Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR72.15.0
bei uns veröffentlicht am14.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 72/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen zu 1., 3., 4., u. 5.: erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge u.a.
zu 2.: erpresserischen Menschenraubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR72.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 19. November 2015 in der Sitzung am 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung –, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten L. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten S. S. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten V. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten E. J. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. L. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenkläger H. und R. M. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers Dr. B. M. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers Dr. H. M. ,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revisionen der Angeklagten L. L. , V. L. , M. L. und E. J. und auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit diese Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug verurteilt sind,
b) hinsichtlich der Angeklagten V. L. , M. L. und E. J. im Ausspruch über die Gesamtstrafe, hinsichtlich der Angeklagten M. L. und E. J. auch im Maßregelausspruch,
c) hinsichtlich des Angeklagten L. L. im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen. II. 1. Auf die Revision des Angeklagten S. S. wird das vorbezeichnete Urteil im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass an die Stelle der Verurteilung des Ange- klagten zur Zahlung eines auf 50.000 Euro bemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen als Gesamtschuldner mit den übrigen Angeklagten einschließlich der Vollstreckbarkeitserklärung der Ausspruch tritt: „Der von den Nebenklägern H. M. und R. M. gegen den Angeklagten aus übergegangenem Recht erhobene Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abge- sehen.“ 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. S. sowie die ihn betreffenden Revisionen der Ne- benkläger gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Der Angeklagte S. S. hat die Kosten seines Rechtsmittels, die Nebenkläger haben die Kosten ihrer jeweiligen Rechtsmittel zu tragen, soweit diese den Angeklagten S. betreffen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten L. , V. und M. L. sowie den Angeklagten J. jeweils des erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge und vierfachem Computerbetrug sowie des Computerbetruges in vier Fällen und den Angeklagten S. des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub und vierfachem Computerbetrug sowie des Computerbetruges in vier Fällen schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten L. L. unter Einbeziehung von drei weiteren Urteilen zu einer Einheitsjugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten V. L. zu einer solchen von zwölf Jahren und zwei Monaten und die Angeklagten J. und M. L. zu Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren und zwei Monaten verurteilt. Es hat außerdem die Unterbringung der Angeklagten J. und M. L. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und jeweils einen Vorwegvollzug von drei Jahren und sieben Monaten der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe bestimmt. Ferner hat es für drei der Angeklagten, die sich in Auslieferungshaft befunden haben, eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Die Angeklagten sind überdies im Adhäsionsverfahren als Gesamtschuldner verurteilt worden, an die Nebenkläger H. und R. M. zur gesamten Hand ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro zu zahlen.
2
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Mit Ausnahme des Angeklagten S. beanstanden sie darüber hinaus das Verfahren. Die Nebenkläger , die die Verurteilung der Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erstreben, rügen die Verletzung materiellen Rechts; die Nebenkläger Dr. B. und Dr. H. M. erheben darüber hinaus Verfahrensrügen.

A.


3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


4
Die Angeklagten reisten mehrere Tage vor dem 9. Januar 2012 mit zwei Kraftfahrzeugen, einem Transporter Ford Transit und einem Pkw Audi, aus Litauen nach Deutschland. Am Vormittag des 9. Januar 2012 trafen sich alle fünf Angeklagten sowie die in ihrer Begleitung befindlichen A. und Be. auf einer von der ca. 450 Meter entfernten Bundesstraße nicht einsehbaren, abgelegenen Lichtung in einem Wald zwischen C. und R. . Dort tranken sie unterschiedliche, teilweise jedoch erhebliche Mengen Alkohol. Gegen Abend ergab sich aus einem Gespräch der Angeklagten V. , L. und M. L. sowie J. der Plan, eine andere Person gewaltsam zu berauben. Der Angeklagte S. war bei dem Gespräch anwesend und schloss sich dem Tatplan an. Nachdem die Angeklagten in Anwesenheit von A. und Be. den Transporter auf einem Seitenweg abgestellt hatten, um ihn der möglichen Wahrnehmung eines späteren Opfers zu entziehen, begaben sich alle fünf Angeklagten mit dem Pkw Audi zu einem Parkplatz an der Bundesautobahn (A 9) Richtung B. , um hier auf ein geeignetes Opfer zu warten. Als der 40-jährige U. M. , das spätere Tatopfer, der ebenfalls mit einem Transporter auf der Autobahn unterwegs war, während einer Rast das auf dem Parkplatz befindliche Toilettenhäuschen verließ, ergriffen ihn vier der Angeklagten und führten ihn gegen seinen Willen zu seinem Transporter. Mit diesem Fahrzeug verbrachten die Angeklagten V. , L. und M. L. ihr Opfer sodann auf den Lagerplatz im Wald, gefolgt von den im Pkw Audi sitzenden Angeklagten J. und S. . Während der Angeklagte S. den von ihm geführten Pkw Audi an der Straße abstellte und dann dort etwa zehn bis fünfzehn Minuten wartete, verschafften sich die übrigen Angeklagten unter im Einzelnen nicht genau feststellbaren Umständen gewaltsam mindestens zwei Kredit- bzw. Bankkarten des Geschädigten und veranlassten diesen zur Preisgabe der zugehörigen PIN. Die Angeklagten S. und L. L. fuhren daraufhin in Begleitung der A. mit dem Pkw Audi nach C. und hoben in der Folgezeit unter Verwendung der Karten und der PIN in mehreren Teilbeträgen insgesamt 2.000 Euro von den Konten des Geschädigten ab, der in der Gewalt der anderen Angeklagten verblieben war. Die beiden in Begleitung der A. befindlichen Angeklagten stellten nach ihrer Rückkehr aus C. ihren Pkw zunächst an der Bundesstraße ab. L. L. ging zu den anderen auf dem Lagerplatz , S. blieb zunächst im Fahrzeug sitzen. Die Angeklagten V. , L. und M. L. sowie der Angeklagte J. verlangten sodann von dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefesselten Geschädigten die Preisgabe einer weiteren PIN. Da sie den Geschädigten dahin verstanden, diese Nummer befinde sich auf dessen Laptop, gestatteten sie ihm die Benutzung des Gerätes. Die Stimmung unter den beim Geschädigten stehenden Angeklagten – der Angeklagte S. hatte sich zu diesem Zeitpunkt erst vom Fahrzeug aus auf den Weg zum Lagerplatz gemacht – war sehr angespannt, weil seit Tatbeginn bereits mehrere Stunden verstrichen waren und ihres Erachtens nun das Entdeckungsrisiko stieg. Als auf dem Computerbildschirm nach Eingabe des Passwortes durch U. M. ein sich drehender Briefumschlag erschien, nahmen die vier Angeklagten an, der Geschädigte habe versucht, eine Nachricht zu verschicken, um Hilfe zu holen. Das löste bei ihnen Panik aus und der Angeklagte V. L. schlug dem Geschädigten den Laptop mit der flachen Seite einmal auf den Kopf. Der Angeklagte S. , der sich dem Geschehen in diesem Augenblick bis auf etwa zehn Schritte genähert hatte , fragte, was das sollte, und wollte den Angeklagten L. beiseite schubsen. Er wurde daran aber von einem der anderen Angeklagten gehindert, indem der ihn kräftig beiseite zog, so dass seine Jacke einriss. Daraufhin verließ S. mit A. den Lagerplatz in Richtung des abgestellten Pkws Audi. Nunmehr wurde in Anwesenheit der dort verbliebenen vier Angeklagten in im Einzelnen nicht mehr feststellbarer Weise mit schwerster stumpfer Gewalt, wie sie etwa beim Treten oder Springen auf den Brustkorb eines Menschen ausgeübt wird, auf den Körper, den Hals und den Kopf des Geschädigten eingewirkt. Eine Zuordnung der Gewalthandlungen zu einzelnen Angeklagten hat das Landgericht nicht vorzunehmen vermocht, sondern lediglich festgestellt, dass der Angeklagte S. von diesem Geschehen nichts mitbekam und daher auch von den schweren Verletzungen des U. M. keine Kenntnis hatte. Der Geschädigte erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, ein massives Hirnödem, Rippen- sowie Brustbeinbrüche und Lungenquetschungsblutungen. Anschließend wurden seine Hände und Füße straff mit Klebeband gefesselt; er wurde – noch lebend – auf der Ladefläche seines Transporters in zusammengekauerter Haltung dergestalt in einem engen Freiraum zwischen den dort befindlichen Umzugskartons und Möbeln abgelegt, dass er kaum Bewegungen ausführen konnte. Den vier Angeklagten war bewusst, dass die dargestellte Gewalteinwirkung zum Tode des Geschädigten führen könnte. Zwar wollten sie, so das Landgericht, dessen Tod nicht, verursachten ihn jedoch leichtfertig.
5
Den Transporter mit dem Geschädigten verbrachte der Angeklagte V. L. im Beisein der Angeklagten M. und L. L. an einen anderen Ort etwa 200 Meter tief in den Wald hinein und fuhr ihn auf dem schlammigen Waldweg fest. Anschließend wurde das Fahrzeug mit laufendem Motor dort stehen gelassen. V. L. schaltete vorher noch die Heizung im Fahrzeug ein und betätigte einen Schalter, von dem er annahm, dass dieser für die Beheizung der Ladefläche sorgen würde. Tatsächlich verfügte der Transporter nicht über eine eigene Heizung im Bereich des Laderaums. Die Angeklagten flüchteten sodann in ihren beiden Fahrzeugen in Richtung Litauen. Dabei setzen sie die erbeuteten Kreditkarten für eine weitere Barabhebung und drei Einkäufe ein.
6
Der Geschädigte verstarb innerhalb von 24 Stunden nach der Tat an einer Lungenfettembolie sowie an seinen schweren inneren Verletzungen. Der Transporter mit der Leiche wurde erst sechs Tage später aufgefunden.

II.


