solche nur zum Druck zur Zahlung oder zur reinen Existenzvernichtung, zurückzuweisen hat (FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, m.w.N.) Es kann jedoch dahinstehen, ob der Antragsgegner lediglich Druck auf die Antragstellerin ausüben will, worauf sein Schreiben vom 30. November 2012 hindeuten könnte, denn in jedem Fall geht die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Finanzgericht über eine bloße Missbrauchs- und Verhältnismäßigkeitskontrolle hinaus (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

74

(5) Auch der Umstand, dass das Insolvenzgericht bereits mit einer inhaltlichen Prüfung des Antrags begonnen und die Antragstellerin zur Stellungnahme aufgefordert hat, würde hieran nichts ändern (a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475).

75

bb) Das Bedürfnis nach finanzgerichtlichem Rechtsschutz im Wege der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners besteht solange fort, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschossen oder aber den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122, vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, und vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).

76

cc) Das Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere nicht etwa mit der Bestellung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters entfallen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris). Vielmehr droht der Antragstellerin, nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter sein Gutachten vorgelegt hat, die Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters und darüber hinaus die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

77

2. Der Antrag ist begründet.

78

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

79

Ein Erfolg des Antrags setzt voraus, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), und einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO; vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

80

a) Ein Anordnungsgrund liegt vor.

81

Es kann dahinstehen, ob der Anordnungsgrund bereits aus der Natur der Sache folgt, weil wegen der weitreichenden, regelmäßig nicht wieder rückgängig zu machenden Wirkungen eines erfolgreichen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder seiner Ablehnung wegen fehlender Masse, die Dringlichkeit der Entscheidung keiner weiteren Glaubhaftmachung bedarf (so FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris; a.A. Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) auch wenn sie jeden Insolvenzschuldner treffen und üblicherweise mit dem Insolvenzantrag oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sind (a. A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877).

82

aa) Selbst wenn die im Schreiben des Insolvenzgericht gesetzte Frist erst mit dessen Zugang zu laufen begonnen haben sollte, so würde eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens nunmehr, auch insoweit ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wie stets im Hinblick auf den Anordnungsgrund (Dombert in Finkelnburg / Dombert, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren 6. Aufl. 2011, S. 335) maßgeblich, binnen Wochenfrist drohen, was auch in zeitlicher Hinsicht zu einem Anordnungsgrund führt.

83

bb) Im Übrigen dürften auch die zumindest ebenso zeitnah zu besorgenden weiteren o.g. Maßnahmen des Insolvenzgerichts Anordnungsgründe bilden.

84

cc) Selbst wenn es bei Insolvenzgerichten gängige Praxis sein sollte, Verfahren, wenn parallel zum Insolvenzeröffnungsverfahren eine Leistungsklage auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim Finanzgericht anhängig gemacht worden ist, nicht zu fördern, sondern die Insolvenzgerichte i.d.R. mit Rücksicht auf § 13 Abs. 2 InsO, d.h. die Erledigung des Insolvenzantragsverfahrens durch Antragsrücknahme, die Entscheidung der Finanzgerichtsbarkeit abwarten sollten (so Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248), entfällt der Anordnungsgrund nicht.

85

b) Die Antragstellerin besitzt einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme seines Insolvenzantrags.

86

aa) Allerdings hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner den Insolvenzantrag gestellt hätte, ohne das zu erkennen wäre, dass er das ihm eingeräumte Ermessen betätigt hätte.

87

bb) Es kann dahinstehen, ob es eines solchen Vortrags auch hinsichtlich eines Ausfalls des Ermessens bedarf (so Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) oder aber ein solcher Vortrag nicht erforderlich ist, weil es sich beim Ausfall des Ermessens um eine negative Tatsache handelt .

88

(1) Der Antragsgegner hat trotz der Hinweise des Berichterstatters darauf, dass die Finanzbehörde bei der Entscheidung, ob sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantrage, eine Ermessensentscheidung zu treffen habe und maßgeblich für deren Beurteilung womöglich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, weder vorgetragen, er habe sein Ermessen betätigt noch Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Betätigung eines Ermessens erkennen ließe. Insbesondere lassen die vorgelegten Vollstreckungsakten keinerlei Betätigung des Ermessens erkennen.

89

(2) Unstreitige Tatsachen – wie im Streitfall die Nichtbetätigung des Ermessens – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533; § 114 Abs. 2 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

90

bb) Wenn der Antragsgegner seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrecht erhält, ohne sein Ermessen zu betätigen, so verletzt er das subjektive Recht der Antragstellerin auf dieses aktuell.

91

(1) Die Stellung des Insolvenzantrags bildet eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde (Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt, AO, 20. Aufl. 2011, § 251, Rz 8) gestellte Vollstreckungsmaßnahme (FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO). Der Abgabenschuldner hat Anspruch auf die Betätigung des Ermessens durch die Behörde, insbesondere eine Begründung der Ermessensentscheidung, in der die angestellten Überlegungen und der Gang des Abwägungsprozesses erkennbar werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens hat das Finanzamt die sich aus dem jeweiligen Steuerrechtsverhältnis ergebenden konkreten Besonderheiten umfassend zu würdigen (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).Es sind die Belange des Schuldners und die wirtschaftlichen Auswirkungen mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzuwägen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 279; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzamts, AO-StB 2007, 210).

92

Eine Begründung der im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Ermessensentscheidung ist allerdings ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Formalität bildete, da die Gründe offensichtlich sind, insbesondere wenn dem Betroffenen die Auffassung der Finanzbehörde hinsichtlich der Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar ist (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Streitfall jedoch ist dies gerade im Hinblick auf eine Interessenabwägung nicht der Fall.

93

Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Rücknahme des Insolvenzantrags, wenn die in dessen Stellung liegende Ermessensentscheidung diese Erfordernisse – wie im Streit-
fall – nicht erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

94

(2) Es kann dahinstehen, ob § 102 FGO auf den Insolvenzantrag unmittelbare Anwendung findet (bejahend BFH-Beschlüsse vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002, und vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), obwohl es sich bei der Stellung des Insolvenzantrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt, weshalb auch für ein Aufrechterhalten eines solchen Antrags keinen Verwaltungsakt bilden kann. Denn:

95

(a) Entweder ist § 102 Satz 1 FGO entsprechend anwendbar, wogegen freilich spricht, dass die Einschränkung des § 102 Satz 2 FGO dann ebenfalls entsprechend anzuwenden sein dürfte,

96

(b) oder aber ein behördliches Ermessen ist im gerichtlichen Verfahren, wenn es sich nicht in einem Verwaltungsakt niedergeschlagen haben kann, angesichts des klarstellenden Charakters des § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt überprüfbar.

97

(c) In jedem Fall jedoch kann geprüft werden, ob es zu einem sog. Ermessensausfall gekommen ist, d.h. gar keine Abwägungentscheidungserheblicher Umstände und der wirtschaftlichen Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles erfolgt ist (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

98

(3) Zu beurteilen ist nicht, ob die Stellung des Insolvenzantrags seinerzeit ermessensgerecht war. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist vielmehr der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

99

(a) Die Prüfung durch das Gericht hat sich auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (FG des Saarlands Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, hinsichtlich einer Leistungsklage; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 01. Juni 2007 1 V 990/07, DZWIR 2007, 326, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris, Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, FG Köln Beschluss vom 26 Juni 2008 6 V 973/08, EFG 2009, 870; Brandis, EFG 2005, 374, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 22; a.A. Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; offengelassen in BFH-Beschlüssen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

100

(b) Sind die vom Finanzamt zu diesem Zeitpunkt für die Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrages angegebenen Gründe ermessensgerecht, kann es daher (im Klageverfahren) nicht mehr zur Rücknahme dieses Antrages verurteilt werden, nur weil die vormals bei Stellung des Antrages angegebenen Gründe gegebenenfalls ermessensfehlerhaft waren. Umgekehrt muss das Finanzamt (im Klageverfahren) zur Rücknahme des Insolvenzantrages verurteilt werden, wenn die Antragsvoraussetzungen zwar bei Stellung des Antrages vorgelegen haben, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht mehr gegeben sind (FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

101

(4) Anders als im Falle des Begehrens der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde ist, da die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nicht formell bestandskräftig werden kann, nicht zwischen einem Ermessen hinsichtlich einer gedachten Stellung des Insolvenzantrags im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und der Aufrechterhaltung in Form eines Verzichts auf die Rücknahme des Insolvenzantrags zu unterscheiden.

102

(5) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidungen nicht nur in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 102 Satz 2 FGO ergänzen, sondern eine Ermessensentscheidung, gerade weil kein Verwaltungsakt vorliegt, so dass § 102 Satz 2 FGO und auch § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar sind (FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11) völlig neu (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, und Lindwurm, Zulässigkeit eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, AO-StB 2011, 136) oder sogar unter erstmaliger Betätigung ihres Ermessens treffen darf. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner sein Ermessen betätigt oder auch nur erkannt hätte.

103

(a) Eine ursprüngliche Ermessensbetätigung, an der der Antragsgegner festhielte, ist nicht zu erkennen.

104

(b) Auch eine spätere Betätigung des Ermessens durch den Antragsgegner lässt sich nicht feststellen.

105

(c) Freilich hat der Antragsgegner Einzelvollstreckungsmaßnahmen ergriffen, durch die er keine vollständige Befriedigung seiner Forderungen gegen die Antragstellerin erlangt hat, was letzterer bekannt ist. Ebenso ist ihr bekannt, dass die Stellung des Insolvenzantrags eine Reaktion auf die unvollständige Befriedigung der Forderungen im Wege der Einzelvollstreckung ist.

106

(d) Dennoch ist aber, insbesondere in Ermangelung einer Reaktion auf die Hinweise des Berichterstatters auf die zu treffende Ermessensentscheidung, nicht erkennbar, dass der Antragsgegner überhaupt erkannt hätte, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

107

cc) Unabhängig vom Ausfall des Ermessens läge ein Ermessensdefizit vor, das einen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Insolvenzantrags begründete:

108

(1) Ist aus den Erwägungen der Finanzbehörde nicht zu erkennen ist, dass es neben ihr noch weitere Gläubiger desselben Schuldners gibt, liegt ein Ermessensdefizit vor, zumal das Insolvenzverfahren nicht der Befriedigung lediglich eines einzigen Gläubigers dienen darf (vgl. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. § 1 Satz 1 InsO: „die Gläubiger“; vgl. auch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge – Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311) und die Finanzbehörde die Möglichkeit hat, sich durch die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses pflichtgemäß Kenntnis von Verbindlichkeiten ihres Schuldners gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen (Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248). Ist die Finanzbehörde nach ihrer Kenntnis der einzige Gläubiger des Schuldners, so entspricht der Insolvenzantrag nicht den gesetzlichen Zielvorstellungen der Insolvenzordnung, nämlich der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (Schmerbach in FK-Inso, 6. Aufl. 2011, § 1, Rz 2; Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Kießner in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582; a.A. Schmerbach in FK-InsO, 6.Aufl. 2011, § 14, Rz 68) und ist hierdurch ermessensfehlerhaft (vgl. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

109

Nach Aktenlage ist nicht zu ersehen, dass der Antragsgegner Kenntnis von Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber weiteren Gläubigern gehabt hätte oder hätte und diese Kenntnis in seine Entscheidung über die Stellung des Insolvenzantrags oder aber dessen Aufrechterhalten einbezogen hätte.

110

(2) Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht im Gegensatz zum Finanzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Steuerforderungen der Finanzbehörde aus einem vollziehbaren Steuerbescheid. Das Insolvenzgericht darf somit einen Grund für die von der Finanzbehörde beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann annehmen, wenn über die Forderungen, auf die die Eröffnung gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist (BGH-Beschluss vom 06. Mai 2010 IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091).

111

(a) Die fehlende Bestandskraft einer Steuerfestsetzung steht einem in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gestellten Insolvenzantrag der Finanzbehörde nicht von vornherein entgegen (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Allein der Umstand, dass der Steuerbescheid vollziehbar ist, schließt jedoch nicht aus, dass die Berücksichtigung der sich aus ihm ergebenden Forderung ermessensfehlerhaft ist (a.A. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

112

(b) Wenn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, aber noch nicht beschieden oder aber der Einspruch gegen deren Ablehnung noch nicht beschieden worden ist, muss die Finanzbehörde trotz der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281) prüfen, ob und inwieweit Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids oder eines ihm zugrundeliegenden Grundlagenbescheids bestehen (Carlé, Einleitung des Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; vgl. FG Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419). Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, so ist es ermessensfehlerhaft, den Insolvenzantrag auf den angefochtenen Bescheid zu stützen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281; Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 22; wohl bejahend FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; auch für den Fall überwiegender Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, in Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 20. November 1984 VII B 39/84, ZIP 1985, 1160; vgl. auch BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400).

113

(c) Zu beachten ist hier die Selbstbindung der Finanzverwaltung durch die Vollstreckungsanweisung (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275). I.d.R. ist die Finanzbehörde infolgedessen gehalten, zunächst über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Hat der Vollstreckungsschuldner wegen Rückständen, die der Vollstreckungsstelle bereits mitgeteilt worden sind, Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO) beantragt, soll über die Anträge gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 1 VollstrA unverzüglich entschieden werden. Die Vollstreckungsstelle hat sodann gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 4 VollstreckA zu entscheiden, ob Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder bereits begonnene Vollstreckungsverfahren eingestellt, beschränkt oder fortgeführt werden sollen. Das Vollstreckungsverfahren ist einzuleiten oder fortzuführen, wenn die Anträge aussichtslos erscheinen, wenn sie offensichtlich nur den Zweck verfolgen, das Vollstreckungsverfahren hinauszuschieben oder wenn Gefahr im Verzug besteht Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 1 VollstrA.

114

(d) Dasselbe gilt, wenn das Gericht noch nicht über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO entschieden hat oder aber über die gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gerichtete Beschwerde noch nicht entschieden worden ist.

115

(e) Womöglich gilt dasselbe auch dann, wenn der Verwaltungsakt mit dem Einspruch angefochten ist, kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, über den Einspruch jedoch noch nicht entschieden ist (so Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), weil gemäß § 361 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 AO und § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung auch von Amts wegen gewähren kann. Dieser Auffassung könnte jedoch § 256 AO, sollte er auf den Insolvenzantrag anwendbar sein, zumindest jedoch dessen Rechtsgedanke entgegen stehen (vgl. Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419; a.A. Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), wenn nämlich § 251 Abs. 2 Satz 1 AO lediglich bestimmt, dass die Vorschriften der InsO über die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens unberührt bleiben, dies jedoch den Umstand, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Maßnahme im Vollstreckungsverfahren bildet, nicht tangiert (so BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, zur KO). In letzterem Fall bildete die Stellung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eine Obliegenheit des Steuerschuldners (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282).

116

(3) Ist ein Verwaltungsakt, aus dem sich eine offene Forderung der Finanzbehörde ergibt, zwar formell, jedoch nicht materiell bestandskräftig, so hat sie dessen Rechtmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt seiner Änderbarkeit im Rahmen der Betätigung ihres Ermessens zu prüfen (vgl. Carlé, Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage, AO-StB 2002, 428; vgl. auch Carlé Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; a.A. Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582).

117

(aa) Auch wenn ein Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid nicht von der Steuererklärung abweicht, ist die Änderungsmöglichkeit von Amts wegen bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Es mag unwahrscheinlich sein, dass die Steuer zu hoch festgesetzt ist, wenn der Schuldner keine substantiierten Einwendungen gegen den Verwaltungsakt vorbringt (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282; vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch angesichts der Gebundenheit des Verwaltungsakts unerheblich (offen gelassen von Dißars in Schwarz, AO, 148. Lfg. Mai 2012, § 251, Rz 32). Vielmehr hat die Finanzbehörde von Amts wegen zu untersuchen und die zutreffende Regelung zu treffen (§§ 85 und 88 Abs. 1 und 2 AO). Dies muss um so mehr gelten, wenn eine Außenprüfung bereits angeordnet ist (vgl. AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950).

118

(bb) Eines Änderungsantrags des Schuldners bedarf es nicht, soweit die Änderung des Verwaltungsakts einen solchen nicht voraussetzt (§ 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 173 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO, § 174 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017); vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, zu Schätzungsbescheiden; vgl. auch AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden; a.A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden). Denn in diesem Fall trifft die Finanzbehörde eine Pflicht zu Änderung von Amts wegen. Auch auf eine vorläufige Steuerfestsetzung kann ein Insolvenzantrag nach obigen Maßgaben gestützt werden. Sie ist nicht notwendig mit einer zu großen Unsicherheit belastet (a.A. Frotscher, Besteuerung in der AO, 7. Aufl. 2010, S. 282).

119

(4) Allerdings schließt eine vorläufige Festsetzung oder Feststellung die Stellung eines Insolvenzantrags nicht aufgrund der ihr anhaftenden Unsicherheit in dem Sinne aus, dass sie fehlerhaft wäre (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Auch ist ein teilweiser Ausschluss der Stellung eines Insolvenzantrags nicht denkbar (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Denn die Finanzbehörde hat eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Antragstellung zu treffen, in der sie die Vorläufigkeit berücksichtigt. Hierbei kann sie auch berücksichtigen, dass der Insolvenzantrag auch ohne Berücksichtigung der sich aus dem vorläufigen Verwaltungsakt ergebenden Forderung im Hinblick auf Überschuldung und / oder (drohende) Zahlungsunfähigkeit gerechtfertigt ist. Diese Überlegungen dürfen jedoch nicht bei der Betätigung des Ermessens außen vor bleiben.

120

(5) Im Streitfall braucht dennoch nicht entschieden zu werden, ob womöglich aufgrund von Einsprüchen, Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung oder fehlender materieller Bestandskraft der Steuerbescheide mit den die vom Antragsgegner geltend gemachten Forderungen Ermessensüberschreitungen (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877) und / oder Ermessensfehler des Antragsgegners vorliegen oder auch dem Antrag bereits deshalb stattzugeben ist, weil der Antragsgegner trotz ausreichender Gelegenheit die Steuerakten nicht vorgelegt hat, denn dem Antrag ist bereits aus obigen Gründen stattzugeben (vgl. hierzu auch BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533).

