Strafrecht: Das Bremer-Raser Urteil - Kein Eventualvorsatz aufgrund von erheblicher Eigengefährdung des Täters

originally published: 09/04/2021 14:49, updated: 19/10/2022 17:16
Strafrecht: Das Bremer-Raser Urteil - Kein Eventualvorsatz aufgrund von erheblicher Eigengefährdung des Täters
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Ein Motorradfahrer überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Bremer Innenstadt erheblich. Infolgedessen kann er bei Wahrnehmung eines Fußgängers nicht rechtzeitig abbremsen. Nahm er den Tod dieses Unbeteiligten billigend in Kauf oder vertraute er vielmehr auf das Ausbleiben eines solchen Unfalls? Kollidiert ein – die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitender – Motorradfahrer an einem Fußgängerüberweg mit einem das Rotlicht der Ampel missachtenden Fußgänger, so spricht die erhebliche Eigengefährdung des Fahrers gegen eine vorsätzliche Tatbegehung. Auch andere objektive Umstände, wie das Verhalten bei der Tat, können eine solchen widerlegen. Dazu gehört im vorliegenden Fall insbesondere, dass der Täter bei Wahrnehmung des Passanten eine Vollbremsung einlegte – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen Rechtsanwälte


Auto - oder Motorradfahrer, die - alleine oder gemeinsam – die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf befahrenen Straßen in der Innenstadt missachten, sich also ein Rennen liefern, haben in der Öffentlichkeit eine Menge Aufmerksamkeit erlangt. Wenn in der Folge ein Unbeteiligter Dritter infolge einer Kollision verstirbt, so stellt sich die Frage, ob der Fahrer diesen Tod billigend in Kauf genommen oder lediglich fahrlässig gehandelt hat. In Frage steht somit die Strafbarkeit wegen Mordes. 

Wieso sind solche Fälle so öffentlichkeitswirksam? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Die Verurteilung des Gerichts – fahrlässige Tötung gemäß § 222 oder Mord nach § 211 – entscheidet über einen enormen Strafensprung. Wird der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB verurteilt, beträgt seine Freiheitsstrafe nicht mehr als 5 Jahre. Bei Mord hingegen geht es um deutlich mehr, nämlich ein Strafmaß bis zu einer lebenslangen Freiheitstrafe.

Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung verurteilt – der (für einen Mord erforderliche) Vorsatz wurde durch die Strafkammer und sodann auch durch den Bundesgerichtshof abgelehnt. 

Worum ging es? 

Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, dass der Angeklagte regelmäßig Motorradfahrten im Stadtgebiet von Bremen unternahm. Während seinen Fahrten fertigte er mittels einer an seinem Helm befestigten Kamera Videos an – auf solchen kommentierte er das Geschehnis seiner Fahrten. Die fertiggestellten Videos stellte er sodann auf seinem Blog auf Youtube hoch.
 
Als Technikfan galt sein besonderes Interesse den Motorrädern und er verbrachte die meiste Zeit damit, auf dem Motorrad zu fahren und davon Videos anzufertigen. Normalerweise versuchte er in der Nacht andere Motorradfahrer oder Fahrer von hochmotorisierten Autos zu einem Wettrennen zu bewegen. Sein Ziel dabei war es stets, den anderen Fahrern zu zeigen, dass er ihnen „einiges voraus war“.  
 
Aus diesen Videos ließ sich feststellen, dass er mehrfach und auch deutlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, rote Ampelzeichen missachtete und sich zugleich negativ über andere Verkehrsteilnehmer äußerte.

Am Abend des 17.6 2016 kam es sodann zu einem Unfall. Der Angeklagte unternahm mit seinem Motorrad, das über eine Motorleistung von 200 PS verfügte, erneut eine Fahrt in Bremen. Seine Fahrerlaubnis galt vielmehr nur der Klasse A2 für Krafträder mit einer Leistung von 48 PS – dessen war er sich auch bewusst. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritt er enorm, indem er sein Motorrad bis auf maximal 150 km/h beschleunigte. Die für ihn geltende Ampel zeigte zunächst grünes Ampelsignal an, sprang in der Folge auf Gelblicht um; bei störungsfreier Weiterfahrt hätte er die Ampel noch bei Gelblicht passiert.
Zu dieser Zeit betrat – aus der Fahrtrichtung des Angeklagten von rechts kommend – der 75-jährige Geschädigte die Fahrbahn der Nordstraße, um diese über einen Fußgängergang durchqueren zu können. Er missachtete das angezeigte Rotlicht der Fußgängerampel. Der Fußgänger war alkoholisiert, sein BAK betrug mindestens 1,1 %.
 
Als der Angeklagte den Fußgänger wahrnahm, fuhr er noch mit einer Geschwindigkeit von 97km/h, leitete sodann aber unverzüglich eine Vollbremsung ein. Dennoch sah er keine Möglichkeit mehr für ein Ausweichmanöver und erfasste den sich inzwischen auf dem rechten Geradeausstreifen befindlichen Geschädigten mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h. Hätte der Angeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten, so wäre ein kollisionsfreier Ausgang möglich gewesen. Der Geschädigte verstarb noch im Rettungswagen an den durch den Unfall verursachten Verletzungen. Auch der Angeklagte selbst wurde erheblich verletzt – sein rechter Arm ist gelähmt. 

Die Strafkammer – Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB

Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten u. a. wegen fahrlässiger Tötung. Es führte aus, dass er sich dessen bewusst war, dass er sich einer Straßeneinmündung näherte und dieser Bereich aufgrund einer Baustellenabsperrung unübersichtlich war. In der Folge hatte er also auch Kenntnis darüber, dass er mit seiner Fahrweise andere Verkehrsteilnehmer gefährden konnte.

Die Strafkammer lehnte die Grundform des Vorsatzes – den dolus eventualis – ab und nahm bewusste Fahrlässigkeit an. Es führte aus, dass er in Überschätzung seiner Fahrfähigkeiten sowie in Unterschätzung der tatsächlichen Gefahren darauf vertraute, dass „alles gut gehen“ und es nicht zu einem Unfallgeschehen kommen werde. Darüber hinaus dachte er, im Falle des Erscheinens eines Fußgängers ausweichen oder rechtzeitig abbremsen und somit ein Unfallgeschehen vermeiden zu können.

In Folge der Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB legte der Angeklagte Revision gegen Rechtsfolgenausspruch ein – er rügte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hingegen wendete sich gegen eine nicht erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. 

Der Bundesgerichtshof – Es bleibt bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung 

1) Die Revision des Angeklagten 

Die Revision des Angeklagten blieb erfolglos, da dem Bundesgerichtshof bezüglich des Strafausspruchs keine Rechtsfehler ersichtlich waren. 

2) Die Revision der Staatsanwaltschaft

Auch die Revision der Staatsanwaltschaft war erfolglos. Sie begehrte die Verurteilung des Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes. 
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beinhaltete folgende Straftaten, die der Angeklagte während der Fahrt begangen haben sollte:
2 Straßenverkehrsgefährdungen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis (Taten 1 und 2), ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat 3) und schließlich einen Mord in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat 4). Da die Staatsanwaltschaft sich gegen eine nicht erfolgte Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes richtete, greift sie somit lediglich Tat 4 ein, denn die Strafkammer verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und nicht – wie von der Staatsanwaltschaft begehrt – wegen Mordes. 

Der zuständige Senat bringt in seiner Entscheidung zum Ausdruck, dass die Ansicht der Strafkammer, der Angeklagte habe bewusst fahrlässig gehandelt, nicht zu beanstanden sei. Er handelte vielmehr bewusst fahrlässig, mithin nicht mit bedingten Tötungsvorsatz.
 
Um den Angeklagten wegen Mordes verurteilen zu können, muss ihm Vorsatz nachzuweisen sein. In gefahrträchtigen Verhalten im Straßenverkehr käme jedenfalls lediglich die Grundform des Vorsatzes, der Eventualvorsatz, in Betracht. Ein solcher liegt dann vor, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Der Vorsatz besteht somit aus einem kognitiven und voluntativen Element, die konstitutiv für die Annahme eines solchen sind. 
In Abgrenzung zum Eventualvorsatz kann ein Täter aber auch bewusst fahrlässig gehandelt haben. Eine solche liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. 

Sie sehen, liebe Leser, die Unterscheidung ist nicht eindeutig. Dies wird auch stark in der Literatur kritisiert. Vermehrt wird ein "normativierter" Vorsatzbegriff gefordert. Schließlich kann das Tatgericht sowieso nicht in den Kopf des Angeklagten hineinschauen. Wenn er sich nicht zur Sache einlässt, verbleibt ihm nicht viel, außer aus dem objektiven Täterverhalten auf seine subjektive Ansicht zu schließen. 

Die Abgrenzung ist für den Angeklagten äußerst wichtig, denn die Entscheidung wirkt sich enorm auf sein zukünftiges Strafmaß aus: 
Ist das Gericht der Ansicht, der Angeklagte habe vorsätzlich bzgl. der Tötung eines Menschen gehandelt, so kann das Gericht den Angeklagten wegen Mordes verurteilen – Die Freiheitsstrafe ist dann lebenslänglich. Sagt es hingegen, der Angeklagte habe darauf vertraut, dass der Tod eines Menschen infolge seiner Fahrt nicht eintreten werde, so kann der Angeklagte bis zu 5 Jahre ins Gefängnis kommen – wenn er Glück hat, kommt er sogar mit einer Geldstrafe „davon“. Dies ist grundsätzlich möglich.

Der Eventualvorsatz und die bewusste Fahrlässigkeit lassen sich lediglich durch das voluntative, also das Willenselement, voneinander abgrenzen. Die Frage ist demnach: Hat der Angeklagte den Tod Unbeteiligter Dritter billigend in Kauf genommen? 

Viele Meinungen in der Literatur schreien: Nein!! Dagegen spricht vor allem die erhebliche Eigengefährdung, die der Angeklagte dann auch billigen würde. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraute. Demzufolge muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. 

Die Einschätzung des Landgerichts hat der Senat als zutreffend anerkannt. Es habe neben der mit Tatsachen unterlegten Fehleinschätzung der eigenen Fahrfähigkeiten seitens des Angeklagten darauf verwiesen, dass dieser bei Wahrnehmung des Fußgängers sofort eine Vollbremsung einleitete. Zudem hat es auf die erhebliche Eigengefährdung des Angeklagten im Falle eines Unfallgeschehens hingewiesen. Der Angeklagte war mit dem Motorrad unterwegs und somit sei ein Unfallgeschehen auch mit einer für ihn bestehenden Gefahr von erheblichen Verletzungen verbunden. Dies stelle ein vorsatzkritisches Element dar, was ein Indiz dafür sei, dass dagegen sprechen, dass der Angeklagte einen Unfall billigend in Kauf genommen habe.

Verurteilung zu Recht „nur“ wegen fahrlässiger Tötung 

Während andere Landgerichte den dolus eventualis mit einer unzureichenden Begründung abgelehnt haben – etwa mit einem bloßen Hinweis darauf, dass der Täter nicht angeschnallt war – wurde der Aspekt der Eigengefährdung hier hinreichend beurteilt. Dem Täter drohte selbst eine erhebliche Eigengefährdung. Solche nahm er keinesfalls billigend in Kauf.  Darüber hinaus vertraute der Täter darauf, trotz der von ihm angenommenen Gefahr, durch seine Fahrweise andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden, dass er (ausgestattet mit seinen besonderen Fahrkünsten) einen Unfall verhindern könne. 

Da der Täter hier Motorradfahrer war und seine eigene körperliche Unversehrtheit im Falle einer Kollision einer erheblichen Gefahr ausgesetzt sein würde, spielt die Eigengefährdung als vorsatzkritisches Element eine wichtige Rolle. Dies zeigt auch der tatsächliche Geschehensablauf: Der Motorradfahrer wurde selbst schwer verletzt. In anderen „Raser-Fällen“, die der 4.Senat abzuurteilen hatte, waren die Raser etwa aus Berlin oder Frankfurt in ihren Sportwägen deutlich geringeren Gefahren ausgesetzt und wurden infolge einer Kollision nur leicht verletzt. Der technikaffine Motorradfahrer und Angeklagte war außerdem großer Fan von Motorrädern und steckte die meiste Zeit in solche Rennen, um solche in der Folge auf sein Youtube-Kanal hochzuladen. Wieso sollte er demzufolge billigend in Kauf nehmen, dass sein geliebtes Motorrad in Folge einer Kollision zerstört wird? Nicht aus den Augen verloren werden sollte, dass es nicht möglich ist, dass ein Raser den Tod anderer billigend in Kauf nimmt, seine eigene Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner Rechtsgüter aber nicht. Denn der Tod des Dritten erfolgt eben nur durch die eigene Gefährdung. 

Gemäß § 261 StPO ist der Richter in der Beweiswürdigung frei. Geht es um Tötungsdelikte, so müssen die Argumente, um einen Tötungsvorsatz anzunehmen, aber zahlreich und überzeugend sein. Solche sind hier nicht ersichtlich. Im Ergebnis ist dem Urteil also zuzustimmen.
 
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[E.K.]

Zum Sachverhalt: 

Nach den Urteilsfeststellungen unternahm der Angekl. mit seinem Motorrad regelmäßig Ausfahrten im Stadtgebiet von Bremen. Hiervon fertigte er mittels einer Helmkamera Videos, die er noch während der Fahrt durch ein Mikrofon kommentierte. Diese Aufnahmen stellte er ab Juni 2015 auf einem Videoportal im Internet zur Schau. Aus den Aufnahmen ergibt sich u. a., dass er mehrfach und teils deutlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt, rote Ampelsignale missachtete und sich abfällig über andere Verkehrsteilnehmer äußerte.

Am Abend des 17.6.2016 unternahm der Angekl. mit seinem Motorrad, das über eine Motorleistung von 200 PS verfügte, erneut eine Ausfahrt in Bremen. Ihm war bewusst, dass seine Fahrerlaubnis der Klasse A2 nur für Krafträder mit einer Leistung von bis zu 48 PS galt. Um 21:37 Uhr befuhr er die Hans-Böckler-Straße und anschließend deren Verlängerung, die Nordstraße, in stadtauswärtiger Richtung. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug dort 50 km/h. Er beschleunigte sein Motorrad bis auf maximal 150 km/h und näherte sich der von rechts in die Nordstraße einmündenden Elisa- bethstraße. In diesem Bereich hatte die Nordstraße zwei Geradeausspuren und eine Rechtsabbiege- spur. Die linke Geradeausspur war jedoch ab etwa 60 Metern vor der Einmündung der Elisabeth- straße wegen einer Baustelle gesperrt. Noch bevor er den Bereich der Baustellenabsperrung er- reichte, ließ er sein Motorrad ausrollen. Die für ihn geltende Lichtzeichenanlage zeigte zunächst grünes Ampelsignal an, sprang aber während seiner weiteren Zufahrt auf Gelblicht um; bei störungsfreier Weiterfahrt hätte er die Ampel noch bei Gelblicht passiert. 

Zu dieser Zeit betrat – aus Fahrtrichtung des Angekl. von rechts kommend – der 75-jährige Gesch. die Fahrbahn der Nordstraße, um diese über eine Fußgängerfurt, die sich vor der nach rechts abgehenden Elisabethstraße befand, zu queren. Hierbei missachtete er das angezeigte Rotlicht der Fußgängerampel. Der Gesch. hatte zuvor Alkohol konsumiert, seine BAK betrug mindestens 1,1 ‰. Als der Angekl. den sich bereits auf der Fahrbahn befindlichen Gesch. wahrnahm, fuhr er noch mit einer Geschwindigkeit von mindestens 97 km/h. Er leitete sofort eine Vollbremsung ein, sah aber keine Möglichkeit mehr für ein Ausweichmanöver. Er erfasste den sich inzwischen auf dem rechten Geradeausfahrstreifen befindlichen Gesch. mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 63 km/h. Bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit wäre es dem Angekl. durch einen normalen Bremsvorgang möglich gewesen, sein Motorrad vor dem Gesch. zum Stehen zu bringen. Der Gesch. erlag noch im Rettungswagen seinen durch den Unfall erlittenen Verletzungen. Der Angekl., der mit seinem Motorrad zu Fall kam, wurde ebenfalls erheblich verletzt. Sein rechter Arm ist noch immer nahezu vollständig gelähmt. 

Zur subjektiven Tatseite des Angekl. während der Zufahrt auf die Unfallstelle stellte die StrK fest: Dem Angekl. waren seine überhöhte Geschwindigkeit und der Umstand bewusst, dass er sich einer Straßeneinmündung näherte und der dortige Bereich durch die Baustellenabsperrung der linken Fahrspur unübersichtlich war. „Grundsätzlich bewusst“ war ihm auch, dass seine Fahrweise geeignet war, andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Er vertraute jedoch in Überschätzung seiner Fahrfä- higkeiten sowie in Unterschätzung der tatsächlichen Gefahren darauf, dass „alles gut gehen“ und es nicht zu einem Unfallgeschehen kommen werde. Er ging auch davon aus, bei einem unvorhergesehenen Erscheinen eines Fußgängers ausweichen oder abbremsen zu können. 

Das LG verurteilte den Angekl. wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monate, entzog ihm die Fahrerlaubnis entzogen, zog seinen Führerschein ein und verhängte eine 4-jährige Sperrfrist für die Wiedererteilung. Der Angekl. wendete sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision gegen den Rechtsfolgenausspruch. Die StA wendete sich gegen die nicht erfolgte Verurteilung des Angekl. wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. 
Beiden Rechtsmitteln blieb der Erfolg versagt. 

Aus den Gründen: 

II. Revision des Angekl.

Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 

1. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. auf. Nach dem inso- weit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des RevGer. (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.2017 – 4 StR 415/16 = NJW 2017, 3011 f.; Beschl. v. 10.4.1987 – GSSt 1/86 = BGHSt 34, 345 [349] = NJW 1987, 3014 = NStZ 1987, 450) ist weder gegen die einzelnen vom LG als strafzumessungsrelevant erachteten Gesichtspunkte etwas zu erinnern noch hat das LG bestimmende Strafmilderungsgründe außer Be- tracht gelassen; so hat es insbesondere die fehlenden Vorstrafen des Angekl., sein Geständnis, das Mitverschulden des Gesch. und die den Angekl. selbst treffenden erheblichen Unfallfolgen in den Blick genommen. 

Entgegen der Ansicht der Revision löst sich die Strafe auch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, zumal sich die StrK nicht am oberen Ende des Strafrahmens orientiert hat und überdies zutreffend auf gewichtige Strafschärfungsgründe, namentlich das hohe Maß der Pflichtwidrigkeit des Angekl., seine im Einzelnen festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Vergangenheit sowie die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Straftatbestände, verwiesen hat. 

2. Die Entscheidung über die Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand. Die Bemessung der Sperrfrist, die mit 4 Jahren im oberen Bereich der nach § 69 I 1 StGB möglichen Sperrfristen angesiedelt ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken; die Feststellungen tragen die in diesem Zusammenhang getroffene Wertung der StrK, dass es sich bei der verkehrswidrigen Fahrweise des Angekl. um ein „eingeschliffenes Muster“ gehandelt habe. 

III. Revision der StA

1. Das Rechtsmittel der StA ist wirksam auf das unter I. [hier: „Zum Sachverhalt“] dargestellte Geschehen beschränkt. 

Mit der zugelassenen Anklageschrift hatte die StA dem Angekl. zur Last gelegt, auf derselben Fahrt 4 tatmehrheitliche Straftaten begangen zu haben, und zwar 2 Straßenverkehrsgefährdungen, je- weils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Taten 1 und 2), ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat 3) und schließlich einen Mord in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tat 4). Im Hinblick auf Tat 1 ist das Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 154 II StPO eingestellt worden. Hinsichtlich der Taten 2 und 3 hat sich das LG vom Vorliegen einer Straßenverkehrsgefährdung und eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht überzeugen können; ein Teilfreispruch ist insoweit wegen des Vorliegens der Dauerstraftat nach § 21 I StVG zurecht nicht erfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 21.7.1961 – 4 StR 236/61 = VRS 21, 341 [343 ff.]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 260 Rn 12 mwN). 

Aus dem Antrag und der Revisionsbegründung der StA ergibt sich, dass sie nur die Verurteilung des Angekl. bezogen auf Tat 4 wegen fahrlässiger Tötung angreifen wollte. Dies hat allerdings zur Fol- ge, dass sie sich zugleich gegen die tateinheitlich verwirklichten Vergehen einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis wendet, da die Revision bei einer Verurteilung wegen einer Tat i. S. des sachlichen Rechts nicht auf die Nachprüfung einzelner Gesetzesverletzungen beschränkt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.1971 – 4 StR 184/71 = BGHSt 24, 185 [189] = NJW 1971, 1984; v. 26.5.1967 – 2 StR 129/67 = BGHSt 21, 256 [258] = NJW 1967, 1972; v. 15.6.1954 – 4 StR 310/54 = BGHSt 6, 229 [230] = NJW 1954, 1292; MeyerGoßner/Schmitt, § 344 Rn 7, § 318 Rn 13). 

Die Beschränkung des Rechtsmittels auf Tat 4 ist wirksam. Dem steht vorliegend auch nicht ent- gegen, dass nach der Anklage jede der 4 Taten ihrerseits in Tateinheit mit einem – die gesamte Ausfahrt des Angekl. umfassenden – Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 I StVG stehen sollte. Zwar wäre bei einer Verurteilung auch wegen einer der anderen tatmehrheitlich angeklagten Taten eine Revisionsbeschränkung nicht möglich gewesen, da die Dauerstraftat des § 21 I StVG nicht partiell der Rechtskraft hätte zugeführt werden dürfen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.1972 – 4 StR 457/71 = BGHSt 25, 72 = NJW 1973, 335; Meyer-Goßner/Schmitt, § 318 Rn 11; Quentin, in: MüKo-StPO, § 318 Rn 28). Eine solche Konstellation liegt hier indes nicht vor, da das LG das Dauerdelikt des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gerade nicht in Tateinheit mit einer der in den Fällen 1 bis 3 Angekl. weiteren Straßenverkehrsdelikte zur Verurteilung gebracht hat. 

