Bridge ist kein Sport

bei uns veröffentlicht am26.10.2017

Autoren

Rechtsanwalt

Lennart Droste, LL.M.

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Zusammenfassung des Autors
Das Kartenspiel "Duplicate-Bridge" ist kein Sport im Sinne der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie

Das Kartenspiel „Duplicate-Bridge“ ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil v. 26.10.2017, Az: C-90/16) kein Sport im Sinne der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie (RL 2006/112/EG, ABl. 2006, L 347, 1). Aus diesem Grunde könnten entgeltliche Leistungen in diesem Kontext, bspw. Teilnahmegebühren für die Teilnahme an den Tischspielen, nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Zwar sei der Begriff „Sport“ in der Mehrwertsteuerrichtlinie selbst nicht definiert, er müsse in diesem Rahmen jedoch entsprechend seinem Sinn nach entsprechend dem gewöhnlichen Sprachgebraucht bestimmt werden. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang der Begriff verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden würden. Im Kontext der Mehrwertsteuerrichtlinie sei der Begriff „Sport“ eng auszulegen und auf die Tätigkeiten beschränkt, die dem gewöhnlichen Sinn des Begriffs „Sport“ entsprächen und die sich durch eine nicht unbedeutende körperliche Komponente auszeichneten.

Zwar setze „Duplicate-Bridge“ Logik, Gedächtnisvermögen und strategisches Denken voraus und könne der geistigen und körperlichen Gesundheit förderlich sein. Dies sei für sich allein genommen jedoch kein ausreichender Anhaltspunkt für die Schlussfolgerung, dass diese Tätigkeit unter den Begriff „Sport“ der Richtlinie falle, da sie nur eine unbedeutend erscheinende körperliche Komponente beinhalte.

Nicht ausgeschlossen hat der EuGH allerdings, dass das Kartenspiel „Duplicate-Bridge“ unter den Begriff „kulturelle Dienstleistungen“ im Sinne des Art. 132 Abs. 1 lit. n) der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen könne. Voraussetzung sei, dass diese Tätigkeit unter Berücksichtigung ihrer Ausübung, ihrer Geschichte und der Traditionen, zu denen sie gehöre, im sozialen und kulturellen Erbe eines Landes einen solchen Platz einnehme, dass sie als Teil seiner Kultur angesehen werden könne.

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Referenzen

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 monatlich weitere EUR 37,29 zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die 1949 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Sie bewohnt eine Wohnung in C., für die seit Januar 2010 eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von EUR 356,93 zu zahlen ist. Diese setzt sich aus einer Grundmiete in Höhe von EUR 226,51, der Vorauszahlung für kalte Betriebskosten in Höhe von EUR 61,78 und Heizkostenvorauszahlungen (inklusive Warmwasserbereitungskosten) in Höhe von EUR 68,64 zusammen. Mit Bewilligungsbescheid vom 16. Mai 2011 wies der Beklagte die Klägerin auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hin.

3

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 24. Oktober 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 in Höhe von monatlich EUR 683,64. Dabei berücksichtigte er Bedarfe für die Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von EUR 319,64. Hiergegen erhob die Klägerin durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21. November 2011 Widerspruch. Mit Bescheid vom 26. November 2011 änderte der Beklagte die Leistungsgewährung für den Zeitraum Januar bis Mai 2012 ab und berücksichtigte dabei die Erhöhung des Regelbedarfes. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Unterkunftskosten der Klägerin seien unangemessen.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 21. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie begehrt die Berücksichtigung der vollständigen Unterkunftskosten. Der Angemessenheitsrichtlinie liege kein schlüssiges Konzept zugrunde. Darüber hinaus unterlasse der Beklagte eine Einzelfallbeurteilung und berücksichtige die Erkrankung der Klägerin nicht.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 monatlich weitere 37,29 EUR für Bedarfe der Unterkunft zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er selbst könne zum Zustandekommen der Verwaltungsvorschrift keine Auskunft erteilen und verweist insoweit auf die Stellungnahme des Landkreises sowie auf das beauftragte Unternehmen. Der Landkreis führt in seiner übersandten Stellungnahme aus, Konzepte des beauftragten Unternehmens seien wiederholt von Sozialgerichten bestätigt worden. Darüber hinaus stünden die erhobenen Daten in den Räumen des Landkreises zur Verfügung. Schließlich sei kein "normaler" Fall bekannt, in dem der Leistungsberechtigte nach ausreichender Suche nicht angemessenen Wohnraum gefunden hätte.

10

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

A. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

12

I. Die Klägerin ist erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie erhält damit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II, welches nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst.

13

II. Für die Klägerin ergibt sich im Dezember 2011 ein Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von EUR 364,00, für die Monate Januar bis Mai 2012 in Höhe von monatlich EUR 374,00 (Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2012, Bundesgesetzblatt I 2011, Seite 2093).

14

III. Hierzu ist der Bedarf für Unterkunft und Heizung zu addieren. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

15

1. Die tatsächlichen Kosten der Klägerin belaufen sich auf monatlich insgesamt EUR 356,93. Diese setzen sich aus einer Grundmiete in Höhe von EUR 226,51, Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten in Höhe von EUR 61,78 sowie Heizkostenvorauszahlungen (inklusive Warmwasserbereitungskosten) in Höhe von EUR 68,64 zusammen.

16

2. Diese Kosten sind auch in voller Höhe zu berücksichtigen, da sie nicht unangemessen sind.

17

a) Eine Begrenzung der Bruttokaltmiete auf einen Betrag von EUR 251,00, der sich aus den "Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" ergibt, kommt vorliegend nicht in Betracht.

18

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R; Bundessozialgericht, Urteile vom 20. August 2009, B 14 AS 41/08 R sowie B 14 AS 65/08 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R) muss der Bestimmung der Angemessenheitswerte ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen, welches dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorzulegen ist. Schon dies ist, ohne dass es letztlich entscheidungserheblich wäre, hier zweifelhaft, da weder die erhobenen Daten noch die Mietwerterhebungen in diesem Verfahren vom Beklagten vorgelegt wurden. Ein Konzept liegt nach dieser Rechtsprechung vor, wenn der Ersteller planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R).

19

Bedenken der Kammer bestehen hier bereits gegen den methodischen Ansatz der Clusterbildung. In den Ausarbeitungen über die Mietwerterhebungen ist dazu ausgeführt, die "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps müss[t]en dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen, sondern könn[t]en sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen." Dies widerspricht nach Auffassung der Kammer der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bestimmung des Vergleichsraums. Danach muss der Vergleichsraum aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 132/10 R, Rn. 25; Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 18). Zweifelhaft ist insoweit, ob eine derartige "räumliche Nähe" auch bei einer Verteilung im Landkreis Wittenberg in Betracht käme. Weiterhin konnte auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen, wie sich aus den gewählten Indikatoren ableiten lässt, es handele sich um einen homogenen Lebens- und Wohnbereich, zumal die Kriterien der Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit vollständig unberücksichtigt gelassen wurden.

20

Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob das Gericht die Mietwerterhebungen einer Entscheidung überhaupt zugrunde legen kann. Zwar hat der Beklagte zwischenzeitlich den Bedenken der Kammer (Beschluss vom 7. März 2012, S 11 AS 2428/11 ER) dahingehend Rechnung getragen, dass ein Arbeitsplatz eingerichtet wurde, an dem Interessierte die Daten einsehen können, freilich ohne diese aus dem Raum mitzunehmen. Ob dies den Anforderungen des § 128 Abs. 2 SGG entspricht, kann letztlich dahinstehen. Die Kammer hat diesbezüglich aber Bedenken. Denn es ist den Klägern wegen der Komplexität des Sachverhalts nicht möglich, die gesammelten Daten einer intensiven Prüfung zu unterziehen (ähnlich zum Recht auf Akteneinsicht Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage 2012, § 120 Rn. 4 a).

21

Weiterhin erschließt sich der Kammer nicht unmittelbar, warum sämtliche Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 35 m² von den Erhebungen ausgeschlossen wurden, zumal der Quadratmeterpreis bei diesen höher als bei größeren Wohnungen sein dürfte. Auch wenn ein Leistungsberechtigter unter Umständen nicht gezwungen werden kann, in eine Wohnung dieses Zuschnitts zu ziehen, so verfälscht das Herauslassen der – auf den Quadratmeterpreis bezogen – tendenziell teureren Wohnungen aus den Erhebungen den berechneten Angemessenheitswert nach unten.

22

Jedenfalls ist nach Auffassung der Kammer der Umfang der erhobenen Daten nicht dazu geeignet, die Mietverhältnisse im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Nach den Ausführungen in den Mietwerterhebungen gibt es im Landkreis Wittenberg einen Bestand von 72.219 Wohnungen. Letztlich ausgewertet wurden im gesamten Landkreis 4.632 Wohnungen. Dies ist jedoch keine ausreichende Datenbasis, um die Verhältnisse des Wohnungsmarktes ausreichend sicher wiederzugeben. Das Bundessozialgericht verlangt hierfür vielmehr, dass die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16).

23

Schließlich ist die reine Erhebung von Bestandsmieten nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, den Markt für Neuvermietungen zutreffend abzubilden. Für Satzungen sieht § 22 c Abs. 1 Satz 3 SGB II auch die Berücksichtigung von Neuvertragsmieten vor. Dieser Markt für Neuvermietungen ist hinsichtlich der Frage der Kostensenkungsmöglichkeiten der Maßgebende. Nach den im Auftrag des Beklagten erhobenen Daten war es schon zum Zeitpunkt der Erhebungen nicht möglich, im Bereich des Wohnungsmarkttyps 2, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, ausreichend viele Wohnungen zu den berechneten Werten anzumieten. Im Erhebungszeitraum von neun Monaten wurden in diesem Bereich elf Wohnungen mit einer Wohnfläche bis 50 m² angeboten, von denen lediglich 9 %, in absoluten Zahlen also eine, den neu berechneten Angemessenheitswerten entsprach. Daraus lässt sich erkennen, dass schon zum Erhebungszeitpunkt strukturell nicht ausreichend Wohnraum zu den festgelegten Preisen verfügbar war und damit der Markt für Neuvermietungen nicht zutreffend abgebildet wurde. Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung der Kammer auch schon bei der Bestimmung des abstrakt als angemessen anzusehenden Wertes zu berücksichtigen, nicht erst bei der Frage der konkreten Angemessenheit. Denn zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang (noch) nicht die Frage, ob aktuell Wohnungen zum jetzigen Zeitpunkt verfügbar sind, sondern die Verfügbarkeit zum Zeitpunkt der Datenerhebung. Denn nur hierdurch ließe sich nachweisen, dass der Wohnungsmarkt zutreffend abgebildet würde.

24

Dies kann auch nicht mit den Ausführungen in den Mietwerterhebungen gerechtfertigt werden, dass 40 % der Wohnungen "direkt vermarktet" würden. Auch wenn das beauftragte Unternehmen den Schluss zieht, dass die ausgewerteten Angebote teurer sind als die anmietbaren Wohnungen, so ist doch zu berücksichtigen, dass der "direkt vermarktete" Wohnraum für die Leistungsberechtigten nicht verfügbar ist. Soweit es sich hier um Interessentenlisten handeln sollte, die nach Priorität abgearbeitet werden, ergibt sich dies schon daraus, dass ein Leistungsempfänger, der zur Senkung seiner Kosten aufgefordert wird, allenfalls eine niedrige Priorität bei den Vermietern genießen wird, da er am Ende der Interessentenlisten aufgenommen werden dürfte. Darüber hinaus erschließt sich der Kammer nicht, warum es dem Beklagten nicht möglich gewesen sein soll, diese "direkt vermarkteten" Wohnungen und deren Preise zu ermitteln, die Leistungsempfänger hingegen in der Lage sein sollen, entsprechenden Wohnraum zu finden.

25

b) Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg ebenfalls nicht verfügbar. In einem derartigen Fall, in dem selbst der Grundsicherungsträger nicht in der Lage oder bereit ist, die Angemessenheitsrichtlinie trotz Bedenken des Gerichts nachvollziehbar zu machen oder nachzubessern, ist es nach Auffassung der Kammer nicht Aufgabe der Sozialgerichte, für die streitgegenständlichen Zeiträume Angemessenheitsrichtlinien aufzustellen. Die Amtsermittlungspflicht der Gerichte (§ 103 Satz 1 1. Halbsatz SGG) findet insoweit ihre Grenze in den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG); soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 26). Das Gericht sah sich auch nicht in der Lage, aus den erhobenen Daten eigene Angemessenheitswerte zu bestimmen. Denn die Datengrundlage ist nicht ausreichend für die Bestimmung einer abstrakten Mietobergrenze, wie bereits ausgeführt wurde.

26

Dennoch sind Unterkunftskosten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht unbeschränkt, sondern nur bis zur Höhe der Angemessenheit zu übernehmen. Denn durch die steuerfinanzierten Grundsicherungsleistungen sollen nicht extrem hohe und damit "per se" unangemessene Unterkunftskosten getragen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2010, L 13 AS 4212/08, Rn. 33, zitiert nach Juris). Als einzige bereite Größe ist auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen. Diese Variante stellt auch das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen als Grenze für die zu übernehmenden Kosten dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rn. 21). Den Ausführungen des Bundessozialgerichts lässt sich nach Auffassung der Kammer dabei entnehmen, dass dieser Betrag die Kosten der Unterkunft nach oben begrenzen soll, Kosten, die hierüber liegen, mithin nicht zu übernehmen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27: "Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG.").

27

Der Wohnort des Antragstellers gehört zur Mietstufe 1. Aus der Tabelle zu § 12 WoGG ergibt sich damit ein Höchstwert für die Grundmiete und kalte Betriebskosten in Höhe von monatlich EUR 292,00. Diese Angemessenheitsgrenze übersteigen die Kosten der Klägerin nicht.

28

Für die Unangemessenheit der Heizkosten ist nichts ersichtlich, so dass auch diese – wie geschehen – in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

29

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

30

C. Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG vorliegt. Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt.


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

10

2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

12

b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

13

c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

14

d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

15

3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

16

a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

18

c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

19

d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. Oktober 2013 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2012 verurteilt, den Klägerinnen jeweils pro Monat für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. September 2011 Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat den Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten nur noch um Ansprüche der Klägerinnen auf Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

2

Die am 1998 geborene Klägerin zu 1 und die am 22.7.2002 geborene Klägerin zu 2 sind die Kinder der am 1974 geborenen H. und des am 1969 geborenen A., beide wohnhaft in Bocholt. Die Eltern der Klägerinnen stehen im Bezug von Arbeitslosengeld II bei der beklagten Stadt Bocholt, die im eigenen Namen anstelle des als Optionskommune zugelassenen Kreises Borken diese Aufgabe wahrnimmt. Die Mutter der Klägerinnen ist tunesische Staatsangehörige, der Vater ist - wie die Klägerinnen selbst - deutscher Staatsangehöriger. Die Klägerinnen besuchen eine Schule in Tunesien und wohnen dort bei ihren Großeltern, während der tunesischen Sommerferien halten sie sich bei ihren Eltern auf, so auch im Jahr 2011 vom 1.7. bis zum 30.9.2011. Ihre Anträge auf Bewilligung von Sozialgeld für diese Zeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6.7.2011 ab. Die Widersprüche der Klägerinnen wies das Jobcenter des Kreises Borken mit Widerspruchsbescheid vom 11.6.2012 zurück, weil die Klägerinnen entgegen § 30 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten. Aufgrund des Schulbesuchs in Tunesien liege ihr Lebensmittelpunkt und damit ihr gewöhnlicher Aufenthalt in Tunesien.

3

Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 14.10.2013), weil für die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland erforderlich sei, der fehle. Diese Voraussetzung ergebe sich aus einem Zusammenspiel der Vorschriften des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 30 Abs 1 SGB I. Eine davon abweichende anderweitige Regelung, wie sie in § 37 SGB I vorgesehen sei, gebe es nicht. Der Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Grundgesetz ) gebiete es nicht, jede die Familie treffende Belastung auszugleichen und eröffne dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der nicht überschritten sei.

4

Mit ihren vom SG zugelassenen Sprungrevisionen rügen die Klägerinnen eine Verletzung der §§ 30, 37 SGB I und des § 7 SGB II sowie von Art 6 GG, weil der Bezug von Sozialgeld keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland voraussetze. Ihre ursprünglich ebenfalls erhobenen Ansprüche auf Schulbedarf haben die Klägerinnen im Revisionsverfahren zuletzt nicht weiterverfolgt.

5

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. Oktober 2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2012 zu verurteilen, ihnen jeweils pro Monat Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro vom 1. Juli bis zum 30. September 2011 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind im aufrechterhaltenen Umfang begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz), da ihnen die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld in Höhe ihres Regelbedarfs für die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland vom 1.7. bis zum 30.9.2011 zustehen.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch diese Ansprüche der Klägerinnen auf Sozialgeld, die die Beklagte mit Bescheid vom 6.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.6.2012 abgelehnt hat. Die Geltendmachung nur des Regelbedarfs und nicht auch von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist nach dem 31.12.2010 weiterhin ein abtrennbarer prozessualer Anspruch, soweit er - wie vorliegend - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung des angegriffenen Bescheids ist (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff mwN). Die Klägerinnen haben ihre Ansprüche zutreffend mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG)geltend gemacht.

9

2. Die beklagte Stadt ist die richtige Beklagte, auch wenn sie nicht Träger der geltend gemachten Leistungen ist, sondern der Kreis Borken, dem sie angehört, weil ihr die Aufgaben des Trägers zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen sind (Wahrnehmungszuständigkeit) und sie daher im Außenverhältnis verpflichtet ist (vgl BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 13/11 R - BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5, RdNr 10; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 56/06 R - juris RdNr 15; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 99 RdNr 18/21). Der Kreis Borken ist gemäß § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung (idF vom 1.12.2010, BGBl I 1758) iVm § 6a Abs 2 SGB II als Optionskommune zugelassen. Seine alleinige Trägerschaft für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht dadurch auf die Beklagte übergegangen, dass ihr der Kreis Borken gemäß § 6 Abs 2 SGB II iVm § 5 Abs 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (vom 16.12.2004, GVBl NRW 821) iVm § 1 Abs 1 der Satzung des Kreises Borken über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Kreis Borken vom 20.1.2005 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.11.2006 die Durchführung der ihm als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende obliegenden Aufgaben nach dem SGB II zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen hat (vgl zur Parallelvorschrift des § 99 Abs 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 11 f). Die Vorschrift des § 6 Abs 2 SGB II ermöglicht eine Heranziehung der kreisangehörigen Städte zur Aufgabenwahrnehmung und ist damit eine Rechtsgrundlage für die Übertragung der Wahrnehmungszuständigkeit, nicht aber der weiteren Übertragung der Trägerschaft für die Leistungen.

10

3. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere war der Kreis Borken, der den Widerspruchsbescheid erlassen hat, nicht notwendig beizuladen. Er ist nicht Dritter im Sinne des § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, da er die ihm obliegenden Aufgaben durch die Beklagte wahrnimmt (vgl BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 13/11 R - BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5, RdNr 11). Auch ein Fall der unechten notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Alt 2 SGG liegt nicht vor, da - wie bereits ausgeführt - Träger der Leistungen der Kreis Borken ist und allenfalls streitig sein könnte, ob der Träger selbst oder die Beklagte verpflichtet ist. Darauf kommt es jedoch mangels Rüge nicht an (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 13; BSG Urteil vom 16.11.1978 - 3 RK 79/77 - SozR 1500 § 75 Nr 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13b mwN aus der Rspr des BSG).

11

4. Örtlich zuständig für die von den Klägerinnen geltend gemachten Leistungen für die Zeit ihres Aufenthalts bei ihren Eltern ist infolge deren gewöhnlichen Aufenthalts in Bocholt die beklagte Stadt Bocholt (§ 36 Satz 1 SGB II; vgl im Übrigen § 36 Satz 3 SGB II für Leistungen an Minderjährige während der Zeit der Ausübung des Umgangsrechts).

12

5. Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld sind § 19 Abs 1 Satz 2 und § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 4 SGB II. Danach erhalten nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben.

13

Diese Voraussetzungen wurden von den Klägerinnen in der strittigen Zeit erfüllt. Sie hatten keine Ansprüche auf die im Vierten Kapitel des SGB XII geregelten Leistungen im Alter und bei Erwerbsminderung, bildeten mit ihren Eltern eine temporäre Bedarfsgemeinschaft (dazu a) und waren nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte (dazu b).

14

a) Die Klägerinnen bildeten mit ihren erwerbsfähigen, leistungsberechtigten Eltern, die nach § 7 Abs 3 Nr 1, 3 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft waren, eine temporäre Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Gehören die Kinder nur zeitweise diesem Haushalt an, liegt eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft vor (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 35; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).

15

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG und der übereinstimmenden Klarstellung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gehörten die minderjährigen, unverheirateten Klägerinnen, die sonst bei ihren Großeltern lebten, im strittigen Zeitraum dem Haushalt ihrer Eltern an und verfügten über kein Einkommen und Vermögen.

16

b) Die Klägerinnen waren nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte. Eine ausdrückliche Definition des Begriffs "nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte" enthält das SGB II nicht. Eine eigenständige, über die fehlende Erwerbsfähigkeit hinausgehende Anspruchsvoraussetzung ist der Formulierung des § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht zu entnehmen. § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II enthält nur eine Legaldefinition des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, während § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II den Begriff "Leistungsberechtigter" nicht enthält, sondern nur von "Personen" spricht, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Daran, dass die Klägerinnen nicht erwerbsfähig waren, besteht aufgrund ihres Alters von zwölf und neun Jahren kein Zweifel (vgl §§ 2, 5 Jugendarbeitsschutzgesetz).

17

aa) Diese Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte sind nicht um die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu erweitern. Die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II steht im Einklang mit § 19 Abs 1 Satz 1 SGB II und enthält die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II durch erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Die Regelung des § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II steht im Einklang mit § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II und normiert die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialgeld durch nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte. Beide Regelungen stehen nebeneinander und auch die einleitende Formulierung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II "Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen …" wird durch eine entsprechende Formulierung in § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II ergänzt, wonach "Leistungen … auch Personen (erhalten), die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben".

18

Dieses Nebeneinander für sich stehender Anspruchsgrundlagen schließt es aus, § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II als Ergänzung zu den Voraussetzungen der § 19 Abs 1 Satz 2 und § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II zu verstehen, zumal die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II genannten Voraussetzungen auf nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte entweder nicht passen oder bereits in den in § 19 Abs 1 Satz 2 oder § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II genannten Merkmalen enthalten sind. Von den in der Legaldefinition der "erwerbsfähigen Leistungsberechtigten" in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II enthaltenen Tatbestandsmerkmalen passt der in Nr 1 geregelte "Altersrahmen" nicht zu den Voraussetzungen des Sozialgeldbezugs. Die Erwerbsfähigkeit der Nr 2 stellt das Abgrenzungsmerkmal zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten sowie dem Zugang zu Arbeitslosengeld II oder zu Sozialgeld (§ 19 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II) dar. Die in der Nr 3 genannte Hilfebedürftigkeit enthält für Kinder keine weitere Anspruchsvoraussetzung, da bei fehlender Hilfebedürftigkeit bereits keine Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft vorliegt (§ 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Es könnte daher aus dem Katalog des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ausschließlich die Nr 4 - der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland - als Voraussetzung des Sozialgeldbezugs für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte herangezogen werden. Der hierin geregelte räumliche Anknüpfungspunkt ist jedoch bereits in dem - oben bejahten - Erfordernis der Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten enthalten, sodass nicht zu erkennen ist, wozu es einer weiteren Voraussetzung für die Begründung eines räumlichen Anknüpfungspunkts bedarf.

19

bb) Dem steht die Regelung des § 30 Abs 1 SGB I nicht entgegen, nach der die Vorschriften dieses Gesetzbuchs für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

20

Die Norm regelt den Anknüpfungspunkt für den persönlichen Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Sie beruht auf dem völkerrechtlich hergeleiteten Territorialitätsprinzip, welches es Staaten verbietet, Hoheitsgewalt außerhalb des eigenen Staatsgebietes auszuüben, bzw gebietet, Hoheitsakte nur auf dem eigenen Staatsgebiet zu erlassen. Die Vorschrift verbietet es indes nicht, Rechtsfolgen insbesondere auf dem Gebiet des Leistungsrechts auch mit Auslandsbezug zu regeln oder an diesen anzuknüpfen (Hauck/Noftz, SGB I, Stand 7/2014, K § 30 RdNr 1 ff; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 30 RdNr 5 ff; Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 30 RdNr 16 ff). Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt steht dabei im Sinne einer Rahmenregelung unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 30 Abs 2 und § 37 SGB I). Eine solche abweichende Regelung muss nicht ausdrücklich normiert sein, sondern kann sich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften eines Sozialleistungsbereiches oder ihrem Sinn und Zweck ergeben (vgl schon die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 7/868 S 29; Didong in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 37 RdNr 9; Fastabend in Hauck/Noftz, SGB I, Stand 7/2014, K § 37 RdNr 9 mwN).

21

Eine solche abweichende Regelung ergibt sich für das SGB II aus der aufgezeigten Auslegung von § 19 Abs 1 Satz 2, § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II im Verhältnis zu § 19 Abs 1 Satz 1, § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II bei nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Fällen der vorliegenden Art. Diese Vorschriften knüpfen an die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten an, der seinerseits seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben muss(§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II), sodass sich der räumliche und persönliche Anwendungsbereich für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte über das Erfordernis der Bedarfsgemeinschaft aus dem SGB II ergibt und die allgemeine Regelung in § 30 Abs 1 SGB I insoweit verdrängt wird.

22

cc) Gestützt wird diese Auslegung durch systematische Gründe, weil den Büchern des Sozialgesetzbuches insgesamt nicht zu entnehmen ist, dass Leistungen grundsätzlich von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland abhängig sein sollen.

23

Innerhalb des SGB II ist § 36 Satz 4 SGB II zu entnehmen, dass auch erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort an dem Ort ihres tatsächlichen Aufenthalts Leistungen zu erbringen sind (vgl die Gesetzesbegründung BT-Drucks 16/1410 S 27). § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII verlangt für die Leistung von Sozialhilfe an Ausländer in Deutschland lediglich deren tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland. Soweit die Beklagte § 24 SGB XII(Sozialhilfe für Deutsche im Ausland) anführt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Regelung der obigen Auslegung nicht entgegensteht, sondern für sie spricht, weil aus § 24 SGB XII kein Leistungsausschluss während eines Besuches eines Deutschen im Inland ableitbar ist. Denn die Vorschrift ist nur bei einem Aufenthalt im Ausland anwendbar, wie sich bereits aus dem Wortlaut ihres Absatzes 1 Satz 2 und der Anknüpfung an die Verhältnisse im Ausland in den Absätzen 2 und 3 ergibt. Die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) werden jungen Menschen und ihren Personensorgeberechtigten gewährt, die (nur) ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 6 Abs 1 Satz 1 SGB VIII).

24

dd) Diese Auslegung stimmt mit Verfassungsrecht und in deutsches Recht überführtem Völkerrecht überein. Nach diesem ist das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung der elterlichen Pflege und Erziehung (Art 2 Abs 1 iVm Art 6 Abs 2 Satz 1 GG) zu beachten (vgl BVerfG Urteil vom 19.2.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 31 BvR 3247/09 - BVerfGE 133, 59 RdNr 41 ff mwN), dem durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen (der Vereinten Nationen) über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 (Gesetz vom 17.2.1992, BGBl II 121) die Rechte und Wertungen dieses Übereinkommens an die Seite treten. Die fehlende Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG), die verfassungsrechtlich nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland abhängig ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), von Kindern während ihres Aufenthalts bei ihren Eltern in Deutschland bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt wäre mit diesen Wertentscheidungen und der eingegangenen internationalen Verpflichtung nicht vereinbar.

25

6. Die auf den Regelbedarf nach § 23 Nr 1 SGB II beschränkte Höhe des Sozialgeldes der Klägerinnen folgt aus ihrem Antrag, der zu Recht vom Fehlen der weiteren in § 19 Abs 1 Satz 3 SGB II genannten Bedarfe ausgeht.

26

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerinnen mit ihrem Antrag auf Sozialgeld durchgedrungen sind, nicht hingegen mit dem zunächst noch verfolgten Antrag auf Schulbedarf.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. September 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der an die Kläger in den Zeiträumen vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 und vom 1.6.2007 bis 30.11.2007 zu erbringenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf weitere Kosten der Unterkunft und Heizung.

2

Der 1961 geborene Kläger zu 1 und seine beiden Kinder, der 1994 geborene Kläger zu 2 und die 1996 geborene Klägerin zu 3, bewohnen ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 109 qm, das im Eigentum des Klägers zu 1 und seiner geschiedenen Ehefrau - der Mutter der Kläger zu 2 und 3 - steht. Für die Finanzierung des Hausbaues sowie für den Erwerb des Grundstücks hatten der Kläger zu 1 und seine geschiedene Ehefrau 1998 Kredite bei der H Sparkasse sowie der H Wohnbaukreditanstalt aufgenommen. Diese bedient der Kläger zu 1 nach der Scheidung der Ehe im Jahr 2004 allein. Er ist als Grafiker selbstständig tätig, im Zeitraum vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 erzielte er keine Einnahmen aus dieser Tätigkeit. Die Kläger zu 2 und 3 erhalten Unterhaltsleistungen von ihrer Mutter; der Kläger zu 1 erhält das für sie gezahlte Kindergeld.

3

Mit Bescheid vom 20.6.2006 bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 920,92 Euro monatlich und legte dabei als berücksichtigungsfähige Kosten der Unterkunft Schuldzinsen in Höhe von 563,82 Euro, Heizkosten in Höhe von 62,50 Euro, Betriebskosten in Höhe von 121,49 Euro und Wassergeld in Höhe von 47 Euro monatlich (insgesamt 794,81 Euro) zugrunde, nicht aber die Aufwendungen zur Tilgung der Kredite. Nach Berücksichtigung von Einkommen in Höhe von 408 Euro monatlich (Unterhalt der Kinder und Kindergeld) bewilligte er Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 386,81 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 27.11.2006 berechnete er die Leistungen für Oktober und November 2006 neu und legte dabei Kosten der Unterkunft in Höhe von 811,01 Euro monatlich zugrunde (563,82 Euro zuzüglich 173,85 Euro Nebenkosten und 73,34 Euro Heizung). Widerspruch und Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg (Az: S 25 AS 159/07), mit der die Kläger weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 798,66 Euro (für den gesamten Bewilligungsabschnitt) geltend gemacht hatten, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.12.2006 und Urteil des SG vom 16.10.2008).

4

Mit Bescheid vom 21.5.2007 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 (886,78 Euro für Juni 2007 und 886,42 Euro monatlich für die Zeit vom 1.7.2007 bis 30.11.2007). Für die Kosten der Unterkunft legte er Schuldzinsen in Höhe von 563,82 Euro monatlich zugrunde. Widerspruch und Klage zum SG, mit der die Kläger weitere Leistungen in Höhe von 1097,82 Euro (für den gesamten Bewilligungsbescheid) geltend gemacht hatten, blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.7.2007 und Urteil des SG vom 16.10.2008).