121

dd) Es kann somit dahinstehen, ob die Antragstellerin im Wege der Anwachsung Gesamtrechtsnachfolgerin der liquidationslos vollbeendeten F. ... AG & Co. KG geworden ist, weil sie deren einzige Komplementärin war und sämtliche Kommanditisten ausgeschieden sind. – Sollte dies der Fall sein, so wären die gegen die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin gerichteten Forderungen des Antragsgegners ebenso wie seine Verbindlichkeiten ihr als der gen. Gesamtrechtsnachfolgerin gegenüber zu berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn solche Verbindlichkeiten des Antragsgegners bestehen sollten, läge ein Ermessensfehler vor, weil er sie nach Aktenlage nicht berücksichtigt hätte.

122

ee) Es kann dahinstehen,

- ob die erfolglosen Einzelvollstreckungsmaßnahmen ausreichend zeitnah (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 283) zum Beurteilungszeitpunkt erfolgt sind

- ob die Finanzbehörde ermitteln muss, ob die Antragstellerin ihm Sicherheiten stellen kann (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2010 VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309).

 - ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer ratenweise Tilgung oder sogar einer weitergehenden Stundung berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Möglichkeit eines – vollständigen oder teilweisen – Erlasses berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N. w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem Dritten, insbesondere einem Gesamtschuldner, z.B. einem Haftungsschuldner (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO)
getilgt wird, berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde die in der Einzelzwangsvollstreckung erreichbare Realisierung ihrer Forderungen mit derjenigen die im Insolvenzverfahren zu erwarten ist abwägen muss (zweifelhaft, so jedoch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge des FA - Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311)

- ob die Finanzbehörde die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldner würdigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde an eine AG, vertreten durch den Vorstand, eine Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung richten muss (§ 248 Abs. 3 Satz 2 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), insbesondere, ob dies jedenfalls dann nicht mehr erforderlich ist, wenn die AG – dem Insolvenzgericht – ein Vermögensverzeichnis vorlegt.

123

Es kann schließlich dahinstehen, ob der Antragsgegner für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig war oder auch ist, auch wenn die Antragsgegner ein subjektives Rechts auf Ausübung des Ermessens durch die örtlich zuständige Behörde hat (vgl. FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11).

124

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

125

III. Gründe für eine etwaige Zulassung der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

126

1. Die Abweichung vom Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick auf den Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht erfordert die Zulassung der Beschwerde nicht, weil der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung über die vom FG Hamburg zugelassene Beschwerde ein solches bejaht hat (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

127

2. Im Streitfall kommt es nicht auf die Beantwortung der Frage, welcher der zutreffende Beurteilungszeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung sei, an.

128

3. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Finanzbehörde die fehlende materielle oder formelle Bestandskraft, insbesondere die Möglichkeit der Aussetzung und / oder Aufhebung der Vollziehung – auch angesichts der Bestimmung des § 251 Abs. 2 Satz 1 AO und sei es nur auf einen entsprechenden Antrag hin und nicht von Amts wegen (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.) – zu berücksichtigen habe.

129

4. Ferner kommt es ebenfalls nicht auf die bislang nicht geklärte Rechtsfrage an, ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer Stundung von Amts wegen (vgl. § 222 Satz 2 AO, Loose in Tipke/Kruse, AO, 129. Lfg. Juni 2012, § 222, Rz 49) oder auch eines Erlasses nach § 227 Halbs. 1 AO von Amts wegen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, 127. Lfg. Oktober 2011, § 227, Rz 132; bejahend für den Fall eines noch nicht beschiedenen Antrags BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017) wie auch einer abweichenden Festsetzung von Steuern auch Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 und auch Satz 2 AO von Amts wegen im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Stellung eines Insolvenzantrags zu berücksichtigen habe.


Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

(1) Für das Insolvenzverfahren ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat, als Insolvenzgericht für den Bezirk dieses Landgerichts ausschließlich zuständig.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, zur sachdienlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren durch Rechtsverordnung andere oder zusätzliche Amtsgerichte zu Insolvenzgerichten zu bestimmen und die Bezirke der Insolvenzgerichte abweichend festzulegen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(3) Rechtsverordnungen nach Absatz 2 sollen je Bezirk eines Oberlandesgerichts ein Insolvenzgericht bestimmen, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a begründet werden kann. Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstreckt werden.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.

(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.

(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.

(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

Tatbestand

1

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Finanzgericht (FG) die auf Einstellung und Beschränkung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerichtete Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) abgewiesen. Der Kläger erstrebe eine dauerhafte Unterbindung der Vollstreckung, für die § 258 der Abgabenordnung, der lediglich die einstweilige Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten vorsehe, keine Grundlage biete und die Vollstreckung angesichts der völlig unzureichenden Tilgungsangebote nicht unbillig sei. Daran ändere auch der Vortrag des Klägers nichts, dass er infolge der Vollstreckung den Energielieferanten nicht wechseln und keinen Mobilfunkvertrag mehr abschließen könne. Die einzelnen, bereits getroffenen Maßnahmen habe der Kläger nicht angefochten, sie seien mangels eines Vorverfahrens bestandskräftig. Einwendungen gegen die zu vollstreckenden Bescheide müssten außerhalb des Vollstreckungsverfahrens erhoben werden.

2

Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit Ermessensfehlern des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--), der mit der Vollstreckung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verletze. Insbesondere seien die Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens und der Insolvenzantrag ermessensfehlerhaft, da über eine Nichtigkeit der versehentlich bestandskräftig gewordenen Steuerbescheide noch nicht entschieden sei und das Festhalten an den Anträgen zu einem "finanziellen Rufmord" und damit zur Existenzvernichtung führe.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise schlüssig dargelegt.

4

Die Revision kann nur zur Überprüfung der Entscheidung des FG zugelassen werden, das heißt, mit der Beschwerde müssen Rechtsfehler des FG bei der Überprüfung der Entscheidung des FA gerügt werden, und diese gerügten Rechtsfehler müssen einer revisionsrechtlichen Kontrolle nach den Vorgaben des § 115 Abs. 2 FGO zugänglich sein. Die Einwände des Klägers betreffen demgegenüber nur mögliche Ermessensfehler des FA. Unter dem Gesichtspunkt der Revisionszulassung kann das Vorbringen allenfalls dahingehend gedeutet werden, das FG sei insoweit seiner Pflicht zur Ermessensüberprüfung (§ 102 FGO) nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Bei einem solchen Entscheidungsmangel handelt es sich allerdings --wenn er vorläge-- um einen materiellen Fehler, der nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann (Senatsbeschluss vom 22. Juli 2002 VII B 296/01, BFH/NV 2002, 1485) und auch sonst die Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Denn eine über das Interesse des Klägers am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, für die Allgemeinheit bedeutsame, durch den Bundesfinanzhof klärungsbedürftige und in diesem Verfahren klärungsfähige konkrete Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist damit nicht formuliert (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2008 VII B 83/07, BFH/NV 2008, 737).

5

Angemerkt sei allerdings, dass nach der Senatsrechtsprechung zwar allein auf die Existenzvernichtung des Steuerpflichtigen gerichtete Vollstreckungsmaßnahmen ermessensfehlerhaft sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Das setzt aber voraus, dass das FA den Insolvenzantrag unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner aufgrund der bestandskräftigen Steuerbescheide gegebenen Rechtsstellung oder aus sachfremden Erwägungen stellt. Ein solcher Antrag wäre (nur) dann unzulässig, wenn für das FA von vornherein feststünde, dass eine die Kosten des Verfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden ist (Senatsentscheidungen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Dazu fehlen substantiierte Darlegungen in der Beschwerde. Dagegen ist ihr zu entnehmen, dass das FA den Insolvenzantrag vor Erhebung der Feststellungsklage auf Nichtigkeit der Steuerbescheide gestellt hat und das Insolvenzgutachten mit dem Vorschlag, die Verfahrenseröffnung mangels Masse abzulehnen, erst Monate später erstellt worden ist. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten des FA bietet dieser Sachverhalt nicht.

6

Außerdem ist die Entscheidung des FG schon insoweit richtig, als kein Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA bestand, nachdem das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag des FA lange vor Klageerhebung mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Der Antrag eines Gläubigers ist zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Der Antrag wird nicht allein dadurch unzulässig, dass die Forderung erfüllt wird.

(2) Ist der Antrag zulässig, so hat das Insolvenzgericht den Schuldner zu hören.

(3) Wird die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt, so hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn der Antrag als unbegründet abgewiesen wird. Der Schuldner hat die Kosten auch dann zu tragen, wenn der Antrag eines Gläubigers wegen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung wirksamen nichtöffentlichen Stabilisierungsanordnung nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz abgewiesen wird und der Gläubiger von der Stabilisierungsanordnung keine Kenntnis haben konnte.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, den Antragsgegner (das Finanzamt -FA) zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verpflichten.

2

Der Antragsteller arbeitete bis zu seiner Abmeldung am ... 2012 als selbstständiger Fuhrunternehmer. Er hatte keine Angestellten.

3

Am 31.07.2013 übersandte der Antragsgegner eine Prüfungsanordnung. Anschließend führte er eine Betriebsprüfung durch.

4

Der Antragsteller hatte in den Jahren 2009 bis 2012 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben. Am 29.11.2013 erließ das FA für 2009 bis 2012 gem. § 162 AO Einkommensteuerbescheide und schätzte hierbei jährliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von... €. Die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2012 wurden gem. § 164 Abs. 2 AO geändert. Das FA versagte die Berücksichtigung von Vorsteuerabzugsbeträgen, da der Antragsteller keine diesbezüglichen Rechnungen vorgelegt hatte.

5

Der Antragsteller legte gegen die Bescheide Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 20.02.2014 lehnte das FA den AdV-Antrag ab. Die Einsprüche wurden durch Einspruchsentscheidung vom 16.06.2014 als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 13.06.2014 zugefaxt worden.

6

Der Antragsgegner leitete Vollstreckungsmaßnahmen ein. Insbesondere erließ er am ... 2014 für die ihm bekannten Bankverbindungen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen. Diese waren erfolglos. Ein Vollziehungsbeamter versuchte am ... 2014, am ... 2014 und am ... 2014 beim Antragsteller zu vollstrecken. Am ... 2014 erstellte der Vollziehungsbeamte ein fruchtloses Pfändungsprotokoll. Dabei stellt er fest, dass der Antragsteller in einem kleinen Zimmer ... wohnte und von der Unterstützung ... lebte. Die dem Antragsgegner bekannten Kraftfahrzeuge konnten nicht aufgefunden werden.

7

Am ... 2014 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht A unter der Geschäftsnummer ... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In diesem Zusammenhang berief sich der Antragsgegner auf Abgabenrückstände in Höhe von 87.476,85 €.

8

Das Insolvenzgericht forderte den Antragsteller am 16.04.2014 (zugestellt am 23.04.2014) auf binnen 14 Tagen zur Stellungnahme auf.

9

Durch den Beschluss des Amtsgerichts A vom ... 2014 wurde zur Aufklärung des Sachverhalts die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der beauftragte Sachverständige meldete sich durch sein Schreiben vom 20.05.2014 beim Antragsteller und forderte ihn auf, diverse Unterlagen einzureichen. Am 02.06.2014 erinnerte der Sachverständige den Antragsteller an seine Verpflichtung zur Mitwirkung.

10

Am 05.05.2014 beantragte der Antragsteller eine einstweilige Anordnung beim Finanzgericht.

11

Zwischen den Beteiligten haben nach Antragstellung beim Finanzgericht diverse Verhandlungen stattgefunden. Der Antragsteller bat deshalb um Fristverlängerung, um eine einvernehmliche Lösung mit dem FA zu finden. Am ... 2014 fand ein Gespräch an Amtsstelle statt. Bei diesem Gespräch wurde eine tatsächliche Verständigung über die streitigen Besteuerungsgrundlagen erzielt. Diese Verständigung wurde durch die Änderungsbescheide vom 16.06.2014 umgesetzt. Die entsprechenden Bescheide sind dem Prozessbevollmächtigten am 13.06.2014 zugefaxt worden. Hiernach ergaben sich Rückstände von insgesamt 46.575,39 €.

12

Die ebenfalls am ... 2014 besprochene Ratenzahlungsvereinbarung kam nicht zustande, weil sich anschließend ergab, dass die Steuerrückstände wegen bereits zurückgezahlter Vorsteuern in Höhe von 22.777,99 € wesentlich höher waren. Dieser Umstand war von keinem der anwesenden Beteiligten im Gespräch berücksichtigt worden. Außerdem stellte sich nach dem Gespräch heraus, dass das vom Antragsteller als Sicherheit angebotene Fahrzeug-1 bereits veräußert gewesen war.

13

Mit Schreiben vom 02.06.2014 lehnte der Antragsgegner den AdV-Antrag, den Stundungsantrag und den Antrag auf Vollstreckungsaufschub ab.

14

Am 05.06.2014 teilte der Antragsteller mit, dass er nunmehr doch um eine gerichtliche Entscheidung bitte.

15

Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller vor, dass das Stellen des Insolvenzantrags ermessensfehlerhaft gewesen sei, denn das FA habe sein Ermessen nicht ausgeübt. Dies sei insbesondere daran ersichtlich, dass der Sachbearbeiter des Antragstellers, Herr B seinem Prozessbevollmächtigten telefonisch mitgeteilt habe, dass ihn der Sachverhalt nicht interessiere und für ihn ausschließlich entscheidend sei, dass die festgesetzten Steuer nicht bezahlt worden seien.

16

Das FA sei verpflichtet, die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Hierbei sei einzubeziehen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht über die Einsprüche oder den AdV-Antrag entschieden worden sei. Auch sei es nicht möglich, dass sich die Rückstände erhöhten, da er, der Antragsteller, seinem Gewerbe zurzeit nicht nachgehen könne.

17

Es sei auch mit dem FA eine Vereinbarung getroffen worden, die das FA binde. Hierbei seien die Beteiligten übereinstimmend von Steuerschulden in Höhe von 19.000 € ausgegangen. Auch deshalb sei die Aufrechterhaltung des Insolvenzantrages ermessenswidrig.

18

Das FA sei auch nicht an der Beitreibung der Steuerrückstände interessiert, sondern wolle ihn nur in ein Insolvenzverfahren treiben. Auch verhindere das FA bewusst die Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit, denn die Wiederanmeldung seiner gewerblichen Tätigkeit scheitere an dem Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigung, die ihm das FA verweigere.

19

Der Antragsgegner habe bereits kurz nach Bekanntgabe der Steuerbescheide angefangen zu vollstrecken. Der Vollziehungsbeamte habe nicht bezweckt bei ihm zu vollstrecken, sondern er habe von Anfang an nur das fruchtlose Pfändungsprotokoll erstellen wollen. Der Insolvenzantrag sei deswegen auch unverzüglich nur zwei Arbeitstage nach dem Vollstreckungsversuch gestellt worden.

20

Das FA habe auch die ihm angebotenen Zahlungen abgelehnt.

21

Zudem sei er Eigentümer eines Fahrzeug-1 nebst ... Auch verfüge er über weitere Vermögensgegenstände.

22

Durch den Schriftsatz vom 05.06.2014 teilte der Antragsteller mit, dass er auch nach der Veräußerung des Fahrzeug-1 noch über ausreichende Sicherheiten verfüge, da er einen Trailer im Werte von ca. 6.500 € und einen Pkw im Wert von ca. 13.575 € habe.

23

Die Prüfungsanordnung sei rechtswidrig, da sie nicht an ihn, den Antragsteller, sondern an seine Empfangsbevollmächtigten habe ergehen müssen. Zwar sei diese Empfangsvollmacht von der C Unternehmensberatung widerrufen worden, dieser Widerruf sei aber nicht beim FA angekommen.

24

Er sei davon ausgegangen, dass die C Unternehmensberatung sich um die Betriebsprüfung kümmern werde und habe sich deshalb nicht um diese Angelegenheit gekümmert. Anfang November habe er dann seine Buchhaltungsunterlagen zu seinem Steuerberater bringen wollen. Nachdem er die Unterlagen in seinem Fahrzeug-1 deponiert habe, sei das Fahrzeug-1 gestohlen worden. In diesem Zusammenhang legt der Antragsteller die Kopie der Diebstahlsanzeige vor.

25

Die Schätzungsbescheide bzw. die Änderungsbescheide vom 29.11.2013 seien rechtswidrig, denn ihm sei vor Erlass kein rechtliches Gehör gewährt worden. Zudem habe das FA nicht seinen Amtsermittlungspflichten entsprochen. Er, der Antragsteller könne nichts dafür, dass ihm die Buchhaltungsunterlagen gestohlen worden seien. Insbesondere hätte ihm die Gelegenheit gewährt werden müssen, Zweitbelege anzufordern. Die Höhe der Schätzung sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Er wohne ... und bräuchte daher nicht viel Geld zum Leben.

26

Die Entscheidung des Insolvenzgerichtes stehe unmittelbar bevor. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Insolvenzverfahren durchgeführt werde und im Rahmen des Insolvenzverfahrens die Fahrzeuge veräußert und sein Unternehmen aufgelöst werde. Er könne keinen Eigenantrag stellen, da die Steuerschulden zu Unrecht beständen, so dass er auch nicht die Möglichkeit habe, eine Restschuldbefreiung zu erlangen.

27

Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag an das Amtsgericht A vom ... 2014 - Geschäftsnummer ... - zurückzunehmen.

28

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.

29

Der Antragsgegner trägt vor, der Antrag auf Insolvenzeröffnung sei ermessensgerecht gewesen. Der Antragsteller sei überschuldet. In den Jahren 2003 bis 2012 habe der Antragsteller insgesamt Verluste in Höhe von 163.156 € generiert. Nach der Umsetzung der tatsächlichen Verständigung beständen immer noch erhebliche Steuerschulden des Antragstellers. Seit dem 02.01.2014 habe der Antragsteller keine Zahlungen geleistet. Ausreichendes pfändbares Vermögen sei nicht vorhanden. Das zunächst als Sicherheit angebotene Fahrzeug-1 sei bereits veräußert worden. Diesen Umstand habe der Antragsteller bei der Besprechung am ... 2014 verschwiegen. Auch habe der Antragsgegner aus dieser Veräußerung keine Zahlungen erhalten. Es sei zudem nicht auszuschließen, dass noch weitere Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern bestehen.

30

Die vom Antragsteller angebotenen Ratenzahlungen und sein vorhandenes Vermögen seien nicht ausreichend, um einen Vollstreckungsaufschub gewähren zu können.

