Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2012 - 3 K 1607/11 - geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde. Es wird festgestellt, dass auch der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des verdeckten Einsatzes technischer Mittel nach § 22 PolG.
Der am xx.xx.1958 geborene Kläger, ein ehemaliger Polizeibeamter im Dienste des Beklagten, wurde mit Urteil des Landgerichts xxx vom 05.11.1990 - xxx - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie homosexueller Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen lernte der Kläger seine Opfer überwiegend über seine ehrenamtliche Tätigkeit für die xxx kennen, für die er u.a. als Betreuer Freizeiten für Kinder und Jugendliche durchführte. Kinder und Jugendliche, die ihn sexuell interessierten, veranlasste er, ihn in seiner Wohnung zu besuchen. Dort zeigte er ihnen zunächst regelmäßig harmlose Videofilme, und ging bei Folgebesuchen dazu über, Pornofilme zu zeigen, um eine sexuelle Stimulanz herbeizuführen. An einem Jugendlichen vollzog der Kläger den Analverkehr, die übrigen Kinder bzw. Jugendlichen veranlasste er zu wechselseitigem Onanieren und/oder Oralverkehr. Von einigen der Opfer fertigte der Kläger Nacktaufnahmen. Die Strafkammer ging aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten von einer verminderten Schuldfähigkeit des Klägers aus und berücksichtigte bei der Strafzumessung sein umfassendes Geständnis. Zu seinen Gunsten wurde auch die freiwillig aufgenommene psychotherapeutische Behandlung sowie der Umstand berücksichtigt, dass die Kinder die sexuellen Handlungen freiwillig mitgemacht und keine psychischen Folgeschäden erlitten hätten. Die Vollstreckung der Reststrafe wurde nach Verbüßung der Halbstrafe zum 16.03.1992 zur Bewährung ausgesetzt. Der Arzt und Psychotherapeut W. R. bestätigte mit Schreiben vom 01.02.1993 den erfolgreichen Abschluss der Psychotherapie. Mit Beschluss vom 03.05.1994 verkürzte die Strafvollstreckungskammer die ursprünglich auf drei Jahre festgesetzte Bewährungszeit um zehn Monate. Die Reststrafe wurde mit Wirkung vom 26.05.1994 erlassen.
Seit 1996 ermittelte die Staatsanwaltschaft xxx wiederholt gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Ermittlungsverfahren wurden jeweils gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, in einem Fall wurde bereits das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels eines Anfangsverdachts im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO nicht eingeleitet.
Im März 2007 gab ein damals 22jähriger Beschuldigter einer Raubstraftat im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung an, er sei im Alter von 13 oder 14 Jahren von dem Kläger viermal zum Oral- und Analverkehr gezwungen worden. In dieser Sache verurteilte das Landgericht xxx den Kläger mit Urteil vom 10.03.2010 - xxx - wegen sexuellen Missbrauchs in vier Fällen eines zur Tatzeit 1995/1996 11jährigen Jungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Die Verurteilung erfolgte nach einer Verständigung gemäß § 257 c StPO.
Der Kläger ist 1. Vorsitzender des Wassersportvereins IG xxx, der mit dem Yachtclub xxx eine gemeinsame Bootsanlegestelle in xxx xx xxx unterhält. Von dieser Anlegestelle aus unternimmt der Kläger mit seinem Kajütboot Ausfahrten auf dem Rhein. Immer wieder nimmt er dabei auch männliche Kinder und Jugendliche mit, mit denen zusammen er auch auf dem Boot übernachtet. Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte des Klägers war dieses Verhalten Gegenstand einer gemeinsamen Vorstandssitzung beider Vereine am 15.11.2005. Der Kläger erklärte damals, sein Fehlverhalten liege mittlerweile 16 Jahre zurück und sei bei der Aufnahme in den Verein bekannt gewesen. Schon aus Eigeninteresse nehme er nur Kinder und Jugendliche auf das Boot mit, mit deren Eltern er gut bekannt sei.
Ein Beamter der Kantonspolizei xxx, der Mitglied des YC xxx ist, teilte am 11.03.2010 einem Kollegen von der Kriminalpolizei xxx mit, dass im YC xxx in den letzten Jahren immer wieder beobachtet worden sei, wie der Kläger mit männlichen Kindern und Jugendlichen mit seinem Boot auf dem Rhein unterwegs sei und auch übernachte. Darauf angesprochen, habe er erklärt, dass alles mit den Eltern abgesprochen und auch sonst in Ordnung sei.
Am 19.04.2010 ordnete das Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion -, gestützt auf § 22 PolG, für die Zeit bis zum 19.07.2010 die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gegen dem Kläger an. In der Antragsschrift des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums vom 14.04.2010 hieß es, der homosexuell orientierte Kläger, der - wie das Verfahren vor dem Landgericht xxx im Jahr 1990 ergeben habe - zudem an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leide, habe über viele Jahre hinweg Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gesucht, sie in seiner Wohnung, in seinem Bett und auf seinem Boot übernachten lassen. Diese Situationen habe er zur Begehung von Sexualstraftaten genutzt, und zwar auch, als im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht xxx im Jahre 1990 der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt gewesen sei bzw. als Freigänger während der Verbüßung der anschließenden Strafhaft. Wie die weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in den 90er Jahren gezeigt hätten, habe durch die Vernehmung der geschädigten Jungen kein Tatnachweis geführt werden können, weil diese wegen ihrer Scham- und Schuldgefühle keine belastenden Aussagen gemacht hätten. Im Jahre 1989 seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers viele Lichtbilder von den nackt fotografierten Jungen gefunden worden. Daraufhin seien die Geschädigten eher bereit gewesen, belastende Angaben zu den sexuellen Handlungen zu machen. Dass der Kläger nun wiederum 10- bis 16jährige Jungen in der Regel mit Einverständnis der Eltern in seiner Wohnung und auf seinem Boot übernachten lasse, begründe zwar nicht den Anfangsverdacht einer Straftat, weshalb strafprozessuale Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Die verdeckten Observationsmaßnahmen dienten aber dazu, festzustellen, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme und mit ihnen dort nächtige, um so potentiell Geschädigte zu erkennen und zu identifizieren, damit bevorstehende Straftaten erkannt und ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. Die verdeckten Observationen seien geeignet und erforderlich, weil durch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe die vollzugspolizeiliche Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht erfüllt werden könne.
Am 12.07.2010 wurde die Anordnung der verdeckten Observationsmaßnahmen bis zum 19.10.2010 verlängert. In der Antragsschrift vom 09.07.2010 führte das Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität u.a. aus, durch die bislang durchgeführten Maßnahmen sei festgestellt worden, dass der Kläger sowohl in seiner alten als auch in der neuen Wohnung tagsüber wiederholt Besuch von Jugendlichen gehabt habe. Der am 24.01.1994 geborene xxx-xxx sei insgesamt fünfmal zu Besuch in den Wohnungen gewesen, an sechs weiteren Tagen habe der Kläger ihn im Auto mitgenommen und an zehn Tagen sei er zusammen mit ihm meistens für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen. Nach einem gemeinsamen Tag auf dem Boot habe er in einer Art und Weise, die einen sexuellen Bezug vermuten lasse, gesagt, „geil, geiler, geiler, am geilsten“, und kurz darauf noch einmal, „es war so geil“. Zu dem am 03.08.1995 geborenen, allerdings noch sehr kindlich aussehenden xxx habe der Kläger einen noch engeren Kontakt gehabt. Er sei dreimal mit ihm für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen und sei oft zusammen mit ihm Auto gefahren. Wiederholt habe ihn der Jugendliche auch in seiner Wohnung besucht und fünfmal dort übernachtet. Zweimal hätten sie sich zusammen auf einem Gartengelände mit einer Hütte aufgehalten. Bereits zuvor sei das Kraftfahrzeug des Klägers insgesamt 24mal in der Nähe des Gartengrundstücks festgestellt worden, und zwar teilweise für mehr als zwei Stunden. Durch die polizeirechtlichen Maßnahmen hätten zwar noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Die Verhaltensweisen des Klägers bezüglich sexuell motivierter Kontakte zu männlichen Kindern und Jugendlichen hätten sich über die Jahre hinweg jedoch nicht verändert. Der Kläger suche über die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses u.a. mit den Eltern Kontakt zu den Jungen und verbringe mit ihnen seine Freizeit. Insbesondere die Übernachtungen des 14jährigen xxx begründeten den Verdacht eines sexuellen Verhältnisses. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft bestehe derzeit jedoch noch kein Anfangsverdacht einer Straftat.