5

Die Berufungen der Kläger hat das hiergegen angerufene Landessozialgericht (LSG) Hamburg in der mündlichen Verhandlung vom 8.9.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Berufungen sodann mit Urteil vom selben Tag zurückgewiesen. Für die Kläger, die Leistungsberechtigte im Sinne des SGB II seien, bestehe Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft weder in Höhe des hälftigen Tilgungsanteils der Finanzierungskosten noch unter Berücksichtigung einer Instandhaltungspauschale in Höhe von 40 Euro monatlich. Die Tilgungsleistungen seien nicht als angemessene Kosten der Unterkunft anzuerkennen, da diese der Vermögensbildung dienten und ein Ausnahmefall nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht vorliege. Eine besondere Verknüpfung der Tilgungsleistungen mit den Kosten der Unterkunft ergebe sich durch eine ausschließlich das Innenverhältnis zwischen dem Kläger zu 1 und seiner geschiedenen Ehefrau betreffende Vereinbarung nicht. Sie stelle lediglich eine Verrechnung wechselseitiger Ansprüche aus § 426 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw aus § 745 Abs 2 BGB dar, die das Grundbedürfnis des Wohnens nicht unmittelbar berühre.

6

Die Kläger rügen mit ihren Revisionen die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II und machen geltend, der Kläger zu 1 und seine geschiedene Ehefrau hätten bei Scheidung eine Vereinbarung getroffen, dass er das Haus zusammen mit den Kindern weiter bewohnen könne, er aber verpflichtet sei, die gesamten Kreditraten allein zu zahlen und insoweit seine geschiedene Ehefrau von der Inanspruchnahme durch die Kreditgeber freizustellen. In dieser Form habe er den Anspruch seiner geschiedenen Ehefrau auf eine Nutzungsentschädigung befriedigt. Das LSG habe diese vertraglichen Beziehungen nicht ausreichend gewürdigt, insoweit sei Beweis angeboten worden. Im Übrigen handele es sich um Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und er sei nach § 21 Abs 5 Nr 4 WEG zur Bildung einer Instandhaltungsrücklage von 40 Euro monatlich gehalten.

7

Die Kläger beantragen,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 8. September 2011 sowie

        

a) das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Oktober 2008 (Az: S 25 AS 159/07) aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. November 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2006 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 30. November 2006 über die mit Bescheid vom 20. Juni 2006 gewährten Leistungen hinaus weitere Leistungen zu bewilligen, und zwar für jeden Kläger eine Nutzungsentschädigung von 31,04 Euro monatlich sowie für den Kläger zu 1 eine Instandhaltungsrücklage von 40 Euro

        

sowie des Weiteren

        

b) das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Oktober 2008 (Az: S 25 AS 1793/07) aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2007 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2007 über die mit Bescheid vom 21. Mai 2007 gewährten Leistungen hinaus weitere Leistungen zu bewilligen, und zwar für jeden Kläger eine Nutzungsentschädigung von 47,66 Euro monatlich und für den Kläger zu 1 eine Instandhaltungsrücklage von 40 Euro monatlich.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an hinreichenden Feststellungen zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II und zur Höhe des Einkommens und ggf des Vermögens der Kläger. Allerdings können die Kläger mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, als Kosten für Unterkunft und Heizung seien die Tilgungsleistungen und eine Instandhaltungsrücklage zu berücksichtigen.

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind einerseits die Bescheide des Beklagten vom 20.6.2006 und vom 27.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2006, mit denen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.6.2006 bis zum 30.11.2006 entschieden worden sind, und andererseits der Bescheid des Beklagten vom 21.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2007, der die Zeit vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 betrifft. In der Sache wenden sich die Kläger nur dagegen, dass ihnen für die streitigen Zeiträume weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht bewilligt worden sind. Diese Beschränkung des Streitgegenstandes ist nach der ständigen Rechtsprechung der für das SGB II zuständigen Senate zulässig (vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 18).

12

2. Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nach § 7 Abs 2 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

13

Auf Grundlage der Feststellungen des LSG lässt sich nicht abschließend klären, ob die Kläger, die gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 und 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft bilden, hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II sind. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält.

14

Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II ist zur Prüfung des individuellen Leistungsanspruchs der Kläger einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft und andererseits deren Gesamteinkommen zu ermitteln. Bei Bestimmung des maßgeblichen Gesamtbedarfs sind neben den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 Abs 2, § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen, soweit sie angemessen sind(vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend überhaupt anfallen und welche Kosten davon für die Kläger als angemessen anzusehen sind, kann auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden (dazu unter 3). Ferner ist unklar geblieben, in welcher Höhe die Kläger über zu berücksichtigendes Einkommen und ggf über Vermögen verfügen. Feststellungen hierzu fehlen für den Bewilligungszeitraum vom 1.7.2007 bis 30.11.2007 vollständig.

15

3. Gemäß § 22 Abs 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II für die selbst genutzte Immobilie der Kläger lediglich die Kosten zugrunde gelegt, die im maßgeblichen örtlichen Bereich für vergleichbare Mietwohnungen als angemessen anzusehen sind(vgl nur BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 RdNr 35 mwN), wobei die im Kalenderjahr anfallenden, berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten mit der im örtlichen Vergleichsraum abstrakt angemessenen Jahresnettokaltmiete zu vergleichen sind (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 44).

16

Ob nach diesen Grundsätzen ein weitergehender Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung besteht, kann nicht entschieden werden, denn das LSG hat es versäumt, Feststellungen zu den (insgesamt) tatsächlich angefallenen Kosten der Unterkunft (insbesondere auch der Nebenkosten) und zu den Kosten für Heizung zu treffen. Die Bezugnahme auf die Bescheide des Beklagten im Urteil des LSG reicht als Feststellung insoweit nicht aus, weil die Bescheide keine Aussage dazu treffen, welche Kosten tatsächlich angefallen sind, sondern nur wiedergeben, welche Bedarfe der Beklagte als berücksichtigungsfähig und angemessen angesehen hat. Erst wenn feststeht, welche Kosten angefallen sind, kann in einem weiteren Schritt entschieden werden, welche dieser Kosten bei selbst genutzten Wohnimmobilien zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Aufwendungen gehören (vgl etwa die Aufzählung in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 14). Soweit solche Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Abschließend ist dann zu entscheiden, inwieweit diese Kosten als angemessen anzusehen und als Bedarf zu übernehmen sind. Die für diese Prüfung notwendigen Feststellungen, auch zur abstrakten Angemessenheit des Mietpreises im räumlichen Vergleichsmaßstab, wird das LSG nach Zurückverweisung des Rechtsstreits nachzuholen haben.

17

a) Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die monatlichen Tilgungsleistungen für die Immobilie nicht zu den berücksichtigungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung gehören, für die Leistungen zu erbringen sind (vgl bereits BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3 RdNr 24). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18 mwN). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Fällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 13). Ein solcher Fall liegt nach dem Vorbringen der Kläger nicht vor.

18

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass Tilgungsaufwendungen nicht schon dann zu berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft werden, wenn sie vom Nutzer der Wohnimmobilie dem Kreditgeber gegenüber als Gesamtschuldner nach § 421 BGB geschuldet werden und der andere Schuldner, der die Wohnimmobilie selbst nicht nutzt, keine Zahlungen leistet. Die Kläger übersehen, dass vorliegend die gesamten Schuldzinsen und nicht nur die im Innenverhältnis auf den Kläger zu 1 entfallenden Anteile unabhängig von der Frage, wer zivilrechtlich zur Tragung dieser Kosten verpflichtet ist, als berücksichtigungsfähige Kosten der Unterkunft nicht nur des Klägers zu 1, sondern auch der Kläger zu 2 und 3 anerkannt worden sind. Hinsichtlich des auf die Tilgung entfallenden Teils verbleibt es aber dabei, dass der Beklagte diese - nicht anders als im Fall des (hilfebedürftigen) Alleineigentümers - grundsätzlich nicht zu übernehmen hat, weil sie in erster Linie dem Vermögensaufbau dienen.

19

Soweit die Kläger auf die Regelungen des § 426 Abs 1 BGB Bezug nehmen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Gerade weil die Zahlung der Tilgungsraten auch der Vermögensbildung des Miteigentümers dient, besteht nach dieser Vorschrift ein Anspruch auf Ausgleich im Innenverhältnis. Insbesondere nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht für einen Ehegatten im Zweifel kein Anlass mehr, dem anderen Ehegatten weitere Vermögensmehrungen zukommen zu lassen, sodass spätestens ab diesem Zeitpunkt der aus § 426 Abs 1 BGB resultierende Ausgleichsanspruch wieder auflebt(vgl etwa Bundesgerichtshof Urteil vom 13.1.1993 - XII ZR 212/90 - NJW-RR 1993, 386 = FamRZ 1993, 676 mwN). Gerade das Bestehen solcher Ausgleichsansprüche schließt es aus, Tilgungsleistungen, die im Innenverhältnis auf den Miteigentümer entfallen, der die Immobilie nicht nutzt, als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen. Kann der Schuldner, der das Haus bewohnt, die (gesamten) Tilgungsleistungen nicht dauerhaft allein aufbringen, kann er Ausgleichsansprüche gegenüber dem anderen Schuldner geltend machen, nicht aber - weitergehend als der Alleineigentümer einer Immobilie - Kosten der Unterkunft gegenüber dem Träger der Grundsicherung.

20

Einem Ausgleichsanspruch des Klägers zu 1 nach § 426 Abs 1 BGB kann zwar von seiner geschiedenen Ehefrau der Einwand der entgeltfreien Nutzung entgegengehalten werden. Der geschiedenen Ehefrau steht ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 745 Abs 2 BGB zu, wenn - wie vorliegend vom Kläger zu 1 vorgetragen - zwischen den geschiedenen Eheleuten nach ihrem Auszug Einigkeit über die alleinige Nutzung der im Miteigentum stehenden früheren Ehewohnung durch den Kläger zu 1 besteht(zuletzt BGH Urteil vom 4.8.2010 - XII ZR 14/09 - BGHZ 186, 372, RdNr 15 mwN). Bei einer Abrede zwischen den geschiedenen Ehegatten wegen der Finanzierung der Immobilie, wie sie hier vorgetragen ist (nämlich der einverständlichen Übernahme sämtlicher Finanzierungskosten durch den alleinigen Nutzer ohne tatsächliche Zahlung einer Nutzungsentschädigung), handelt es sich aber - entgegen der Auffassung der Kläger - um eine anderweitige Bestimmung iS des § 426 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 BGB(erneut BGH Urteil vom 13.1.1993 - XII ZR 212/90 - NJW-RR 1993, 386 = FamRZ 1993, 676). Solche abweichenden - auch konkludenten - Bestimmungen berühren lediglich das Innenverhältnis der Gesamtschuldner und führen hinsichtlich der Tilgungsleistungen nicht zu berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft nach dem SGB II.

21

Es braucht vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden, wie die tatsächliche Zahlung einer Nutzungsentschädigung nach § 745 BGB an den Miteigentümer (insbesondere wenn keine nennenswerten Finanzierungskosten mehr aufzubringen sind oder der Wohnwert diese übersteigt) im Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu werten wäre. Wenn eine solche Nutzungsentschädigung dem Wohnwert (orientiert an der ortsüblichen Miete) entspricht und nicht an der Höhe der Schuld- und Tilgungszinsen bemessen wird, könnte anderes gelten. Die Kläger machen aber nicht geltend, von der Miteigentümerin tatsächlich zur Zahlung einer (weitergehenden) Nutzungsentschädigung herangezogen zu werden.

22

b) Auch ein Anspruch auf Berücksichtigung einer Instandhaltungsrücklage als Kosten der Unterkunft besteht nicht. Dabei kann offen bleiben, ob solche Zahlungen, die an eine Eigentümergemeinschaft nach dem WEG zu leisten sind, grundsätzlich zu den berücksichtigungsfähigen Kosten bei Wohnungseigentum gehören, weil der Wohnungseigentümer (ähnlich wie der Mieter) rechtlich zu ihrer Zahlung auch dann verpflichtet ist, wenn tatsächlich Aufwendungen für Instandhaltung nicht anfallen (so etwa LSG Baden-Württemberg Urteil vom 26.1.2007 - L 12 AS 3932/06 - ZFSH/SGB 2007, 347 = FEVS 58, 461 zum Hausgeld; LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23.7.2009 - L 5 AS 111/09 = ZFSH/SGB 2009, 744 zu einer Instandhaltungsrücklage und den Kosten des Kabelanschlusses). Offen kann auch bleiben, ob die Wohnimmobilie des Klägers zu 1 und seiner geschiedenen Ehefrau Wohnungseigentum iS der §§ 2, 3 WEG darstellt.

23

Die Pflicht zur Bildung einer Instandhaltungsrückstellung kann sich jedenfalls nur aus der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung und entsprechenden Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft ergeben (vgl nur Reichel-Scherer in: jurisPK-BGB, 5. Aufl 2010, § 21 WEG RdNr 338 mwN). Zwar besteht ein Anspruch eines jeden Wohnungseigentümers nach § 21 Abs 4 und 5 Nr 4 WEG, die Bildung einer Instandhaltungsrückstellung zu beschließen. Vorliegend ist aber nicht erkennbar und von den Klägern auch nicht behauptet, dass eine entsprechende rechtlich bindende Verpflichtung besteht. Solange ein solcher Beschluss, auf den hin tatsächlich Zahlungen erfolgen, nicht vorliegt, kommt die Berücksichtigung einer Instandhaltungsrücklage auch für Wohnungseigentümer von vornherein nicht in Betracht (vgl BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16).

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

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Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

14

Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

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3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

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4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

30

Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und Berufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen Zeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem 1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44 qm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen Zeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro monatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass ihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet, ihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch für sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.

3

Mit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro monatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in Höhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach Widerspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt hatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen familiärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro Regelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen die unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch weggefallen (Änderungsbescheid vom 7.8.2007). Mit Bescheid vom 23.8.2007 in der Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und 222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007).

4

Während des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom 28.12.2007).

5

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei zwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte Trennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des Mischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte der Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der Kopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner Mietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener kalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die tatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und Kochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.

6

Die hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 9.6.2009). Streitgegenstand seien im Berufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des Verfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften sich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab August 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung zurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit rechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten verpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die höhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.

7

Beide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014), insbesondere hätten sie während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der Regelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

8

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen(insoweit an die Mitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff) anzuknüpfen sei. Nach Maßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Kläger angemessen.

9

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene kalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von 60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro (379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin eine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem Mietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein "Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger habe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern nur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht. Unerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger als sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1. ÄndAnO vom 16.11.2001 ) und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf ihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit handele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu verantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht verpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für die KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen KdU zu erbringen.

10

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem Revisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt lebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs 1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein Sachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der Ortsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei der Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für diesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu bringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff auf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen für Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der Träger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit der Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des Spannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine angemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die kalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB ein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber nicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus dem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung zurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro qm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von 2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer Wohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete in Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08 AS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER). Entsprechend seien die Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.

11

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23. August 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter Kosten für den Bewilligungszeitraum

        

vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro,

        

vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12 Euro,

        

vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro,

        

vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro,

        

vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und

        

vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro

        

zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie das SG zugesprochen hat.

15

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der Kläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung nicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18). Er hat bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht zuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit durch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der Beklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil bindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten der Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren vorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.

16

Bei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des Verfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich aus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit sinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger weder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese Regelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007 ergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von Bewilligungen an Y

17

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Auch die rechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den das LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein Trennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15 Abs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich ankommt(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

18

3. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen, dass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27 Euro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu entrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung) in Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen Teil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

19

b) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen dem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die Anwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des LSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein genutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19). Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der Leistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet - bezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei der Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil des ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II, die trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird, jedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten Abwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken(dazu im Einzelnen unter 4.a). Es geht damit in solchen Konstellationen nicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden Partner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.

20

4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch SG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

21

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate begrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der Angemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.

22

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999), die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

23

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21). Dies gilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb nicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (BSG Urteil vom 18.2.2010 - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17). Besonderheiten hinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings für Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines fehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG fortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften auswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei längerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II genannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer größeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu weitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur Kostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können, bietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

28

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

29

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

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cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

31

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

32

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

33

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

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Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

35

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese Kosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89 Euro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme) erfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem Urteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den Gasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen worden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings erschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und dem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23 ff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand zumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben.

36

Die tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen von dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats maßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 25).

37

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 sowie in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 66,13 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 6,50 Euro zu gewähren. Der Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurde Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich sowie durch den Kindsvater Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 2. März 2012 an, dass monatlich 306,00 Euro zufließen würden. Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum in keinem Beschäftigungsverhältnis und erzielte auch kein sonstiges Einkommen.

5

Mit Bescheid vom 8. März 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 596,66 Euro. Für den Kläger zu 2) wurden lediglich Leistungen für den Schulbedarf im August 2012 in Höhe von 70,00 Euro bewilligt. In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten von 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von 306,00 Euro an. Damit ergab sich ein bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigendes übersteigendes Kindergeld, welches der Beklagte um die Versicherungspauschale bereinigte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte damit, dass noch ein Nachweis über die Änderung der Unterhaltszahlung nachzureichen wäre, damit der tatsächliche Anspruch ermittelt werden könne.

6

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 8. März 2012 legte die Klägerin zu 1) am 12. April 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie zunächst aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung für ihr Kind gänzlich fehlen würden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 wurde der Widerspruch dahingehend ergänzt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig berücksichtigt worden seien. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

7

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 in Höhe von monatlich 601,25 Euro. Dabei berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

8

Ab Juni 2012 stellten die Kläger mehrere Anträge auf Zusicherung zum Umzug. Zum 1. Oktober 2012 bezogen die Kläger die jetzige Wohnung mit Zusicherung des Beklagten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keine weitergehenden Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen wären. Der Landkreis Wittenberg als kommunaler Träger habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII aufgrund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Für die in der Lutherstadt Wittenberg wohnenden Kläger sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 m², eine Nettokaltmiete von 4,22 Euro/m² und kalte Betriebskosten von 1,05 Euro/m², also insgesamt 316,20 Euro angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete der Kläger sei damit zu hoch. Zwar habe das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 17. August 2012 (S 11 AS 2430/11) entschieden, dass die Verwaltungsvorschrift den Vorgaben des Bundessozialgerichts zur Mietwerterhebung und somit zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht entsprechen würde. Gegen das Urteil sei aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (L 5 AS 649/12 NZB). Die Kläger hätte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2011 über die Unangemessenheit belehrt. Entgegen des Vortrags der Kläger seien die Heizkosten nicht lediglich in angemessener, sondern in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden. Angemessen sei ein Betrag von 84,50 Euro monatlich. Tatsächlich seien 75,17 Euro angefallen (82,00 Euro x 11 Abschläge: 12 Monate). Aus den Berechnungsbögen sei ersichtlich, dass auch für das Kind Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden seien, es aber aufgrund seines Kindergeldes und Unterhalts seinen Bedarf selbst decken könne.

10

Unter dem 22. Oktober 2012 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass als Kosten der Unterkunft und Heizung 425,00 Euro für die Bruttokaltmiete und 75,17 Euro für die Heizkosten angefallen seien. Diese Kosten seien auch in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es ist anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 % eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden. Weiterhin seien die Regelleistungen verfassungswidrig zu gering bemessen.

11

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

12

den Klägern unter Änderung des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 425,00 Euro Bruttokaltmiete zzgl. 75,17 Euro Heizkosten sowie auf Grundlage eines verfassungsgemäß bestimmten Regelleistungssatzes für April 2012 bis September 2012 zu bewilligen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte trägt zunächst vor, dass er hinsichtlich der Regelbedarfe an die gesetzlichen Regelungen gebunden sei. Desweiteren gehe er davon aus, dass es sich bei dem Endbericht um ein schlüssiges Konzept zur Datenerhebung entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts handele. Die Kläger würden in einer unangemessen großen Wohnung leben. Der Beklagte sehe es auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem Umzug am 1. Oktober 2012 eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

16

Mit Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 598,25 Euro endgültig bewilligt. Dabei hat der Beklagte nunmehr einen um 3,00 Euro höheren Kindesunterhalt, also einen Betrag von monatlich 309,00 Euro berücksichtigt, sodass sich das den Kindesbedarf übersteigende Kindergeld entsprechend erhöht hat. Mit Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte von der Klägerin zu 1) einen Betrag von monatlich 3,00 Euro, also insgesamt 18,00 Euro für den Regelbedarf zurückgefordert. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unzulässig verworfen. Der Bescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 in der Fassung der Bescheide vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013. Die Bescheide vom 6. November 2012 haben dabei die ursprünglich vorläufige Leistungsbewilligung während des Klageverfahrens durch endgültige Bewilligung ersetzt und sind damit im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG, der eine Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung divergierender Entscheidungen bezweckt, Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dies gilt auch hinsichtlich der Erstattungsverfügung (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2011, B 14 AS 165/10 R, Rn. 17 – juris). Da die Kläger ihr Begehren gerade nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben, stehen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt im Streit; der geltend gemachte Anspruch ist daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen.

3.

23

Die Klage ist teilweise auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro.

a)

24

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

25

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32- bzw. 33- jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

b)

26

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

27

Mit dem Begehren auf Heranziehung höherer Regelbedarfe können die Kläger nicht durchdringen. Die anzuwendenden Regelbedarfe wurden durch das SGB II direkt bzw. im Wege der Fortschreibung gemäß § 20 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit §§ 28a, 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum 1. Januar 2012 und in den nachfolgenden Kalenderjahren durch Verordnung festgelegt. Die Rechtsprechung ist – wie auch die vollziehende Gewalt – an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Prüfung, ob die Regelbedarfshöhe verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt oder die entsprechenden Normen zu verwerfen sind, ist allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Bestimmung des Regelbedarfs mit Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) vereinbar erklärt. Ausdrücklich in Bezug genommen hat das Bundesverfassungsgericht dabei auch § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012, 2013 sowie 2014 (Bundesverfassungsgericht, aaO, Rn. 73 – juris).

c)

28

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

29

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

30

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

31

Eine Bruttokaltmiete wurde dagegen lediglich in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht enthalten und wurde durch die Kläger nicht dargelegt. Da im Klageverfahren zum Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 lediglich eine Miete von 415,00 Euro begehrt worden war, geht die Kammer auch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro aus.

32

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

33

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

34

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

35

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

36
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
37
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
38
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
39
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
40
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
41
- Validität der Datenerhebung,
42
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
43
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
44

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

45

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

46

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

47

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

48

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

49

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

50

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

d)

51

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

52

Der Kläger zu 2) hatte Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Daneben wurde für ihn Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen. Absetzmöglichkeiten nach § 11b SGB II entfallen folglich auch.

e)

53

Es besteht demnach ein (endgültiger) Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 601,25 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 66,13 Euro monatlich zu zahlen sind. Eine Erstattungsforderung im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III verbleibt folglich nicht.

II.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Eine Bezifferung des Begehrens hinsichtlich der Regelbedarfe war zwar nicht ausdrücklich erfolgt. Die Kammer ist aber nicht von einer nur untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung für die Kläger, sondern letztlich von gleichwertigen Begründungsansätzen ausgegangen. Daraus resultiert die nur hälftige Kostentragung durch den Beklagten.

III.

55

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 52,82 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 0,81 Euro unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 im Wege des Überprüfungsverfahrens.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurden Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie durch den Kindsvater monatlich Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 31. August 2011 an, dass monatlich 300,00 Euro zufließen würden. Weiteres Einkommen der Kläger wurde verneint.

5

Mit Bescheid vom 14. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 Leistungen, darunter für Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von monatlich 604,78 Euro (Klägerin: 601,39 Euro, Kläger: 3,39 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von lediglich 257,00 Euro an.

6

Nach Mitteilung der Klägerin zu 1), dass sie ab Oktober 2011 eine Teilzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttolohn von 1100,00 Euro bzw. Nettolohn von 863,71 Euro aufgenommen hätte, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2011 geringere Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis März 2012 unter Anrechnung des Einkommens, darunter für Februar 2012 bis März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 31,07 Euro (Klägerin: 30,90 Euro, Kläger: 0,17 Euro). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2011 gekündigt. Daraufhin bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 615,66 Euro (Klägerin: 612,27 Euro, Kläger: 3,39 Euro) ohne Einkommensanrechnung aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr auch die Anpassung der Regel- und Mehrbedarfe. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 2) für Februar 2012 Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro.

7

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides für den Bewilligungszeitraum Oktober 2011 bis März 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ab Januar 2012 nicht vollständig übernommen worden. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

8

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 620,25 Euro (Klägerin: 614,56 Euro, Kläger: 5,69 Euro). Im Februar 2012 wurden weiterhin zusätzlich Leistungen für den Kläger zu 2) für den Schulbedarf bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

9

Am 15. August 2012 gab die Klägerin zu 1) auf Nachfrage des Beklagten an, dass sie bereits seit dem 1. April 2011 monatlich 309,00 Euro als Kindesunterhalt erhalten würde, was der Kindsvater auch schriftlich bestätigte. Eine Abänderung der Leistungsbewilligung erfolgte durch den Beklagten nicht.

10

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 erklärte der Beklagte auf den "Antrag auf Überprüfung [seines] Bescheides vom 12. Januar 2012 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", dass dem Antrag "in voller Höhe entsprochen werden konnte". Für Januar 2012 seien nunmehr die "angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung von 429,53 Euro" berücksichtigt worden (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012). Gegen die beiden Bescheide vom 18. Oktober 2012 legten die Kläger am 7. November 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Heranziehung der Angemessenheitsrichtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Ein schlüssiges Konzept würde der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde liegen. Im Übrigen würde die verfassungswidrig zu gering bemessene Regelsatzhöhe gerügt. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012 für Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 zurück, wogegen die Kläger eine separate Klage erhoben (S 14 AS 812/13). Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 sei bindend geworden und dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Die Kläger hätten jedoch nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Januar 2012 sprechen würde. Es hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben, die dafür sprechen würden, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung habe daher abgelehnt werden dürfen.

11

Unter dem 4. April 2013 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte ihnen rechtswidrig zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hätte. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden 415,00 Euro und die tatsächlichen Heizkosten 70,58 Euro betragen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Ihnen sei der Differenzbetrag von monatlich 98,80 Euro nachzuzahlen.

12

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

13

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Teil-Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2012 sowie des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 weitere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von 197,60 Euro zu bewilligen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zu den Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte sehe es im Übrigen auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem zwischenzeitlich zum 1. Oktober 2012 erfolgten Umzug eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die (teilweise) Aufhebung des die Überprüfung des Bewilligungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum. Entgegen der Formulierung im Klageantrag kann bezüglich der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X aber nicht auf den (ursprünglichen) Bewilligungsbescheid vom 14. September 2011 abgestellt werden, da dieser schon vor dem Überprüfungsantrag durch die Bescheide vom 17. November 2011 und 12. Januar 2012 ersetzt worden war. Nach Eingang des Überprüfungsantrags wurde der Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, welchen der Beklagte auch ausdrücklich überprüft hatte, wiederum durch Erlass des Bescheides vom 23. April 2012 abgeändert. Das Klagebegehren ist insoweit aber auslegungsfähig (vgl. § 123 SGG).

3.

23

Die Klage ist auch teilweise begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro im Februar 2012).

a)

24

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zugunsten der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

25

Der Antrag der Kläger genügte den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X. Das konkrete Überprüfungsbegehren und damit der Umfang der Prüfpflicht waren für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar.

b)

26

Das Recht wurde durch den Beklagten in unrichtiger Weise angewandt. Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 einen höheren Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.

aa)

27

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

28

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32-jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

bb)

29

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

cc)

30

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

31

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

32

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

33

Eine Bruttokaltmiete wurde in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht erkennbar. Die Kammer geht von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro (Grundmiete: 330,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro) aus.

34

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

35

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

36

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

37

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

38
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
39
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
40
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
41
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
42
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
43
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
44
- Validität der Datenerhebung,
45
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
46
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
47

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

48

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

49

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

50

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

51

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

52

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

53

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

dd)

54

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

55

Der Kläger zu 2) hatte tatsächlich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Der Beklagte hatte bisher lediglich 257,00 Euro für die streitgegenständlichen Monate angerechnet. Da sich das Einkommen auch auf die mit der Klage geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auswirkt, kann die tatsächliche Einkommenshöhe nicht unberücksichtigt bleiben. Daneben wurde für den Kläger zu 2) Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen.

ee)

56

Es besteht demnach ein Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 614,56 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 52,82 Euro monatlich zu gewähren sind. Für den Kläger zu 2) hat der Beklagte monatlich 5,69 Euro gezahlt (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf von 30,00 Euro). Es verbleibt ein weiterer Anspruch von monatlich 0,81 Euro.

II.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Die Kläger haben eine Nachzahlung von 197,60 Euro begehrt. Erfolgreich waren sie in Höhe von 107,26 Euro.

III.

58

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 monatlich weitere EUR 37,29 zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die 1949 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Sie bewohnt eine Wohnung in C., für die seit Januar 2010 eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von EUR 356,93 zu zahlen ist. Diese setzt sich aus einer Grundmiete in Höhe von EUR 226,51, der Vorauszahlung für kalte Betriebskosten in Höhe von EUR 61,78 und Heizkostenvorauszahlungen (inklusive Warmwasserbereitungskosten) in Höhe von EUR 68,64 zusammen. Mit Bewilligungsbescheid vom 16. Mai 2011 wies der Beklagte die Klägerin auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hin.

3

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 24. Oktober 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 in Höhe von monatlich EUR 683,64. Dabei berücksichtigte er Bedarfe für die Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von EUR 319,64. Hiergegen erhob die Klägerin durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21. November 2011 Widerspruch. Mit Bescheid vom 26. November 2011 änderte der Beklagte die Leistungsgewährung für den Zeitraum Januar bis Mai 2012 ab und berücksichtigte dabei die Erhöhung des Regelbedarfes. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Unterkunftskosten der Klägerin seien unangemessen.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 21. Dezember 2011 Klage zum Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Sie begehrt die Berücksichtigung der vollständigen Unterkunftskosten. Der Angemessenheitsrichtlinie liege kein schlüssiges Konzept zugrunde. Darüber hinaus unterlasse der Beklagte eine Einzelfallbeurteilung und berücksichtige die Erkrankung der Klägerin nicht.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum Dezember 2011 bis Mai 2012 monatlich weitere 37,29 EUR für Bedarfe der Unterkunft zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er selbst könne zum Zustandekommen der Verwaltungsvorschrift keine Auskunft erteilen und verweist insoweit auf die Stellungnahme des Landkreises sowie auf das beauftragte Unternehmen. Der Landkreis führt in seiner übersandten Stellungnahme aus, Konzepte des beauftragten Unternehmens seien wiederholt von Sozialgerichten bestätigt worden. Darüber hinaus stünden die erhobenen Daten in den Räumen des Landkreises zur Verfügung. Schließlich sei kein "normaler" Fall bekannt, in dem der Leistungsberechtigte nach ausreichender Suche nicht angemessenen Wohnraum gefunden hätte.

10

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

A. Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

12

I. Die Klägerin ist erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie erhält damit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II, welches nach § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst.

13

II. Für die Klägerin ergibt sich im Dezember 2011 ein Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von EUR 364,00, für die Monate Januar bis Mai 2012 in Höhe von monatlich EUR 374,00 (Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2012, Bundesgesetzblatt I 2011, Seite 2093).

14

III. Hierzu ist der Bedarf für Unterkunft und Heizung zu addieren. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

15

1. Die tatsächlichen Kosten der Klägerin belaufen sich auf monatlich insgesamt EUR 356,93. Diese setzen sich aus einer Grundmiete in Höhe von EUR 226,51, Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten in Höhe von EUR 61,78 sowie Heizkostenvorauszahlungen (inklusive Warmwasserbereitungskosten) in Höhe von EUR 68,64 zusammen.

16

2. Diese Kosten sind auch in voller Höhe zu berücksichtigen, da sie nicht unangemessen sind.

17

a) Eine Begrenzung der Bruttokaltmiete auf einen Betrag von EUR 251,00, der sich aus den "Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" ergibt, kommt vorliegend nicht in Betracht.