31

Die Behauptung des Antragstellers, ihm seien die Buchhaltungsunterlagen gestohlen worden, sei nicht glaubhaft, denn in der vorgelegten Diebstahlsanzeige seien die Buchhaltungsunterlagen gerade nicht erwähnt.

32

Dem Gericht liegen die Vollstreckungsakten Bd. I zur Steuernummer .../.../... vor.

Entscheidungsgründe

33

II. Die Entscheidung ergeht wegen der besonderen Eilbedürftigkeit gem. § 114 Abs. 2 Satz 3 FGO durch die Vorsitzende.

34

1. Der Antrag ist zulässig.

35

a) Insbesondere ist der Finanzrechtsweg gegeben. Unabhängig davon, dass gegen den Eröffnungsbeschluss und gegen die Abweisung des Insolvenzantrags Rechtsmittel zu den ordentlichen Gerichten gegeben sind (§ 34 Abs. 2, §§ 6 und 7 InsO), gehört die Rechtsfrage, ob das Finanzamt im Rahmen seiner Verwaltungstätigkeit eine fehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen hat, in die Zuständigkeit der Finanzgerichte (FG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2011 6 V 102/11, zitiert nach juris unter Hinweis auf BFH Urteile vom 19.12.1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710; vom 11.12.1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787; Beschluss vom 25.02.2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

36

b) Da das Begehren des Antragstellers auf ein schlichtes Verwaltungshandeln (Rücknahme eines Antrags) gerichtet ist (vgl. BFH Beschluss vom 28.02.2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763), ist im Hauptsacheverfahren die sonstige Leistungsklage in der Form einer Unterlassungsklage gegeben (vgl. BFH Urteil vom 04.04.1984 I R 269/81, BFHE 140, 509, BStBl II 1984, 563) und folglich im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein Antrag nach § 114 FGO (FG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2011 6 V 102/11, zitiert nach juris).

37

c) Im Streitfall liegt auch das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des Finanzamtes vor. Dieses ist für die Anrufung des Finanzgericht jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des Finanzamts mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des Finanzamts seine Erledigung gefunden hat, vgl. § 13 Abs. 2 InsO; danach kann der Antrag nicht mehr zurückgenommen werden (BFH Beschluss vom 25.02.2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Im Streitfall hat das Amtsgericht A das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers noch nicht eröffnet.

38

2. Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO ist jedoch unbegründet.

39

Eine einstweilige Anordnung kann nur unter besonderen, eng umschriebenen Voraussetzungen ergehen. Diese gehen über die Anforderungen hinaus, die für die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts gestellt werden; dies ist verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich (BVerfG Beschluss vom 02.03.1984 1 BvR 255/84, HFR 1984, 239; BFH Beschluss vom 14.12.1987 IV B 97/87, BFH/NV 1988, 716).

40

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

41

Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), und einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; BFH Beschlüsse vom 25.02.1997 VII B 231/96, BFH/NV 1997, 428; vom 07.01.1999 VII B 170/98, BFH/NV 1999, 818).

42

Im Streitfall hat der Antragsteller den Anordnungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

43

aa) Dazu hätte der Antragsteller substantiiert vortragen müssen, dass die Stellung des Insolvenzantrags als eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellte Vollstreckungsmaßnahme (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ermessensfehlerhaft (§ 102 FGO) erfolgt sei (BFH Beschluss vom 25.02.2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017). Ermessensfehler liegen insbesondere vor, wenn für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. BFH Beschluss vom 11.12.1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann im Streitfall bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden.

44

Dabei ist die Entscheidung des Antragsgegners gemäß § 102 FGO gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

45

Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn dem Finanzamt ein Anspruch zusteht, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt, und wenn ein Insolvenzgrund vorliegt (§ 14 Abs. 1 InsO). Ein solcher Antrag darf nicht rechtsmissbräuchlich und aus sachfremden Erwägungen gestellt werden.

46

bb) Im vorliegenden Fall ist nach summarischer Prüfung ein Ermessensfehler nicht anzunehmen.

47

Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, dass ein Ermessensnichtgebrauch bzw. -fehlgebrauch vorliegt. Hiervon ist das Gericht jedoch nicht überzeugt.

48

aaa) Das Gericht geht nicht davon aus, dass ein Ermessensnichtgebrauch stattgefunden hat, denn der Antragsgegner hat zuerst die alternativen und vorrangigen Vollstreckungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

49

bbb) Der Antragsgegner hat auch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Insolvenzantrags verkannt. Er konnte im Streitfall von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen. Soweit sich der Antragsgegner in seinem letzten Schriftsatz zusätzlich auf eine mögliche Überschuldung beruft, ist dieses unschädlich.

50

Nach §§ 16, 17 InsO kann das Insolvenzverfahren bei Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden. Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, und ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Danach stellt sich die Zahlungsunfähigkeit als ein auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhendes dauerndes Unvermögen des Schuldners dar, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden zu berichtigen (FG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2011 6 V 102/11, zitiert nach juris unter Hinweis auf BFH Beschluss vom 23.07.1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41, 43).

51

Der Antragsgegner betreibt das Insolvenzverfahren wegen vollziehbarer Steuerforderungen. Bei Antragstellung betrugen diese 87.476,85 €. Dabei ist es unerheblich, dass es sich hierbei um Schätzungsbescheide handelte.

52

Mittlerweile haben sich die Beteiligten auf abweichende Besteuerungsgrundlagen verständigt. Nach den Änderungsbescheiden vom 16.06.2014 sind immer noch Rückstände von über 40.000 € verblieben. Anders als der Antragsteller meint, konnte diese Verständigung nicht über die Steuern, sondern nur über die Besteuerungsgrundlagen erfolgen. D. h. aus dem Umstand, dass am ... 2014 keiner der Beteiligten einbezogen hat, dass eine erhebliche Auszahlung von Vorsteuern stattgefunden hatte, kann nicht gefolgert werden, dass dieser Umstand unberücksichtigt bleiben muss, denn ein Vergleich über die Steuer ist unzulässig. Möglich ist nur die Verständigung über den Tatbestand, hier also über die Besteuerungsgrundlagen.

53

Vollstreckungsversuche blieben ohne Erfolg. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den dem FA bekannten Banken verliefen fruchtlos. Auch der Pfändungsversuch des Vollziehungsbeamten gegenüber dem Antragsteller führte nicht zum Erfolg. Sofern der Antragsteller vorträgt, der Vollziehungsbeamte habe gar nicht versucht zu vollstrecken, kann er hiermit nicht überzeugen, denn der Antragsteller hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Rückstände zu begleichen, entweder durch Zahlung oder durch Übereignung von Gegenständen. Dieses hat er aber nicht getan.

54

ccc) Entgegen der Ansicht des Antragstellers stellt es auch keinen Ermessensfehler dar, dass der Antragsgegner das Insolvenzverfahren aufgrund noch nicht bestandskräftiger, aber vollstreckbarer Steuerforderungen betreibt.

55

Unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt aufgrund von Steuerforderungen im Rahmen der Vollstreckung einen Insolvenzantrag stellen darf, richtet sich zunächst nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 251 Abs. 1 AO); unberührt bleiben dabei die Vorschriften der Insolvenzordnung für die Entscheidung über die Insolvenzeröffnung sowie im Rahmen einer eröffneten Insolvenz (§ 251 Abs. 2 AO). Soweit es sich bei der Stellung eines Insolvenzantrags um eine Maßnahme der Verwaltung im Rahmen der Vollstreckung eines Verwaltungsakts handelt, setzt auch diese Art der Vollstreckung grundsätzlich nur voraus, dass vollziehbare Bescheide vorliegen, d. h. dass die Vollziehung dieser Steuerverwaltungsakte nicht ausgesetzt ist (§ 361 AO, § 69 FGO). Der Schutz des Steuerpflichtigen vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme im Wege der Vollstreckung wird dadurch erreicht, dass der Steuerpflichtige bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Steuerforderungen oder bei unbilliger Härte die Aussetzung der Vollziehung herbeiführen kann, entweder durch Antrag beim Finanzamt gemäß § 361 Abs. 2 AO bzw. § 69 Abs. 2 FGO oder beim Finanzgericht gemäß § 69 Abs. 3 FGO. Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage kann die Beantragung eines Insolvenzverfahrens aufgrund vollziehbarer, aber noch nicht bestandskräftiger Steuerforderungen nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden (FG Hamburg, Beschluss vom 18.08.2011 6 V 102/11, zitiert nach juris). Erst wenn die Vollziehung ausgesetzt worden ist, könnte sich ergeben, dass ein gleichwohl gestellter Insolvenzantrag unter Ermessensgesichtspunkten zu beanstanden ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht gegeben, denn der Antragsgegner hat die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung durch den Antragsgegner waren die angefochtenen Bescheide nicht ausgesetzt und somit gemäß § 251 Abs. 1 AO vollstreckbar.

56

ddd) Im Gegensatz zum Antragsteller ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass der Antragsgegner den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Existenzvernichtung rechtsmissbräuchlich gestellt hat.

57

Zwar beruft sich der Antragsteller auf ein Telefonat mit Herrn B vom FA, in dem dieser erklärt haben soll, dass ihn der Sachverhalt nicht interessiere. Dieser Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft gemacht worden. Auch widerspricht er dem Aktenvermerk, der sich auf Bl. 62 und 63 der Vollstreckungsakte befindet.

58

Auch die extrem zügige Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits drei Monate nach Fälligkeit der Steuerschulden, führt nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit. Denn der Antragsgegner hatte bereits zu diesem Zeitpunkt alle ersichtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Zudem hat der Antragsgegner auch nach Stellung des Insolvenzantrags mit dem Antragsteller versucht, Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Auch hierbei zeigte sich, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, die rückständigen Steuern zu begleichen.

59

Bei der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit ist zu berücksichtigen, dass das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung. Die zuverlässige Feststellung des Vermögens des Schuldners obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. BFH Beschluss vom 12.12.2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900).

60

cc) Da bereits wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs der Antrag des Antragstellers keinen Erfolg hat, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.

III.

61

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst:

1.
durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit;
2.
durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen;
3.
durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62;
4.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen;
5.
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
6.
mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel des Gesellschaftsvertrags festgestellt worden ist;
7.
durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden.

(1) Sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist und der Insolvenzplan nicht etwas anderes vorsieht, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Vor der Aufhebung hat der Verwalter die unstreitigen fälligen Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen oder nicht fälligen Sicherheit zu leisten. Für die nicht fälligen Masseansprüche kann auch ein Finanzplan vorgelegt werden, aus dem sich ergibt, dass ihre Erfüllung gewährleistet ist.

(3) Der Beschluss enthält den Zeitpunkt der Aufhebung, der frühestens zwei Tage nach der Beschlussfassung liegen soll. Der Beschluss und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Der Schuldner, der Insolvenzverwalter und die Mitglieder des Gläubigerausschusses sind vorab über den Zeitpunkt der Aufhebung zu unterrichten. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend. Ist der Zeitpunkt der Aufhebung nicht angegeben, wird die Aufhebung wirksam, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind.

Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.

(1) Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf.

(2) Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners vor dem Ablauf der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind.

(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden; § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Vor der Einstellung sind die Gläubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Massegläubiger zu hören.

(3) Soweit Barmittel in der Masse vorhanden sind, hat der Verwalter vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens, von diesen zuerst die Auslagen, nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. Zur Verwertung von Massegegenständen ist er nicht mehr verpflichtet.

(1) Ist eine Aktiengesellschaft durch Zeitablauf oder durch Beschluß der Hauptversammlung aufgelöst worden, so kann die Hauptversammlung, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist, die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen.

(2) Gleiches gilt, wenn die Gesellschaft

1.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, das Verfahren aber auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben worden ist;
2.
durch die gerichtliche Feststellung eines Mangels der Satzung nach § 262 Abs. 1 Nr. 5 aufgelöst worden ist, eine den Mangel behebende Satzungsänderung aber spätestens zugleich mit der Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen wird.

(3) Die Abwickler haben die Fortsetzung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Sie haben bei der Anmeldung nachzuweisen, daß noch nicht mit der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft unter die Aktionäre begonnen worden ist.

(4) Der Fortsetzungsbeschluß wird erst wirksam, wenn er in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden ist. Im Falle des Absatzes 2 Nr. 2 hat der Fortsetzungsbeschluß keine Wirkung, solange er und der Beschluß über die Satzungsänderung nicht in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen worden sind; die beiden Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden.

Können bei der Schlußverteilung die Forderungen aller Insolvenzgläubiger in voller Höhe berichtigt werden, so hat der Insolvenzverwalter einen verbleibenden Überschuß dem Schuldner herauszugeben. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so hat der Verwalter jeder am Schuldner beteiligten Person den Teil des Überschusses herauszugeben, der ihr bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde.

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst:

1.
durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit;
2.
durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen;
3.
durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62;
4.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen;
5.
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
6.
mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel des Gesellschaftsvertrags festgestellt worden ist;
7.
durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden.

Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.

(1) Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben. Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf.

(2) Das Verfahren kann auf Antrag des Schuldners vor dem Ablauf der Anmeldefrist eingestellt werden, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind.

(1) Sobald die Schlußverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

(2) Der Beschluß und der Grund der Aufhebung sind öffentlich bekanntzumachen. Die §§ 31 bis 33 gelten entsprechend.

Das Insolvenzverfahren ist auf Antrag des Schuldners einzustellen, wenn gewährleistet ist, daß nach der Einstellung beim Schuldner weder Zahlungsunfähigkeit noch drohende Zahlungsunfähigkeit noch, soweit die Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, Überschuldung vorliegt. Der Antrag ist nur zulässig, wenn das Fehlen der Eröffnungsgründe glaubhaft gemacht wird.

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst:

1.
durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit;
2.
durch Beschluß der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen;
3.
durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62;
4.
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen;
5.
mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
6.
mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel des Gesellschaftsvertrags festgestellt worden ist;
7.
durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden.

(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:

1.
das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten;
2.
ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden;
3.
zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.

(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen.

(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde sie einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden

1.
die höchsten Forderungen,
2.
die höchsten gesicherten Forderungen,
3.
die Forderungen der Finanzverwaltung,
4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie
5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
Der Schuldner hat in diesem Fall auch Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. Die Angaben nach Satz 4 sind verpflichtend, wenn
1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt,
2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder
3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
Dem Verzeichnis nach Satz 3 und den Angaben nach den Sätzen 4 und 5 ist die Erklärung beizufügen, dass die enthaltenen Angaben richtig und vollständig sind.

(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.

(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.

Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

1

A. Unter dem 08. Juni 2012 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht ... die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin. Der Antrag ging dort am 12. Juni 2012 ein. In seinem Antrag gab der Antragsgegner Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 125.029,63 € an. Die aufgeführten Forderungen, zu denen auch Säumniszuschläge zählten, seien unanfechtbar festgesetzt. Seit dem 01. April 2011 hätten keine Zahlungen realisiert werden können. Die Antragstellerin selbst habe ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt. Die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen sei am 06. Juni 2011 fruchtlos verlaufen. Die Pfändungen der Konten bei der B. und der C. vom 05. Januar 2011 sowie der D. und der E. vom 25. März 2011 wie auch die Forderungspfändung bei der F. Werbung GmbH u. Co KG vom 05. Januar 2011 hätten insgesamt lediglich zu Zahlungen i.H.v. 952,16 € geführt.

2

In den Verwaltungsvorgängen findet sich ein vom jetzigen Prozessbevollmächtigten und seinerzeitigem Vorstand der Antragstellerin unterzeichneter Fragebogen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei juristischen Personen. Nach den dortigen Angaben vom 27. Juni 2012 gegenüber dem Insolvenzgericht ist die Antragstellerin nicht zahlungsunfähig und hat ihr Unternehmen im Bereich der Verwaltung noch nicht eingestellt. An Vermögensgegenständen ist lediglich eine Forderung gegen die F. ... AG und Co. KG i.H.v. 130.000,- € angegeben, der Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 100.000,- € gegenüber stünden. Die Forderung sei durch eine Teilabtretung einer Steuererstattung in selber Höhe gesichert.

3

Mit Schreiben vom 06. Juli 2012 an das Insolvenzgericht führte der Antragsgegner aus, das Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Vertreter der Antragstellerin ... sei noch nicht abgeschlossen. Die bis dato festgesetzte Umsatzsteuer für 2009 und 2010 stimme rechnerisch mit den abgegebenen Jahreserklärungen überein. Nach Veranlagung ergäbe sich keine Änderung der Forderungen des Antragsgegners. Zur fruchtlosen Pfändung vom 06. Juni 2011 habe seine Vollziehungsbeamtin vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Antragstellerin G. Auskunft über deren wirtschaftliche Situation erhalten. Die Antragstellerin sei damit über die bestehenden Forderungen informiert gewesen.

4

Er halte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin aufrecht und folge dem Antrag des „Geschäftsführers“ der Antragstellerin, den Antrag zurückzunehmen, nicht.

5

Die Antragstellerin legt in Fotokopie ein Protokoll über die Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für Juli 2012 am 05. September 2012 vor, mit der steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. ./. 574.243,- € angemeldet worden sind, aus denen sich ein Steuerbetrag von ./. 109.106,30,- € ergab. Zudem legt sie die Kopie einer nicht unterzeichneten Umsatzsteuervoranmeldung für denselben Voranmeldungszeitraum mit denselben Daten vor.

6

Am 25. September 2012 bestellte das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es ordnete die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin und auch an, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

7

Mit Bescheid vom 23. November 2012, den er der Antragstellerin übersandte, setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuervorauszahlung für Juli 2012 auf ./. 92.006,17 € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung erhielt er aufrecht. Es ergab sich ein Guthaben in Höhe des Betrags, über dessen Verwendung eine gesonderte Mitteilung ergehe. Die Steuer beruhte einzig auf der Annahme negativer Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 484.243,- €.

8

Mit Bescheid selben Datums, den er gleichfalls der Antragstellerin bekannt gab, setzte er die Umsatzsteuer für 2009 auf 123.014,99 € fest, wobei er die Änderung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützte. Im Ergebnis seiner Abrechnung waren von der Antragstellerin 128.498,57 € zu zahlen, zu denen Zinsen zur Umsatzsteuer für 2009 i.H.v. 4.341,- € traten.