7
1. Seine rechtliche Würdigung stützt das Landgericht im Wesentlichen auf die Erwägung, dass die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten S. während der Einwirkung mit schwerster stumpfer Gewalt auf den Geschädigten anwesend gewesen seien, wenngleich eine Zuordnung der Gewalthandlungen zu einzelnen von ihnen nicht habe vorgenommen werden können. Wer aber sein schwer verletztes Opfer in der festgestellten Art und Weise auf der Ladefläche eines Transporters bewegungsunfähig im Wald zur Nachtzeit zurücklasse, handele grob achtlos. Die Möglichkeit des Todes hätte sich den Angeklagten regelrecht aufdrängen müssen. In der von diesen Angeklagten in Gang gesetzten und zum Tode führenden Kausalkette habe sich auch die tatbestandsspezifische Gefahr des erpresserischen Menschenraubes und des Raubes verwirklicht. Die Forderung nach Preisgabe einer weiteren PIN habe die Kausalkette in Gang gesetzt. Das Geschehen sei mit dem Erscheinen des sich drehenden Briefumschlags auf dem Bildschirm des Laptops eskaliert, die daraufhin erfolgten Gewalthandlungen hätten schließlich zum Tod des Opfers geführt. Wegen seiner Abwesenheit vom Ort des Gewaltgeschehens habe sich der Angeklagte S. weder eines erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge noch eines Raubes mit Todesfolge schuldig gemacht. Als der Transporter zum Abstellort verbracht wurde, habe er angenommen, der Geschädigte sei bereits freigelassen worden.
8
2. Vom Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes bei den vier anderen Angeklagten konnte sich das Landgericht hingegen nicht überzeugen. Der ursprüngliche Tatplan habe lediglich die Beraubung eines Menschen unter Einschluss von Körperverletzungshandlungen umfasst, nicht aber die Tötung des Opfers. Dies habe sich auch daran gezeigt, dass die Angeklagten versucht hätten , die von ihnen benutzten Fahrzeuge vor dem Geschädigten zu verbergen. Dadurch werde belegt, dass die Angeklagten von einem Überleben des Opfers ausgegangen seien. Aus dem einmaligen Schlag auf den Kopf des Opfers durch den Angeklagten V. L. könne auf einen bedingten Tötungsvorsatz ebenfalls nicht geschlossen werden. Die Beteiligung der vier anwesenden Angeklagten an den nachfolgenden Gewalthandlungen sei unklar. Auch für den Zeitpunkt des Zurücklassens des schwer verletzten Opfers im Wald lasse sich ein Tötungsvorsatz nicht nachweisen. Vielmehr hätten die Angeklagten das Überleben des Geschädigten gewollt. Man habe ihn nur etwas mehr als einen Kilometer von der Ortseinfahrt in R. entfernt in dem Fahrzeug mit laufendem Motor zurückgelassen. Dadurch sei – wenn auch nur in ganz geringem Maße – die Wahrscheinlichkeit erhöht worden, dass jemand auf den Wagen aufmerksam werden würde. Ferner sei ein laufender Kraftfahrzeugmotor in der Vorstellung eines technischen Laien mit einer Erwärmung des Fahrzeuginneren verbunden, auch wenn dies bei diesem Fahrzeugtyp bezüg- lich der Ladefläche objektiv nur in ganz unbedeutendem Maße der Fall gewesen sei. Der Angeklagte V. L. habe außerdem vor dem Zurücklassen des Fahrzeugs die Heizung eingeschaltet und auf einen Schalter gedrückt, von dem er angenommen habe, dass dieser für die Beheizung der Ladefläche sorgen werde. Als Beweisanzeichen gegen einen Tötungsvorsatz spreche auch, dass einer der Täter beim Einsteigen in das zweite Täterfahrzeug geäußert habe, man müsse so schnell wie möglich wegfahren, bevor der Mann sich bei der Polizei beschwere.

B.


9
Die Revision des Angeklagten S. S. hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen geringfügigen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Rechtsmittel der anderen Angeklagten haben – jeweils mit der Sachrüge – überwiegend Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger bleiben hinsichtlich des Angeklagten S. S. erfolglos ; im Übrigen führen sie – ebenfalls auf die Sachrüge – zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.


10
Zu den Revisionen der Angeklagten:
11
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. führt lediglich zu einer Abänderung der Adhäsionsentscheidung; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. März 2015 erfolglos.
12
Die Rechtsmittel der übrigen Angeklagten haben hinsichtlich der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen Computerbetruges in vier Fällen keinen Erfolg. Die Verfahrensrügen versagen, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen dargelegt hat. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die jeweils erhobene Sachrüge hat insoweit keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
13
Die weiter gehenden Revisionen dieser Angeklagten sind erfolgreich.
14
1. Die Verurteilung der Angeklagten L. , V. sowie M. L. sowie des Angeklagten J. wegen gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) hält schon deshalb rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellungen nicht belegen, dass die todesursächliche Gewalthandlung von ihrem Vorsatz umfasst war.
15
a) Eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 251 StGB setzt vorsätzliches Handeln voraus; nur hinsichtlich der schweren Folge genügt Leichtfertigkeit (§ 18 StGB). Hat bei einem Raub mit Todesfolge lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die anderen gemäß § 251 StGB nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist (BGH, Beschluss vom 16. April 1993 – 3 StR 14/93, BGHR StGB § 251 Todesfolge 2; Urteil vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280). Ein Beteiligter haftet gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatge- schehen einbezogen hatte (BGH, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 259/09, NStZ 2010, 81).
16
b) Der danach für § 251 StGB erforderliche Vorsatz hinsichtlich der todesursächlichen Gewalthandlungen ist für die vier auf dem Lagerplatz anwesenden Angeklagten in den Urteilsgründen nicht festgestellt.
17
aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten bei der Besprechung der Tatausführung ein gewisses Maß an Gewalt bei der Tatbegehung einplanten. Es hat lediglich festgestellt, dass die fünf Täter bewusst zusammenwirken wollten, um U. M. mit Gewalt vom Rastplatz zum Lagerplatz verbringen und ihm dort vorhandene Bankkarten wegnehmen sowie die zugehörigen PIN abpressen zu können. Die Feststellung eines ausdrücklich oder konkludent gefassten Entschlusses zur Ausübung lebensbedrohender Gewalt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil indes weder für diesen noch für einen späteren Zeitpunkt.
18
Der Senat vermag diesen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen. Zwar ist es für eine gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Auch begründet nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan bzw. den Vorstellungen des Mittäters die Annahme eines Exzesses. Die dem Opfer zugefügten Körperverletzungen dürfen jedoch nicht von wesentlich anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Mittäter es wollte und sich vorstellte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 259/09, NStZ 2010, 81 f.). Die letztlich zum Tode U. M. führende Gewalteinwirkung durch einen oder mehrere der Angeklagten ergab sich aber aus einer plötz- lichen, unerwarteten Wendung des Geschehens – Auslösung von Panik durch Fehlinterpretation des sich drehenden Briefumschlags auf dem Laptop des Opfers – und wurde durch den einmaligen, vom Angeklagten V. L. ausgeführten Schlag mit dem Laptop auf den Kopf des Opfers eingeleitet. Dass dieser Schlag und die nachfolgenden Misshandlungen nicht auf einem gemeinsamen Tatentschluss aller Angeklagten beruhte, ist schon deshalb nicht von vorneherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte S. dazwischentrat und fragte, was das solle.
19
bb) Der Senat vermag den Urteilsgründen den für eine Verurteilung nach § 251 StGB erforderlichen Vorsatz auch unter Heranziehung der Grundsätze einer sukzessiven Mittäterschaft nicht zu entnehmen.
20
Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt (vgl. dazu aber auch BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, Rn. 38). Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 aaO).
21
Das Vorliegen der Voraussetzungen sukzessiver Mittäterschaft eines oder mehrerer der vier am Lagerplatz anwesenden Angeklagten hat die Strafkammer ebenfalls nicht festgestellt. Der Senat vermag auch dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht hinreichend sicher zu entnehmen. Dass alle vier Angeklagten bei der Ausführung der schweren Misshandlungen, wie festgestellt, anwesend waren und diese mitbekamen, reicht für die Begründung sukzessiver Mittäterschaft nicht aus (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 – 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380). Allerdings wird der neue Tatrichter zu beurteilen haben, ob weitere Tathandlungen, die zu einer Vertiefung der Gewalthandlungen geführt haben können (Fesselung, Verbringen an das Ende des Waldwegs), als Grundlage für die Annahme des Handelns eines oder mehrerer Angeklagten in sukzessiver Mittäterschaft in Betracht kommen.
22
c) Die danach gebotene Aufhebung des angefochtenen Urteils erfasst auch die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge gemäß § 239a Abs. 3 StGB sowie wegen vierfachen Computerbetruges.
23
2. Für den Fall, dass der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wiederum eine Verurteilung der Angeklagten wegen Raubes bzw. erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge (§§ 251, 239a Abs. 3 StGB) in Betracht ziehen sollte, weist der Senat auf Folgendes hin:
24
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 239a Abs. 3 bzw. § 251 StGB von einer leichtfertigen Todesverursachung „durch die Tat“ nur dann ausgegangen wer- den, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen (BGH, Urteil vom 18. September 1985 – 2 StR 378/85, BGHSt 33, 322 zum Tatbestand der Geiselnahme; Urteil vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 298 zu § 251 StGB).
25
a) Sollte in der neuen Verhandlung erneut festgestellt werden – was nahe liegt und wovon das Landgericht hier ersichtlich ausgegangen ist –, dass das Verlangen der wegen des Risikos der Entdeckung angespannten Täter nach Herausgabe der weiteren PIN Auslöser für die Einwirkung auf das Tatopfer war, dürfte der qualifikationsspezifische Zusammenhang im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB im Ergebnis zu bejahen sein. Aus einer sich über eine längere Dauer erstreckenden Bemächtigungslage können psychische Belastungen nicht nur für das Opfer, sondern auch für den Täter folgen, insbesondere wegen der Befürchtung entdeckt zu werden. Die nahe liegende Möglichkeit, dass ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis auf Grund anspannungsbedingter Fehleinschätzung zu einem Gewaltausbruch gegenüber dem Opfer führt, kann daher eine tatbestandstypische Gefahr im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB darstellen.
26
b) Bei der Prüfung des qualifikationsspezifischen Zusammenhangs im Sinne des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung mit Todesfolge wird das Folgende zu bedenken sein:
27
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch eine Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 – 3 StR 66/98, NJW 1998, 3361 für den Versuch des § 251 StGB). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war (BGH, Urteile vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 298; vom 25. März 2009 – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234, 236 zu § 250 StGB; vgl. auch BGH, Urteile vom 6. April 1965 – 1 StR 73/65, BGHSt 20, 194, 196; vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 297 f.; Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 378).
28
Gemessen daran wird der neue Tatrichter der Frage der Beendigung des möglicherweise einheitlichen Raub- bzw. Erpressungsgeschehens und des Beweggrundes für die (todesursächliche) Gewaltanwendung größere Bedeutung beizumessen und dies eingehender als im angefochtenen Urteil geschehen zu prüfen und darzulegen haben.