18

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R; Bundessozialgericht, Urteile vom 20. August 2009, B 14 AS 41/08 R sowie B 14 AS 65/08 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 27/09 R; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R) muss der Bestimmung der Angemessenheitswerte ein schlüssiges Konzept zugrunde liegen, welches dem Gericht zur Entscheidungsfindung vorzulegen ist. Schon dies ist, ohne dass es letztlich entscheidungserheblich wäre, hier zweifelhaft, da weder die erhobenen Daten noch die Mietwerterhebungen in diesem Verfahren vom Beklagten vorgelegt wurden. Ein Konzept liegt nach dieser Rechtsprechung vor, wenn der Ersteller planmäßig vorgegangen ist im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum sowie für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R).

19

Bedenken der Kammer bestehen hier bereits gegen den methodischen Ansatz der Clusterbildung. In den Ausarbeitungen über die Mietwerterhebungen ist dazu ausgeführt, die "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps müss[t]en dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen, sondern könn[t]en sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen." Dies widerspricht nach Auffassung der Kammer der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Bestimmung des Vergleichsraums. Danach muss der Vergleichsraum aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Mai 2011, B 14 AS 132/10 R, Rn. 25; Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 2/10 R, Rn. 18). Zweifelhaft ist insoweit, ob eine derartige "räumliche Nähe" auch bei einer Verteilung im Landkreis Wittenberg in Betracht käme. Weiterhin konnte auch der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen, wie sich aus den gewählten Indikatoren ableiten lässt, es handele sich um einen homogenen Lebens- und Wohnbereich, zumal die Kriterien der Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit vollständig unberücksichtigt gelassen wurden.

20

Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob das Gericht die Mietwerterhebungen einer Entscheidung überhaupt zugrunde legen kann. Zwar hat der Beklagte zwischenzeitlich den Bedenken der Kammer (Beschluss vom 7. März 2012, S 11 AS 2428/11 ER) dahingehend Rechnung getragen, dass ein Arbeitsplatz eingerichtet wurde, an dem Interessierte die Daten einsehen können, freilich ohne diese aus dem Raum mitzunehmen. Ob dies den Anforderungen des § 128 Abs. 2 SGG entspricht, kann letztlich dahinstehen. Die Kammer hat diesbezüglich aber Bedenken. Denn es ist den Klägern wegen der Komplexität des Sachverhalts nicht möglich, die gesammelten Daten einer intensiven Prüfung zu unterziehen (ähnlich zum Recht auf Akteneinsicht Meyer-Ladewig, SGG, 10. Auflage 2012, § 120 Rn. 4 a).

21

Weiterhin erschließt sich der Kammer nicht unmittelbar, warum sämtliche Wohnungen mit einer Fläche von weniger als 35 m² von den Erhebungen ausgeschlossen wurden, zumal der Quadratmeterpreis bei diesen höher als bei größeren Wohnungen sein dürfte. Auch wenn ein Leistungsberechtigter unter Umständen nicht gezwungen werden kann, in eine Wohnung dieses Zuschnitts zu ziehen, so verfälscht das Herauslassen der – auf den Quadratmeterpreis bezogen – tendenziell teureren Wohnungen aus den Erhebungen den berechneten Angemessenheitswert nach unten.

22

Jedenfalls ist nach Auffassung der Kammer der Umfang der erhobenen Daten nicht dazu geeignet, die Mietverhältnisse im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Nach den Ausführungen in den Mietwerterhebungen gibt es im Landkreis Wittenberg einen Bestand von 72.219 Wohnungen. Letztlich ausgewertet wurden im gesamten Landkreis 4.632 Wohnungen. Dies ist jedoch keine ausreichende Datenbasis, um die Verhältnisse des Wohnungsmarktes ausreichend sicher wiederzugeben. Das Bundessozialgericht verlangt hierfür vielmehr, dass die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16).

23

Schließlich ist die reine Erhebung von Bestandsmieten nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, den Markt für Neuvermietungen zutreffend abzubilden. Für Satzungen sieht § 22 c Abs. 1 Satz 3 SGB II auch die Berücksichtigung von Neuvertragsmieten vor. Dieser Markt für Neuvermietungen ist hinsichtlich der Frage der Kostensenkungsmöglichkeiten der Maßgebende. Nach den im Auftrag des Beklagten erhobenen Daten war es schon zum Zeitpunkt der Erhebungen nicht möglich, im Bereich des Wohnungsmarkttyps 2, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, ausreichend viele Wohnungen zu den berechneten Werten anzumieten. Im Erhebungszeitraum von neun Monaten wurden in diesem Bereich elf Wohnungen mit einer Wohnfläche bis 50 m² angeboten, von denen lediglich 9 %, in absoluten Zahlen also eine, den neu berechneten Angemessenheitswerten entsprach. Daraus lässt sich erkennen, dass schon zum Erhebungszeitpunkt strukturell nicht ausreichend Wohnraum zu den festgelegten Preisen verfügbar war und damit der Markt für Neuvermietungen nicht zutreffend abgebildet wurde. Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung der Kammer auch schon bei der Bestimmung des abstrakt als angemessen anzusehenden Wertes zu berücksichtigen, nicht erst bei der Frage der konkreten Angemessenheit. Denn zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang (noch) nicht die Frage, ob aktuell Wohnungen zum jetzigen Zeitpunkt verfügbar sind, sondern die Verfügbarkeit zum Zeitpunkt der Datenerhebung. Denn nur hierdurch ließe sich nachweisen, dass der Wohnungsmarkt zutreffend abgebildet würde.

24

Dies kann auch nicht mit den Ausführungen in den Mietwerterhebungen gerechtfertigt werden, dass 40 % der Wohnungen "direkt vermarktet" würden. Auch wenn das beauftragte Unternehmen den Schluss zieht, dass die ausgewerteten Angebote teurer sind als die anmietbaren Wohnungen, so ist doch zu berücksichtigen, dass der "direkt vermarktete" Wohnraum für die Leistungsberechtigten nicht verfügbar ist. Soweit es sich hier um Interessentenlisten handeln sollte, die nach Priorität abgearbeitet werden, ergibt sich dies schon daraus, dass ein Leistungsempfänger, der zur Senkung seiner Kosten aufgefordert wird, allenfalls eine niedrige Priorität bei den Vermietern genießen wird, da er am Ende der Interessentenlisten aufgenommen werden dürfte. Darüber hinaus erschließt sich der Kammer nicht, warum es dem Beklagten nicht möglich gewesen sein soll, diese "direkt vermarkteten" Wohnungen und deren Preise zu ermitteln, die Leistungsempfänger hingegen in der Lage sein sollen, entsprechenden Wohnraum zu finden.

25

b) Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg ebenfalls nicht verfügbar. In einem derartigen Fall, in dem selbst der Grundsicherungsträger nicht in der Lage oder bereit ist, die Angemessenheitsrichtlinie trotz Bedenken des Gerichts nachvollziehbar zu machen oder nachzubessern, ist es nach Auffassung der Kammer nicht Aufgabe der Sozialgerichte, für die streitgegenständlichen Zeiträume Angemessenheitsrichtlinien aufzustellen. Die Amtsermittlungspflicht der Gerichte (§ 103 Satz 1 1. Halbsatz SGG) findet insoweit ihre Grenze in den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG); soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 26). Das Gericht sah sich auch nicht in der Lage, aus den erhobenen Daten eigene Angemessenheitswerte zu bestimmen. Denn die Datengrundlage ist nicht ausreichend für die Bestimmung einer abstrakten Mietobergrenze, wie bereits ausgeführt wurde.

26

Dennoch sind Unterkunftskosten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht unbeschränkt, sondern nur bis zur Höhe der Angemessenheit zu übernehmen. Denn durch die steuerfinanzierten Grundsicherungsleistungen sollen nicht extrem hohe und damit "per se" unangemessene Unterkunftskosten getragen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2010, L 13 AS 4212/08, Rn. 33, zitiert nach Juris). Als einzige bereite Größe ist auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen. Diese Variante stellt auch das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen als Grenze für die zu übernehmenden Kosten dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 27; Bundessozialgericht, Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rn. 21). Den Ausführungen des Bundessozialgerichts lässt sich nach Auffassung der Kammer dabei entnehmen, dass dieser Betrag die Kosten der Unterkunft nach oben begrenzen soll, Kosten, die hierüber liegen, mithin nicht zu übernehmen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R, Rn. 27: "Die Grenze findet sich insoweit in den Tabellenwerten zu § 8 WoGG bzw nunmehr § 12 WoGG.").

27

Der Wohnort des Antragstellers gehört zur Mietstufe 1. Aus der Tabelle zu § 12 WoGG ergibt sich damit ein Höchstwert für die Grundmiete und kalte Betriebskosten in Höhe von monatlich EUR 292,00. Diese Angemessenheitsgrenze übersteigen die Kosten der Klägerin nicht.

28

Für die Unangemessenheit der Heizkosten ist nichts ersichtlich, so dass auch diese – wie geschehen – in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

29

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

30

C. Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG vorliegt. Insbesondere kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt.


Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 sowie in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 66,13 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 6,50 Euro zu gewähren. Der Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurde Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich sowie durch den Kindsvater Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 2. März 2012 an, dass monatlich 306,00 Euro zufließen würden. Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum in keinem Beschäftigungsverhältnis und erzielte auch kein sonstiges Einkommen.

5

Mit Bescheid vom 8. März 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 596,66 Euro. Für den Kläger zu 2) wurden lediglich Leistungen für den Schulbedarf im August 2012 in Höhe von 70,00 Euro bewilligt. In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten von 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von 306,00 Euro an. Damit ergab sich ein bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigendes übersteigendes Kindergeld, welches der Beklagte um die Versicherungspauschale bereinigte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte damit, dass noch ein Nachweis über die Änderung der Unterhaltszahlung nachzureichen wäre, damit der tatsächliche Anspruch ermittelt werden könne.

6

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 8. März 2012 legte die Klägerin zu 1) am 12. April 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie zunächst aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung für ihr Kind gänzlich fehlen würden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 wurde der Widerspruch dahingehend ergänzt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig berücksichtigt worden seien. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

7

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 in Höhe von monatlich 601,25 Euro. Dabei berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

8

Ab Juni 2012 stellten die Kläger mehrere Anträge auf Zusicherung zum Umzug. Zum 1. Oktober 2012 bezogen die Kläger die jetzige Wohnung mit Zusicherung des Beklagten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keine weitergehenden Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen wären. Der Landkreis Wittenberg als kommunaler Träger habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII aufgrund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Für die in der Lutherstadt Wittenberg wohnenden Kläger sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 m², eine Nettokaltmiete von 4,22 Euro/m² und kalte Betriebskosten von 1,05 Euro/m², also insgesamt 316,20 Euro angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete der Kläger sei damit zu hoch. Zwar habe das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 17. August 2012 (S 11 AS 2430/11) entschieden, dass die Verwaltungsvorschrift den Vorgaben des Bundessozialgerichts zur Mietwerterhebung und somit zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht entsprechen würde. Gegen das Urteil sei aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (L 5 AS 649/12 NZB). Die Kläger hätte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2011 über die Unangemessenheit belehrt. Entgegen des Vortrags der Kläger seien die Heizkosten nicht lediglich in angemessener, sondern in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden. Angemessen sei ein Betrag von 84,50 Euro monatlich. Tatsächlich seien 75,17 Euro angefallen (82,00 Euro x 11 Abschläge: 12 Monate). Aus den Berechnungsbögen sei ersichtlich, dass auch für das Kind Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden seien, es aber aufgrund seines Kindergeldes und Unterhalts seinen Bedarf selbst decken könne.

10

Unter dem 22. Oktober 2012 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass als Kosten der Unterkunft und Heizung 425,00 Euro für die Bruttokaltmiete und 75,17 Euro für die Heizkosten angefallen seien. Diese Kosten seien auch in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es ist anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 % eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden. Weiterhin seien die Regelleistungen verfassungswidrig zu gering bemessen.

11

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

12

den Klägern unter Änderung des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 425,00 Euro Bruttokaltmiete zzgl. 75,17 Euro Heizkosten sowie auf Grundlage eines verfassungsgemäß bestimmten Regelleistungssatzes für April 2012 bis September 2012 zu bewilligen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte trägt zunächst vor, dass er hinsichtlich der Regelbedarfe an die gesetzlichen Regelungen gebunden sei. Desweiteren gehe er davon aus, dass es sich bei dem Endbericht um ein schlüssiges Konzept zur Datenerhebung entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts handele. Die Kläger würden in einer unangemessen großen Wohnung leben. Der Beklagte sehe es auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem Umzug am 1. Oktober 2012 eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

16

Mit Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 598,25 Euro endgültig bewilligt. Dabei hat der Beklagte nunmehr einen um 3,00 Euro höheren Kindesunterhalt, also einen Betrag von monatlich 309,00 Euro berücksichtigt, sodass sich das den Kindesbedarf übersteigende Kindergeld entsprechend erhöht hat. Mit Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte von der Klägerin zu 1) einen Betrag von monatlich 3,00 Euro, also insgesamt 18,00 Euro für den Regelbedarf zurückgefordert. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unzulässig verworfen. Der Bescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 in der Fassung der Bescheide vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013. Die Bescheide vom 6. November 2012 haben dabei die ursprünglich vorläufige Leistungsbewilligung während des Klageverfahrens durch endgültige Bewilligung ersetzt und sind damit im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG, der eine Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung divergierender Entscheidungen bezweckt, Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dies gilt auch hinsichtlich der Erstattungsverfügung (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2011, B 14 AS 165/10 R, Rn. 17 – juris). Da die Kläger ihr Begehren gerade nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben, stehen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt im Streit; der geltend gemachte Anspruch ist daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen.

3.

23

Die Klage ist teilweise auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro.

a)

24

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

25

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32- bzw. 33- jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

b)

26

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

27

Mit dem Begehren auf Heranziehung höherer Regelbedarfe können die Kläger nicht durchdringen. Die anzuwendenden Regelbedarfe wurden durch das SGB II direkt bzw. im Wege der Fortschreibung gemäß § 20 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit §§ 28a, 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum 1. Januar 2012 und in den nachfolgenden Kalenderjahren durch Verordnung festgelegt. Die Rechtsprechung ist – wie auch die vollziehende Gewalt – an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Prüfung, ob die Regelbedarfshöhe verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt oder die entsprechenden Normen zu verwerfen sind, ist allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Bestimmung des Regelbedarfs mit Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) vereinbar erklärt. Ausdrücklich in Bezug genommen hat das Bundesverfassungsgericht dabei auch § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012, 2013 sowie 2014 (Bundesverfassungsgericht, aaO, Rn. 73 – juris).

c)

28

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

29

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

30

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

31

Eine Bruttokaltmiete wurde dagegen lediglich in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht enthalten und wurde durch die Kläger nicht dargelegt. Da im Klageverfahren zum Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 lediglich eine Miete von 415,00 Euro begehrt worden war, geht die Kammer auch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro aus.

32

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

33

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

34

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

35

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

36
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
37
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
38
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
39
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
40
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
41
- Validität der Datenerhebung,
42
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
43
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
44

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

45

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

46

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

47

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

48

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

49

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

50

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

d)

51

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

52

Der Kläger zu 2) hatte Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Daneben wurde für ihn Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen. Absetzmöglichkeiten nach § 11b SGB II entfallen folglich auch.

e)

53

Es besteht demnach ein (endgültiger) Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 601,25 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 66,13 Euro monatlich zu zahlen sind. Eine Erstattungsforderung im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III verbleibt folglich nicht.

II.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Eine Bezifferung des Begehrens hinsichtlich der Regelbedarfe war zwar nicht ausdrücklich erfolgt. Die Kammer ist aber nicht von einer nur untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung für die Kläger, sondern letztlich von gleichwertigen Begründungsansätzen ausgegangen. Daraus resultiert die nur hälftige Kostentragung durch den Beklagten.

III.

55

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 52,82 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 0,81 Euro unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 im Wege des Überprüfungsverfahrens.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurden Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie durch den Kindsvater monatlich Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 31. August 2011 an, dass monatlich 300,00 Euro zufließen würden. Weiteres Einkommen der Kläger wurde verneint.

5

Mit Bescheid vom 14. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 Leistungen, darunter für Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von monatlich 604,78 Euro (Klägerin: 601,39 Euro, Kläger: 3,39 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von lediglich 257,00 Euro an.

6

Nach Mitteilung der Klägerin zu 1), dass sie ab Oktober 2011 eine Teilzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttolohn von 1100,00 Euro bzw. Nettolohn von 863,71 Euro aufgenommen hätte, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2011 geringere Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis März 2012 unter Anrechnung des Einkommens, darunter für Februar 2012 bis März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 31,07 Euro (Klägerin: 30,90 Euro, Kläger: 0,17 Euro). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2011 gekündigt. Daraufhin bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 615,66 Euro (Klägerin: 612,27 Euro, Kläger: 3,39 Euro) ohne Einkommensanrechnung aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr auch die Anpassung der Regel- und Mehrbedarfe. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 2) für Februar 2012 Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro.

7

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides für den Bewilligungszeitraum Oktober 2011 bis März 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ab Januar 2012 nicht vollständig übernommen worden. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

8

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 620,25 Euro (Klägerin: 614,56 Euro, Kläger: 5,69 Euro). Im Februar 2012 wurden weiterhin zusätzlich Leistungen für den Kläger zu 2) für den Schulbedarf bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

9

Am 15. August 2012 gab die Klägerin zu 1) auf Nachfrage des Beklagten an, dass sie bereits seit dem 1. April 2011 monatlich 309,00 Euro als Kindesunterhalt erhalten würde, was der Kindsvater auch schriftlich bestätigte. Eine Abänderung der Leistungsbewilligung erfolgte durch den Beklagten nicht.

10

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 erklärte der Beklagte auf den "Antrag auf Überprüfung [seines] Bescheides vom 12. Januar 2012 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", dass dem Antrag "in voller Höhe entsprochen werden konnte". Für Januar 2012 seien nunmehr die "angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung von 429,53 Euro" berücksichtigt worden (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012). Gegen die beiden Bescheide vom 18. Oktober 2012 legten die Kläger am 7. November 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Heranziehung der Angemessenheitsrichtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Ein schlüssiges Konzept würde der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde liegen. Im Übrigen würde die verfassungswidrig zu gering bemessene Regelsatzhöhe gerügt. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012 für Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 zurück, wogegen die Kläger eine separate Klage erhoben (S 14 AS 812/13). Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 sei bindend geworden und dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Die Kläger hätten jedoch nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Januar 2012 sprechen würde. Es hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben, die dafür sprechen würden, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung habe daher abgelehnt werden dürfen.

11

Unter dem 4. April 2013 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte ihnen rechtswidrig zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hätte. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden 415,00 Euro und die tatsächlichen Heizkosten 70,58 Euro betragen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Ihnen sei der Differenzbetrag von monatlich 98,80 Euro nachzuzahlen.

12

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

13

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Teil-Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2012 sowie des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 weitere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von 197,60 Euro zu bewilligen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zu den Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte sehe es im Übrigen auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem zwischenzeitlich zum 1. Oktober 2012 erfolgten Umzug eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die (teilweise) Aufhebung des die Überprüfung des Bewilligungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum. Entgegen der Formulierung im Klageantrag kann bezüglich der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X aber nicht auf den (ursprünglichen) Bewilligungsbescheid vom 14. September 2011 abgestellt werden, da dieser schon vor dem Überprüfungsantrag durch die Bescheide vom 17. November 2011 und 12. Januar 2012 ersetzt worden war. Nach Eingang des Überprüfungsantrags wurde der Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, welchen der Beklagte auch ausdrücklich überprüft hatte, wiederum durch Erlass des Bescheides vom 23. April 2012 abgeändert. Das Klagebegehren ist insoweit aber auslegungsfähig (vgl. § 123 SGG).

3.

23

Die Klage ist auch teilweise begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro im Februar 2012).

a)

24

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zugunsten der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

25

Der Antrag der Kläger genügte den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X. Das konkrete Überprüfungsbegehren und damit der Umfang der Prüfpflicht waren für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar.

b)

26

Das Recht wurde durch den Beklagten in unrichtiger Weise angewandt. Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 einen höheren Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.

aa)

27

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

28

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32-jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

bb)

29

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

cc)

30

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

31

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

32

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

33

Eine Bruttokaltmiete wurde in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht erkennbar. Die Kammer geht von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro (Grundmiete: 330,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro) aus.

34

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

35

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

36

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

37

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

38
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
39
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
40
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
41
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
42
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
43
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
44
- Validität der Datenerhebung,
45
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
46
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
47

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

48

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

49

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

50

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

51

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

52

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

53

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

dd)

54

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

55

Der Kläger zu 2) hatte tatsächlich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Der Beklagte hatte bisher lediglich 257,00 Euro für die streitgegenständlichen Monate angerechnet. Da sich das Einkommen auch auf die mit der Klage geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auswirkt, kann die tatsächliche Einkommenshöhe nicht unberücksichtigt bleiben. Daneben wurde für den Kläger zu 2) Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen.

ee)

56

Es besteht demnach ein Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 614,56 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 52,82 Euro monatlich zu gewähren sind. Für den Kläger zu 2) hat der Beklagte monatlich 5,69 Euro gezahlt (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf von 30,00 Euro). Es verbleibt ein weiterer Anspruch von monatlich 0,81 Euro.

II.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Die Kläger haben eine Nachzahlung von 197,60 Euro begehrt. Erfolgreich waren sie in Höhe von 107,26 Euro.

III.

58

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2012 geändert.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 1. November 2011 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2011 sowie unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 27. April 2012 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 zusätzlich 17,73 Euro monatlich zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1.12.2011 bis 31.5.2012.

2

Die 1957 geborene Klägerin lebt seit einem Umzug im Juni 2008 in einer Wohnung, die eine Fläche von 50,18 qm aufweist. Die Warmwasserbereitung erfolgt zentral. Die Miethöhe setzte sich im streitigen Zeitraum aus der Grundmiete in Höhe von 256,50 Euro zuzüglich einer nicht näher aufgeschlüsselten monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro zusammen. Eine vor dem Umzug beantragte Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft hatte der Beklagte "wegen Unangemessenheit der Mietkosten der neuen Wohnung" abgelehnt.

3

Der Beklagte erbrachte der Klägerin nur die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Für den hier streitigen Zeitraum bewilligte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 685 Euro für Dezember 2011 und 695 Euro für die weiteren Monate. Hierin waren jeweils 321 Euro für die Kosten der Unterkunft und Heizung enthalten (Bescheide vom 1.11.2011, 26.11.2011 und 12.12.2011; Widerspruchsbescheid vom 13.12.2011). Dabei berücksichtigte der Beklagte die von der Landeshauptstadt Dresden am 24.11.2011 beschlossene Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines Gutachtens des Instituts Wohnen und Umwelt GmbH (IWU) vom 24.10.2011 zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden (im Folgenden: IWU-Gutachten). Die von der Klägerin zu erbringende Nebenkostenvorauszahlung teilte er im Verhältnis von 55 % (kalte Betriebskosten) zu 45 % (Heizkosten) auf.

4

Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 über die bereits durch Teilanerkenntnis vom 27.4.2012 anerkannten Beträge von 688,90 Euro für Dezember 2011 (364 Euro Regelleistung und 324,90 Euro für die KdU) bzw 698,90 Euro (374 Euro Regelleistung und 324,90 Euro für KdU) hinaus weitere Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich jeweils 13,55 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.6.2012). Die nicht aufgeschlüsselte monatliche Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro hat das SG "bei fehlender Tilgungsbestimmung durch Mieter und Vermieter" hälftig auf die kalten und warmen Betriebskosten aufgeteilt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der konkreten Bestimmung der Angemessenheitsgrenze liege kein "schlüssiges Konzept" des Beklagten zugrunde. Zwar bestünden keine Bedenken gegen die Einbeziehung einer nicht unerheblichen Anzahl von Ein-Raum-Wohnungen, die in Plattenbauweise überwiegend in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts errichtet worden seien und - je nach konkretem Bautyp - eine Wohnungsgröße von ca 26 qm hätten. Mit seiner konkreten, angebots- und nachfrageorientierten Berechnungsweise beachte das IWU aber zahlreiche, für ein schlüssiges Konzept erforderliche "Eckpunkte" nicht ausreichend. In Ermangelung eines schlüssigen Konzepts sei das Gericht grundsätzlich gehalten, anhand der zur Verfügung stehenden Zahlen ein eigenes Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten zu erstellen. Für einen Ein-Personen-Haushalt ergebe sich unter Berücksichtigung des gewichteten Mittelwertes des vom IWU herangezogenen Mietspiegeldatensatzes eine angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 288,45 Euro monatlich. Für die kalten Betriebskosten seien die Durchschnittswerte anzusetzen, die in der kommunalen Bürgerumfrage 2010 auf der Grundlage der Satzung der Landeshauptstadt Dresden vom 21.6.2007 mit durchschnittlich 1,16 Euro pro Quadratmeter ermittelt worden seien.

5

Das LSG hat - nach Anforderung ergänzender Stellungnahmen des IWU vom 23.7.2013, 12.11.2013 und 28.11.2013 (im Folgenden: ergänztes IWU-Gutachten) - die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 19.12.2013). Auf die Anschlussberufung des Beklagten hat es diesen "in Abänderung des Bescheids vom 1.11.2011 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 26.11.2011 und 12.12.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2011 sowie des angenommenen Teilanerkenntnisses des Beklagten vom 27.4.2012 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Dezember 2011 über den bereits bewilligten Betrag von 688,90 Euro und für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Mai 2012 über den bereits bewilligten monatlichen Betrag von 698,90 Euro weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 12,70 Euro monatlich zu zahlen" und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der zuerkannte Betrag setze sich für den Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 aus einer angemessenen Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 294,83 Euro und den vollständigen "tatsächlichen Heizkosten" zusammen, die nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Abrechnungen der Betriebs- und Heizkosten für die Jahre 2011 und 2012 nach dem Verhältnis zwischen den Betriebs- und Heizkosten festzusetzen seien. Unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards habe die Klägerin einen angemessenen Bedarf für Unterkunft (Bruttokaltmiete) in Höhe von 294,83 Euro (gerundeter Quadratmeterpreis von 6,55 Euro bei 45 qm Wohnfläche). Das im Gutachten des IWU niedergelegte Konzept werde den formellen Anforderungen an schlüssige Konzepte zur Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete gerecht. Die Art und Weise der Datenerhebung sei nachvollziehbar und plausibel. Die Datenbasis beruhe auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes. Die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts würden ausreichend berücksichtigt, indem auf die in den Jahren 2009 und 2010 erhobenen Daten des Mietspiegels 2010 sowie der Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und der Einstandsgemeinschaften nach dem SGB XII, die kommunale Bürgerbefragung von August 2010 und amtliche Statistiken zurückgegriffen werde. Zutreffend beziehe das Gutachten nicht nur die tatsächlich am Markt angebotenen, sondern auch vermietete Wohnungen mit Ausschluss der mehr als vier Jahre vor der Datenerhebung vereinbarten Altverträge ein. Der angemessene Quadratmeterpreis sei nach Wohnungsgrößen differenziert und werde unter Berücksichtigung der Bruttokaltmiete angegeben. Anhaltspunkte, die gegen die Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung sprächen, seien nicht erkennbar. Das Gutachten des IWU enthalte auch Angaben über die gezogenen Schlüsse, indem es nach Wohnungsgrößen differenzierte Kappungsgrenzen hinsichtlich der angemessenen Kosten der Unterkunft vorsehe. Auf der Grundlage der Datensätze - nicht der Tabelle - des Mietspiegels 2010 habe das IWU in nachvollziehbarer Weise zunächst ermittelt, welche Datensätze bei der Berechnung der Angemessenheitsgrenze überhaupt berücksichtigt werden dürften, und die in die Berechnung einbezogenen Verträge anhand des Mietpreisindexes im Verbraucherpreisindex für Sachsen inflationiert. In der deskriptiven Auswertung der Quadratmetermieten durch Bildung sogenannter Flächenkorridore errechne das IWU Mittelwerte für die verschiedenen Wohnungsgrößensegmente. Das IWU gehe damit über die vom BSG als schlüssig angesehene Bildung eines gewichteten arithmetischen Mittels hinaus und schaffe Wohnflächenkorridore zur Plausibilisierung der Mietspiegelwerte. Das Modell habe auch Werte zum Ergebnis, die über den Grenzen des vom BSG vorgeschlagenen Berechnungsmodus lägen. Durch die Einbeziehung der abstrakten Verfügbarkeit von Wohnungen bereits bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze biete das IWU-Modell den Vorteil, dass es die Angemessenheitsgrenze nach Wohnungsgrößen differenziert empirisch ableite und nicht lediglich normativ setze. Die Angemessenheitsgrenze liege nach dem Gutachten an der Stelle, wo sich das monatliche Angebot in einem bestimmten Eignungssegment mit der monatlichen Nachfrage durch Leistungsempfänger nach Wohnungen in diesem Segment träfen.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen § 22 Abs 1 SGB II. Die einheitliche Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung müsse hälftig auf die kalten Betriebs- und die Heizkosten aufgeteilt werden. Die Wohnfläche von 50,18 qm sei angemessen und entspreche dem Wert der am 31.12.2009 (ersatzlos) außer Kraft getretenen, auf § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) beruhenden VwV-Ersatzwohnraumförderung, die gegenüber der vom LSG herangezogenen VwV-Wohnflächenhöchstgrenzen vom 7.6.2010 der "bessere Maßstab" sei. Das von dem Beklagten herangezogene Konzept in Gestalt des IWU-Gutachtens erfülle nicht die qualitativen Voraussetzungen, die an ein solches Konzept in sachlicher Hinsicht zu stellen seien. Es sei auch nicht nachbesserungsfähig. Auf der Angebotsseite seien in nicht unerheblicher Zahl "Ein-Raum-Wohnungen" mit einer Wohnungsgröße von ca 26 qm einbezogen worden, die aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu berücksichtigen seien. Soweit sich das IWU zur Ermittlung der Nettokaltmiete neben den Datensätzen des qualifizierten Mietspiegels der Landeshauptstadt Dresden auch auf deren Datensatz über Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II/SGB XII stütze, könne ihm nicht entnommen werden, inwieweit die Hauptdatenmenge der Bedarfsgemeinschaften auf dem aktuellen Stand sei. Der Mehrfachinseratefaktor führe zu systematisch falschen Ergebnissen. Weiter begegne die Einbeziehung der Leerstandreserven Bedenken. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Abfrage des "marktaktiven Leerstandes" auch unzumutbare Sub-Standard-Wohnungen eingeflossen seien. Nicht erkennbar sei, wie sich die Leerstandreserven auf die Eignungs- und Preisklassen verteilten. Schließlich berücksichtige das IWU-Gutachten auf der Nachfrageseite nicht diejenigen Leistungsbezieher, welche aufgrund überhöhter Heizkosten zum Umzug aufgefordert worden seien. Dies führe zu einem unrealistischen Absinken der Angemessenheitsgrenze.