9

Die Antragstellerin legt ein Schreiben vom 28. November 2011 in Kopie vor, mit dem sie dem Antragsgegner „die Steuererklärung und den Jahresabschluss für das Jahr 2010“ übersandt haben will. Mit kopiert ist ein handschriftlicher Vermerk „Keine Steuerbescheide bis heute“.

10

Das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters trägt als Datum den 04. Dezember 2012. Forderungen gegen den Antragsteller werden nicht ausgewiesen, die ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten hingegen mit 125.030,- €. Sie werden nicht spezifiziert. Es werden Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber anderen Gläubigern als dem Antragsteller genannt.

11

Unter dem 19. Dezember schrieb das Insolvenzgericht an Dr. H., es führe weitere Ermittlungen durch, um eine Entscheidung über den Insolvenzantrag des Antragsgegners treffen zu können. Es habe vom Antragsgegner wie auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter weitere Zuarbeiten erbeten. Soweit Einwendungen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters erhoben würden, werde auf die Mitwirkungs- und Auskunftspflicht der Antragstellerin hingewiesen. Zur Glaubhaftmachung der Einwendungen bzgl. des Anlagevermögens und der Höhe der Verbindlichkeiten seien dem Insolvenzgericht binnen einer Frist von drei Wochen Belege, Urkunden, Verträge, evtl. HRB-Auszüge, Wertgutachten bzw. die benannte aktuelle Jahresbilanz vorzulegen. Die von der Antragstellerin vorgelegte Kopie des Schreibens trägt einen den 27. Dezember 2012 ausweisenden Stempelabdruck, handschriftlich ist der 17. Januar 2013 notiert.

12

Ebenfalls unter dem 19. Dezember 20012 erließ der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin eine Prüfungsanordnung hinsichtlich Körperschafts-, Umsatz- und Gewerbesteuer für 2008 bis einschließlich 2010, der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf und des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010 sowie von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2008, 31. Dezember 2009 und 31. Dezember 2010. Die Prüfung werde voraussichtlich am 05. Februar 2013 beginnen. Zur Vorbereitung möge die Antragstellerin bis zum 15. Januar 2013 einen Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten übersenden.

13

Ausweislich des Handelsregisters ist die F. ... AG & CO KG aufgelöst und liquidationslos erloschen. Unter dem 19. Dezember 2012 sandte der Antragsgegner der Antragstellerin „als persönlich haftender Gesellschafter der F. ... AG & Co.KG“ „für“ die KG eine Prüfungsanordnung. Er ordnete eine Umsatzsteuersonderprüfung hinsichtlich der Umsatzsteuer für das III. Quartal 2012 an, mit der er voraussichtlich am 17. Januar 2013 beginnen werde, und bat um Übersendung eines Datenträger (CD-ROM) mit den steuerlich relevanten Daten bis zum 07. Januar 2013.

14

Der Antrag der Antragstellerin ist beim Finanzgericht am 20. Dezember 2012 eingegangen.

15

Die Antragstellerin legt in Kopie ein Protokoll der Übertragung einer Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 der F. ... AG & Co. KG vom 05. November 2012 vor, mit der eine Steuer i.H.v. ./. 60.525,23 € angemeldet wird. Es werde Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 v.H. i.H.v. 73.670,47 € und abziehbare Vorsteuerbeträge i.H.v. 74.522,63 € erklärt.

16

Unter dem 30. November 2012 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, würden im einzelnen spezifizierte Forderungen i.H.v. insgesamt 86.285,17 € beglichen, so könne er den Insolvenzantrag für erledigt erklären.

17

Der Antragsteller legt eine Aufstellung offener Forderungen per 04. Januar 2013 vor, nach der er Forderungen gegen die Antragstellerin i.H.v. insgesamt 86.879,67 € hat. Er legt eine weitere Aufstellung vor, nach der das Guthaben, dass sich aus dem geänderten Vorauszahlungsbescheid über Umsatzsteuer für Juli 2012 ergab, auf die Umsatzsteuer für 2009 und eine weitere Umsatzsteuerforderung vollständig erloschen ist.

18

Die Antragstellerin trägt vor, entgegen den Ausführungen des Antragsgegners gegenüber dem Insolvenzgericht habe sie nicht etwa erklärt, sie sei zahlungsunfähig, sondern sich vielmehr für zahlungsfähig erklärt. Sie habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner genannten Steuerforderungen nicht in der von ihm genannten Höhe bestünden. Das Finanzamt J. habe unter dem 23. November 2012 einen Bescheid über Körperschaftsteuer für 2010 erlassen, aus dem sich ergebe, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sich auf ./. 4.955,59 € beliefen, so dass keine Körperschaftsteuer anfalle. – Es handelt sich jedoch um einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb, in dem für die Antragstellerin ein Gewinn festgestellt wird. –

19

Die F. ... AG & Co. KG, sei per 30. Juli 2012 erloschen, nachdem die letzte Kommanditistin die F. ... GmbH & Co. KG, zu jenem Termin ausgeschieden sei. Rechtsnachfolgerin der erloschenen KG sei die Antragstellerin. Die Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2012 sei angesichts der Festlegung der Quartalszahlung durch den Antragsgegner noch im Namen der erloschenen KG abgegeben worden. Sie, die Antragstellerin, behalte sich eine Korrektur vor.

20

Steuerbescheide für 2010 seien ihr gegenüber trotz nebst Jahresabschluss eingereichter Steuererklärung nicht ergangen.

21

Die Antragstellerin beantragt, dem Antragsteller aufzugeben, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin vom 08. Juni 2012 gegenüber dem Amtsgericht ... zurückzunehmen.

22

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

23

Er trägt vor, er könne weder die Betriebsprüfungs- noch die zugehörige Arbeitsakte übersenden, da die Akten verwendet würden und sich die zuständigen Mitarbeiter in Urlaub befänden. Ein Stundungs- und Erlassantrag könne nicht festgestellt werden. Der Feststellungsbescheid des Finanzamts J. könne hinsichtlich der Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht berücksichtigt werden.

24

Er hat lediglich die für die Antragstellerin von ihm geführte Vollstreckungsakte vorgelegt.

25

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

26

B. I. Der zulässige Antrag ist begründet.

27

1. Der Antrag ist zulässig.

28

a) Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Halbs. 1 FGO eröffnet.

29

Für die Überprüfung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners ist – anders als für die Prüfung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – das Finanzgericht und nicht das Insolvenzgericht zuständig (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; im Ergebnis wohl zustimmend Wehr in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2012, § 14 InsO, Rz 43; a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

30

aa) Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Antrags eines Finanzamts auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten (Finanzgericht Münster Beschluss vom 15. März 2000 12 V 1054/00 AO, DStRE 2000, 668; Finanzgericht des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

31

bb) Dass das Insolvenzgericht das rechtliche Interesse des Gläubigers, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners beantragt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Inso), prüft, führt nicht dazu, dass der Finanzrechtsweg nicht eröffnet wäre, obschon gemäß § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht als Insolvenzgericht ausschließlich für das Insolvenzverfahren zuständig ist.

32

(1) Das Erfordernis des rechtlichen Interesses soll einem Missbrauch des Insolvenzantrages – etwa zu dem Zweck, Zahlungen solventer Schuldner zu erzwingen – vorbeugen (BT-Drs. 12/2443, S. 113). Die finanzgerichtliche Ermessenskontrolle geht jedoch – auch in den Schranken des Rechtsgedankens des § 102 Satz 1 FGO – über eine bloße Missbrauchskontrolle hinaus.

33

(2) Es mag zutreffen, dass das Insolvenzgericht, wenn es gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, ermittelt, einen etwaigen Ermessensfehlgebrauch zumindest insoweit prüft, als es das rechtliche Interesse des antragstellenden Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Schuldners i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO und die Wahrung der Verhältnismäßigkeit prüft.

34

(3) Dennoch prüft das Insolvenzgericht nicht die im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Abwägung, insbesondere nicht einmal, ob ein solche stattgefunden hat oder ein sog. Ermessensausfall vorliegt (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZinsO 2011, 895; vgl. auch AG Göttingen Beschluss vom 07. August 1998 71 IN 34/98, ZInsO 1998, 190: Prüfung des Ermessens nur in eindeutigen Fällen von Rechtsmissbrauch).

35

Der etwaige Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens kann mithin nur durch den finanzgerichtlichen Rechtsschutz durchgesetzt werden, weswegen der Finanzrechtsweg – neben dem Weg zum Insolvenzgericht – zwingend eröffnet sein muss.

36

(4) Hinzu tritt, dass, sind Forderung und Eröffnungsgrund vom Gläubiger, dem Finanzamt, glaubhaft gemacht, ein rechtliches Interesse an der Insolvenzeröffnung angenommen wird (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; LG Magdeburg Beschluss vom 28. November 2011 11 T 491/11 (087), nachgewiesen bei juris), so dass der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht unter diesem Aspekt hinter demjenigen durch das Finanzgericht zurück bleibt (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

37

(5) Auch fehlt das rechtliches Interesse i.S.d. § 14 Abs.1 Satz 1 InsO nicht, wenn die Forderung nur in geringer Höhe besteht (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411), während ein Antrag der Finanzbehörde auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermessensfehlerhaft sein kann, wenn die geltend gemachte Forderung eine Bagatellforderung bildet (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002).

38

cc) Die Gefahr eines Wettlaufs von Finanz- und Insolvenzgericht (Amtsgericht) besteht nicht (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, und Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895; zur Synchronisation Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. zur mangelnden Abstimmung von Insolvenzrecht und steuerlichem Verfahrensrecht, Bartone, Vollstreckungsrecht und Insolvenzrecht im Spannungsverhältnis – Aktuelle Einzelfragen und ihre Lösung, AO-StB 2004, 194), obschon der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 13 Abs. 2 InsO nach dessen Eröffnung selbst dann, wenn der Eröffnungsbeschluss nicht rechtskräftig ist, gemäß § 13 Abs. 2 InsO nicht mehr zurückgenommen werden kann (Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 2; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 153; Leithaus in Andres/Leithaus, InsO, 2. Auflage 2011, § 13, Rz 10).

39

(1) Eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens (Zulassungsverfahrens) gem. § 4 InsO i.V.m. § 148 ZPO scheidet allerdings aus (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326; a.A. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248: Aussetzung nach § 148 ZPO analog i.V.m. § 4 InsO), weil es sich bei Insolvenzverfahren um Eilverfahren handelt (BGH-Beschluss vom 29. März 2007 IX ZB 146/06, ZInsO 2007, 604, 605).

40

(2) Zu unzumutbaren Verzögerungen des als Eilverfahren ausgestalteten Insolvenzverfahrens (AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011) dadurch, dass der Schuldner finanzgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt, kann es nicht kommen (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011), da auch ein Ruhen des Insolvenzverfahrens aufgrund des Eilverfahrenscharakters nicht in Betracht kommt (Kirchhof in Kreft, InsO, 6. Aufl. 2011, § 4, Rz 25).

41

(3) Die Gefahr, dass der finanzgerichtliche Rechtsschutz angesichts der Regelung des § 13 Abs. 2 InsO zu spät kommt, begründet lediglich dessen außerordentliche Dringlichkeit. – Wie gerade die Entscheidung im Streitfall zeigt, trifft es nicht zu, dass die Insolvenzgerichte schneller als die Finanzgerichte entschieden (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

42

dd) Es mag auch zutreffen, dass das Finanzgericht auch unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht in für das Insolvenzgericht bindender Weise über insolvenzrechtliche Fragen wie Zahlungsunfähigkeit entscheiden kann (so AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10, ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326, m.w.N.). Denn in Rechtskraft kann lediglich der Tenor der finanzgerichtlichen Entscheidung, nicht hingegen dessen Begründung erwachsen.

43

ee) Daher besteht auch keine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

44

(1) Die Gefahr der unterschiedlichen Auslegung der gesetzlichen Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch verschiedene Spruchkörper, insbesondere solcher ohne gemeinsames Obergericht besteht ohnehin. Nicht die Einheit der Rechtsordnung, sondern allenfalls die Einheit der Rechtsprechung ist in Gefahr. Dieses Phänomen ist jedoch für im Rahmen einer Entscheidung zu klärende Vorfragen bildende Rechtsfragen gerade dann charakteristisch, wenn sie, wären sie nicht lediglich als Vorfragen zu klären, in einem anderen Rechtsweg zu entscheiden wären. Fachnähe und Sachkundigkeit hinsichtlich Vorfragen sind zur Bestimmung des Rechtswegs ungeeignet (a.A. AG Göttingen Beschluss vom 31. Mai 2011 74 IN 174/10,ZInsO 2011, 1258, ZIP 2011, 1539, ZVI 2011, 326).

45

(2) Zu einem Eingriff in die Prüfungskompetenz des Insolvenzgerichts (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9; Schmerbach, Die Finanzgerichte und die InsO, ZInsO 2011, 895) kommt es somit nicht. Vielmehr entscheidet gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

46

(3) Es ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Schuldner und Finanzbehörde als Gläubiger und dem Prozessrechtsverhältnis im Insolvenzeröffnungsverfahren zu unterscheiden (vgl. Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9). Im vorliegenden Verfahren wird ausschließlich ersteres untersucht, obschon die Rechtmäßigkeit des eine Prozesshandlung bildenden Insolvenzantrag grundsätzlich im Prozessrechtsverhältnis zu beurteilen ist (Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 13, Rz 9), erfolgt die Überprüfung des Insolvenzantrags als Ermessensentscheidung im Finanzrechtsweg (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 90; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 152). Auch wenn der Insolvenzantrag wie im Streitfall bereits gestellt ist, sind spezifisch verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte vom Finanzgericht zu prüfen (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, Rz 92; Uhlenbruck in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 14, Rz 155).

47

ff) Der Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht mag einfacher sein (so Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), effektiver ist er nicht (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Denn das Insolvenzgericht überprüft die Ermessensentscheidung des Finanzamts nicht als solche (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411) und somit auch nicht deren Ausfall, sondern allenfalls einzelne Fehler (vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411), jedoch nicht vollständig im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens. Liegen solche vor, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weshalb die Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Insolvenzantrags zu verpflichten ist. Trotz eines solchen Ermessensfehlers kann jedoch, solange ein Insolvenzantrag gestellt ist, das Insolvenzverfahren aus anderen Gründen durchaus zu eröffnen sein. Auch erfolgt die Überprüfung der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Insolvenzeröffnungsverfahren, obwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen ist, die diesen zu wahren hat, nur im Hinblick auf einen Missbrauch des Antrags durch sachfremde Erwägungen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411). Es wäre widersprüchlich, dem Schuldner einerseits den finanzgerichtlichen Rechtsschutz zu versagen, ihn andererseits aber auf ein Amtshaftungsverfahren zu verweisen, in dem die Ermessensausübung der Finanzbehörde geprüft werden könne (so aber Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

48

gg) Der Verweis auf ein etwaig fehlendes Spruchrichterprivileg des Insolvenzgerichts ist nicht geeignet, die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts unter Einschränkung des Rechtsschutzes hinsichtlich des Anspruchs auf pflichtgemäßes Ermessen einzuschränken (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411).

49

hh) Auch aus § 251 Abs. 2 Satz 1 AO ergibt sich nichts anderes (a.A. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411). Die Vorschriften der InsO mögen im sog. Insolvenzeröffnungsverfahren gegenüber denjenigen der AO vorrangig sein. Das vorliegende Verfahren steht jedoch neben dem Insolvenzeröffnungsverfahren. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO bezweckt eine Einschränkung gerichtlichen Rechtsschutzes nicht. Die Vorschrift regelt das Verwaltungsverfahren, sie ist nicht prozessualer Natur.

50

b) Der auf eine Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO (a.A. Brandis EFG 2005, 374, Bartone, AO-StB 2004, 194, 195,FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, die eine Sicherungsanordnung annehmen) gerichtete Antrag ist statthaft und insbesondere nicht gemäß § 114 Abs. 5 FGO ausgeschlossen.

51

aa) Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bildet auch dann, wenn er von der Finanzbehörde gestellt wird, ein schlichtes hoheitliches (a.A. vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 277) Handeln (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105) und dementsprechend keinen Verwaltungsakt, da der Antrag nicht, wie für einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO erforderlich, auf eine unmittelbare Regelung nach außen gerichtet ist (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 276) und vom Insolvenzgericht überprüft wird (FG des Saarlandes Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021; a.A. Brockmeyer in Klein AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11, und Lippross, Rechtsschutz gegen Konkursanträge der Finanzbehörden, DB 1985, 2482).

52

(1) Der Insolvenzantrag ist lediglich ein Antrag an das Insolvenzgericht, ein bestimmtes Verfahren einzuleiten. Als solcher bildet er eine Prozesshandlung (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 166. Lfg. September 2000, m.w.N.). Rechtswirkungen erzeugen erst bestimmte Maßnahmen des Insolvenzgerichts. Mit dem Antrag wird nicht – unmittelbar – eine Regelung getroffen, sondern eine – unmittelbare – Regelung erst erstrebt (Lohse in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, RZ 18; Fritsch in Pahlke(Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 21; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210). Die unmittelbare Regelung wird erst vom Amtsgericht getroffen (Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStz 2002, 135).

53

(2) Der Schuldner ist nicht Adressat des Antrages, sondern von ihm nur in Form eines Rechtsreflexes betroffen (Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamtes, DStR 2010, 1411, m.w.N.).

54

(3) Die Auffassung, der Insolvenzantrag bilde einen Verwaltungsakt wird nicht konsequent umgesetzt, wenn vorläufiger Rechtsschutz nur durch eine einstweilige Anordnung, nicht aber durch Aussetzung der Vollziehung gewährt (so aber Brockmeyer in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 251, Rz 11; vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275 und 278).

55

bb) Der Antrag nach § 114 FGO entspricht verfahrensrechtlich im einstweiligen Rechtsschutz der in der Hauptsache statthaften Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 Satz 3 FGO (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

56

cc) Es handelt sich um eine Regelungs- und nicht um eine Sicherungsanordnung (vgl. im Ergebnis BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; a.A. Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012).

57

(1) Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht. Mit der Entscheidung des Finanzgerichts wird der Zustand der Freiheit von einem Insolvenzverfahren allenfalls indirekt gesichert, denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt zwar einen Antrag voraus (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO), erforderlich ist jedoch lediglich der Antrag eines Gläubigers, so dass das Insolvenzverfahren auf Antrag eines oder mehrerer weiterer Gläubiger auch dann eröffnet werden kann, wenn das Finanzamt zur Rücknahme seines Antrags verpflichtet wird.