2. Der Revision der StA bleibt der Erfolg versagt. Das Urteil weist keinen sachlich-rechtlichen Mangel zugunsten des Angekl. auf. Dies gilt insbesondere für die Annahme des LG, der Angekl. habe nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. 

a) In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rspr. bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissensele- ment) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich er- kannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urt. v. 14.1.2016 – 4 StR 72/15 = NStZ 2016, 211 [215]; v. 30.4.2014 – 2 StR 383/13 = StV 2015, 300 [301] = BeckRS 2014, 11244; v. 22.3.2012 – 4 StR 558/11 = BGHSt 57, 183 [186] = NJW 2012, 1524 = NStZ 2012, 384). 

b) Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Vorsatz-Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- und Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Dabei ist zwar die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes. Die Gefährlichkeit der Tathandlung ist aber kein allein maßgebliches Kriterium für die Entscheidung, ob ein Angekl. mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an. Da- bei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2018 – 4 StR 399/17 = DAR 2018, 216; v. 26.11.2014 – 2 StR 54/14 = NStZ 2015, 516 [517]; Beschl. v. 10.7.2007 – 3 StR 233/07 = NStZ-RR 2007, 307). 

So kann bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, eine vom Tä- ter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraute. Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien (vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2018 – 4 StR 399/17 = DAR 2018, 216 mwN). 

c) An diesen Grundsätzen gemessen ist gegen die Beweiswürdigung der StrK – zumal eingedenk des auch insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.2016 – 4 StR 320/16 = NStZ-RR 2016, 380 f.) – von Rechts wegen nichts zu erinnern. Viel- mehr beruht sie auf einer umfassenden und sorgfältigen Gesamtschau aller maßgeblichen vor- satzrelevanten objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. 
Zur Begründung, dass der Angekl. trotz der von ihm erkannten Gefahr, durch seine Fahrweise an- dere Verkehrsteilnehmer zu gefährden, darauf vertraute, dass es nicht zu einem Unfall kommen werde, hat das LG neben der mit Tatsachen unterlegten Fehleinschätzung der eigenen Fahrfä higkeiten seitens des Angekl. auch darauf verwiesen, dass dieser bei Wahrnehmung des Fußgän- gers sofort eine Vollbremsung einleitete. Zudem hat es die erhebliche Eigengefährdung des An- gekl. im Falle eines Unfallgeschehens – gerade für ihn als Motorradfahrer war ein Unfall mit der Gefahr eigener schwerer Verletzungen verbunden – nachvollziehbar begründet und als vorsatzkritischen Gesichtspunkt herangezogen. Die von der StrKangestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze. 

Die Einzelangriffe der Revisionsführerin gegen die Beweiswürdigung des LG gehen insgesamt fehl und erschöpfen sich weitgehend in dem revisionsrechtlich unbeachtlichen Versuch einer eigenen Würdigung der subjektiven Tatseite; ... 
3. Das angefochtene Urteil weist im Schuldspruch auch keinen auf die Revision der StA zu beach- tenden Rechtsfehler zu Lasten des Angekl. auf (§ 301 StPO). 

Insbesondere begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das LG den Angekl. auch wegen einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung in der Form einer Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationnach § 315 c I Nr. 2 d), III Nr. 1 StGB verurteilt hat. Die StrK hat insoweit auf die dritte Tatbestandsvariante – zu schnelles Fahren an Straßeneinmündungen – abgestellt. Dies wird von den Feststellungen getragen: 

a) Zum Einmündungsbereich einer Straße i. S. von § 315 c I Nr. 2 d) StGB gehören auch kurz vor der eigentlichen Einmündung befindliche Fußgängerfurten, selbst wenn diese vom eigentli- chen Kreuzungsbereich um einige Meter abgesetzt sind (vgl. Krumm, in: Haus/Krumm/Quarch, Ge- samtes VerkehrsR, 2. Aufl., § 25 StVO Rn 31; vgl. auch BayObLG, VRS 34, 300 [302]: bis zu 10 m vor einer Kreuzung). So verhält es sich hier, da sich ausweislich der Feststellungen und der dort wegen der Einzelheiten in Bezug genommenen Skizze die von dem Getöteten genutzte Fußgängerfurt unmit

b) Vorliegend hat sich auch gerade ein aus dem Vorhandensein einer Einmündung folgendes Risiko realisiert (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – 4 StR 459/06 = NStZ 2007, 222 [223]; BayObLG, VRS 50, 425 f.; Pegel, in: MüKo-StGB, 2. Aufl., § 315 c Rn 66). Die Strafvorschrift des § 315 c I Nr. 2 d) StGB dient anerkanntermaßen auch dem Schutz von Fuß- gängern, die an Kreuzungen oder Einmündungen die Fahrbahn überqueren (vgl. OLG Celle, NZV 2013, 252 [253]; OLG Hamm, VRS 11, 57 [58]; KG, VRS 37, 445 [447]; König, in: LK-StGB, 12. Aufl., § 315 c Rn.110). Dies folgt nicht zuletzt aus der Regelung des § 25 III 1 StVO, deren Normzweck darin besteht, den Wechsel der Straßenseite durch Fußgänger auf einen engen Raum, auf dem der Fahrverkehr mit Passanten rechnen muss, zu konzentrieren (vgl. BayObLGSt 1971, 209 [212]; OLG Hamm, VRS 49, 297). 

Der Risikozusammenhang entfällt auch nicht dadurch, dass der Gesch. die Fußgängerfurt – entgegen § 37 StVO – bei rotem Ampelsignal betrat. Denn an innerstädtischen Kreuzungen und Einmündungen sind, zumal am späten Abend, Rotlichtverstöße an Fußgängerüberwegen nicht unüblich und gehören damit zum typischen Risiko eines solchen Verkehrsbereichs. Auch um auf ein solches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer angemessen reagieren zu können, verbietet sich an diesen Stellen ein zu schnelles Fahren.

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published on 22/03/2012 00:00

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published on 01/03/2018 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 399/17 vom 1. März 2018 BGHSt: ja zu I und II BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 212 Abs. 1 Zur Bedeutung der Eigengefährdung für d
published on 06/07/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 415/16 vom 6. Juli 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen fahrlässiger Tötung ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR415.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
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08/01/2008 19:09

Strafverteidiger in Berlin Mitte - BSP Rechtsanwälte
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Erlangt eine Privatperson, die auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden mit dem Tatverdächtigten ohne Aufdeckung der Ermittlungsabsicht spricht, Informationen zum Untersuchungsgegenstand, dürfen diese verwertet werden, wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht sowie die Erforschung des Sachverhalts unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgsversprechend oder wesentlich erschwert gewesen wäre – Streifler & Kollegen, Dirk Streifler, Anwalt für Strafrecht
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Autofahrer, die ein illegales Wettrennen im Straßenverkehr mit dem Willen, das Rennen zu obsiegen, durchführen, können sich wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe strafbar machen. Wie ein bedingter Vorsatz in solchen Raserfällen das Mordurteil begründen und damit auch eine Abgrenzung zur fahrlässigen Körperverletzung mit Todesfolge geschaffen werden kann, prüft der 4.Strafsenat im folgendem Urteil (4 StR 482/19) vom 18. Juni 2020. In diesem Artikel lesen Sie, wieso der BGH das Mordurteil des einen Angeklagten bestätigt, das des anderen aber aufhebt und zurück an das Landgericht Berlin verweist. – Streifler & Kollegen – Benedikt Mick, Anwalt für Strafrecht
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Zu welch interessanten Erkenntnissen das Posten eines völlig harmlosen, etwa 150 Jahre alten Gemäldes auf Facebook führen kann, hat jetzt ein Landgericht in Paris gezeigt.
11/04/2021 12:10

Es gibt keine allgemeine Regel, wonach die Eigengefährdung des Täters einem Tötungsvorsatz entgegensteht. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. So hat der Tatrichter einzelfallbezogen zu klären, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Diesem Erfordernis wurde das Landgericht im strittigen Fall nicht gerecht: Allgemeine Erfahrungssätze, wie etwa „wer den Sicherheitsgurt nicht anlege, nehme für den Kollisionsfall zwangsläufig auch seinen eigenen Tod in Kauf“ (so das LG Frankfurt) genügen dem Erfordernis eines gewissen Begründungs- und Beweisaufwandes allerdings nicht – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen Rechtsanwälte
25/01/2021 21:30

Um einen im Verfahren sitzenden Richter aus dem Prozess auszuschließen kennt die deutsche Strafprozessordnung zwei Möglichkeiten: Die Ausschließung nach § 22 StPO, die von Gesetzes wegen eintritt, sowie die Ablehnung nach § 24 StPO, die aufgrund eines Antrags gerichtlich geprüft wird. Ein Ablehnungsgesuch i. S. v. § 24 StPO ist dann begründet, wenn aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters bestehen – Streifler & Kollegen, Dirk Streifler, Rechtsanwalt für Strafrecht
19/03/2021 13:26

Keine Woche vergeht ohne neue Gesetzesentwürfe, Urteile oder politischen Debatten, die in die Welt gerufen werden. Der wöchentliche Podcast der FAZ „FAZ Einspruch“ erklärt uns die rechtlichen Hintergründe dieser Themen, die notwendig sind, um diese überhaupt vollends erfassen zu können. Der Podcast ist perfekt für lange Fahrten unterwegs oder einfach für zwischendurch – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen, Anwalt
Artikel zu Prozessrecht

Annotations

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 415/16
vom
6. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen fahrlässiger Tötung
ECLI:DE:BGH:2017:060717U4STR415.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8. Juni 2017 in der Sitzung am 6. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten F. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenkläger, die Nebenkläger T. S. und F. S. in Person – in der Verhandlung –, Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizangestellte – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 14. April 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die gegen die Angeklagten erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren (F. ) sowie einem Jahr und neun Monaten (M. ) verurteilt; die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richten sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel, die jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt werden, erzielen den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Die Revisionen der Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am 14. April 2015 fuhren die Angeklagten mit von ihnen geführten Pkw – F. miteinem BMW 320i, M. mit einem Mercedes Cabrio 280SL – in Köln in Richtung der Rheinterrassen. Auf dem Weg dorthin hatten sie bereits mehrere Fahrzeuge mit überhöhter Geschwindigkeit überholt. Nach einem Halt an einer Lichtzeichenanlage „schossen“ sie (UA 12) mit überhöhtem Tempo – F. voran – rechts an dem auf der D. -Straße fahrenden Kraftfahrzeug eines Zeugen vorbei. An der nächsten Lichtzeichenanlage kam der von M. gefahrene Mercedes dicht hinter dem BMW des Angeklagten F. zum Stehen. Während der Wartezeit spielten die Angeklagten jeweils mit Gaspedal und Bremse, ließen die Motoren aufheulen und rückten Stück für Stück vor. Als die Ampel auf Grün umsprang, gab F. massiv Gas und bog mit quietschenden Reifen nach rechts in den A. weg ab, dicht gefolgt von M. . Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h, das Überholen war durch Zeichen 276 (Anlage 2 zu § 41 StVO) verboten.
4
Ohne dies explizit vor ihrer Abfahrt abgesprochen zu haben, entstand zwischen den beiden Angeklagten spätestens jetzt ein „Kräftemessen“, bei dem jeder der beiden dem anderen seine überlegene Fahrkunst und die Leistung seines Fahrzeugs demonstrieren wollte; beide wollten möglichst hohe Geschwindigkeiten erzielen und vor dem anderen am Ziel ankommen. Dabei war ihnen bewusst, dass ihre riskante Fahrweise geeignet war, andere Verkehrs- teilnehmer zu gefährden und in einen Unfall – auch mit unbeteiligten Dritten – münden konnte (UA 13). Sie vertrauten jedoch in Überschätzung ihrer Fähigkeiten als Fahrzeugführer darauf, es werde schon nichts passieren. Um diese Zeit (18.45 Uhr) herrschte auf dem A. weg ein relativ geringes Verkehrsaufkommen. Der an erster Stelle fahrende F. beabsichtigte, vor M. zu bleiben und diesen auch bis zu ihrem Ziel – den noch etwa 1.200 bis 1.500 Meter entfernten Rheinterrassen – nicht überholen zu lassen. Nach dem „Blitzstart“ an der Ampel erhöhte er seine Geschwindigkeit immer weiter. M. hatte jedoch beim Anfahren an der Ampel ebenfalls Gas gegeben, hielt mit F. mitund bedrängte diesen, indem er sehr dicht auffuhr. F. gab weiter Gas. Mit stark überhöhter Geschwindigkeit und eng hintereinander fahrend erreichten sie die erste, weit gezogene Linkskurve. Eine Zeugin, die gerade ihr Fahrrad über die Straße geschoben hatte, erschrak, als sie sah, wie die Angeklagten „Stoßstange an Stoßstange“ und leicht versetzt, wie bei einem „Formel-1-Rennen“, an ihr „vorbeirauschten“ (UA 14). Eine weitere Zeugin, die ihnen auf Höhe der zweiten , ebenfalls weit gezogenen Linkskurve joggend auf der rechten Seite entge- genkam, bekam Angst, als sie die Angeklagten „tänzelnd“, sehr schnell „wie ein Ball“ auf sich „zujagen“ sah(UA 15). Sie nahm ein Spielen mit dem Gaspedal und laute Musik wahr. Sie wähnte sich in großer Gefahr, da sie befürchtete, die Angeklagten würden aufgrund der hohen Geschwindigkeit die Kurve nicht mehr nehmen können und sie überfahren.
5
Auch F. befürchtete inzwischen, die Kurve in diesem Tempo nicht mehr befahren zu können, bremste aber aus Angst, M. würde aufgrund des geringen Abstandes mit dem Mercedes auffahren, nicht ab. Es gelang ihm gerade noch, die Kurve zu durchfahren. Hierbei erreichte er eine Geschwindigkeit von etwa 95 km/h; die Kurvengrenzgeschwindigkeit lag an dieser Stelle bei etwa 98 km/h. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit geriet der von F. gefah- rene BMW ausgangs der Kurve ins „Driften“, zuerst nach rechts, anschließend nach links, wobei er die Mittellinie überfuhr, und anschließend wieder zurück nach rechts. Mit einer Geschwindigkeit von 73 bis 83 km/h stieß der BMW mit dem rechten Hinterrad an die rechtsseitige Bordsteinkante. Anschließend brach er nach links aus und schleuderte in einer linksdrehenden Rotationsbewegung über die gesamte Fahrbahnbreite. Der Pkw schlitterte über die Gegenfahrbahn auf den – in Fahrtrichtung links verlaufenden – Radweg zu und überfuhr die dortige Bordsteinkante. Auf dem Radweg erfasste er die dort mit ihrem Rad fahrende 19jährige Studentin S. ; das Fahrrad kollidierte nahezu im rechten Winkel mit der Beifahrerseite des BMW. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug zu diesem Zeitpunkt 48 bis 55 km/h. S. und ihr Rad wurden in das neben dem Weg wachsende Gebüsch geschleudert; sie kam dort zum Liegen. Der BMW schlitterte zurück auf den Radweg, begrub einen Stromkasten unter sich und kam schließlich entgegen seiner ursprünglichen Fahrtrichtung stark beschädigt zum Stehen.
6
S. wurde umgehend zur intensivmedizinischen Versorgung in die Universitätsklinik K. gefahren; sie verstarb trotz zeitnaher operativer Versorgung an den Folgen eines zentralen Regulationsversagens.
7
2. Das Landgericht hat die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB verurteilt. Beide Angeklagte hätten entgegen § 29 Abs. 1 StVO ein verbotenes Rennen gefahren und die zulässige Höchstgeschwindigkeit unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO „massiv“ (UA 52) bzw. „weit“ (UA 54) überschritten; M. habe darüber hinaus gegen das in § 4 StVO normierte Abstandsgebot verstoßen.
8
Die Strafkammer hat die Angeklagten zu den eingangs genannten Freiheitsstrafen verurteilt und bei deren Bemessung auch dem Strafzweck der Ge- neralprävention „Beachtung geschenkt“; sie ist nämlich von einer gemeinschaftsgefährlichen Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten im Kölner Stadtgebiet ausgegangen.
9
Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Es hat beiden Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt (§ 56 Abs. 1 StGB), das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB bejaht und ferner gemeint, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete es nicht, den Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung zu versagen (§ 56 Abs. 3 StGB). Außerdem hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.

II.