7

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2013 und des Urteils des Sozialgerichts Dresden vom 1. Juni 2012 sowie der Bescheide vom 1. November 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2011 sowie unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 27. April 2012 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 18,90 Euro monatlich zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Das Konzept der Stadt Dresden genüge den Anforderungen des BSG. In den Stellungnahmen des IWU vom 16.2.2012 und 23.7.2013 sei bestätigt worden, dass der Mehrfachinseratefaktor als Korrektiv benötigt werde, weil mehr Wohnungen am Markt leer stünden als frei würden. Die festgelegte, abstrakt angemessene Wohnungsgröße sei nicht zu beanstanden. Zur Aufteilung bei nicht differenziert ausgewiesenen warmen und kalten Nebenkosten ("Gesamtvorauszahlung für die Betriebskosten") existiere keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Seit dem Vorliegen des IWU-Gutachtens würden die Gesamtvorauszahlungen im Verhältnis 48,9 % (warm) zu 51,1 % (kalt) aufgeteilt.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet, weil sie in dem streitigen Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 insgesamt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen kann. Die Urteile der Vorinstanzen, mit denen ihr bereits jeweils höhere SGB II-Leistungen zuerkannt worden sind, waren daher ebenso wie die Bescheide des Beklagten (in der Gestalt des Teilanerkenntnisses beim SG) zu ändern. Unter Berücksichtigung der von dem Beklagten bewilligten bzw anerkannten SGB II-Leistungen von 688,90 Euro für Dezember 2011 bzw 698,90 Euro für die Zeit von Januar 2012 bis Mai 2012 ergibt sich für den streitigen Zeitraum ein von dem Beklagten noch zu zahlender Betrag in Höhe von 17,73 Euro monatlich. Der von dem Beklagten noch zu leistende Betrag ergibt sich aus einem Anspruch auf höhere SGB II-Leistungen für den Heizkostenbedarf der Klägerin (siehe hierzu unter 9.). Im Übrigen ist das Berufungsgericht auf der Grundlage des ergänzten Gutachtens des IWU, das der Beklagte als sein Konzept zur Ermittlung der Referenzmiete zugrunde legt, zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Bruttokaltmiete in Höhe von 294,83 Euro monatlich hat. Sie kann daher - gegenüber dem vom LSG ausgeurteilten und von dem Beklagten nicht mit der Revision angefochtenen Betrag von 12,70 Euro monatlich - insgesamt höhere Leistungen beanspruchen, jedoch nicht in dem von ihr im Revisionsverfahren beantragten Umfang. Insoweit ist ihre Revision zurückzuweisen.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012, als in den Bescheiden des Beklagten vom 1.11.2011, 26.11.2011 und 12.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2011 und dem angenommenen Teilanerkenntnis des Beklagten vom 27.4.2012 mit einem Betrag von 688,90 Euro monatlich (Dezember 2011) bzw 698,90 Euro monatlich (Januar bis Mai 2012) bewilligt bzw zuerkannt worden sind. Mit ihrem Antrag im Revisionsverfahren begehrt die Klägerin für diesen Zeitraum weitere SGB II-Leistungen in Höhe von 18,90 Euro anstelle des vom Berufungsgericht ausgeurteilten Betrags in Höhe von 12,70 Euro.

12

2. Da die Klägerin ihre zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl zu dieser Möglichkeit zuletzt Urteil des Senats vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 16 mwN), sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt im Streit; der geltend gemachte Anspruch ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen. Es bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel, dass die Leistungsvoraussetzungen für die begehrten höheren SGB II-Leistungen an die erwerbsfähige, einkommens- und vermögenslose sowie alleinstehende Klägerin vorliegen. Ihr steht ein Regelbedarf gemäß § 20 Abs 2 SGB II in der Zeit vom 1.12.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von monatlich 364 Euro und ab 1.1.2012 in Höhe von 374 Euro zu. Mehrbedarfe sind nach den Feststellungen des LSG nicht zu berücksichtigen. Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 342,63 Euro.

13

3. Rechtsgrundlage für die streitige Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung sind die §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453). Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - RdNr 17; BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 18). Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 19 mwN).

14

Um eine diesen Erfordernissen genügende Tatsachenfeststellung zu ermöglichen, haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate verallgemeinerbare (dh nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw Prüfungsmaßstäbe aufgestellt, die Raum für die Berücksichtigung von regionalen Bedingungen lassen. Insofern muss zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie festgelegt werden, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Im Anschluss ist unter Anwendung von verfahrens- und materiell-rechtlichen Kriterien nach einem revisionsrechtlich begrenzt überprüfbaren schlüssigen Konzept von dem Grundsicherungsträger und den Tatsacheninstanzen zu ermitteln, wieviel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis).

15

4. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG zutreffend mit 45 qm bestimmt. Zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße hat das BSG in erster Linie auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 WoFG festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 12). Das Bundesland Sachsen hatte in dem hier streitigen Zeitraum von Dezember 2011 bis Mai 2012 jedoch keine Ausführungsbestimmungen zu § 10 WoFG erlassen. Für diese Fallgestaltungen hat das BSG bereits entschieden, dass mit Rücksicht auf Rechtssicherheit und Praktikabilität die Heranziehung anderweitiger aktueller Verwaltungsregelungen zur Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße vertretbar ist (vgl zu Sachsen BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15).

16

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das LSG zutreffend die am 16.7.2010 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz zur Regelung von Wohnflächenhöchstgrenzen vom 7.6.2010 - VwV-Wohnflächenhöchstgrenzen (SächsABl Nr 28, S 963) zu § 18 des sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuchs vom 6.6.2002 (SächsGVBl 9/2002, S 168, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.1.2012 <SächsGVBl 4/2012, S 130>) - zugrunde gelegt. Entgegen der Ansicht der Klägerin scheidet es aus, weiterhin auf die Werte der am 31.12.2009 außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschrift zur Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen als Ersatzwohnraum im Rahmen des Stadtumbaus vom 27.6.2005 (SächsABl S 682) - VwV-Ersatzwohnraumförderung - zurückzugreifen. Eine Heranziehung dieser Verwaltungsvorschrift trotz ihres Außerkrafttretens hat der 14. Senat des BSG (vgl Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 86/09 R - RdNr 16) nur deshalb für vertretbar gehalten, weil andere aktuellere Vorschriften in dem dort streitigen Zeitraum nicht existierten.

17

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben betont, dass dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine überragende Bedeutung zukomme. Bereits mit dem Rückgriff auf die Werte nach § 10 WoFG werde bewusst in Kauf genommen, dass sich die Werte möglicherweise nicht immer daran orientierten, welche Größe eine Wohnung mit bescheidenem Zuschnitt haben müsse(vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 19; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 70/08 R - RdNr 15). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Unabhängig hiervon hat das LSG auch die vergleichbaren angemessenen Wohnflächen für Alleinstehende in anderen Bundesländern berücksichtigt und gewürdigt, dass die Schaffung einer Rechtsverordnung bzw Verwaltungsvorschrift zu § 10 WoFG in Sachsen derzeit abgelehnt werde, weil aufgrund des Überangebots an Wohnungen in Sachsen kein Bedarf an einer Regelung zur Wohnungsförderung bestehe.

18

5. Das LSG hat bei seiner Prüfung des Konzepts der Stadt Dresden auf der Grundlage des ergänzten IWU-Gutachtens auch zu Recht zugrunde gelegt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommenden Wohnungen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen müssen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen, und dass Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 21 mwN). Der Einwand der Klägerin, das ergänzte IWU-Gutachten erfülle nicht die qualitativen Voraussetzungen an ein schlüssiges Konzept, weil vorab keine Wohnwertmerkmale definiert worden seien, greift nicht durch.

19

Ein "verfahrensrechtliches Erfordernis", sämtliche Wohnwertmerkmale regelmäßig und unabhängig von der Art des schlüssigen Konzepts in einem vorgeschalteten Schritt abschließend zu definieren, haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG nicht formuliert. Die von der Rechtsprechung des BSG festgelegten und zwingend in die Ermittlung einer angemessenen Bruttokaltmiete ("Referenzmiete") einzubeziehenden Ausstattungskriterien sind zwar bei der Prüfung der Schlüssigkeit von Konzepten allein anhand von Mietspiegeldaten überwiegend bereits vorab bei der Entscheidung zur Ausklammerung bestimmter Mietspiegeldaten berücksichtigt worden (zB Herausnahme von "guten Wohnlagen" aus den jeweiligen Mietspiegeldatensätzen). Je nach der Art der von den SGB II-Trägern im Rahmen ihrer Methodenfreiheit entwickelten Konzepte ist es jedoch ausreichend, wenn die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") im Ergebnis beachtet worden sind. Dies ist hier der Fall.

20

So ist vom IWU bei der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete ua durch die Auswertung der Neuvertragsmieten auf der Grundlage der Daten des qualifizierten Mietspiegels für die Stadt Dresden in einem ersten Schritt durch den Ausschluss unzumutbarer Wohnungen ohne Sammelheizung bzw Bad gewährleistet worden, dass diese Wohnungen nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Insofern sind im unteren Segment Wohnungen mit einem nicht zumutbaren Ausstattungsstandard ausgeschlossen worden, während gleichzeitig beim oberen Wohnstandard keine Ausklammerungen von Mietspiegeldatensätzen erfolgt sind. Dem methodischen Ansatz des IWU folgend, der eine Zusammenführung mehrerer Datenquellen zur Festlegung einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Häufigkeit von Angebot und Nachfrage pro Monat beinhaltet, hat das Berufungsgericht jeweils geprüft, ob die Berechnungsschritte des IWU oder die herangezogenen Datenquellen im Ergebnis dazu führen, dass bestimmte Wohnwertmerkmale nicht (mehr) ausreichend berücksichtigt werden. Dies betrifft insbesondere die noch zumutbare Größe der einbezogenen Wohnungen und deren Verteilung im Vergleichsraum sowie die mögliche Gefahr eines Rückgriffs auf Wohnungen eines zu niedrigen Wohnstandards durch die Einbeziehung struktureller Leerstände.

21

6.a) Das Berufungsgericht hat geprüft, ob das von dem Beklagten zur Festlegung einer angemessenen Bruttokaltmiete beauftragte und ergänzte Gutachten des IWU die von der Rechtsprechung entwickelten Rahmenbedingungen für schlüssige Konzepte erfüllt. Bei seiner Würdigung des nachgebesserten Konzepts hat das LSG die Rechtsprechung des BSG zu den generellen Anforderungen an die Schlüssigkeit von Konzepten zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete zugrunde gelegt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 26 mwN). Es hat im Einzelnen geprüft, ob die vom BSG festgelegten Mindestvoraussetzungen erfüllt werden. Dabei ist es mit ausführlicher Begründung und im Rahmen seiner tatrichterlichen Beweiswürdigung (§ 163 SGG)zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass dies der Fall ist.

22

Im Rahmen seiner Methodenfreiheit konnte der Beklagte das Konzept des IWU zur empirischen Ableitung der angemessenen Bruttokaltmiete unter Einbeziehung der Nachfrageseite wählen. Es bestehen keine Bedenken grundsätzlicher Art gegen den methodischen Ansatz des IWU, das die Referenzmiete auf der Basis der Daten des qualifizierten Mietspiegels für die Stadt Dresden sowie des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen (Angebotsseite) und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII (Nachfrageseite) ermittelt.

23

Soweit die Daten der Bestandsmieten der Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII als nachfrage- und preisrelevanter Faktor in die Ermittlung der abstrakt noch angemessenen Quadratmetermiete für das einfache Segment einbezogen werden, finden weitere Modifizierungen, insbesondere die Einbeziehung der Nachfragekonkurrenz nach preiswertem Wohnraum durch andere Niedrigeinkommensbezieher, statt. Es handelt sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht um ein "reines Marktmodell", weil gleichzeitig als Daten des qualifizierten Mietspiegels die "Neuvertragsmieten" sämtlicher von den Mietspiegelerhebungen erfasster Personen bei der Festlegung der "Angebotspreise" einbezogen worden sind. Ein - vom BSG nicht gebilligter - "Zirkelschluss" findet daher nicht statt. Die Referenzmiete ist nicht allein aufgrund der Daten der Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII ermittelt worden.

24

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es - im Rahmen der vom BSG anerkannten Methodenfreiheit bei der Erstellung von schlüssigen Konzepten - zunächst Aufgabe der Grundsicherungsträger ist, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Legt ein Grundsicherungsträger ein auf die regionalen Verhältnisse abgestimmtes Konzept zur Ermittlung der Referenzmiete vor, das nach Ansicht der Tatsacheninstanzen Mängel aufweist, ist der SGB II-Träger zunächst zur Nachbesserung aufzufordern (vgl zu diesem Erfordernis: BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - RdNr 22; Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R -SozR 4-4200 § 22 Nr 34 RdNr 29; Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 59, RdNr 5, 21). Solche Nachbesserungen (Integration der Single-Bedarfsgemeinschaften unter 25 Jahren, Ermittlung der Nachfragekonkurrenz anhand der kommunalen Bürgerumfrage und nicht anhand des Mikrozensus, korrekte Berücksichtigung der "Kostensenkungsfälle" auf der Nachfrageseite, Reintegration eines einheitlichen Mehrfachinseratefaktors von 1,42) hat das IWU hier nach Aufforderung durch das LSG vorgenommen.

25

b) Soweit es das Berufungsgericht unbeanstandet gelassen hat, dass aufgrund der vom IWU gewählten Methodik und der einbezogenen Daten im Ergebnis auch Wohnungen mit einer geringen Quadratmeterzahl in die Festlegung der Referenzmiete eingeflossen sind, ist dies von seiner tatrichterlichen freien Beweiswürdigung bei der Bestimmung des einfachen Wohnstandards umfasst. Die Festlegung des Untersuchungsgegenstandes erfolgt auch hinsichtlich der Ermittlung des Quadratmeterpreises vor dem Hintergrund der jeweils unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten in den verschieden geprägten Vergleichsräumen (vgl BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 24 mwN). Die Frage, welche Wohnungen wegen einer unzumutbaren Wohnungsgröße bei der Ermittlung der Referenzmiete nach der Produkttheorie ausgeklammert werden, kann regelmäßig nicht generell beantwortet werden, sondern ist von den Tatsacheninstanzen unter Beachtung der regionalen Verhältnisse im Vergleichsraum zu bestimmen. Diese Tatsachenfeststellungen sind der revisionsgerichtlichen Überprüfung weitgehend entzogen.

26

Dies betrifft hier zunächst die Bildung von Flächenkorridoren von 20 qm um die jeweils (nach Personenzahl) abstrakt angemessene Wohnungsgröße nach der VwV-Wohnflächenhöchstgrenzen zur Sicherung einer ausreichend großen Fallzahl für die quadratmeterbezogene Auswertung der Mietspiegel-Neuvertragsmieten. Wie das LSG weiter begründet, ist die Einbeziehung von kleineren Wohnungen an den für den Mietspiegel Dresden regelmäßig erhobenen Kategorien orientiert. Entsprechend hat das IWU bei der Häufigkeitsanalyse von Wohnungsangeboten nach verschiedenen Eignungsklassen als für 1-Personen-Haushalte (Eignungsklasse I) zumutbare Wohnungen von 24 qm bis 45 qm einbezogen. Die faktische Berücksichtigung von Wohnungen mit geringer Größe ist nach den Ausführungen des LSG dem regional besonderen Umstand geschuldet, dass auf der Angebotsseite im Vergleichsraum der Stadt Dresden eine nicht unerhebliche Anzahl von Ein-Raum-Wohnungen vorhanden sind, die eine Wohnungsgröße ab 26 qm aufweisen. Die tatrichterliche Wertung, dass dieser Wohnungstyp schon durch seine Häufigkeit als prägend für einfache und bescheidene, aber gleichwohl zumutbare Wohnbedürfnisse im Vergleichsraum angesehen werden könne, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

c) Ebenso hat das LSG zu Recht keine grundlegenden Bedenken dagegen formuliert, dass beim Vorhandensein von angemessenen Wohnungen in allen Ortsamtsbezirken der Landeshauptstadt Dresden (siehe Tabelle 4 der ergänzenden Stellungnahme des IWU vom 9.5.2012) und einer Verteilung auf das Stadtgebiet entsprechend der Abbildung 1 der ergänzenden Stellungnahme vom 9.5.2012 keine Gefahr einer Ghettoisierung bestehen könne. Es sind - wie vom BSG gefordert - nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen. Vielmehr sind die Daten über das gesamte Stadtgebiet Dresden erhoben worden (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist daher nicht festzustellen. Das Berufungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass das BSG das Risiko einer Ghettoisierung angesichts von angemessenen Wohnungen in 18 von 26 Stadtbezirken des örtlichen Vergleichsraums der Stadt München verneint hat (BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 29). Mit ihrem Hinweis auf die Belegungsrechte der Stadt Dresden, die sich auf 5 von 99 Stadtteilen konzentrierten, hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die Tatsachenfeststellungen des LSG zur Verteilung der Wohnungen im Vergleichsraum vorgebracht.

28

d) Soweit die Klägerin Einwände gegen die Einbeziehung der strukturellen Leerstände (also von solchen außerhalb der normalen Fluktuationsreserve von ca 3 %) in der Stadt Dresden auf der Angebotsseite vorbringt, hat sich das LSG auch hiermit befasst. Zu den von ihr thematisierten Bedenken, dass bei der Abfrage des "marktaktiven Leerstandes" möglicherweise auch unzumutbare Sub-Standard-Wohnungen eingeflossen seien, hat es auf die Ausführungen in der ergänzenden Stellungnahme des IWU vom 17.5.2013 Bezug genommen. Dieses hat darauf hingewiesen, dass sich die Wohnungsbestände der zur Ermittlung der strukturellen Leerstände allein befragten professionellen Wohnungsunternehmen nur auf die Baujahre ab 1918 - mit deutlichen Schwerpunkten zwischen 1949 und 1989 - bezögen und in diesen Baualtersklassen Bad und Heizung technischer Standard seien. Soweit nicht ausgeschlossen werden könne, dass in geringster Menge auch Sub-Standard-Wohnungen in die Auswertung gelangt seien, sei dies von quantitativer Irrelevanz. Bei jeder empirischen Untersuchung mögliche Fehler in Einzelfällen, zB durch fehlerhaftes Ausfüllen von Fragebögen, stellten keinen Hinderungsgrund für einen Rückgriff auf diese Untersuchungen dar, solange diese Fehler nicht systematisch vorlägen, was hier nicht der Fall sei. Diese Beweiswürdigung hat die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Auch liegen den Wertungen des Berufungsgerichts keine die generellen Anforderungen an ein schlüssiges Konzept betreffende Rechtsfehler zugrunde.

29

e) Mit dem Vorbringen der Klägerin, dass der Mehrfachinseratefaktor von 1,42 - dieser berücksichtigt als die Angebotsseite betreffender Umrechnungsfaktor, dass eine Wohnung im Mittel im Zuge einer Wiedervermietung dem Wohnungsmarkt länger als einen Monat zur Verfügung steht - zu systematisch falschen Ergebnissen führe, hat sich das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen ebenfalls bereits auseinandergesetzt. Es hat zu Recht keine durchgreifenden Bedenken gegen die Berücksichtigung eines einheitlichen Mehrfachinseratefaktors geäußert. Die ergänzende Stellungnahme des IWU vom 23.7.2013, wonach sämtliche in diese Berechnung eingeflossenen Daten der Metadatenbank "www.immodaten.net" entnommen worden seien und ausschließlich das Jahr 2009 sowie den örtlichen Vergleichsraum Dresden beträfen, wiederlegen - wie vom LSG zutreffend angenommen - die behauptete systematische Verfälschung der Ergebnisse. Dies hat sich auch bei der vom LSG im Wege der Nachbesserung vom beklagten SGB II-Träger geforderten Differenzierung nach Wohnungsgrößen gezeigt. Signifikante Unterschiede haben sich nicht ergeben.

30

f) Die weitere Rüge der Klägerin, dass in die Berechnungen des IWU bei der Bestimmung des Umfangs der Nachfragekonkurrenz auch vergleichsraumübergreifende Daten eingeflossen seien, greift nicht durch. Das vom BSG aufgestellte Verbot der Einbeziehung vergleichsraumübergreifender Daten gilt zwar für die Häufigkeitsverteilung der Grundmieten, nicht aber für Hilfsgrößen, die in empirischer, nicht normativer Sicht herangezogen werden, um die ermittelten Werte plausibel zu machen. Auch der von der Klägerin gerügte "nicht aktuelle Stand" der in die Nachfragekonkurrenz einbezogenen Daten von Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften betrifft nicht die Prüfkompetenz des Revisionsgerichts. Der Senat überprüft ausschließlich, ob die generellen Anforderungen an schlüssige Konzepte beachtet worden sind. Das Vorbringen der Klägerin, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass trotz Kappung der Kosten stets alle Mietänderungen und Änderungen der Nebenkosten mitgeteilt würden, auch müssten auf der Nachfrageseite Leistungsbezieher mit Umzugsaufforderung wegen überhöhter Heizkosten berücksichtigt werden, beinhaltet eine Rüge der Tatsachenfeststellungen des LSG. Insoweit sind Verfahrensfehler von der Klägerin nicht hinreichend dargetan. Unabhängig hiervon muss hingenommen werden, dass nicht immer alle Daten auf dem aktuellsten Stand sind, solange den örtlichen Verhältnissen entsprechende regelmäßige Nach- und Neuerhebungen erfolgen, was hier der Fall ist.

31

7. Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht im Ergebnis auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453). Danach sind die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Subjektiv möglich sind einem Leistungsberechtigten Kostensenkungsmaßnahmen nur dann, wenn er Kenntnis von der Obliegenheit zu Kostensenkungsmaßnahmen hat (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19).

32

Auf die fehlende Kenntnis des Erfordernisses von Kostensenkungsmaßnahmen kann sich die Klägerin nicht berufen. Unabhängig von den Angaben im Schreiben des Beklagten vom 7.4.2008 waren der Klägerin nach den hier gegebenen Einzelfallumständen jedenfalls im streitigen Zeitraum der Jahre 2011/2012 die aus Sicht des Beklagten angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und die Obliegenheit zur Kostensenkung seit längerer Zeit bekannt. Eine weitere Kostensenkungsaufforderung war nicht erforderlich, weil durch die vorhandenen schriftlichen Unterlagen der Zweck, die Klägerin aufzuklären und zu warnen, erreicht war (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 18; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 39).

33

8. Das Berufungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis unter Einschluss eines Referenzwertes für die kalten Betriebskosten erfolgen muss (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 70 RdNr 31 mwN) und hat hier als vorrangig zu berücksichtigende örtliche Übersicht (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34) die Bürgerumfrage 2010 herangezogen. Diese weist für die abstrakt angemessenen Betriebskosten einen Betrag von durchschnittlich 1,16 Euro/qm aus.

34

9. Die für die Heizkosten vorgesehene Prüfung der abstrakten Angemessenheit - getrennt von der Prüfung der Angemessenheit der Bruttokaltmiete (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23) - ergibt aber einen höheren Betrag für monatliche Heizkosten für den streitigen Zeitraum vom 1.12.2011 bis 31.5.2012. Das LSG hat auf der Grundlage der zeitlich erst deutlich nach dem streitigen Zeitraum erfolgten Abrechnungen der kalten und warmen Nebenkosten einen zu geringen Betrag für Heizkosten angesetzt. Insofern ist hier die Besonderheit zu beachten, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum ausweislich ihres Mietvertrags zu einer nicht näher aufgeschlüsselten monatlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro verpflichtet war. Zugleich besteht der Anspruch auf Leistungen für Heizung als Teil der Gesamtleistung grundsätzlich in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69). Da die Höhe der konkret-individuellen Aufwendungen für die Heizung aufgrund der einheitlichen Vorauszahlung der monatlichen Betriebs- und Heizkosten im streitigen Zeitraum nicht beziffert waren, sind diese in einem ersten Schritt in der Weise zu berechnen, dass von den einheitlichen Vorauszahlungen von monatlich 100 Euro die abstrakt angemessenen Betriebskosten in Höhe von 1,16 Euro/qm abzusetzen sind. Der verbliebene Betrag in Höhe von 47,80 Euro ist den Heizkosten zuzurechnen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Werte unter den Beträgen aus den bundesweiten Heizspiegeln für 2011 und 2012 verbleiben, was hier der Fall ist.

35

Die Berechnungen der zu übernehmenden ("tatsächlichen") Heizkosten auf der Grundlage der nachträglichen Abrechnungen - wie vom LSG vorgenommen - mit den Ergebnissen für Heizkosten in Höhe von 39,93 Euro für 2011 und 38,98 Euro für 2012 hätten die Konsequenz, dass die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem streitigen Zeitraum nicht gedeckt wären. Berücksichtigungsfähige Kosten für Unterkunft und Heizung sind aber die monatlichen Abschlagszahlungen gegenüber dem Vermieter, grundsätzlich unabhängig von eventuell später erfolgenden Erstattungen oder Nachforderungen von Betriebs- oder Heizkosten. Dies beruht auf dem für die KdU geltenden Grundsatz, dass an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses angeknüpft wird. Ausreichend für das Bestehen eines Bedarfs ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - RdNr 15). Bezogen auf die Warmwasserkosten hat der 14. Senat des BSG bereits entschieden, dass nachträglich erteilte Betriebskostenabrechnungen keine Auswirkungen auf die allein bedarfsrelevanten Vorauszahlungen haben (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 52/09 R - RdNr 23). Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung auch erst nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift (§ 22 Abs 3 SGB II) und sind daher erst zu einem späteren Zeitpunkt nicht als Bedarf, sondern als bedarfsminderndes Einkommen im jeweiligen Fälligkeitsmonat zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 139/11 R - BSGE 110, 294 = SozR 4-4200 § 22 Nr 55).

36

Es ergeben sich demnach insgesamt höhere als vom SG und LSG zugesprochene KdU (für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.12.2011: Regelbedarf 364 Euro zzgl Bruttokaltmiete in Höhe von 294,83 Euro zzgl Heizkosten in Höhe von 47,80 Euro = 706,63 Euro; für die Zeit vom 1.1.2012 bis 31.5.2012: Regelbedarf in Höhe von 374 Euro zzgl Bruttokaltmiete in Höhe von 294,83 Euro zzgl Heizkosten in Höhe von 47,80 Euro = 716,63 Euro). Hiervon sind die bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 688,90 Euro bzw 698,90 Euro abzusetzen. Es ergeben sich die ausgeurteilten Differenzbeträge.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen zustehen.

2

Die alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine 48 qm große Wohnung in München. Sie hatte eine mietvertragliche Verpflichtung in Höhe von 745 Euro (690 Euro Nettokaltmiete zzgl 55 Euro Betriebskosten) monatlich. Die Vorauszahlung für die Gasversorgung betrug 97 Euro im Monat (lediglich im Februar 2008: 107 Euro wegen einer Nachforderung; Bruttowarmmiete 835,67 Euro).

3

Ende August 2006 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihre Nettokaltmiete die zulässige Höchstgrenze von 397,30 Euro monatlich überschreite. Die Klägerin wurde aufgefordert, sich bis Ende Februar 2007 um eine Minderung der Unterkunftskosten zu bemühen. Ab dem 1.3.2007 werde die Unterkunftsleistung auf die angemessene Höhe abgesenkt.

4

Für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.5.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II, welches Leistungen für KdUH in Höhe von 813 Euro monatlich umfasste (Bescheid vom 29.11.2006 idF des Bescheides vom 19.12.2006). Ab 1.3.2007 senkte er die Leistungen für die Kaltmiete auf die von ihm als angemessen befundene Mietobergrenze herab (Bescheide vom 13.2.2007). Für den Zeitraum bis 31.5.2007 hat das LSG mit dem hier angefochtenen Urteil vom 11.7.2012 diese Entscheidung des Beklagten aufgehoben. Hiergegen sind die Beteiligten nicht in die Revision gegangen.

5

Für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.11.2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin schlussendlich Leistungen für KdUH in Höhe von 496,45 Euro für ihre brutto-kalten Mietaufwendungen (441,45 Euro Nettokaltmiete + 55 Euro Betriebskosten) und übernahm im Verlaufe des Gerichtsverfahrens ihre Aufwendungen für Gas abzüglich der Warmwasserpauschale in tatsächlicher Höhe (Bescheid vom 23.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2007 und des Änderungsbescheides vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009). Ebenso verfuhr der Beklagte für den Zeitraum vom 1.12.2007 bis zum 31.5.2008 (Bescheid vom 22.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.9.2008). Durch Bescheid vom 7.5.2008 (in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.4.2009) setzte der Beklagte diese Praxis für den Leistungszeitraum vom 1.6.2008 bis zum 30.11.2008 zunächst fort. Ab dem 1.7.2008 erhöhte er jedoch den Leistungsanteil für die Bruttokaltmiete der Klägerin auf 504,21 Euro (Nettokaltmiete 449,21 Euro + 55 Euro kalte Nebenkosten) und wies unter Einbeziehung dieser Änderung (Bescheid vom 3.7.2008) den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 25.9.2008 zurück (idF der Änderungsbescheide vom 15.12.2008 und 29.4.2009).

6

Das SG hat die miteinander verbundenen Klagen auf Übernahme der tatsächlichen Mietaufwendungen abgewiesen (Urteil vom 26.11.2009). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert. Soweit es den Zeitraum vom 1.3. bis 31.5.2007 betrifft, hat es die Bescheide wie benannt aufgehoben. Zudem hat es den Beklagten unter Abänderung der weiteren Bescheide verurteilt, der Klägerin über die bereits bewilligten Leistungen hinaus KdUH in Höhe von 9,88 Euro für den Monat Februar 2008 - für eine Heizkostennachforderung - und in Höhe von jeweils 0,12 Euro für die Monate Juli bis November 2008 wegen unzutreffender Anwendung der Rundungsregelung zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Zwar fehle es dem Beklagten an einem schlüssigen, nachvollziehbaren Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdUH iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die vom Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt übernommenen Aufwendungen der Klägerin für die Bruttokaltmiete in Höhe von 496,45 Euro im Zeitraum vom 1.6.2007 bis zum 30.6.2008 und 504,21 Euro im Zeitraum vom 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 seien jedoch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. G K angemessen gewesen. Die für den Mietspiegel 2007 der Stadt München erhobenen und vom Sachverständigen ausgewerteten Daten betreffend Wohnungen "um die 50 qm" - in der Gestalt von gewichteten 243 Wohnungen zwischen 46 und 54 qm - bildeten eine geeignete Grundlage zur Berechnung der angemessenen Aufwendungen für die Bruttokaltmiete iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Erfassung lediglich von Bestandsmieten und die Nichtberücksichtigung preisgebundenen Wohnraums stünden dem nicht entgegen. Zudem beruhe der Mietspiegel 2007 auf dem für den streitgegenständlichen Zeitraum aussagekräftigsten Zahlenmaterial, welches selbst auf einer repräsentativen Stichprobe fuße. Die Auswertung des Datenmaterials durch den Sachverständigen habe unter Anwendung statistisch anerkannter Methoden stattgefunden und ergeben, dass mit den gewährten Mitteln ausreichend angemessener Wohnraum im Stadtgebiet München gefunden werden könne. Es drohe auch keine Konzentration von Leistungsempfängern in bestimmten sozialen Brennpunkten/Stadtbezirken. Ebenso wenig könne unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der Klägerin festgestellt werden, dass eine abstrakt angemessene Wohnung nicht tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt hätte angemietet werden können. Zutreffend erfolgt sei auch der Abzug der Warmwasserpauschale aus den vom Beklagten übernommenen monatlichen Abschlägen für die Versorgung der Klägerin mit Erdgas (Urteil vom 11.7.2012).