Im Zuge der weiteren Observationen wurde im August 2010 festgestellt, dass der Kläger mit einem 12jährigen Jungen im Einverständnis mit dessen Eltern einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Kajütboot machen wollte. Bereits die Nacht vom 19. auf den 20.08.2010 verbrachte der Kläger zusammen mit diesem Jungen und xxx in seinem Kajütboot auf dem Rhein, bevor sie am 20.08.2010 rheinabwärts nach xxx fuhren, wo das Boot für mehrere Tage anlegte. Am 24.08.2010 leitete die Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts von Straftaten gemäß §§ 176, 176 a und 182 StGB ein. Der Verdacht konnte jedoch durch die - richterlich angeordnete - Durchsuchung der Person, der Wohnung, des Arbeitsplatzes und des Kajütbootes des Klägers am 26.08.2010 nicht erhärtet werden. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin beendet.
10 
In dem Abschlussbericht des Regierungspräsidiums Freiburg - Landespolizeidirektion - vom 28.06.2011 hieß es, es bestehe die begründete Vermutung, dass durch die am 26.08.2010 durchgeführte Durchsuchung ein unmittelbar bevorstehender sexueller Missbrauch des damals 12jährigen xxx auf dem Kajütboot habe verhindert werden können. Es sei zu scheinbar unauffälligen körperlichen Annäherungsversuchen des Klägers mit einer von dem Jungen nicht erkannten sexuellen Motivation gekommen.
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Mit Verfügung vom 15.07.2011 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Dem Kläger könnten keine sexuellen Kontakte zu Kindern im Sinn des § 176 StGB oder ein sexueller Missbrauch von Jugendlichen nachgewiesen werden. Die als Zeugen vernommenen Kinder und Jugendlichen, die sich u.a. auf dem Boot des Klägers aufgehalten hätten und als Tatopfer in Betracht kämen, hätten in Abrede gestellt, dass sie jemals Sexualverkehr mit dem Kläger gehabt hätten oder dass er versucht habe, sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen. Auch die weiteren vernommenen Zeugen, insbesondere die Eltern bzw. Angehörigen der Jungen, hätten angegeben, keine Wahrnehmungen über einen Missbrauch gemacht zu haben. Die molekulargenetische Untersuchung von Spermaspuren an dem auf dem Boot sichergestellten Bettzeug und der Abgleich mit den DNA-Mustern der als Tatopfer in Betracht kommenden Zeugen habe nicht zu Ergebnissen geführt, die geeignet seien, diese Angaben zu widerlegen. Die Durchsuchung der Wohnung und des Bootes des Klägers sowie die Auswertung der bei ihm sichergestellten Datenträger hätten ebenfalls keine Tatnachweise erbracht.
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Am 19.08.2011 erhob der Kläger Feststellungsklage zum Verwaltungsgericht Freiburg, zu deren Begründung er vortrug: Auch nach Beendigung der auf § 22 PolG gestützten Maßnahmen dauere der Eingriff in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fort. Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens behaupte das Regierungspräsidium Freiburg weiterhin, dass gegen ihn ein Tatverdacht bestehe. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung aus dem tiefen Eingriff in seine Grundrechtspositionen. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen seien auch in der Sache rechtswidrig. Den Polizeibehörden sei seit Jahren bekannt gewesen, dass der Kläger seine Freizeit mit Kindern und Jugendlichen auf dem Kajütboot verbringe, ohne dass es zu Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung gekommen sei. Irgendwelche Besonderheiten, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, habe es nicht gegeben. Stattdessen seien kriminalistische Bauchgefühle für das Vorgehen des Beklagten ausschlaggebend gewesen. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wäre ohne die verdeckten Maßnahmen auch weder gefährdet noch beeinträchtigt worden. Denn der Beklagte hätte als mildere Ermittlungsmaßnahme etwa die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern zu etwaigen sexuellen Übergriffen seitens des Klägers befragen oder das Kajütboot auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen hin untersuchen können. Das habe umso näher gelegen, als ohnehin höchstens ein Gefahrenverdacht bestanden habe. Zudem sei das Ziel des Beklagten nicht die präventive Datenerhebung zur Verhinderung von Straftaten gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht Beweise für ein zukünftiges Strafverfahren zu beschaffen. Dies sei jedoch unzulässig, weil der Bundesgesetzgeber die Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen seiner Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren mit den §§ 100 c, 100 d, 163 f und 100 h StPO abschließend geregelt habe.
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Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er führte aus, es habe sich bei den angeordneten Maßnahmen um solche der Gefahrenabwehr gehandelt, weshalb es nicht auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht ankomme. Durch die strafprozessuale Durchsuchung habe auch tatsächlich eine schwere Straftat i.S. des § 176 a StGB verhindert werden können. Dem Behördenleitervorbehalt aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG sei Rechnung getragen und der Kläger sei entsprechend § 22 Abs. 8 PolG nachträglich über die verdeckten Maßnahmen unterrichtet worden. Die materiellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG hätten ebenfalls vorgelegen. Es habe konkrete, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung begehen könne. Der Kläger habe weiterhin Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gepflegt, was für einen Mann seines Alters und mit seiner Vorgeschichte großen Bedenken begegne. Die vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltensweisen, die in seiner Persönlichkeit gründeten und ein gewisses Schema erkennen ließen, begründeten die Vermutung, er werde auch zukünftig sexuell motivierte Straftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begehen. Alle von ihm ausgewählten Kinder stammten aus sozial schwachen Familien. Durch das Anbieten und Gewähren von Vergünstigungen in Form von Nachhilfe, Freizeitaktivitäten, Bootsaufenthalten, Liebesbekundungen per SMS, Massagen und Geschenken habe der Kläger immer wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern geschaffen. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilungen könne daraus auf den Hang zur Begehung erheblicher Straftaten geschlossen werden. Mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine zeitliche und räumliche Rundumüberwachung habe nicht stattgefunden. Dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Klägers sei dadurch hinreichend Rechnung getragen worden, dass sein Wohnbereich weder durch Videoaufzeichnungen noch akustisch überwacht worden sei.
14 
Mit Urteil vom 27.11.2012 (- 3 K 1607/11 - juris) hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung rechtswidrig waren, weil der Beklagte die formellen Anforderungen des in § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG geregelten Behördenleitervorbehalts nicht beachtet habe.
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die weiteren besonderen Mittel der Datenerhebung, deren Einsatz angeordnet worden sei, unterlägen weder dem Behördenleitervorbehalt gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG noch einem Richtervorbehalt. Auch in der Sache sei der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen hätten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung gedient. Es hätten tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Kläger künftig solche Straftaten begehen werde. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten eingesetzt worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung seien in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Die für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion werde durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürften nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden. Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze reichten grundsätzlich nicht aus, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssten vielmehr Tatsachen festgestellt werden, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Hier hätten während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern begehen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Insbesondere habe die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung nicht auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt. Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der Maßnahmen vorgebrachten Einwände griffen ebenfalls nicht durch. Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei schließlich nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig gewesen.
16 
Der Kläger trägt zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung ergänzend und vertiefend im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die angeordneten Maßnahmen insgesamt materiell rechtswidrig. Die Maßnahmen seien bereits deshalb nicht von § 22 PolG gedeckt, weil sie zu repressiven Zwecken angeordnet worden seien. Sie hätten die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollen. Unabhängig davon hätten die Voraussetzungen einer Gefahr im präventiv-polizeilichen Sinne nicht vorgelegen. Die letzte Vortat habe zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahmen über 15 Jahre zurückgelegen. Der Kläger habe im Anschluss an die erste Verurteilung eine Psychotherapie durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen. Neben den Vorstrafen habe allein der Umstand vorgelegen, dass sich (auch) männliche Kinder und Jugendliche auf dem Boot des Klägers aufhielten. Dies reiche nicht aus, um eine auf Tatsachen gestützte Gefahr zu begründen. Die kumulative Anordnung nahezu sämtlicher nach § 22 PolG möglicher Maßnahmen sei auch unverhältnismäßig. Deutlich mildere Maßnahmen, die zumindest in gleicher Weise geeignet seien, präventive Wirkung zu entfalten, lägen auf der Hand. Besonders nahe liege die zeugenschaftliche Befragung der Jugendlichen und ihrer Eltern sowie die Anordnung eines behördlichen Umgangsverbots. Schließlich sei § 22 PolG insbesondere im Fall der vorliegenden Kumulation der Maßnahmen bis hin zur vorgenommenen „polizeilichen Totalüberwachung“ und den damit verbundenen (letztlich irreversiblen) Grundrechtseingriffen ohne Richtervorbehalt mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
17 
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2012 - 3 K 1607/11 - zu ändern, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, und festzustellen, dass auch der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.