10
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft erweisen sich teilweise als begründet.
11
1. Die Rechtsmittel sind wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO).
12
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht die Angeklagten jeweils zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
13
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285, vom 22. Februar 2017 – 5 StR 545/16 und vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben , dass sie sich allein gegen die Strafaussprüche wendet und mit ihren Rechtsmitteln nicht die Schuld- und Maßregelaussprüche angreifen will.
14
2. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleiben im Ergebnis ohne Erfolg , soweit sie sich gegen die – nach Auffassung der Beschwerdeführerin zu geringe – Höhe der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen wenden.
15
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage seines umfassenden Eindrucks von der Tat und der Persönlichkeit des Täters die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16 mwN). Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wer- tung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vor- genommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 – 4 StR 481/16, NStZ-RR 2017, 105, 106).
16
b) Hieran gemessen weist die Festsetzung der gegen die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen keine Rechtsfehler auf.
17
aa) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin und der General- bundesanwalt meinen, dass die „Kürze der Rennstrecke“ und ein „Augenblicksversagen“ (so der Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift vom 23. De- zember 2016) nicht als strafmildernde Gesichtspunkte hätten berücksichtigt werden dürfen. Von einem „Augenblicksversagen“ ist das Landgericht nicht ausgegangen (UA 59). Im Übrigen hängt die Frage, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich und die ihm vom Tatrichter beigelegte Bewertungsrichtung vertretbar ist, insbesondere nicht davon ab, ob die Urteilsausführungen diesen Umstand positiv oder negativ umschreiben. Dies kann vielmehr nur nach Lage des Einzelfalls beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH – Großer Senat für Strafsachen –, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Daran gemessen begegnet auch die Erwägung zur „Kürze der Rennstrecke“ keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht ausweislich der getroffenen Feststellungen das gesamte Fahrverhalten der Angeklagten im Blick hatte.
18
bb) Im Ergebnis rechtsfehlerfrei hat das Landgericht davon abgesehen, das Nachtatverhalten des Angeklagten M. – seine Äußerungen und seine unangemessene Sorge um sein Fahrzeug an der Unfallstelle – strafschärfend heranzuziehen; mit Blick auf den Umstand, dass M. nicht der unmittelbare Verursacher des tödlichen Unfalls war, ist der Schluss der Strafkammer auf eine fehlende rechtsfeindliche Einstellung vertretbar.
19
cc) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht bei seiner Strafzumessung mit Recht davon ausgegangen ist, F. habe durch die Fahrt (lediglich) zwei und M. drei Ordnungswidrigkeiten begangen. Der Senat schließt aus,dass die Strafkammer einer etwaigen Verwirklichung weiterer Ordnungswidrigkeitentatbestände – insbesondere fuhren beide Angeklagte Fahrzeuge, deren Betriebserlaubnisse erloschen waren – zusätzliche strafschärfende Bedeutung beigemessen hätte, da die Anzahl der Verkehrsverstöße nur einer von mehreren Gesichtspunkten war, die das Landgericht zur Begründung des zu Recht angenommenen hohen Maßes der Pflichtwidrigkeit herangezogen hat.
20
dd) Im Übrigen erschöpft sich der Vortrag der Revisionsführerin in dem Versuch, mit eigenen Wertungen die Strafzumessung des Landgerichts durch eine eigene zu ersetzen; damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Insbesondere hat die Strafkammer das besonders hohe Maß der Leichtfertigkeit rechtsfehlerfrei in die Bemessung der Strafen eingestellt. Außerdem hat sie bei beiden Angeklagten dem hier relevanten Aspekt der Generalprävention wegen der signifikanten Zunahme tödlicher Verkehrsunfälle aufgrund deutlich überhöhter Geschwindigkeit im Stadtgebiet von Köln und an anderen Orten bei der Strafzumessung Rechnung getragen und strafschärfend berücksichtigt.
21
3. Mit Recht beanstandet die Staatsanwaltschaft indes die Aussetzung der Vollstreckung der beiden Freiheitsstrafen zur Bewährung.
22
Nicht anders als die Strafzumessung ist auch die Entscheidung, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, grundsätzlich Sache des Tatrichters (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. April 2007 – 4 StR 557/06, NStZ-RR 2007, 232, 233, und vom 21. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367). Wird eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt, müssen die Urteilsgründe in einer der revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Weise die dafür maßgebenden Gründe angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 4 StPO). Dabei reichen formelhafte Wendungen oder die Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht aus (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 110 mwN).
23
a) Allerdings hat das Landgericht beiden Angeklagten rechtsfehlerfrei eine positive Legalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB gestellt. Es hat hierbei im Wesentlichen auf die soziale Eingliederung, den Schulabschluss und die berufliche Perspektive der Angeklagten abgestellt. M. sei nicht vorbestraft , F. „nicht besonders gewichtig“ wegen einer schon länger zurückliegenden Tat. F. sei durch das Verfahren, dem ein außergewöhnlich großes Medieninteresse zuteil geworden sei, sichtlich beeindruckt; er habe durch sein Geständnis rückhaltlos die Verantwortung für die Tat übernommen. Beiden Angeklagten sei eine Zugehörigkeit zur sog. Raserszene nicht nachzuweisen.
24
b) Sowohl die Annahme des Landgerichts, es lägen bei beiden Angeklagten besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor, als auch die Wertung, die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete nicht die Vollstreckung der Strafen (§ 56 Abs. 3 StGB), weisen jedoch – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 128/16) – durchgreifende Rechtsfehler auf.
25
aa) Besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts - und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen , verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände. Vielmehr können sich dessen Voraussetzungen auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben (BGH, Beschluss vom 29. Juli 1988 – 2 StR 374/88, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Umstände, besondere 7). Die besonderen Umstände müssen allerdings umso gewichtiger sein, je näher die Freiheitsstrafe an der Zweijahresgrenze liegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NJW 2016, 2349, 2351; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 56 Rn. 24). Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Eine erschöpfende Darlegung aller Erwägungen ist weder möglich noch geboten; nachprüfbar darzulegen sind lediglich die wesentlichen Umstände. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts; das Revisionsgericht hat dessen, ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Wertungen bis zur Grenze des Vertretbaren zu respektieren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Juni 2001 – 5 StR 95/01, StV 2001, 676; vom 28. Mai 2008 – 2 StR 140/08, NStZ-RR 2008, 276; vom 16. April 2015 – 3 StR 605/14 und vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17).
26
Auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab begegnet die Annahme besonderer Umstände indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft im Wesentlichen keine über die bereits bei der Legalprognose herangezogenen Aspekte hinausgehenden Umstände berücksichtigt ; seine Ausführungen schließen mit der Erwartung, dass die Angeklagten nicht erneut straffällig werden. Das genügt den aufgezeigten Anforderungen nicht. Vielmehr lässt dies besorgen, dass die Strafkammer bereits das Vorliegen einer günstigen Legalprognose als solcher einem besonderen Umstand gleichgestellt hat.
27
Soweit die Strafkammer darüber hinaus – ausdrücklich nur bei F. – „schließlich“ berücksichtigt hat, „dass es sich um ein ungeplantes Fahrlässig- keitsdelikt gehandelt“ habe, lässt dies wesentliche, der Ermessensentscheidung zugrunde zu legende Tatsachen aus. Nach den Feststellungen handelte es sich nämlich um eine bewusste Gefahrschaffung, auch dokumentiert durch die aggressive Fahrweise im Vorfeld der Kollision; darüber hinaus verstießen die Angeklagten vorsätzlich jedenfalls gegen das Rennverbot in § 29 Abs. 1 StVO (vgl. dazu, dass der Verstoß gegen § 29 Abs. 1 StVO „praktisch“ nur vorsätzlich begangen werden kann, die Einordnung dieser Ordnungswidrigkeit als Nr. 248 in Abschnitt II des Bußgeldkatalogs sowie König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 29 StVO Rn. 11). Dieser Umstand gibt der Tat ihr wesentliches Gepräge und durfte bei der Bewährungsentscheidung nach § 56 Abs. 2 StGB nicht außer Acht bleiben.
28
bb) Auch die Begründung, mit der das Landgericht die Frage verneint hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafen gebietet, weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
29
Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; Beschluss vom 21. Januar 1971 – 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 66, jew. zu § 23 Abs. 3 StGB aF).
Dies darf freilich einerseits nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1997 – 4 StR 662/96, StV 1998, 260 [Ls], und vom 27. September 2012 – 4 StR 255/12, NStZ-RR 2013, 40, 41). Andererseits gibt es entgegen der Auffassung des Landgerichts keine „Regel“,wonach bei Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB die Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB der Strafaussetzung nicht entgegensteht. Dem widerstreitet schon die Systematik des § 56 StGB, der in Absatz 3 gerade für den Fall einen Versagungsgrund vorsieht, in dem – neben der günstigen Legalprognose – besondere Umstände für eine Strafaussetzung zur Bewährung sprechen. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Gesichtspunkte; die Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet, ist deshalb unter allseitiger Würdigung von Tat und Täter zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1971 – 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 69; Urteil vom 17. März 1994 – 4 StR 4/94, NStZ 1994, 336), wobei generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukommt (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 – 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 45 mit Nachw. aus der Gesetzgebungsgeschichte; abw. Groß in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 56 Rn. 42 mwN). Auf das dem jeweiligen Fall entgegengebrachte Medieninteresse kommt es dabei nicht an.
30
Eine solche allseitige Würdigung findet sich im angefochtenen Urteil nicht. Vielmehr werden vom Landgericht auch hier wesentliche – zuvor festgestellte – Gesichtspunkte nicht erörtert. Die Strafkammer rückt das Vorliegen eines Fahrlässigkeitsdelikts in den Vordergrund, spricht von einem „spontane(n) Fehlversagen […] im Zusammenspiel mit einer Selbstüberschätzung eigener Fahrfertigkeiten und einer Fehleinschätzung der Beherrschbarkeit“ der Fahr- zeuge und betont abschließend, dass eine Zugehörigkeit zur sog. Raserszene nicht erwiesen sei.
31
Dies verfehlt den aufgezeigten rechtlichen Maßstab und schöpft wesentliche Elemente des zuvor festgestellten Sachverhalts nicht aus: Insbesondere der Umstand, dass die Angeklagten die – zum Tod von S. führenden – Gefahren bewusst geschaffen haben, ist innerhalb von § 56 Abs. 3 StGB von maßgeblicher Bedeutung (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2003, 246, 247 f. in Abgrenzung zu einer „bloßen“ Überschätzung der eigenen Fähigkeiten; vgl. auch OLG Koblenz, Blutalkohol 15, 62). Auch die äußerst aggressive Fahrweise der Angeklagten bereits vor der eigentlichen Kollision wird von der Strafkammer nicht in die erforderliche Gesamtwürdigung einbezogen (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2014, 321). Bei M. werden die verschiedenen Voreintragungen im Fahreignungsregister – bis hin zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 58 km/h – nur formelhaft erwähnt (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 2008, 467 für Fälle der „verantwortungslosen Raserei“).Stattdessen greift das Landgericht erneut auf Umstände zurück, die es bereits zur Bejahung der günstigen Prognose herangezogen hat. Eine Beantwortung der Frage, ob durch die Entscheidung die Rechtstreue einer über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigt wird und die Strafaussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte , erfolgt nicht. Dies lag jedoch schon angesichts der festgestellten Häufung von Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang aufgrund überhöhter Geschwindigkeit in Köln und anderswo (vgl. auch BT-Drucks. 18/10145) nahe.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 72/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1., 3., 4., u. 5.: erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge u.a.
zu 2.: erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR72.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. November 2015 in der Sitzung am 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung –, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten L. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten S. S. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten V. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten E. J. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenkläger H. und R. M. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers Dr. B. M. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers Dr. H. M. ,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten L. L. , V. L. , M. L. und E. J. und auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit diese Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug verurteilt sind,
b) hinsichtlich der Angeklagten V. L. , M. L. und E. J. im Ausspruch über die Gesamtstrafe, hinsichtlich der Angeklagten M. L. und E. J. auch im Maßregelausspruch,
c) hinsichtlich des Angeklagten L. L. im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen. II. 1. Auf die Revision des Angeklagten S. S. wird das vorbezeichnete Urteil im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass an die Stelle der Verurteilung des Ange- klagten zur Zahlung eines auf 50.000 Euro bemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen als Gesamtschuldner mit den übrigen Angeklagten einschließlich der Vollstreckbarkeitserklärung der Ausspruch tritt: „Der von den Nebenklägern H. M. und R. M. gegen den Angeklagten aus übergegangenem Recht erhobene Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abge- sehen.“ 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. S. sowie die ihn betreffenden Revisionen der Ne- benkläger gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Der Angeklagte S. S. hat die Kosten seines Rechtsmittels, die Nebenkläger haben die Kosten ihrer jeweiligen Rechtsmittel zu tragen, soweit diese den Angeklagten S. betreffen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten L. , V. und M. L. sowie den Angeklagten J. jeweils des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug sowie des Computerbetruges in vier Fällen und den Angeklagten S. des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub und vierfachem Computerbetrug sowie des Computerbetruges in vier Fällen schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten L. L. unter Einbeziehung von drei weiteren Urteilen zu einer Einheitsjugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten V. L. zu einer solchen von zwölf Jahren und zwei Monaten und die Angeklagten J. und M. L. zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung der Angeklagten J. und M. L. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und jeweils einen Vorwegvollzug von drei Jahren und sieben Monaten der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt. Ferner hat es für drei der Angeklagten, die sich in Auslieferungshaft befunden haben, eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Die Angeklagten sind überdies im Adhäsionsverfahren als Gesamtschuldner verurteilt worden, an die Nebenkläger H. und R. M. zur gesamten Hand ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zu zahlen.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Mit Ausnahme des Angeklagten S. beanstanden sie darüber hinaus das Verfahren. Die Nebenkläger , die die Verurteilung der Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erstreben, rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Nebenkläger Dr. B. und Dr. H. M. erheben darüber hinaus Verfahrensrügen.

A.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


4
Die Angeklagten reisten mehrere Tage vor dem 9. Januar 2012 mit zwei Kraftfahrzeugen, einem Transporter Ford Transit und einem Pkw Audi, aus Litauen nach Deutschland. Am Vormittag des 9. Januar 2012 trafen sich alle fünf Angeklagten sowie die in ihrer Begleitung befindlichen A. und Be. auf einer von der ca. 450 Meter entfernten Bundesstraße nicht einsehbaren, abgelegenen Lichtung in einem Wald zwischen C. und R. . Dort tranken sie unterschiedliche, teilweise jedoch erhebliche Mengen Alkohol. Gegen Abend ergab sich aus einem Gespräch der Angeklagten V. , L. und M. L. sowie J. der Plan, eine andere Person gewaltsam zu berauben. Der Angeklagte S. war bei dem Gespräch anwesend und schloss sich dem Tatplan an. Nachdem die Angeklagten in Anwesenheit von A. und Be. den Transporter auf einem Seitenweg abgestellt hatten, um ihn der möglichen Wahrnehmung eines späteren Opfers zu entziehen, begaben sich alle fünf Angeklagten mit dem Pkw Audi zu einem Parkplatz an der Bundesautobahn (A 9) Richtung B. , um hier auf ein geeignetes Opfer zu warten. Als der 40-jährige U. M. , das spätere Tatopfer, der ebenfalls mit einem Transporter auf der Autobahn unterwegs war, während einer Rast das auf dem Parkplatz befindliche Toilettenhäuschen verließ, ergriffen ihn vier der Angeklagten und führten ihn gegen seinen Willen zu seinem Transporter. Mit diesem Fahrzeug verbrachten die Angeklagten V. , L. und M. L. ihr Opfer sodann auf den Lagerplatz im Wald, gefolgt von den im Pkw Audi sitzenden Angeklagten J. und S. . Während der Angeklagte S. den von ihm geführten Pkw Audi an der Straße abstellte und dann dort etwa zehn bis fünfzehn Minuten wartete, verschafften sich die übrigen Angeklagten unter im Einzelnen nicht genau feststellbaren Umständen gewaltsam mindestens zwei Kredit- bzw. Bankkarten des Geschädigten und veranlassten diesen zur Preisgabe der zugehörigen PIN. Die Angeklagten S. und L. L. fuhren daraufhin in Begleitung der A. mit dem Pkw Audi nach C. und hoben in der Folgezeit unter Verwendung der Karten und der PIN in mehreren Teilbeträgen insgesamt 2.000 Euro von den Konten des Geschädigten ab, der in der Gewalt der anderen Angeklagten verblieben war. Die beiden in Begleitung der A. befindlichen Angeklagten stellten nach ihrer Rückkehr aus C. ihren Pkw zunächst an der Bundesstraße ab. L. L. ging zu den anderen auf dem Lagerplatz , S. blieb zunächst im Fahrzeug sitzen. Die Angeklagten V. , L. und M. L. sowie der Angeklagte J. verlangten sodann von dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefesselten Geschädigten die Preisgabe einer weiteren PIN. Da sie den Geschädigten dahin verstanden, diese Nummer befinde sich auf dessen Laptop, gestatteten sie ihm die Benutzung des Gerätes. Die Stimmung unter den beim Geschädigten stehenden Angeklagten – der Angeklagte S. hatte sich zu diesem Zeitpunkt erst vom Fahrzeug aus auf den Weg zum Lagerplatz gemacht – war sehr angespannt, weil seit Tatbeginn bereits mehrere Stunden verstrichen waren und ihres Erachtens nun das Entdeckungsrisiko stieg. Als auf dem Computerbildschirm nach Eingabe des Passwortes durch U. M. ein sich drehender Briefumschlag erschien, nahmen die vier Angeklagten an, der Geschädigte habe versucht, eine Nachricht zu verschicken, um Hilfe zu holen. Das löste bei ihnen Panik aus und der Angeklagte V. L. schlug dem Geschädigten den Laptop mit der flachen Seite einmal auf den Kopf. Der Angeklagte S. , der sich dem Geschehen in diesem Augenblick bis auf etwa zehn Schritte genähert hatte , fragte, was das sollte, und wollte den Angeklagten L. beiseite schubsen. Er wurde daran aber von einem der anderen Angeklagten gehindert, indem der ihn kräftig beiseite zog, so dass seine Jacke einriss. Daraufhin verließ S. mit A. den Lagerplatz in Richtung des abgestellten Pkws Audi. Nunmehr wurde in Anwesenheit der dort verbliebenen vier Angeklagten in im Einzelnen nicht mehr feststellbarer Weise mit schwerster stumpfer Gewalt, wie sie etwa beim Treten oder Springen auf den Brustkorb eines Menschen ausgeübt wird, auf den Körper, den Hals und den Kopf des Geschädigten eingewirkt. Eine Zuordnung der Gewalthandlungen zu einzelnen Angeklagten hat das Landgericht nicht vorzunehmen vermocht, sondern lediglich festgestellt, dass der Angeklagte S. von diesem Geschehen nichts mitbekam und daher auch von den schweren Verletzungen des U. M. keine Kenntnis hatte. Der Geschädigte erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, ein massives Hirnödem, Rippen- sowie Brustbeinbrüche und Lungenquetschungsblutungen. Anschließend wurden seine Hände und Füße straff mit Klebeband gefesselt; er wurde – noch lebend – auf der Ladefläche seines Transporters in zusammengekauerter Haltung dergestalt in einem engen Freiraum zwischen den dort befindlichen Umzugskartons und Möbeln abgelegt, dass er kaum Bewegungen ausführen konnte. Den vier Angeklagten war bewusst, dass die dargestellte Gewalteinwirkung zum Tode des Geschädigten führen könnte. Zwar wollten sie, so das Landgericht, dessen Tod nicht, verursachten ihn jedoch leichtfertig.
5
Den Transporter mit dem Geschädigten verbrachte der Angeklagte V. L. im Beisein der Angeklagten M. und L. L. an einen anderen Ort etwa 200 Meter tief in den Wald hinein und fuhr ihn auf dem schlammigen Waldweg fest. Anschließend wurde das Fahrzeug mit laufendem Motor dort stehen gelassen. V. L. schaltete vorher noch die Heizung im Fahrzeug ein und betätigte einen Schalter, von dem er annahm, dass dieser für die Beheizung der Ladefläche sorgen würde. Tatsächlich verfügte der Transporter nicht über eine eigene Heizung im Bereich des Laderaums. Die Angeklagten flüchteten sodann in ihren beiden Fahrzeugen in Richtung Litauen. Dabei setzen sie die erbeuteten Kreditkarten für eine weitere Barabhebung und drei Einkäufe ein.
6
Der Geschädigte verstarb innerhalb von 24 Stunden nach der Tat an einer Lungenfettembolie sowie an seinen schweren inneren Verletzungen. Der Transporter mit der Leiche wurde erst sechs Tage später aufgefunden.

II.


7
1. Seine rechtliche Würdigung stützt das Landgericht im Wesentlichen auf die Erwägung, dass die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten S. während der Einwirkung mit schwerster stumpfer Gewalt auf den Geschädigten anwesend gewesen seien, wenngleich eine Zuordnung der Gewalthandlungen zu einzelnen von ihnen nicht habe vorgenommen werden können. Wer aber sein schwer verletztes Opfer in der festgestellten Art und Weise auf der Ladefläche eines Transporters bewegungsunfähig im Wald zur Nachtzeit zurücklasse, handele grob achtlos. Die Möglichkeit des Todes hätte sich den Angeklagten regelrecht aufdrängen müssen. In der von diesen Angeklagten in Gang gesetzten und zum Tode führenden Kausalkette habe sich auch die tatbestandsspezifische Gefahr des erpresserischen Menschenraubes und des Raubes verwirklicht. Die Forderung nach Preisgabe einer weiteren PIN habe die Kausalkette in Gang gesetzt. Das Geschehen sei mit dem Erscheinen des sich drehenden Briefumschlags auf dem Bildschirm des Laptops eskaliert, die daraufhin erfolgten Gewalthandlungen hätten schließlich zum Tod des Opfers geführt. Wegen seiner Abwesenheit vom Ort des Gewaltgeschehens habe sich der Angeklagte S. weder eines erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge noch eines Raubes mit Todesfolge schuldig gemacht. Als der Transporter zum Abstellort verbracht wurde, habe er angenommen, der Geschädigte sei bereits freigelassen worden.
8
2. Vom Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes bei den vier anderen Angeklagten konnte sich das Landgericht hingegen nicht überzeugen. Der ursprüngliche Tatplan habe lediglich die Beraubung eines Menschen unter Einschluss von Körperverletzungshandlungen umfasst, nicht aber die Tötung des Opfers. Dies habe sich auch daran gezeigt, dass die Angeklagten versucht hätten , die von ihnen benutzten Fahrzeuge vor dem Geschädigten zu verbergen. Dadurch werde belegt, dass die Angeklagten von einem Überleben des Opfers ausgegangen seien. Aus dem einmaligen Schlag auf den Kopf des Opfers durch den Angeklagten V. L. könne auf einen bedingten Tötungsvorsatz ebenfalls nicht geschlossen werden. Die Beteiligung der vier anwesenden Angeklagten an den nachfolgenden Gewalthandlungen sei unklar. Auch für den Zeitpunkt des Zurücklassens des schwer verletzten Opfers im Wald lasse sich ein Tötungsvorsatz nicht nachweisen. Vielmehr hätten die Angeklagten das Überleben des Geschädigten gewollt. Man habe ihn nur etwas mehr als einen Kilometer von der Ortseinfahrt in R. entfernt in dem Fahrzeug mit laufendem Motor zurückgelassen. Dadurch sei – wenn auch nur in ganz geringem Maße – die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass jemand auf den Wagen aufmerksam werden würde. Ferner sei ein laufender Kraftfahrzeugmotor in der Vorstellung eines technischen Laien mit einer Erwärmung des Fahrzeuginneren verbunden, auch wenn dies bei diesem Fahrzeugtyp bezüg- lich der Ladefläche objektiv nur in ganz unbedeutendem Maße der Fall gewesen sei. Der Angeklagte V. L. habe außerdem vor dem Zurücklassen des Fahrzeugs die Heizung eingeschaltet und auf einen Schalter gedrückt, von dem er angenommen habe, dass dieser für die Beheizung der Ladefläche sorgen werde. Als Beweisanzeichen gegen einen Tötungsvorsatz spreche auch, dass einer der Täter beim Einsteigen in das zweite Täterfahrzeug geäußert habe, man müsse so schnell wie möglich wegfahren, bevor der Mann sich bei der Polizei beschwere.

B.


9
Die Revision des Angeklagten S. S. hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittel der anderen Angeklagten haben – jeweils mit der Sachrüge – überwiegend Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger bleiben hinsichtlich des Angeklagten S. S. erfolglos ; im Übrigen führen sie – ebenfalls auf die Sachrüge – zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.