II.


29
Zu den Revisionen der Nebenkläger:
30
Die Nebenkläger wenden sich mit der Sachrüge zu Recht gegen die Begründung , mit der das Landgericht das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten L. , V. und M. L. sowie E. J. verneint hat. Einer näheren Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht. Sie versagen im Übrigen, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, insgesamt und daher auch insoweit, als die Nebenkläger die Verurteilung des Angeklagten S. – erfolglos – angreifen.
31
1. Die Begründung des Landgerichts für die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes begegnet vor dem Hintergrund der Feststellungen zum Tatgeschehen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie lässt besorgen, dass sich die Strafkammer bei der Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hinsichtlich des voluntativen Vorsatzelements von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab hat leiten lassen.
32
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Dabei genügt es für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, NStZ-RR 2012, 105). Im Rahmen der vom Tatrichter insoweit vorzunehmenden Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände können je nach der Eigenart des Falles auch für die Feststellung des Willenselements des bedingten Vorsatzes unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte im Vordergrund stehen. Soweit Rückschlüsse auf das Wollen des Täters möglich sind, kann auch sein Wissensstand in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 10 f.).
33
b) Indem das Landgericht einerseits feststellt, den Angeklagten sei die mögliche tödliche Wirkung der gewaltsamen Einwirkung auf Kopf und Körper des Tatopfers und dessen anschließendes „Verstauen“ im Transporter bewusst gewesen, also das kognitive Element bejaht, andererseits aber ausführt, die Angeklagten hätten das Überleben U. M. s „gewollt“, was gegen das Vorhandensein des voluntativen Elements des Tötungsvorsatzes spreche, lassen die Urteilsgründe besorgen, dass die Strafkammer diesen rechtlichen Maßstab verfehlt hat. Denn die Angeklagten können schon dadurch bedingt vorsätzlich ein Tötungsdelikt verwirklicht haben, dass sie den Tod ihres Opfers – mag er ihnen auch unerwünscht oder von ihnen nicht gewollt gewesen sein – lediglich als mögliche Folge der verletzungsursächlichen Verhaltensweise und des „Verstauens“ von U. M. imFahrzeug in Kauf nahmen und sich mit ihm abfanden , indem sie das Überleben ihres Opfers dem bloßen Zufall überließen, ihnen dessen Überleben also gleichgültig war. Zudem hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass die Annahme einer Billigung im Sinne bedingten Vorsatzes auch deshalb nahe lag, weil den Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen bewusst war, dass die dargestellte Verhaltensweise samt anschließendem Verbringen des schwer verletzten Opfers in den Transporter zu dessen Tod führen könnte.
34
Die Urteilsgründe lassen ferner besorgen, dass sich die Anwendung des unzutreffenden Maßstabs auch bei der Bewertung der vom Landgericht als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen ausgewirkt hat. Insoweit hat die Strafkammer angenommen, die Angeklagten seien von einem Überleben ihres Opfers „ausgegangen“, da sie denvon ihnen genutzten Pkw Audi von Tatbeginn an vor ihm verborgen hielten und den schwer verletzten Geschädigten in seinem Fahrzeug bei laufendem Motor und – jedenfalls in ihrer Vorstellung – eingeschalteter Heizung zurückließen. Ob die Angeklagten angesichts dieser vom Landgericht selbst als objektiv wenig gewichtig bewerteten Vorsichtsmaßnahmen ernsthaft oder lediglich vage darauf vertrauten, dass der Tod nicht eintreten werde, wird vom Landgericht nicht erörtert. Der in diesem Zusammenhang ebenfalls bedeutungsvolle Umstand, dass das Fahrzeug des Opfers von den Tätern auf einem schlammigen Waldweg abseits der Bundesstraße und über einen Kilometer von der Ortseinfahrt R. entfernt im Wald festgefahren stehen gelassen wurde, wird von der Strafkammer überhaupt nicht in den Blick genommen.
35
c) Dass das Landgericht eine genaue Zuordnung der einzelnen Tatbeiträge zu den vier am Lagerplatz anwesenden Angeklagten nicht vorzunehmen und einen Entschluss zur Tötung ihres Opfers nicht feststellen konnte, steht der Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht schlechthin entgegen. Im Hinblick auf die Ausführungen zu den Revisionen der Angeklagten wird der neue Tatrichter auch insoweit ein Handeln in sukzessiver Mittäterschaft zu prüfen haben.
36
2. Hingegen hält das Urteil den Angriffen der Nebenkläger stand, soweit diese beanstanden, auch der Angeklagte S. hätte wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, jedenfalls aber wegen erpresserischen Menschenraubes und wegen Raubes, jeweils mit Todesfolge, schuldig gesprochen werden müssen.
37
a) Die Verurteilung beruht, wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat, auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
38
b) Auch die rechtliche Würdigung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte S. lediglich des Raubes im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
39
aa) Wie bereits näher ausgeführt, kommt für eine Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge im Sinne von § 251 StGB nur die Zurechnung der Folgen solcher Handlungen in Betracht, die der Täter zumindest mit bedingtem Vorsatz gewollt hat. Eine Bestrafung nach dieser Bestimmung kann daher nur erfolgen, wenn das Opfer infolge einer vom Täter gebilligten Gewaltanwendung gestorben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1993 aaO).
40
bb) Gemessen daran hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils, wonach der auch von dem Angeklagten S. mitgetragene, ursprüngliche Tatplan nur die Anwendung der für eine Beraubung erforderlichen Gewalt umfasste, keinen Rechtsfehler zum Vorteil dieses Angeklagten ergeben.
41
c) Entsprechendes gilt für die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten S. wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge im Sinne von § 239a Abs. 3 StGB. Das Landgericht durfte es unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten ohne Rechtsfehler als nicht widerlegbar ansehen, dass er beim Abstellen des Fahrzeugs des Geschädigten davon ausging , dieser sei zuvor freigelassen worden.

III.


42
Hinsichtlich der vom Landgericht getroffenen Adhäsionsentscheidung gilt Folgendes:
43
1. Soweit von ihr die Angeklagten L. , V. und M. L. sowie der Angeklagte J. betroffen sind, war sie von der Aufhebung des Urteils auszunehmen.
44
Mit der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im dargelegten Umfang wird dem zugleich mit der Ver- urteilung erfolgten Ausspruch über die Entschädigung der Adhäsionskläger die Grundlage nicht entzogen, da der Senat in der Sache nicht abschließend entscheidet. Diese Entscheidung bleibt vielmehr dem neuen Tatrichter vorbehalten (BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09, Tz. 27; Senatsurteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 – 2 StR 388/14, Tz. 7).
45
2. Hinsichtlich des Angeklagten S. hat der Senat die Adhäsionsentscheidung wie aus der Urteilsformel ersichtlich geändert.
46
a) Das Landgericht hat alle fünf Angeklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Hinterbliebenen des Tatopfers verurteilt , obgleich es sich gehindert gesehen hat, auch dem Angeklagten S. die schwere Folge des Raubes bzw. des erpresserischenMenschenraubes (§§ 251, 239a Abs. 3 StGB) zuzurechnen. Zwar haften Mittäter oder Gehilfen einer unerlaubten Handlung gemäß § 830 BGB auch hinsichtlich des Schmerzensgeldes regelmäßig in voller Höhe und nicht nur ihrem Tatbeitrag entsprechend. Eine Differenzierung bei der Höhe des Schmerzensgeldes kommt aber in Betracht, wenn die unterschiedlichen Tatbeiträge eine unterschiedliche Bemessung unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes nahe legen (vgl. nur OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. April 1998 – 14 W 19/98, Die Justiz 1999, 445). So liegt der Fall hier.
47
b) Die Verpflichtung des Angeklagten S. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes war daher nur dem Grunde nach auszusprechen; im Übrigen war von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen.
48
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten S. rechtfertigt es nicht, ihn auch nur teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).
Sost-Scheible Franke Mutzbauer
Bender Quentin

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15

Anwälte

1 relevante Anwälte

1 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

Artikel schreiben

1 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15.

1 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15.