19 
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Blick auf die Eingriffsintensität der besonderen Datenerhebung nach § 22 PolG bestehe nicht das Erfordernis eines Richtervorbehalts. Der Gesetzgeber habe sich bei der Änderung des Polizeigesetzes über die Intensität des Grundrechtseingriffs Gedanken gemacht und die Eingriffstiefe typischerweise nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zugeordnet, sondern die Erweiterung der technischen Observationsmöglichkeiten je nach Einsatzart als gegenüber herkömmlichen Überwachungsmethoden milderes Mittel eingestuft. Dies gelte auch für die vorliegende Konstellation, in der für die konkrete Straftatenvorbeugung ein passgenauer Überwachungsrahmen an Maßnahmen geschnürt worden sei. Der Einsatz von GPS, eines Abhörgeräts im Auto, Observierung und Videoüberwachung seien spezifisch auf den Gefahrenkontext des Klägers zugeschnitten gewesen und hätten seinen persönlichen Rückzugsraum an Privatheit geachtet. Bis zur Türschwelle seien jedoch Erkenntnisse gesammelt und polizeiliche Ressourcen bereitgehalten worden, um im nach Lage der Dinge hinreichend wahrscheinlichen Ernstfall unverzüglich einschreiten zu können. Der Umstand, dass von mehreren polizeilichen Mitteln Gebrauch gemacht worden sei, führe nicht automatisch zu einer Vertiefung der grundrechtsrelevanten Eingriffsschwelle. Die Überwachungstätigkeit sei jeweils an die konkrete Erkenntnislage angepasst worden. Begonnen habe man mit der Überwachung per Videoaufzeichnung vom Boot, dem verdächtigsten Rückzugsraum des Klägers. Auf der Grundlage der weiteren Beobachtung sei die Überwachung nach und nach auf die GPS-Überwachung und die Verwanzung des Autos ausgeweitet worden, bevor letztlich der Hauseingang überwacht worden sei. Dies sei situationsangemessen aufgrund der tatsächlichen Entwicklung und der daran jeweils orientierten Gefahrenprognose sowie der aktualisierten taktischen Lage erfolgt. Die Überwachung sei im Rahmen der originär polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr erfolgt. Die Maßnahmen seien klar auf den Schutz gefährdeter Kinder ausgerichtet gewesen. Es handele sich um eine geradezu typische Konstellation der Verhinderungsvorsorge, in welcher der Grad des strafprozessualen Anfangsverdachts verneint worden sei, der Polizei jedoch genügend Prognoseeckpunkte vorgelegen hätten, um berechtigterweise von einer Gefährdung besonders schutzbedürftiger Personen ausgehen zu dürfen. Durch die Sammlung von Daten sei die Polizei ihrem Auftrag zur Gefahrenabwehr vor sexuellem Missbrauch von Kindern in konkret-effizienter Art und Weise nachgekommen. Durch die Erhebung der Kontakte zu potentiellen Opfern, deren Häufigkeit, Ausprägung und Umfeld habe die Polizei diese Erkenntnisse mit bekannten Mustern des Klägers und kriminalistischem Erfahrungswissen abgleichen können, um so den Zeitpunkt eines ernsthaft zu befürchtenden Umschlagens der Gefahr zur Tat eruieren und absichern zu können. Das planvolle Vorgehen des Klägers bei der Annäherung an knabenhafte Jungen und der gemeinsame Aufenthalt an privaten Orten (Boot, Wohnung, Auto) habe den Verhaltensmustern der Vortaten entsprochen. Bei dem Kläger handele es sich um einen einschlägigen Wiederholungstäter, dessen Sexualtrieb mit Hang zu männlichen Kindern und Jugendlichen sich trotz einer Therapie nach der ersten Verurteilung nicht verändert habe. Das planmäßige Vorgehen unter Aufbau eines freundschaftlichen Verhältnisses mit dem Potential zum Antesten sexueller Grenzen habe der kriminellen Energie der Vortaten entsprochen. Das „Wann“ eines manifesten Einsatzes obliege gewissen polizeitaktischen Erwägungen. Ein Abwarten signalisiere hier keineswegs ein Zuwarten auf strafrechtliche Erkenntnisse. Vielmehr sei es den konkreten Umständen des Einzelfalls geschuldet, wann eine Gefahr unmittelbar in die Tat umzuschlagen drohe. So könne sich etwa bei jugendlichen Begleitern über 14 Jahren ein anderer Bewertungsmaßstab ergeben als bei Kindern unter 14 Jahren, wo es von vornherein nicht auf die Freiwilligkeit der sexuellen Handlung ankomme. Die unmittelbare Gefahr sei hier anhand der Erkenntnisse über einen bevorstehenden Bootsurlaub mit einer möglichen, kindlichen Zielperson für sexuelle Übergriffe eingetreten. Die beabsichtigte gemeinsame Reise auf dem Boot samt der langen Zeitspanne des Beisammenseins auf engstem Raum hätte den Überwachungsradius überfordert und dem Kläger ein optimales Umfeld des sexuellen Zugriffs geboten. Dieses Risiko habe man nicht eingehen können. Deshalb seien die Durchsuchung angeordnet und die präventiven Maßnahmen gestoppt worden.
22 
Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, die Akten der Strafverfahren vor dem Landgericht xxx (xxx zzgl. Sonderbände und Bewährungsheft sowie xxx), die Akten der Staatsanwaltschaft xxx zum Ermittlungsverfahren xxx, drei Bände Akten mit Fotokopien aus polizeilichen Ermittlungsverfahren sowie die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg, soweit deren Vorlage nicht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Innenministerium verweigert worden ist, vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23 
I. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
24 
II. Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht teilweise als unbegründet abgewiesen. Der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - angeordnete Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung war insgesamt materiell rechtswidrig.
25 
1. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
26 
a) Der Kläger konnte seine Rechte nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen, so dass die Feststellungsklage nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen ist. Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt. Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht im Sinn des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, was bereits daraus zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten und auch vorgenommen wurden (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - VBlBW 2006, 152; Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 - VBlBW 2011, 239; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Aufl., § 22 Rn. 71).
27 
b) Durch den verdeckten Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 PolG ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 VwGO darstellt.
28 
c) Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) (BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <332 Rn. 22>). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 < 311 f. Rn. 32>; Senatsurt. v. 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 <469> [juris Rn. 23]). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar geht es - anders als etwa im Versammlungsrecht - nicht um Maßnahmen, die sich typischerweise kurzfristig erledigen, doch steht vorliegend der verdeckte Charakter der Maßnahmen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz vor Beendigung des Einsatzes entgegen. Denn nach § 22 Abs. 8 Satz 1 PolG wird der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen erst nach deren Abschluss unterrichtet.
29 
2. Die Klage ist auch begründet. Bereits gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, bestehen gewisse Bedenken, wobei offen bleiben kann, ob diese letztlich durchgreifen (a). Die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls als materiell rechtswidrig, weil sie - was nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG gedeckt ist - zum Zweck der Strafverfolgungsvorsorge eingesetzt wurden (b). Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob § 22 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen (c).
30 
Bei der Prüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen. Maßstab ist daher § 22 PolG in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390). Die nachfolgenden Änderungen der Vorschrift durch die Gesetze vom 20.11.2012 (GBl. S. 625) und vom 23.07.2013 (GBl. S. 233) bleiben außer Betracht.
31 
a) aa) Die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Maßnahmen des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger unterliegen anders als die längerfristige Observation und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung nicht dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG.