10
Zu den Revisionen der Angeklagten:
11
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. führt lediglich zu einer Abänderung der Adhäsionsentscheidung; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. März 2015 erfolglos.
12
Die Rechtsmittel der übrigen Angeklagten haben hinsichtlich der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen Computerbetruges in vier Fällen keinen Erfolg. Die Verfahrensrügen versagen, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegt hat. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die jeweils erhobene Sachrüge hat insoweit keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
13
Die weiter gehenden Revisionen dieser Angeklagten sind erfolgreich.
14
1. Die Verurteilung der Angeklagten L. , V. sowie M. L. sowie des Angeklagten J. wegen gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) hält schon deshalb rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellungen nicht belegen, dass die todesursächliche Gewalthandlung von ihrem Vorsatz umfasst war.
15
a) Eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 251 StGB setzt vorsätzliches Handeln voraus; nur hinsichtlich der schweren Folge genügt Leichtfertigkeit (§ 18 StGB). Hat bei einem Raub mit Todesfolge lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die anderen gemäß § 251 StGB nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist (BGH, Beschluss vom 16. April 1993 – 3 StR 14/93, BGHR StGB § 251 Todesfolge 2; Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280). Ein Beteiligter haftet gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatge- schehen einbezogen hatte (BGH, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 259/09, NStZ 2010, 81).
16
b) Der danach für § 251 StGB erforderliche Vorsatz hinsichtlich der todesursächlichen Gewalthandlungen ist für die vier auf dem Lagerplatz anwesenden Angeklagten in den Urteilsgründen nicht festgestellt.
17
aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten bei der Besprechung der Tatausführung ein gewisses Maß an Gewalt bei der Tatbegehung einplanten. Es hat lediglich festgestellt, dass die fünf Täter bewusst zusammenwirken wollten, um U. M. mit Gewalt vom Rastplatz zum Lagerplatz verbringen und ihm dort vorhandene Bankkarten wegnehmen sowie die zugehörigen PIN abpressen zu können. Die Feststellung eines ausdrücklich oder konkludent gefassten Entschlusses zur Ausübung lebensbedrohender Gewalt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil indes weder für diesen noch für einen späteren Zeitpunkt.
18
Der Senat vermag diesen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen. Zwar ist es für eine gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Auch begründet nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan bzw. den Vorstellungen des Mittäters die Annahme eines Exzesses. Die dem Opfer zugefügten Körperverletzungen dürfen jedoch nicht von wesentlich anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Mittäter es wollte und sich vorstellte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 259/09, NStZ 2010, 81 f.). Die letztlich zum Tode U. M. führende Gewalteinwirkung durch einen oder mehrere der Angeklagten ergab sich aber aus einer plötz- lichen, unerwarteten Wendung des Geschehens – Auslösung von Panik durch Fehlinterpretation des sich drehenden Briefumschlags auf dem Laptop des Opfers – und wurde durch den einmaligen, vom Angeklagten V. L. ausgeführten Schlag mit dem Laptop auf den Kopf des Opfers eingeleitet. Dass dieser Schlag und die nachfolgenden Misshandlungen nicht auf einem gemeinsamen Tatentschluss aller Angeklagten beruhte, ist schon deshalb nicht von vorneherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte S. dazwischentrat und fragte, was das solle.
19
bb) Der Senat vermag den Urteilsgründen den für eine Verurteilung nach § 251 StGB erforderlichen Vorsatz auch unter Heranziehung der Grundsätze einer sukzessiven Mittäterschaft nicht zu entnehmen.
20
Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt (vgl. dazu aber auch BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, Rn. 38). Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 aaO).
21
Das Vorliegen der Voraussetzungen sukzessiver Mittäterschaft eines oder mehrerer der vier am Lagerplatz anwesenden Angeklagten hat die Strafkammer ebenfalls nicht festgestellt. Der Senat vermag auch dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend sicher zu entnehmen. Dass alle vier Angeklagten bei der Ausführung der schweren Misshandlungen, wie festgestellt, anwesend waren und diese mitbekamen, reicht für die Begründung sukzessiver Mittäterschaft nicht aus (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 – 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380). Allerdings wird der neue Tatrichter zu beurteilen haben, ob weitere Tathandlungen, die zu einer Vertiefung der Gewalthandlungen geführt haben können (Fesselung, Verbringen an das Ende des Waldwegs), als Grundlage für die Annahme des Handelns eines oder mehrerer Angeklagten in sukzessiver Mittäterschaft in Betracht kommen.
22
c) Die danach gebotene Aufhebung des angefochtenen Urteils erfasst auch die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge gemäß § 239a Abs. 3 StGB sowie wegen vierfachen Computerbetruges.
23
2. Für den Fall, dass der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wiederum eine Verurteilung der Angeklagten wegen Raubes bzw. erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§§ 251, 239a Abs. 3 StGB) in Betracht ziehen sollte, weist der Senat auf Folgendes hin:
24
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 239a Abs. 3 bzw. § 251 StGB von einer leichtfertigen Todesverursachung „durch die Tat“ nur dann ausgegangen wer- den, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen (BGH, Urteil vom 18. September 1985 – 2 StR 378/85, BGHSt 33, 322 zum Tatbestand der Geiselnahme; Urteil vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 298 zu § 251 StGB).
25
a) Sollte in der neuen Verhandlung erneut festgestellt werden – was nahe liegt und wovon das Landgericht hier ersichtlich ausgegangen ist –, dass das Verlangen der wegen des Risikos der Entdeckung angespannten Täter nach Herausgabe der weiteren PIN Auslöser für die Einwirkung auf das Tatopfer war, dürfte der qualifikationsspezifische Zusammenhang im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB im Ergebnis zu bejahen sein. Aus einer sich über eine längere Dauer erstreckenden Bemächtigungslage können psychische Belastungen nicht nur für das Opfer, sondern auch für den Täter folgen, insbesondere wegen der Befürchtung entdeckt zu werden. Die nahe liegende Möglichkeit, dass ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis auf Grund anspannungsbedingter Fehleinschätzung zu einem Gewaltausbruch gegenüber dem Opfer führt, kann daher eine tatbestandstypische Gefahr im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB darstellen.
26
b) Bei der Prüfung des qualifikationsspezifischen Zusammenhangs im Sinne des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung mit Todesfolge wird das Folgende zu bedenken sein:
27
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch eine Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 – 3 StR 66/98, NJW 1998, 3361 für den Versuch des § 251 StGB). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war (BGH, Urteile vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 298; vom 25. März 2009 – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234, 236 zu § 250 StGB; vgl. auch BGH, Urteile vom 6. April 1965 – 1 StR 73/65, BGHSt 20, 194, 196; vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 297 f.; Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 378).
28
Gemessen daran wird der neue Tatrichter der Frage der Beendigung des möglicherweise einheitlichen Raub- bzw. Erpressungsgeschehens und des Beweggrundes für die (todesursächliche) Gewaltanwendung größere Bedeutung beizumessen und dies eingehender als im angefochtenen Urteil geschehen zu prüfen und darzulegen haben.

II.


29
Zu den Revisionen der Nebenkläger:
30
Die Nebenkläger wenden sich mit der Sachrüge zu Recht gegen die Begründung , mit der das Landgericht das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten L. , V. und M. L. sowie E. J. verneint hat. Einer näheren Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht. Sie versagen im Übrigen, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, insgesamt und daher auch insoweit, als die Nebenkläger die Verurteilung des Angeklagten S. – erfolglos – angreifen.
31
1. Die Begründung des Landgerichts für die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes begegnet vor dem Hintergrund der Feststellungen zum Tatgeschehen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lässt besorgen, dass sich die Strafkammer bei der Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hinsichtlich des voluntativen Vorsatzelements von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab hat leiten lassen.
32
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Dabei genügt es für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105). Im Rahmen der vom Tatrichter insoweit vorzunehmenden Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände können je nach der Eigenart des Falles auch für die Feststellung des Willenselements des bedingten Vorsatzes unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen. Soweit Rückschlüsse auf das Wollen des Täters möglich sind, kann auch sein Wissensstand in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 10 f.).
33
b) Indem das Landgericht einerseits feststellt, den Angeklagten sei die mögliche tödliche Wirkung der gewaltsamen Einwirkung auf Kopf und Körper des Tatopfers und dessen anschließendes „Verstauen“ im Transporter bewusst gewesen, also das kognitive Element bejaht, andererseits aber ausführt, die Angeklagten hätten das Überleben U. M. s „gewollt“, was gegen das Vorhandensein des voluntativen Elements des Tötungsvorsatzes spreche, lassen die Urteilsgründe besorgen, dass die Strafkammer diesen rechtlichen Maßstab verfehlt hat. Denn die Angeklagten können schon dadurch bedingt vorsätzlich ein Tötungsdelikt verwirklicht haben, dass sie den Tod ihres Opfers – mag er ihnen auch unerwünscht oder von ihnen nicht gewollt gewesen sein – lediglich als mögliche Folge der verletzungsursächlichen Verhaltensweise und des „Verstauens“ von U. M. imFahrzeug in Kauf nahmen und sich mit ihm abfanden , indem sie das Überleben ihres Opfers dem bloßen Zufall überließen, ihnen dessen Überleben also gleichgültig war. Zudem hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass die Annahme einer Billigung im Sinne bedingten Vorsatzes auch deshalb nahe lag, weil den Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen bewusst war, dass die dargestellte Verhaltensweise samt anschließendem Verbringen des schwer verletzten Opfers in den Transporter zu dessen Tod führen könnte.
34
Die Urteilsgründe lassen ferner besorgen, dass sich die Anwendung des unzutreffenden Maßstabs auch bei der Bewertung der vom Landgericht als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen ausgewirkt hat. Insoweit hat die Strafkammer angenommen, die Angeklagten seien von einem Überleben ihres Opfers „ausgegangen“, da sie denvon ihnen genutzten Pkw Audi von Tatbeginn an vor ihm verborgen hielten und den schwer verletzten Geschädigten in seinem Fahrzeug bei laufendem Motor und – jedenfalls in ihrer Vorstellung – eingeschalteter Heizung zurückließen. Ob die Angeklagten angesichts dieser vom Landgericht selbst als objektiv wenig gewichtig bewerteten Vorsichtsmaßnahmen ernsthaft oder lediglich vage darauf vertrauten, dass der Tod nicht eintreten werde, wird vom Landgericht nicht erörtert. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutungsvolle Umstand, dass das Fahrzeug des Opfers von den Tätern auf einem schlammigen Waldweg abseits der Bundesstraße und über einen Kilometer von der Ortseinfahrt R. entfernt im Wald festgefahren stehen gelassen wurde, wird von der Strafkammer überhaupt nicht in den Blick genommen.
35
c) Dass das Landgericht eine genaue Zuordnung der einzelnen Tatbeiträge zu den vier am Lagerplatz anwesenden Angeklagten nicht vorzunehmen und einen Entschluss zur Tötung ihres Opfers nicht feststellen konnte, steht der Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht schlechthin entgegen. Im Hinblick auf die Ausführungen zu den Revisionen der Angeklagten wird der neue Tatrichter auch insoweit ein Handeln in sukzessiver Mittäterschaft zu prüfen haben.
36
2. Hingegen hält das Urteil den Angriffen der Nebenkläger stand, soweit diese beanstanden, auch der Angeklagte S. hätte wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, jedenfalls aber wegen erpresserischen Menschenraubes und wegen Raubes, jeweils mit Todesfolge, schuldig gesprochen werden müssen.
37
a) Die Verurteilung beruht, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat, auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
38
b) Auch die rechtliche Würdigung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte S. lediglich des Raubes im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
39
aa) Wie bereits näher ausgeführt, kommt für eine Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge im Sinne von § 251 StGB nur die Zurechnung der Folgen solcher Handlungen in Betracht, die der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz gewollt hat. Eine Bestrafung nach dieser Bestimmung kann daher nur erfolgen, wenn das Opfer infolge einer vom Täter gebilligten Gewaltanwendung gestorben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1993 aaO).
40
bb) Gemessen daran hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils, wonach der auch von dem Angeklagten S. mitgetragene, ursprüngliche Tatplan nur die Anwendung der für eine Beraubung erforderlichen Gewalt umfasste, keinen Rechtsfehler zum Vorteil dieses Angeklagten ergeben.
41
c) Entsprechendes gilt für die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten S. wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB. Das Landgericht durfte es unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten ohne Rechtsfehler als nicht widerlegbar ansehen, dass er beim Abstellen des Fahrzeugs des Geschädigten davon ausging , dieser sei zuvor freigelassen worden.

III.


42
Hinsichtlich der vom Landgericht getroffenen Adhäsionsentscheidung gilt Folgendes:
43
1. Soweit von ihr die Angeklagten L. , V. und M. L. sowie der Angeklagte J. betroffen sind, war sie von der Aufhebung des Urteils auszunehmen.
44
Mit der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im dargelegten Umfang wird dem zugleich mit der Ver- urteilung erfolgten Ausspruch über die Entschädigung der Adhäsionskläger die Grundlage nicht entzogen, da der Senat in der Sache nicht abschließend entscheidet. Diese Entscheidung bleibt vielmehr dem neuen Tatrichter vorbehalten (BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09, Tz. 27; Senatsurteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – 2 StR 388/14, Tz. 7).
45
2. Hinsichtlich des Angeklagten S. hat der Senat die Adhäsionsentscheidung wie aus der Urteilsformel ersichtlich geändert.
46
a) Das Landgericht hat alle fünf Angeklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Hinterbliebenen des Tatopfers verurteilt , obgleich es sich gehindert gesehen hat, auch dem Angeklagten S. die schwere Folge des Raubes bzw. des erpresserischenMenschenraubes (§§ 251, 239a Abs. 3 StGB) zuzurechnen. Zwar haften Mittäter oder Gehilfen einer unerlaubten Handlung gemäß § 830 BGB auch hinsichtlich des Schmerzensgeldes regelmäßig in voller Höhe und nicht nur ihrem Tatbeitrag entsprechend. Eine Differenzierung bei der Höhe des Schmerzensgeldes kommt aber in Betracht, wenn die unterschiedlichen Tatbeiträge eine unterschiedliche Bemessung unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes nahe legen (vgl. nur OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. April 1998 – 14 W 19/98, Die Justiz 1999, 445). So liegt der Fall hier.
47
b) Die Verpflichtung des Angeklagten S. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes war daher nur dem Grunde nach auszusprechen; im Übrigen war von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen.
48
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten S. rechtfertigt es nicht, ihn auch nur teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 20. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung "an zwei Menschen" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

2

I. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der Angeklagte am Abend des 18. August 2012 vor dem Club "G.    " in K.   auf den Zeugen G.   , den er zu Unrecht verdächtigte, seine frühere Freundin zur Trennung von ihm veranlasst zu haben. Es entwickelte sich ein lautstarkes, mit Beleidigungen einhergehendes Streitgespräch, das in wechselseitige Schläge der Kontrahenten mündete. Die als Türsteher des Clubs arbeitenden Zeugen I.   und E.    beendeten die Auseinandersetzung, indem sie beide auseinander drängten.

3

Die kurze Kampfpause nutzte der Angeklagte, um ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von ca. zehn Zentimeter aus der Hosentasche zu ziehen und es aufzuklappen. Er entzog sich dem Griff des Zeugen E.    und ging mit dem Messer auf den vom Zeugen I.   zurückgehaltenen Zeugen G.    los. I.   wich zurück, woraufhin der Angeklagte mit einer Ausholbewegung von oben nach unten mindestens zweimal mit dem Messer heftig und unkontrolliert gegen den Kopf des Zeugen G.    schlug. Er wusste, dass ein solches Vorgehen tödliche Verletzungen hervorrufen kann, was er jedoch billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte G.    erlitt zwei stark blutende Schnittwunden am Kopf. Weitere Ausholbewegungen mit dem Messer führte der Angeklagte in Richtung Brust- und Bauchbereich des Opfers, das seinerseits versuchte, den Schlagbewegungen auszuweichen, und dadurch weitere Schnittverletzungen erlitt. Das Geschehen verlagerte sich im Zuge der Angriffe des Angeklagten. Der Zeuge E.   , der sich weiterhin - auch für den Angeklagten sichtbar - unmittelbar neben den Kontrahenten bewegte und versuchte, verbal zu beschwichtigen, griff schließlich erneut ein und versuchte, den Angeklagten zu fassen. Dabei wurde er von einer ausholenden Bewegung des Angeklagten, die eigentlich dem Geschädigten G.    galt, am linken Arm verletzt. Die stark blutende Wunde zuhaltend lief der Zeuge zum Eingang des "G.   " zurück. Der Angeklagte ließ von dem Geschädigten G.    ab, folgte dem Zeugen E.   , mit dem er freundschaftlich verbunden war, und entschuldigte sich bei diesem. Anschließend floh er vom Tatort.

4

Der Geschädigte G.    erlitt zwei Schnittwunden am Kopf sowie weitere Verletzungen am rechten Unterarm und an der rechten Hand. Aufgrund hohen Blutverlustes bestand die potentielle Gefahr des Verblutens bei nicht zeitnaher ärztlicher Versorgung. Beim Zeugen E.    ergab sich am linken Unterarm eine ca. 6 cm lange Schnittverletzung, bei der sämtliche Strecksehnen durchtrennt wurden.

5

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit dem freiwilligen Ablassen von dem Geschädigten G.    von einem unbeendeten Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten sei, und hat eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil beider Tatopfer angenommen. Auch hinsichtlich des Zeugen E.    sei von vorsätzlichem Handeln auszugehen. Dass er diesen nicht habe verletzten wollen, ändere nichts daran, dass er dessen Einschreiten bemerkt und dennoch weiter unkontrolliert mit dem Messer zugeschlagen habe. Er habe dadurch einen Treffer des Zeugen jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen.

6

II. Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.

7

1. Die Ausführungen des Landgerichts, wonach der Angeklagte auch hinsichtlich des Geschädigten E.    mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz gehandelt habe, genügen bei dem hier festgestellten Sachverhalt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung und Begründung des bedingten Tatvorsatzes zu stellen sind.

8

a) Es kann dahinstehen, ob die Strafkammer zutreffend angenommen hat, der Angeklagte habe einen "Treffer" des Geschädigten E.    durch seine Messerstiche für möglich gehalten. Daran könnten Zweifel bestehen, weil der Angeklagte zwar bemerkte, dass der Zeuge das Kampfgeschehen begleitete und auch zu beschwichtigen versuchte, sich aber in den landgerichtlichen Feststellungen kein Hinweis findet, ob es für den Angeklagte im Rahmen des dynamischen Kampfgeschehens greifbare Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass der Zeuge nach der Wiederaufnahme der nunmehr mit einem Messer geführten Auseinandersetzung erneut eingreifen und dabei durch einen gegen den Zeugen G.    geführten Messerstich getroffen und verletzt werden könnte. Insoweit ist nicht völlig auszuschließen, dass der mit dem Geschädigten G.    ringende Angeklagte jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als er mit dem Messer ausholte und schließlich den Zeugen E.    traf, noch gar nicht objektiv damit gerechnet hat, dass letzterer "plötzlich" in das Kampfgeschehen eingriff.

9

b) Das Landgericht ist jedenfalls ohne genügende Begründung davon ausgegangen, dass der Angeklagte den eingetretenen Erfolg auch "billigend in Kauf" genommen hat. Dass bei dem Angeklagten auch hinsichtlich einer Körperverletzung des Zeugen E.    das voluntative Vorsatzelement gegeben ist, versteht sich bei der vom Landgericht geschilderten Tatsituation, die auf den Kampf gegen den Zeugen G.    ausgerichtet war, auch nicht von selbst (vgl. BGH, NStZ 2008, 451).

10

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit handelt der Täter vorsätzlich, wenn er den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Da die Grenzen dieser beiden Schuldformen eng beieinander liegen, müssen die Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Insbesondere die Würdigung zum voluntativen Vorsatzelement muss sich mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und auch die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände mit in Betracht ziehen. Geboten ist somit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Hierbei können je nach der Eigenart des Falles unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen. Aus dem Vorleben des Täters sowie aus seinen Äußerungen vor, bei oder nach der Tat können sich Hinweise auf seine Einstellung zu den geschützten Rechtsgütern ergeben. Für den Nachweis bedingten Vorsatzes kann insbesondere "an die vom Täter erkannte objektive Größe und Nähe der Gefahr" angeknüpft werden (BGHSt 36, 1, 9 f. mwN). An einer solchen Gesamtschau fehlt es hier.

11

Das Landgericht hat sich - ohne nähere Begründung - allein auf die Feststellung beschränkt, eine billigende Inkaufnahme liege vor. Dies genügt nicht, zumal sich dem Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass der Angeklagte eher auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut haben könnte, als ihn etwa gleichgültig hinzunehmen. Der Angeklagte war mit dem Zeugen E.    freundschaftlich verbunden; dessen Verletzung war Anlass, das Kampfgeschehen abzubrechen, ihm zu folgen und sich sofort bei ihm zu entschuldigen. Mögen diese Umstände den Körperverletzungsvorsatz im Zeitpunkt der Ausholbewegung mit dem Messer zwar nicht grundsätzlich ausschließen, hätte sich doch der Tatrichter mit ihnen auseinandersetzen müssen, bevor er von einem billigenden Inkaufnehmen ausgeht.

12

2. Die Verurteilung des Landgerichts hat insoweit (bezogen auf die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen E.   ) keinen Bestand. Dies führt ohne Weiteres auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfrei festgestellten, tateinheitlich verwirklichten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen G.   .

Fischer                   Appl                        Krehl

                Ott                       Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 558/11
vom
22. März 2012
in der Strafsache
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
Zur "Hemmschwellentheorie" bei Tötungsdelikten.
BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11 - LG Saarbrücken
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. März
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juni 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafe, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe vor der Unterbringung.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und
c) im gesamten Ausspruch über die verhängten Maßnahmen.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtstrafe angeordnet sowie Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB verhängt. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Einzelausführungen zur Verneinung des Tötungsvorsatzes und zur Anordnung der Unterbringung in dem angefochtenen Urteil näher begründet; im danach verbleibenden Umfang hat ihre Revision Erfolg. Der Angeklagte erzielt mit seinem Rechtsmittel einen Teilerfolg.