58

(2) Unmittelbar ist der Antrag nicht auf Sicherung eines bestehenden Zustands gerichtet, sondern auf dessen abweichende Regelung, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll dem Begehren der Antragstellerin nach zurückgenommen werden, wo durch sich der bestehende Rechtszustand zu ihren Gunsten ändert (vgl. im Ergebnis FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

59

c) Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Stattgabe macht den Antrag nicht unzulässig.

60

aa) In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes soll freilich regelmäßig keine endgültige Maßnahme zu treffen, die das Ergebnis der Hauptsache vorwegnehmen würde (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 38, m. w. N.).

61

bb) Allerdings kann die Vorwegnahme der Hauptsache im Einzelfall erforderlich sein, um unzumutbare Nachteile für den Antragsteller zu vermeiden und effektiven Rechtschutz zu gewährleisten (Loose in Tipke/Kruse, FGO, 122. Lfg. Januar 2010, § 114 FGO Rz 41, m. w. N.).

62

cc) So verhält es sich im Streitfall, weil der Verweis auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren angesichts der gravierenden Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, insbesondere auch im Einzelfall des Antragstellerin, zu irreversiblen Schäden führen würde und ihr deshalb nicht zuzumuten ist.

63

(1) Im Vergleich zu den Nachteilen, die der Antragstellerin mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen drohen, ist die durch die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin getroffene Regelung begrenzt, denn sie hindert den Antragsgegner nicht, unter Berücksichtigung der veränderten Verhältnissen und erneuter oder erstmaliger Betätigung seines Ermessens erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400), während andererseits eine Rücknahme des Antrags nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.

64

(2) Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht noch vor seiner Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitere Maßnahmen zu Lasten der Antragstellerin nach § 21 Abs. 2 Nr. 1a, 2 (ggf. mit der in § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO vorgesehenen Folge der Bestellung eines sog. vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters), 4 und 5 sowie Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InsO trifft. Auch weitere Maßnahmen des Insolvenzgerichts nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO könnten die Antragstellerin in ihrer Kreditwürdigkeit zusätzlich belasten.

65

(3) Die Vorwegnahme der Hauptsache ist angesichts der vorgenannten Umstände jedenfalls dann zulässig, wenn in Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nur eine summarische Prüfung erfolgt.

66

dd) Auch ist eine Verpflichtung zu einer – einstweiligen – Einschränkung des Antrags i.S. einer Beschränkung auf das Begehren, einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen, nicht möglich, da die InsO einen solchen Antrag nicht zulässt.

67

ee) Es besteht auch nicht die Möglichkeit, als eine Art Zwischenlösung den Antragsgegner zu verpflichten, ein Ruhen des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht zu beantragen, denn auf das Insolvenzverfahren finden die Vorschriften über das Ruhen und die Aussetzung keine Anwendung (Schmahl in MüKo-InsO, § 14, RZ 92, und § 16, RZ 22, m.wN.; FG Hamburg Beschluss vom 25. April 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. BGH-Beschluss vom 29. Juli 2007 IX ZB 141/06; ZInsO 2007, 604).

68

d) Die Antragstellerin besitzt ein anzuerkennendes gegenwärtiges Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung.

69

aa) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht etwa dadurch, dass das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden hat (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105; a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, und Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

70

(1) Dies ergibt sich bereits aus obigen Erwägungen zur Eröffnung des Finanzrechtswegs.

71

(2) Der Insolvenzantrag erfordert unabhängig von den über den Insolvenzantrag hinausgehenden Voraussetzungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.).

72

(3) Neben die Ermessenskontrolle tritt die Überprüfung des Insolvenzantrags durch das Finanzgericht nach den Vollstreckungsvorschriften der AO (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

73

(4) Es mag zutreffen, das das Insolvenzgericht missbräuchliche, d. h. zu einem anderen Zweck als der gleichmäßigen Befriedigung aller Schuldner gestellte Anträge, wie etwa solche nur zum Druck zur Zahlung oder zur reinen Existenzvernichtung, zurückzuweisen hat (FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, m.w.N.) Es kann jedoch dahinstehen, ob der Antragsgegner lediglich Druck auf die Antragstellerin ausüben will, worauf sein Schreiben vom 30. November 2012 hindeuten könnte, denn in jedem Fall geht die Überprüfung der Ermessensentscheidung durch das Finanzgericht über eine bloße Missbrauchs- und Verhältnismäßigkeitskontrolle hinaus (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

74

(5) Auch der Umstand, dass das Insolvenzgericht bereits mit einer inhaltlichen Prüfung des Antrags begonnen und die Antragstellerin zur Stellungnahme aufgefordert hat, würde hieran nichts ändern (a.A. FG Hamburg Beschluss vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475).

75

bb) Das Bedürfnis nach finanzgerichtlichem Rechtsschutz im Wege der Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abgabenschuldners besteht solange fort, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschossen oder aber den Eröffnungsantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat (BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122, vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, und vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).

76

cc) Das Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere nicht etwa mit der Bestellung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters entfallen (vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris). Vielmehr droht der Antragstellerin, nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter sein Gutachten vorgelegt hat, die Bestellung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters und darüber hinaus die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

77

2. Der Antrag ist begründet.

78

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

79

Ein Erfolg des Antrags setzt voraus, dass der Antragsteller den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), und einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) schlüssig darlegt und deren tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO; vgl. FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris).

80

a) Ein Anordnungsgrund liegt vor.

81

Es kann dahinstehen, ob der Anordnungsgrund bereits aus der Natur der Sache folgt, weil wegen der weitreichenden, regelmäßig nicht wieder rückgängig zu machenden Wirkungen eines erfolgreichen Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder seiner Ablehnung wegen fehlender Masse, die Dringlichkeit der Entscheidung keiner weiteren Glaubhaftmachung bedarf (so FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris; a.A. Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) auch wenn sie jeden Insolvenzschuldner treffen und üblicherweise mit dem Insolvenzantrag oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sind (a. A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877).

82

aa) Selbst wenn die im Schreiben des Insolvenzgericht gesetzte Frist erst mit dessen Zugang zu laufen begonnen haben sollte, so würde eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens nunmehr, auch insoweit ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wie stets im Hinblick auf den Anordnungsgrund (Dombert in Finkelnburg / Dombert, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren 6. Aufl. 2011, S. 335) maßgeblich, binnen Wochenfrist drohen, was auch in zeitlicher Hinsicht zu einem Anordnungsgrund führt.

83

bb) Im Übrigen dürften auch die zumindest ebenso zeitnah zu besorgenden weiteren o.g. Maßnahmen des Insolvenzgerichts Anordnungsgründe bilden.

84

cc) Selbst wenn es bei Insolvenzgerichten gängige Praxis sein sollte, Verfahren, wenn parallel zum Insolvenzeröffnungsverfahren eine Leistungsklage auf Rücknahme des Insolvenzantrags beim Finanzgericht anhängig gemacht worden ist, nicht zu fördern, sondern die Insolvenzgerichte i.d.R. mit Rücksicht auf § 13 Abs. 2 InsO, d.h. die Erledigung des Insolvenzantragsverfahrens durch Antragsrücknahme, die Entscheidung der Finanzgerichtsbarkeit abwarten sollten (so Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248), entfällt der Anordnungsgrund nicht.

85

b) Die Antragstellerin besitzt einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme seines Insolvenzantrags.

86

aa) Allerdings hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner den Insolvenzantrag gestellt hätte, ohne das zu erkennen wäre, dass er das ihm eingeräumte Ermessen betätigt hätte.

87

bb) Es kann dahinstehen, ob es eines solchen Vortrags auch hinsichtlich eines Ausfalls des Ermessens bedarf (so Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, AO-StB 2007, 210) oder aber ein solcher Vortrag nicht erforderlich ist, weil es sich beim Ausfall des Ermessens um eine negative Tatsache handelt .

88

(1) Der Antragsgegner hat trotz der Hinweise des Berichterstatters darauf, dass die Finanzbehörde bei der Entscheidung, ob sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantrage, eine Ermessensentscheidung zu treffen habe und maßgeblich für deren Beurteilung womöglich der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, weder vorgetragen, er habe sein Ermessen betätigt noch Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Betätigung eines Ermessens erkennen ließe. Insbesondere lassen die vorgelegten Vollstreckungsakten keinerlei Betätigung des Ermessens erkennen.

89

(2) Unstreitige Tatsachen – wie im Streitfall die Nichtbetätigung des Ermessens – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533; § 114 Abs. 2 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO und § 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).

90

bb) Wenn der Antragsgegner seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrecht erhält, ohne sein Ermessen zu betätigen, so verletzt er das subjektive Recht der Antragstellerin auf dieses aktuell.

91

(1) Die Stellung des Insolvenzantrags bildet eine in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde (Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; Bartone, jurisPR-SteuerR 9/2012; Lemaire in Kühn/von Wedelstädt, AO, 20. Aufl. 2011, § 251, Rz 8) gestellte Vollstreckungsmaßnahme (FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO). Der Abgabenschuldner hat Anspruch auf die Betätigung des Ermessens durch die Behörde, insbesondere eine Begründung der Ermessensentscheidung, in der die angestellten Überlegungen und der Gang des Abwägungsprozesses erkennbar werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens hat das Finanzamt die sich aus dem jeweiligen Steuerrechtsverhältnis ergebenden konkreten Besonderheiten umfassend zu würdigen (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 VII B 59/11, BFH/NV 2011, 2105).Es sind die Belange des Schuldners und die wirtschaftlichen Auswirkungen mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abzuwägen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 279; Werth, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzamts, AO-StB 2007, 210).

92

Eine Begründung der im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Ermessensentscheidung ist allerdings ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie eine bloße Formalität bildete, da die Gründe offensichtlich sind, insbesondere wenn dem Betroffenen die Auffassung der Finanzbehörde hinsichtlich der Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder für ihn ohne weiteres erkennbar ist (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Im Streitfall jedoch ist dies gerade im Hinblick auf eine Interessenabwägung nicht der Fall.

93

Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Rücknahme des Insolvenzantrags, wenn die in dessen Stellung liegende Ermessensentscheidung diese Erfordernisse – wie im Streit-
fall – nicht erfüllt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

94

(2) Es kann dahinstehen, ob § 102 FGO auf den Insolvenzantrag unmittelbare Anwendung findet (bejahend BFH-Beschlüsse vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002, und vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017; FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), obwohl es sich bei der Stellung des Insolvenzantrags nicht um einen Verwaltungsakt handelt, weshalb auch für ein Aufrechterhalten eines solchen Antrags keinen Verwaltungsakt bilden kann. Denn:

95

(a) Entweder ist § 102 Satz 1 FGO entsprechend anwendbar, wogegen freilich spricht, dass die Einschränkung des § 102 Satz 2 FGO dann ebenfalls entsprechend anzuwenden sein dürfte,

96

(b) oder aber ein behördliches Ermessen ist im gerichtlichen Verfahren, wenn es sich nicht in einem Verwaltungsakt niedergeschlagen haben kann, angesichts des klarstellenden Charakters des § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt überprüfbar.

97

(c) In jedem Fall jedoch kann geprüft werden, ob es zu einem sog. Ermessensausfall gekommen ist, d.h. gar keine Abwägungentscheidungserheblicher Umstände und der wirtschaftlichen Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles erfolgt ist (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411).

98

(3) Zu beurteilen ist nicht, ob die Stellung des Insolvenzantrags seinerzeit ermessensgerecht war. Für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens der Finanzbehörde ist vielmehr der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

99

(a) Die Prüfung durch das Gericht hat sich auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (FG des Saarlands Urteile vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, EFG 2004, 759, und vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, hinsichtlich einer Leistungsklage; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 01. Juni 2007 1 V 990/07, DZWIR 2007, 326, Sächsisches Finanzgericht Beschluss vom 12. August 2011 6 V 915/11, nachgewiesen bei juris, Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400, FG Köln Beschluss vom 26 Juni 2008 6 V 973/08, EFG 2009, 870; Brandis, EFG 2005, 374, Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 22; a.A. Finanzgericht Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, und BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; offengelassen in BFH-Beschlüssen vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

100

(b) Sind die vom Finanzamt zu diesem Zeitpunkt für die Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrages angegebenen Gründe ermessensgerecht, kann es daher (im Klageverfahren) nicht mehr zur Rücknahme dieses Antrages verurteilt werden, nur weil die vormals bei Stellung des Antrages angegebenen Gründe gegebenenfalls ermessensfehlerhaft waren. Umgekehrt muss das Finanzamt (im Klageverfahren) zur Rücknahme des Insolvenzantrages verurteilt werden, wenn die Antragsvoraussetzungen zwar bei Stellung des Antrages vorgelegen haben, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aber nicht mehr gegeben sind (FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021).

101

(4) Anders als im Falle des Begehrens der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde ist, da die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nicht formell bestandskräftig werden kann, nicht zwischen einem Ermessen hinsichtlich einer gedachten Stellung des Insolvenzantrags im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und der Aufrechterhaltung in Form eines Verzichts auf die Rücknahme des Insolvenzantrags zu unterscheiden.

102

(5) Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Finanzbehörde ihre Ermessensentscheidungen nicht nur in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 102 Satz 2 FGO ergänzen, sondern eine Ermessensentscheidung, gerade weil kein Verwaltungsakt vorliegt, so dass § 102 Satz 2 FGO und auch § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO nicht anwendbar sind (FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11) völlig neu (vgl. FG des Saarlandes Urteil vom 17. März 2004 1 K 437/02, EFG 2004, 1021, und Lindwurm, Zulässigkeit eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, AO-StB 2011, 136) oder sogar unter erstmaliger Betätigung ihres Ermessens treffen darf. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner sein Ermessen betätigt oder auch nur erkannt hätte.

103

(a) Eine ursprüngliche Ermessensbetätigung, an der der Antragsgegner festhielte, ist nicht zu erkennen.

104

(b) Auch eine spätere Betätigung des Ermessens durch den Antragsgegner lässt sich nicht feststellen.

105

(c) Freilich hat der Antragsgegner Einzelvollstreckungsmaßnahmen ergriffen, durch die er keine vollständige Befriedigung seiner Forderungen gegen die Antragstellerin erlangt hat, was letzterer bekannt ist. Ebenso ist ihr bekannt, dass die Stellung des Insolvenzantrags eine Reaktion auf die unvollständige Befriedigung der Forderungen im Wege der Einzelvollstreckung ist.

106

(d) Dennoch ist aber, insbesondere in Ermangelung einer Reaktion auf die Hinweise des Berichterstatters auf die zu treffende Ermessensentscheidung, nicht erkennbar, dass der Antragsgegner überhaupt erkannt hätte, dass er eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

107

cc) Unabhängig vom Ausfall des Ermessens läge ein Ermessensdefizit vor, das einen Anspruch auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Rücknahme des Insolvenzantrags begründete:

108

(1) Ist aus den Erwägungen der Finanzbehörde nicht zu erkennen ist, dass es neben ihr noch weitere Gläubiger desselben Schuldners gibt, liegt ein Ermessensdefizit vor, zumal das Insolvenzverfahren nicht der Befriedigung lediglich eines einzigen Gläubigers dienen darf (vgl. Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; vgl. § 1 Satz 1 InsO: „die Gläubiger“; vgl. auch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge – Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311) und die Finanzbehörde die Möglichkeit hat, sich durch die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses pflichtgemäß Kenntnis von Verbindlichkeiten ihres Schuldners gegenüber anderen Gläubigern zu verschaffen (Carlé, Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248). Ist die Finanzbehörde nach ihrer Kenntnis der einzige Gläubiger des Schuldners, so entspricht der Insolvenzantrag nicht den gesetzlichen Zielvorstellungen der Insolvenzordnung, nämlich der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (Schmerbach in FK-Inso, 6. Aufl. 2011, § 1, Rz 2; Kexel in Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Kießner in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 1, Rz 2; Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582; a.A. Schmerbach in FK-InsO, 6.Aufl. 2011, § 14, Rz 68) und ist hierdurch ermessensfehlerhaft (vgl. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877; a.A. Lindwurm, Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners gegen Anträge des Finanzamts an das Amtsgericht, DStZ 2002, 135).

109

Nach Aktenlage ist nicht zu ersehen, dass der Antragsgegner Kenntnis von Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber weiteren Gläubigern gehabt hätte oder hätte und diese Kenntnis in seine Entscheidung über die Stellung des Insolvenzantrags oder aber dessen Aufrechterhalten einbezogen hätte.

110

(2) Ist die Forderung des die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreibenden Gläubigers tituliert, muss der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren verfolgen. Solange die Vollstreckbarkeit nicht auf diese Weise beseitigt ist, braucht das Insolvenzgericht im Gegensatz zum Finanzgericht die Einwendungen des Schuldners nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch für vollstreckbare öffentlich-rechtliche Steuerforderungen der Finanzbehörde aus einem vollziehbaren Steuerbescheid. Das Insolvenzgericht darf somit einen Grund für die von der Finanzbehörde beantragte Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann annehmen, wenn über die Forderungen, auf die die Eröffnung gestützt wird, ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig ist (BGH-Beschluss vom 06. Mai 2010 IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091).

111

(a) Die fehlende Bestandskraft einer Steuerfestsetzung steht einem in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens gestellten Insolvenzantrag der Finanzbehörde nicht von vornherein entgegen (BFH-Beschluss vom 01. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Allein der Umstand, dass der Steuerbescheid vollziehbar ist, schließt jedoch nicht aus, dass die Berücksichtigung der sich aus ihm ergebenden Forderung ermessensfehlerhaft ist (a.A. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

112

(b) Wenn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, aber noch nicht beschieden oder aber der Einspruch gegen deren Ablehnung noch nicht beschieden worden ist, muss die Finanzbehörde trotz der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281) prüfen, ob und inwieweit Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids oder eines ihm zugrundeliegenden Grundlagenbescheids bestehen (Carlé, Einleitung des Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage; Loose in Tipke/Kruse, AO, 126. Lfg. Mai 2011, § 251, Rz 19; vgl. FG Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419). Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, so ist es ermessensfehlerhaft, den Insolvenzantrag auf den angefochtenen Bescheid zu stützen (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 281; Fritsch in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 251, Rz 22; wohl bejahend FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; auch für den Fall überwiegender Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, in Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 20. November 1984 VII B 39/84, ZIP 1985, 1160; vgl. auch BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400).