32 
bb) Die Maßnahmen unterliegen auch keinem Richtervorbehalt. Ein Richtervorbehalt ist im Grundgesetz für die Durchsuchung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 2 GG), für die Überwachung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 3 und 4 GG) und für die Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) vorgesehen. Wie von Art. 13 Abs. 4 GG gefordert stellt § 23 Abs. 2 PolG die Datenerhebung in oder aus Wohnungen (durch verdeckten Einsatz technischer Mittel, also insbesondere durch sog. Wanzen oder Richtmikrofone) ausdrücklich unter Richtervorbehalt. Für die hier angeordneten Maßnahmen nach § 22 PolG lässt sich ein Richtervorbehalt nicht aus dem Grundgesetz herleiten. Was Art. 13 Abs. 2 - 4 und Art. 104 Abs. 2 GG für Eingriffe in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und für die Freiheitsentziehung vorschreiben, ist grundsätzlich nicht auf andere Grundrechtseingriffe übertragbar (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 577). Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, durch welche organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen er der Gefahr einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegenwirkt. Dafür stehen ihm neben dem Richtervorbehalt auch sog. Behördenleitervorbehalte, Unterrichtungspflichten gegenüber dem Betroffenen u.ä. zur Verfügung. Nur bei besonders gravierenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann ein Richtervorbehalt von Verfassungs wegen geboten sein (BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 [Online-Durchsuchung]). Nach dieser Entscheidung ist die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen, weil sie den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme würden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand könne detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (BVerfG, a.a.O. S. 305, 323 [juris Rn. 213, 239]). Bei einem Grundrechtseingriff von derart hohem Gewicht wie dem heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System reduziere sich der Spielraum des Gesetzgebers dahingehend, dass die Maßnahme grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen sei (BVerfG, a.a.O. S. 231 [juris Rn. 241]). Für die längerfristige GPS-Observation in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die ursprünglich nicht unter Richtervorbehalt stand, hat das BVerfG demgegenüber nicht zwingend einen solchen verlangt (BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <318>).
33 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der gegen den Kläger angeordnete verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch in ihrer Intensität hinter den von Verfassungs wegen unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb damit rechnen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
34 
cc) Schwerer wiegt der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 PolG), der hier durch Abhören und Aufzeichnen der vom Kläger in seinem Kraftfahrzeug geführten Gespräche durchgeführt wurde. Zwar ist das Kraftfahrzeug nicht in gleicher Weise ein privater Rückzugsraum wie die Wohnung, doch können die Inhalte eines in einem Kraftfahrzeug geführten Gesprächs im Regelfall nicht von Dritten wahrgenommen werden. Die Gesprächspartner werden daher regelmäßig darauf vertrauen, dass ihr Gespräch nicht von Dritten mitgehört wird. Daher erscheint es bedenklich, dass der Landesgesetzgeber insoweit keinerlei verfahrensmäßige Absicherungen vorgesehen hat. Weder hat er einen Richtervorbehalt angeordnet, wie dies der Bundesgesetzgeber für die vergleichbaren strafprozessualen Maßnahmen getan hat (§ 100 f Abs. 4 i.V.m. § 100 b Abs. 1 StPO), noch hat er diese Maßnahme dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG unterworfen. Einzige verfahrensrechtliche Vorkehrung ist die Unterrichtungspflicht nach Beendigung der Maßnahme (§ 22 Abs. 8 PolG), die jedoch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zu verhindern vermag, sondern lediglich die Möglichkeit eröffnet, im Wege einer Feststellungsklage nachträglichen Rechtsschutz zu erlangen. Ob dies verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, erscheint fraglich, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil die Maßnahme sich unabhängig von der Frage, ob § 22 PolG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als materiell rechtswidrig erweist (unten b).
35 
dd) Anders als viele andere Polizeigesetze (vgl. etwa Art. 33 Abs. 5 Satz 4 BayPAG; § 30 BremPolG; weitere Nachweise bei Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E 315 f.) verlangt § 22 PolG weder eine schriftliche Anordnung der Maßnahmen noch eine Begründung. Auch die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) enthält derartige Regelungen nur für die besonderen Mittel der Datenerhebung, die dem Behördenleitervorbehalt nach § 22 Abs. 6 PolG unterliegen (vgl. Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 PolG). Weil ohne eine behördliche Dokumentation gerichtlicher Rechtsschutz kaum möglich ist, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rachor, a.a.O. E 318; BVerfG, Urt. v. 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <159 f.> zur behördlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung bei Gefahr im Verzug). Darüber hinaus ist die Pflicht zur Dokumentation heimlicher Ermittlungsmaßnahmen eine aus dem betroffenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitete Notwendigkeit (Rachor, ebd.; BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <320> zur GPS-Observation). Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie sie etwa in § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen vorgesehen ist, muss die Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung daher schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden.
36 
Diesen Anforderungen genügen die schriftlichen Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wurde, auf welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen aus polizeilicher Sicht erforderlich ist.
37 
b) Die Maßnahmen erweisen sich jedoch als materiell rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, was bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 2 und 3 PolG nicht von dieser Norm gedeckt ist.
38 
aa) Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der sich auch in anderen Vorschriften des Polizeigesetzes findet (vgl. § 20 Abs. 3, § 22 a Abs. 1 Satz 1, § 23 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6, § 25 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 2 und § 38), wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Die §§ 19 bis 25 wurden als Vorschriften für Maßnahmen der Erhebung personenbezogener Daten mit dem Änderungsgesetz vom 22.10.1991 in das Polizeigesetz aufgenommen, nachdem man erkannt hatte, dass die Polizei hierfür verfassungsgemäße Eingriffsermächtigungen benötigt. Die damalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1987 - 1 S 487/87 - NJW 1987, 3022; BVerwG, Urt. v. 20.02.1990 - 1 C 29.86 - NJW 1990, 2765 <2767> [juris Rn. 22 f.]), auf die der Gesetzgeber Bezug nahm (Begr. der LReg. zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes vom 07.05.1991, LT-Drs. 10/5230 S. 34), verstand die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als einen Unterfall der Gefahrenabwehr. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sollte sowohl die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) umfassen (LT-Drs. 10/5230 S. 38; Belz/Mußmann, a.a.O. § 20 Rn. 42; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 20 Rn. 20).
39 
bb) Einer solchen Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung nach dem NdsSOG (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348) die Grundlage entzogen. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 NdsSOG a.F. ermächtigten die Polizei dazu, personenbezogene Daten durch Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zur Vorsorge für die Verfolgung oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erheben. Das BVerfG hat diese Regelung für nichtig erklärt. Das Land Niedersachsen habe die Gesetzgebungskompetenz nur für die Verhütung von Straftaten, nicht aber für die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten. Die Verhinderung von Straftaten erfasse Maßnahmen, die drohende Rechtsverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollten, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist. Die Verhinderung einer Straftat liege daher in der Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Gefahrenabwehr nach Art. 70 Abs. 1 GG. Die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten (repressive Zielrichtung der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten) sei dagegen dem „gerichtlichen Verfahren“ und damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen (so jetzt auch BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <336 f. Rn. 33>). Der Bundesgesetzgeber habe die Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Strafverfolgung in den §§ 100 a, 110 b, 100 g und 100 i StPO umfassend geregelt. Dabei könne aus dem Umstand, dass die genannten Vorschriften an eine konkret begangene oder konkret vorbereitete Tat anknüpfen, also gerade keine Datenermittlung im Vorfeld der Begehung einer Straftat betreffen, nicht geschlossen werden, der Bundesgesetzgeber habe Raum für weitere landesgesetzliche Eingriffsnormen belassen wollen. Der Bundesgesetzgeber sei sich - wie die bestehenden Vorschriften in anderen Bereichen zeigten (etwa die §§ 81 b, 81 g StPO) - durchaus der kompetenzrechtlichen Möglichkeit bewusst gewesen, im Bereich der Strafverfolgung auch präventive Regelungen zu treffen (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005, a.a.O. S. 372 f. [juris Rn. 109]). Der Verzicht des Bundesgesetzgebers darauf, die Telekommunikationsüberwachung im Vorfeldbereich noch weiter auszudehnen, sei eine bewusste Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, seien nicht erkennbar (BVerfG, a.a.O. S. 373 [juris Rn. 110]).
40 
cc) Diese vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze sind auf die Befugnisse der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG zu übertragen (1). Diese Vorschriften können daher nur Bestand haben, wenn eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dahingehend möglich ist, dass er nur die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) umfasst (2).