Strafrecht: Das Bremer-Raser Urteil - Kein Eventualvorsatz aufgrund von erheblicher Eigengefährdung des Täters

09.04.2021

Ein Motorradfahrer überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Bremer Innenstadt erheblich. Infolgedessen kann er bei Wahrnehmung eines Fußgängers nicht rechtzeitig abbremsen. Nahm er den Tod dieses Unbeteiligten billigend in Kauf oder vertraute er vielmehr auf das Ausbleiben eines solchen Unfalls? Kollidiert ein – die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitender – Motorradfahrer an einem Fußgängerüberweg mit einem das Rotlicht der Ampel missachtenden Fußgänger, so spricht die erhebliche Eigengefährdung des Fahrers gegen eine vorsätzliche Tatbegehung. Auch andere objektive Umstände, wie das Verhalten bei der Tat, können eine solchen widerlegen. Dazu gehört im vorliegenden Fall insbesondere, dass der Täter bei Wahrnehmung des Passanten eine Vollbremsung einlegte – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen Rechtsanwälte

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 830 Mittäter und Beteiligte


(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

Strafgesetzbuch - StGB | § 18 Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen


Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 251 Raub mit Todesfolge


Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Dez. 2011 - 1 StR 400/11

bei uns veröffentlicht am 21.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 400/11 vom 21. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Dezember 2011, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2012 - 3 StR 446/11

bei uns veröffentlicht am 14.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 446/11 vom 14. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Februar 2012 ge

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2009 - 5 StR 65/09

bei uns veröffentlicht am 08.04.2009

5 StR 65/09 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 8. April 2009 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. April 2009, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Bas

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2007 - 1 StR 301/07

bei uns veröffentlicht am 18.12.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 301/07 vom 18. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zum Mord u. a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember 2007, an der teilgenommen haben: V

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2015 - 2 StR 388/14

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 3 8 8 / 1 4 vom 12. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und des B

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2011 - 4 StR 502/10

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 502/10 vom 27. Januar 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1 wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2 Der 4. Strafsen

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14

bei uns veröffentlicht am 17.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 158/14 vom 17. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014, an der teilgenommen haben: Richter am
8 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 72/15.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2019 - 2 StR 469/18

bei uns veröffentlicht am 24.04.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 469/18 vom 24. April 2019 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2019:240419B2STR469.18.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdefüh

Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2018 - 4 StR 158/17

bei uns veröffentlicht am 01.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 158/17 vom 1. März 2018 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:010318U4STR158.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. März 2018

Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2018 - 4 StR 311/17

bei uns veröffentlicht am 01.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 311/17 vom 1. März 2018 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:010318U4STR311.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. März 2018

Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2018 - 4 StR 399/17

bei uns veröffentlicht am 01.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 399/17 vom 1. März 2018 BGHSt: ja zu I und II BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 212 Abs. 1 Zur Bedeutung der Eigengefährdung für d

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern und im Strafausspruch aufzuheben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen; währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D. hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor herannahenden Personen zu warnen. K. und D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
4
Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W. in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten absprachegemäß - von hinten an den völlig ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her. Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
5
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K. auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den Spalierdrähten der Sträucher gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage (keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
6
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die Angeklagte D. war während des Geschehens absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten Verletzungen.
7
II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35 Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste. http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/jit/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE004118042&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
8
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt, hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen Schuldspruch.
9
1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
10
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses. Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346). Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist demnach noch möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).

11
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
12
Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung - dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die tatsächliche Tatausführung von der ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S. 19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S. erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar 2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10). Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner näheren Ausführung.
13
Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27 StGB.
14
3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
15
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
16
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 446/11
vom
14. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Februar 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 28. Juli 2011 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat; jedoch wird der Urteilstenor dahin ergänzt, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 7. Mai 2009 (127 Ls - 602 Js 1728/085 /09) und vom 29. März 2010 (126 Ls - 601 Js 2287/09-87/09) zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und "gemeinschaftlichen" Mordes in Tateinheit mit "gemeinschaftlichem" Raub mit Todesfolge unter Einbeziehung "der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 29.03.2010, Az. 126 Ls -601 Js 2287/09-87/09" zu einer Einheitsjugendstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der dieser die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Mit Blick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge bemerkt der Senat ergänzend, dass ein Schuldspruch wegen einer vollendeten Tat nach § 251 StGB nicht allein deshalb ausscheidet, weil das Opfer im Zeitpunkt der Wegnahme an den Folgen der Raubhandlung bereits verstorben war (BGH, Beschluss vom 18. August 2009 - 5 StR 227/09, NStZ 2010, 33).
3
Das Landgericht hat allerdings übersehen, dass bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe dann, wenn in die einzubeziehende Entscheidung bereits eine frühere Entscheidung einbezogen worden war, beide Entscheidungen erneut formell einzubeziehen und im Urteilstenor entsprechend zu kennzeichnen sind. Der Senat holt dies in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nach und ergänzt den Urteilstenor entsprechend.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 400/11
vom
21. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. Dezember 2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt , in der Verhandlung,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. März 2011 werden verworfen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft trägt die Staatskasse. Die Kosten des Rechtsmittels des Nebenklägers trägt dieser selbst. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte. Die dem Angeklagten durch die Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:



1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) in Tateinheit mit Beleidigung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es festgestellt, dass der Angeklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, den materiellen und immateriellen Schaden des Nebenklägers, der diesem aus der vorliegend abgeurteilten Tat erwachsen ist und noch erwächst, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden mit ihrem Rechtsmittel die Verletzung materiellen Rechts, der Nebenkläger erhebt zudem eine Formalrüge. Beide erstreben letztlich die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Den Revisionen bleibt der Erfolg versagt.

I.