113

(c) Zu beachten ist hier die Selbstbindung der Finanzverwaltung durch die Vollstreckungsanweisung (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 275). I.d.R. ist die Finanzbehörde infolgedessen gehalten, zunächst über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Hat der Vollstreckungsschuldner wegen Rückständen, die der Vollstreckungsstelle bereits mitgeteilt worden sind, Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO, § 69 Abs. 2 FGO) beantragt, soll über die Anträge gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 1 VollstrA unverzüglich entschieden werden. Die Vollstreckungsstelle hat sodann gemäß Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 4 VollstreckA zu entscheiden, ob Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder bereits begonnene Vollstreckungsverfahren eingestellt, beschränkt oder fortgeführt werden sollen. Das Vollstreckungsverfahren ist einzuleiten oder fortzuführen, wenn die Anträge aussichtslos erscheinen, wenn sie offensichtlich nur den Zweck verfolgen, das Vollstreckungsverfahren hinauszuschieben oder wenn Gefahr im Verzug besteht Abschnitt 5 Abs. 4 Satz 5 Halbs. 1 VollstrA.

114

(d) Dasselbe gilt, wenn das Gericht noch nicht über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO entschieden hat oder aber über die gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gerichtete Beschwerde noch nicht entschieden worden ist.

115

(e) Womöglich gilt dasselbe auch dann, wenn der Verwaltungsakt mit dem Einspruch angefochten ist, kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, über den Einspruch jedoch noch nicht entschieden ist (so Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), weil gemäß § 361 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 AO und § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung auch von Amts wegen gewähren kann. Dieser Auffassung könnte jedoch § 256 AO, sollte er auf den Insolvenzantrag anwendbar sein, zumindest jedoch dessen Rechtsgedanke entgegen stehen (vgl. Hessisches FG Beschluss vom 22. Januar 1982 VI B 139/81, EFG 1982, 419; a.A. Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 17. Mai 1978 VII 453/77, EFG 1979, 4), wenn nämlich § 251 Abs. 2 Satz 1 AO lediglich bestimmt, dass die Vorschriften der InsO über die Eröffnung und Durchführung des Insolvenzverfahrens unberührt bleiben, dies jedoch den Umstand, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Maßnahme im Vollstreckungsverfahren bildet, nicht tangiert (so BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, zur KO). In letzterem Fall bildete die Stellung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung eine Obliegenheit des Steuerschuldners (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282).

116

(3) Ist ein Verwaltungsakt, aus dem sich eine offene Forderung der Finanzbehörde ergibt, zwar formell, jedoch nicht materiell bestandskräftig, so hat sie dessen Rechtmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt seiner Änderbarkeit im Rahmen der Betätigung ihres Ermessens zu prüfen (vgl. Carlé, Einleitung eines Insolvenzverfahrens durch die Finanzverwaltung – Effektiver Rechtsschutz in einer schwierigen Lage, AO-StB 2002, 428; vgl. auch Carlé Insolvenzantrag durch das FA – Hinweise zur Vorgehensweise vor dem Insolvenzgericht, AO-StB 2009, 248; offen gelassen in BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, und FG Hamburg Beschluss vom 25. Februar 2011 2 V 8/11, EFG 2011, 1400; a.A. Obermair, Stundung, Vollstreckungsaufschub, Insolvenzantrag – Das Verhalten des Finanzamts bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Abgabenschuldners, BB 2006, 582).

117

(aa) Auch wenn ein Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid nicht von der Steuererklärung abweicht, ist die Änderungsmöglichkeit von Amts wegen bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Es mag unwahrscheinlich sein, dass die Steuer zu hoch festgesetzt ist, wenn der Schuldner keine substantiierten Einwendungen gegen den Verwaltungsakt vorbringt (Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282; vgl. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787). Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch angesichts der Gebundenheit des Verwaltungsakts unerheblich (offen gelassen von Dißars in Schwarz, AO, 148. Lfg. Mai 2012, § 251, Rz 32). Vielmehr hat die Finanzbehörde von Amts wegen zu untersuchen und die zutreffende Regelung zu treffen (§§ 85 und 88 Abs. 1 und 2 AO). Dies muss um so mehr gelten, wenn eine Außenprüfung bereits angeordnet ist (vgl. AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950).

118

(bb) Eines Änderungsantrags des Schuldners bedarf es nicht, soweit die Änderung des Verwaltungsakts einen solchen nicht voraussetzt (§ 164 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 165 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, § 173 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO, § 174 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AO, § 175 Abs. 1 Satz 1 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017); vgl. Fu, Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge des Finanzamts, DStR 2010, 1411, zu Schätzungsbescheiden; vgl. auch AG Hamburg Beschluss vom 19. Juli 2007 67a IN 244/06, ZInsO 2007, 950, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden; a.A. Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877, ebenfalls zu Schätzungsbescheiden). Denn in diesem Fall trifft die Finanzbehörde eine Pflicht zu Änderung von Amts wegen. Auch auf eine vorläufige Steuerfestsetzung kann ein Insolvenzantrag nach obigen Maßgaben gestützt werden. Sie ist nicht notwendig mit einer zu großen Unsicherheit belastet (a.A. Frotscher, Besteuerung in der AO, 7. Aufl. 2010, S. 282).

119

(4) Allerdings schließt eine vorläufige Festsetzung oder Feststellung die Stellung eines Insolvenzantrags nicht aufgrund der ihr anhaftenden Unsicherheit in dem Sinne aus, dass sie fehlerhaft wäre (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Auch ist ein teilweiser Ausschluss der Stellung eines Insolvenzantrags nicht denkbar (a.A. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 282). Denn die Finanzbehörde hat eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Antragstellung zu treffen, in der sie die Vorläufigkeit berücksichtigt. Hierbei kann sie auch berücksichtigen, dass der Insolvenzantrag auch ohne Berücksichtigung der sich aus dem vorläufigen Verwaltungsakt ergebenden Forderung im Hinblick auf Überschuldung und / oder (drohende) Zahlungsunfähigkeit gerechtfertigt ist. Diese Überlegungen dürfen jedoch nicht bei der Betätigung des Ermessens außen vor bleiben.

120

(5) Im Streitfall braucht dennoch nicht entschieden zu werden, ob womöglich aufgrund von Einsprüchen, Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung oder fehlender materieller Bestandskraft der Steuerbescheide mit den die vom Antragsgegner geltend gemachten Forderungen Ermessensüberschreitungen (Trossen, Vorläufiger Rechtsschutz gegen Insolvenzanträge der Finanzbehörden, DStZ 2001, 877) und / oder Ermessensfehler des Antragsgegners vorliegen oder auch dem Antrag bereits deshalb stattzugeben ist, weil der Antragsgegner trotz ausreichender Gelegenheit die Steuerakten nicht vorgelegt hat, denn dem Antrag ist bereits aus obigen Gründen stattzugeben (vgl. hierzu auch BGH-Beschluss vom 09. Juli 2009 IX ZB 86/09, ZInsO 2009, 1533).

121

dd) Es kann somit dahinstehen, ob die Antragstellerin im Wege der Anwachsung Gesamtrechtsnachfolgerin der liquidationslos vollbeendeten F. ... AG & Co. KG geworden ist, weil sie deren einzige Komplementärin war und sämtliche Kommanditisten ausgeschieden sind. – Sollte dies der Fall sein, so wären die gegen die Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin gerichteten Forderungen des Antragsgegners ebenso wie seine Verbindlichkeiten ihr als der gen. Gesamtrechtsnachfolgerin gegenüber zu berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn solche Verbindlichkeiten des Antragsgegners bestehen sollten, läge ein Ermessensfehler vor, weil er sie nach Aktenlage nicht berücksichtigt hätte.

122

ee) Es kann dahinstehen,

- ob die erfolglosen Einzelvollstreckungsmaßnahmen ausreichend zeitnah (vgl. Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz, 7. Aufl. 2010, S. 283) zum Beurteilungszeitpunkt erfolgt sind

- ob die Finanzbehörde ermitteln muss, ob die Antragstellerin ihm Sicherheiten stellen kann (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2010 VII B 281/09, BFH/NV 2011, 309).

 - ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer ratenweise Tilgung oder sogar einer weitergehenden Stundung berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Möglichkeit eines – vollständigen oder teilweisen – Erlasses berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N. w.N.; zu einer etwaigen Selbstbindung der Finanzverwaltung vgl. A 5 Abs. 4 Satz 1 VollstreckA)

- ob die Finanzbehörde die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem Dritten, insbesondere einem Gesamtschuldner, z.B. einem Haftungsschuldner (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO)
getilgt wird, berücksichtigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde die in der Einzelzwangsvollstreckung erreichbare Realisierung ihrer Forderungen mit derjenigen die im Insolvenzverfahren zu erwarten ist abwägen muss (zweifelhaft, so jedoch Wenzler, Existenzgefährdende Insolvenzanträge des FA - Wie lässt sich Rechtsschutz herbeiführen, AO-StB 2008, 311)

- ob die Finanzbehörde die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldner würdigen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, m.w.N.)

- ob die Finanzbehörde an eine AG, vertreten durch den Vorstand, eine Aufforderung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung richten muss (§ 248 Abs. 3 Satz 2 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270), insbesondere, ob dies jedenfalls dann nicht mehr erforderlich ist, wenn die AG – dem Insolvenzgericht – ein Vermögensverzeichnis vorlegt.

123

Es kann schließlich dahinstehen, ob der Antragsgegner für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig war oder auch ist, auch wenn die Antragsgegner ein subjektives Rechts auf Ausübung des Ermessens durch die örtlich zuständige Behörde hat (vgl. FG Berlin Urteil vom 21. September 2004 7 K 7182/04, EFG 2005, 11).

124

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

125

III. Gründe für eine etwaige Zulassung der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

126

1. Die Abweichung vom Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010 3 V 168/10, EFG 2011, 475, hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses im Hinblick auf den Rechtsschutz durch das Insolvenzgericht erfordert die Zulassung der Beschwerde nicht, weil der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung über die vom FG Hamburg zugelassene Beschwerde ein solches bejaht hat (BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017).

127

2. Im Streitfall kommt es nicht auf die Beantwortung der Frage, welcher der zutreffende Beurteilungszeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung sei, an.

128

3. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Finanzbehörde die fehlende materielle oder formelle Bestandskraft, insbesondere die Möglichkeit der Aussetzung und / oder Aufhebung der Vollziehung – auch angesichts der Bestimmung des § 251 Abs. 2 Satz 1 AO und sei es nur auf einen entsprechenden Antrag hin und nicht von Amts wegen (FG Hamburg Beschluss vom 18. August 2011 6 V 102/11, nachgewiesen bei juris, m.w.N.) – zu berücksichtigen habe.

129

4. Ferner kommt es ebenfalls nicht auf die bislang nicht geklärte Rechtsfrage an, ob die Finanzbehörde die Möglichkeit einer Stundung von Amts wegen (vgl. § 222 Satz 2 AO, Loose in Tipke/Kruse, AO, 129. Lfg. Juni 2012, § 222, Rz 49) oder auch eines Erlasses nach § 227 Halbs. 1 AO von Amts wegen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO, 127. Lfg. Oktober 2011, § 227, Rz 132; bejahend für den Fall eines noch nicht beschiedenen Antrags BFH-Beschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017) wie auch einer abweichenden Festsetzung von Steuern auch Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 und auch Satz 2 AO von Amts wegen im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Stellung eines Insolvenzantrags zu berücksichtigen habe.


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 86/09
vom
9. Juli 2009
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
am 9. Juli 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. März 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 367.378,32 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Am 28. September 2006 beantragte der beteiligte Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin wegen Steuerschulden in Höhe von 46.870,45 €, die vollstreckbar seien. Dem Antrag war ein Ausdruck beigefügt , welcher diesen Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide aufschlüsselt. Die Schuldnerin stellte am 22. Februar 2007 ihrerseits Insolvenzantrag , nahm diesen Antrag aber am 21. Januar 2008 wieder zurück. Mit Be- schluss vom 13. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und die Zurückweisung des Eröffnungsantrags erreichen.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
3
Das 1. Beschwerdegericht hat keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt , der von der Senatsrechtsprechung zu den an die Glaubhaftmachung der Forderung des antragstellenden Gläubigers (§ 14 InsO) zu erhebende Anforderungen abweicht. Es hat insbesondere den Grundsatz des Beschlusses vom 13. Juni 2006 (IX ZB 214/05, NZI 2006, 590, 591 Rn. 9) zitiert, dass als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen zu verlangen sei, aber gemeint , im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen zu können, weil das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschrieben und die Schuldnerin sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen habe, über die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Finanzgericht mit Bestandskraft entschieden hätten. Das ist grundsätzlich möglich. Unstreitige Tatsachen - hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten Steuerbescheiden - brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (§ 294 ZPO). Streit besteht über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände. Deren Berechtigung kann das Insolvenzgericht unabhängig davon nicht prüfen, ob die Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
4
2. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz liegt auch nicht im Hinblick auf die Begründetheit des Gläubigerantrags vor. Die Forderung des antragstellenden Gläubigers muss (nur) dann zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts feststehen, wenn sie zugleich den Insolvenzgrund bildet (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 mit weiteren Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen vom 19. Dezember 1991 (III ZR 9/91, ZIP 1992, 947) und vom 11. November 2004 (IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92). Im vorliegenden Fall hängt der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht davon ab, ob und in welcher Höhe Steuerforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen bestehen. Das Beschwerdegericht hat - wie schon das Insolvenzgericht - weitere gegen die Schuldnerin gerichtete fällige Forderungen in Höhe von insgesamt 1.020.000 € (V. bank ) und 599.360,55 € (S. ) festgestellt, welche die Schuldnerin nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann.
5
3. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Schuldnerin übergangen und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Schuldnerin hat vorgetragen, sie habe gegen die Steuerfestsetzungen, die Grundlage des Insolvenzantrags seien, durchweg Einspruch eingelegt. Teilweise seien diese bereits Gegenstand einer vor dem Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klage. Soweit Steuerforderungen nicht angefochten worden seien, seien sie beglichen wor- den. Dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren , die Steuerforderungen seien bereits durch Verrechnung mit Steuererstattungen bzw. durch geänderte Bescheide erledigt worden. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, eine Ergänzung ihres Vorbringens sei der Schuldnerin ohne die konkrete Bezeichnung und Vorlage der Bescheide nicht möglich gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Aufstellung, welche das zuständige Finanzamt als Anlage zum Insolvenzantrag eingereicht hat, weist neben Steuerart und Zeitraum auch die Daten der Bescheide aus. Die Schuldnerin hat nicht bestritten, dass diese Bescheide erlassen worden und ihr zugegangen sind. Sie hätte im Einzelnen vortragen können, gegen welche Bescheide sie Einspruch eingelegt und Klage erhoben hat, welche Zahlungen sie geleistet und welche Verrechnungen sie erklärt hat und welche Bescheide geändert worden sind.

III.


6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 13.10.2008 - 61 IN 175/06 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 25.03.2009 - 7 T 256/08 -

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Dies gilt auch für Steueranmeldungen (§ 168). Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter und die Hauptzollämter sowie die Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist; § 328 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(2) Zur Vorbereitung der Vollstreckung können die Finanzbehörden die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln. Die Finanzbehörde darf ihr bekannte, nach § 30 geschützte Daten, die sie bei der Vollstreckung wegen Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden darf, auch bei der Vollstreckung wegen anderer Geldleistungen als Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden.

(3) Zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen können die Vollstreckungsbehörden Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung stellen. § 757a Absatz 5 der Zivilprozessordnung ist dabei nicht anzuwenden.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die ihre Geschäfte in der Rechtsform einer GmbH betreibt, hat erhebliche Steuerrückstände, weshalb der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) versuchte, seine Ansprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen zu befriedigen. Nachdem diese erfolglos blieben, stellte das FA am 20. August 2008 beim Amtsgericht (AG) X den Antrag, die Antragstellerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister zu löschen. Am 20. Januar 2011 stellte das FA zudem beim AG X den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

2

Dem Antrag der Antragstellerin, das FA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht habe. Zwar seien im Streitfall die Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag erfüllt, jedoch habe das FA ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt habe, obwohl es davon überzeugt gewesen sei, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werden würde. In seinem Schreiben an das Landgericht Y vom 2. Februar 2011 habe das FA ausführlich dargelegt, es habe bislang keinen Insolvenzantrag gestellt, weil die Antragstellerin über kein die Kosten des Verfahrens deckendes Vermögen verfüge. Es gehe hinsichtlich des nunmehr gestellten Antrags davon aus, dieser werde mangels Masse abgelehnt.

3

Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend, der auf § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unzulässig. Da die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vor dem Insolvenzgericht erreichen könne, fehle ihr für ein Verfahren vor dem FG das Rechtsschutzbedürfnis. Insolvenzanträge könnten naturgemäß sachnäher durch das Insolvenzgericht geprüft werden, so dass ein finanzgerichtlicher Rechtsschutz nicht notwendig sei. Auch das FG Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall das Rechtsschutzinteresse verneint (Beschluss des FG Hamburg vom 15. November 2010  3 V 168/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 475). Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung bejaht. Zutreffend hat es darüber hinaus den Insolvenzantrag des FA als unzulässig erachtet, weil das FA bei Antragstellung davon ausging, dass der Antrag mangels Masse abgelehnt werde.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners schlichtes hoheitliches Handeln dar, für dessen Überprüfung das FG und nicht das Insolvenzgericht zuständig ist (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270, und vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.). Das Rechtsschutzbedürfnis für ein solches finanzgerichtliches Verfahren besteht solange, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse rechtskräftig abgelehnt hat.

6

b) Der sich aus den Bestimmungen der Insolvenzordnung ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte ist nicht deckungsgleich mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung. Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen, woraus sich das Rechtsschutzbedürfnis an einer finanzgerichtlichen Überprüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags ergibt. So hat das FG im Rahmen seiner Prüfung z.B. die Erfolgsaussichten eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags, die Änderung eines Grundlagenbescheids, die bisherige Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners oder die Aussicht auf eine ratenweise Tilgung der Abgabenrückstände in den Blick zu nehmen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2011 VII B 226/10, BFH/NV 2011, 1017, mit dem die Beschwerde gegen die vom FA in Bezug genommene Entscheidung des FG Hamburg als unbegründet zurückgewiesen wurde).