41 
(1) Auch die hier streitgegenständlichen Maßnahmen sind in der StPO umfassend geregelt (§ 100 f StPO: Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes; § 100 h StPO: Herstellung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen und Verwendung sonstiger besonderer für Observationszwecke bestimmter technischer Mittel). Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, sind ebenfalls nicht erkennbar (ebenso Trurnit, VBlBW 2011, 458 <461>). Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weist in diese Richtung. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - a.a.O.) die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, der die offene Videoüberwachung von Schwerpunkten der Straßenkriminalität zum Zweck der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ermöglicht, als von der Kompetenz des Landesgesetzgebers gedeckt und nicht durch abschließende Regelungen der StPO gesperrt angesehen, es hat dabei jedoch explizit darauf abgestellt, dass sich die offene Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person deutlich von verdeckten, auf eine Zielperson fokussierten Ermittlungsmaßnahmen, wie sie in § 100 h und § 163 f StPO geregelt seien, unterscheide. Auch aus dem Regelungsinhalt des § 81 b 2. Alt. StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermögliche, trete kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind (BVerwG, a.a.O. S. 339 ff. Rn. 37).
42 
(2) Anders als im NdsSOG ist in § 22 PolG nicht ausdrücklich von der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten die Rede. Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten lässt sich, auch wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch die Strafverfolgungsvorsorge umfassen sollte, einschränkend verfassungskonform dahingehend auslegen, dass er nur die Verhütung von Straftaten umfasst (in diesem Sinne wohl auch Zeitler/Trurnit, Polizeirecht für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Rn. 573; anders noch Trurnit, a.a.O. S. 461: Verfassungswidrigkeit der Vorschrift).
43 
dd) Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten in dem dargestellten eingeschränkten Sinne verstanden hat und der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung primär der Verhütung von Straftaten dienen sollte.
44 
Die Verhütung von Straftaten erfasst nur Maßnahmen, die drohende Rechtsgutverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 369 [juris Rn. 98]). Hauptzweck ist nicht das Sammeln von Beweismitteln für ein mögliches, künftiges Strafverfahren, sondern das Verhindern der Straftat zu einem Zeitpunkt, zu dem die Strafbarkeitsschwelle noch nicht überschritten ist, in der Regel also im Planungs- oder Vorbereitungsstadium.
45 
Sowohl die schriftlichen Begründungen der Anträge auf Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung als auch die tatsächliche Durchführung des Einsatzes lassen vorliegend erkennen, dass Hauptziel der Maßnahmen die Strafverfolgungsvorsorge war. In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 hieß es unter der Überschrift „Ziele der polizeilichen Maßnahmen“ jeweils, es sollten Erkenntnisse darüber erlangt werden, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme bzw. mit ihnen dort nächtige. Dabei sollten die potentiell Geschädigten erkannt und identifiziert werden. Durch den Einbau von GPS-Satellitenortungssystemen und technischer Mittel außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlichen Wortes sollten Informationen gesammelt werden, die bevorstehende Straftaten erkennen ließen und ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Im Rahmen der Observation wurde u.a. festgestellt, dass der Kläger engen Kontakt zu einem Jungen mit sehr kindlichem Aussehen unterhielt, von dem zunächst nur der Vorname „xxx“ bekannt war. Nach den getroffenen Feststellungen hatte sich der Junge nicht nur mehrmals auf dem Kajütboot des Klägers aufgehalten, sondern auch bereits mindestens fünfmal in der Wohnung des Klägers übernachtet (28.05., 29.05., 30.05., 31.05. und 01.06.2010), ohne dass zum Zweck der Verhinderung etwaiger Straftaten eingeschritten wurde. Erst am 16.06.2010 gelang es mit den Mitteln der verdeckten Ermittlung, den Jungen zu identifizieren und sein Geburtsdatum zu ermitteln (03.08.1995). Bis zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei davon aus, dass es sich bei dem Jungen möglicherweise um ein Kind unter 14 Jahren handele. Zur strafrechtlichen Bewertung der Erkenntnisse aus den bis dahin durchgeführten verdeckten Datenerhebungen hieß es in der Antragsschrift vom 09.07.2010, es hätten noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Jedoch begründeten insbesondere die Übernachtungen des 14jährigen xxx den Verdacht eines sexuellen Hintergrunds des Verhältnisses zu den Jugendlichen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die über den aktuellen Stand der Erkenntnisse informiert sei, sei jedoch noch kein Anfangsverdacht zur Einleitung eines Strafverfahrens erfüllt. Auch im August 2010 wurde nicht zum Zweck der Verhinderung befürchteter Straftaten eingeschritten, als festgestellt wurde, dass der Kläger beabsichtigte, mit einem 12jährigen Jungen einen zweiwöchigen Urlaub auf seinem Kajütboot zu verbringen. Aufgrund der akustischen Überwachung war am 19.08.2010 ermittelt worden, dass der Kläger den Jungen bei seinen Eltern abgeholt hatte, die diesem seine Krankenkassenkarte, seinen Kinderausweis und 15 EUR Taschengeld mitgegeben hatten. Weiter war ermittelt worden, dass der Kläger mit dem Jungen und mit dem 16jährigen xxx zu dem Boot fuhr, das mit den Einkäufen beladen wurde und auf dem die drei Personen zusammen übernachteten. Auch als das Boot am Morgen des 20.08.2010 den Liegeplatz verließ und rheinabwärts nach xxx fuhr, wurde nicht präventivpolizeilich eingeschritten. Vielmehr wurde erst am 24.08.2010 - das Boot befand sich immer noch auf einem Gästeliegeplatz des Motorboot & Yachtclubs xxx - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und zugleich mit der Einleitung des Verfahrens beim Amtsgericht xxx ein Durchsuchungsbeschluss für die Person, die Wohnung, die Geschäftsräume, die Fahrzeuge und das Kajütboot des Klägers erwirkt. Angesichts dieses Geschehensablaufs ist die Einlassung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht informatorisch befragten Polizeibeamten xxx, man sei zunächst nicht eingeschritten, weil man keine Kenntnis gehabt habe, ob der Junge tatsächlich mit auf das Boot gehen würde, nicht nachvollziehbar. Soweit der Polizeibeamte auf die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten, warum nach dem Beladen des Bootes nicht eingeschritten worden sei, antwortete, es sei eine Frage der Taktik gewesen, zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Straftat festgestellt werden können, belegt dies gerade, dass Zweck der Maßnahmen nicht in erster Linie die Verhütung von Straftaten, sondern die Strafverfolgungsvorsorge war. Nur mittelbar sollten die Maßnahmen, die darauf zielten, Beweismittel zu sammeln, um irgendwann ein Ermittlungsverfahren einleiten zu können und den Kläger der Strafverfolgung zuzuführen, auch der Verhütung weiterer Straftaten dienen.
46 
Gegen die Annahme, die Maßnahmen hätten der Verhütung von Straftaten gedient, spricht auch, dass sie hierzu objektiv nicht geeignet waren. Bezüglich etwaiger Sexualdelikte zum Nachteil der Jugendlichen, die in der Wohnung des Klägers übernachteten, war die Möglichkeit zu einem präventiven Einschreiten vor einer Verletzung des Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung der Betroffenen schon deshalb nicht gegeben, weil die verdeckten Maßnahmen sich nicht auf die Wohnung selbst erstreckten und daher keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden konnten, ob und wann es zu der befürchteten Rechtsgutsverletzung kommt.
47 
Vor diesem Hintergrund lässt sich die präventive Zielrichtung der Maßnahmen auch nicht mit der abstrakten Erwägung begründen, dass im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben müsse (so das Verwaltungsgericht, a.a.O. Rn. 56).
48 
Keiner Entscheidung bedarf es, ob in Fällen, in denen der verdeckte Einsatz technischer Mittel sowohl nach der Begründung der zugrunde liegenden Anordnung als auch nach der tatsächlichen Durchführung auf die Verhütung von Straftaten ausgerichtet ist, Fehleinschätzungen und -entscheidungen einzelner Polizeibeamter, die nicht an diesem Zweck ausgerichtet sind, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes in Frage stellen. Denn das Nichteinschreiten bei befürchteten Straftaten zum Nachteil des xxx und das sehr späte Einschreiten - durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und gerade nicht durch präventivpolizeiliches Handeln - im Zusammenhang mit dem Bootsurlaub mit einem 12jährigen Jungen im August 2010 stellen sich nicht als Fehlentscheidungen einzelner Beamter dar, sie fügen sich vielmehr nahtlos in das mit den Maßnahmen verfolgte Konzept ein.