A.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
I. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten u.a. bereits wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten: Am 8. Juni 2009 ordnete das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eine Erziehungsmaßregel und ein Zuchtmittel an. Der Angeklagte hatte im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung zweimal mit einem Schraubenzieher in den linken Mittelbauch des Geschädigten gestochen. Wegen einer etwa sechs Wochen nach dieser Ahndung begangenen (ersichtlich: vorsätzlichen) Körperverletzung verhängte das Amtsgericht Saarbrücken gegen ihn mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2009 eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen. Er hatte seine damalige Lebensgefährtin so lange gewürgt, bis diese Angst hatte zu ersticken; von ihr hatte er erst abgelassen, als sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sechs Tage vor dem hier abgeurteilten Angriff auf den Nebenkläger (nachfolgend zu Ziff. III.) stellte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein gegen den Angeklagten geführtes Ermittlungsverfahren mangels öffentlichen Interesses ein; der Angeklagte hatte einem Besucher der Saarbrücker Diskothek „ “ angedroht, er werde ihn „abstechen, wenn er herauskomme“.
4
Bei der konkreten Strafzumessung teilt das Landgericht mit, dass der Angeklagte sich darauf berufen habe, in sämtlichen Fällen von den Zeugen bewusst der Wahrheit zuwider belastet worden zu sein.
5
II. Am 12. Oktober 2010 befuhr der Angeklagte mit einem entliehenen und abredewidrig weiter genutzten Pkw Smart gegen 5.45 Uhr öffentliche Straßen in Saarbrücken, u.a. die Straße in Saarbrücken-St. Johann. Infolge seiner alkoholischen Beeinflussung – er wies bei der Tat einen Blutalko- holgehalt von mindestens 1,35 ‰ auf – verkannteer den Straßenverlauf und überfuhr ein Stopp-Schild. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoß mit dem Kleinbus des V. , der die vorfahrtberechtigte straße befuhr. An der Kreuzung Straße/ straße stieß der Angeklagte an ei- nen eisernen Begrenzungspfosten und riss diesen um; er kam mit dem von ihm gefahrenen, schwer beschädigten Fahrzeug erst auf einem angrenzenden Schulhof zum Stehen. Seine Fahrunsicherheit hätte er bei gewissenhafter Prüfung vor Antritt der Fahrt erkennen können.
6
III. In der Nacht zum 18. November 2010 beobachtete der Angeklagte in der Saarbrücker Diskothek „ “ einen Streit zwischen zwei ihm nicht näher bekannten Personen. Als der Nebenkläger diesen Streit schlichten wollte, mischte sich auch der Angeklagte in die Auseinandersetzung ein und geriet mit dem Nebenkläger in Streit. Es kam zu wechselseitigen Beleidigungen; der Angeklagte schlug dem Nebenkläger ins Gesicht. Anschließend trennten die Türsteher die Streitenden. Etwa 20 Minuten später lebte die Auseinandersetzung vor der Diskothek erneut auf; nach weiteren wechselseitigen Beleidigungen schlug nunmehr der Nebenkläger dem Angeklagten ins Gesicht. Auch dieses Mal trennten die Türsteher die Streitenden. Nachdem man sich kurzzeitig in unterschiedliche Richtungen entfernt hatte, setzte der Nebenkläger dem Angeklagten nach und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht; im Rahmen der sich anschließenden Rangelei blieb der Angeklagte der körperlich Unterlegene. Ein drittes Mal trennten die herbeigeeilten Türsteher die Streitenden. Der Angeklagte entfernte sich. Der Nebenkläger begab sich in Begleitung eines Freundes zu einem Taxistand, an dem sich eine Gruppe von „Nachtschwärmern“ ver- sammelt hatte.
7
Nach etwa 15 Minuten kam der Angeklagte plötzlich hinter einer Ecke hervor. Er lief unmittelbar auf den Nebenkläger zu und stach seinem nichts ahnenden Opfer sofort von seitlich hinten kommend in den Rücken. Mit den Wor- ten „Verreck‘, du Hurensohn“ rammte er ihm ein 22 cm langesdoppelklingiges Messer mit einer Klingenlänge von 11 cm derart heftig in den Rücken, dass die achte Rippe des Opfers durchtrennt wurde und die Klinge anschließend noch in die Lunge eindrang. Der Nebenkläger sackte auf dem Boden zusammen. Es entwickelten sich tumultartige Zustände; der Begleiter des Nebenklägers brachte den Angeklagten zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug beim Angeklagten maximal 1,58 ‰.
8
Der Nebenkläger erlitt einen Hämatopneumothorax; es bestand akute Lebensgefahr. Ohne eine sofort durchgeführte Notoperation wäre er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verstorben. Er leidet nach wie vor unter erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen.

B.


9
Die Revision des Angeklagten
10
I. Der Angeklagte hat mit seinem Revisionsangriff Erfolg, soweit er sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wendet.
11
1. Die Feststellungen des Landgerichts belegen die für die Annahme einer Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der - was nach all- gemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f., zu § 315 c StGB, und vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315 b StGB; vgl. weiter SSW-Ernemann, StGB, § 315 c Rn. 22 ff.).
12
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs das vom Angeklagten geführte fremde Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351), auch der Verkehrswert und die Höhe des Schadens an dem Begrenzungspfosten nicht festgestellt sind (vgl. OLG Stuttgart DAR 1974, 106, 107; OLG Jena OLGSt § 315 c StGB Nr. 16; zur maßgeblichen Wertgrenze s. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215), kommt es auf die Begegnung mit dem Kleinbus des V. an. Nach den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen Feststellungen des Landgerichts den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr nicht. Einen Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem "Beinahe-Unfall" gekommen wäre - also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, "das sei noch einmal gut gegangen" (Senat, Urteile vom 30. März 1995 und vom 4. September 1995, jew. aaO) -, hat das Schwurgericht nicht mit Tatsachen belegt. Dass sich beide Fahrzeuge beim Querverkehr in enger räumlicher Nähe zueinander befunden haben, genügt für sich allein nicht. Insbesondere ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass es dem Angeklagten und V. etwa nur auf Grund überdurchschnittlich guter Re- aktion sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einer sonst drohenden Kollision durch Ausweichen zu begegnen.
13
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs entzieht der hierwegen verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und den Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB die Grundlage.
14
3. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist „vollumfänglich“ der psychiatrischen Sachverständigen gefolgt, welche die negative Gefahrenprognose mit „seiner (des Angeklagten) offenkundigen sich steigernden Neigung zu körperlichen Übergriffen“ begründet hat.Im Rahmen der konkreten Strafzumessung teilt das Schwurgericht mit, dass es, nachdem der Angeklagte behauptet hatte, früherer Aggressionsdelikte bewusst wahrheitswidrig beschuldigt worden zu sein, „die Anträge der Verteidigung auf Sachverhaltsaufklärung aller vorheriger Verfahren zurückgewiesen“ und „lediglich die Warn- funktion der beiden Vorstrafen“ berücksichtigt hat. Danach findet die die Prog- nose tragende Erwägung in den getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
15
II. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
16
III. 1. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zunächst die Verkehrssituation, in der sich die beiden beteiligten Fahrzeuge bei ihrer Annäherung im Vorfallszeitpunkt befanden, näher aufzuklären haben. Auch wenn an die diesbezüglichen Feststellungen im Urteil keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Senat, Urteil vom 30. März 1995, aaO), wird sich der Tatrichter um nähere Ermittlung der von beiden Fahrzeugen im Vorfallszeitpunkt gefahrenen Geschwindigkeiten, ihrer Entfernung zueinander, zur Beschaffenheit des Straßenverlaufs und der Kreuzung sowie der am Vorfallsort bestehenden Ausweichmöglichkeiten zu bemühen und das Ergebnis in einer Weise im Urteil darzulegen haben, die dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglicht, ob eine - wie beschrieben - konkrete Gefahr im Sinne eines "Beinahe -Unfalls" bereits vorlag.
17
2. Der neue Tatrichter wird auch die Einwendungen der revisionsführenden Staatsanwaltschaft und des Generalbundesanwalts gegen die Unterbringungsanordnung zu berücksichtigen haben.

C.


18
Die Revision der Staatsanwaltschaft
19
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
20
I. Das Rechtsmittel ist zulässig.
21
1. Zwar hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) keinen Revisionsantrag gestellt. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt lediglich die bereits in ihrer Einlegungsschrift vorgebrachte allgemeine Sachrüge erhoben. Diese – auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV widersprechende – Verfahrensweise ist in dem hier gegebenen Einzelfall aber unschädlich. Freilich hat der Bundesgerichtshof wie- derholt Revisionen der Staatsanwaltschaft, die ohne Antragstellung lediglich mit der allgemeinen Sachrüge begründet waren, für unzulässig gehalten. Dies betraf jedoch Strafverfahren, in denen einem (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 – 5 StR 69/03, bei Becker NStZ-RR 2004, 228) oder mehreren Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 – 5 StR 336/02, NJW 2003, 839) eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt oder in denen der Angeklagte teilweise freigesprochen worden war und die Angriffsrichtung des Rechtsmittels bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist unklar blieb (BGH, Beschluss vom 5. November 2009 – 2 StR 324/09, NStZ-RR 2010, 288). So verhält es sich hier nicht: Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Urteils sind lediglich zwei Taten; in der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist daher die Erklärung der revisionsführenden Staatsanwaltschaft zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten werde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 344 Rn. 3 m.w.N.).
22
2. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 12. September 2011 einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt. Mit ihren Einzelausführungen hat sie sodann jedoch lediglich gerügt, dass das Landgericht in dem oben unter A. III. geschilderten Fall zu Unrecht den Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint hat; außerdem hat sie die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beanstandet. Dies ist als Teilrücknahme gemäß § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO zu werten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 und vom 6. Juli 2005 – 2 StR 131/05) und führt dazu, dass der Schuldspruch wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, die dieserhalb verhängte Einzelstrafe und die Maßnahmen nach §§ 69, 69 a StGB nicht (mehr) auf Revision der Staatsanwaltschaft zu überprüfen sind.
23
II. In dem vorgenannten Umfang erweist sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als begründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
24
1. Nach Auffassung des Schwurgerichts sprechen zwar nicht unerhebliche Gesichtspunkte für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz, nämlich insbesondere die erhebliche Wucht des von dem Ausspruch „Verreck‘, du Hurensohn“ begleiteten Messerstichs. Dagegenstehe indes die Tatsache, dass der Angeklagte lediglich einen Stich ausgeführt habe und darüber hinaus auch nicht unerheblich alkoholisiert gewesen sei. „Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Hemmschwellentheorie sieht die Kammer im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an.“
25
2. Diese Beweiserwägungen halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, m.w.N.) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das Landgericht meinte, dem Angeklagten nicht wenigstens bedingten Tötungsvorsatz nachweisen zu können, ist lückenhaft und teilweise widersprüchlich.
26
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 7 m.w.N.). Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und - weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt - einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Zwar können das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7; Schroth NStZ 1990, 324, 325) – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. BGH, Urteile vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f., vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 262, und vom 21. Dezember 2011 – 1StR 400/11) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet werden kann (BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; vgl. zusammenfassend zuletzt BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11 m.w.N.).
27
b) Diese Prüfung lässt das Landgericht vermissen. Seinen knappen Ausführungen kann der Senat schon nicht die erforderliche Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände entnehmen. Es wird darüber hinaus nicht erkennbar, ob das Schwurgericht bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder nur daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
28
aa) Soweit die Alkoholisierung des Angeklagten angesprochen wird, könnte dies für Zweifel des Landgerichts auch am Wissenselement sprechen. Abgesehen davon jedoch, dass eine maximale Alkoholkonzentration von 1,58 ‰ bei dem zur Tatzeit trinkgewohnten Angeklagten keinen Anhalt für solche Zweifel begründet, leidet das angefochtene Urteil an dieser Stelle – wie der Generalstaatsanwalt in Saarbrücken zu Recht geltend macht – an einem inneren Widerspruch: Während die Alkoholisierung bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes als „nicht unerheblich“ bezeichnet wird, geht das Schwurgericht im Zusammenhang mit § 64 StGB – in Übereinstimmung mit der gehörten Sachverständigen – von einer „lediglich geringe(n) Beeinträchtigung durch Alkohol“ aus. Auch bei der Prüfung verminderter Schuldfähigkeit gelangt das sachverständig beratene Landgericht „nicht zu der Annahme einer erheblichen Beeinflussung“ des Angeklagten. Es legt auch nicht dar, wieso die den Stich begleitende Bemerkung überhaupt Raum für Zweifel daran lässt, dass der Angeklagte, dem die Lebensgefährlichkeit des Messerstichs bewusst war (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB), die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs erkannt hat. Insgesamt ergeben sich aus den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, eine psychische Beeinträchtigung habe dem Angeklagten die Erkenntnis einer möglichen tödlichen Wirkung seines in den oberen Rückenbereich zielenden, in hohem Maße lebensgefährlichen Angriffs verstellt (vgl. zur Allgemeinkundigkeit dieses Umstands BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08 und zur Entbehrlichkeit medizinischen Detailwissens BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NStZ 2006, 444, 445).
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).
30
Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der Lebensgefährlichkeit des Messerstichs ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1990 – 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24) darauf vertraut haben könnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1991 – 2 StR 333/90, NStE Nr. 27 zu § 212 StGB, und vom 18. Oktober 2006 – 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151). Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht insbesondere das Unterlassen weiterer Angriffe nicht gegen die Billigung des Todes. Nach dem Messerstich sackte der – nach dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen konkret lebensbedrohlich verletzte – Nebenkläger zu Boden; es ist schon nicht festgestellt, ob der Angeklagte davon ausging, ihn bereits tödlich verletzt zu haben, so dass es aus seiner Sicht weiterer Stiche nicht bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Außerdem brachte der Begleiter des Nebenklägers den Angeklagten mit Gewalt zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest; auch brach infolge der Tat ein Tumult aus. Danach liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte überhaupt noch die Gelegenheit zu einem weiteren Messerstich auf sein am Boden liegendes Opfer hatte.
31
cc) Soweit das Landgericht sich ergänzend auf eine „Hemmschwellentheorie“ berufen hat, hat es deren Bedeutung für die Beweiswürdigung verkannt.
32
Es hat schon nicht mitgeteilt, was es darunter im Einzelnen versteht und in welchem Bezug eine solche „Theorie“ zu dem von ihm zu beurteilenden Fall stehen soll. Die bloße Erwähnung dieses Schlagworts wird vom Generalstaatsanwalt in Saarbrücken und vom Generalbundesanwalt daher mit Recht als „pauschal“ bzw. „formelhaft“ bezeichnet. Zwarhat auch der Bundesgerichtshof immer wieder auf die „für Tötungsdelikte deutlich höhere Hemmschwelle“ hin- gewiesen (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Juni 1994 – 4 StR 105/94, StV 1994, 654; abl. z.B. Brammsen JZ 1989, 71, 78; Fahl NStZ 1997, 392; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 212 Rn. 15 f.; Geppert Jura 2001, 55, 59; SSW-StGB/Momsen § 212 Rn. 12; Paeffgen, FS für Puppe, 791, 797 Fn. 25, 798 Fn. 30; NKStGB /Puppe, 3. Aufl., § 212 Rn. 97 ff.; Rissing-van Saan, FS für Geppert, 497, 505 f., 510; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, 4. Aufl., § 12 Rn. 79 ff.; MünchKommStGB /Schneider § 212 Rn. 48 f.; SK-StGB/Sinn § 212 Rn. 35; Trück NStZ 2005, 233, 234 f.; Verrel NStZ 2004, 233 ff.; vgl. auch Altvater NStZ 2005, 22, 23), allerdings auch gemeint, in Fällen des Unterlassens bestünden „generell keine psychologisch vergleichbaren Hemmschwellen vor einem Tötungs- vorsatz“ (BGH,Urteil vom 7. November 1991 – 4 StR 451/91, NJW 1992, 583, 584; dazu Puppe NStZ 1992, 576, 577: „Anfang vom Ende der Hemm- schwellentheorie“).Für Fälle des positiven Tuns hat er an das Postulat einer Hemmschwelle anknüpfend weiter ausgeführt, dass selbst die offen zutage tretende Lebensgefährlichkeit zugefügter Verletzungen ein zwar gewichtiges Indiz, nicht aber einen zwingenden Beweisgrund für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters bedeute, der Tatrichter vielmehr gehalten sei, in seine Beweiserwägungen alle Umstände einzubeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 569/97, NStZ-RR 1998, 101, vom 8. Mai 2001 – 1 StR 137/01, NStZ 2001, 475, 476, und vom 2. Februar 2010 – 3 StR 558/09, NStZ 2010, 511, 512);sachlich vergleichbar fordern andere Entscheidungen vom Tatrichter, immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen , dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut habe, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten (BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 – 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91, und vom 22. April 2009 – 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503; Urteil vom 25. März 2010 – 4 StR 594/09 m.w.N.). Wieder andere Entscheidungen verlangen „eine eingehende Prüfung anhand aller Umstände des Einzelfalles“ (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 477/00, StV 2001, 572; ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 27. November 1975 – 4 StR 637/75, VRS 50, 94, 95).
33
An den rechtlichen Anforderungen ändert sich indessen nichts, wenn die zur Annahme oder Verneinung bedingten Tötungsvorsatzes führende Beweiswürdigung ohne Rückgriff auf das Postulat einer Hemmschwelle überprüft wird (BGH, Urteile vom 3. Juli 1986 – 4 StR 258/86, NStZ 1986, 549, 550, und vom 7. August 1986 – 4 StR 308/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3 [jeweils: sorgfältige Prüfung], sowie vom 11. Dezember 2001 – 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541, 542 [Ausführungen zu einer Hemmschwelle bei stark alkoholisiertem Täter ohne Motiv nicht geboten]; ebenso für Fälle affektiv erregter, alkoholisierter , ohne Motiv, spontan oder unüberlegt handelnder Täter BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 1986 – 4 StR 563/86, StV 1987, 92, vom 7. Juli 1999 – 2 StR 177/99, NStZ 1999, 507, 508,und vom 7. November 2002 – 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51; Urteil vom 14. November 2001 – 3 StR 276/01; Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 4 StR 385/03, NStZ 2004, 329, 330; Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 465/04; Beschluss vom 20. September2005 – 3StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 30. August 2006 – 2 StR 198/06, NStZ-RR 2007, 43, 44 [zusätzlich gruppendynamischer Prozess], vom 18. Januar 2007 – 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142, und vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 3 StR 398/11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369).
34
Im Verständnis des Bundesgerichtshofs erschöpft sich die „Hemmschwellentheorie“ somit in einem Hinweis auf § 261 StPO (BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 615/83, StV 1984, 187, Beschluss vom 27. Juni 1986 – 2 StR 312/86, StV 1986, 421, Urteile vom 22. November 2001 – 1 StR 369/01, NStZ 2002, 314, 315, vom 23. April 2003 – 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604, und vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, NStZ 2009, 210, 211: jeweils sorgfältige Prüfung; vgl. weiter BGH, Urteil vom 25. November 1987 – 3 StR 449/87, NStZ 1988, 175; Beschlüsse vom 19. Juli 1994 – 4 StR 348/94, NStZ 1994, 585, und vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339; Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 StR 531/10, NStZ 2011, 210, 211; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 48: „prozessuale Selbstver- ständlichkeit“).Der Bundesgerichtshof hat demgemäß immer wieder hervorgehoben , dass durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensge- fährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges auf Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 – 3 StR 493/90) in der praktischen Rechtsanwendung nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle (BGH, Urteile vom 24. März 1993 – 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, vom 12. Januar 1994 – 3 StR 636/93, NStE Nr. 33 zu § 212 StGB, vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51, und vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372), auch nicht bei Taten zum Nachteil des eigenen Kindes (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 92/07, NStZ-RR 2007, 304, 305). Zur Verneinung des voluntativen Vorsatzelements bedarf es vielmehr in jedem Einzelfall tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass der Täter ernsthaft darauf vertraut haben könnte, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen (BGH, Urteile vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04, vom 9. August 2005 – 5 StR 352/04, NStZ 2006, 98, 99, vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640, und vom 16. Oktober 2008 aaO; Trück aaO S. 239 f.). Daran fehlt es hier (vgl. vorstehend unter bb).
35
Der Hinweis des Landgerichts auf eine „Hemmschwellentheorie“ entbehrt somit jedes argumentativen Gewichts. Im Übrigen hätte das Schwurgericht sich – von seinem Standpunkt aus – damit auseinander setzen müssen, dass schon der festgestellte Handlungsablauf, nämlich das wuchtige und zielgerichtete Stechen eines Messers aus schnellem Lauf in den Rücken eines ahnungslosen Opfers, das Überwinden einer etwa vorhandenen Hemmschwelle voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08). Auch ist eine erhebliche Alkoholisierung (oder ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses) nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, eine etwa vorhandene Hemmschwelle auch für äußerst gefährliche Gewalthandlungen herabzusetzen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ- RR 2010, 214, 215; NK-StGB/Puppe, 3. Aufl., § 15 Rn. 93; Rissing-van Saan, aaO, S. 515; Roxin, aaO, Rn. 81; MünchKommStGB/Schneider § 212 Rn. 50; Trück aaO S. 238; Verrel aaO S. 311).
36
dd) Nach alledem kann der Senat offen lassen, ob die zusammenfassende Bemerkung des Landgerichts, es sehe „einen Tötungsvorsatz als nicht mit letzter Sicherheit erwiesen an“, nicht auf eine Überspannung der Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung hindeutet. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob hier nicht – etwa im Blick auf die den Messerstich begleitende Äußerung des Angeklagten – die Annahme direkten Tötungsvorsatzes näher liegt.
37
3. Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch wegen der Tat zum Nachteil des Nebenklägers. Nach den bisherigen Feststellungen liegt die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch nicht nahe (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2010 – 2 StR 536/10, NStZ 2011, 209).
38
III. Der aufgezeigte Mangel zwingt zur Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung , weil ein versuchtes Tötungsdelikt hierzu in Tateinheit stünde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, NStZ 1997, 276; Beschluss vom 27. Juni 2000 – 4 StR 211/00). Dies entzieht der hierwegen verhängten Einzelfreiheitsstrafe , der Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst teilweisem Vorwegvollzug der Gesamtstrafe die Grundlage.
39
IV. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs zum Tötungsvorsatz ab. Er legt ihr vielmehr die sog. Hemmschwellentheorie in dem in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Verständnis zu Grunde (vgl. oben C. II. 2. b) cc).
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 399/17
vom
1. März 2018
BGHSt: ja zu I und II
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz
bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr.
BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 – LG Berlin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010317U4STR399.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1. Februar 2018 in der Sitzung am 1. März 2018, an denen teilgenommen haben :
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – und Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers M. W. ,
der Nebenkläger M. W. in Person – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers P. W. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Führerscheine eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihnen lebenslang keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhren die Angeklagten in der Nacht zum 1. Februar 2016 gegen 0.30 Uhr mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin in derselben Richtung. Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. war die Nebenklägerin K. . An der Kreuzung am Adenauerplatz kamen sie bei rotem Ampelsignal nebeneinander zum Stehen.
3
Der Angeklagte H. , der die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wahrnahm, signalisierte durch laute Motorgeräusche, dass er zu einer Wettfahrt bereit sei. Die Angeklagten unterhielten sich kurz und verabredeten durch Gesten und das Spiel mit dem Gaspedal spontan ein Autorennen entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße. Ziel sollte ein Kaufhaus an der Ecke Tauentzienstraße und Nürnberger Straße sein, wobei die An- geklagten bis dorthin elf ampelgeregelte Kreuzungen zu überqueren und eine Strecke von zweieinhalb Kilometern zurückzulegen hatten.
4
Der Angeklagte H. fuhr daraufhin „unter Missachtung roter Ampeln“ mit stark überhöhter Geschwindigkeit los, um möglichst schnell und vor dem Angeklagten N. das Ziel zu erreichen. Der Angeklagte N. nahm, nachdem er zunächst noch an zwei roten Ampeln angehalten hatte, unter deut- licher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und ebenfalls „unter Überfahren von roten Ampeln“ die Verfolgung auf, um vor dem Angeklagten H. das Ziel zu erreichen. Er holte den Angeklagten H. spätestens in Höhe der U-Bahn-Station Uhlandstraße ein. Zwei Fußgängerinnen, die sich auf einer dort gelegenen Mittelinsel des Kurfürstendamms befanden und gerade die Fahrbahn queren wollten, sprangen hinter das Geländer des U-Bahn-Eingangs zurück, um nicht von den Fahrzeugen der Angeklagten erfasst zu werden.
5
Beide Fahrzeuge hatten zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h erreicht. Die Kurve am Breitscheidplatz befuhren die Angeklagten im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Die in der Kurve an der Kreuzung Tauentzienstraße und Rankestraße liegende Lichtzeichenanlage überfuhren beide bei rotem Ampelsignal.
6
Am Kurvenausgang beschleunigte der Angeklagte H. sein Fahrzeug, um den nun vor ihm fahrenden Angeklagten N. wieder einzuholen, und erreichte hierbei eine Geschwindigkeit von 100 bis 150 km/h. Der Angeklagte N. fuhr auf der linken, der Angeklagte H. auf der rechten der beiden für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Fahrspuren auf die für sie Rotlicht zeigende Ampel an der Kreuzung Tauentzienstraße und Nürnberger Straße zu.
Beide Angeklagten fuhren bei rotem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich ein, der Angeklagte N. mit einem Vorsprung von wenigen Metern und einer Geschwindigkeit von 139 bis 149 km/h, der Angeklagte H. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 bis 170 km/h.
7
„Spätestens jetzt“ war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürn- berger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision nicht nur verletzt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Nebenklägerin K. als Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. – war ihnen gleichgültig; sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältiger Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.
8
In der Kreuzung kollidierte der Angeklagte H. – „absolut unfähig noch zu reagieren“ – mitdem Fahrzeug des Geschädigten W. , der aus der Nürnberger Straße in Fahrtrichtung der Angeklagten von rechts kommend regelkonform bei grünem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Das von dem Angeklagten H. gesteuerte Fahrzeug drehte sich nach links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden Pkw des Mitangeklagten , bevor es mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gegen eine Hochbeeteinfassung stieß. Auch das von dem Angeklagten N. gesteuerte Fahrzeug kollidierte frontal mit einer Hochbeeteinfassung.
9
Der Geschädigte W. , dessen Fahrzeug durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert worden war, zog sich schwere Verletzungen zu und verstarb noch am Unfallort. Die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wurde erheblich verletzt. Der Kopf einer Fußgängerin wurde von vorbeifliegenden Fahrzeugteilen nur um wenige Zentimeter verfehlt. Die Angeklagten wurden leicht verletzt.
10
2. Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Angeklagten – jeweils als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) – wie folgt strafbar gemacht haben: bezüglich des Geschädigten W. wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 2 StGB); bezüglich der Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB); zudem wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Nichtbeachtung der Vorfahrt und durch zu schnelles Fahren an einer Kreuzung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) und d) StGB.