7

2. Soweit das FG die Antragstellung des FA als ermessensfehlerhaft angesehen hat, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden. Wie das FG ausgeführt hat, ging das FA aufgrund entsprechender Erkenntnisse von der Vermögenslosigkeit der Antragstellerin aus. Es rechnete damit, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde mangels Masse abgewiesen. Gegen diese Feststellungen hat das FA keine Einwendungen erhoben. Bei einer solchen Sachlage erweist sich die Stellung des Insolvenzantrags nach ständiger Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerhaft (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270; vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900, und vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerrückständen, die im Jahr 2009 57.472,19 € betrugen, brachte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus, die jedoch ins Leere gingen. Weitere Vollstreckungsmöglichkeiten vermochte das FA trotz diesbezüglicher Nachforschungen nicht ausfindig zu machen. Zunächst vorgenommene Sachpfändungen wurden in der Folgezeit wieder aufgehoben. Am 19. Januar 2010 traf der Antragsteller mit dem FA eine Ratenzahlungsvereinbarung. Danach sollte er den Zahlungspflichten hinsichtlich neu festgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlungen nachkommen und die Umsatzsteuer nach ordnungsgemäßer Buchhaltung quartalsweise zeitnah begleichen. Zudem sollte er alle vierzehn Tage Raten in Höhe von 1.000 € leisten und eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Die geforderte Versicherung gab der Antragsteller am 1. Februar 2010 ab, jedoch ergab sich daraus kein wesentliches pfändbares Vermögen.

2

Zum 21. Juli 2010 betrugen die Rückstände noch 42.548,39 €. Nach einem Vermerk der Vollstreckungsstelle hatte der Antragsteller die vereinbarten vierzehntägigen Raten unabgesprochen auf einen Betrag von 500 € reduziert. Eine Reduzierung der Ratenhöhe lehnte das FA ab; den dagegen eingelegten Einspruch wies es als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung gab es zu erkennen, dass eine Aussetzung der Vollziehung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme. Den Rückkaufswert einer Lebensversicherung --die aus dem Vermögensverzeichnis nicht ersichtlich war-- nahm das FA mit einem Betrag von 500 € an. Zudem erkannte das FA, dass zugunsten des Antragstellers noch ein Schmerzensgeldanspruch bestehen könnte. Am 22. Juli 2010 stellte das FA beim Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. In der Anhörung wies dieser darauf hin, dass die Gewinnermittlung für 2007 keine Verluste ausweise und zur Herabsetzung der Einkommensteuer 2007 und einem Erstattungsanspruch führen werde. Ferner sei im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Einkommensteuer für 2008 herabzusetzen. Im August 2010 setzte das FA die Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 in Höhe eines Teilbetrags von 8.552,64 € aus.

3

Gegen den Antrag auf Insolvenzeröffnung begehrte der Antragsteller vor dem Finanzgericht (FG) einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dieses verpflichtete das FA, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Nach der mit dem FA getroffenen Vereinbarung, die nicht widerrufen worden sei, sei der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung mit insgesamt drei Raten, d.h. mit insgesamt 3.000 €, im Rückstand gewesen. Die geringe Höhe dieses Betrages lasse die Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerhaft erscheinen. Darüber hinaus habe der Antragsteller im Zeitraum von Mai bis August 2010 weitere Raten in Höhe von monatlich 1.000 € geleistet. Somit könne nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Weitere Gläubiger seien nicht bekannt. Seinen Antrag habe das FA nicht auf den Insolvenzgrund der Überschuldung gestützt (§ 19 der Insolvenzordnung --InsO--). Ausführungen zur Überschuldung, die im Übrigen nicht angenommen werden könne, habe es nicht gemacht. Im Streitfall liege ein Anordnungsgrund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der auch die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertige, denn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens scheide eine Rücknahme des Eröffnungsantrags aus.

4

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags des Antragstellers. Entgegen der Rechtsansicht des FG habe das FA seine Entscheidung ermessensgerecht getroffen. Die bis zum 31. August 2010 befristete Ratenzahlungsvereinbarung habe die Fälligkeit der Steuerforderungen nicht berührt. Eines Widerrufs habe es insoweit nicht bedurft. Rückständig seien nicht nur die nicht entrichteten Raten, sondern die gesamten Steuerforderungen gewesen. Zu Recht sei das FA von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen. Mit einer zeitnahen Tilgung der Forderungen habe nicht gerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage sei, innerhalb von drei Wochen 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zudem habe das FG, ohne diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen, eine drohende Existenzvernichtung des Antragstellers unterstellt.

5

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er führt aus, dass das FA das Auslaufen der Frist der Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgewartet, sondern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits am 22. Juli 2010 gestellt habe. Zudem sei das vom FA im Entwurf vorgelegte Schreiben vom 5. Februar 2010 bisher nicht zugegangen. Im Bescheid vom 2. November 2010 habe das FA selbst bestätigt, dass die vereinbarten Raten bezahlt worden seien. Ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom September 2010 habe der Antragsteller Ratenzahlungen bis zum Existenzminimum erbracht. Ohne Angabe von Gründen habe das FA eine Reduzierung der Raten abgelehnt. Durch Zahlung der vereinbarten Raten und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe der Antragsteller die mit dem FA getroffene Vereinbarung erfüllt. Unrichtig sei die zur Begründung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellte Behauptung, dass der Vollstreckungsschuldner seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Voraussichtlich sei er in der Lage, seine Steuerschulden in verbleibender Höhe von zurzeit 15.300 € innerhalb von 12 Monaten zu tilgen. Das FA sei der einzige Gläubiger. In seinem Schriftsatz vom 17. Februar 2011 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass der vom Insolvenzgericht beauftrage Gutachter die Ansicht vertritt, dass eine das Insolvenzverfahren deckende Masse vorhanden und der Insolvenzgrund des § 17 InsO gegeben sei. Voraussichtlich werde der Betrieb vom Insolvenzverwalter freigegeben.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet. Nach der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu dem Schluss, dass das FG dem FA zu Unrecht die Verpflichtung auferlegt hat, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Entgegen der Auffassung des FG erweist sich die getroffene Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerfrei.

7

1. Die Entscheidung des FA, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn dem FA ein Anspruch zusteht, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt, und wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Positiver Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse bedarf es nicht. Allerdings darf ein solcher Antrag nicht rechtsmissbräuchlich und aus sachfremden Erwägungen gestellt werden. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn das FA lediglich die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Vollstreckungsschuldners bezweckt (Senatsbeschluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41).

8

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei dem durch das FA gestellten Insolvenzantrag nicht um einen Verwaltungsakt (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 107), so dass als vorläufiger Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO in Betracht kommt (zur Konkursordnung vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Dabei hat sich die Prüfung des Gerichts auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach Ansicht der Instanzgerichte auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (Urteil des FG des Saarlandes vom 17. März 2004  1 K 437/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1021; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004  7 K 7182/04, EFG 2005, 11, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 22; offengelassen im Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Diese Frage bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung, weil der Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO auch bereits im Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags vorlag.

9

2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA wegen der noch nicht ausgelaufenen Ratenzahlungsvereinbarung gehindert gewesen sei, den Insolvenzantrag zu stellen. Die Vereinbarung war wegen Nichteinhaltung seitens des Antragstellers gegenstandslos geworden, so dass sie nicht hatte förmlich widerrufen werden müssen. Das FA musste die Beträge nicht wieder fällig stellen, nachdem der Antragsteller mit der zunächst pünktlichen Ratenzahlung in Rückstand geraten war. Ausweislich des Protokolls über die Besprechung an Amtsstelle ist eine Aussetzung der Vollziehung zunächst nicht gewährt worden. Vielmehr wurde die Vollstreckung lediglich ruhend gestellt und vom Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängig gemacht. Zudem hat das FA mit Schreiben vom 6. Mai 2010 die beantragte Reduzierung der Ratenhöhe abgelehnt und den dagegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2010 musste der Antragsteller entnehmen, dass eine Aussetzung der Vollstreckung nicht mehr in Betracht kam. Danach konnte er von einer Genehmigung zur Fortsetzung der Ratenzahlungen nicht mehr ausgehen und musste mit der umgehenden Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen rechnen.

10

Nach summarischer Betrachtung der Sach- und Rechtslage konnte das FA auch von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen (§ 17 Abs. 1 und 2 InsO). Ausweislich der Akten hat der Antragsteller zwar in den Monaten Januar bis April 2010 die Raten in der vereinbarten Höhe von 2.000 € gezahlt, jedoch die Zahlungen bis August 2010 von zunächst 1.000 € auf 500 € zurückgeführt. Den Antrag vom 20. Juli 2010 auf entsprechende Reduzierung der Raten hat das FA abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Steuerrückstände auf 42.548,39 €. Ausweislich der im Rahmen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Vermögensaufstellung war verwertbares Vermögen nicht vorhanden, so dass weitere Vollstreckungsversuche aussichtslos erschienen. Zwar hat sich der Antragsteller auf einen für ihn günstigen Ausgang der anhängigen Einspruchsverfahren berufen, doch bestehen nach dem Vorbringen des FA selbst unter Berücksichtigung der inzwischen abgeschlossenen Verfahren Abgabenrückstände in Höhe von 34.264,61 €. Dass eine Begleichung der Steuerschulden in absehbarer Zeit zu erwarten ist, hat der Antragsteller lediglich behauptet, ohne dies jedoch substantiiert zu belegen. Bei diesem Befund ist ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich. Da bereits aus diesem Grund der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.

11

3. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass das FA den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Existenzvernichtung rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung. Soweit sich der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen hat, dass eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse wahrscheinlich sei, wird auch dadurch der Anordnungsanspruch nicht hinreichend belegt. Die zuverlässige Feststellung des Vermögens des Schuldners obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Wie der Antragsteller nunmehr selbst vorträgt, ist nach Auffassung des vom Insolvenzgericht bestellten Gutachters eine das Verfahren deckende Masse vorhanden. Auch ist eine Freigabe des Betriebs mit dem Ziel seiner Fortführung nicht ausgeschlossen, so dass eine Vernichtung der Existenz des Antragstellers nicht unabweisbar erscheint.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

Tenor

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 13 v.H. und im Übrigen der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit ihrem Klageantrag begehrte die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, sowohl eine Zahlung i.H.v. 7.418,97 €, die auf Umsatzsteuer entfalle, als auch die Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, den einzig das beklagte Finanzamt unter Bezifferung seiner Forderungen auf maximal rund 125.000,- € gestellt hatte. Es waren die Einstellung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO und später die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin angeordnet und bestimmt worden, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien.

2

Das Finanzgericht verpflichtete den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zur Rücknahme des Insolvenzantrags, wobei es entscheidend auf fehlende Ermessenserwägungen abstellte.

3

Das Insolvenzgericht hob die vorläufige Insolvenzverwaltung und die Anordnung, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien, auf.

4

Auf den mit der Klage geltend gemachten Zahlungsanspruch hat der Beklagte nicht geleistet.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Entscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 FGO. Nachdem der Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung vom Gericht zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin verpflichtet worden ist, so dass dem klägerischen Begehren insoweit entsprochen ist, zumal gemäß § 155 FGO i.V.m. § 894 Satz 1 ZPO die Erklärung des Beklagten, er nehme den Antrag zurück, als abgegeben gilt, weil der Beschluss mangels Zulassung der Beschwerde rechtskräftig ist, und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens auf die Beteiligten zu verteilen.

6

Dies gilt auch, soweit die Klage auf eine Zahlung des Beklagten gerichtet war, obwohl er keine geleistet hat. Maßgeblich ist insoweit allein, dass die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Ob er insoweit tatsächlich erledigt ist, ist unerheblich, da durch die korrespondierenden Erledigungserklärung die Rechtshängigkeit der Hauptsache entfallen ist (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010,    § 138, Rz 3 und 26, m.w.N.).

7

Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin zu 13 v.H. und im Übrigen dem Beklagten aufzuerlegen.

8

1. Gemäß § 39 Abs. 1 GKG sind im selben Verfahren im selben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammenzurechnen.

9

2. Betrifft der Antrag des Klägers wie im Streitfall u.a. eine bezifferte Geldleistung, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit wie dem vorliegenden insoweit deren Höhe maßgebend. Insoweit beläuft sich der Streitwert auf den eingeklagten Betrag von 7.418,97 €.

10

3. Hinsichtlich des Antrags auf Verpflichtung zur Rücknahme des Insolvenzantrags beläuft sich der Streitwert auf 50.000,- €.

11

a) Nur wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,- € anzunehmen, ansonsten ist gemäß § 52 Abs. 1 GKG der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zu bestimmen (Hartmann, GKG, 42. Aufl. 2012, § 52, Rz 17).

12

b) Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt, wird gemäß § 58 Abs. 2 GKG die Gebühr für das Verfahren über den Antrag nach dem Betrag seiner Forderung, wenn jedoch der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, nach diesem Wert erhoben. Diese Vorschrift findet auf das vorliegende Verfahren, in dem nicht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern über die Verpflichtung zur Rücknahme eines Insolvenzantrags zu entscheiden war, jedoch keine Anwendung.

13

c) Hinsichtlich der Verpflichtung zur Rücknahme des Insolvenzantrags ist der Streitwert nach dem klägerischen Interesse zu bestimmen.

14

aa) Maßgeblich ist allein das objektive sich aus dem klägerischen Antrag ergebende Interesse, nicht hingegen dasjenige des Beklagten (Hartmann, GKG, 42. Aufl. 2012, § 52,   Rz 8, m.w.N.).

15

bb) Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines etwaigen Obsiegens auf den Kläger sind zu berücksichtigen (vgl. Hartmann, GKG, 42. Aufl. 2012, § 52, Rz 8, m.w.N.).

16

1) Mit dem Begehren, die Finanzbehörde zur Rücknahme ihres Antrags zu verpflichten, will der Schuldner u.a. die Befriedigung der Gläubigerin gerade im Insolvenzverfahren verhindern (FG Düsseldorf Beschluss vom 05. Februar 2008 8 Ko 249/08 GK, EFG 2008, 642). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt nämlich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO einen entsprechenden Antrag eines Gläubigers (oder des Schuldners) (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO) voraus.

17

2) Im Streitfall reichte das Interesse der Klägerin jedoch weiter. Denn sie hätten bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen weitaus gravierendere Folgen als eine bloße (teilweise) Befriedigung ihrer Gläubiger getroffen:

18

(a) Im Falle einer Kapitalgesellschaft wie der Klägerin besteht die Besonderheit, dass das Insolvenzverfahren auf Vollbeendigung der juristischen Person ohne anschließende Abwicklung gerichtet ist. Eine solche Vollbeendigung zu vermeiden und die Existenz der Kapitalgesellschaft zu sichern, war das Ziel der Klage.

19

(aa) Die Aktiengesellschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG aufgelöst.

20

(bb) An diese Auflösung schließt keine Liquidation an. Denn gemäß § 264 Abs. 1 AktG findet im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer AG keine Abwicklung statt.

21

(cc) Dies gilt sogar im Falle der vollständigen Befriedigung der Gläubiger: Hat der Insolvenzverwalter bei der Schlussverteilung die Forderungen sämtlicher Insolvenzgläubiger in voller Höhe befriedigen können, so hat er gemäß § 199 Satz 2 InsO den verbleibenden Überschuss, falls der Schuldner wie im Streitfall die Klägerin keine natürliche Person ist, an die am Schuldner beteiligten Personen jeweils zu dem Teil herauszugeben, der ihnen bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde. Der Gesetzgeber schließt mithin eine Liquidation im Sinne einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens aus. Abweichend vom früheren Recht findet sie auch nicht nach Beendigung des Insolvenzverfahrens statt, wenn noch Vermögen vorhanden ist. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter die Liquidation der Gesellschaft zu Ende zu führen, wie sich aus § 199 Satz 2 InsO und § 141 a Abs. 1 Satz 2 FGG bzw. § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG ergibt (Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 60, Rz 24). Somit schließt sich an das Insolvenzverfahren auch im Fall positiven Reinvermögens kein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren an (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013,   § 60, Rz 62). Letzteres soll vermieden werden (Hintzen in Müchener Kommentar, InsO,  2. Aufl. 2008, § 199, Rz 2), wie auch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Nachtragsliquidation, die ausschließlich durch den Insolvenzverwalter zu erfolgen hat (§ 205 InsO), zeigt. Die Tätigkeit des Registergerichts ist auf die Dokumentierung der Auflösung beschränkt und es hat bei der Auflösung zu verbleiben, die durch die Rechtskraft der Entscheidung des Insolvenzgerichts eingetreten ist (vgl. OLG Köln Beschluss vom 22. Februar 2010 2 Wx 18/10, DB 2010, 839).

22

(dd) Hinweise auf insolvenzfreies Vermögen, das allerdings zur Folge hätte, dass sich an das Insolvenzverfahren ein gesellschaftrechtliches Liquidationsverfahren anschlösse    (vgl. Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 60, Rz 62), gibt es im Streitfall nicht.