49 
ee) Auf das Vorliegen einer erheblichen Gefahr (§ 22 Abs. 2 1. Alt. PolG) oder einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) wurden die Anordnungen zu Recht nicht gestützt.
50 
Eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne hat nämlich nicht bestanden. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134, vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 und vom 25.10.2012 - 1 S 1401/11 - VBlBW 2013, 178).
51 
Anknüpfungspunkt für eine Gefahr kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vergangenheit begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Dies gilt umso mehr, als die letzte Tat bei Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung bereits 15 Jahre zurücklag, seither einige Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden und der Kläger zuletzt zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Der Kläger hat zudem bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten keine Gewalt angewendet, vielmehr ist es ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit. Da das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung in § 22 Abs. 3 PolG nicht aufgeführt ist, kommt insoweit die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung sowie des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger nicht in Betracht. Auch die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen scheidet aus, weil es insoweit nach § 22 Abs. 2 PolG einer erheblichen Gefahr für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung bedürfte. Dies würde voraussetzen, dass die Verwirklichung eines Straftatbestandes unmittelbar bevorsteht (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 22 Rn. 13 und § 28 Rn. 14).
52 
c) Erweisen sich danach die streitgegenständlichen Maßnahmen insgesamt als rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, kann der Senat offen lassen, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch aus anderen Gründen in Betracht gekommen wäre.
53 
Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob § 20 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen.
54 
Nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG können die besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt werden zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (Abs. 2) bzw. von Straftaten mit erheblicher Bedeutung (Abs. 3), wobei der Begriff der Straftaten mit erheblicher Bedeutung in Abs. 5 legal definiert wird. Durch den Verweis auf § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG ergibt sich, dass die Daten erhoben werden dürfen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen.
55 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen gleichen damit denen des § 33 a Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG, den das Bundesverfassungsgericht u.a. mangels hinreichender Bestimmtheit für nichtig erklärt hat. Nach dieser Vorschrift durften Daten erhoben werden über Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 377 ff. [juris Rn. 122 ff.]), dass bei polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden müssten. Die Situation der Vorfeldermittlung sei durch eine hohe Ambivalenz der potenziellen Bedeutung einzelner Verhaltensumstände geprägt. Die Indizien oder einzelne beobachtete Tätigkeiten könnten in harmlosen, strafrechtlich unerheblichen Zusammenhängen verbleiben; sie könnten aber auch der Beginn eines Vorgangs sein, der zur Straftat führt. Sehe der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so habe er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm müsse handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist. Eine Ermächtigung, nach der die auf Tatsachen gegründete, nicht näher konkretisierte Möglichkeit genüge, dass jemand irgendwann in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werde, werde dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Es seien vielfältige Anknüpfungen denkbar, die nach hypothetischem Kausalverlauf in der Straftatenbegehung eines potenziellen Täters münden könnten. Weder hinsichtlich möglicher Indikatoren und des Grads der Wahrscheinlichkeit eines solchen Ablaufs noch in zeitlicher Hinsicht sehe das Gesetz Beschränkungen vor. Die im Vorfeld künftiger Straftaten bestehenden Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatenbegehung mündenden Verhaltens würden in der Ermächtigung nicht durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt. Die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs obliege vielmehr der Polizei. Sie entscheide ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit des Bürgers und müsse sich die Maßstäbe dafür selbst zurechtlegen. Sie werde insoweit gewissermaßen tatbestandsergänzend tätig. Die Schaffung eingriffsbeschränkender Maßstäbe sei aber Aufgabe des Gesetzgebers. Die Unbestimmtheit und das damit einhergehende Risiko der Fehlprognose würden nicht durch die Ausrichtung auf "Straftaten von erheblicher Bedeutung" vermindert. Dieses Tatbestandsmerkmal biete keine Anhaltspunkte dafür, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeute.
56 
Überträgt man diese - sehr hohen - Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat auf die hier herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG, wird man ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit der Norm ausgehen müssen. Zwar betraf die angeführte Entscheidung Eingriffe in Art. 10 GG, doch ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts nicht spezifisch auf Art. 10 GG zugeschnitten. Es spricht daher vieles dafür, dass die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze auch für andere verdeckte Ermittlungsmethoden gelten, sofern sie zu vergleichbar intensiven Grundrechtseingriffen führen (vgl. Rachor, a.a.O., E 288 Fn. 347; Trurnit; VBlBW 2011, 458 <463>).
57 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
59 
Beschluss
vom 15. Mai 2014
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

23 
I. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).
24 
II. Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht teilweise als unbegründet abgewiesen. Der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - angeordnete Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung war insgesamt materiell rechtswidrig.
25 
1. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
26 
a) Der Kläger konnte seine Rechte nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen, so dass die Feststellungsklage nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen ist. Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt. Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht im Sinn des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, was bereits daraus zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten und auch vorgenommen wurden (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - VBlBW 2006, 152; Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 - VBlBW 2011, 239; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Aufl., § 22 Rn. 71).
27 
b) Durch den verdeckten Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 PolG ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 VwGO darstellt.
28 
c) Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) (BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <332 Rn. 22>). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 < 311 f. Rn. 32>; Senatsurt. v. 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 <469> [juris Rn. 23]). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar geht es - anders als etwa im Versammlungsrecht - nicht um Maßnahmen, die sich typischerweise kurzfristig erledigen, doch steht vorliegend der verdeckte Charakter der Maßnahmen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz vor Beendigung des Einsatzes entgegen. Denn nach § 22 Abs. 8 Satz 1 PolG wird der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen erst nach deren Abschluss unterrichtet.
29 
2. Die Klage ist auch begründet. Bereits gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, bestehen gewisse Bedenken, wobei offen bleiben kann, ob diese letztlich durchgreifen (a). Die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls als materiell rechtswidrig, weil sie - was nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG gedeckt ist - zum Zweck der Strafverfolgungsvorsorge eingesetzt wurden (b). Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob § 22 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen (c).
30 
Bei der Prüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen. Maßstab ist daher § 22 PolG in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390). Die nachfolgenden Änderungen der Vorschrift durch die Gesetze vom 20.11.2012 (GBl. S. 625) und vom 23.07.2013 (GBl. S. 233) bleiben außer Betracht.
31 
a) aa) Die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Maßnahmen des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger unterliegen anders als die längerfristige Observation und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung nicht dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG.
32 
bb) Die Maßnahmen unterliegen auch keinem Richtervorbehalt. Ein Richtervorbehalt ist im Grundgesetz für die Durchsuchung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 2 GG), für die Überwachung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 3 und 4 GG) und für die Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) vorgesehen. Wie von Art. 13 Abs. 4 GG gefordert stellt § 23 Abs. 2 PolG die Datenerhebung in oder aus Wohnungen (durch verdeckten Einsatz technischer Mittel, also insbesondere durch sog. Wanzen oder Richtmikrofone) ausdrücklich unter Richtervorbehalt. Für die hier angeordneten Maßnahmen nach § 22 PolG lässt sich ein Richtervorbehalt nicht aus dem Grundgesetz herleiten. Was Art. 13 Abs. 2 - 4 und Art. 104 Abs. 2 GG für Eingriffe in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und für die Freiheitsentziehung vorschreiben, ist grundsätzlich nicht auf andere Grundrechtseingriffe übertragbar (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 577). Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, durch welche organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen er der Gefahr einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegenwirkt. Dafür stehen ihm neben dem Richtervorbehalt auch sog. Behördenleitervorbehalte, Unterrichtungspflichten gegenüber dem Betroffenen u.ä. zur Verfügung. Nur bei besonders gravierenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann ein Richtervorbehalt von Verfassungs wegen geboten sein (BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 [Online-Durchsuchung]). Nach dieser Entscheidung ist die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen, weil sie den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme würden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand könne detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (BVerfG, a.a.O. S. 305, 323 [juris Rn. 213, 239]). Bei einem Grundrechtseingriff von derart hohem Gewicht wie dem heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System reduziere sich der Spielraum des Gesetzgebers dahingehend, dass die Maßnahme grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen sei (BVerfG, a.a.O. S. 231 [juris Rn. 241]). Für die längerfristige GPS-Observation in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die ursprünglich nicht unter Richtervorbehalt stand, hat das BVerfG demgegenüber nicht zwingend einen solchen verlangt (BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <318>).