2
Seiner Entscheidung hat das Landgericht Folgendes zugrunde gelegt:
3
1. Zur Person des Angeklagten:
4
Der zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte gehört der neonationalsozialistisch orientierten rechtsradikalen Szene an. Er bezeichnet sich selbst als Neonazi. Von 2004 bis 2008 war er aktives Mitglied der NPD. Dann schloss er sich dem „Freien Netzwerk Süd“ an.
5
Seit 2004 beobachtete die Polizei den Angeklagten, der „durchaus dem Führungsbereich zuzuordnen sei“, in mindestens 40 Fällen als Aktivisten der rechten Szene. Er wird von der Polizei als sehr gewaltbereit eingestuft.
6
Der Angeklagte ist begeisterter Kampfsportanhänger. Im Alter von 16 oder 17 Jahren hatte er mit dem Boxtraining begonnen. Besonders begeistert ihn das Kickboxen, das er seit 2007 in und außerhalb eines „Fight-Clubs“ be- treibt. Der Angeklagte trainiert nicht nur aus sportlichen Gründen. Als Zuhörer in der Hauptverhandlung in einem Strafverfahren gegen zwei andere Rechtsextremisten im Mai 2009 war er mit einem schwarzen Langarmshirt mit der weißen Aufschrift „Spezialist für Körperverletzungen“ bekleidet aufgefallen.
7
Wegen (gefährlicher) Körperverletzung ist der Angeklagte auch vorbestraft. Im Februar 2008 griffen er und ein Mittäter eine 18-jährige Teilnehmerin und einen 19-jährigen Teilnehmer einer Demonstration gegen eine Mahnwache der NPD zur Erinnerung an die Zerstörung Dresdens auf deren Rückweg zum Bahnhof unvermittelt mit Faustschlägen gegen den Kopf und mit Fußtritten an. Dies führte neben Prellungen zu Kopfschmerzen und Schwindel, die mehrere Tage anhielten, und bei der geschädigten Frau zudem zu einem dreiwöchigen Tinnitus an einem Ohr. Der Angeklagte wurde deshalb zu der Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung bis zum 19. März 2012 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
8
2. Zum Tatgeschehen und dessen Folgen:
9
a) Der Angeklagte, seine Freundin L. und deren Arbeitskollegin bestiegen am 28. April 2010 am Hauptbahnhof in Nürnberg gegen 13.45 Uhr die U-Bahnlinie U2. L. trug eine Bauchtasche der Marke „Thor Steinar“, deren Kleidung von der rechtsextremen Szene getragen wird. Etwa 1 ½ Minuten danach stieg an der nächsten Haltestelle (Opernhaus) der 17-jährige B. zu, der spätere Verletzte. Er war seit ca. zwei Jahren in der „Antifa-Bewegung“ politisch aktiv. Sein Blick fiel auf die Bauchtasche der Freundin des Angeklagten. Er stellte sich breitbeinig vor L. auf, beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne und warf dieser abfäl- lig die Worte „Thor Steinar“ entgegen. Dies hörte der Angeklagte und erkannte in B. einen politischen Gegner. Verärgert über dessen abfällige Bemerkung schlug der Angeklagte mit der Faust gegen dessen Kopf. Als sich B. daraufhin dem Angeklagten zuwandte, trat dieser ihm wuchtig mit dem gestreckten Bein gegen den Oberkörper, um ihn zu verletzen. B. stürzte zu Boden und riss den Angeklagten mit sich. Es kam etwa fünf Sekunden lang zu einem Gerangel mit wechselseitigen Schlägen. Dann wurden sie von einer zusteigenden Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe getrennt. Der Angeklagte stand auf und trat beim Weggehen einmal wuchtig mit seinem Fuß, an dem er straßentaugliche Turnschuhe trug, von der Seite gegen das Gesicht des noch am Boden liegenden B. . Dieser erlitt dadurch eine blutende Verletzung an der Nase.
10
Der Angeklagte verließ die U-Bahn. Beim Aussteigen beschimpfte er B. , der ebenfalls aufgestanden und im Aussteigen begriffen war, noch mit dem Wort Fotze. Der Angeklagte fuhr die Rolltreppe nach oben. Dort traf er seine Begleiterinnen, die auf seine Aufforderung „Los raus hier“ ebenfalls den Zug verlassen hatten.
11
Wenige Sekunden nach dem Aussteigen erlitt B. einen Herzstillstand und brach auf dem Bahnsteig zusammen. Die Ursache dafür war entweder der Tritt des Angeklagten gegen den Oberkörper, bei dem der So- larplexus getroffen wurde, oder eine durch die Angriffe des Angeklagten hervorgerufene affektive Erregung.
12
Ein zufällig anwesender Krankenpfleger leitete sofort Wiederbelebungsversuche ein. Nach wenigen Minuten übernahmen dies über die Dauer von 45 Minuten der Notarzt und mit ihm eingetroffene Sanitäter. Der Notarzt defibrillierte währenddessen neunmal und setzte die maximale Dosis an herzanregenden Mitteln ein. Als die Sanitäter B. bereits aufgegeben hatten, führte der Notarzt die Herzdruckmassage noch zehn Minuten lang durch. Unmittelbar bevor auch er abbrechen wollte, begann das Herz von B. wieder zu schlagen. B. wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert und für fünf Tage in ein künstliches Koma versetzt. Er musste sich zweier Herzkatheteruntersuchungen unterziehen. Er erlitt zudem ein Kompartmentsyndrom im Bereich des rechten Unterschenkels. Deshalb musste er achtmal operiert werden. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, ob das Kompartmentsyndrom unmittelbare Folge eines Angriffs des Angeklagten gegen das rechte Bein des Opfers oder die Folge eines Anstoßes bei der Pflege des Komapatienten war. B. leidet noch immer unter Schmerzen und an den psychischen Folgen der Tat. Er ist zu 40 % schwerbehindert.
13
Der Angeklagte hatte den Zusammenbruch seines Opfers nicht mehr gesehen. Als er von dem Fahndungsaufruf erfuhr, stellte er sich am 29. April 2011 (ein Tag nach dem Geschehen) der Polizei. Von den gravierenden Folgen seiner Tat war er sichtlich überrascht.
14
In der Hauptverhandlung entschuldigte sich der Angeklagte bei B. . Allerdings hatte er in den Tagen nach seiner Verhaftung noch versucht, seine Freundin und deren Arbeitskollegin dazu zu bewegen, bei der Polizei an- zugeben, B. habe sie angegriffen und beleidigt. Am 27. Juli 2010 schrieb er aus der Untersuchungshaft an einen Bekannten: „……. Frau futsch, Wohnung futsch, alles futsch. Warum? Weil ich getan habe, was Mann tun muss. Weil ich mich gerade gemacht habe …..“.
15
b) Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz , aber nicht mit - auch nicht mit bedingtem - Tötungsvorsatz gehandelt hat.
16
Der Angeklagte hat es weit von sich gewiesen, dass er B. habe töten wollen. Er wisse zwar aufgrund seiner Kickboxerfahrung, dass bei einem Tritt gegen den Oberkörper immer was passieren könne, aber er habe nie damit gerechnet, dass sein Angriff tödliche Folgen haben könnte. Motiv seiner Tat sei gewesen, dass das spätere Opfer seine Freundin „dumm angeredet“ habe. Er habe sich über dessen politische Einstellung keine Gedanken gemacht; er habe nicht erkannt, dass B. links orientiert sei.
17
Letzteres ist nach den Feststellungen der Strafkammer widerlegt, zumal der Angeklagte sein Opfer unmittelbar nach der Tat als „Zecke“ bezeichnete. Die Strafkammer hat dazu ausgeführt: „Allein die Tatsache, dass der Angeklagte die politische Motivation seines Handelns bestreitet und er in der Vergangenheit bereit war, politischen Gegnern gewaltbereit entgegenzutreten, rechtfertigt es jedoch nicht, bei jeglichem körperlichem Angriff gegen einen Linken davon auszugehen, dass der Angeklagte einen möglichen Todeseintritt billigend in Kauf genommen hat. Hier müssen sämtliche tatrelevanten Gesichtspunkte in eine Gesamtwürdigung einbezogen werden.“
18
Die medizinisch-sachverständig beratene Strafkammer hat bei ihrer umfassenden Würdigung insbesondere auf folgende Punkte abgestellt: - Der Tritt gegen den Oberkörper, bei dem der Solarplexus getroffen wurde, war objektiv geeignet, den Tod von B. herbeizuführen. Allerdings tritt diese Folge bei einem einmaligen Tritt extrem selten ein.
- Ein wuchtiger Tritt mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf, stellt eine Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung dar. Der Angeklagte führte den Tritt jedoch seitlich gegen das Gesicht aus, sodass der Kopf des Opfers nach hinten bewegt wurde. Zu einer „Widerlagerverletzung“ konnte es so nicht kommen. Der Tritt hat deshalb auch außer einer Beschädigung der Nasenschleimhaut keine Verletzungen hervorgerufen. Als Ursache für den Herzstillstand scheidet er aus. - Bei der Auseinandersetzung handelte es sich um ein spontanes Geschehen. Es dauerte lediglich 14 Sekunden und wurde nicht von Drohungen des Angeklagten begleitet, die einen Rückschluss auf seine Motivation zugelassen hätten. - Der Angeklagte war von der Mitteilung der Folgen seiner Tat vollkommen überrascht und darüber erschrocken, wie nicht nur sein Umfeld, sondern auch der Polizeibeamte bestätigte, dem sich der Angeklagte stellte.
19
„Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Angeklagte zwar um die be- sondere Gefährlichkeit eines Trittes gegen den Oberkörper und den Kopf wuss- te, den Tod des B. jedoch für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.“

II.


20
1. Die vom Nebenkläger erhobene Formalrüge - fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos aus tatsächlichen Gründen - ist, wie vom Generalbundesanwalt schon in seiner Antragsschrift vom 10. August 2011 zutreffend dargelegt, unbegründet.
21
2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung aufgrund der von beiden Revisionsführern erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts gefährdet den Bestand des Urteils im Ergebnis nicht.
22
a) Ob das Landgericht den Tötungsvorsatz rechtsfehlerfrei verneint hat (dazu unten aa), kann letztlich dahinstehen, da der Angeklagte von einem Tötungsversuch jedenfalls freiwillig zurückgetreten ist (unten bb).
23
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 StR 501/11 mwN).
24
Die Strafkammer kam nach Würdigung der von ihr getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis, der Angeklagte habe B. verletzen, aber nicht - auch nicht bedingt vorsätzlich - töten wollen.
25
Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten dann gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat, mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben. Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 34 mwN).
26
Bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, muss sowohl das Wissens- als auch das Willenselement im Rahmen einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt. Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH aaO Rn. 35).
27
Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil zwar weitgehend gerecht. Die Strafkammer hat bei ihrer Gesamtbetrachtung insbesondere erwogen, dass dem Angeklagten - einem Kampfsportler (Kickboxer) - die Gefährlichkeit seiner Tritte gegen die Brust (Solarplexus) und gegen den Kopf des Geschädigten bewusst war. Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass allein aus der objektiven Gefährlichkeit nicht zwingend auf den - bedingten - Tötungsvorsatz geschlossen werden kann. Die Strafkammer gelangte dann - auch aufgrund des Nachtatverhaltens - zu der Überzeugung, dass der Angeklagte bei seiner Spontantat den Tod des B. für völlig fernliegend erachtet und darauf vertraut hat, dass ein solcher auch nicht eintritt.
28
Die Strafkammer hat allerdings bei der Bewertung der Tathandlungen im Hinblick auf das Willenselement eine etwas verkürzte Betrachtung angestellt. Sie bewertet die beiden Tritte insoweit jeweils für sich: „Auch der wuchtig geführte einmalige Tritt in das Gesicht des am Boden liegenden Opfers reicht für sich allein nicht aus von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen.“ Das Landgericht hebt dann im Weiteren vor allem darauf ab, dass dieser Tritt - ex post betrachtet - zu keinen gravierenden Verletzungen führte und nicht die Ursache für den späteren Zusammenbruch B. s war. Damitkommt der maßgebliche Umstand etwas kurz, dass der Angeklagte in einer Angriffsfolge zwei - vom ersten Faustschlag ganz abgesehen - höchstlebensgefährliche Angriffe gegen sein Opfer führte. Deshalb spricht auch die Tatsache, dass die Auseinandersetzung insgesamt nur 14 Sekunden dauerte, nicht gegen einen - bedingten - Tötungsvorsatz.
29
Die fehlende - jedenfalls fehlende ausdrückliche - Bewertung der rasch aufeinanderfolgenden Verletzungshandlungen im Zusammenhang könnte eine Lücke und damit einen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung darstellen. Ob dieser durchgreifend wäre, ob also auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei deutlicher Gewichtung auch dieses Aspekts in der Beweiswürdigung zur Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes gekommen wäre, kann jedoch dahinstehen.
30
bb) Denn hätte der Angeklagte bedingt vorsätzlich versucht, B. zu töten, so wäre er nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer von diesem Tötungsversuch - freiwillig - strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB).
31
Von einem unbeendeten Versuch kann der Täter durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228). Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nach seinem Kenntnisstand nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet, und sei es auch nur in Verkennung der durch seine Handlung verursachten Gefährdung des Opfers, und die Vollendung aus seiner Sicht noch möglich ist (BGH aaO, 227).
32
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar wurden die am Boden liegenden Kämpfenden, der Angeklagte und B. , von einer Reinigungskraft der Verkehrsbetriebe zunächst getrennt. Nach dem Aufstehen war der Angeklagte jedoch in der Lage, seinen Angriff sofort fortzusetzen und er tat dies auch mit einem wuchtigen Tritt in das Gesicht seines noch am Boden liegenden Opfers. An weiteren Fußtritten - in schneller Folge - war er nicht gehindert. Er entfernte sich jedoch. Davon, dass er B. bereits in extreme Lebensgefahr gebracht und damit im Grunde schon alles getan hatte, um ihn zu töten, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nichts.
33
b) Die Strafzumessungserwägungen enthalten keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten.