23

(ee) Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG ist die Fortsetzung der Gesellschaft nur in den in § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG genannten Fällen eine Fortsetzung der Gesellschaft möglich. Es sind: Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans oder gemäß §§ 212, 213 InsO auf Antrag der Gesellschaft. Im Falle einer anderweitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens (Aufhebung gemäß § 200 InsO nach Durchführung der Schlussverteilung, Einstellung gemäß § 207 InsO mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse) sollen veränderte Umstände denkbar sein, unter denen eine sinnvolle wirtschaftliche Betätigung der Gesellschaft zu erwarten sei. Entscheidend soll sein, ob Insolvenzreife und Masselosigkeit der Gesellschaft beseitigt seien (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 60, Rz 47). Grundsätzlich könne jeder Auflösungsgrund durch Fortsetzung behoben werden. Neben einem Fortsetzungsbeschluss setzte das voraus, dass die Normativbedingungen wieder hergestellt seien, von denen das Gesetz den Bestand der GmbH abhängig mache. Der Auflösungsgrund müsse beseitigt sein (vgl. Karsten Schmidt / Bitter in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, vor § 64, Rz 135). Die Aktionäre sollen dann mit 3/4-Mehrheit einen Fortsetzungsbeschluss fassen können (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 60, Rz 47; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rz 35; Karsten Schmidt / Bitter in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, vor § 64 , Rz 137), was sich aus der (entsprechenden) Anwendung von § 274 Abs. 1 Satz 2 AktG ergebe (vgl. Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 60, Rz 29). Außerdem wären von den Gesellschaftern das erforderliche Stammkapital, eventuell auch nur das gesetzliche Mindestkapital erneut aufzubringen (vgl. die Nachweise bei Berner in Münchener Kommentar, GmbHG, § 60, Rz 272), zumindest jedoch die Unterkapitalisierung zu beseitigen (Karsten Schmidt / Bitter in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, vor § 64, Rz 136). – Auch dass sie diese Erfordernisse erfüllen müsste, wollte die Klägerin mit ihrem Antrag auf Verpflichtung zur Rücknahme des Insolvenzantrags vermeiden. – Im Übrigen ist vorgenannter Auffassung ohnehin nicht zu folgen: § 199 Satz 2 InsO zeigt, dass das Insolvenzverfahren zur Vollbeendigung der Kapitalgesellschaft führen soll. Dem Regelungszusammenhang des § 262 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AktG (vgl. auch § 60 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GmbHG) ist zu entnehmen, dass im Falle der Auflösung auf der Grundlage einer Entscheidung des Insolvenzgerichts eine Fortsetzung ausschließlich unter den in § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 GmbHG) aufgeführten engen Voraussetzungen möglich sein soll, in denen nämlich eine weitere Prüfung und Entscheidung durch das Insolvenzgericht – über die Verfahrenseinstellung oder die Planbestätigung – stattfindet (OLG Köln Beschluss vom 22. Februar 2010 2 Wx 18/10, DB 2010, 839). Nach engerer Auffassung handelt es sich bei den in § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG (rsp. § 60 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 GmbHG) vorgesehenen Fällen der Fortsetzung der Gesellschaft um eine Regelung mit Ausschließlichkeit (Wermeckes in Heidel, Aktienrecht, 3. Aufl. 2011, § 274 AktG, Rz 6; Riesenhuber in Karsten Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 274, Rz 2 und 3; vgl. auch Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 274, Rz 6), wofür spricht, dass der Wortlaut des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG im Zuge der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1994 gerade nicht erweitert wurde (Karsten Schmidt / Bitter in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, vor  § 64, Rz 134). Ebenso besteht kein Bedürfnis, eine Fortsetzung nach Schlussverteilung zuzulassen, wenn die Gesellschafter diesen „negativen“ Ausgang des Insolvenzverfahrens zugelassen haben, ohne Anträge nach §§ 212, 213 InsO zu stellen (vgl. Berner in Münchener Kommentar, GmbHG, § 60, Rz 273).

24

(b) Mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer AG mangels Masse abgelehnt worden ist, wird diese gemäß § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG aufgelöst (vgl. auch § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG). – Mit einem Antrag auf Verpflichtung des Gläubigers zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen wollte die Klägerin auch ihre Auflösung aus diesem Grunde und ihre anschließende Abwicklung (Liquidation) vermeiden.

25

cc) Der Ansicht, bei einer Anfechtungsklage gegen den Antrag der Finanzbehörde, das Insolvenzverfahren über das Vermögen ihres Schuldners zu eröffnen, sei der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung ungewiss sei, ob das Verfahren eröffnet werde und zu welchem Ergebnis es führe (Finanzgericht des Saarlands Beschluss vom 02. Juni 2004 1 K 437/02, nachgewiesen bei juris; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, 196. Lfg. November 2007, § 139, Rz 298a; Brandis in Tipke/Kruse, FGO, 123. Lfg. Mai 2010, vor § 135, Rz 214; vgl. auch Hellstab in Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG, 71. Lfg. Dezember 2008, § 52, Finanzgerichtliches Verfahren, Insolvenz), kann nicht erfolgt werden. Unerheblich ist hierbei, dass eine Anfechtungsklage nicht statthaft und für die Beurteilung des Antrags der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2013                  3 V 1340/12). Der Auffangstreitwert kann auch dann nicht angesetzt werden, wenn die Bezifferung des klägerischen Interesses zwar schwierig ist, es jedoch wie im Streitfall eindeutig den Auffangstreitwert übersteigt (vgl. Hartmann, GKG 42. Aufl. 2012, § 52, Rz 22).

26

(1) Das Interesse einer Kapitalgesellschaft an ihrem Fortbestand beläuft sich regelmäßig auf ein vielfaches des Auffangstreitwerts von lediglich 5.000,- €.

27

(2) Dies gilt auch dann, wenn die Mitglieder ihre Vertretungsorgans nach § 15a Abs. 1 InsO verpflichtet sind, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kapitalgesellschaft in deren Namen zu beantragen. Denn im Falle des Wegfalls der Eröffnungsgründe können Sie selbst den Antrag zurücknehmen und so die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verhindern. Ob die vorgenannte Verpflichtung bestand, kann im Streitfall ebenso wie ihre etwaige Erfüllung dahinstehen.

28

dd) Der Ansicht, der Streitwert belaufe sich regelmäßig auf die Hälfte der Abgabenrückstände (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, vor § 135, Rz 110), höchstens jedoch 500.000,- € (FG Düsseldorf Beschluss vom 05. Februar 2008 8 Ko 249/08 GK, EFG 2008, 642) kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

29

(1) Die Ansicht basiert auf der Übertragung einer Rechtsprechung zum Streitwert hinsichtlich der Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses.

30

(2) In einem Insolvenzverfahren werden die Forderungen der Gläubiger im Gegensatz zur Einzelvollstreckung nur in Ausnahmefällen hälftig oder gar in weiterem Umfang befriedigt.

31

(3) Das allein zu beachtende klägerische Interesse liegt in der Abwendung des Insolvenzverfahrens. Einen tatsächlichen Verlust von Aktivvermögen jedoch musste die Klägerin im Umfang der Befriedigung ihrer Gläubiger im Insolvenzverfahren fürchten. Maximal in diesem Umfang besaß sie ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens. Denn selbst im Erfolgsfall der Klage hätte sie eine Einzelvollstreckung nicht abwenden können.

32

(4) Mangels Anhaltspunkten für eine etwaige von gängigen im einstelligen Prozentbereich  liegenden abweichende Insolvenzquote kann angesichts der Summe der vom Beklagten genannten Forderungen kein außergewöhnlicher Sachverhalt festgestellt werden, der eine streitwertsteigernde Berücksichtigung einer kalkulatorischen Insolvenzquote erforderlich machen würde. Im Übrigen kann im Fall einer Vollstreckungsschutzklage nach § 258 AO der Streitwert auf lediglich 10 v.H. der Beträge bemessen werden, die Anlass der Vollstreckung waren (Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, vor § 135, Rz 110; BFH-Urteile vom 04. Oktober 1983 VII R 16/82, BStBl II 1984, 167, und vom 26. Juli 1983 VII R 166/82, nachgewiesen bei juris, BFH-Beschluss vom 02. Juni 1967 IV B 15/66 BStBl III 1967, 512).

33

ee) Die Bewertung des Interesses der Kapitalgesellschaft am Erhalt ihrer Existenz ist mit großen Schwierigkeiten bei der prognostischen Einschätzung verbunden. Denn die Fähigkeit, Gewinne zu erzielen oder auch nur das Vermögen zu erhalten, hängt von einer kaum zu überschauenden Vielzahl von Faktoren ab. Es ist daher ein pauschalierende Schätzung geboten. Der Streitwert ist mit 50.000,- € zu schätzen (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2009 VII R 39/07, BFH/NV 2010, 661, zum Widerruf der Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft, und vom 22. März 2011 VII R 49/09, BFH/NV 2011, 1164, zum Widerruf der Anerkennung eines Lohnsteuerhilfevereins). Die Rechtsschutz suchende Kapitalgesellschaft darf nicht durch ein nicht kalkulierbares Prozesskostenrisiko von einer Klage auf Verpflichtung der Finanzbehörde zur Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft abgehalten werden. Die Bemessung des Streitwerts muss für die Beteiligten möglichst weitgehend vorhersehbar sein und sollte von in der Regel erst durch aufwändige Ermittlungen feststellbaren Ermittlungen konkreter Verhältnisse unabhängig sein (BFH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 VII R 39/07, BFH/NV 2010, 661).

34

ff) Die bereits vor Klageeingang durch das Insolvenzgericht getroffenen Maßnahmen können im Rahmen der Schätzung aufgrund ihres vergleichsweise geringen Gewichts gegenüber dem Interesse der Klägerin an ihrem Fortbestand vernachlässigt werden.

35

(1) Die Bestellung des vorläufig schwachen Insolvenzverwalters war bereits vor Eingang der Klage beim Gericht sowohl vom Insolvenzgericht bekannt gemacht worden. Für gewöhnlich hat dies zur Folge, dass die Kreditgeber ihre Forderungen sofort fällig stellen. Eine Korrektur dieses Gläubigerverhaltens dürfte sich mit der Klage kaum haben erreichen lassen.

36

(2) Auch die Belastung durch das Erfordernis der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu Verfügungen war im Verhältnis zur drohenden Vollbeendigung der Klägerin geringfügig.

37

(3) Die Einstellung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen begünstigte die Klägerin zunächst einmal. Die Gefahr, dass die Bekanntmachung dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts Insolvenzanträge weiterer Gläubiger provozierte besaß einen zu vernachlässigendes Ausmaß.

38

4. Soweit die Klage auf Verurteilung zur Zahlung gerichtet war, hätte sie keinen Erfolg gehabt.

39

a) Zwar sieht § 101 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, dass das Gericht ausspricht, dass und wie die Finanzbehörde eine Vollziehung eines Verwaltungsakts rückgängig zu machen hat, Voraussetzung ist jedoch, dass die im selben Verfahren erhobene Anfechtungsklage gegen eben diesen Verwaltungsakt Erfolg hat (vgl. von Groll in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 53, Rz 53); an einer etwaige Umsatzsteuerbescheide betreffenden Klage fehlte es im Streitfall.

40

b) Eine Verurteilung zu einer Leistung nach § 100 Abs. 4 FGO kam schon deshalb nicht in Betracht, da sie die Aufhebung eines Verwaltungsakts – im Streitfall in Form eines Steuerbescheids – voraussetzt, die Klägerin eine solche jedoch nicht begehrte.


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tatbestand

1

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG), mit dem sein Antrag, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Insolvenzantrag zurückzunehmen, als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen wurde.

2

Das FG hielt zwar den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für den nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beurteilten vorläufigen Rechtsschutz für gegeben, es fehle jedoch am Rechtsschutzbedürfnis, da der gebotene Rechtsschutz gegen einen Insolvenzantrag des FA einfacher und sachnäher durch das Insolvenzgericht gewährt werden könne. Gründe für eine, im Falle der Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das FG, stets gegebene Doppelbefassung verschiedener Gerichte mit denselben Fragen sah das FG nicht, alle potentiellen im Zusammenhang mit einer Insolvenzantragstellung zu prüfenden Fragen, einschließlich derer, die in die Ermessensentscheidung des FA einzugehen hätten, seien auch durch das Insolvenzgericht zu prüfen und könnten von diesem ebenso gut geprüft werden.

3

Mangels eines Anordnungsanspruchs sei der Antrag außerdem unbegründet. Für den Insolvenzantrag fehle es nicht am Insolvenzgrund, da der Antragsteller seine Zahlungsunfähigkeit selbst vorgetragen habe. Der Antrag sei auch nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft: Bei Antragstellung sei ein Vollstreckungsaufschub nicht mehr wirksam gewesen, verrechenbare Guthaben, die zu einer vollständigen oder überwiegenden Tilgung der Rückstände hätten führen können, habe der Antragsteller weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht, für das FA sei das Vorhandensein einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse --angesichts möglicher Anfechtungsansprüche bezüglich Zahlungen des Antragstellers auf Schulden der Ehefrau-- nicht fernliegend gewesen und eine akute Lebensgefahr wegen der Stressbelastung infolge der Insolvenzantragstellung habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Auch sonstige Erwägungen des FA --Verzicht auf weitere Einzelzwangsvollstreckungen und die eidesstattliche Versicherung, Verhältnismäßigkeit der möglichen Auswirkung des Insolvenzantrags auf die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft vor dem Hintergrund der Rückstandshöhe und der Zeitdauer der Vollstreckungsversuche-- sah das FG als nachvollziehbar, jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft an. Auch sah es keine Anhaltspunkte, dass das FA mit dem Antrag auf den Antragsteller Druck habe ausüben wollen, Teilzahlungen zu leisten oder die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz beabsichtigt habe.

4

Der zugelassenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen.

5

Der Antragsteller macht geltend, der Beschluss des FG sei grob fehlerhaft, das Gericht sei ohne nachvollziehbaren Grund von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Eine in Aussicht gestellte weitergehende Beschwerdebegründung ist nicht eingegangen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das FA im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 114 Abs. 1 FGO zur Rücknahme des Insolvenzantrags zu verurteilen.

7

1. Allerdings ist entgegen der Auffassung des FG das Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des FG mit dem Ziel der Rücknahme des Insolvenzantrags seitens des FA jedenfalls solange gegeben, bis das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen oder den Eröffnungsantrag des FA mangels kostendeckender Masse rechtskräftig abgelehnt hat und mit dieser Entscheidung des Insolvenzgerichts der Insolvenzantrag des FA seine Erledigung gefunden hat, denn nach § 13 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) kann der Antrag danach nicht mehr zurückgenommen werden (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2010 VII B 166/09, BFH/NV 2010, 1122).

8

a) Wie auch vom FG nicht infrage gestellt, ist gegen den beim Amtsgericht gestellten Antrag des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen zu eröffnen, der Finanzrechtsweg gegeben (ständige Rechtsprechung, schon zur Konkursordnung, vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 1990 VII B 94/90, BFH/NV 1991, 787, m.w.N.).

9

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Rechtsschutzinteresse für eine finanzgerichtliche Entscheidung zu bejahen. Der Antrag ist zwar kein Verwaltungsakt, aber schlichtes hoheitliches Handeln der Vollstreckungsbehörde. Er erfordert eine fehlerfreie Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des konkreten Steuerschuldverhältnisses und zwar unabhängig von den Insolvenzvoraussetzungen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710). Zur Überprüfung dieser Ermessensentscheidung hält der BFH seit jeher das FG und nicht das Insolvenzgericht für zuständig (z.B. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270).

10

aa) Die vom FG im Anschluss an Stimmen in der Literatur vorgebrachten Argumente rechtfertigen nach Auffassung des beschließenden Senats nicht die Annahme, das allgemeine Rechtsschutzinteresse an der finanzgerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung des FA fehle.

11

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass der sich aus den Vorschriften der InsO ergebende Prüfauftrag an die Insolvenzgerichte faktisch deckungsgleich ist mit demjenigen der Ermessenskontrolle an die Finanzgerichte nach § 102 FGO i.V.m. den Vollstreckungsvorschriften der Abgabenordnung (AO).

12

Nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften (§§ 13, 14 InsO) ist das FA hinsichtlich der Anforderungen an einen Insolvenzantrag den übrigen Gläubigern gleichgestellt. Die vom Insolvenzgericht zu prüfenden Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes, das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und --als grundrechtliche Schranke-- die Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

13

Die Entscheidung des FA, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, unterliegt als hoheitliches Handeln einer Vollstreckungsbehörde darüber hinaus aber den besonderen Anforderungen an eine fehlerfreie Ermessensausübung (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2005 VII B 180/04, BFH/NV 2005, 1002). Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen gehören zwar zweifellos auch jene, an denen das rechtliche Interesse des privatrechtlichen Gläubigers an der Insolvenzeröffnung nach §§ 13, 14 InsO und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen ist. Darüber hinaus aber hat das FA die sich aus dem jeweiligen konkreten Steuerrechtsverhältnis ergebenden Besonderheiten umfassend zu würdigen. Eine Deckungsgleichheit der zu prüfenden Aspekte mag es danach bei entsprechender Fallgestaltung geben, nicht aber dem Grunde nach. Daraus resultiert das Rechtsschutzinteresse an einer finanzgerichtlichen Prüfung eines vom FA gestellten Insolvenzantrags. Es gilt sicherzustellen, dass das FA alle entscheidungserheblichen Umstände gesehen und ermessensgerecht gewürdigt hat.

14

Als praktische Beispiele seien genannt: die Prognose über eine für den Vollstreckungsschuldner günstige Änderung eines Grundlagenbescheids; die Erfolgsaussicht eines noch offenen Erlass- oder Stundungsantrags; die Aussicht, dass die Abgabenschuld von einem weiteren Gesamtschuldner beglichen wird; die Bewertung der bisherigen Mitwirkung des Vollstreckungsschuldners, der Höhe des Rückstandes und der Aussicht auf dessen --ggf. ratenweise-- Tilgung; die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen eines Insolvenzantrags, z.B. bei einer bestehenden Organschaft.

15

bb) Ob das FA im konkreten Fall Anlass hatte, Gesichtspunkte dieser Art in seine Entscheidung, einen Insolvenzantrag zu stellen, einzubeziehen, ist keine Frage des allgemeinen Rechtsschutzinteresses, entscheidend für die Zulässigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsbehelfs ist allein die Möglichkeit der fehlerhaften Ermessensausübung durch das FA.

16

2. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Ermangelung eines Anordnungsanspruchs unbegründet ist. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch (§ 114 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung) nicht glaubhaft gemacht.

17

Dazu hätte dargelegt werden müssen, dass der in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde gestellten Vollstreckungsmaßnahme --Insolvenzantrag-- (vgl. § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 AO) ein Ermessensfehler (§ 102 FGO) anhaftet, sei es, dass für den Antrag die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder dass der Antrag aus sachfremden Erwägungen oder unter missbräuchlicher Ausnutzung einer Rechtsstellung gestellt wurde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 787). Ein solcher Ermessensfehler kann bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung im Streitfall nicht festgestellt werden.

18

Das FG hat die maßgeblichen Gesichtspunkte für die vom FA getroffene Entscheidung, den Insolvenzantrag zu stellen, im Einzelnen erörtert und ist unter zutreffender Heranziehung der insoweit ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Insolvenzantrag des FA berechtigt war. Der Antragsteller hat weder Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen noch gegen die rechtliche Würdigung des FG erhoben. Der Senat sieht deshalb keine Veranlassung für eine über die umfangreichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlich überzeugenden Ausführungen des FG hinausgehende Begründung der Entscheidung.