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff der Angemessenheit des § 22 SGB II rechtsfehlerhaft angewandt. Zutreffende Konsequenz aus der Feststellung, der Beklagte verfüge über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Miete, hätte die Annahme einer Unmöglichkeit zur Kostensenkung sowie der Verurteilung zur Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen sein müssen. Die vom Beklagten herangezogene Mietobergrenze sei zu gering. Bei seinen Ermittlungen habe das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht zutreffend umgesetzt. Die erhobenen und ermittelten Daten seien nicht repräsentativ. Zudem käme es bei Übertragung der Daten zu einer "Ghettoisierung". Die Annahme, zur gewährten Mietobergrenze sei 1/5 der Wohnungen in München generell zu diesem Preis verfügbar, sei unzutreffend. Bereits die dem Sachverständigen gestellten Fragen seien teilweise problematisch. Die Beweisanordnung sei schon durch die Bezugnahme auf den Mietspiegel vorbestimmt gewesen. Das LSG habe bei der Fragestellung antizipiert, dass die Rohdaten des Mietspiegels und eine diesbezügliche Konzentration auf 20 % des maßgeblichen Wohnraums geeignet seien, ein zutreffendes Bild des Mietmarkts im streitgegenständlichen Zeitraum zu zeichnen. Die 20 %-Grenze sei willkürlich gezogen. Tatsächlich dürften nicht nur 5,3 % der Gesamtbevölkerung Wohnungen im unteren Marktsegment suchen, sodass ein Verweis auf die vom LSG in die Auswertung nicht einbezogenen Sozialwohnungen problematisch sei. Dies zeige sich bereits daran, dass nicht Ortsansässige auf solche Wohnungen mindestens fünf Jahre warten müssten. Im Gutachten unberücksichtigt geblieben seien auch Aspekte, die zu einer Erhöhung der Quadratmeterpreisberechnung geführt hätten, wie zB ein Zuschlag für eine Küche. Auch bei absoluter Betrachtung sei die Stichprobe viel zu gering, um daraus die Verfügbarkeit von Wohnraum ableiten zu können. Es gäbe auf dem Münchener Mietmarkt nicht etwa 20 % Wohnungen um 50 qm, sondern nur zwischen 1,31 % und 4,8 %. Das LSG habe zudem in entscheidungserheblicher Art und Weise gegen § 103 SGG verstoßen, indem es einem Antrag auf Vernehmung des Haus- und Grundbesitzervereins München und Umgebung eV, gesetzlich vertreten durch Rechtsanwalt S, als Sachverständigen keine Folge geleistet habe. Das LSG habe auch, obwohl die Klägerin nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, keinerlei Hinweis darauf gegeben, dass eine weitere Beweisaufnahme aus seiner Sicht entbehrlich sei.

8

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 2012 und Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 26. November 2009 sowie Änderung der Bescheide des Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14. August 2007, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 sowie des Änderungsbescheides vom 29. April 2009, des Bescheides vom 22. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. April 2009 und des Bescheides vom 7. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Juli 2008, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15. Dezember 2008 sowie 29. April 2009, zu verurteilen, ihr über die bereits im Urteil des Landessozialgerichts zuerkannten Leistungen hinaus für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Mietzahlungsverpflichtung zu gewähren.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Das LSG sei der Rechtsprechung des BSG gefolgt, als es selbst Ermittlungen zur Angemessenheit der Mietobergrenze vorgenommen habe. Die Zugrundelegung einer 20 %-Grenze durch das LSG fülle das durch die Rechtsprechung des BSG vorgegebene "untere Marktsegment" aus. Zudem habe das LSG keine Abschläge bei der Miete berücksichtigt, sondern dies vielmehr für unzulässig erachtet. Die erhobenen Daten seien entgegen der Auffassung der Klägerin auch repräsentativ. Regressionsmietspiegel, wie der für München erstellte, kämen mit einer kleineren Stichprobe als sog Tabellenmietspiegel aus. Die im Mietspiegel erfassten Bestandsmieten seien lediglich solche aus den letzten vier Jahren vor der Stichprobe. Die Daten für den Mietspiegel seien zwar im Auftrag der Stadt München, aber durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut erhoben und ausgewertet worden.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

Die Entscheidung des LSG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat der Klägerin schlussendlich im hier streitigen Zeitraum Leistungen für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe iS des § 22 Abs 1 SGB II erbracht.

13

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1.6.2007 bis 30.11.2008, als sie in den Bescheiden des Beklagten für die Zeiträume vom 1.6.2007 bis 30.11.2007, 1.12.2007 bis 31.5.2008 und 1.6.2008 bis 30.11.2008 festgestellt worden sind.

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Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum ab dem 1.3.2007. Der erkennende Senat brauchte daher nicht darüber zu befinden, ob sich das LSG zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder nicht § 48 SGB X hätte zugrundelegen müssen. Denn es liegt nahe, bei der Umsetzung einer angekündigten Absenkung der Leistungen für Unterkunft von einer Änderung der rechtlichen Verhältnisse auszugehen. Die Klägerin hat sich jedoch in ihrer Revision nicht gegen die Höhe der Leistungen in diesem Zeitraum gewandt - obwohl sie niedriger waren, als ihre tatsächlichen Aufwendungen - und der unterlegene Beklagte ist nicht in die Revision gegangen. Das Urteil des LSG ist insoweit rechtskräftig geworden.

15

Ebenfalls rechtskräftig geworden ist die Entscheidung des LSG im Hinblick auf die zu Lasten des Beklagten vorgenommene Anwendung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) und die Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 9,88 Euro für die Gaskostennachforderung im Monat Februar 2008. Der Beklagte ist auch hiergegen nicht in die Revision gegangen.

16

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Anfechtungs- und Leistungsklage auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt hat (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl auch BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11). Hieran hat sich - wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat - durch die Neufassung des § 19 SGB II aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) für laufende Verfahren über vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - wie es auch hier der Fall ist - nichts geändert (BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 11; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

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3. An dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 22 SGB II an die einkommens- und vermögenslose, alleinstehende Klägerin bestehen nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG keine Zweifel.

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4. Die der Klägerin von dem Beklagten bewilligten Leistungen für Unterkunft in Höhe von 496,45 Euro für ihre Mietaufwendungen (brutto/kalt) ab dem 1.6.2007 und 504,21 Euro (ebenfalls brutto/kalt) ab dem 1.7.2008 bis zum 30.11.2008 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Rechtsgrundlage für die hier umstrittene Höhe der Leistungen sind §§ 19, 22 SGB II. Danach werden im Rahmen des Alg II Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2005 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als im Hinblick auf den pauschalierten Regelbedarf - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die Leistungen nicht in beliebiger Höhe zu erbringen, sondern nur insoweit, als die tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung angemessen sind. Die Angemessenheit begrenzt somit die zu erbringenden Leistungen der Höhe nach. Die Begrenzung der Leistungen für KdU - die Aufwendungen der Klägerin für Heizkosten hat der Beklagte schlussendlich in tatsächlicher Höhe abzüglich der Warmwasserpauschale erbracht - ab dem 1.6.2007 auf die vom Beklagten befundene Höhe ist im vorliegenden Fall rechtmäßig.

19

a) Die Angemessenheitsprüfung hat unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen. Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 12). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist daher auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - juris RdNr 17). Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist.

20

aa) Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße hat das LSG hier zutreffend mit 50 qm bestimmt. Es hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 12). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Der erkennende Senat sieht diesen Anknüpfungspunkt zwar als problematisch an (vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ist aber wenigstens solange, wie nicht eine Satzung über die angemessenen KdU iS von §§ 22a ff SGB II vorliegt, in welcher grundsätzlich andere Wohnraumgrößen festgelegt werden können(vgl § 22b Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), an diesem Maßstab festzuhalten. Nach den Bestimmungen des Freistaates Bayern in den Wohnraumförderbestimmungen (Wohnraumförderbestimmungen der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 11.11.2002 und vom 4.12.2007 ) ist auch für die Stadt München eine angemessene Wohnungsgröße von 50 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

21

bb) Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass die für Leistungsberechtigte infrage kommende Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen muss, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 13). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen. Das BSG hat jedoch auch klargestellt, dass die Referenzwohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand gehören, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung auch der hinter einem qualifizierten Mietspiegel stehenden Daten unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 29; s auch BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - RdNr 23; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - , RdNr 14). Diesen Voraussetzungen wird die Entscheidung des LSG hier gerecht, wenn das Gericht die hinter dem qualifizierten Mietspiegel für die Stadt München liegenden Daten aus den Jahren 2007 heranzieht. Denn die Daten dieses Mietspiegels umfassen weder Wohnungen in einfacher Wohnlage (Wohnungen in abgelegenen Gebieten mit unzureichender Infrastruktur und/oder Nähe zu größeren Gewerbe- und Industriegebieten, Entsorgungs- oder militärischen Anlagen) noch Wohnungen mit einfachster Ausstattung, deren Toilette, Küche oder Bad von anderen Mietparteien mitbenutzt werden, die nicht über Küche und Toilette verfügen und Wohnungen im Untergeschoss (Mietspiegel München 2007, S 5, 11 und Mietspiegel München 2009, S 4, 5, 11).

22

cc) Auch soweit das LSG die gesamte Stadt München als maßgeblichen Vergleichsraum angesehen hat, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Der Senat hat bereits für Großstädte wie München entschieden, dass es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen gehe. Daher seien die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere danach abzustecken, ob es sich um einen ausreichend großen Raum (nicht bloße Orts- oder Stadtteile/-bezirke) der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit handele. Der Raum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Hiervon kann nach den Feststellungen des LSG bei dem vom Mietspiegel München umfassten Stadtgebiet ausgegangen werden; die Beteiligten haben hiergegen auch keine Revisionsrügen erhoben.

23

dd) Das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sowie das Ergebnis der Überprüfung sind ebenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Überprüfung der vom Beklagten angenommenen Referenzmiete, zur Bestimmung also, wie hoch die angemessenen Aufwendungen für eine Wohnung einfachen Standards einer bestimmten Größe in einem bestimmten Vergleichsraum sind, ist es Ziel, einen Mietpreis hierfür zu ermitteln, um so die angemessenen Aufwendungen bestimmen zu können ("Referenzmiete", vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17).

24

Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus. Es ist auf die konkreten Verhältnisse abzustellen. Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - RdNr 16) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23). Dabei muss der Grundsicherungsträger zwar nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen(vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 7). Entscheidend ist jedoch, dass den Feststellungen des Leistungsträgers ein Konzept zugrunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.

25

Dabei ist es zuvörderst Angelegenheit der Grundsicherungsträger, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten sind (vgl § 40 Abs 1 SGB II iVm § 20 SGB X). Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit von ihm vorzulegen. Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen für KdU in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1, 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, geht diese Ermittlungspflicht zwar nicht ohne Weiteres auf das SG über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht schlüssig erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind (idS BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, juris RdNr 27; vgl auch BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34). Andererseits haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate jedoch bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

26

Gemessen an diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatsachengericht hier die für die Ermittlung der angemessenen KdU erforderlichen Daten vom Grundsicherungsträger eingeholt bzw angefordert und diese anschließend durch einen Sachverständigen hat auswerten lassen. Das LSG durfte sich ebenfalls im Rahmen seiner Ermittlungen hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO) an dem Datenbestand orientieren, der für die Erstellung des Mietspiegels für die Stadt München erhoben wurde.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Tatsachenvorgabe auch nicht mit durchgreifenden Zweifeln behaftet. Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Grundsicherungsträger für die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (ausschließlich) an dieser Art des Datenbestandes orientieren dürfen. Für das gerichtliche Ermittlungsverfahren gelten keine strengeren Anforderungen (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris RdNr 16; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 25; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29 und - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 14 sowie - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 27; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 24; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 85/09 R - juris RdNr 28 und - B 14 AS 32/09 R - juris RdNr 23 ; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 23; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R - juris RdNr 22 ).

28

ee) Ebenso genügt das vom LSG gewählte Verfahren zur Überprüfung der von dem Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze von 496,45 Euro vom 1.6.2007 bis 30.6.2008 und ab dem 1.7.2008 von 504,21 Euro brutto kalt sowie das Ergebnis der Überprüfung im konkreten Fall den Vorgaben des BSG. Der erkennende Senat hat entschieden, dass ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen iS einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenn auch orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Raum sei (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 20):

-       

Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

-       

es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

-       

Angaben über den Beobachtungszeitraum,

-       

Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),

-       

Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

-       

Validität der Datenerhebung,

-       

Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

-       

Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

29

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Durch den Rückgriff des LSG auf die Daten des Münchner Mietspiegels 2007 wird die Datenerhebung auf ein bestimmtes Gebiet (hier: die Stadt München) begrenzt - der Vergleichsraum ist damit genau eingegrenzt und es werden nicht nur Mieten bestimmter Stadtbezirke in die Auswertung einbezogen, sondern Daten über das gesamte Stadtgebiet erhoben (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21). Einer Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke, die auf eine nur begrenzte Nutzung des Datenbestandes oder eine nur begrenzte Datenerhebung zurückzuführen sein könnte, ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG auch nicht festzustellen. Abgesehen davon, dass die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin eine - der Revision entzogene (vgl § 163 SGG) - Tatsachenbehauptung darstellt, erfolgt hier nach den Feststellungen des LSG keine Begrenzung des Raumes der Datenerhebung auf besonders "heruntergekommene" und daher "billige" Stadtbezirke, sondern die Ermittlung bezieht sich auf das Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw räumlichen Vergleichsraum. Zwar folgt aus dieser Betrachtung nach dem Sachverständigengutachten, dass in einigen Stadtbezirken Münchens Wohnungen mit einer Größe "um 50 qm" und einer Bruttokaltmiete bis zu 450 Euro nicht zu finden sind. Dieses Ergebnis betrifft jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Frage, ob die Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist. Soweit sie hier die Forderung des BSG nach einer Vermeidung von Ghettoisierung behandelt, hat der Senat im Übrigen Zweifel, ob angesichts des vom LSG festgestellten Vorhandenseins von Wohnungen zu einem Mietzins noch unterhalb der von dem Beklagten als Referenzgröße angenommenen (450 Euro ./. rund 500 Euro) in 18 von 26 Stadtbezirken das Risiko einer Ghettobildung besteht.

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Nicht zu beanstanden ist auch die Vorgehensweise des LSG auf den Datenbestand des qualifizierten Mietspiegels für München zurückzugreifen, obwohl bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist und Wohnraum nicht berücksichtigt wird, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, weil §§ 558 ff BGB nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung findet. Mit der Entscheidung des BSG, dass die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten grundsätzlich geeignet sind, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen (s nur BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R - juris RdNr 29), ist die Konsequenz verknüpft, dass alsdann keine Angebotsmieten in die Datenerhebung einfließen müssen (anderes für andere Datenquellen: BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 24; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 22). Die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze werden jedoch dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden (vgl § 558 Abs 2 BGB; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3). Dadurch wird erreicht, dass nur aktuell zu zahlende Mieten der Datenerhebung zugrunde gelegt werden. Gewährleistet wird durch den Rückgriff auf die Daten des Mietspiegels zudem, dass Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann, wie es etwa für Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnissen (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten) der Fall ist, nicht berücksichtigt wird.

31

Der Rechtsprechung des BSG folgend hat das LSG auch zutreffend die Bruttokaltmiete als Beobachtungsgegenstand der Datenerhebung gewählt (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34; BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Dieses Vorgehen gewährleistet für die Leistungsberechtigten die Möglichkeit innerhalb des die Angemessenheit bestimmenden Produkts aus Wohnungsgröße und Ausstattung tatsächlich frei wählen zu können; die Möglichkeiten der Produkttheorie also ausschöpfen zu können. Ebenso wenig ist es hier zu beanstanden, dass durch den Rückgriff auf die Bruttokaltmiete sämtliche kalten Nebenkosten in die Überprüfung der vom Beklagten zugrunde gelegten Angemessenheitsgrenze eingeflossen sind. Denn bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten im Vergleichsraum kommt es nicht darauf an, ob existenzsicherndes Wohnen in (gedachten) Wohnungen möglich ist, in denen der in den Betriebskostenarten, wie zB Kosten für Straßen- und Gehwegreinigung, Hausreinigung, Gartenpflege und Schneebeseitigung durch Dritte, Gemeinschaftsantenne/Kabelanschluss und Aufzug, zum Ausdruck kommende Wohnungsstandard nicht gewährleistet ist. Es geht vielmehr darum "die Wirklichkeit", also die Gegebenheiten auf dem Mietwohnungsmarkt des Vergleichsraums, abzubilden (vgl nur BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 21). Dort, wo statistische Daten zur Bestimmung der kalten Nebenkosten gerade im unteren Wohnsegment nicht vorliegen, hat es das BSG daher für zulässig befunden, auf bereits vorliegende Daten zurückzugreifen. Eine weitergehende Gewichtung hat das BSG nicht vorgenommen, weil nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 34 zu Betriebskostenübersichten und die Bildung eines Durchschnittswertes). Aus der Heranziehung von Werten aus allen Mietverhältnissen folgt zwar - weil er den gesamten Mietmarkt erfasst - in der Tendenz ein höherer Bruttokaltmietpreis, als dies bei Auswertung nur des Teilsegments der Fall wäre, auf das Leistungsberechtigte nach dem SGB II zu verweisen sind. Sofern eine entsprechend differenzierte Datenlage aber nicht vorliegt, also eine Auswertung des Teilsegments mit vernünftigem Aufwand ausscheidet, ist eine solche Vergröberung erforderlich, um mit ausreichender Sicherheit zu gewährleisten, dass in jedem Marktsegment - auch in dem in Bezug zu nehmenden unteren Segment - eine genügende Anzahl an Mietverhältnissen zu diesem Preis vorhanden ist. Dies wirkt sich im Übrigen auch nur zugunsten der Leistungsberechtigten aus.

32

Ebenfalls zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat das LSG bei der Bestimmung des Beobachtungsgegenstandes eine Größenbeschränkung vorgenommen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - juris; vgl zu seiner Kritik im Einzelnen das zur Stadt München ergangene Urteil des Senats vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 16 f). Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur Bestimmung der Wohnungsgröße nach den maßgeblichen Wohnraumfördervorschriften verwiesen. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass das LSG die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes durch den Sachverständigen auf Wohnungen "um die 50 qm" gebilligt hat. Eine Beschränkung auf die Wohnungen, die exakt eine Größe von 50 qm aufweisen, würde zu einer zu starken Reduzierung der in die Betrachtung einzubeziehenden Wohnungen führen. Die Gewichtung auf 243 Wohnungen unter Berücksichtigung der aus dem Datenbestand entfernten Wohnungen begegnet ebenfalls keinen Bedenken, da hinter den gelöschten Datensätzen der ursprünglich 331 Wohnungen auch für das schlüssige Konzept nicht heranzuziehende Wohnungen waren.

33

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das LSG die Begrenzung der Datenerhebung auf die Zeitpunkte 1.7.2007 und 1.7.2008 vorgenommen hat. Das BSG hat es insoweit für die Datenerhebung im Rahmen eines schlüssigen Konzepts für erforderlich gehalten, dass "Angaben über den Beobachtungszeitraum" gemacht werden können (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 19). Auch ist das im Beobachtungszeitraum verwendete Zahlenmaterial nach den Feststellungen des LSG hinreichend aussagekräftig. Die für den Münchner Mietspiegel 2007 verwendeten Daten wurden zwar zum Stichdatum 1.1.2006 erhoben. Der Sachverständige hat die Werte für den hier noch streitgegenständlichen Zeitraum jedoch in vertretbarer Art und Weise nach anerkannter wissenschaftlicher Methodik für die weiteren zugrunde gelegten Stichdaten 1.7.2007 und 1.7.2008 fortgeschrieben. Die Klägerin wurde hierdurch nicht schlechter gestellt, als sich aus den Ausführungen des LSG zu der für den Münchner Mietspiegel 2011 erfolgten Datenerhebung ergibt, da die Stichprobe keinen solchen Preisanstieg ergeben hat, wie nach der Hochrechnung der Ergebnisse des Mietspiegels 2007 erwartet.

34

Soweit das LSG auf die Daten des Mietspiegels für München zurückgegriffen hat, hält dies, wie oben bereits ausgeführt, einer Überprüfung Stand. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zum "schlüssigen Konzept" hat das LSG hier eine "Stichprobe" zur Basis seiner Überprüfung der Angemessenheitsgrenze des Beklagten gemacht (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 24). Insoweit gilt, dass eine Anlehnung hinsichtlich des Stichprobenumfangs und der Auswertung etc an den für Mietspiegel geltenden Standard nicht zu beanstanden ist (vgl zum Stichprobenumfang: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 38 f). Im Hinblick auf einen qualifizierten Mietspiegel hat der erkennende Senat bereits darauf hingewiesen, dass bei dessen Erstellung die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert werde (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 24; s auch Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139) und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfinde. Daher sei die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung für einen Mietspiegel auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen (vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 28). Einwände gegen die Methodik der Erhebung der Daten für den Münchner Mietspiegel 2007 sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Allein die Kritik an den gezogenen Schlüssen genügt insoweit nicht, um die statistische Methodik der Datenerhebung in Frage zu stellen.

35

Denn es handelt sich auch bei der für den Raum München gezogenen Stichprobe des Regressionsmietspiegels 2007 um eine repräsentative Stichprobe. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 40). Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen (vgl dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 39). Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist, also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind (Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, RdNr 650; Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 35). Das LSG hat im Anschluss an den von ihm ernannten Sachverständigen aus einer Stichprobe von mehr als 3000 Wohnungen im gesamten Münchener Stadtgebiet 331 Wohnungen "um die 50 qm" (bestimmt als gewichteter Wohnungsbestand zwischen 46 und 54 qm) zugrunde gelegt. Dieses Verfahren der Stichprobe entspricht dem aktuellen Stand der Forschung, wie auch das LSG in seinem Urteil ausgeführt hat.

36

Dass die für die Erstellung des Münchener Mietspiegels 2007 erhobenen Daten und für das Urteil des LSG zugrunde gelegten Wohnungen "um die 50 qm" keine qualitativen Merkmale einfachen Standards aufwiesen, steht der Auswertung und Verwendung dieser Daten nicht entgegen, denn offensichtlich weisen diese Wohnungen einen höheren als den unteren Standard auf und bewegen sich dennoch im maßgeblichen Preissektor. Umgekehrt ist anzunehmen, dass Wohnungen, die einen geringeren Standard aufweisen, zu noch günstigeren Konditionen angemietet werden können. Die vom LSG verwendete Datengrundlage ist auf diese Art und Weise zugunsten der Klägerin vergrößert worden. Die vom Sachverständigen vorgenommene und vom LSG akzeptierte Gewichtung der Wohnungen um 50 qm, die dazu beiträgt, dass die Stichprobe letztlich 243 Wohnungen umfasst, führt im Übrigen dazu, dass Wohnungen, die nicht dem Standard entsprechen, der im Rahmen der Überprüfung durch das "schlüssige Konzept" zugrunde zu legen ist, aus der Auswertung von vornherein ausgeschieden worden sind.

37

Dass das LSG von den ermittelten Wohnungen "um die 50 qm" letztlich die unteren 20 % des preislichen Segments zur Grundlage seiner Entscheidung über die Angemessenheit gemacht hat, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises im Vergleichsraum ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, weil die Stichprobe eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes nach "unten" und nach der Größe beinhaltet - anders als wenn ausschließlich ausgehend vom Mietpreis die Höhe der angemessenen Mietaufwendungen bestimmt wird. Es sind hier bereits bei der Datenerhebung lediglich Wohnungen mit mehr als einfachstem Standard in einer Größe von 46 bis 54 qm zugrunde gelegt worden. In die Erhebung einbezogen werden damit zugleich auch Daten für Wohnungen mittleren, gehobenen und luxuriösen Standards. Um diese bei der Auswertung alsdann wieder auszuscheiden, denn sie sind für Leistungsbezieher im Grundsicherungsrecht nicht angemessen, kann auf die Grenze "20%" zurückgegriffen werden. Dies entspricht einer Orientierung an den unteren 20 % der Einkommensbezieher. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG überschreitet im Vergleichsraum München auch mindestens 1/5 der Wohnungen mit grundsicherungsrechtlich zugrunde zu legendem Standard nicht die festgestellte Mietobergrenze, die der Beklagte gewählt hat, sondern liegt noch unter dieser.

38

Soweit die Klägerin vorbringt, für den vom Beklagten festgesetzten und vom LSG bestätigten Bruttokaltmietpreis sei es tatsächlich nicht möglich, in München eine Wohnung um 50 qm anzumieten, hält diese Behauptung einer Überprüfung unter systematischen Gesichtspunkten nicht Stand. Das BSG hält daran fest, dass dann, wenn ein qualifizierter Mietspiegel, der in einem wissenschaftlich gesicherten Verfahren aufgestellt wurde, der Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zugrunde liegt und ihm Aussagen zur Häufigkeit von Wohnungen mit dem angemessenen Quadratmeterpreis entnommen werden können, davon auszugehen ist, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 36; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 30). Soweit die Klägerin in der Ergänzung ihrer Revisionsbegründung auf die Daten des Münchner Vereins Haus und Grund eV abstellt, rügt sie im Grunde die Auswahl der Datengrundlage, die hier jedoch, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden ist.

39

ff) Darin, dass das Berufungsgericht einem schriftsätzlich angekündigten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Unternehmen "Haus & Grund", vertreten durch Herrn Rechtsanwalt S, nicht gefolgt ist, liegt auch kein Verstoß gegen die Sachermittlungspflicht (vgl § 103 SGG). Das LSG musste sich nicht gedrängt fühlen, dem Beweisantrag der Klägerin nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzukommen. Gemäß § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 404a Abs 3 ZPO obliegt es dem Tatsachengericht, dem Sachverständigen den der Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt - hier den für die Erstellung des Münchner Mietspiegels 2007 erhobenen Datenbestand - vorzugeben. Daraus folgt, dass auch ein anderer als der vom Gericht ernannte Sachverständige seine sachverständigen Schlussfolgerungen aus diesem Datenbestand hätte ableiten müssen. Dass bei Anwendung derselben oder einer anderen mathematisch-statistischen Methode grundlegend andere Ergebnisse gefolgt wären, ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich.

40

Dass das LSG eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigte, bedurfte auch keines ausdrücklichen Hinweises an die Klägerin. Eine Hinweispflicht besteht in erster Linie nur dann, wenn ein Beteiligter ausdrücklich um einen entsprechenden Hinweis bittet (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 109 RdNr 9a). Im Übrigen hat sich aus der Ladung des Gerichts zum Termin ergeben, dass eine weitere Beweisaufnahme nicht beabsichtigt war. Die Tatsacheninstanzen sind zudem nicht verpflichtet, auf das Stellen eines Beweisantrages - wie hier ohnehin schriftsätzlich seitens der Klägerin angekündigt - hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10) oder zu einer in Aussicht genommenen Beweiswürdigung Hinweise zu geben (BSG Beschluss vom 31.8.1993 - 2 BU 61/93; BSG Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - HVBG-INFO 2003, 1724; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 99). Darauf liefe ein solcher von der Klägerin verlangter Hinweis jedoch hinaus.

41

b) Die Festsetzung der Leistungshöhe unterhalb der tatsächlichen Aufwendungen beruht auch auf einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung (vgl zur Kostensenkungsaufforderung BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 38)iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 mWv 1.8.2006, BGBl I 1706). Danach sind die tatsächlichen Mietaufwendungen - soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

42

Der Beklagte hat die Klägerin mehrfach, erstmals mit Schreiben vom 29.8.2006, aufgefordert, die KdU zu senken und nach dem Unterlassen jeglicher Kostensenkungsversuche durch die Klägerin eine Absenkung auf die von ihm als angemessen erachtete Höhe der kalten Nettomietaufwendungen in Höhe von 397,30 Euro zum 1.3.2007 angekündigt. Dabei ist es für den hier nur noch streitigen Zeitraum ab dem 1.6.2007 bis zum 30.11.2008 ohne Bedeutung, dass der Beklagte die "Sechsmonatsfrist" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II, in der dem Leistungsberechtigten in der Regel die Möglichkeit eingeräumt wird, die nach Auffassung des Beklagten zu hohen Aufwendungen zu senken, zunächst unzutreffend berechnet hatte. Jedenfalls ab dem 1.6.2007 konnte der Beklagte die Unterkunfts- und Heizkosten absenken, denn die Klägerin war über die vom Beklagten als zutreffend befundene Angemessenheitsgrenze hinreichend informiert und ihr war die Kostensenkung auch nicht unmöglich.

43

Der Beklagte hat zwar in seiner Kostensenkungsaufforderung als Referenzmiete eine Nettokaltmiete benannt. Diese Angabe muss in dem hier streitigen Zeitraum jedoch noch als zulässig und ausreichend angesehen werden, um von einer zutreffenden Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II ausgehen zu können. Noch 2009 hatte der erkennende Senat es offen gelassen, ob die Vergleichsmiete eine Netto- oder eine Bruttokaltmiete sein müsse (BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 23; siehe auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff). Erst 2010 hat der 14. Senat eindeutig bestimmt, dass die Angemessenheitsgrenze durch eine genau zu benennende Bruttokaltmiete zu definieren ist (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 33 f; s auch BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 27). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 34).

44

Unschädlich ist auch, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlaufe des Gerichtsverfahrens geändert hat. Denn dies ist einerseits Ergebnis der Auseinandersetzungen der Beteiligten vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und andererseits stellt das Schreiben des Grundsicherungsträgers über die Unangemessenheit der Unterkunftskosten und die Aufforderung zur Kostensenkung lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar. Hält der Leistungsempfänger die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend bzw einschlägig, so ist der Streit hierüber bei der Frage auszutragen, welche KdU angemessen sind (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 19, unter Hinweis auf BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R - juris RdNr 34). Insofern stellt die Kostensenkungsaufforderung seitens des Grundsicherungsträgers lediglich ein "Angebot" dar, in einen Dialog über die angemessenen KdU einzutreten (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).

45

Gründe, die der Klägerin eine Kostensenkung unzumutbar machen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) auch nicht um eine Kostensenkung bemüht oder anderweitig nachgewiesen, dass es ihr nicht möglich oder zumutbar war, Wohnraum zu der vom Beklagten vorgegebenen Mietobergrenze anzumieten.

46

5. Der Abzug der Kosten für die Warmwasserbereitung von den tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin für die Gaslieferung/Heizung in Höhe von 6,22 Euro für den Monat Juni 2007, 6,26 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2007 bis einschließlich Juni 2008 und 6,33 Euro monatlich für den Zeitraum von Juli 2008 bis November 2008 ist nicht zu beanstanden. Höhere Leistungen wegen der Heizkostennachforderung für den Monat Februar 2008 und unter Berücksichtigung der Anwendung der Rundungsregelung des § 41 Abs 2 SGB II, wie durch das LSG geschehen, stehen der Klägerin nicht zu. Sie hat insoweit auch keine Einwände gegen die Entscheidung des LSG erhoben.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 sowie in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 66,13 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 6,50 Euro zu gewähren. Der Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurde Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich sowie durch den Kindsvater Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 2. März 2012 an, dass monatlich 306,00 Euro zufließen würden. Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum in keinem Beschäftigungsverhältnis und erzielte auch kein sonstiges Einkommen.

5

Mit Bescheid vom 8. März 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 596,66 Euro. Für den Kläger zu 2) wurden lediglich Leistungen für den Schulbedarf im August 2012 in Höhe von 70,00 Euro bewilligt. In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten von 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von 306,00 Euro an. Damit ergab sich ein bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigendes übersteigendes Kindergeld, welches der Beklagte um die Versicherungspauschale bereinigte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte damit, dass noch ein Nachweis über die Änderung der Unterhaltszahlung nachzureichen wäre, damit der tatsächliche Anspruch ermittelt werden könne.