34
Zwar darf der Vollzug der Untersuchungshaft an sich nicht mildernd berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11 Rn. 9). Die Strafkammer erwähnt dies aber allein in dem Zusammenhang, dass der Angeklagte „sich am Tag nach der Tat selbst bei der Polizei gestellt hat und sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft befindet“. Das Landgericht hält ihm somit nur zugute, dass er sich freiwillig der Strafverfolgung stellte, mit vorhersehbar für ihn sofort einschneidenden Folgen (Untersuchungshaft). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Wahl Rothfuß Hebenstreit Jäger Sander

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

5 StR 65/09

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 8. April 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. April
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Bundesanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P.
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt V.
alsVertreterderNebenkläger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2008 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und den Schmerzensgeldanspruch der Eltern des Getöteten, die sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen haben, als dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Nebenkläger erstrebt eine Verurteilung wegen Mordes. Das Rechtsmittel hat – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Der 1975 geborene Angeklagte stammt von den Kiribati-Inseln und übte im Jahr 2007 seinen Beruf als Vollmatrose auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Motorschiff „H. I. “ aus.
4
Mit der als Stewardess an Bord beschäftigten A. vereinbarte er entsprechend den Gebräuchen ihrer gemeinsamen Heimat ein formelles Verwandtschaftsverhältnis als seine Schwester. Dies umfasste seine Berechtigung, der Frau Anweisungen zu erteilen und sie zu züchtigen.
5
Der als Auszubildender zum Schiffsmechaniker an Bord beschäftigte Sohn der Nebenkläger K. ging mit A. ein intimes Verhältnis ein. Damit war der Angeklagte einverstanden. Es entwickelte sich sogar eine Freundschaft zwischen dem Angeklagten und K. , der in seiner Freizeit den Kampfsport Taek Wan Do betrieb. Während eines gemeinsamen Landgangs am 2. November 2007 kam es zum Streit zwischen dem Angeklagten und A. , in den sich K. auf Seiten seiner Freundin einmischte. Der Angeklagte untersagte A. den Umgang mit dem K. und lehnte dessen mehrfach geäußerten Wunsch nach einem klärenden Gespräch ab. K. traf sich fortan heimlich mit seiner Freundin, was der Angeklagte vermutete. Er drohte A. unter Vorhalt eines Taschenmessers (des späteren Tatmessers) und sagte ihr, wenn sie so weitermache, würde ihr oder ihrem Freund etwas passieren. Dies verstand die Zeugin als Todesdrohung.
6
b) A. erzählte hiervon ihrem Freund. K. nahm die Drohung ernst und bekam Angst. Er berichtete darüber seinem Vorgesetzten, einem deutschen Chefingenieur, der seinerseits den deutschen Kapitän informierte. Auf dessen Weisung forderte der erste Offizier am 6. November 2007 gegen 10.00 Uhr vom Angeklagten die Herausgabe von dessen Pass. Der Angeklagte befragte mehrere Besatzungsmitglieder, deren Pässe indes nicht herausverlangt worden waren. Hieraus schloss der Angeklagte auf die Absicht des Kapitäns, das Seemannsverhältnis zu kündigen, weil der Angeklagte den K. bedroht hatte.
7
c) Der Angeklagte suchte anschließend nach K. . Er wollte mit ihm reden und erhoffte sich, dass dieser bei dem Kapitän die Dinge aus seiner Sicht richtig stellen würde. Er sah K. im Maschinenkontrollraum. „Er klopfte. K. ging seiner Arbeit nach, las die Instrumente ab und zeichnete Daten auf. Er hatte deshalb einen Kugelschreiber in der Hand. (…) (Der Angeklagte) fragte K. , ob er dem Kapitän Bericht erstattet habe. K. antwortete ihm, es treffe zu; er habe mit dem Chefingenieur gesprochen und dieser mit dem Kapitän. T. war schlagartig klar, dass er keine Chance mehr hatte und es keinen Sinn mehr machte, mit K. über die Kündigung zu reden. Er drehte sich deshalb um, um zu gehen. In diesem Moment hörte er K. kurz lachen und sinngemäß sagen: ‚T. , Du bist fertig, Du bist fertig. Siehst Du T. , von Deutsch zu Deutsch ist alles einfach.’ T. fühlte sich von dieser Äußerung tief getroffen, so dass sich seine unterdrückte Wut schlagartig entlud. Innerhalb kürzester Zeit geschah Folgendes: T. drehte sich um, trat an K. heran und drückte wutentbrannt sein Gesicht an das Gesicht von K. . Er wollte K. als entlarvten Urheber der Kündigung, der ihn dazu noch herabwürdigte , jetzt töten. K. schubste T. von sich weg und rief ,Raus’. Es kam zu einer kurzen Rangelei. (…) Der Angeklagte zog das Taschenmesser (…) und öffnete es per Druckknopf. T. stach sofort mehrfach zu. Dabei hielt er K. fest, der infolge der Stiche zu Boden ging. Insgesamt fügte T. dem Opfer in kürzester Zeit 19 Stiche und Schnittverletzungen zu. Zweimal stach er in den Brustkorb, fünfmal in den linken Arm des Opfers, dreimal in dessen Gesäß und sechsmal in seinen Rücken. Die genaue Reihenfolge der Stiche steht nicht fest, jedoch führte T. die Stiche in Brustkorb und Gesäß unwiderlegt zuerst aus. Bei allen Stichen stand T. vor dem Opfer und hielt es fest. Dabei ist unwiderlegt, dass T. die Stiche in den Rücken des Opfers ebenfalls ausführte, als er vor ihm stand. Die beiden Stiche in den Brustkorb eröffneten die linke Brustkorbhöhle; einer der Stiche verletzte auch den Herzbeutel. (…) Bei den Stichen in den Rücken bewegte er zum Teil mehrfach das Messer in einer Wunde. Drei der Stiche in den Rücken waren oberflächlich, drei Stiche tiefergehend. Einer dieser Stiche war ca. 12 cm tief, eröffnete den Brustkorb, verletzte die Lunge, die Brustschlagader (…) und endete im Brustwirbel. Diese Stichverletzung führte zum Verbluten des Opfers und nach kurzer Zeit zu dessen Tod.“ (UA S. 10 bis 12)
8
2. Das Schwurgericht stützt die Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in allen wesentlichen Punkten auf die als unwiderlegt erachteten Angaben des Angeklagten. Es hat indes das weitergehende Verteidigungsvorbringen des Angeklagten, dass er in stark alkoholisiertem Zustand einen Angriff des K. abgewehrt hätte, als unzutreffend beweiswürdigend widerlegt. Die Bekundungen des Angeklagten, A. habe ihm von der Kündigung und deren Grund berichtet, hat das Landgericht ebenfalls nicht geglaubt. Die Schwurgerichtskammer nimmt an, dass die vom Angeklagten angegebene Reihenfolge der Stiche mit dem Verletzungsbild übereinstimme. Zwar habe der rechtsmedizinische Sachverständige hierzu nichts sagen können; er habe es aber für möglich gehalten, dass die vom Angeklagten geschilderte Version – Einstechen auf das durch Umklammern fixierte Opfer im Stehen von vorne – möglich sei.
9
Soweit der Angeklagte unmittelbar nach der Tat der Zeugin Ke. einen anderen Tatablauf – drei bis vier Stiche in den Rücken, Drehen des Opfers und Stiche in den Bauch und das Bein – geschildert hatte, könne auf die insoweit verlesene richterliche Aussage dieser Zeugin nichts gestützt werden. Es handele sich um eine Zeugin vom Hörensagen. Die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung angegebene Version stimme mit dem Verletzungsbild überein. Daher hat es das Landgericht für möglich gehalten, dass die Zeugin eine falsche Erinnerung gehabt haben könnte.
10
Das Landgericht hat es als naheliegend bewertet, dass der neben dem von K. normalerweise benutzten Stuhl des Maschinenkontrollraums aufgefundene „kaputte Gehörschutz“ (UA S. 26) derjenige des Getöteten gewesen war. Davon, dass K. diesen Gehörschutz auch getragen hatte und deshalb nicht bemerkt haben könnte, wie sich der Angeklagte ihm genähert hatte, hat sich das Landgericht beweiswürdigend nicht überzeugt.
11
3. Auf der Grundlage der auf diese Weise getroffenen Feststellungen hat das Landgericht eine heimtückische Tötung verneint. Der Angeklagte habe nach einem Streitgespräch und nach einem kurzen Gerangel auf das um die zuvor erfolgte Drohung wissende, ängstliche Opfer von vorne eingestochen. Das Landgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes ohne Anhörung eines Sachverständigen eine affektbedingte tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Umfang des § 21 StGB nicht ausgeschlossen.
12
4. Die mit der Sachrüge geführte Revision der Nebenkläger dringt durch. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts zum Tatablauf, der ganz wesentlich für die Beurteilung der Voraussetzungen des Mordmerkmals der Heimtücke ist, hält der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.
13
a) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht oder – wie hier – sich beweiswürdigend nicht vom Vorliegen eines Mordmerkmals zu überzeugen vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Fehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
14
Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass der Tatrichter einer Einlassung kritiklos gefolgt ist (vgl. BGHSt 50, 80, 85) oder dass entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, mit anderen Beweismitteln in Bezug gesetzt worden sind, deren Beweiswert indes nach unzutreffenden Maßstäben (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492) oder lückenhafter oder wer- tungsfehlerhafter Würdigung bestimmt worden ist (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 12 ff., teilweise abgedruckt in BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 20). So liegt es hier.
15
b) Die Würdigung der Einlassung des Angeklagten durch das Landgericht lässt nicht erkennen, dass sich das Schwurgericht in jeder Beziehung des schuldmindernden Charakters der Angaben des Angeklagten bewusst war. Das Landgericht hat wesentliche Angaben des Angeklagten zutreffend als widerlegt angesehen, nämlich dass er erheblich alkoholisiert gewesen sei und sich nur verteidigt habe. Die so vollzogene Bewertung zentralen Verteidigungsvorbringens als Schutzbehauptung hätte es indes erfordert, auch bei der Würdigung weiterer vom Angeklagten vorgetragener Umstände deren Charakter als kritisch zu betrachtendes Verteidigungsvorbringen zu beachten. Erst danach hätte von dessen partieller Glaubhaftigkeit – wie es das Landgericht indes durchgehend wie selbstverständlich getan hat – ausgegangen werden dürfen (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492).