II.


11
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr bedarf. Das Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.
12
1. Bereits die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
13
Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach § 16 Abs. 1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59; Beschluss vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 15 Rn. 3; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 5). Fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1997 – 2 StR 550/96, BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, aaO; Beschlüsse vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, aaO; vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3). Aus der Notwendigkeit , dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt. Dass dies auf die Tat der Angeklagten zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Im Gegenteil:
14
Das Landgericht hat einen bedingten Tötungsvorsatz erst – wie sich aus der Wendung „Spätestens jetzt (…)“ aufUA 25 ergibt – für den Zeitpunkt festgestellt , als die Angeklagten bei Rotlicht zeigender Ampel in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße einfuhren. Aus dieser Feststellung , die auch an anderer Stelle des Urteils keine Modifizierung findet, vielmehr mehrfach bestätigt wird (etwa auf UA 60), folgt zugleich, dass sich das Landgericht nicht die Überzeugung verschafft hat, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannten und billigend in Kauf nah- men. Hatten die Angeklagten indes den Tötungsvorsatz erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich gefasst, könnte ihre Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts nach den dargestellten Grundsätzen nur dann Bestand haben, wenn sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Handlung vornahmen, die für den tödlichen Unfall ursächlich war, oder eine gebotene Handlung unterließen, bei deren Vornahme der Unfall vermieden worden wäre.
15
Feststellungen zu einem solchen unfallursächlichen Verhalten, das vom Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen war, hat das Landgericht nicht getroffen. Vielmehr hat es sowohl bei der Darstellung des Sachverhalts als auch an weiteren Stellen des Urteils ausgeführt, dass die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich bereits keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kollision mehr besaßen: So hat es etwa bezüglich des AngeklagtenH. festgestellt, er sei zu diesem Zeitpunkt „absolut unfähig“ gewesen, „noch zu reagieren“ (UA 26). Auch an anderer Stelle des Urteils hat es darauf verwiesen, „die Angeklagten [hätten] sich durch ihr Verhalten, insbesondere ihre Geschwindigkeit, jeglicher Reaktionsmöglichkeit beraubt“ (UA 58) und „bei Einfahrt in den Kreuzungsbereich“ sei „ein Vermeidungsverhalten (…) auch objektiv nicht mehr möglich“ gewesen (UA 60).Die für den Unfall maßgeblichen Umstände, insbesondere die bereits erreichte Kollisionsgeschwindigkeit sowie das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roten Ampelsignals, lagen danach bereits vor bzw. waren unumkehrbar in Gang gesetzt, als die Angeklagten – nach den Feststellungen – den Tötungsvorsatz fassten. Ein unfallursächliches Verhalten der Angeklagten , das zeitlich mit der Fassung des Tötungsvorsatzes zusammenfiel oder nachfolgte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Tötungsvorsatz ab einem Zeitpunkt vorlag, als die tödliche Kollision bereits nicht mehr zu verhindern war, ist für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts rechtlich bedeutungslos.
16
2. Zudem halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, juris Rn. 10; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13, juris Rn. 19) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rechtsprechung bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38; vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 279; vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 215; vom 30. April 2014 – 2 StR 383/13, StV 2015, 300, 301; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 63).
18
b) Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, aaO; vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, aaO; vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25,

26).


19
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO, 186 f.). Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, aaO, 80; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243; Beschluss vom 26. April 2016 – 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – 2 StR 311/86, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 1 – Willenselement; Beschluss vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446). Dabei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Beschlüsse vom 10. Juli 2007 – 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35).
20
c) Diesen Anforderungen werden die Beweiserwägungen der Strafkammer nicht gerecht, da sich das angefochtene Urteil mit einem wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat.
21
aa) In Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des Täters – wie hier – ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00, NStZ 2000, 583, 584; vom 20. Dezember 1968 – 4 StR 489/68, VerkMitt 1969, Nr. 44). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl. BayObLG, NJW 1955, 1448, 1449 für den alkoholisierten Autofahrer; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 12 Rn. 23 ff.; ders., FS Rudolphi, 2004, 243, 255; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 219; Jäger, JA 2017, 786, 788; Walter, NJW 2017, 1350 f.). Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. So kann es sich etwa unterschiedlich auf das Vorstellungsbild des Täters zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.
22
bb) Bei ihrer Würdigung des Geschehens hat die Strafkammer dem Gesichtspunkt einer möglichen unfallbedingten Eigengefährdung bereits im Ansatz jegliches Gewicht abgesprochen, indem sie davon ausgegangen ist, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt hätten.
23
(1) Das Landgericht hat die Annahme eines solchen Sicherheitsgefühls der Angeklagten jedoch bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet, da es hierbei rechtsfehlerhaft maßgeblich auf einen nicht existierenden Erfahrungssatz zurückgegriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1954 – 5 StR 416/54, BGHSt 7, 82, 83; Beschluss vom 8. September 1999 – 2 StR 369/99, BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 6; Meyer-Goßner/Schmitt, 60. Aufl., § 337 Rn. 31).
24
Das angefochtene Urteil geht von der Hypothese aus, dass mit den Angeklagten vergleichbare Verkehrsteilnehmer regelmäßig kein Eigenrisiko in Rechnung stellten. Hierzu wird ausgeführt, dass „sportlich genutzte Fahrzeuge der in Rede stehenden Art“ ein „besonderes Gefühl der Sicherheit“ vermittelten; „die Fahrer solcher Fahrzeuge“ fühlten sich in ihren „tonnenschweren, stark be- schleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg“ und blendeten „jegliches Risiko für sich selbst“ aus. Einen Erfahrungssatz, nach dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kraftfahrzeug grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrt- heit ausblendet, gibt es indes nicht. Ein entsprechendes Vorstellungsbild ist konkret auf die Angeklagten bezogen zudem nicht belegt. Gerade angesichts der vorliegend objektiv drohenden Unfallszenarien – Kollisionen an einer innerstädtischen Kreuzung mit anderen Pkw oder, wie die Urteilsgründe mitteilen, sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160 km/h – versteht sich dies auch nicht von selbst.
25
(2) Zudem liegen dem angefochtenen Urteil widersprüchliche Annahmen bezüglich der durch die Angeklagten vorgenommenen Gefahreinschätzung zugrunde. Während die Strafkammer einerseits davon ausgeht, dass die Angeklagten sich selbst in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt und keinerlei Eigenrisiko in Rechnung gestellt hätten, hat sie andererseits ausgeführt, dass beide Angeklagten mit dem Vorsatz bezüglich einer Körperverletzung der Nebenklägerin K. , und zwar einer solchen mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB), gehandelt bzw. sogar „in Kauf“ genommen hätten, dass sie „tödliche Verletzungen erleiden könnte“ (UA 72). Da sich die Nebenklägerin bei der Tatbegehung auf dem Beifahrersitz neben dem Angeklagten N. befand, hat das Landgericht bezüglich der Insassen desselben Fahrzeuginnenraums zwei einander widersprechende Gefahreinschätzungen vorgenommen. Die – nichtnaheliegende – Annahme, die Angeklagten hätten ihre eigene Gefährdung und die der Nebenklägerin unterschiedlich bewertet, wird von der Strafkammer nicht erläutert.
26
3. Was den Angeklagten N. betrifft, könnte das Urteil im Übrigen schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, auf die das Landgericht die Annahme stützt, der Angeklagte N. habe sich des mittäterschaftlich begangenen Mordes schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Die vom Landgericht vorgenommene Prüfung mittäterschaftlichen Verhaltens greift zu kurz, da die gebotene tatbestandsbezogene Prüfung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung – die hier auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gerichtet sein musste – unterblieben ist.
27
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 4. April 2017 – 3 StR 451/16, juris Rn. 7). Der gemeinsame Tatplan muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, vielmehr genügt eine konkludente Übereinkunft; diese kann auch – in Erweiterung des ursprünglichen Tatplans – im Rahmen arbeitsteiliger Tatausführung getroffen werden (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ-RR 2012, 77, 78; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292; vom 9. März 1994 – 3 StR 711/93, NStZ 1994, 394; Beschluss vom 18. Mai 1995 – 5 StR 139/95, BGHSt 41, 149, 151). Bezugspunkt des Tatentschlusses bzw. des Tatplans ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB jedoch stets die Straftat. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.
28
b) Vorliegend fehlt es bereits an der Feststellung eines durch die Angeklagten gefassten gemeinsamen Tatentschlusses, der eine bedingt vorsätzliche Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers umfasste. Festgestellt und belegt hat die Strafkammer lediglich, dass sich die Angeklagten bei ihrem Zusammen- treffen am Adenauerplatz auf „die Durchführung eines spontanen Autorennens geeinigt“ (UA 47) haben. Ferner hat das Landgericht darauf verwiesen, der An- geklagte N. habe durch sein Fahrverhalten bei stetig steigender Geschwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Angeklagten H. „ein gemeinsames Rennen fahren und sich auf ein Kräftemessen ein- lassen“ wollte (UA 49).Aus diesen Ausführungen lässt sich indes lediglich die Verabredung und gemeinsame Durchführung eines illegalen Straßenrennens entnehmen. Weder für den Zeitpunkt der Rennverabredung noch für den nachfolgenden Rennverlauf hat das Landgericht eine – zumindest konkludente – Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses festgestellt und belegt. Viel- mehr hat es insoweit nur darauf verwiesen, dass „ein Kräftemessen mittels eines Autorennens/Stechens naturgemäß ein von einer gemeinsamen Tatherrschaft getragenes Verhalten“ (UA 49) darstellt. Die erforderliche Anknüpfung dieser Erwägungen an ein vorsätzliches Tötungsdelikt findet sich im Rahmen der Prüfung der Mittäterschaft nicht. Dass die Angeklagten den Entschluss gefasst hätten, einen anderen durch gemeinschaftliches Verhalten zu töten, lässt sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen.

III.