33 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der gegen den Kläger angeordnete verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch in ihrer Intensität hinter den von Verfassungs wegen unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb damit rechnen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
34 
cc) Schwerer wiegt der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 PolG), der hier durch Abhören und Aufzeichnen der vom Kläger in seinem Kraftfahrzeug geführten Gespräche durchgeführt wurde. Zwar ist das Kraftfahrzeug nicht in gleicher Weise ein privater Rückzugsraum wie die Wohnung, doch können die Inhalte eines in einem Kraftfahrzeug geführten Gesprächs im Regelfall nicht von Dritten wahrgenommen werden. Die Gesprächspartner werden daher regelmäßig darauf vertrauen, dass ihr Gespräch nicht von Dritten mitgehört wird. Daher erscheint es bedenklich, dass der Landesgesetzgeber insoweit keinerlei verfahrensmäßige Absicherungen vorgesehen hat. Weder hat er einen Richtervorbehalt angeordnet, wie dies der Bundesgesetzgeber für die vergleichbaren strafprozessualen Maßnahmen getan hat (§ 100 f Abs. 4 i.V.m. § 100 b Abs. 1 StPO), noch hat er diese Maßnahme dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG unterworfen. Einzige verfahrensrechtliche Vorkehrung ist die Unterrichtungspflicht nach Beendigung der Maßnahme (§ 22 Abs. 8 PolG), die jedoch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zu verhindern vermag, sondern lediglich die Möglichkeit eröffnet, im Wege einer Feststellungsklage nachträglichen Rechtsschutz zu erlangen. Ob dies verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, erscheint fraglich, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil die Maßnahme sich unabhängig von der Frage, ob § 22 PolG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als materiell rechtswidrig erweist (unten b).
35 
dd) Anders als viele andere Polizeigesetze (vgl. etwa Art. 33 Abs. 5 Satz 4 BayPAG; § 30 BremPolG; weitere Nachweise bei Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E 315 f.) verlangt § 22 PolG weder eine schriftliche Anordnung der Maßnahmen noch eine Begründung. Auch die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) enthält derartige Regelungen nur für die besonderen Mittel der Datenerhebung, die dem Behördenleitervorbehalt nach § 22 Abs. 6 PolG unterliegen (vgl. Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 PolG). Weil ohne eine behördliche Dokumentation gerichtlicher Rechtsschutz kaum möglich ist, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rachor, a.a.O. E 318; BVerfG, Urt. v. 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <159 f.> zur behördlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung bei Gefahr im Verzug). Darüber hinaus ist die Pflicht zur Dokumentation heimlicher Ermittlungsmaßnahmen eine aus dem betroffenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitete Notwendigkeit (Rachor, ebd.; BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <320> zur GPS-Observation). Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie sie etwa in § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen vorgesehen ist, muss die Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung daher schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden.
36 
Diesen Anforderungen genügen die schriftlichen Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wurde, auf welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen aus polizeilicher Sicht erforderlich ist.
37 
b) Die Maßnahmen erweisen sich jedoch als materiell rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, was bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 2 und 3 PolG nicht von dieser Norm gedeckt ist.
38 
aa) Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der sich auch in anderen Vorschriften des Polizeigesetzes findet (vgl. § 20 Abs. 3, § 22 a Abs. 1 Satz 1, § 23 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6, § 25 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 2 und § 38), wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Die §§ 19 bis 25 wurden als Vorschriften für Maßnahmen der Erhebung personenbezogener Daten mit dem Änderungsgesetz vom 22.10.1991 in das Polizeigesetz aufgenommen, nachdem man erkannt hatte, dass die Polizei hierfür verfassungsgemäße Eingriffsermächtigungen benötigt. Die damalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1987 - 1 S 487/87 - NJW 1987, 3022; BVerwG, Urt. v. 20.02.1990 - 1 C 29.86 - NJW 1990, 2765 <2767> [juris Rn. 22 f.]), auf die der Gesetzgeber Bezug nahm (Begr. der LReg. zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes vom 07.05.1991, LT-Drs. 10/5230 S. 34), verstand die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als einen Unterfall der Gefahrenabwehr. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sollte sowohl die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) umfassen (LT-Drs. 10/5230 S. 38; Belz/Mußmann, a.a.O. § 20 Rn. 42; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 20 Rn. 20).
39 
bb) Einer solchen Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung nach dem NdsSOG (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348) die Grundlage entzogen. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 NdsSOG a.F. ermächtigten die Polizei dazu, personenbezogene Daten durch Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zur Vorsorge für die Verfolgung oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erheben. Das BVerfG hat diese Regelung für nichtig erklärt. Das Land Niedersachsen habe die Gesetzgebungskompetenz nur für die Verhütung von Straftaten, nicht aber für die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten. Die Verhinderung von Straftaten erfasse Maßnahmen, die drohende Rechtsverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollten, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist. Die Verhinderung einer Straftat liege daher in der Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Gefahrenabwehr nach Art. 70 Abs. 1 GG. Die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten (repressive Zielrichtung der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten) sei dagegen dem „gerichtlichen Verfahren“ und damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen (so jetzt auch BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <336 f. Rn. 33>). Der Bundesgesetzgeber habe die Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Strafverfolgung in den §§ 100 a, 110 b, 100 g und 100 i StPO umfassend geregelt. Dabei könne aus dem Umstand, dass die genannten Vorschriften an eine konkret begangene oder konkret vorbereitete Tat anknüpfen, also gerade keine Datenermittlung im Vorfeld der Begehung einer Straftat betreffen, nicht geschlossen werden, der Bundesgesetzgeber habe Raum für weitere landesgesetzliche Eingriffsnormen belassen wollen. Der Bundesgesetzgeber sei sich - wie die bestehenden Vorschriften in anderen Bereichen zeigten (etwa die §§ 81 b, 81 g StPO) - durchaus der kompetenzrechtlichen Möglichkeit bewusst gewesen, im Bereich der Strafverfolgung auch präventive Regelungen zu treffen (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005, a.a.O. S. 372 f. [juris Rn. 109]). Der Verzicht des Bundesgesetzgebers darauf, die Telekommunikationsüberwachung im Vorfeldbereich noch weiter auszudehnen, sei eine bewusste Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, seien nicht erkennbar (BVerfG, a.a.O. S. 373 [juris Rn. 110]).
40 
cc) Diese vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze sind auf die Befugnisse der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG zu übertragen (1). Diese Vorschriften können daher nur Bestand haben, wenn eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dahingehend möglich ist, dass er nur die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) umfasst (2).
41 
(1) Auch die hier streitgegenständlichen Maßnahmen sind in der StPO umfassend geregelt (§ 100 f StPO: Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes; § 100 h StPO: Herstellung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen und Verwendung sonstiger besonderer für Observationszwecke bestimmter technischer Mittel). Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, sind ebenfalls nicht erkennbar (ebenso Trurnit, VBlBW 2011, 458 <461>). Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weist in diese Richtung. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - a.a.O.) die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, der die offene Videoüberwachung von Schwerpunkten der Straßenkriminalität zum Zweck der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ermöglicht, als von der Kompetenz des Landesgesetzgebers gedeckt und nicht durch abschließende Regelungen der StPO gesperrt angesehen, es hat dabei jedoch explizit darauf abgestellt, dass sich die offene Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person deutlich von verdeckten, auf eine Zielperson fokussierten Ermittlungsmaßnahmen, wie sie in § 100 h und § 163 f StPO geregelt seien, unterscheide. Auch aus dem Regelungsinhalt des § 81 b 2. Alt. StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermögliche, trete kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind (BVerwG, a.a.O. S. 339 ff. Rn. 37).
42 
(2) Anders als im NdsSOG ist in § 22 PolG nicht ausdrücklich von der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten die Rede. Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten lässt sich, auch wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch die Strafverfolgungsvorsorge umfassen sollte, einschränkend verfassungskonform dahingehend auslegen, dass er nur die Verhütung von Straftaten umfasst (in diesem Sinne wohl auch Zeitler/Trurnit, Polizeirecht für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Rn. 573; anders noch Trurnit, a.a.O. S. 461: Verfassungswidrigkeit der Vorschrift).
43 
dd) Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten in dem dargestellten eingeschränkten Sinne verstanden hat und der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung primär der Verhütung von Straftaten dienen sollte.