16
c) Dabei offenbaren Beweiserwägungen des Landgerichts, mit denen es Angaben des Angeklagten als mit fehlerfrei festgestellten Umständen in Einklang stehend angesehen hat, Lücken und Wertungsfehler.
17
aa) Das Landgericht hat aus der vom rechtsmedizinischen Sachverständigen übernommenen Wertung, die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatversion – ein Angriff von vorn – sei möglich, eine Wahrscheinlichkeit eines solchen Tatablaufs entnommen und diese Version seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Diese Würdigung wäre indes nur fehlerfrei, wenn die gegenteilige Tatversion – Angriff von hinten – auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts als nicht genauso wahrscheinlich zu erachten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08 Rdn. 13 m.w.N.). Letzteres ist indes vorliegend der Fall. Dass ein Beginn des Angriffs von hinten medizinisch nicht weniger plau- sibel erscheint als ein solcher von vorn, versteht sich angesichts des festgestellten Verletzungsbildes von selbst.
18
Die Vereinbarkeit der jetzigen Tatversion des Angeklagten mit dem Verletzungsbild konnte daher die von der Zeugin Ke. wiedergegebene Bekundung des Angeklagten nach der Tat, er habe K. drei- oder viermal in den Rücken gestochen, dann gedreht und noch oft in den Bauch sowie ins Bein gestochen, nicht in Zweifel ziehen. Soweit das Landgericht der Zeugin, deren richterliche Vernehmung insofern verlesen worden ist, wegen möglicher falscher Erinnerung nicht gefolgt ist, offenbart auch dies durchgreifende Wertungsfehler. Das Landgericht hat die verlesene Aussage der Zeugin Ke. in anderen Zusammenhängen als uneingeschränkt glaubhaft angesehen. Danach fehlt es für die Annahme einer möglichen unzutreffenden Erinnerung an einer genügenden Tatsachengrundlage (vgl. BGHSt 51, 324, 325 m.w.N.). Allein der Hinweis, es habe sich um eine Zeugin vom Hörensagen gehandelt, macht die Möglichkeit einer falschen Erinnerung an eine von ihr gehörte, zumal durchaus markante Tatschilderung nicht wahrscheinlich.
19
Bei Bewertung der Glaubhaftigkeit von Bekundungen des Angeklagten , zum einen seiner in der Hauptverhandlung behaupteten Version – Angriff von vorn –, zum anderen der nach Angabe der Zeugin ihr gegenüber vom Angeklagten unmittelbar nach der Tat bekundete Tatablauf – Beginn des Angriffs von hinten – wäre bei abweichender Würdigung der Zeugenaussage zu bedenken gewesen, dass Äußerungen eines Täters unmittelbar nach der Tat – zumal wie hier in aufgewühltem Gemütszustand – weniger von Verteidigungsinteressen geprägt gewesen sein mögen und ihnen deshalb eine höhere Wahrscheinlichkeit innewohnt, mit der Wirklichkeit übereinzustimmen , als dies für eine viele Monate später erfolgte Einlassung in der Hauptverhandlung anzunehmen ist (vgl. auch BGH NJW 2003, 2692, 2694). Diesem Ansatz ist das Landgericht selbst gefolgt, soweit es aufgrund von Bekundungen des Angeklagten nach der Tat gegenüber dem Bordpersonal ausgeschlossen hat, dass der Angeklagte in (Putativ-)Notwehr gehandelt haben könnte.
20
bb) Die Wertung des Landgerichts, der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung geschilderte Tatablauf – Angriff von vorn – sei nicht zu widerlegen, beruht hinsichtlich weiterer Umstände auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
21
Das Landgericht hat bei dem angenommenen offenen Kampf für die Bewertung der Kampfeslage nicht alle festgestellten Umstände in die Betrachtung einbezogen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 18 und 20). Für die der Tatausführung als vorausgegangen angenommene Rangelei und die Fähigkeit des Angeklagten, K. festzuhalten, fehlt eine Betrachtung des Umstandes, dass das Opfer Kampfsportler war und sich naheliegend gegen einen offenen Angriff durch Einsatz von durch Kampftechniken geleiteten Körperkräften hätte verteidigen können. Ferner bleibt unerörtert, in welchem Zusammenhang des Kampfgeschehens der Gehörschutz des Opfers zerstört worden sein konnte.
22
cc) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei durch die Provokation des Opfers zur Tat gedrängt worden, stößt auf Bedenken, weil sie ausschließlich auf der ersichtlich nicht kritisch hinterfragten Einlassung des Angeklagten beruht (vgl. BGHSt 50, 80, 85). Darüber hinaus fußt sie ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
23
Das Landgericht ist der in der Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung des Angeklagten gefolgt, die Äußerung des Opfers habe ihn maßlos geärgert und er habe sich tief getroffen gefühlt. Dieser Umstand wäre aus Sicht des Angeklagten naheliegend als genauso wichtig zu bewerten gewesen wie ein vorhergegangener Angriff des Opfers. Der Angeklagte hat ihn indes bei seinen Äußerungen zum Tatgeschehen gegenüber den Besatzungsmitgliedern ausweislich des Urteils genauso wenig erwähnt wie den in der Hauptverhandlung behaupteten Angriff. Das Landgericht hätte deshalb zur Prüfung der Glaubhaftigkeit der Provokation – aus den gleichen zutreffenden Erwägungen, wie es dies bei dem Angriff getan hat – kritisch erwägen müssen, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tatbegehung sich hierüber ebenfalls nicht geäußert hatte. Hinzu tritt, dass – auch wenn sich ein Angriff durch das Opfer und eine Provokation durch dieses nicht zwingend gegenseitig ausschließen müssen – die Grundlagen dieser Verteidigungsvarianten eher selten zusammentreffen werden und wenigstens nach Widerlegung einer Variante die Plausibilität der Einlassung insgesamt zu prüfen gewesen wäre (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 6).
24
dd) Soweit das Landgericht aus vom Angeklagten geschilderten Erwägungen zum Zweck der von ihm gesuchten Aussprache mit K. in der Sache auch eine Plausibilität des vom Angeklagten geschilderten Tatablaufs unmittelbar vor der Provokation angenommen hat, beruht dies ebenfalls auf einer lückenhaften Würdigung festgestellter Umstände.
25
Der Angeklagte will das Gespräch mit K. gesucht haben , damit dieser ihm durch eine spätere Vorsprache beim Kapitän helfen könne. Zu diesem Zeitpunkt war dem Angeklagten aber der Kündigungsgrund , die Bedrohung K. s, bereits bekannt; er wusste auch, dass A. den Kapitän hierüber nicht informiert hatte. Damit kam für den Angeklagten das Opfer als nächstliegender, wenn nicht einziger Informant der Schiffsleitung in Frage. Die vom Landgericht dem Angeklagten auf die Mitteilung K. s, er habe über den Chefingenieur den Kapitän informiert, zugebilligte überraschende Erkenntnis, K. könne ihm nicht mehr helfen, und das daraus abgeleitete Motiv des Angeklagten , den Maschinenkontrollraum nun wieder zu verlassen, beruhen demnach insoweit auf einer unvollständigen Auswertung der die Kenntnis des Angeklagten begründenden Umstände.
26
ee) Schließlich wäre zu problematisieren gewesen, ob die angenommene Provokation des Angeklagten durch K. nicht auch deshalb eher unwahrscheinlich war, weil K. gewisse Angst vor dem Angeklagten empfand (UA S. 8, 9, 26, 39).
27
5. Die Sache bedarf insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung. Die für die Annahme des Mordmerkmals Heimtücke maßgeblichen Umstände werden ganz wesentlich von der Art der Tatausführung bestimmt. Deshalb war der Senat genötigt, die Feststellungen insgesamt aufzuheben. Nach den auch hier geltenden Grundsätzen von BGHSt 52, 96 ist die Adhäsionsentscheidung von der Aufhebung auszunehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 406a Rdn. 8).
28
6. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
29
Das aufgrund der bisherigen Feststellungen belegte Motiv des Angeklagten , Rache für die als unberechtigt empfundene, von K. durch Information eines Vorgesetzten geförderte Kündigung zu üben, wäre nicht geeignet, das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu begründen. Unter Berücksichtigung der Heimlichkeit der zudem als ungerecht empfundenen Kündigungsvorbereitungen und seiner tief empfundenen Kränkung über das Verhalten der A. entbehrte das Rachemotiv noch nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 147, 149 m.w.N.).
30
Der Versuch einer liquiden psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten sollte bei der Schwere des Tatvorwurfs trotz der vom Schwurgericht benannten Schwierigkeiten in Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung beschritten werden. In jedem Fall sollte das neue Tatgericht seine Sachkunde zumindest durch einen Sachverständigen verbreitern, der die in der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen bewertet.
Basdorf Brause Schaal Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 158/14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 18. Dezember 2013 mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag mit den Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenommen sind jedoch die Feststellungen bis zur Ausführung des Messerstichs durch den Angeklagten - diese eingeschlossen - sowie zum Geschehen in der Gaststätte und danach.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von vier Vorverurteilungen zu der Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt ; ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete , auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat weitgehend Erfolg.
2
1. Die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des heimtückisch begangenen Mordes (§ 24 Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger einen wuchtigen Stich mit einem Küchenmesser - Klingenlänge ca. 17 cm - in den oberen Rückenbereich, um ihn zu töten. Auf Aufforderung des Geschädigten versuchte er anschließend, das Messer wieder herauszuziehen; er ließ den Griff jedoch sofort wieder los, weil der Nebenkläger zu große Schmerzen erlitt. Beide gingen anschließend zu dem bis zu 300 Meter vom Tatort entfernt abgestellten Pkw des Nebenklägers, der seinen Wagen aufschloss und den Angeklagten bat, mit dessen im Auto zurückgelassenen Handy einen Krankenwagen herbeizurufen. Der Angeklagte nahm auf dem Fahrersitz Platz, täuschte aber einen Anruf lediglich vor; die Frage des misstrauisch gewordenen Nebenklägers , „ob er das mit dem Messer gewesen sei,“ verneinte er. Dem Wunsch des Nebenklägers, den Fahrersitz freizumachen, kam der Angeklagte nicht nach. Er nahm an, sein zögerliches Verhalten werde dazu führen, dass der Geschädigte in absehbarer Zeit vor Ort versterben werde. Der Nebenkläger ging sodann mit dem Messer im Rücken zu einer etwa 700 m entfernten Gaststätte. Der Angeklagte folgte ihm „in einigem Abstand“ und schloss, kurz bevor der Geschädigte die Gaststätte erreichte, zu diesem auf. Er betrat die Gaststätte in geringem Abstand zum Nebenkläger; dort anwesende Personen setzten sogleich einen Notruf an die Rettungsleitstelle ab. Letztlich konnte der Nebenkläger durch eine Notoperation gerettet werden.