29
1. Die Ausführungen der Revisionsführer zu dem vom Landgericht eingeholten verkehrspsychologischen Gutachten geben Anlass zu folgenden Bemerkungen :
30
Die Feststellung, ob ein Angeklagter vorsätzlich gehandelt hat, ist Tatfrage und obliegt allein dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember2015 – 4 StR 367/15, NStZ 2016, 668, 669 f.; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 583; vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 15 Rn. 63). Diese Prüfung hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen und lässt eine generalisierende Betrachtung – etwa in Gestalt von Rechts- oder Erfahrungssätzen, denen zufolge bei einem bestimmten Personenkreis oder einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich eine vorsätzliche Tatbegehung zu bejahen oder zu verneinen sei – nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 367/15, aaO, 669 f.; Beschlüsse vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446; vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369, 370; LK-StGB/Vogel, aaO, § 15 Rn. 67; vgl. auch zur geringen Bedeutung allgemeiner statistischer Aussagen im Rahmen von Prognoseentscheidungen BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720, 722; vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204). Dies gilt auch für den im angefochtenen Urteil und seitens der Revisionen in Bezug genommenen Personenkreis der „Raser“ bzw. „die Angehörigen der Raserszene“ ; auch dieser Personenkreis ist im Hinblick auf die Frage des Vorlie- gens oder auch des Fehlens eines (Tötungs-)Vorsatzes einer kategorialen Zuordnung über den Einzelfall hinaus nicht zugänglich.
31
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gelangen, gilt mit Blick auf mögliche Mordmerkmale das Folgende :
32
a) Bezüglich des Mordmerkmals der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels wird eine konsistente Gesamtbewertung der subjektiven Tatseite vorzunehmen sein. Soweit in dem angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit dem Tötungsvorsatz ausgeführt wird, mögliche Gedanken der Angeklagten an die Zerstörung der eigenen Fahrzeuge seien im „Adrenalinrausch“ und im „Kick“ des Rennens „untergegangen“, zugleich aber angenommen wird, die Angeklag- ten hätten die Tötung von Personen durch umherfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge – also auch des eigenen Fahrzeugs – billigend in Kauf genommen, lässt sich dies nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang bringen.
33
b) Gegebenenfalls wird auch das Mordmerkmal der Heimtücke zu erörtern sein, wobei allerdings das hierfür erforderliche Ausnutzungsbewusstsein einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393; vom 11. November 1986 – 1 StR 367/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; vom 30. Januar 1990 – 1 StR 688/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; und vom 25. Oktober 1984 – 4 StR 615/84, NStZ 1985, 216).
34
3. Der Senat weist darauf hin, dass sich das gesamteRenngeschehen – entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA 65) – als eine prozessuale Tat darstellt.
35
4. Hinsichtlich der Vorbelastung der Angeklagten mit straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten wird der neue Tatrichter gegebenenfalls Gelegenheit haben, sich mit einer möglichen Tilgungsreife und einer daraus folgenden Unverwertbarkeit einzelner Registereintragungen auseinanderzusetzen. Dabei sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit im Urteil so festzustellen, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, NJW 1993, 3081, 3084; MüKo-StVR/Koehl, § 29 StVG Rn. 5).
36
5. Bei der Bemessung einer möglichen Sperrfrist nach § 69a StGB sind auch die Dauer und die Wirkungen des Strafvollzugs infolge einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, NStZ-RR 1997, 331, 332).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 5 4 / 1 4
vom
26. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. November
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem besonders schweren Raub, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahl" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und hiervon vier Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Ende Juli 2004 planten der Angeklagte, sein Landsmann K. , mit dem er bereits 1999 einen bewaffneten Überfall begangen hatte, und zwei weitere Personen, in ein Privathaus zweier "älterer Leute" einzubrechen. Sie vermuteten dort einen Tresor mit Bargeld in Höhe von 200.000 € bis 300.000 € und andere Wertgegenstände.Für den Fall, dass der Tresor nicht aufzufinden sei oder sich nicht öffnen oder abtransportieren ließe, beschlossen sie, "die Rückkehr der Eigentümer abzuwarten und diese anschließend unter Vorhalt einer Schusswaffe dazu zu zwingen, das Versteck des Tresors preiszugeben und den Tresor zu öffnen" (UA S. 10).
4
Entsprechend diesem Tatplan drangen zunächst K. und ein weiterer Mittäter in das Haus ein, indem sie die Glastüren des Hauses aufhebelten. Der Angeklagte hatte sich - wie zuvor verabredet - unter einem neben dem Hauseingang geparkten Wohnwagen versteckt, "um dort 'Schmiere' zu 'liegen'" (UA S. 11); der vierte Tatbeteiligte hatte sich ebenfalls in der Nähe des Hauses postiert.
5
Die beiden Mittäter im Haus steckten tatplangemäß zunächst Schmuck, Uhren und Bargeld im Werte von etwa 100.000 € in eine mitgebrachte Reiseta- sche ein. Da sich der Tresor, den sie im Haus fanden, nicht öffnen ließ, beschloss K. , auf die Rückkehr der Eigentümer zu warten. Hierüber informierte er per Mobiltelefon den Angeklagten, und forderte ihn auf, "sich ebenfalls in das Gebäude zu begeben und ihnen bei der weiteren Tatausführung behilflich zu sein" (UA S. 12). Obwohl lediglich verabredet war, dass der Angeklagte nur "Schmiere stehen" sollte, leistete er dieser Anweisung Folge.
6
Der Angeklagte erhielt sodann von K. ein Paar mitgebrachte Handschuhe und eine Karnevalsmaske mit Clownsgesicht, die er sich überzog. Ein massives, schweres Hackbeil, das der Angeklagte in der Küche vorgefunden hatte, wollte er als Drohmittel verwenden. K. maskierte sich mit einer Sturmhaube und holte seine ungeladene Pistole hervor. Beide postierten sich im Erdgeschoss des Hauses am Eingangsbereich, nachdem ihnen von einem weiteren Mittäter die Ankunft der Hauseigentümer angekündigt worden war.
7
Die Hauseigentümer, die zur Tatzeit 62jährige Zeugin F. und der 72jährige Zeuge N. , fuhren mit ihrem Pkw zunächst in die Garage des Anwesens. Als Frau F. von dort die Wohnung betrat, sah sie sich dem mit der Clownsmaske maskierten Angeklagten, der das Hackbeil in der erhobenen Hand drohend in ihre Richtung hielt, und dem ebenfalls maskierten Mittäter K. gegenüber, der die Pistole auf sie gerichtet hatte. Sie schrie laut "Hilfe , Überfall" und rannte - immer weiter schreiend - in die Garage zurück. K. , der mit einem solchen Verhalten der älteren Geschädigten nicht gerechnet hatte, "hielt das geplante weitere Vorhaben zunächst nicht mehr für durchführbar" (UA S. 13). Dem Angeklagten rief er deshalb auf Polnisch zu, er solle abhauen; dieses missverstand der Angeklagte und glaubte, K. "habe ihm befohlen, er solle 'zuhauen'" (UA S. 13). Der Angeklagte vermutete, K. wolle ihn testen, ob er auch zu bedeutenderen Tatbeiträgen "taugte".
8
Um K. "seine Gefolgschaft zu beweisen", rannte der Angeklagte hinter der Geschädigten F. in die Garage, warf dort das Hackbeil weg, packte die Zeugin F. mit beiden Händen am Arm und schleuderte sie mehrere Meter weit von sich weg auf den Boden. Der Angeklagte wollte die Geschädigte hierdurch davon abhalten, weiter so laut zu schreien und sie zugleich gefügig machen, um mit ihrer Hilfe an den Inhalt des Tresors zu gelangen.
9
Der Zeuge N. , der seine Lebensgefährtin am Boden liegen sah und ihr deswegen zur Hilfe kommen wollte, griff den auch ihm körperlich überlegenen Angeklagten von hinten an, und schlug ihm mit einem Besen auf den Kopf. Der Angeklagte, der dadurch eine blutende und schmerzende Platzwunde erlitt, geriet in Rage "und verspürte eine gewisse Panik" (UA S. 13). Er schlug N. den Besen aus der Hand und brachte ihn "mit einem oder mehreren Faustschlägen zu Boden". Sodann trat er noch mehrfach seitlich gegen das Gesicht des Geschädigten. "Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte das ursprüngli- che Ziel seiner Gewaltanwendung, nämlich die Geschädigten zum Zwecke der Öffnung des Tresors lediglich gefügig zu machen, aus den Augen verloren und betrachtete die Angelegenheit als einen Kampf, bei dem es darum ging, seine Widersacher dauerhaft zu besiegen und sie um jeden Preis zum Schweigen zu bringen" (UA S. 13 f.).
10
Als die Geschädigte F. ihren Lebensgefährten blutend auf dem Boden liegen sah, stand sie auf und "ging nun ihrerseits mit dem zwischenzeitlich abgebrochenen Besenstiel auf den Angeklagten los, um ihn von weiteren Ge- walttätigkeiten […] abzuhalten. Daraufhin packte der Angeklagte die Zeugin F. an den Haaren, riss sie zu Boden und schlug dort ihren Kopf, den er mit einer Hand an den Haaren festhielt, vier Mal wuchtig mit der Stirn gegen den Betonboden der Garage. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch diese Behandlung lebensgefährliche Verletzungen im Kopfbereich erlitt , die auch zu ihrem Tode führen konnten" (UA S. 14). Der Angeklagte hörte nach dem vierten Schlag mit weiteren Schlägen auf, weil die Geschädigte, die zuvor immer weiter geschrien hatte, keinen Ton mehr von sich gab. Der sich tot stellenden Geschädigten verpasste der Angeklagte noch einen Tritt; der Zeuge N. erhielt ebenfalls noch einen Tritt gegen den Kopf und die Füße.
11
Als die Nachbarn, durch das laute Schreien der Geschädigten F. auf den Vorfall aufmerksam gemacht, an der Haustür klingelten, floh der Angeklagte.
12
Die Geschädigte F. hat durch die Tat eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion, ein Mandelhämaton an der rechten Stirn und Prellungen am ganzen Körper erlitten. Dass die Geschädigte keinerlei knöcherne Verletzungen am Schädel erlitten hat, beruhe auf "purem Zufall" (UA S. 22). Die Verletzungen sind bis auf eine sichtbare Beule folgenlos verheilt.
13
b) Der Angeklagte hat die Tat in der Hauptverhandlung im Wesentlichen eingeräumt. Abweichend von den Feststellungen hat er sich allerdings u.a. dahin eingelassen, die Geschädigte nicht vier bis fünf Mal auf den Boden sondern zwei bis drei Mal mit der Faust geschlagen und dann getreten zu haben. Er sei auch gar nicht fähig dazu, eine Frau so zu packen und "so etwas" zu machen. Er habe früher geboxt und wisse daher, was passiere, wenn man "so etwas" mache. "Wenn er das tatsächlich getan hätte und den Kopf der Frau sechs Mal mit seiner Kraft geschlagen hätte, wäre sie wohl nicht mehr da" (UA S. 20).
14
Das Landgericht hat die von den Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und ist den Angaben der Geschädigten gefolgt.
15
c) Zum bedingten Tötungsvorsatz hat die Schwurgerichtskammer ausgeführt , dass es sich beim viermaligen Schlagen des Kopfes der Geschädigten F. auf den Betonboden um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung handelte und der Angeklagte sich der Gefährlichkeit einer solchen Handlungsweise grundsätzlich auch bewusst war. Dieses habe er "im Rahmen seiner Einlassung in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt, indem er angegeben hat, er wisse genau, was passieren könne, wenn man 'so etwas mache', denn er habe ja schließlich früher geboxt" (UA S. 22).
16
2. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13, NStZ-RR 2013, 341, 342; Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
18
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
19
aa) Das Landgericht hat die Behauptung des Angeklagten, er wisse als ehemaliger Boxer, was passiere, wenn man "so etwas mache", allein als Begründung für das Vorliegen des kognitiven Elements des bedingten Tötungsvorsatzes herangezogen. Die Strafkammer hat indes insgesamt die von den getroffenen Feststellungen abweichende Einlassung des Angeklagten als widerlegt erachtet. Eine für widerlegt erachtete - entlastende - Behauptung des Angeklagten kann aber nicht ohne Weiteres ein Belastungsindiz abgeben (vgl. Senat, Urteil vom 6. Februar 1987 - 2 StR 630/86, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 5 und Urteil vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95, BGHSt 41, 153, 154 f.; BGH, Beschluss vom 5. Januar 2000 - 3 StR 560/99, StV 2001, 439, jeweils mwN).
20
bb) Es fehlt zudem an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35, jeweils mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter den Kopf des Geschädigten mehrfach auf einen harten Boden schlägt (vgl. BGH, Be- schluss vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 533/11). Indes wird schon die Bewertung des Landgerichts, hier liege eine äußerst gefährliche Gewalthandlung vor, von den Feststellungen nicht getragen. Dabei hat das Landgericht bereits den gegenläufigen indiziellen Umstand, dass die Geschädigte F. tatsächlich keine erheblichen Verletzungen erlitten hat, nicht hinreichend in die Bewertung eingestellt. Die Begründung der Schwurgerichtskammer, das Ausbleiben erheblicher Verletzungen beruhe auf "purem Zufall", lässt zudem die allein zu seinen Lasten gewertete Behauptung des Angeklagten (s. o. unter lit. aa) außer Acht, als ehemaliger Boxer sein Handeln dosieren zu können.
21
Schließlich ist der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; Senat, Beschluss vom 27. August 2013 - 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Dementsprechend hätte das Landgericht den Umstand, dass es sich innerhalb des dynamischen Geschehens um eine "spontane Handlung" (UA S. 37) des "in Rage" befindlichen Angeklagten gehandelt hat, bereits bei der Prüfung des kognitiven Vorsatzelements (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 212 Rdn. 12) in den Blick nehmen müssen.
22
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
23
Für den Fall, dass die neu zur Entscheidung berufene Schwurgerichtskammer (erneut) zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen sollte , wird sie sich - eingehender als bislang geschehen - damit auseinanderzu- setzen haben, ob der Angeklagte strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten ist. Den bisherigen Feststellungen ist bereits das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung (sog. Rücktrittshorizont), wonach sich u.a. auch die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 2 StR 64/13, NStZ-RR 2014, 111, jeweils mwN), nicht ausreichend konkret zu entnehmen; soweit den bisherigen Feststellungen zu entnehmen sein könnte (UA S. 28), der Angeklagte sei davon ausgegangen, die Geschädigte lebensgefährlich verletzt zu haben, wäre dieses im Übrigen nicht ausreichend belegt.
24
Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen - tateinheitlichem - versuchten besonders schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Wohnungseinbruchsdiebstahls kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 353 Rdn. 12). Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Krehl ist an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 399/17
vom
1. März 2018
BGHSt: ja zu I und II
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz
bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr.
BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 – LG Berlin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010317U4STR399.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1. Februar 2018 in der Sitzung am 1. März 2018, an denen teilgenommen haben :
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – und Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers M. W. ,
der Nebenkläger M. W. in Person – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers P. W. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Führerscheine eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihnen lebenslang keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhren die Angeklagten in der Nacht zum 1. Februar 2016 gegen 0.30 Uhr mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin in derselben Richtung. Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. war die Nebenklägerin K. . An der Kreuzung am Adenauerplatz kamen sie bei rotem Ampelsignal nebeneinander zum Stehen.
3
Der Angeklagte H. , der die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wahrnahm, signalisierte durch laute Motorgeräusche, dass er zu einer Wettfahrt bereit sei. Die Angeklagten unterhielten sich kurz und verabredeten durch Gesten und das Spiel mit dem Gaspedal spontan ein Autorennen entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße. Ziel sollte ein Kaufhaus an der Ecke Tauentzienstraße und Nürnberger Straße sein, wobei die An- geklagten bis dorthin elf ampelgeregelte Kreuzungen zu überqueren und eine Strecke von zweieinhalb Kilometern zurückzulegen hatten.
4
Der Angeklagte H. fuhr daraufhin „unter Missachtung roter Ampeln“ mit stark überhöhter Geschwindigkeit los, um möglichst schnell und vor dem Angeklagten N. das Ziel zu erreichen. Der Angeklagte N. nahm, nachdem er zunächst noch an zwei roten Ampeln angehalten hatte, unter deut- licher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und ebenfalls „unter Überfahren von roten Ampeln“ die Verfolgung auf, um vor dem Angeklagten H. das Ziel zu erreichen. Er holte den Angeklagten H. spätestens in Höhe der U-Bahn-Station Uhlandstraße ein. Zwei Fußgängerinnen, die sich auf einer dort gelegenen Mittelinsel des Kurfürstendamms befanden und gerade die Fahrbahn queren wollten, sprangen hinter das Geländer des U-Bahn-Eingangs zurück, um nicht von den Fahrzeugen der Angeklagten erfasst zu werden.
5
Beide Fahrzeuge hatten zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h erreicht. Die Kurve am Breitscheidplatz befuhren die Angeklagten im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Die in der Kurve an der Kreuzung Tauentzienstraße und Rankestraße liegende Lichtzeichenanlage überfuhren beide bei rotem Ampelsignal.
6
Am Kurvenausgang beschleunigte der Angeklagte H. sein Fahrzeug, um den nun vor ihm fahrenden Angeklagten N. wieder einzuholen, und erreichte hierbei eine Geschwindigkeit von 100 bis 150 km/h. Der Angeklagte N. fuhr auf der linken, der Angeklagte H. auf der rechten der beiden für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Fahrspuren auf die für sie Rotlicht zeigende Ampel an der Kreuzung Tauentzienstraße und Nürnberger Straße zu.
Beide Angeklagten fuhren bei rotem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich ein, der Angeklagte N. mit einem Vorsprung von wenigen Metern und einer Geschwindigkeit von 139 bis 149 km/h, der Angeklagte H. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 bis 170 km/h.
7
„Spätestens jetzt“ war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürn- berger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision nicht nur verletzt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Nebenklägerin K. als Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. – war ihnen gleichgültig; sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältiger Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.
8
In der Kreuzung kollidierte der Angeklagte H. – „absolut unfähig noch zu reagieren“ – mitdem Fahrzeug des Geschädigten W. , der aus der Nürnberger Straße in Fahrtrichtung der Angeklagten von rechts kommend regelkonform bei grünem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Das von dem Angeklagten H. gesteuerte Fahrzeug drehte sich nach links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden Pkw des Mitangeklagten , bevor es mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gegen eine Hochbeeteinfassung stieß. Auch das von dem Angeklagten N. gesteuerte Fahrzeug kollidierte frontal mit einer Hochbeeteinfassung.
9
Der Geschädigte W. , dessen Fahrzeug durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert worden war, zog sich schwere Verletzungen zu und verstarb noch am Unfallort. Die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wurde erheblich verletzt. Der Kopf einer Fußgängerin wurde von vorbeifliegenden Fahrzeugteilen nur um wenige Zentimeter verfehlt. Die Angeklagten wurden leicht verletzt.
10
2. Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Angeklagten – jeweils als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) – wie folgt strafbar gemacht haben: bezüglich des Geschädigten W. wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 2 StGB); bezüglich der Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB); zudem wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Nichtbeachtung der Vorfahrt und durch zu schnelles Fahren an einer Kreuzung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) und d) StGB.

II.


11
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr bedarf. Das Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.
12
1. Bereits die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
13
Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach § 16 Abs. 1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59; Beschluss vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 15 Rn. 3; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 5). Fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1997 – 2 StR 550/96, BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, aaO; Beschlüsse vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, aaO; vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3). Aus der Notwendigkeit , dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt. Dass dies auf die Tat der Angeklagten zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Im Gegenteil:
14
Das Landgericht hat einen bedingten Tötungsvorsatz erst – wie sich aus der Wendung „Spätestens jetzt (…)“ aufUA 25 ergibt – für den Zeitpunkt festgestellt , als die Angeklagten bei Rotlicht zeigender Ampel in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße einfuhren. Aus dieser Feststellung , die auch an anderer Stelle des Urteils keine Modifizierung findet, vielmehr mehrfach bestätigt wird (etwa auf UA 60), folgt zugleich, dass sich das Landgericht nicht die Überzeugung verschafft hat, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannten und billigend in Kauf nah- men. Hatten die Angeklagten indes den Tötungsvorsatz erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich gefasst, könnte ihre Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts nach den dargestellten Grundsätzen nur dann Bestand haben, wenn sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Handlung vornahmen, die für den tödlichen Unfall ursächlich war, oder eine gebotene Handlung unterließen, bei deren Vornahme der Unfall vermieden worden wäre.
15
Feststellungen zu einem solchen unfallursächlichen Verhalten, das vom Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen war, hat das Landgericht nicht getroffen. Vielmehr hat es sowohl bei der Darstellung des Sachverhalts als auch an weiteren Stellen des Urteils ausgeführt, dass die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich bereits keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kollision mehr besaßen: So hat es etwa bezüglich des AngeklagtenH. festgestellt, er sei zu diesem Zeitpunkt „absolut unfähig“ gewesen, „noch zu reagieren“ (UA 26). Auch an anderer Stelle des Urteils hat es darauf verwiesen, „die Angeklagten [hätten] sich durch ihr Verhalten, insbesondere ihre Geschwindigkeit, jeglicher Reaktionsmöglichkeit beraubt“ (UA 58) und „bei Einfahrt in den Kreuzungsbereich“ sei „ein Vermeidungsverhalten (…) auch objektiv nicht mehr möglich“ gewesen (UA 60).Die für den Unfall maßgeblichen Umstände, insbesondere die bereits erreichte Kollisionsgeschwindigkeit sowie das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roten Ampelsignals, lagen danach bereits vor bzw. waren unumkehrbar in Gang gesetzt, als die Angeklagten – nach den Feststellungen – den Tötungsvorsatz fassten. Ein unfallursächliches Verhalten der Angeklagten , das zeitlich mit der Fassung des Tötungsvorsatzes zusammenfiel oder nachfolgte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Tötungsvorsatz ab einem Zeitpunkt vorlag, als die tödliche Kollision bereits nicht mehr zu verhindern war, ist für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts rechtlich bedeutungslos.
16
2. Zudem halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, juris Rn. 10; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13, juris Rn. 19) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rechtsprechung bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38; vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 279; vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 215; vom 30. April 2014 – 2 StR 383/13, StV 2015, 300, 301; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 63).
18
b) Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, aaO; vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, aaO; vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25,

26).


19
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO, 186 f.). Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, aaO, 80; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243; Beschluss vom 26. April 2016 – 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – 2 StR 311/86, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 1 – Willenselement; Beschluss vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446). Dabei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Beschlüsse vom 10. Juli 2007 – 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35).
20
c) Diesen Anforderungen werden die Beweiserwägungen der Strafkammer nicht gerecht, da sich das angefochtene Urteil mit einem wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat.
21
aa) In Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des Täters – wie hier – ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00, NStZ 2000, 583, 584; vom 20. Dezember 1968 – 4 StR 489/68, VerkMitt 1969, Nr. 44). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl. BayObLG, NJW 1955, 1448, 1449 für den alkoholisierten Autofahrer; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 12 Rn. 23 ff.; ders., FS Rudolphi, 2004, 243, 255; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 219; Jäger, JA 2017, 786, 788; Walter, NJW 2017, 1350 f.). Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. So kann es sich etwa unterschiedlich auf das Vorstellungsbild des Täters zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.
22
bb) Bei ihrer Würdigung des Geschehens hat die Strafkammer dem Gesichtspunkt einer möglichen unfallbedingten Eigengefährdung bereits im Ansatz jegliches Gewicht abgesprochen, indem sie davon ausgegangen ist, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt hätten.
23
(1) Das Landgericht hat die Annahme eines solchen Sicherheitsgefühls der Angeklagten jedoch bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet, da es hierbei rechtsfehlerhaft maßgeblich auf einen nicht existierenden Erfahrungssatz zurückgegriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1954 – 5 StR 416/54, BGHSt 7, 82, 83; Beschluss vom 8. September 1999 – 2 StR 369/99, BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 6; Meyer-Goßner/Schmitt, 60. Aufl., § 337 Rn. 31).
24
Das angefochtene Urteil geht von der Hypothese aus, dass mit den Angeklagten vergleichbare Verkehrsteilnehmer regelmäßig kein Eigenrisiko in Rechnung stellten. Hierzu wird ausgeführt, dass „sportlich genutzte Fahrzeuge der in Rede stehenden Art“ ein „besonderes Gefühl der Sicherheit“ vermittelten; „die Fahrer solcher Fahrzeuge“ fühlten sich in ihren „tonnenschweren, stark be- schleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg“ und blendeten „jegliches Risiko für sich selbst“ aus. Einen Erfahrungssatz, nach dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kraftfahrzeug grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrt- heit ausblendet, gibt es indes nicht. Ein entsprechendes Vorstellungsbild ist konkret auf die Angeklagten bezogen zudem nicht belegt. Gerade angesichts der vorliegend objektiv drohenden Unfallszenarien – Kollisionen an einer innerstädtischen Kreuzung mit anderen Pkw oder, wie die Urteilsgründe mitteilen, sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160 km/h – versteht sich dies auch nicht von selbst.
25
(2) Zudem liegen dem angefochtenen Urteil widersprüchliche Annahmen bezüglich der durch die Angeklagten vorgenommenen Gefahreinschätzung zugrunde. Während die Strafkammer einerseits davon ausgeht, dass die Angeklagten sich selbst in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt und keinerlei Eigenrisiko in Rechnung gestellt hätten, hat sie andererseits ausgeführt, dass beide Angeklagten mit dem Vorsatz bezüglich einer Körperverletzung der Nebenklägerin K. , und zwar einer solchen mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB), gehandelt bzw. sogar „in Kauf“ genommen hätten, dass sie „tödliche Verletzungen erleiden könnte“ (UA 72). Da sich die Nebenklägerin bei der Tatbegehung auf dem Beifahrersitz neben dem Angeklagten N. befand, hat das Landgericht bezüglich der Insassen desselben Fahrzeuginnenraums zwei einander widersprechende Gefahreinschätzungen vorgenommen. Die – nichtnaheliegende – Annahme, die Angeklagten hätten ihre eigene Gefährdung und die der Nebenklägerin unterschiedlich bewertet, wird von der Strafkammer nicht erläutert.
26
3. Was den Angeklagten N. betrifft, könnte das Urteil im Übrigen schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, auf die das Landgericht die Annahme stützt, der Angeklagte N. habe sich des mittäterschaftlich begangenen Mordes schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Die vom Landgericht vorgenommene Prüfung mittäterschaftlichen Verhaltens greift zu kurz, da die gebotene tatbestandsbezogene Prüfung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung – die hier auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gerichtet sein musste – unterblieben ist.
27
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 4. April 2017 – 3 StR 451/16, juris Rn. 7). Der gemeinsame Tatplan muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, vielmehr genügt eine konkludente Übereinkunft; diese kann auch – in Erweiterung des ursprünglichen Tatplans – im Rahmen arbeitsteiliger Tatausführung getroffen werden (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ-RR 2012, 77, 78; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292; vom 9. März 1994 – 3 StR 711/93, NStZ 1994, 394; Beschluss vom 18. Mai 1995 – 5 StR 139/95, BGHSt 41, 149, 151). Bezugspunkt des Tatentschlusses bzw. des Tatplans ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB jedoch stets die Straftat. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.
28
b) Vorliegend fehlt es bereits an der Feststellung eines durch die Angeklagten gefassten gemeinsamen Tatentschlusses, der eine bedingt vorsätzliche Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers umfasste. Festgestellt und belegt hat die Strafkammer lediglich, dass sich die Angeklagten bei ihrem Zusammen- treffen am Adenauerplatz auf „die Durchführung eines spontanen Autorennens geeinigt“ (UA 47) haben. Ferner hat das Landgericht darauf verwiesen, der An- geklagte N. habe durch sein Fahrverhalten bei stetig steigender Geschwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Angeklagten H. „ein gemeinsames Rennen fahren und sich auf ein Kräftemessen ein- lassen“ wollte (UA 49).Aus diesen Ausführungen lässt sich indes lediglich die Verabredung und gemeinsame Durchführung eines illegalen Straßenrennens entnehmen. Weder für den Zeitpunkt der Rennverabredung noch für den nachfolgenden Rennverlauf hat das Landgericht eine – zumindest konkludente – Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses festgestellt und belegt. Viel- mehr hat es insoweit nur darauf verwiesen, dass „ein Kräftemessen mittels eines Autorennens/Stechens naturgemäß ein von einer gemeinsamen Tatherrschaft getragenes Verhalten“ (UA 49) darstellt. Die erforderliche Anknüpfung dieser Erwägungen an ein vorsätzliches Tötungsdelikt findet sich im Rahmen der Prüfung der Mittäterschaft nicht. Dass die Angeklagten den Entschluss gefasst hätten, einen anderen durch gemeinschaftliches Verhalten zu töten, lässt sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen.

III.