6

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 8. März 2012 legte die Klägerin zu 1) am 12. April 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie zunächst aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung für ihr Kind gänzlich fehlen würden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 wurde der Widerspruch dahingehend ergänzt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig berücksichtigt worden seien. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

7

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 in Höhe von monatlich 601,25 Euro. Dabei berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

8

Ab Juni 2012 stellten die Kläger mehrere Anträge auf Zusicherung zum Umzug. Zum 1. Oktober 2012 bezogen die Kläger die jetzige Wohnung mit Zusicherung des Beklagten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keine weitergehenden Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen wären. Der Landkreis Wittenberg als kommunaler Träger habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII aufgrund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Für die in der Lutherstadt Wittenberg wohnenden Kläger sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 m², eine Nettokaltmiete von 4,22 Euro/m² und kalte Betriebskosten von 1,05 Euro/m², also insgesamt 316,20 Euro angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete der Kläger sei damit zu hoch. Zwar habe das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 17. August 2012 (S 11 AS 2430/11) entschieden, dass die Verwaltungsvorschrift den Vorgaben des Bundessozialgerichts zur Mietwerterhebung und somit zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht entsprechen würde. Gegen das Urteil sei aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (L 5 AS 649/12 NZB). Die Kläger hätte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2011 über die Unangemessenheit belehrt. Entgegen des Vortrags der Kläger seien die Heizkosten nicht lediglich in angemessener, sondern in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden. Angemessen sei ein Betrag von 84,50 Euro monatlich. Tatsächlich seien 75,17 Euro angefallen (82,00 Euro x 11 Abschläge: 12 Monate). Aus den Berechnungsbögen sei ersichtlich, dass auch für das Kind Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden seien, es aber aufgrund seines Kindergeldes und Unterhalts seinen Bedarf selbst decken könne.

10

Unter dem 22. Oktober 2012 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass als Kosten der Unterkunft und Heizung 425,00 Euro für die Bruttokaltmiete und 75,17 Euro für die Heizkosten angefallen seien. Diese Kosten seien auch in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es ist anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 % eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden. Weiterhin seien die Regelleistungen verfassungswidrig zu gering bemessen.

11

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

12

den Klägern unter Änderung des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 425,00 Euro Bruttokaltmiete zzgl. 75,17 Euro Heizkosten sowie auf Grundlage eines verfassungsgemäß bestimmten Regelleistungssatzes für April 2012 bis September 2012 zu bewilligen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte trägt zunächst vor, dass er hinsichtlich der Regelbedarfe an die gesetzlichen Regelungen gebunden sei. Desweiteren gehe er davon aus, dass es sich bei dem Endbericht um ein schlüssiges Konzept zur Datenerhebung entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts handele. Die Kläger würden in einer unangemessen großen Wohnung leben. Der Beklagte sehe es auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem Umzug am 1. Oktober 2012 eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

16

Mit Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 598,25 Euro endgültig bewilligt. Dabei hat der Beklagte nunmehr einen um 3,00 Euro höheren Kindesunterhalt, also einen Betrag von monatlich 309,00 Euro berücksichtigt, sodass sich das den Kindesbedarf übersteigende Kindergeld entsprechend erhöht hat. Mit Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte von der Klägerin zu 1) einen Betrag von monatlich 3,00 Euro, also insgesamt 18,00 Euro für den Regelbedarf zurückgefordert. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unzulässig verworfen. Der Bescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 in der Fassung der Bescheide vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013. Die Bescheide vom 6. November 2012 haben dabei die ursprünglich vorläufige Leistungsbewilligung während des Klageverfahrens durch endgültige Bewilligung ersetzt und sind damit im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG, der eine Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung divergierender Entscheidungen bezweckt, Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dies gilt auch hinsichtlich der Erstattungsverfügung (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2011, B 14 AS 165/10 R, Rn. 17 – juris). Da die Kläger ihr Begehren gerade nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben, stehen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt im Streit; der geltend gemachte Anspruch ist daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen.

3.

23

Die Klage ist teilweise auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro.

a)

24

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

25

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32- bzw. 33- jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

b)

26

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

27

Mit dem Begehren auf Heranziehung höherer Regelbedarfe können die Kläger nicht durchdringen. Die anzuwendenden Regelbedarfe wurden durch das SGB II direkt bzw. im Wege der Fortschreibung gemäß § 20 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit §§ 28a, 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum 1. Januar 2012 und in den nachfolgenden Kalenderjahren durch Verordnung festgelegt. Die Rechtsprechung ist – wie auch die vollziehende Gewalt – an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Prüfung, ob die Regelbedarfshöhe verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt oder die entsprechenden Normen zu verwerfen sind, ist allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Bestimmung des Regelbedarfs mit Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) vereinbar erklärt. Ausdrücklich in Bezug genommen hat das Bundesverfassungsgericht dabei auch § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012, 2013 sowie 2014 (Bundesverfassungsgericht, aaO, Rn. 73 – juris).

c)

28

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

29

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

30

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

31

Eine Bruttokaltmiete wurde dagegen lediglich in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht enthalten und wurde durch die Kläger nicht dargelegt. Da im Klageverfahren zum Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 lediglich eine Miete von 415,00 Euro begehrt worden war, geht die Kammer auch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro aus.

32

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

33

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

34

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

35

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

36
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
37
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
38
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
39
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
40
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
41
- Validität der Datenerhebung,
42
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
43
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
44

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

45

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

46

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

47

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

48

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

49

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

50

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

d)

51

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

52

Der Kläger zu 2) hatte Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Daneben wurde für ihn Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen. Absetzmöglichkeiten nach § 11b SGB II entfallen folglich auch.

e)

53

Es besteht demnach ein (endgültiger) Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 601,25 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 66,13 Euro monatlich zu zahlen sind. Eine Erstattungsforderung im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III verbleibt folglich nicht.

II.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Eine Bezifferung des Begehrens hinsichtlich der Regelbedarfe war zwar nicht ausdrücklich erfolgt. Die Kammer ist aber nicht von einer nur untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung für die Kläger, sondern letztlich von gleichwertigen Begründungsansätzen ausgegangen. Daraus resultiert die nur hälftige Kostentragung durch den Beklagten.

III.

55

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 52,82 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 0,81 Euro unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 im Wege des Überprüfungsverfahrens.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurden Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie durch den Kindsvater monatlich Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 31. August 2011 an, dass monatlich 300,00 Euro zufließen würden. Weiteres Einkommen der Kläger wurde verneint.

5

Mit Bescheid vom 14. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 Leistungen, darunter für Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von monatlich 604,78 Euro (Klägerin: 601,39 Euro, Kläger: 3,39 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von lediglich 257,00 Euro an.

6

Nach Mitteilung der Klägerin zu 1), dass sie ab Oktober 2011 eine Teilzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttolohn von 1100,00 Euro bzw. Nettolohn von 863,71 Euro aufgenommen hätte, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2011 geringere Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis März 2012 unter Anrechnung des Einkommens, darunter für Februar 2012 bis März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 31,07 Euro (Klägerin: 30,90 Euro, Kläger: 0,17 Euro). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2011 gekündigt. Daraufhin bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 615,66 Euro (Klägerin: 612,27 Euro, Kläger: 3,39 Euro) ohne Einkommensanrechnung aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr auch die Anpassung der Regel- und Mehrbedarfe. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 2) für Februar 2012 Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro.

7

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides für den Bewilligungszeitraum Oktober 2011 bis März 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ab Januar 2012 nicht vollständig übernommen worden. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

8

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 620,25 Euro (Klägerin: 614,56 Euro, Kläger: 5,69 Euro). Im Februar 2012 wurden weiterhin zusätzlich Leistungen für den Kläger zu 2) für den Schulbedarf bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

9

Am 15. August 2012 gab die Klägerin zu 1) auf Nachfrage des Beklagten an, dass sie bereits seit dem 1. April 2011 monatlich 309,00 Euro als Kindesunterhalt erhalten würde, was der Kindsvater auch schriftlich bestätigte. Eine Abänderung der Leistungsbewilligung erfolgte durch den Beklagten nicht.

10

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 erklärte der Beklagte auf den "Antrag auf Überprüfung [seines] Bescheides vom 12. Januar 2012 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", dass dem Antrag "in voller Höhe entsprochen werden konnte". Für Januar 2012 seien nunmehr die "angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung von 429,53 Euro" berücksichtigt worden (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012). Gegen die beiden Bescheide vom 18. Oktober 2012 legten die Kläger am 7. November 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Heranziehung der Angemessenheitsrichtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Ein schlüssiges Konzept würde der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde liegen. Im Übrigen würde die verfassungswidrig zu gering bemessene Regelsatzhöhe gerügt. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012 für Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 zurück, wogegen die Kläger eine separate Klage erhoben (S 14 AS 812/13). Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 sei bindend geworden und dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Die Kläger hätten jedoch nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Januar 2012 sprechen würde. Es hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben, die dafür sprechen würden, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung habe daher abgelehnt werden dürfen.

11

Unter dem 4. April 2013 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte ihnen rechtswidrig zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hätte. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden 415,00 Euro und die tatsächlichen Heizkosten 70,58 Euro betragen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Ihnen sei der Differenzbetrag von monatlich 98,80 Euro nachzuzahlen.

12

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

13

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Teil-Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2012 sowie des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 weitere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von 197,60 Euro zu bewilligen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zu den Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte sehe es im Übrigen auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem zwischenzeitlich zum 1. Oktober 2012 erfolgten Umzug eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die (teilweise) Aufhebung des die Überprüfung des Bewilligungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum. Entgegen der Formulierung im Klageantrag kann bezüglich der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X aber nicht auf den (ursprünglichen) Bewilligungsbescheid vom 14. September 2011 abgestellt werden, da dieser schon vor dem Überprüfungsantrag durch die Bescheide vom 17. November 2011 und 12. Januar 2012 ersetzt worden war. Nach Eingang des Überprüfungsantrags wurde der Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, welchen der Beklagte auch ausdrücklich überprüft hatte, wiederum durch Erlass des Bescheides vom 23. April 2012 abgeändert. Das Klagebegehren ist insoweit aber auslegungsfähig (vgl. § 123 SGG).

3.

23

Die Klage ist auch teilweise begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro im Februar 2012).

a)

24

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zugunsten der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

25

Der Antrag der Kläger genügte den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X. Das konkrete Überprüfungsbegehren und damit der Umfang der Prüfpflicht waren für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar.

b)

26

Das Recht wurde durch den Beklagten in unrichtiger Weise angewandt. Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 einen höheren Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.

aa)

27

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

28

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32-jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

bb)

29

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

cc)

30

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

31

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

32

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

33

Eine Bruttokaltmiete wurde in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht erkennbar. Die Kammer geht von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro (Grundmiete: 330,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro) aus.

34

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

35

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

36

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

37

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

38
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
39
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
40
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
41
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
42
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
43
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
44
- Validität der Datenerhebung,
45
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
46
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
47

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

48

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

49

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

50

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

51

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

52

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

53

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

dd)

54

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

55

Der Kläger zu 2) hatte tatsächlich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Der Beklagte hatte bisher lediglich 257,00 Euro für die streitgegenständlichen Monate angerechnet. Da sich das Einkommen auch auf die mit der Klage geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auswirkt, kann die tatsächliche Einkommenshöhe nicht unberücksichtigt bleiben. Daneben wurde für den Kläger zu 2) Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen.

ee)

56

Es besteht demnach ein Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 614,56 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 52,82 Euro monatlich zu gewähren sind. Für den Kläger zu 2) hat der Beklagte monatlich 5,69 Euro gezahlt (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf von 30,00 Euro). Es verbleibt ein weiterer Anspruch von monatlich 0,81 Euro.

II.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Die Kläger haben eine Nachzahlung von 197,60 Euro begehrt. Erfolgreich waren sie in Höhe von 107,26 Euro.

III.

58

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu erstatten.

2. Der Beklagte hat den Klägern 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der den Klägern zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die am ... 1990 geborene Klägerin zu 1. beantragte nach Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses erstmals im August 2010 Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Sie bewohnte eine Wohnung in der ...straße ... in Wittenberg. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen zeigte die Klägerin beim Beklagten die Aufnahme einer neuen Ausbildung als Frisörin ab dem 01.09.2010 an. Mit Bescheid vom 25.08.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. für die Monate Juli 2010 und August 2010 Leistungen nach dem SGB II. Die Bundesagentur für Arbeit Lutherstadt Wittenberg gewährte der Klägerin zu 1. Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2011.

3

Am 27.10.2010 unterzeichnete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Partner, Herrn H., einen Wohnungsmietvertrag für eine preisgebundene Wohnung in der ...straße in Wittenberg, beginnend am 15.11.2010. Die Grundmiete der ca. 64 qm großen Wohnung betrug 294,40 EUR. Es wurde eine monatliche Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser in Höhe von 89,60 EUR und für sonstige Neben- und Betriebskosten in Höhe von 73,60 EUR vereinbart.

4

Am 20.04.2011 beantragte die seinerzeit schwangere Klägerin zu 1. erneut Leistungen beim Beklagten für eine Erstausstattung für Mobiliar bei Geburt eines Kindes und Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt, die der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2011 gewährte. Zugleich bewilligte er einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für Auszubildende im Zeitraum 01.05.2011 bis 31.08.2011.

5

Die Klägerin zu 1. mietete nach Trennung von ihrem Partner am 06.05.2011 beginnend ab dem 01.07.2011 eine 57,31 qm große Wohnung in der ...straße in Wittenberg an. Die Nutzungsgebühr betrug monatlich 293,78 EUR. An monatlichen Vorauszahlungen für Nebenkosten waren 73,00 EUR sowie für Heizkosten und Warmwasserkosten 58,00 EUR zu entrichten. Sie beantragte unter dem 25.07.2011 beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Aus der vorgelegten Mietbescheinigung vom 28.09.2011 ergab sich eine Gesamtmiete in Höhe von 434,78 EUR, in der monatliche Kosten in Höhe von 10,00 EUR für Kabelanschluss ausgewiesen waren. Mit Bescheid vom 06.10.2011 bewilligte der Beklagte an die Klägerin zu 1. im Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Sie sind ohne meine Zustimmung umgezogen. Infolgedessen erhalten Sie nur die angemessenen Unterkunftskosten." Am 22.11.2011 zeigte die Klägerin zu 1. beim Beklagten die Geburt des Klägers zu 2. an.

6

Die Kläger beantragten am 25.01.2012 die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen. Für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.02.2012 an die Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 366,40 EUR. In der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte kalte Mietkosten in Höhe von 316,20 EUR und Heizkosten in Höhe von 47,56 EUR, insgesamt 363,76 EUR. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Nach Vorlage eines Elterngeldbescheides erließ der Beklagte am 09.05.2012 einen Änderungsbescheid und bewilligte an die Kläger von März 2012 bis August 2012 monatliche Leistungen in Höhe von 758,37 EUR.

7

Die Kläger zogen zum 01.07.2012 gemeinsam mit Herrn H., dem Vater des Klägers zu 2., zum 01.07.2012 in die ...straße in Wittenberg. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2012 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gegenüber der Klägerin zu 1. ab dem 01.07.2012 aufgrund der Einbeziehung der Kläger in die Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H. auf. Zugleich erließ der Beklagte am 21.06.2012 einen Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 und gewährte an die Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 768,81 EUR. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr Warmwasserkosten bei den Heizkosten, die er in Höhe von insgesamt 58,00 EUR in die Berechnung einstellte und damit insgesamt 374,20 EUR an Kosten der Unterkunft und Heizung in der Bedarfsberechnung berücksichtigte.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 (tatsächliches Erlassdatum wohl 21.06.2012) wies der Beklagte nach Erlass der Bescheide vom 09.05.2012 und 21.06.2012 den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin zu 1. habe sich keine Zusicherung zum Umzug eingeholt. Die Wohnung in der ...straße sei unangemessen teuer. Der Landkreis Wittenberg habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und dem SGB XII auf Grund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Angemessen sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 qm, eine Nettokaltmiete von 4,22 EUR/qm und kalte Betriebskosten von 1,05 EUR/qm, insgesamt 316,20 EUR. Die Angemessenheit der Heizkosten sei nach dem bundesdeutschen Heizspiegel in der jeweils geltenden Fassung zu beurteilen. Nach dem im Oktober 2011 veröffentlichten Heizspiegel 2011 seien für die Heizung mit Fernwärme und einer Gebäudefläche ) 1000 qm Kosten in Höhe von 18,70 EUR/qm im Jahr angemessen. Es errechne sich ein angemessener Betrag von 93,50 EUR monatlich. Die tatsächlichen Heizkosten seien angemessen.

9

Mit ihrer am 13.07.2012 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Gewährung der tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten in Höhe von 434,78 EUR im Zeitraum März bis Juni 2012. Die Kläger meinen, die in der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg festgelegten Beträge seien zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Die Berechnung der einzelnen Werte könne nicht nachvollzogen werden, da offensichtlich nach der Errechnung der festgesetzten Ergebnisdaten sämtliche Erhebungsdaten gelöscht seien. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Das anonymisierte Datenmaterial könne in tatsächlicher wie mathematischer Hinsicht, sowie in der Erhebung, Bearbeitung und Vollständigkeit der Berücksichtigung nicht geprüft werden. Nicht schlüssig sei die Herausnahme aller Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u. a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es sei anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 Prozent eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 Prozent Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden.

10

Mit Schreiben vom 11.11.2014 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Kabelgebühr nicht übernahmefähig sei, da ausweislich des Mietvertrages vom 06.05.2011 die Wohnung auch ohne Kabelanschlussnutzung habe angemietet werden können.

11

Die Kläger beantragen zuletzt,

12

den Bescheid vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die vom Beklagten gewählte Angemessenheitsgrenze sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG). Bezüglich der Größe der angemessenen Wohnfläche sei auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau zurückgegriffen worden. Die beauftragte Firma A. (in Folgenden Firma A.) habe in dem von ihr erstellten Konzept das gesamte Kreisgebiet des Landkreises Wittenberg als Vergleichsraum definiert und diesen weiter ausdifferenziert und innerhalb des Vergleichsraums in verschiedene Wohnungsmarkttypen aufgegliedert, um Segregation bzw. Gettoisierung zu vermeiden. Die Wohnungsmarkttypen würden Gebiete gleicher oder ähnlicher Wohnungsmarkt- und Mietpreisstruktur zusammenfassen und seien mit dem wissenschaftlich gebräuchlichen Verfahren der Clusterbildung durchgeführt. Die Wohnungsmarkttypen würden die Vergleichsräume differenzieren. Ein Wohnungsmarkttyp könne – müsse jedoch nicht – einen Vergleichsraum bilden. Er stelle eine Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb eines Vergleichsraumes dar. Die Datenerhebung habe sich auf den gesamten Vergleichsraum im Sinne des gesamten Landkreises Wittenberg bezogen. Es habe eine Definition des Gegenstandes der Beobachtung stattgefunden. Bei den Mietwerterhebungen seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung verfügten. Wohnung die diesem Standard nicht genügten, seien unberücksichtigt geblieben. Weiterhin sei hinsichtlich der Brutto- und Nettomieten sowie nach Wohnungsgrößen differenziert worden. Der Beobachtungszeitraum habe von Mai bis November 2010 stattgefunden. In der zweistufigen Erhebung seien die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert, angeschrieben und um Auskunft gebeten worden. In der zweiten Stufe seien kleinere Vermieter in der Erhebung berücksichtigt worden. Darüber hinaus seien nach dem Zufallsprinzip und dem Stichprobenprinzip Mieter angeschrieben worden. Unter Verweis auf den Endbericht habe die Firma A. 10.914 Datensätze erhoben, wovon tabellenrelevante Mietwerte in Höhe von 4.632 in die Berechnung eingeflossen und damit repräsentativ seien. Zudem seien in die Mietwerterhebung nur die Daten aufgenommen worden, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden seien, um nur aktuell zu zahlende Mieten zugrunde zu legen. Die Datenauswertung entspreche anerkannten mathematischen und statistischen Grundsätzen. Die daraus gezogenen Schlüsse seien nachvollziehbar, verständlich und begründet.

16

Der Beklagte hat der Kammer nach Aufforderung einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht am 26.08.2014 als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch am 30.01.2015 ein Aktenordner (Band IV) mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg vom 15.03.2011, Stand 09.10.2012, 03.06.2013 und 18.02.2014), einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung aus Januar 2011 sowie zur Indexfortschreibung vom 14.11.2013 übersandt worden. Hierin enthalten war eine Stellungnahme der Firma A. vom 04.06.2013 sowie weiterer Schriftverkehr zur Mieter/Vermieterbefragung, die am 30.12.2014 der Kammer bereits zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Ordner führt die Kammer als Generalakte Landkreis Wittenberg.

17

Das Gericht hat im Erörterungstermin am 05.11.2014 die Generalakte der 7. Kammer Landkreis Wittenberg zum Verfahren beigezogen und den der Datenerhebung zugrundeliegenden Schriftwechsel vom Beklagten angefordert. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 06.02.2015 den Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben (Bl. 147-178) dem Gericht vorgelegt. In der Folgezeit sind Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13.02.2015 und 26.06.2015 in Ergänzung zur Generalakte Band IV übersandt worden. Mit Schreiben vom 03.08.2015 hat das Gericht nach Prüfung der vorgelegten Daten und Unterlagen zum Konzept des Beklagten einen Hinweis nach vorläufiger Auffassung des Gerichts erteilt und darauf aufmerksam gemacht, dass die Datenerhebung zur Begründung der Schlüssigkeit des Konzeptes zur Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf die vom Beklagten ermittelten Richtlinienwerte unzureichend sein dürfte. Der Beklagte hat Gelegenheit zur Nachbesserung erhalten. Daraufhin hat der Beklagte seinen Vortrag zur Generalakte Landkreis Wittenberg zuletzt mit Schreiben vom 16.10.2015 (Stellungnahmen vom 13.10.2015 und 15.10.2015) ergänzt, worüber die Kläger mit Schreiben vom 02.11.2015 in Kenntnis gesetzt worden sind.

18

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Generalakte Landkreis Wittenberg Band I bis IV haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

19

Die zulässige Klage ist begründet.

20

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 30.06.2012.

21

1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 29.02.2011 in Fassung der Bescheide vom 09.05.2011 und vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012. Die Kläger haben mit ihrer Begründung und dem Antrag zulässig den Streitgegenstand auf die Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung begrenzt (BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R). Nicht mehr streitig ist die Übernahme der Kabelgebühr in Höhe von 10,00 EUR, da der Klageantrag betragsmäßig begrenzt wurde.

22

2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Die Kläger haben im Zeitraum März 2012 bis Juni 2012 Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 424,78 EUR monatlich.

23

Die Kläger erfüllen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

24

Die Klägerin zu 1. ist im passenden Alter und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte, die gegen eine Erwerbsfähigkeit sprechen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

25

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der nach Nr. 1 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Kläger zu 2. gehörte dem Haushalt der Klägerin zu 1. an und war minderjährig.

26

Als Bedarf für Unterkunft und Heizung sind für die Kläger Aufwendungen in Höhe von 424,78 EUR zur berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (st. Rspr. u. a. BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 1/12 R). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u. a. BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R; Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II).

27

Aus dem Mietvertrag entstanden den Klägern monatliche Aufwendungen für Grundmiete in Höhe von 293,78 EUR, für Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 73,00 EUR und für Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 58,00 EUR.

28

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die kalten Mietkosten der Kläger nicht unangemessen und auf 316,20 EUR zu begrenzen.

29

Soweit die Klägerin zu 1. ohne vorherige Zusicherung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft durch den Beklagten umgezogen ist, kommt eine Begrenzung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf angemessene Kosten nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II soll die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Die Klägerin zu 1. war zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht leistungsberechtigt, denn sie befand sich in einer dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung und war vom Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Jedoch hatte der Beklagte zum Zeitpunkt des Umzugs an die Klägerin zu 1. nach der Vorschrift des § 27 Abs. 1, 3 SGB II einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gewährt. Nach § 27 Abs. 1 SGB II erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Absatz 5 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Leistungen für Auszubildende gelten nicht als Arbeitslosengeld II. Abs. 3 bestimmt den Personenkreis, der einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhält, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II ungedeckt ist. Dabei sind auch für von der Leistung grundsätzlich ausgeschlossene Auszubildende, die einen solchen Zuschuss zu den Unterkunftskosten erhalten, die Regelungen hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit dieser Kosten anzuwenden. § 27 Abs. 3 SGB II nimmt nach seinem Wortlaut ausdrücklich Bezug auf die "angemessenen" Aufwendungen und auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auch die Obliegenheit der vorherigen Einholung einer Zusicherung ist in dieser Fallgestaltung anwendbar. Für einen Umzug während des Leistungsbezuges in eine andere Unterkunft trifft Abs. 4 eine dem Abs. 1 Satz 3 ergänzende Sonderregelung, die auch neben die Leistungsdeckelung des Abs. 1 Satz 2 tritt (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 123). Nach erfolgtem Umzug wirkt ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung nicht auf die Übernahme der angemessenen Kosten. Da das Zusicherungsverfahren allein Aufklärungs- und Warnfunktion hat, ist die Erteilung einer Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten. Die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft bezieht sich anspruchsbegründend nur auf den Teil der Unterkunftskosten, der den im Einzelfall angemessenen Umfang übersteigt (Berlit a. a. O. Rn. 79). Da die Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger den angemessenen Umfang nicht übersteigen, kommt eine Begrenzung wegen fehlender Zusicherung nicht in Betracht.

30

Der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern zu tragenden Unterkunftskosten als unangemessen angesehen. Die von ihm herangezogene Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII ist für eine Begrenzung von Wohnkosten auf den in der Mietwerterhebung ermittelten Betrag nicht tauglich. Die Mietwerterhebung entspricht nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

31

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist in einer zweistufigen Prüfung zunächst eine abstrakte und sodann eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R).

32

Der Beklagte geht zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 qm angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, L 5 AS 181/07; Urteil vom 09.05.2012, L 5 AS 2/09). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe nicht.

33

Bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich als Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis ergibt, ist der Beklagte grundsätzlich bei der Wahl seiner Methode frei. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

34
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
35
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
36
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
37
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
38
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
39
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
40
- Validität der Datenerhebung,
41
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
42
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
(BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R).
43

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R). Die Verwaltung hat zunächst festzulegen, wie das untere Marktsegments zu definieren ist. Diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (BSG, a. a. O.).

44

Nach dem Endbericht zur Mietwerterhebung (im Folgenden Endbericht) aus Januar 2011, Seite 7, wird näher ausgeführt, über welche Merkmale die Wohnungen mindestens verfügen müssen, um als unteres Marktsegment und nicht als Substandardwohnungen in die Erhebung und Auswertung einfließen zu können. Als Mindestanforderung sollten die Wohnungen über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügen. Substandardwohnungen blieben nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt. Die Definition des zu berücksichtigenden unteren Marktsegments als einfacher Wohnstandard ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Ob bei der Bestimmung einer Vergleichsmiete Wohnungen, die nur den untersten Stand abbilden, tatsächlich mit erhoben und einbezogen wurden, konnte der Beklagte nicht nachweisen. Weder die vom Beklagten auf Anforderung vorgelegten Mieterfragebögen noch die Vermieterfragebögen oder die hierzu erstellten Merkblätter beinhalten Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen. Soweit der Beklagte in der Stellungnahme vom 13.02.2015 mitteilt, die Vermieter nach dem Anschreiben telefonisch kontaktiert zu haben und in diesem Gespräch die Frage nach verschiedenen Ausstattungsmerkmalen gestellt zu haben, verbunden mit der Bitte, nur Daten für Wohnungen zu übermitteln, die mindestens über ein inne liegendes Bad/WC und eine "Sammelheizung" verfügen und nicht dem Luxussegment zuzurechnen sind, so genügt diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren (so auch Sozialgericht [SG] Dessau-Roßlau, Urteil vom 19.08.2015, S 14 AS 2582/12). Zudem ist bei der Erhebung im Mietersegment ein persönlicher Kontakt zur Konkretisierung des Standards offensichtlich nicht erfolgt. In der Stellungnahme vom 26.06.2015 (Generalakte Band IV) meint der Vertreter der Firma A. zwar, dass Auswirkungen eines möglicherweise geringen Anteils von Substandardwohnungen im Auswertungsdatensatz enthalten sein könnten, aber statistisch zu vernachlässigen seien. Jedoch bestätigt er im Rahmen der Beantwortung von weiteren Fragen in einer Stellungnahme vom 26.06.2015, dass in der amtlichen Statistik das Merkmal der Substandardwohnungen letztmalig mit der Gebäude- und Wohnungszählung aufgenommen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden ist und hierfür entsprechend keine konkreten Angaben für den Landkreis Wittenberg gemacht werden können. Ein belastbarer, nachvollziehbarer Ausschluss der Erhebung von Wohnungen im definierten untersten Standard ist nicht ersichtlich. Auch dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens unter Anwendung einer planvollen Methodik. Denn eine Auswertung der Daten nach anerkannten statistischen Grundsätzen erscheint fernliegend, wenn die Zahl möglicher mit erhobener Substandardwohnungen schon gar nicht bekannt ist.

45

Weiterhin beanstandet die Kammer die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung. Die Definition des Gegenstandes der Beobachtung ist diesbezüglich nicht nachvollziehbar. Der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten ist nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Der Konzeptersteller hat sich für die Untersuchung der Mieten des gesamten Wohnungsmarktes entschieden (Endbericht Seite 8). Zur Grundgesamtheit des relevanten Bestandes für die Mietwerterhebung gehören danach neben frei finanzierten Mietwohnungen auch Wohnungen, die öffentlichen Mietpreisbindungen unterliegen. Die Datenerhebung muss nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen. Es genügt bei der Erhebung eine ausreichende Anzahl von Stichproben. Es sind bei der anhand nachvollziehbarer Kriterien ermittelten Stichprobenauswahl alle Wohnungsbestände und alle relevanten Vermietergruppen in die Grundgesamtheit einzubeziehen. Die Struktur der Stichprobe soll so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39). Ohne Angabe näherer Gründe hat der Konzeptersteller Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Gegenstand der Beobachtung ausgeschlossen. Von den nach der Quelle des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt zugrunde gelegten 40.167 Wohngebäuden im Landkreis Wittenberg bestehen neben 4.784 Gebäuden mit Geschosswohnungsbau 28.167 Einfamilienhäuser und 7.216 Zweifamilienhäuser. Von den 72.219 Wohnungen befinden sich 28.167 in Einfamilienhäuser, 14.432 in Zweifamilienhäusern und 29.620 im Geschosswohnungsbau mit mindestens drei Wohnungen. Nur letztere sieht der Konzeptersteller als relevanten Wohnungsmarkt an. Mit der Herausnahme der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hat der Beklagte nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg als definiertem Vergleichsraum ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach den Angaben des Konzepterstellers sollen rund 8,3 Prozent der Einfamilienhäuser (entspricht 2.338) und 31,6 Prozent der Wohnungen in Zweifamilienhäusern (entspricht 4.560) zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26.06 2015). Diese Daten wurden von vornherein von der Erhebung ausgeschlossen. Nach den Fragestellungen in den Fragebögen sollten die Befragten bei Bejahung der Frage: "Wohnen Sie in einem Gebäude mit weniger als drei Wohnungen (Mietparteien)?" diese Fragebögen nicht weiter ausfüllen, da die Miete für die Mietwerterhebung nicht relevant sei. Die Fragestellung schließt im Übrigen auch die Rücksendung des Fragebogens aus, wenn eine der drei Wohnparteien selbstnutzender Eigentümer des Hauses ist. Von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen hat der Konzeptersteller von vornherein fast 6.900 Wohnungen im definierten Vergleichsraum von der Erhebung ausgenommen. Dies entspricht ca. 19 Prozent des Wohnungsbestandes. Eine zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbare Begründung konnte der Beklagte nicht angeben. Im Endbericht selbst erfolgt keine Begründung dieses Vorgehens. Die Kammer geht davon aus, dass der vom Konzeptersteller zu definierende Vergleichsraum maßgeblich ist für die Erhebung des gesamten Wohnungsmarktes und nicht nur wie in der am 16.10.2015 übersandten Stellungnahme die Stadt Wittenberg selbst. Es muss zuerst der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau von Wohnungen im unteren Segment des Wohnungsmarktes ermittelt wird. Der Ausschluss der genannten Wohnungen von der Erhebung ist insbesondere dann nicht planvoll, wenn (erst) in der Stellungnahme betont wird, dass diese Wohnungen aufgrund der Filterbedingungen nicht alle erhebungsrelevant gewesen wären. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme von Schlussfolgerungen, die erst aus der Auswertung zu ziehen sind. Bei den erhobenen Daten im Geschosswohnungsbau war ebenfalls ein erheblicher Anteil der Daten für die weitere Auswertung nicht relevant (6.282 Fragebögen von insgesamt 10.914). Auch die nachträglich gestellte Frage des Konzepterstellers, ob Einfamilienhäuser überhaupt aufgrund ihrer Größe in der Regel für die Anmietung durch eine Bedarfsgemeinschaft in Frage kommen, wäre allenfalls bei der Festlegung des Gegenstands der Beobachtung und des zu erhebenden Datenumfangs zu stellen und beantworten gewesen. Der Konzeptersteller hat bei der Mietwerterhebung nach Wohnungsgröße der Mietwohnungen differenziert. In diesem Zusammenhang wäre eine Einordnung von Wohnungen in dem ausgelassenen Segment durchaus möglich gewesen. Eine Vermeidung von Verzerrungen (Stellungnahme vom 26.06.2015) ließe sich bei der Auswertung der Daten berücksichtigen und statistisch bereinigen. Soweit der Konzeptersteller anmerkt, dass die Anmietung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ja nicht ausgeschlossen sei, so handelt es sich um einen Zirkelschluss. Die Kammer meint, es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass gerade die privaten Vermieter derartiger Objekte insbesondere auch in ländlichen Gebieten eine wichtige Funktion für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte übernehmen.