4
b) Die Annahme des Landgerichts, es liege ein beendeter Versuch des Tötungsdelikts vor, von dem der Angeklagte in Ermangelung von Rettungsbemühungen nicht zurückgetreten sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Be- denken. Die Feststellungen der Jugendkammer zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten sind in einem entscheidenden Punkt lückenhaft.
5
aa) Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur BGH - Großer Senat -, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227). Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist allerdings in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber „nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums“ von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 14, und vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Beschluss vom 7. Mai 2014 - 4 StR 105/14; vgl. weiter BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335, 336; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 15a; MüKoStGB/Herzberg/Hoffmann-Holland, 2. Aufl., § 24 Rn. 80: „kurz- zeitige Fehlvorstellung“). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen , das Opfer sei bereits tödlich verletzt (BGH, Beschluss vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73, 74; Urteil vom 6. März 2013 - 5 StR 526/12, NStZ 2013, 463). So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000 - 4 StR 525/00; vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 15. August 2001 - 3 StR 231/01: das Opfer verfolgte den Täter „über eine längere Strecke“; Urteil vom 11. November 2004 - 4 StR 349/04, NStZ 2005, 331 f.: das Opfer lief die Treppe von der Empore zum Eingangsbereich der Diskothek hinunter; s. weiter BGH, Urteile vom 19. Juli 1989 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224, vom 29. September 2004 - 2 StR 149/04, NStZ 2005, 150, 151, und vom 8. Februar 2007 - 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399 f.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH, Urteil vom 11. November 2004, aaO; Beschluss vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335, 336).
6
bb) Diese zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze hat das Landgericht erkennbar nicht bedacht. Es ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte, nachdem er dem Nebenkläger das Messer in den Rücken gestoßen hatte, den Erfolgseintritt für möglich hielt (UA 36); auch ging er nach Rückkehr zum PKW des Verletzten davon aus, dass dieser alsbald versterben werde (UA 12). Die Jugendkammer hat aber keine Feststellungen zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten getroffen, als dieser bemerkte, dass sich der Nebenkläger zu der Gaststätte begab. Seinem nicht stark blutenden (UA 28) und noch nicht in akuter Lebensgefahr befindlichen (UA 15) Opfer, das nach dem Stich bereits bis zu seinem Auto gelaufen war und dort nachdrücklich die Hilfe des Angeklagten eingefordert hatte, gelang es nämlich, aus eigener Kraft die Strecke von ca. 700 Metern zu bewältigen. Unterwegs bat er noch vier Personen - vergeblich - um Hilfe. Diese Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte infolge des Verhaltens des Geschädigten sogleich oder jedenfalls alsbald nicht mehr davon ausging, diesen tödlich verletzt zu haben. Das Urteil rechtfertigt auch nicht die Annahme, der Nebenkläger habe sich bereits so weit vom Angeklagten entfernt, dass aus dessen Sicht zur Vollendung eines Tötungsdelikts ein erneuter Geschehensablauf hätte in Gang gesetzt werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11, NStZ 2012, 688, 689).
7
c) Auf dem aufgezeigten Erörterungsmangel beruht der Schuldspruch wegen versuchten Mordes. Die bisher getroffenen Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten im Rücktrittshorizont lassen einen sicheren Schluss auf einen Fehlschlag des Versuchs (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2014 - 4 StR 82/14 und 4 StR 105/14) nicht zu. Erst im Zusammenhang mit dem passiven Verhalten des Angeklagten in der Gaststätte hält das Landgericht dafür, „dass der Angeklagte in diesem Moment erkannt hat, dass sein Vorhaben gescheitert ist, den Tod (des Nebenklägers) herbeizuführen und ihn diese Erkenntnis niederdrückt“ (UA 35); das vermag jedoch die erforderlichen Feststellungen zu einem zeitlich vorgelagerten Zeitpunkt nicht zu ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 - 1 StR 735/13, NStZ-RR 2014, 201, 202). Zwar hat das Landgericht bei der Erörterung eines Rücktritts auch ausgeführt, der Angeklagte habe nach seiner Vorstellung keine naheliegenden weiteren Möglichkeiten gehabt, auf den Geschädigten einzuwirken: „Wegen seiner Unfähigkeit mit Blut umzugehen, war er nicht in der Lage, etwa das Messer herauszuziehen und erneut einzusetzen oder andere blutige Verletzungen hervorrufende Hilfsmittel einzusetzen“ (UA 36). Es ist aber schon fraglich, ob die Jugendkammer mit diesen Ausführungen einen auf einen früheren Zeitpunkt bezogenen Fehlschlag begründen wollte. Denn die zitierte Wendung schließt unmittelbar an die Bejahung eines beendeten Versuchs an. Die tatsächliche Bewertung der weiteren Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten steht zudem - wie der Generalbundesanwalt mit Recht ausgeführt hat - in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu den weiteren Feststellungen. Es war der Angeklagte, der mit direktem Vorsatz (UA 34) unter Verwendung eines Küchenmessers mit einer langen Klinge auf den Nebenkläger einstach und ferner - auf die Bitte des Geschädigten - versuchte, das Messer aus dem Rücken herauszuziehen. Diesen Versuch brach er nicht etwa deswegen ab, weiler „kein Blut sehen kann“ (UA 12), sondern weil der Nebenkläger hierdurch große Schmerzen erlitt. Dass sich der Angeklagte, der naheliegend weiterhin Zugriff auf die im Rücken des Nebenklägers steckende Tatwaffe hatte, an einer Tatvollendung auf dem Weg zur Gaststätte gehindert sah, versteht sich deshalb nicht von selbst.
8
2. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
9
Allerdings bedarf es nur der Aufhebung der Feststellungen zu dem dem Messerstich nachfolgenden Geschehen, bis der Nebenkläger die Gaststätte erreichte (§ 353 Abs. 2 StPO).
10
Die Aufhebung erfasst nicht den Adhäsionsausspruch (Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406a Rn. 8). Mutzbauer Roggenbuck Cierniak Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 8 / 1 4
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu Ziffer 3. auf dessen Antrag - und des Beschwerdeführers am
12. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 13. Mai 2014 mit den zugehörigen Feststellungen
a) in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in acht Fällen und sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Vergewaltigung in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen drängte der Angeklagte die Nebenklägerin kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Juni/Juli 2006 zu sexuellem Verkehr, den sie ablehnte. Er wandte ihr gegenüber "zunächst im Flur der Wohnung und dann auf der Couch im Wohnzimmer körperliche Gewalt" an und vollzog schließlich den Beischlaf (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Im März 2009 kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zu von ihr erneut abgelehntem Vaginalverkehr, den er "mit seiner körperlichen Überlegenheit" erzwang (Fall II. 2. der Urteilsgründe). Nähere Feststellungen zur vom Angeklagten angewendeten Gewalt waren der Strafkammer in diesen beiden Fällen nicht möglich.
4
Ende Juni 2013 begehrte der Angeklagte erneut von der Nebenklägerin Geschlechtsverkehr. Als sie das Wohnzimmer verlassen wollte, zog er sie in Richtung der Couch. Der Angeklagte verließ das Wohnzimmer, um sich ein Kondom aus dem Schlafzimmer zu holen, während sie auf der Couch sitzen blieb, "da sie nicht wusste, wohin sie hätte gehen können, ohne dass der Angeklagte ihr nachkommt". Als der Angeklagte zurückkehrte, sich neben sie setzte und sie zu küssen begann, sagte sie ihm, dass sie keinen Geschlechtsverkehr wolle, und schubste den Angeklagten von sich weg. "Der Angeklagte ließ sich davon aber nicht abhalten und führte schlussendlich den Vaginalverkehr bis zum Samenerguss durch" (Fall II. 3.5. der Urteilsgründe).
5
b) Im Fall II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe ist die vom Angeklagten angewendete Gewalt nicht mit Tatsachen belegt; die bloße Feststellung mit dem Gesetzeswortlaut ist nicht ausreichend (vgl. auch Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 284). Im Fall II. 3.5. der Urteilsgründe ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die Geschädigte mit Gewalt zur Duldung des sexuellen Übergriffs genötigt, ebenfalls nicht belegt. Anders als der Generalbundesanwalt meint, ergeben sich entsprechende Feststellungen auch nicht aus der Gesamtschau der Urteilsgründe. Denn in allen weiteren nicht zu beanstandenden Fällen hat das Landgericht das Tatbestandsmerkmal "Gewalt" im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB jeweils im Einzelnen festgestellt.
6
2. Die Aufhebung in den Fällen II. 1., II. 2. und II. 3.5. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Wegen der schwierigen Beweislage in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe könnte die Anwendung des § 154 StPO nahe liegen.
7
Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den Adhäsionsausspruch (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, insoweit in NStZ 2014, 569 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 406a Rn. 8); eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl.
Senat, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 wird hingewiesen. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

Verursacht der Täter durch den Raub (§§ 249 und 250) wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.