29
1. Die Ausführungen der Revisionsführer zu dem vom Landgericht eingeholten verkehrspsychologischen Gutachten geben Anlass zu folgenden Bemerkungen :
30
Die Feststellung, ob ein Angeklagter vorsätzlich gehandelt hat, ist Tatfrage und obliegt allein dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember2015 – 4 StR 367/15, NStZ 2016, 668, 669 f.; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 583; vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 15 Rn. 63). Diese Prüfung hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen und lässt eine generalisierende Betrachtung – etwa in Gestalt von Rechts- oder Erfahrungssätzen, denen zufolge bei einem bestimmten Personenkreis oder einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich eine vorsätzliche Tatbegehung zu bejahen oder zu verneinen sei – nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 367/15, aaO, 669 f.; Beschlüsse vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446; vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369, 370; LK-StGB/Vogel, aaO, § 15 Rn. 67; vgl. auch zur geringen Bedeutung allgemeiner statistischer Aussagen im Rahmen von Prognoseentscheidungen BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720, 722; vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204). Dies gilt auch für den im angefochtenen Urteil und seitens der Revisionen in Bezug genommenen Personenkreis der „Raser“ bzw. „die Angehörigen der Raserszene“ ; auch dieser Personenkreis ist im Hinblick auf die Frage des Vorlie- gens oder auch des Fehlens eines (Tötungs-)Vorsatzes einer kategorialen Zuordnung über den Einzelfall hinaus nicht zugänglich.
31
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gelangen, gilt mit Blick auf mögliche Mordmerkmale das Folgende :
32
a) Bezüglich des Mordmerkmals der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels wird eine konsistente Gesamtbewertung der subjektiven Tatseite vorzunehmen sein. Soweit in dem angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit dem Tötungsvorsatz ausgeführt wird, mögliche Gedanken der Angeklagten an die Zerstörung der eigenen Fahrzeuge seien im „Adrenalinrausch“ und im „Kick“ des Rennens „untergegangen“, zugleich aber angenommen wird, die Angeklag- ten hätten die Tötung von Personen durch umherfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge – also auch des eigenen Fahrzeugs – billigend in Kauf genommen, lässt sich dies nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang bringen.
33
b) Gegebenenfalls wird auch das Mordmerkmal der Heimtücke zu erörtern sein, wobei allerdings das hierfür erforderliche Ausnutzungsbewusstsein einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393; vom 11. November 1986 – 1 StR 367/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; vom 30. Januar 1990 – 1 StR 688/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; und vom 25. Oktober 1984 – 4 StR 615/84, NStZ 1985, 216).
34
3. Der Senat weist darauf hin, dass sich das gesamteRenngeschehen – entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA 65) – als eine prozessuale Tat darstellt.
35
4. Hinsichtlich der Vorbelastung der Angeklagten mit straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten wird der neue Tatrichter gegebenenfalls Gelegenheit haben, sich mit einer möglichen Tilgungsreife und einer daraus folgenden Unverwertbarkeit einzelner Registereintragungen auseinanderzusetzen. Dabei sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit im Urteil so festzustellen, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, NJW 1993, 3081, 3084; MüKo-StVR/Koehl, § 29 StVG Rn. 5).
36
5. Bei der Bemessung einer möglichen Sperrfrist nach § 69a StGB sind auch die Dauer und die Wirkungen des Strafvollzugs infolge einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, NStZ-RR 1997, 331, 332).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 320/16
vom
29. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290916U4STR320.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 5. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Nach der zugelassenen Anklage liegt dem Angeklagten sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in fünf Fällen, sexueller Missbrauch von Kindern und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zur Last. Der zur Tatzeit an einer Schule für Körperbehinderte als Lehrer tätige Angeklagte soll an dem am 6. August 1998 geborenen Nebenkläger, einem seiner Schüler, im Sommer 2009 während einer Unterrichtspause in seinem in Schulnähe geparkten Reisemobil den Oralverkehr ausgeübt (Fall 1) und vor ihm in der Dusche des Schulschwimmbads onaniert haben (Fall 2). Außerdem soll es bei Besuchen des Nebenklägers in der Wohnung des Angeklagten in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum Ende des Schuljahrs 2010/2011 zu sexuellen Handlungen des Angeklagten vor und an dem Nebenkläger und zu sexuellen Handlungen des Nebenklägers an dem Angeklagten gekommen sein. Dabei soll der Angeklagte nach der Vorführung von mehreren kurzen Pornofilmen sein erigiertes Geschlechtsteil an dem Nebenklä- ger gerieben und diesen an seinem Geschlechtsteil berührt (Fall 3) sowie bei einer anderen Gelegenheit sein erigiertes Geschlechtsteil zwischen dessen Beine geschoben haben (Fall 4). Außerdem soll der Nebenkläger von dem Angeklagten dazu veranlasst worden sein, ihm bei der Selbstbefriedigung zuzusehen und das zu diesem Zweck gezuckerte Sperma von seinem Penis abzulecken (Fall 5), in den Mund des Angeklagten zu urinieren (Fall 6) sowie an dem Angeklagten den Oralverkehr auszuüben (Fall 7). Schließlich soll der Angeklagte zur eigenen sexuellen Stimulation vor dem Nebenkläger einen Löffelstiel in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und ihn dazu veranlasst haben, an dem Penis zu fühlen, wie weit der Löffelstiel bereits eingeführt sei (Fall 8). Das Landgericht hat den Angeklagten von allen Vorwürfen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der nicht vorbestrafte Angeklagte war in den Schuljahren 2005/2006 bis 2010/2011 Lehrer des Nebenklägers an einer Schule für Körperbehinderte. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis war gut. Der Angeklagte war der Lieblingslehrer des Nebenklägers. Zu im Einzelnen nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 1. Januar 2009 und dem Ende des Schuljahrs 2010/2011 kam es zu mindestens zwei Übernachtungen des Nebenklägers im Haus des Angeklagten, die jeweils mit dessen Mutter abgesprochen waren. Zum Schuljahr 2011/2012 wechselte der Nebenkläger – auch auf Empfehlung des Angeklagten – auf eine andere Schule.
4
Der Angeklagte ist Eigentümer eines selbst ausgebauten geländegängigen Reisemobils, mit dem er regelmäßig auch zur Schule fuhr. Das auffällige Fahrzeug stieß bei dem Nebenkläger und seinen Mitschülern auf großes Interesse und wurde ihnen seitens des Angeklagten auch von innen gezeigt.
5
Die Schule verfügt über ein eigenes Schwimmbad. Der Angeklagte duschte nach dem von ihm betreuten Schwimmen nackt mit den Jungen in der Gemeinschaftsdusche. Kurz vor Weihnachten des Jahres 2009 oder 2010 fasste der Angeklagte beim gemeinsamen Duschen nach dem Schwimmunterricht einem seiner Schüler an den Penis und schob die Vorhaut zurück. Danach begab er sich sogleich zum Schulleiter, berichtete von dem Vorfall und gab zur Erklärung an, er habe dem Schüler aus hygienischen Gründen zeigen wollen, wie man die Vorhaut zurückschiebt.
6
Jedenfalls seit dem Jahr 2013 konsumierte der Angeklagte zumindest gelegentlich pornografische Bild- und Videodateien, die er sich in großem Umfang aus dem Internet herunterlud und auf verschiedenen Datenträgern vorrätig hielt. Dabei interessierten ihn insbesondere transsexuelle Inhalte, daneben aber auch weniger verbreitete bis ausgesprochen selten vorkommende Sexualpraktiken wie Urinspiele oder das – selbst im Internet nur schwierig aufzufindende – Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis. Auf einem USB-Stick des Angeklagten waren unter anderem vier Bilder abgespeichert, bei denen sich Männer schmale längliche Gegenstände in die Harnröhre einführen. Weiterhin finden sich auf dem USB-Stick drei Bilder, die „Urinspiele“ zum Gegenstand haben. Auf einem Bild uriniert eine Frau unmittelbar in den Mund eines Mannes. Bilder oder Videos mit pädophilem Inhalt waren auf den Datenträgern des Angeklagten nicht gespeichert.
7
2. Der Angeklagte hat alle Vorwürfe von sich gewiesen. Die Strafkammer hat sich – in Abweichung von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen – von der Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben des Nebenklägers „nicht vollständig“ zu überzeugen vermocht. Zwar habe die Beweisaufnahme eine Reihe von Indizien erbracht, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprächen. Dies betreffe insbesondere die Angaben des Nebenklägers zu zum Teil nur sehr selten vorkommenden Sexualpraktiken, die sich mit Bilddateien gedeckt hätten, die der Angeklagte aus dem Internet heruntergeladen habe. Doch seien insoweit auch andere Erklärungsmöglichkeiten aufgezeigt worden, die zu erwägen gewesen seien. Auch habe die Aussage des Nebenklägers in den Bereichen Aussageentstehung, Aussageentwicklung und Aussageinhalt zahlreiche Schwächen aufgewiesen, die jeweils für sich ge- nommen „zwar keinen überragenden Erkenntniswert“ gehabt hätten. Diese hät- ten es aber doch in der Summe unmöglich gemacht, sich von der uneingeschränkten Glaubwürdigkeit des Nebenklägers und der Richtigkeit seiner Angaben zu überzeugen.

II.


8
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil der Freispruch des Angeklagten auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht.
9
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 9; weitere Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.). Der Tatrichter ist gehalten , die Gründe für den Freispruch so vollständig und genau zu erörtern, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, anhand der Urteilsgründe zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, Rn. 10; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, Rn. 2; Urteil vom 20. November 2013 – 2 StR 460/13, NStZ-RR 2014, 56).
10
2. Daran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsrechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
11
a) Die Ausführungen zum Beweiswert der Angaben des Nebenklägers in Bezug auf Fall 8 der Anklage (Befühlen des erigierten Penis des Angeklagten beim Einführen eines Gegenstands in die Harnröhre) lassen besorgen, dass die Strafkammer überhöhte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.
12
aa) Der Tatrichter darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1998 – 2 StR 65/98, NStZ-RR 1998, 275 mwN).
Auch ist es rechtsfehlerhaft, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, StV 2005, 421; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188, 2189 [insoweit in BGHSt 47, 243 nicht abgedruckt]; weitere Nachweise bei Miebach in MüKoStPO § 261 Rn. 88 und 129).
13
bb) Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht verstoßen.
14
Nach den Urteilsgründen hat der Nebenkläger in der Hauptverhandlung, bei seiner polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren und im Rahmen des Explorationsgespräches mit der aussagepsychologischen Sachverständigen konstant geschildert, dass der Angeklagte einen Gegenstand in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und er auf seine Aufforderung hin immer wieder gefühlt habe, wie tief dieser eingedrungen sei. Lediglich zu der Beschaffenheit des Gegenstandes machte er unterschiedliche Angaben. Die Strafkammer hat in dem Umstand, dass sich auf einem USB-Stick des Angeklagten Bilddateien befanden, die das Einführen von Gegenständen in die Harnröhre und damit eine sehr seltene Sexualpraktik zeigen, ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers gesehen. Dessen Gewicht hat sie dann aber mit der Erwägung relativiert, dass kaum zuverlässig ausgeschlossen werden könne, dass der Nebenkläger im Internet auf solche Inhalte gestoßen sei. Denn die Beweisaufnahme habe auch ergeben, dass die betreffenden Inhalte im Internet frei zugänglich gewesen seien und der Nebenkläger sowohl im Elternhaus als auch in seiner Wohngruppe Zugang zum Internet gehabt habe. Schließlich sei es auch „keinesfalls fernliegend“, dass der Nebenkläger dievon ihm beschriebenen Sexualpraktiken gekannt habe, weil er sich zusammen mit dem Angeklagten entsprechende Bilder angesehen habe. Weder für die erste noch für die zweite als mögliche Erklärung für die Kenntnis des Nebenklägers von derartigen Sexualpraktiken herangezogene Variante hat das mitgeteilte Beweisergebnis konkrete Anhaltspunkte erbracht. Sowohl die Mutter des Nebenklägers als auch sein Betreuer in der Wohngruppe haben angegeben, dass der Nebenkläger nie über längere Zeit im Internet unbeaufsichtigt habe „surfen“ können. Zudem seien jeweils Jugendschutzfilter installiert gewesen. Dass der Nebenkläger von selbst im Internet auf – wie die Strafkammer an anderer Stelle festgestellt hat – dort nur schwierig aufzufindende Bilder über das Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis gestoßen sein könnte, ist unter diesen Umständen eine lediglich abstrakt-theoretische Möglichkeit. Gleiches gilt für die Annahme, der Nebenkläger könnte sich derartige Bilddateien zusammen mit dem Angeklagten angesehen haben. In diese Richtung weisende Angaben des Nebenklägers sind in den Urteilsgründen nicht aufgeführt. Der Angeklagte hat behauptet, die einschlägigen Bilddateien nicht gekannt zu haben und damit auch ein Betrachten dieser Dateien zusammen mit dem Nebenkläger in Abrede gestellt.
15
Das Urteil beruht auch auf diesem Beweiswürdigungsmangel. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Bewertung dieses Gesichtspunktes die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers insgesamt anders beurteilt hätte.
16
b) Soweit die Strafkammer bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen abgewichen ist, lassen die schriftlichen Urteilsgründe eine revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu.
17
aa) Weicht der Tatrichter von der Einschätzung eines Sachverständigen ab, nachdem er zuvor glaubte, einer Beratung durch diesen Sachverständigen zu bedürfen, muss er sich erschöpfend mit dessen Ausführungen auseinandersetzen und diese im Einzelnen darlegen. Dazu gehört auch eine Wiedergabe der Stellungnahme des Sachverständigen zu den Gesichtspunkten, auf die der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55, 56; Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550). Andernfalls ist dem Revisionsgericht eine Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat sowie woher sich sein besseres Fachwissen oder seine fortbestehenden Zweifel ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106; Urteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR 190/01; Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243).
18
bb) Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
19
Die Strafkammer hat zwar mitgeteilt, dass sie sich eingehend mit dem zu einem anderen Ergebnis gelangenden aussagepsychologischen Sachverständigengutachten auseinandergesetzt habe. Sie hat es aber verabsäumt, den wesentlichen Inhalt des Gutachtens mitzuteilen und im Zusammenhang darzulegen , warum sie der Einschätzung der Sachverständigen im Ergebnis nicht zu folgen vermocht hat. Auch wird nicht nachvollziehbar dargestellt, wie sich die Sachverständige zu den Gesichtspunkten verhalten hat, auf die das Landgericht seine abweichende Auffassung stützt. Das Revisionsgericht kann daher nicht prüfen, ob die in den Urteilsgründen an verschiedenen Stellen angeführten Defizite des Gutachtens (unzureichende Auseinandersetzung mit den „recht dürftigen Angaben“ des Nebenklägers zu dem jeweiligen Randgeschehen und seinen ausweichenden Reaktionen auf Vorhalte, keine erschöpfende Thematisierung möglicher suggestiver Beeinflussung durch betreuende Personen, mangelnde Erörterung von Abweichungen und Widersprüchen, Beschränkung der Konstanzanalyse auf die Angaben vor der Polizei, gegenüber der Sachverständigen und in der Hauptverhandlung) und die Zurückweisung von einzelnen Bewertungen der Sachverständigen (etwa zum fehlenden Interesse des Nebenklägers an sexualbezogenen Handlungen und der Beurteilung seiner Persönlichkeitsstruktur ) auf einer zutreffenden Würdigung des Gutachtens beruhen.
20
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Fall StPO Gebrauch und verweist die Sache an ein anderes Gericht gleicher Ordnung zurück.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 459/06
vom
21. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. November 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. April 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Von der Erhebung von Kosten und Auslagen im Revisionsverfahren wird abgesehen (§ 109 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 74 JGG); jedoch trägt der Angeklagte die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe, Tat in der Nacht zum 11. September 2005) sowie der "Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung" (Fall II. 2 der Urteilsgründe; Verkehrsunfall vom 18. September 2005) für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer den Vorfall vom 18. Sep- tember 2005 betreffenden Schuldspruchänderung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht hinsichtlich der Tat in der Nacht zum 11. September 2005 des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und hinsichtlich des Verkehrsunfallgeschehens vom 18. September 2005 der fahrlässigen Körperverletzung (zu ergänzen: in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) für schuldig befunden und ihn zu der erkannten Jugendstrafe verurteilt hat. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Oktober 2006. Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers im Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. November 2006 führt zu keinem anderen Ergebnis.
3
Es beschwert den Angeklagten auch nicht, dass das Landgericht ohne weitere Begründung davon abgesehen hat, dem Angeklagten mit Blick auf das Verkehrsunfallgeschehen vom 18. September 2005 die Fahrerlaubnis zu entziehen.
4
Dagegen kann der das Verkehrsunfallgeschehen betreffende Schuldspruch nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht den Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangener Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) verurteilt hat. Die Feststellungen belegen nicht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternative des Absatzes 1 Nr. 2 Buchst. d) der Vorschrift vorliegen. Zwar hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Angeklagte grob verkehrswidrig und rücksichtslos zu schnell gefahren und dadurch den Verkehrsunfall, bei dem die beiden Insassen erheblich verletzt wurden, verursacht hat. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) StGB deshalb bejaht, weil sich der Unfall an bzw. in Höhe der Einmündung einer Nebenstraße ereignete (UA 10, 23). Das genügt für sich allein indes nicht. Denn nach dem eindeutigen Tatbestandsaufbau ("und dadurch") muss die herbeigeführte Gefahr in einem inneren Zusammenhang mit den Risiken stehen, die bei dieser Tatbestandsalternative u.a. von unübersichtlichen Stellen bzw. Straßeneinmündungen typischerweise ausgehen. Dass der Gefahrerfolg nur gelegentlich des zu schnellen Fahrens eintritt, reicht damit nicht aus (König in LK, StGB 11. Aufl. § 315 c Rdn. 113; Groeschke in MüKo StGB § 315 c Rdn. 43). Einen solchen Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der Situation an der Einmündung hat das Landgericht jedoch gerade nicht festgestellt. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass der Angeklagte etwa wegen eines aus der Nebenstraße kommenden Verkehrsteilnehmers in Schreck geraten und deshalb die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat. Auch für andere Tatbestandsalternativen des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB geben die Feststellungen nichts her. Vielmehr hat das Landgericht - insoweit entgegen der Anklage - ausdrücklich nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte sich in einem Überholvorgang befand oder die rechte Fahrspur an einer unübersichtlichen Stelle nicht einhielt (UA 10). Hiernach muss der Schuldspruch nach § 315 c StGB entfallen.
5
Die Schuldspruchänderung lässt den Rechtsfolgenausspruch unberührt. Denn der Schuldgehalt der Taten, der - wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat - dadurch geprägt ist, dass der Angeklagte innerhalb von nur einer guten Woche drei Menschen schwer verletzt hat (UA 26), wird dadurch ebenso wenig berührt wie der vom Landgericht für die Rechtsfolgenbemessung rechtsfehlerfrei angenommene Erziehungsbedarf.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Lichtzeichen gehen Vorrangregeln und Vorrang regelnden Verkehrszeichen vor. Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 10 m vor einem Lichtzeichen nicht halten, wenn es dadurch verdeckt wird.

(2) Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge Grün – Gelb – Rot – Rot und Gelb (gleichzeitig) – Grün. Rot ist oben, Gelb in der Mitte und Grün unten.

1.
An Kreuzungen bedeuten:

Grün: „Der Verkehr ist freigegeben“.

Er kann nach den Regeln des § 9 abbiegen, nach links jedoch nur, wenn er Schienenfahrzeuge dadurch nicht behindert.

Grüner Pfeil: „Nur in Richtung des Pfeils ist der Verkehr freigegeben“.

Ein grüner Pfeil links hinter der Kreuzung zeigt an, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht angehalten ist und dass, wer links abbiegt, die Kreuzung in Richtung des grünen Pfeils ungehindert befahren und räumen kann.

Gelb ordnet an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“.

Keines dieser Zeichen entbindet von der Sorgfaltspflicht.

Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“.

Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Durch das Zeichen
wird der Grünpfeil auf den Radverkehr beschränkt.
Wer ein Fahrzeug führt, darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. Soweit der Radverkehr die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten hat, dürfen Rad Fahrende auch aus einem am rechten Fahrbahnrand befindlichen Radfahrstreifen oder aus straßenbegleitenden, nicht abgesetzten, baulich angelegten Radwegen abbiegen. Dabei muss man sich so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.
Schwarzer Pfeil auf Rot ordnet das Halten, schwarzer Pfeil auf Gelb das Warten nur für die angegebene Richtung an.

Ein einfeldiger Signalgeber mit Grünpfeil zeigt an, dass bei Rot für die Geradeaus-Richtung nach rechts abgebogen werden darf.
2.
An anderen Straßenstellen, wie an Einmündungen und an Markierungen für den Fußgängerverkehr, haben die Lichtzeichen entsprechende Bedeutung.
3.
Lichtzeichenanlagen können auf die Farbfolge Gelb-Rot beschränkt sein.
4.
Für jeden von mehreren markierten Fahrstreifen (Zeichen 295, 296 oder 340) kann ein eigenes Lichtzeichen gegeben werden. Für Schienenbahnen können besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden; das gilt auch für Omnibusse des Linienverkehrs und nach dem Personenbeförderungsrecht mit dem Schulbus-Zeichen zu kennzeichnende Fahrzeuge des Schüler- und Behindertenverkehrs, wenn diese einen vom übrigen Verkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen; dies gilt zudem für Krankenfahrzeuge, Fahrräder, Taxen und Busse im Gelegenheitsverkehr, soweit diese durch Zusatzzeichen dort ebenfalls zugelassen sind.
5.
Gelten die Lichtzeichen nur für zu Fuß Gehende oder nur für Rad Fahrende, wird das durch das Sinnbild „Fußgänger“ oder „Radverkehr“ angezeigt. Für zu Fuß Gehende ist die Farbfolge Grün-Rot-Grün; für Rad Fahrende kann sie so sein. Wechselt Grün auf Rot, während zu Fuß Gehende die Fahrbahn überschreiten, haben sie ihren Weg zügig fortzusetzen.
6.
Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.

(3) Dauerlichtzeichen über einem Fahrstreifen sperren ihn oder geben ihn zum Befahren frei.

Rote gekreuzte Schrägbalken ordnen an:

„Der Fahrstreifen darf nicht benutzt werden“.

Ein grüner, nach unten gerichteter Pfeil bedeutet:

„Der Verkehr auf dem Fahrstreifen ist freigegeben“.

Ein gelb blinkender, schräg nach unten gerichteter Pfeil ordnet an:

„Fahrstreifen in Pfeilrichtung wechseln“.

(4) Wo Lichtzeichen den Verkehr regeln, darf nebeneinander gefahren werden, auch wenn die Verkehrsdichte das nicht rechtfertigt.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, darf auf Fahrstreifen mit Dauerlichtzeichen nicht halten.