46

Die Kammer hat weiterhin erhebliche Bedenken an der ordnungsgemäßen Festlegung des maßgeblichen Vergleichsraumes (so schon SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.08.2012, S 11 AS 2430/11). Diese Frage kann die Kammer jedoch offen lassen. Denn wenn bereits die Datenerhebung unvollständig und nicht nachvollziehbar erfolgt ist, kann auch eine mögliche auf andere Vergleichsräume innerhalb des erhobenen Landkreises bezogene Auswertung der vorhandenen Daten keinen weiteren Erkenntnisgewinn bringen.

47

Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R). Der Wohnort der Kläger gehört zur Mietstufe III. Für einen Zweipersonenhaushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 402,00 EUR, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 442,20 EUR ergibt. Die Kaltmiete der Kläger in Höhe von 366,78 EUR überschreitet diesen Betrag nicht. An der Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von 58,00 EUR bestehen keine Bedenken. Da der Beklagte an die Kläger im streitigen Zeitraum zuletzt mit Bescheid vom 21.06.2012 bereits Unterkunftskosten in Höhe von 374,20 EUR gewährte, sind noch weitere Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

II.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

III.

49

Die Berufung war zuzulassen, da nach Auffassung der Kammer ein nach § 144 Abs. 2 SGG bestimmter Zulassungsgrund vorliegt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der Mietwerterhebung zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Wittenberg hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 sowie in der Fassung des Änderungsbescheides vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 66,13 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 6,50 Euro zu gewähren. Der Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurde Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich sowie durch den Kindsvater Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 2. März 2012 an, dass monatlich 306,00 Euro zufließen würden. Die Klägerin stand im streitgegenständlichen Zeitraum in keinem Beschäftigungsverhältnis und erzielte auch kein sonstiges Einkommen.

5

Mit Bescheid vom 8. März 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 596,66 Euro. Für den Kläger zu 2) wurden lediglich Leistungen für den Schulbedarf im August 2012 in Höhe von 70,00 Euro bewilligt. In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten von 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von 306,00 Euro an. Damit ergab sich ein bei der Klägerin zu 1) zu berücksichtigendes übersteigendes Kindergeld, welches der Beklagte um die Versicherungspauschale bereinigte. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte damit, dass noch ein Nachweis über die Änderung der Unterhaltszahlung nachzureichen wäre, damit der tatsächliche Anspruch ermittelt werden könne.

6

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 8. März 2012 legte die Klägerin zu 1) am 12. April 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie zunächst aus, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung für ihr Kind gänzlich fehlen würden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 wurde der Widerspruch dahingehend ergänzt, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht vollständig berücksichtigt worden seien. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

7

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012 in Höhe von monatlich 601,25 Euro. Dabei berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

8

Ab Juni 2012 stellten die Kläger mehrere Anträge auf Zusicherung zum Umzug. Zum 1. Oktober 2012 bezogen die Kläger die jetzige Wohnung mit Zusicherung des Beklagten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kläger hätten keine weitergehenden Ansprüche auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Bedarfe für Unterkunft und Heizung würden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen wären. Der Landkreis Wittenberg als kommunaler Träger habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII aufgrund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Für die in der Lutherstadt Wittenberg wohnenden Kläger sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 m², eine Nettokaltmiete von 4,22 Euro/m² und kalte Betriebskosten von 1,05 Euro/m², also insgesamt 316,20 Euro angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete der Kläger sei damit zu hoch. Zwar habe das Sozialgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 17. August 2012 (S 11 AS 2430/11) entschieden, dass die Verwaltungsvorschrift den Vorgaben des Bundessozialgerichts zur Mietwerterhebung und somit zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht entsprechen würde. Gegen das Urteil sei aber Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden (L 5 AS 649/12 NZB). Die Kläger hätte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juli 2011 über die Unangemessenheit belehrt. Entgegen des Vortrags der Kläger seien die Heizkosten nicht lediglich in angemessener, sondern in tatsächlicher Höhe berücksichtigt worden. Angemessen sei ein Betrag von 84,50 Euro monatlich. Tatsächlich seien 75,17 Euro angefallen (82,00 Euro x 11 Abschläge: 12 Monate). Aus den Berechnungsbögen sei ersichtlich, dass auch für das Kind Kosten für Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden seien, es aber aufgrund seines Kindergeldes und Unterhalts seinen Bedarf selbst decken könne.

10

Unter dem 22. Oktober 2012 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass als Kosten der Unterkunft und Heizung 425,00 Euro für die Bruttokaltmiete und 75,17 Euro für die Heizkosten angefallen seien. Diese Kosten seien auch in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es ist anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 % eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden. Weiterhin seien die Regelleistungen verfassungswidrig zu gering bemessen.

11

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

12

den Klägern unter Änderung des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 8. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von 425,00 Euro Bruttokaltmiete zzgl. 75,17 Euro Heizkosten sowie auf Grundlage eines verfassungsgemäß bestimmten Regelleistungssatzes für April 2012 bis September 2012 zu bewilligen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte trägt zunächst vor, dass er hinsichtlich der Regelbedarfe an die gesetzlichen Regelungen gebunden sei. Desweiteren gehe er davon aus, dass es sich bei dem Endbericht um ein schlüssiges Konzept zur Datenerhebung entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts handele. Die Kläger würden in einer unangemessen großen Wohnung leben. Der Beklagte sehe es auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem Umzug am 1. Oktober 2012 eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

16

Mit Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 598,25 Euro endgültig bewilligt. Dabei hat der Beklagte nunmehr einen um 3,00 Euro höheren Kindesunterhalt, also einen Betrag von monatlich 309,00 Euro berücksichtigt, sodass sich das den Kindesbedarf übersteigende Kindergeld entsprechend erhöht hat. Mit Erstattungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte von der Klägerin zu 1) einen Betrag von monatlich 3,00 Euro, also insgesamt 18,00 Euro für den Regelbedarf zurückgefordert. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 6. November 2012 hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unzulässig verworfen. Der Bescheid sei gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. September 2012. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 8. März 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 in der Fassung der Bescheide vom 6. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013. Die Bescheide vom 6. November 2012 haben dabei die ursprünglich vorläufige Leistungsbewilligung während des Klageverfahrens durch endgültige Bewilligung ersetzt und sind damit im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG, der eine Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung divergierender Entscheidungen bezweckt, Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Dies gilt auch hinsichtlich der Erstattungsverfügung (vgl. dazu Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2011, B 14 AS 165/10 R, Rn. 17 – juris). Da die Kläger ihr Begehren gerade nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt haben, stehen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt im Streit; der geltend gemachte Anspruch ist daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen.

3.

23

Die Klage ist teilweise auch begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro.

a)

24

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

25

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32- bzw. 33- jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

b)

26

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

27

Mit dem Begehren auf Heranziehung höherer Regelbedarfe können die Kläger nicht durchdringen. Die anzuwendenden Regelbedarfe wurden durch das SGB II direkt bzw. im Wege der Fortschreibung gemäß § 20 Abs. 5 SGB II in Verbindung mit §§ 28a, 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zum 1. Januar 2012 und in den nachfolgenden Kalenderjahren durch Verordnung festgelegt. Die Rechtsprechung ist – wie auch die vollziehende Gewalt – an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Prüfung, ob die Regelbedarfshöhe verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt oder die entsprechenden Normen zu verwerfen sind, ist allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Grundlagen zur Bestimmung des Regelbedarfs mit Art. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG mit Beschluss vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13) vereinbar erklärt. Ausdrücklich in Bezug genommen hat das Bundesverfassungsgericht dabei auch § 2 der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012, 2013 sowie 2014 (Bundesverfassungsgericht, aaO, Rn. 73 – juris).

c)

28

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

29

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

30

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

31

Eine Bruttokaltmiete wurde dagegen lediglich in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht enthalten und wurde durch die Kläger nicht dargelegt. Da im Klageverfahren zum Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 lediglich eine Miete von 415,00 Euro begehrt worden war, geht die Kammer auch für den Zeitraum April 2012 bis September 2012 von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro aus.

32

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

33

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

34

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

35

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

36
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
37
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
38
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
39
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
40
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
41
- Validität der Datenerhebung,
42
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
43
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
44

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

45

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

46

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

47

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

48

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

49

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

50

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

d)

51

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

52

Der Kläger zu 2) hatte Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Daneben wurde für ihn Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen. Absetzmöglichkeiten nach § 11b SGB II entfallen folglich auch.

e)

53

Es besteht demnach ein (endgültiger) Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 601,25 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 66,13 Euro monatlich zu zahlen sind. Eine Erstattungsforderung im Sinne von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III verbleibt folglich nicht.

II.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Eine Bezifferung des Begehrens hinsichtlich der Regelbedarfe war zwar nicht ausdrücklich erfolgt. Die Kammer ist aber nicht von einer nur untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung für die Kläger, sondern letztlich von gleichwertigen Begründungsansätzen ausgegangen. Daraus resultiert die nur hälftige Kostentragung durch den Beklagten.

III.

55

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 52,82 Euro und dem Kläger zu 2) für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 0,81 Euro unter Abänderung des Bescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 im Wege des Überprüfungsverfahrens.

2

Die 1979 geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... 2004 geborener Sohn, der Kläger zu 2), standen seit 2005 mit Unterbrechungen im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Sie bewohnten ab September 2008 eine ca. 74 m² große Wohnung in der ...-Straße in Wittenberg zur Miete. Laut Mietvertrag vom 22. August 2008 waren eine Grundmiete von 330,00 Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 Euro monatlich zu zahlen. Die separaten Abschläge für Gas als Heiz- und Warmwasserbereitungskosten fielen nach Jahresabrechnung vom 31. Dezember 2011 in Höhe von 82,00 Euro ab Februar 2012 bis Dezember 2012 monatlich an.

3

In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 4. Juli 2011, in welchem Leistungen für den Zeitraum April 2011 bis September 2011 für beide Kläger bewilligt worden waren, wies der Beklagte darauf hin, dass die Kosten für den angemieteten Wohnraum als unangemessen anzusehen seien. Die Kläger würden aufgefordert, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Sollte eine Senkung nicht erfolgen, wäre der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen und den angemessenen Kosten der Unterkunft durch die Kläger selbst zu tragen. Für einen 2-Personen-Haushalt würden die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 316,20 Euro betragen.

4

Für den Kläger zu 2) wurden Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro sowie durch den Kindsvater monatlich Unterhalt gezahlt. Dahingehend gab die Klägerin zu 1) im Fortzahlungsantrag vom 31. August 2011 an, dass monatlich 300,00 Euro zufließen würden. Weiteres Einkommen der Kläger wurde verneint.

5

Mit Bescheid vom 14. September 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2011 bis 31. März 2012 Leistungen, darunter für Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von monatlich 604,78 Euro (Klägerin: 601,39 Euro, Kläger: 3,39 Euro). In der Bedarfsberechnung legte der Beklagte bei den Unterkunftskosten einen Betrag von 316,20 Euro und bei den Heiz- und Warmwasserkosten 70,58 Euro zugrunde, kopfanteilig also monatlich 193,39 Euro. Auf den Kindesbedarf rechnete der Beklagte das Kindergeld sowie Unterhalt von lediglich 257,00 Euro an.

6

Nach Mitteilung der Klägerin zu 1), dass sie ab Oktober 2011 eine Teilzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttolohn von 1100,00 Euro bzw. Nettolohn von 863,71 Euro aufgenommen hätte, bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. November 2011 geringere Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis März 2012 unter Anrechnung des Einkommens, darunter für Februar 2012 bis März 2012 Leistungen in Höhe von monatlich 31,07 Euro (Klägerin: 30,90 Euro, Kläger: 0,17 Euro). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. November 2011 gekündigt. Daraufhin bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12. Januar 2012 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 615,66 Euro (Klägerin: 612,27 Euro, Kläger: 3,39 Euro) ohne Einkommensanrechnung aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr auch die Anpassung der Regel- und Mehrbedarfe. Zusätzlich bewilligte der Beklagte dem Kläger zu 2) für Februar 2012 Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro.

7

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides für den Bewilligungszeitraum Oktober 2011 bis März 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien ab Januar 2012 nicht vollständig übernommen worden. Die tatsächlichen Mietkosten würden monatlich 429,53 Euro betragen. Es seien lediglich 386,78 Euro berücksichtigt worden. Dies sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte sich auf die Angemessenheitsrichtlinie des Landkreises Wittenberg stütze, sei auszuführen, dass diese rechtswidrig sei. Es werde auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (S 11 AS 2428/11 ER) verwiesen.

8

Mit Änderungsbescheid vom 23. April 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 in Höhe von monatlich 620,25 Euro (Klägerin: 614,56 Euro, Kläger: 5,69 Euro). Im Februar 2012 wurden weiterhin zusätzlich Leistungen für den Kläger zu 2) für den Schulbedarf bewilligt. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte nunmehr als Heiz- und Warmwasserkosten einen monatlichen Betrag von 75,17 Euro.

9

Am 15. August 2012 gab die Klägerin zu 1) auf Nachfrage des Beklagten an, dass sie bereits seit dem 1. April 2011 monatlich 309,00 Euro als Kindesunterhalt erhalten würde, was der Kindsvater auch schriftlich bestätigte. Eine Abänderung der Leistungsbewilligung erfolgte durch den Beklagten nicht.

10

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 erklärte der Beklagte auf den "Antrag auf Überprüfung [seines] Bescheides vom 12. Januar 2012 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)", dass dem Antrag "in voller Höhe entsprochen werden konnte". Für Januar 2012 seien nunmehr die "angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung von 429,53 Euro" berücksichtigt worden (Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012). Gegen die beiden Bescheide vom 18. Oktober 2012 legten die Kläger am 7. November 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass die Heranziehung der Angemessenheitsrichtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Ein schlüssiges Konzept würde der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde liegen. Im Übrigen würde die verfassungswidrig zu gering bemessene Regelsatzhöhe gerügt. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2012 für Januar 2012 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 zurück, wogegen die Kläger eine separate Klage erhoben (S 14 AS 812/13). Den Widerspruch gegen den Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 wies der Beklagte mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. März 2013 als unbegründet zurück. Der Bescheid für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 sei bindend geworden und dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 44 SGB X überprüft werden. Die Kläger hätten jedoch nichts vorgebracht, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Januar 2012 sprechen würde. Es hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben, die dafür sprechen würden, dass die Entscheidung falsch sei. Eine sachliche Prüfung habe daher abgelehnt werden dürfen.

11

Unter dem 4. April 2013 haben die Kläger gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte ihnen rechtswidrig zu geringe Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt hätte. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden 415,00 Euro und die tatsächlichen Heizkosten 70,58 Euro betragen. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Ihnen sei der Differenzbetrag von monatlich 98,80 Euro nachzuzahlen.

12

Die Kläger beantragen ausdrücklich,

13

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Teil-Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2012 sowie des Bewilligungsbescheides vom 14. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 weitere Leistungen für den Bewilligungszeitraum Februar 2012 bis März 2012 in Höhe von 197,60 Euro zu bewilligen.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zu den Angemessenheitskriterien für Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte sehe es im Übrigen auch nicht als erwiesen an, dass die Kläger nicht bereits vor dem zwischenzeitlich zum 1. Oktober 2012 erfolgten Umzug eine angemessene Unterkunft hätten finden und beziehen können. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Klägerin zu 1) nicht sofort an die jetzige Vermieterin gewandt habe. Diese sei ein großer Vermieter und verfüge auch über Wohnraum im Schulumfeld der Grundschule des Klägers zu 2). Tatsächlich sei im Oktober 2012 eine Wohnung bezogen worden, von der aus die Grundschule bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichbar wäre.

17

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13. Februar 2015, 18. März 2015 und 26. Juni 2015 als Band IV übersandt worden.

18

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

19

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

20

Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

21

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

22

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die (teilweise) Aufhebung des die Überprüfung des Bewilligungsbescheides für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im streitigen Zeitraum. Entgegen der Formulierung im Klageantrag kann bezüglich der Rücknahme eines Verwaltungsaktes zugunsten der Kläger im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X aber nicht auf den (ursprünglichen) Bewilligungsbescheid vom 14. September 2011 abgestellt werden, da dieser schon vor dem Überprüfungsantrag durch die Bescheide vom 17. November 2011 und 12. Januar 2012 ersetzt worden war. Nach Eingang des Überprüfungsantrags wurde der Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, welchen der Beklagte auch ausdrücklich überprüft hatte, wiederum durch Erlass des Bescheides vom 23. April 2012 abgeändert. Das Klagebegehren ist insoweit aber auslegungsfähig (vgl. § 123 SGG).

3.

23

Die Klage ist auch teilweise begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 18. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2013 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Die Kläger haben einen Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des Überprüfungsverfahrens. Die Klägerin zu 1) hat einen Leistungsanspruch für den Zeitraum Februar 2012 bis März 2012 von 667,38 Euro monatlich. Für den Kläger zu 2) ergibt sich ein Leistungsanspruch von monatlich 6,50 Euro (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf in Höhe von 30,00 Euro im Februar 2012).

a)

24

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 12. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2012 zugunsten der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

25

Der Antrag der Kläger genügte den Anforderungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X. Das konkrete Überprüfungsbegehren und damit der Umfang der Prüfpflicht waren für den Beklagten ohne Weiteres erkennbar.

b)

26

Das Recht wurde durch den Beklagten in unrichtiger Weise angewandt. Die Kläger haben für den streitgegenständlichen Zeitraum 1. Februar 2012 bis 31. März 2012 einen höheren Leistungsanspruch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.

aa)

27

Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

28

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 32-jährige Klägerin zu 1) ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörte nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auch der mit im Haushalt lebende minderjährige Sohn der Klägerin, der Kläger zu 2), da dieser seinen Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen hat vollumfänglich decken können.

bb)

29

Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II beträgt der monatliche Regelbedarf der Klägerin zu 1) als alleinstehende bzw. alleinerziehende Person 374,00 Euro. Desweiteren ist bei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der Alleinerziehendenmehrbedarf in Höhe von 44,88 Euro (12 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) zu berücksichtigen. Der am ... 2004 geborene und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 7-jährige Kläger zu 2) hat einen Anspruch auf Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro gemäß § 23 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 77 Abs. 4 Nr. 3 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

cc)

30

Hinzuzurechnen sind die Kosten für Unterkunft und Heizung vorliegend in Höhe von monatlich 497,00 Euro, also kopfanteilig 248,50 Euro.

31

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/0AS 61/06 R, Rn. 19 – juris). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung).

32

Heiz- und Warmwassererzeugungskosten sind entgegen der Auffassung des Beklagten unter Berücksichtigung der Fälligkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Höhe von nur 75,17 Euro, sondern in Höhe von monatlich 82,00 Euro angefallen. Für eine Aufteilung von elf Abschlägen auf zwölf Monate gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Gasabschlag war selbst unter Heranziehung der Werte des Heizspiegels für eine Wohnfläche von 60 m² nicht unangemessen.

33

Eine Bruttokaltmiete wurde in Höhe von 415,00 Euro durch den Mietvertrag nachgewiesen. Eine Abänderung im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung durch den privaten Vermieter ist in der Verwaltungsakte nicht erkennbar. Die Kammer geht von einer tatsächlichen Miete in Höhe von monatlich 415,00 Euro (Grundmiete: 330,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro) aus.

34

Die Unterkunftskosten sind auch nicht auf einen Betrag von 316,20 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen. Dabei hat die Kammer keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 4. Juli 2011. Subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der vorherigen Wohnung sind nach Auffassung der Kammer nicht anzunehmen. Die Kläger waren tatsächlich (in eine kostengünstigere) Wohnung umgezogen, wenn auch erst nach 15 Monaten. Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

35

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

36

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

37

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

38
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
39
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
40
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
41
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
42
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
43
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
44
- Validität der Datenerhebung,
45
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
46
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
47

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

48

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss.

49

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

50

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A. vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig. Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

51

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll.

52

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme A. vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze. Sofern man nur auf den Wohnort der Kläger, also die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) abstellt, dürften die in die Auswertung insgesamt eingeflossenen Mietwerte von 3.148 Wohnungen auch rechnerisch mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Lutherstadt Wittenberg (= Wohnungsmarkttyp 1) als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

53

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 442,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 415,00 Euro zugrunde zu legen sind.

dd)

54

Auf den Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II das Einkommen anzurechnen. Vermögen im Sinne des § 12 SGB II ist nicht vorhanden. Aus § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II folgt, dass die Errechnung des ungedeckten Bedarfs eines Kindes zunächst unter Berücksichtigung seines eigenen Einkommens erfolgt, da Kindeseinkommen nicht zur Verteilung in der Bedarfsgemeinschaft ansteht, sondern vorrangig den Bedarf des Kindes decken soll (sog. vertikale Berechnungsmethode, vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14 AS 55/07 R, Rn. 24 f.; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Einkommen der Eltern wäre dagegen nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II bei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berücksichtigen (sog. horizontale Berechnungsmethode). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen.

55

Der Kläger zu 2) hatte tatsächlich ein Einkommen aus Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 309,00 Euro. Der Beklagte hatte bisher lediglich 257,00 Euro für die streitgegenständlichen Monate angerechnet. Da sich das Einkommen auch auf die mit der Klage geltend gemachten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auswirkt, kann die tatsächliche Einkommenshöhe nicht unberücksichtigt bleiben. Daneben wurde für den Kläger zu 2) Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich bezogen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) stellt Kindergeld Einkommen des Kindes dar, soweit es bei dem Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB II zu decken, scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus und der dann nicht benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten entsprechend der Regeln des § 62 Einkommensteuergesetz als Einkommen zugerechnet (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009, B 4 AS 39/08 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2012, B 4 AS 89/11 R, Rn. 16 – juris). Nach Anrechnung des Gesamteinkommens in Höhe von 493,00 Euro auf den Kindesbedarf von monatlich 499,50 Euro verbleibt noch ein Rest-Bedarf von 6,50 Euro. Übersteigendes Kindergeld liegt damit nicht vor. Die Klägerin zu 1) erzielte im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einkommen.

ee)

56

Es besteht demnach ein Leistungsanspruch der Klägerin zu 1) von monatlich 667,38 Euro und des Klägers zu 2) von monatlich 6,50 Euro. An die Klägerin zu 1) wurden bereits auf den Bescheid vom 23. April 2012 hin monatlich 614,56 Euro ausgezahlt, sodass für sie noch weitere 52,82 Euro monatlich zu gewähren sind. Für den Kläger zu 2) hat der Beklagte monatlich 5,69 Euro gezahlt (zuzüglich der einmaligen Leistung für den Schulbedarf von 30,00 Euro). Es verbleibt ein weiterer Anspruch von monatlich 0,81 Euro.

II.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Die Kläger haben eine Nachzahlung von 197,60 Euro begehrt. Erfolgreich waren sie in Höhe von 107,26 Euro.

III.

58

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt für beide Beteiligte jeweils nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu erstatten.

2. Der Beklagte hat den Klägern 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der den Klägern zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

2

Die am ... 1990 geborene Klägerin zu 1. beantragte nach Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses erstmals im August 2010 Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Sie bewohnte eine Wohnung in der ...straße ... in Wittenberg. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen zeigte die Klägerin beim Beklagten die Aufnahme einer neuen Ausbildung als Frisörin ab dem 01.09.2010 an. Mit Bescheid vom 25.08.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. für die Monate Juli 2010 und August 2010 Leistungen nach dem SGB II. Die Bundesagentur für Arbeit Lutherstadt Wittenberg gewährte der Klägerin zu 1. Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2011.

3

Am 27.10.2010 unterzeichnete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Partner, Herrn H., einen Wohnungsmietvertrag für eine preisgebundene Wohnung in der ...straße in Wittenberg, beginnend am 15.11.2010. Die Grundmiete der ca. 64 qm großen Wohnung betrug 294,40 EUR. Es wurde eine monatliche Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser in Höhe von 89,60 EUR und für sonstige Neben- und Betriebskosten in Höhe von 73,60 EUR vereinbart.

4

Am 20.04.2011 beantragte die seinerzeit schwangere Klägerin zu 1. erneut Leistungen beim Beklagten für eine Erstausstattung für Mobiliar bei Geburt eines Kindes und Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt, die der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2011 gewährte. Zugleich bewilligte er einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für Auszubildende im Zeitraum 01.05.2011 bis 31.08.2011.

5

Die Klägerin zu 1. mietete nach Trennung von ihrem Partner am 06.05.2011 beginnend ab dem 01.07.2011 eine 57,31 qm große Wohnung in der ...straße in Wittenberg an. Die Nutzungsgebühr betrug monatlich 293,78 EUR. An monatlichen Vorauszahlungen für Nebenkosten waren 73,00 EUR sowie für Heizkosten und Warmwasserkosten 58,00 EUR zu entrichten. Sie beantragte unter dem 25.07.2011 beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Aus der vorgelegten Mietbescheinigung vom 28.09.2011 ergab sich eine Gesamtmiete in Höhe von 434,78 EUR, in der monatliche Kosten in Höhe von 10,00 EUR für Kabelanschluss ausgewiesen waren. Mit Bescheid vom 06.10.2011 bewilligte der Beklagte an die Klägerin zu 1. im Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Sie sind ohne meine Zustimmung umgezogen. Infolgedessen erhalten Sie nur die angemessenen Unterkunftskosten." Am 22.11.2011 zeigte die Klägerin zu 1. beim Beklagten die Geburt des Klägers zu 2. an.

6

Die Kläger beantragten am 25.01.2012 die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen. Für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.02.2012 an die Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 366,40 EUR. In der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte kalte Mietkosten in Höhe von 316,20 EUR und Heizkosten in Höhe von 47,56 EUR, insgesamt 363,76 EUR. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Nach Vorlage eines Elterngeldbescheides erließ der Beklagte am 09.05.2012 einen Änderungsbescheid und bewilligte an die Kläger von März 2012 bis August 2012 monatliche Leistungen in Höhe von 758,37 EUR.

7

Die Kläger zogen zum 01.07.2012 gemeinsam mit Herrn H., dem Vater des Klägers zu 2., zum 01.07.2012 in die ...straße in Wittenberg. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2012 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gegenüber der Klägerin zu 1. ab dem 01.07.2012 aufgrund der Einbeziehung der Kläger in die Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H. auf. Zugleich erließ der Beklagte am 21.06.2012 einen Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 und gewährte an die Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 768,81 EUR. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr Warmwasserkosten bei den Heizkosten, die er in Höhe von insgesamt 58,00 EUR in die Berechnung einstellte und damit insgesamt 374,20 EUR an Kosten der Unterkunft und Heizung in der Bedarfsberechnung berücksichtigte.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 (tatsächliches Erlassdatum wohl 21.06.2012) wies der Beklagte nach Erlass der Bescheide vom 09.05.2012 und 21.06.2012 den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin zu 1. habe sich keine Zusicherung zum Umzug eingeholt. Die Wohnung in der ...straße sei unangemessen teuer. Der Landkreis Wittenberg habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und dem SGB XII auf Grund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Angemessen sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 qm, eine Nettokaltmiete von 4,22 EUR/qm und kalte Betriebskosten von 1,05 EUR/qm, insgesamt 316,20 EUR. Die Angemessenheit der Heizkosten sei nach dem bundesdeutschen Heizspiegel in der jeweils geltenden Fassung zu beurteilen. Nach dem im Oktober 2011 veröffentlichten Heizspiegel 2011 seien für die Heizung mit Fernwärme und einer Gebäudefläche ) 1000 qm Kosten in Höhe von 18,70 EUR/qm im Jahr angemessen. Es errechne sich ein angemessener Betrag von 93,50 EUR monatlich. Die tatsächlichen Heizkosten seien angemessen.

9

Mit ihrer am 13.07.2012 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Gewährung der tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten in Höhe von 434,78 EUR im Zeitraum März bis Juni 2012. Die Kläger meinen, die in der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg festgelegten Beträge seien zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Die Berechnung der einzelnen Werte könne nicht nachvollzogen werden, da offensichtlich nach der Errechnung der festgesetzten Ergebnisdaten sämtliche Erhebungsdaten gelöscht seien. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Das anonymisierte Datenmaterial könne in tatsächlicher wie mathematischer Hinsicht, sowie in der Erhebung, Bearbeitung und Vollständigkeit der Berücksichtigung nicht geprüft werden. Nicht schlüssig sei die Herausnahme aller Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u. a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es sei anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 Prozent eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 Prozent Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden.

10

Mit Schreiben vom 11.11.2014 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Kabelgebühr nicht übernahmefähig sei, da ausweislich des Mietvertrages vom 06.05.2011 die Wohnung auch ohne Kabelanschlussnutzung habe angemietet werden können.

11

Die Kläger beantragen zuletzt,

12

den Bescheid vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die vom Beklagten gewählte Angemessenheitsgrenze sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG). Bezüglich der Größe der angemessenen Wohnfläche sei auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau zurückgegriffen worden. Die beauftragte Firma A. (in Folgenden Firma A.) habe in dem von ihr erstellten Konzept das gesamte Kreisgebiet des Landkreises Wittenberg als Vergleichsraum definiert und diesen weiter ausdifferenziert und innerhalb des Vergleichsraums in verschiedene Wohnungsmarkttypen aufgegliedert, um Segregation bzw. Gettoisierung zu vermeiden. Die Wohnungsmarkttypen würden Gebiete gleicher oder ähnlicher Wohnungsmarkt- und Mietpreisstruktur zusammenfassen und seien mit dem wissenschaftlich gebräuchlichen Verfahren der Clusterbildung durchgeführt. Die Wohnungsmarkttypen würden die Vergleichsräume differenzieren. Ein Wohnungsmarkttyp könne – müsse jedoch nicht – einen Vergleichsraum bilden. Er stelle eine Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb eines Vergleichsraumes dar. Die Datenerhebung habe sich auf den gesamten Vergleichsraum im Sinne des gesamten Landkreises Wittenberg bezogen. Es habe eine Definition des Gegenstandes der Beobachtung stattgefunden. Bei den Mietwerterhebungen seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung verfügten. Wohnung die diesem Standard nicht genügten, seien unberücksichtigt geblieben. Weiterhin sei hinsichtlich der Brutto- und Nettomieten sowie nach Wohnungsgrößen differenziert worden. Der Beobachtungszeitraum habe von Mai bis November 2010 stattgefunden. In der zweistufigen Erhebung seien die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert, angeschrieben und um Auskunft gebeten worden. In der zweiten Stufe seien kleinere Vermieter in der Erhebung berücksichtigt worden. Darüber hinaus seien nach dem Zufallsprinzip und dem Stichprobenprinzip Mieter angeschrieben worden. Unter Verweis auf den Endbericht habe die Firma A. 10.914 Datensätze erhoben, wovon tabellenrelevante Mietwerte in Höhe von 4.632 in die Berechnung eingeflossen und damit repräsentativ seien. Zudem seien in die Mietwerterhebung nur die Daten aufgenommen worden, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden seien, um nur aktuell zu zahlende Mieten zugrunde zu legen. Die Datenauswertung entspreche anerkannten mathematischen und statistischen Grundsätzen. Die daraus gezogenen Schlüsse seien nachvollziehbar, verständlich und begründet.

16

Der Beklagte hat der Kammer nach Aufforderung einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht am 26.08.2014 als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch am 30.01.2015 ein Aktenordner (Band IV) mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg vom 15.03.2011, Stand 09.10.2012, 03.06.2013 und 18.02.2014), einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung aus Januar 2011 sowie zur Indexfortschreibung vom 14.11.2013 übersandt worden. Hierin enthalten war eine Stellungnahme der Firma A. vom 04.06.2013 sowie weiterer Schriftverkehr zur Mieter/Vermieterbefragung, die am 30.12.2014 der Kammer bereits zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Ordner führt die Kammer als Generalakte Landkreis Wittenberg.

17

Das Gericht hat im Erörterungstermin am 05.11.2014 die Generalakte der 7. Kammer Landkreis Wittenberg zum Verfahren beigezogen und den der Datenerhebung zugrundeliegenden Schriftwechsel vom Beklagten angefordert. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 06.02.2015 den Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben (Bl. 147-178) dem Gericht vorgelegt. In der Folgezeit sind Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13.02.2015 und 26.06.2015 in Ergänzung zur Generalakte Band IV übersandt worden. Mit Schreiben vom 03.08.2015 hat das Gericht nach Prüfung der vorgelegten Daten und Unterlagen zum Konzept des Beklagten einen Hinweis nach vorläufiger Auffassung des Gerichts erteilt und darauf aufmerksam gemacht, dass die Datenerhebung zur Begründung der Schlüssigkeit des Konzeptes zur Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf die vom Beklagten ermittelten Richtlinienwerte unzureichend sein dürfte. Der Beklagte hat Gelegenheit zur Nachbesserung erhalten. Daraufhin hat der Beklagte seinen Vortrag zur Generalakte Landkreis Wittenberg zuletzt mit Schreiben vom 16.10.2015 (Stellungnahmen vom 13.10.2015 und 15.10.2015) ergänzt, worüber die Kläger mit Schreiben vom 02.11.2015 in Kenntnis gesetzt worden sind.

18

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Generalakte Landkreis Wittenberg Band I bis IV haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

19

Die zulässige Klage ist begründet.

20

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 30.06.2012.

21

1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 29.02.2011 in Fassung der Bescheide vom 09.05.2011 und vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012. Die Kläger haben mit ihrer Begründung und dem Antrag zulässig den Streitgegenstand auf die Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung begrenzt (BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R). Nicht mehr streitig ist die Übernahme der Kabelgebühr in Höhe von 10,00 EUR, da der Klageantrag betragsmäßig begrenzt wurde.

22

2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Die Kläger haben im Zeitraum März 2012 bis Juni 2012 Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 424,78 EUR monatlich.

23

Die Kläger erfüllen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

24

Die Klägerin zu 1. ist im passenden Alter und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte, die gegen eine Erwerbsfähigkeit sprechen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

25

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der nach Nr. 1 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Kläger zu 2. gehörte dem Haushalt der Klägerin zu 1. an und war minderjährig.

26

Als Bedarf für Unterkunft und Heizung sind für die Kläger Aufwendungen in Höhe von 424,78 EUR zur berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (st. Rspr. u. a. BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 1/12 R). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u. a. BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R; Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II).

27

Aus dem Mietvertrag entstanden den Klägern monatliche Aufwendungen für Grundmiete in Höhe von 293,78 EUR, für Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 73,00 EUR und für Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 58,00 EUR.

28

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die kalten Mietkosten der Kläger nicht unangemessen und auf 316,20 EUR zu begrenzen.

29

Soweit die Klägerin zu 1. ohne vorherige Zusicherung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft durch den Beklagten umgezogen ist, kommt eine Begrenzung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf angemessene Kosten nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II soll die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Die Klägerin zu 1. war zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht leistungsberechtigt, denn sie befand sich in einer dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung und war vom Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Jedoch hatte der Beklagte zum Zeitpunkt des Umzugs an die Klägerin zu 1. nach der Vorschrift des § 27 Abs. 1, 3 SGB II einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gewährt. Nach § 27 Abs. 1 SGB II erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Absatz 5 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Leistungen für Auszubildende gelten nicht als Arbeitslosengeld II. Abs. 3 bestimmt den Personenkreis, der einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhält, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II ungedeckt ist. Dabei sind auch für von der Leistung grundsätzlich ausgeschlossene Auszubildende, die einen solchen Zuschuss zu den Unterkunftskosten erhalten, die Regelungen hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit dieser Kosten anzuwenden. § 27 Abs. 3 SGB II nimmt nach seinem Wortlaut ausdrücklich Bezug auf die "angemessenen" Aufwendungen und auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auch die Obliegenheit der vorherigen Einholung einer Zusicherung ist in dieser Fallgestaltung anwendbar. Für einen Umzug während des Leistungsbezuges in eine andere Unterkunft trifft Abs. 4 eine dem Abs. 1 Satz 3 ergänzende Sonderregelung, die auch neben die Leistungsdeckelung des Abs. 1 Satz 2 tritt (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 123). Nach erfolgtem Umzug wirkt ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung nicht auf die Übernahme der angemessenen Kosten. Da das Zusicherungsverfahren allein Aufklärungs- und Warnfunktion hat, ist die Erteilung einer Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten. Die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft bezieht sich anspruchsbegründend nur auf den Teil der Unterkunftskosten, der den im Einzelfall angemessenen Umfang übersteigt (Berlit a. a. O. Rn. 79). Da die Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger den angemessenen Umfang nicht übersteigen, kommt eine Begrenzung wegen fehlender Zusicherung nicht in Betracht.

30

Der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern zu tragenden Unterkunftskosten als unangemessen angesehen. Die von ihm herangezogene Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII ist für eine Begrenzung von Wohnkosten auf den in der Mietwerterhebung ermittelten Betrag nicht tauglich. Die Mietwerterhebung entspricht nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

31

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist in einer zweistufigen Prüfung zunächst eine abstrakte und sodann eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R).

32

Der Beklagte geht zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 qm angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, L 5 AS 181/07; Urteil vom 09.05.2012, L 5 AS 2/09). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe nicht.

33

Bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich als Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis ergibt, ist der Beklagte grundsätzlich bei der Wahl seiner Methode frei. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

34
- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
35
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
36
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
37
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
38
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
39
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
40
- Validität der Datenerhebung,
41
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
42
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
(BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R).
43

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R). Die Verwaltung hat zunächst festzulegen, wie das untere Marktsegments zu definieren ist. Diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (BSG, a. a. O.).

44

Nach dem Endbericht zur Mietwerterhebung (im Folgenden Endbericht) aus Januar 2011, Seite 7, wird näher ausgeführt, über welche Merkmale die Wohnungen mindestens verfügen müssen, um als unteres Marktsegment und nicht als Substandardwohnungen in die Erhebung und Auswertung einfließen zu können. Als Mindestanforderung sollten die Wohnungen über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügen. Substandardwohnungen blieben nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt. Die Definition des zu berücksichtigenden unteren Marktsegments als einfacher Wohnstandard ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Ob bei der Bestimmung einer Vergleichsmiete Wohnungen, die nur den untersten Stand abbilden, tatsächlich mit erhoben und einbezogen wurden, konnte der Beklagte nicht nachweisen. Weder die vom Beklagten auf Anforderung vorgelegten Mieterfragebögen noch die Vermieterfragebögen oder die hierzu erstellten Merkblätter beinhalten Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen. Soweit der Beklagte in der Stellungnahme vom 13.02.2015 mitteilt, die Vermieter nach dem Anschreiben telefonisch kontaktiert zu haben und in diesem Gespräch die Frage nach verschiedenen Ausstattungsmerkmalen gestellt zu haben, verbunden mit der Bitte, nur Daten für Wohnungen zu übermitteln, die mindestens über ein inne liegendes Bad/WC und eine "Sammelheizung" verfügen und nicht dem Luxussegment zuzurechnen sind, so genügt diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren (so auch Sozialgericht [SG] Dessau-Roßlau, Urteil vom 19.08.2015, S 14 AS 2582/12). Zudem ist bei der Erhebung im Mietersegment ein persönlicher Kontakt zur Konkretisierung des Standards offensichtlich nicht erfolgt. In der Stellungnahme vom 26.06.2015 (Generalakte Band IV) meint der Vertreter der Firma A. zwar, dass Auswirkungen eines möglicherweise geringen Anteils von Substandardwohnungen im Auswertungsdatensatz enthalten sein könnten, aber statistisch zu vernachlässigen seien. Jedoch bestätigt er im Rahmen der Beantwortung von weiteren Fragen in einer Stellungnahme vom 26.06.2015, dass in der amtlichen Statistik das Merkmal der Substandardwohnungen letztmalig mit der Gebäude- und Wohnungszählung aufgenommen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden ist und hierfür entsprechend keine konkreten Angaben für den Landkreis Wittenberg gemacht werden können. Ein belastbarer, nachvollziehbarer Ausschluss der Erhebung von Wohnungen im definierten untersten Standard ist nicht ersichtlich. Auch dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens unter Anwendung einer planvollen Methodik. Denn eine Auswertung der Daten nach anerkannten statistischen Grundsätzen erscheint fernliegend, wenn die Zahl möglicher mit erhobener Substandardwohnungen schon gar nicht bekannt ist.

45

Weiterhin beanstandet die Kammer die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung. Die Definition des Gegenstandes der Beobachtung ist diesbezüglich nicht nachvollziehbar. Der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten ist nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Der Konzeptersteller hat sich für die Untersuchung der Mieten des gesamten Wohnungsmarktes entschieden (Endbericht Seite 8). Zur Grundgesamtheit des relevanten Bestandes für die Mietwerterhebung gehören danach neben frei finanzierten Mietwohnungen auch Wohnungen, die öffentlichen Mietpreisbindungen unterliegen. Die Datenerhebung muss nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen. Es genügt bei der Erhebung eine ausreichende Anzahl von Stichproben. Es sind bei der anhand nachvollziehbarer Kriterien ermittelten Stichprobenauswahl alle Wohnungsbestände und alle relevanten Vermietergruppen in die Grundgesamtheit einzubeziehen. Die Struktur der Stichprobe soll so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39). Ohne Angabe näherer Gründe hat der Konzeptersteller Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Gegenstand der Beobachtung ausgeschlossen. Von den nach der Quelle des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt zugrunde gelegten 40.167 Wohngebäuden im Landkreis Wittenberg bestehen neben 4.784 Gebäuden mit Geschosswohnungsbau 28.167 Einfamilienhäuser und 7.216 Zweifamilienhäuser. Von den 72.219 Wohnungen befinden sich 28.167 in Einfamilienhäuser, 14.432 in Zweifamilienhäusern und 29.620 im Geschosswohnungsbau mit mindestens drei Wohnungen. Nur letztere sieht der Konzeptersteller als relevanten Wohnungsmarkt an. Mit der Herausnahme der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hat der Beklagte nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg als definiertem Vergleichsraum ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach den Angaben des Konzepterstellers sollen rund 8,3 Prozent der Einfamilienhäuser (entspricht 2.338) und 31,6 Prozent der Wohnungen in Zweifamilienhäusern (entspricht 4.560) zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26.06 2015). Diese Daten wurden von vornherein von der Erhebung ausgeschlossen. Nach den Fragestellungen in den Fragebögen sollten die Befragten bei Bejahung der Frage: "Wohnen Sie in einem Gebäude mit weniger als drei Wohnungen (Mietparteien)?" diese Fragebögen nicht weiter ausfüllen, da die Miete für die Mietwerterhebung nicht relevant sei. Die Fragestellung schließt im Übrigen auch die Rücksendung des Fragebogens aus, wenn eine der drei Wohnparteien selbstnutzender Eigentümer des Hauses ist. Von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen hat der Konzeptersteller von vornherein fast 6.900 Wohnungen im definierten Vergleichsraum von der Erhebung ausgenommen. Dies entspricht ca. 19 Prozent des Wohnungsbestandes. Eine zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbare Begründung konnte der Beklagte nicht angeben. Im Endbericht selbst erfolgt keine Begründung dieses Vorgehens. Die Kammer geht davon aus, dass der vom Konzeptersteller zu definierende Vergleichsraum maßgeblich ist für die Erhebung des gesamten Wohnungsmarktes und nicht nur wie in der am 16.10.2015 übersandten Stellungnahme die Stadt Wittenberg selbst. Es muss zuerst der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau von Wohnungen im unteren Segment des Wohnungsmarktes ermittelt wird. Der Ausschluss der genannten Wohnungen von der Erhebung ist insbesondere dann nicht planvoll, wenn (erst) in der Stellungnahme betont wird, dass diese Wohnungen aufgrund der Filterbedingungen nicht alle erhebungsrelevant gewesen wären. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme von Schlussfolgerungen, die erst aus der Auswertung zu ziehen sind. Bei den erhobenen Daten im Geschosswohnungsbau war ebenfalls ein erheblicher Anteil der Daten für die weitere Auswertung nicht relevant (6.282 Fragebögen von insgesamt 10.914). Auch die nachträglich gestellte Frage des Konzepterstellers, ob Einfamilienhäuser überhaupt aufgrund ihrer Größe in der Regel für die Anmietung durch eine Bedarfsgemeinschaft in Frage kommen, wäre allenfalls bei der Festlegung des Gegenstands der Beobachtung und des zu erhebenden Datenumfangs zu stellen und beantworten gewesen. Der Konzeptersteller hat bei der Mietwerterhebung nach Wohnungsgröße der Mietwohnungen differenziert. In diesem Zusammenhang wäre eine Einordnung von Wohnungen in dem ausgelassenen Segment durchaus möglich gewesen. Eine Vermeidung von Verzerrungen (Stellungnahme vom 26.06.2015) ließe sich bei der Auswertung der Daten berücksichtigen und statistisch bereinigen. Soweit der Konzeptersteller anmerkt, dass die Anmietung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ja nicht ausgeschlossen sei, so handelt es sich um einen Zirkelschluss. Die Kammer meint, es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass gerade die privaten Vermieter derartiger Objekte insbesondere auch in ländlichen Gebieten eine wichtige Funktion für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte übernehmen.

46

Die Kammer hat weiterhin erhebliche Bedenken an der ordnungsgemäßen Festlegung des maßgeblichen Vergleichsraumes (so schon SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.08.2012, S 11 AS 2430/11). Diese Frage kann die Kammer jedoch offen lassen. Denn wenn bereits die Datenerhebung unvollständig und nicht nachvollziehbar erfolgt ist, kann auch eine mögliche auf andere Vergleichsräume innerhalb des erhobenen Landkreises bezogene Auswertung der vorhandenen Daten keinen weiteren Erkenntnisgewinn bringen.

47

Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R). Der Wohnort der Kläger gehört zur Mietstufe III. Für einen Zweipersonenhaushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 402,00 EUR, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 442,20 EUR ergibt. Die Kaltmiete der Kläger in Höhe von 366,78 EUR überschreitet diesen Betrag nicht. An der Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von 58,00 EUR bestehen keine Bedenken. Da der Beklagte an die Kläger im streitigen Zeitraum zuletzt mit Bescheid vom 21.06.2012 bereits Unterkunftskosten in Höhe von 374,20 EUR gewährte, sind noch weitere Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

II.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

III.

49

Die Berufung war zuzulassen, da nach Auffassung der Kammer ein nach § 144 Abs. 2 SGG bestimmter Zulassungsgrund vorliegt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der Mietwerterhebung zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Wittenberg hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).

3

Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§ 103, 128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024, Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006, mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

11

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006 haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

12

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

13

Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

14

3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.

15

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

16

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R , RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

17

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums (vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42, RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.

18

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

19

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen(BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind(BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).

20

7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).

21

Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/ Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

22

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend(vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 <20> SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

23

8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

24

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010.

2

Der im Jahr 1947 geborene, zunächst selbständige Kläger mietete zum 1.12.2008 eine Wohnung mit einer Größe von 75 qm in A./Landkreis R. an. Hierfür entrichtete er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 380 Euro zzgl einer Vorauszahlung auf Betriebskosten in Höhe von 80 Euro.

3

Nach einem Herzinfarkt meldete er sein Gewerbe zum 31.12.2008 ab und beantragte am 8.1.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

4

Der Beklagte, der zum 1.1.2012 Optionskommune nach § 6a Abs 2 SGB II geworden ist, bewilligte dem Kläger ab dem 30.12.2008 Kosten für Unterkunft und Heizung, zunächst bis 31.7.2009 in Höhe von monatlich 470,77 Euro auf Grundlage der tatsächlichen Grundmiete in Höhe von 380 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 66,81 Euro. Ab 1.8.2009 bewilligte er monatlich einen Betrag in Höhe von 335,77 Euro, wobei er unter Beibehaltung der anderen Beträge nur noch eine Grundmiete von 245 Euro anerkannte (Bescheid vom 21.1.2009). Im Zuge der Bewilligung ab 30.12.2008 forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, die Unterkunftskosten zu senken. Die Kaltmiete von 380 Euro würde um 135 Euro über den angemessenen Mietkosten liegen. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten könne der Beklagte ab 1.8.2009 nur noch die angemessene Kaltmiete von 245 Euro zzgl Nebenkosten anerkennen (Schreiben vom 21.1.2009).

5

Die Leistungsbewilligung wurde mehrfach geändert, zuletzt wurden dem Kläger für Dezember 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer Kaltmiete von 245 Euro, kalten Nebenkosten in Höhe von 23,96 Euro sowie Heizkosten in Höhe von 61,75 Euro bewilligt (Änderungsbescheide vom 7.4.2009, 10.8.2009, 16.11.2009). Für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung in derselben Höhe (Bescheid vom 10.12.2009).

6

Der Beklagte wies die gegen die Bewilligung für Dezember 2009 und für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2010 eingelegten Widersprüche als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.4.2010).

7

Während des Verfahrens vor dem SG reduzierte der Beklagte die Bewilligung ab 1.6.2010 um verringerte kalte Nebenkosten und stellte die Leistungen ab 1.7.2010 ein, nachdem der Kläger zu diesem Zeitpunkt aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen war (Änderungsbescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010).

8

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 weitere Kosten der Unterkunft bis zu einem Betrag von 338,80 Euro monatlich zzgl Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen hat es die auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2011). Die vom Beklagten zugrunde gelegte Mietobergrenze sei unzutreffend, da der Beklagte nicht über ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen Mietkosten im Sinne der Rechtsprechung des BSG verfüge. Da es mangels hinreichender Datenbasis nicht mehr möglich sei, die angemessene Kaltmiete für die streitige Zeit zu ermitteln, seien die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, begrenzt auf die Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und der Wohngeldverordnung (WoGV) einschließlich eines Zuschlags von 10 %. Dies führe beim Kläger zu einer Referenzmiete von 338,80 Euro.

9

Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 monatlich weitere 69,84 Euro und für den Monat Juni 2010 weitere 71,64 Euro zu gewähren (Urteil vom 7.11.2012). Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei ohne inhaltliche Änderung lediglich zur Klarstellung neu gefasst worden; das SG habe in seiner Entscheidung die Heizkosten mit monatlich 61,75 Euro berücksichtigt, es habe damit im Ergebnis eine Leistung für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 400,55 Euro zugesprochen. Zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte zunächst als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 45 qm zugrunde gelegt. Der Beklagte habe als Vergleichsraum den Bereich der Region W., L. und A. mit ca 75 000 Einwohnern herangezogen. Für diesen sei jedoch in der Anlage zum Mietpreisspiegel keine einheitliche angemessene Mietobergrenze vorgesehen. Ob von dem Erfordernis eines einheitlichen Wertes der angemessenen Miete in Bereichen des ländlichen Raumes abgewichen und Vergleichsräume mit nach Gemeinden differenzierten Mietobergrenzen gebildet werden dürften, könne dahingestellt bleiben, da jedenfalls dem vom Beklagten im streitigen Zeitraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde gelegen habe. Die für einen Mietspiegel erforderliche statistisch aufgearbeitete Zusammenstellung der vorkommenden Mieten läge dem Mietpreisspiegel nicht zugrunde. Grundlage sei das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Feststellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen von den Mietpreisen bei Neuabschlüssen. Von den beteiligten Gemeinden seien keine Erhebungen durchgeführt worden. Der Mietpreisspiegel sei mangels Nachprüfbarkeit nicht ausreichend für die Begründung eines schlüssigen Konzepts. Darüber hinaus sei die Gemeinde A., in welcher der Kläger gewohnt habe, in Tabelle 4 des Mietpreisspiegels 2009, in welcher die jeweiligen Ortszu- bzw -abschläge bezogen auf das Referenzniveau der Stadt W. aufgelistet seien, nicht aufgeführt. Es sei damit nicht nachvollziehbar, wie die Mietobergrenzen für den damaligen Wohnort des Klägers ermittelt worden seien. Dem Senat sei es auch nicht mehr möglich, aufgrund eigener Ermittlungen ein schlüssiges Konzept für den streitigen Zeitraum zu erstellen, es fehle an der erforderlichen Datenbasis. Es seien damit die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Angemessenheitsgrenze der Tabellenwerte in § 12 WoGG und ein Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen. Es habe auch eine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorgelegen.

10

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er folge zwar der Feststellung des LSG, dass er im vorliegenden Fall über kein schlüssiges Konzept verfüge sowie dass die Aufwendungen bis zur Höhe der Tabellenwerte aus § 12 WoGG zu übernehmen seien. Nicht gefolgt werden könne aber der Hinzurechnung eines Zuschlages von 10 %.

11

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Konstanz vom 22. November 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. November 2012 insoweit aufzuheben, als Leistungen für Unterkunft und Heizung von mehr als 308 Euro monatlich zuzüglich der Heizkosten zu bewilligen sind.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Bei fehlendem schlüssigen Konzept sei sowohl nach § 8 WoGG als auch nach § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" von 10 % gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet.

15

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht zu einer weiteren Leistungsgewährung an den Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 verurteilt. Der Kläger ist grundsätzlich leistungsberechtigt, sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 7, 22 SGB II).

16

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 16.11.2009 und 10.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.4.2010, gemäß § 96 SGG in der Gestalt der Bescheide vom 10.5.2010 und 2.6.2010. Im Streit stehen die darin geregelten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1.12.2009 bis 30.6.2010. Bereits der Kläger hat den Streitgegenstand durch seine Klage zum SG bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung wirksam beschränkt. Die übrigen abtrennbaren Regelungsinhalte der gegenständlichen Bescheide sind nicht angegriffen worden. Zudem ist nach den Urteilen des SG und des LSG die Verurteilung zu weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,04 Euro (Monate Dezember 2009 bis Mai 2010) bzw 40,84 Euro (Monat Juni 2010) rechtskräftig geworden. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Verurteilung zu einer Leistung von weiteren 30,80 Euro monatlich. Da der Kläger selbst keine Revision eingelegt hat, sind die gegenständlichen Bescheide bestandskräftig geworden, soweit mit diesen die Leistungen ab 1.7.2010 eingestellt sowie höhere Leistungen abgelehnt wurden.

17

Die Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (vgl BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).

18

2. Das SG und LSG haben den Beklagten zu Recht zu einer Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung auf Grundlage einer höheren Bruttokaltmiete als die vom Beklagten in Höhe von monatlich 308 Euro anerkannte verurteilt. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 SGB II.

19

Sein Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Damit lässt sich der Gesetzgeber - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Die Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft und die für die Kosten der Heizung sind getrennt voneinander festzustellen.

20

Auch wenn der Beklagte im Revisionsverfahren davon ausgeht, über kein schlüssiges Konzept zu verfügen und sich mit der Heranziehung der Tabellenwerte nach § 12 WoGG einverstanden erklärt, entbindet dies die Gerichte nicht davon, zunächst die angemessenen Unterkunftskosten anhand eines vorrangigen schlüssigen Konzeptes zu ermitteln(vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 17; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - RdNr 26).

21

3. Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende wie den Kläger in Baden-Württemberg 45 qm. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 19; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.9.2001 (BGBl I 2376: "Wohnraumförderungsgesetz") wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen" des jeweiligen Landes. Nach den Feststellungen des LSG hat das Land Baden-Württemberg zwar keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002 (GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Ein-Personen-Haushalte von einer Wohnfläche von 45 qm auszugehen. An dieser Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22).

22

4. Die Heranziehung des Vergleichsraums, den der Beklagte zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Als örtlicher Vergleichsraum ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend, ohne dass hierfür der kommunalverfassungsrechtliche Begriff der "Gemeinde" entscheidend sein muss. Bei besonders kleinen Gemeinden, etwa im ländlichen Raum, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kann es geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsmaßstab zusammenzufassen. Entscheidend ist es, für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 21; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 15). Dies ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier der Fall. Die Festlegung des Vergleichsraums entspricht den vom Senat hierzu entwickelten Kriterien.

23

5. Dem Leistungsberechtigten muss es möglich sein, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 17 ff). Auf Grundlage des konkreten Vergleichsraums hat das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass der Beklagte über kein eigenständiges schlüssiges Konzept verfügt (§ 163 SGG).

24

Das LSG ist sodann in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass ein schlüssiges Konzept auch nicht mehr entwickelt werden kann und es sich um einen Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten handelt. Der erkennende Senat hat ausdrücklich betont, dass die umfassende Ermittlung der Daten sowie die Auswertung im Sinne der Erstellung eines schlüssigen Konzepts Angelegenheit des Grundsicherungsträgers ist und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig ist. Im Rechtsstreit muss der Grundsicherungsträger sein schlüssiges Konzept auf Aufforderung durch das Gericht vorlegen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne ein schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 2. Halbs SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (vgl BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 21; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 25). Liegen aber keine Ermittlungsergebnisse vor, brauchen insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen nachträglich durchgeführt zu werden. Die Amtsermittlungspflicht der Tatsacheninstanzen ist in diesen Fällen begrenzt, sofern nachvollziehbare Darlegungen dazu erfolgen, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Der erkennende Senat hat hierzu betont, dass auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen erkennbar sein muss, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 18; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 17). Diesen Anforderungen zur Feststellung eines Erkenntnisausfalles ist das LSG gerecht geworden. Schon für die Wohnortgemeinde des Klägers liegen keinerlei nachvollziehbare Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vor. Im Übrigen ist Grundlage des "Mietpreisspiegels" des Beklagten das nicht schriftlich fixierte Datenmaterial der Haus- und Grundeigentümervereine sowie die individuelle Kenntnis der an der Erstellung des Mietpreisspiegels beteiligten Personen.

25

6. Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt(stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

26

a) Für die bis 31.12.2008 geltende Regelung in § 8 WoGG aF ist nach der Rechtsprechung des BSG wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung zur Bestimmung der angemessenen Bruttokaltmiete(vgl § 9 Abs 1 WoGG aF) auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27 im Anschluss an BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 21). Zu dem Sicherheitszuschlag hat der Senat ausgeführt, dass er im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich ist, denn beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 27). Der erkennende Senat hat zudem entschieden, dass dabei ein Zuschlag in Höhe von 10 % zu den Werten der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG aF angemessen und ausreichend ist(vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 44/12 R - RdNr 19).

27

b) Die Einbeziehung eines "Sicherheitszuschlages" hat auch im Falle der Heranziehung von § 12 WoGG zu erfolgen. Die von der Rechtsprechung der zuständigen Senate für die Geltung von § 8 WoGG aF angestellten Erwägungen sind auf § 12 WoGG zu übertragen. Denn trotz der Anhebung der Tabellenwerte in § 12 WoGG im Vergleich zu den Werten aus § 8 WoGG aF hat sich nichts daran geändert, dass es sich bei der Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten anhand des WoGG nur um eine abstrakte, allein der Deckelung der zu übernehmenden Aufwendungen dienende Begrenzung handelt, die unabhängig von den konkreten Umständen im Vergleichsraum erfolgt. Denn über letztere fehlen gerade ausreichende Erkenntnisse. Der Sicherheitszuschlag ist auch im Rahmen von § 12 WoGG erforderlich, da die in § 12 WoGG festgeschriebenen Werte ebenso wenig wie die in § 8 WoGG aF den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden(vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 12 RdNr 14, 65. Lfg Mai 2011). Der Sinn und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, aaO, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung hat es für die Bestimmung des Zuschlages bei § 12 WoGG damit keine Bedeutung, dass mit der Wohngeldreform 2009 die Werte aus § 8 WoGG um 10 % angehoben wurden. Durch die Anhebung sollte dem Zweck des WoGG entsprechend die Anzahl derjenigen Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger verringert werden, deren Miete aufgrund der allgemeinen Mietsteigerungen die Höchstbeträge überschreitet (vgl dazu BT-Drucks 16/8918, S 1, 49). Hinweise darauf, dass die Erhöhung der Werte unter Berücksichtigung der Mietpreissteigerungen in einem Umfang erfolgt wäre, der den Sicherheitszuschlag entbehrlich machen könnte, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung nicht.

28

c) Soweit damit feststeht, dass auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ist, ist weiter dessen Höhe zu bestimmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungen der Tatsacheninstanzen an, dass eine Erhöhung für den streitgegenständlichen Zeitraum um 10 % zu erfolgen hat. Die Höhe des Zuschlages ist ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Auf regionale Unterschiede hat der Gesetzgeber bereits durch die Festlegung der Mietenstufen in der WoGV reagiert; bei Änderung der Verhältnisse können diese entsprechend angepasst werden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59 RdNr 22). Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 12 WoGG einen Zuschlag in Höhe von 10 % zurzeit als angemessen.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Als Pauschbeträge sind abzusetzen

1.
von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die nach Grund und Höhe angemessen sind,
2.
von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die nach Grund und Höhe angemessen sind, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat,
3.
von dem Einkommen Leistungsberechtigter monatlich ein Betrag in Höhe eines Zwölftels der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Leistungsanspruch nachgewiesenen Jahresbeiträge zu den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
4.
von dem Einkommen Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 3 Prozent des Einkommens, mindestens 5 Euro, für die zu einem geförderten Altersvorsorgevertrag entrichteten Beiträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch; der Prozentwert mindert sich um 1,5 Prozentpunkte je zulageberechtigtes Kind im Haushalt der oder des Leistungsberechtigten,
5.
von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 Euro für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist.

(2) Sofern die Berücksichtigung des Pauschbetrags nach Absatz 1 Nummer 5 im Vergleich zu den bei Benutzung eines zumutbaren öffentlichen Verkehrsmittels anfallenden Fahrtkosten unangemessen hoch ist, sind nur diese als Pauschbetrag abzusetzen.

(3) Für Mehraufwendungen für Verpflegung ist, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten Erwerbstätigkeit entfernt erwerbstätig ist, für jeden Kalendertag, an dem die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt mindestens zwölf Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag in Höhe von 6 Euro abzusetzen.

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.