44 
Die Verhütung von Straftaten erfasst nur Maßnahmen, die drohende Rechtsgutverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 369 [juris Rn. 98]). Hauptzweck ist nicht das Sammeln von Beweismitteln für ein mögliches, künftiges Strafverfahren, sondern das Verhindern der Straftat zu einem Zeitpunkt, zu dem die Strafbarkeitsschwelle noch nicht überschritten ist, in der Regel also im Planungs- oder Vorbereitungsstadium.
45 
Sowohl die schriftlichen Begründungen der Anträge auf Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung als auch die tatsächliche Durchführung des Einsatzes lassen vorliegend erkennen, dass Hauptziel der Maßnahmen die Strafverfolgungsvorsorge war. In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 hieß es unter der Überschrift „Ziele der polizeilichen Maßnahmen“ jeweils, es sollten Erkenntnisse darüber erlangt werden, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme bzw. mit ihnen dort nächtige. Dabei sollten die potentiell Geschädigten erkannt und identifiziert werden. Durch den Einbau von GPS-Satellitenortungssystemen und technischer Mittel außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlichen Wortes sollten Informationen gesammelt werden, die bevorstehende Straftaten erkennen ließen und ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Im Rahmen der Observation wurde u.a. festgestellt, dass der Kläger engen Kontakt zu einem Jungen mit sehr kindlichem Aussehen unterhielt, von dem zunächst nur der Vorname „xxx“ bekannt war. Nach den getroffenen Feststellungen hatte sich der Junge nicht nur mehrmals auf dem Kajütboot des Klägers aufgehalten, sondern auch bereits mindestens fünfmal in der Wohnung des Klägers übernachtet (28.05., 29.05., 30.05., 31.05. und 01.06.2010), ohne dass zum Zweck der Verhinderung etwaiger Straftaten eingeschritten wurde. Erst am 16.06.2010 gelang es mit den Mitteln der verdeckten Ermittlung, den Jungen zu identifizieren und sein Geburtsdatum zu ermitteln (03.08.1995). Bis zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei davon aus, dass es sich bei dem Jungen möglicherweise um ein Kind unter 14 Jahren handele. Zur strafrechtlichen Bewertung der Erkenntnisse aus den bis dahin durchgeführten verdeckten Datenerhebungen hieß es in der Antragsschrift vom 09.07.2010, es hätten noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Jedoch begründeten insbesondere die Übernachtungen des 14jährigen xxx den Verdacht eines sexuellen Hintergrunds des Verhältnisses zu den Jugendlichen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die über den aktuellen Stand der Erkenntnisse informiert sei, sei jedoch noch kein Anfangsverdacht zur Einleitung eines Strafverfahrens erfüllt. Auch im August 2010 wurde nicht zum Zweck der Verhinderung befürchteter Straftaten eingeschritten, als festgestellt wurde, dass der Kläger beabsichtigte, mit einem 12jährigen Jungen einen zweiwöchigen Urlaub auf seinem Kajütboot zu verbringen. Aufgrund der akustischen Überwachung war am 19.08.2010 ermittelt worden, dass der Kläger den Jungen bei seinen Eltern abgeholt hatte, die diesem seine Krankenkassenkarte, seinen Kinderausweis und 15 EUR Taschengeld mitgegeben hatten. Weiter war ermittelt worden, dass der Kläger mit dem Jungen und mit dem 16jährigen xxx zu dem Boot fuhr, das mit den Einkäufen beladen wurde und auf dem die drei Personen zusammen übernachteten. Auch als das Boot am Morgen des 20.08.2010 den Liegeplatz verließ und rheinabwärts nach xxx fuhr, wurde nicht präventivpolizeilich eingeschritten. Vielmehr wurde erst am 24.08.2010 - das Boot befand sich immer noch auf einem Gästeliegeplatz des Motorboot & Yachtclubs xxx - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und zugleich mit der Einleitung des Verfahrens beim Amtsgericht xxx ein Durchsuchungsbeschluss für die Person, die Wohnung, die Geschäftsräume, die Fahrzeuge und das Kajütboot des Klägers erwirkt. Angesichts dieses Geschehensablaufs ist die Einlassung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht informatorisch befragten Polizeibeamten xxx, man sei zunächst nicht eingeschritten, weil man keine Kenntnis gehabt habe, ob der Junge tatsächlich mit auf das Boot gehen würde, nicht nachvollziehbar. Soweit der Polizeibeamte auf die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten, warum nach dem Beladen des Bootes nicht eingeschritten worden sei, antwortete, es sei eine Frage der Taktik gewesen, zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Straftat festgestellt werden können, belegt dies gerade, dass Zweck der Maßnahmen nicht in erster Linie die Verhütung von Straftaten, sondern die Strafverfolgungsvorsorge war. Nur mittelbar sollten die Maßnahmen, die darauf zielten, Beweismittel zu sammeln, um irgendwann ein Ermittlungsverfahren einleiten zu können und den Kläger der Strafverfolgung zuzuführen, auch der Verhütung weiterer Straftaten dienen.
46 
Gegen die Annahme, die Maßnahmen hätten der Verhütung von Straftaten gedient, spricht auch, dass sie hierzu objektiv nicht geeignet waren. Bezüglich etwaiger Sexualdelikte zum Nachteil der Jugendlichen, die in der Wohnung des Klägers übernachteten, war die Möglichkeit zu einem präventiven Einschreiten vor einer Verletzung des Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung der Betroffenen schon deshalb nicht gegeben, weil die verdeckten Maßnahmen sich nicht auf die Wohnung selbst erstreckten und daher keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden konnten, ob und wann es zu der befürchteten Rechtsgutsverletzung kommt.
47 
Vor diesem Hintergrund lässt sich die präventive Zielrichtung der Maßnahmen auch nicht mit der abstrakten Erwägung begründen, dass im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben müsse (so das Verwaltungsgericht, a.a.O. Rn. 56).
48 
Keiner Entscheidung bedarf es, ob in Fällen, in denen der verdeckte Einsatz technischer Mittel sowohl nach der Begründung der zugrunde liegenden Anordnung als auch nach der tatsächlichen Durchführung auf die Verhütung von Straftaten ausgerichtet ist, Fehleinschätzungen und -entscheidungen einzelner Polizeibeamter, die nicht an diesem Zweck ausgerichtet sind, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes in Frage stellen. Denn das Nichteinschreiten bei befürchteten Straftaten zum Nachteil des xxx und das sehr späte Einschreiten - durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und gerade nicht durch präventivpolizeiliches Handeln - im Zusammenhang mit dem Bootsurlaub mit einem 12jährigen Jungen im August 2010 stellen sich nicht als Fehlentscheidungen einzelner Beamter dar, sie fügen sich vielmehr nahtlos in das mit den Maßnahmen verfolgte Konzept ein.
49 
ee) Auf das Vorliegen einer erheblichen Gefahr (§ 22 Abs. 2 1. Alt. PolG) oder einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) wurden die Anordnungen zu Recht nicht gestützt.
50 
Eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne hat nämlich nicht bestanden. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134, vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 und vom 25.10.2012 - 1 S 1401/11 - VBlBW 2013, 178).
51 
Anknüpfungspunkt für eine Gefahr kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vergangenheit begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Dies gilt umso mehr, als die letzte Tat bei Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung bereits 15 Jahre zurücklag, seither einige Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden und der Kläger zuletzt zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Der Kläger hat zudem bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten keine Gewalt angewendet, vielmehr ist es ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit. Da das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung in § 22 Abs. 3 PolG nicht aufgeführt ist, kommt insoweit die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung sowie des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger nicht in Betracht. Auch die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen scheidet aus, weil es insoweit nach § 22 Abs. 2 PolG einer erheblichen Gefahr für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung bedürfte. Dies würde voraussetzen, dass die Verwirklichung eines Straftatbestandes unmittelbar bevorsteht (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 22 Rn. 13 und § 28 Rn. 14).
52 
c) Erweisen sich danach die streitgegenständlichen Maßnahmen insgesamt als rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, kann der Senat offen lassen, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch aus anderen Gründen in Betracht gekommen wäre.
53 
Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob § 20 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen.
54 
Nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG können die besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt werden zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (Abs. 2) bzw. von Straftaten mit erheblicher Bedeutung (Abs. 3), wobei der Begriff der Straftaten mit erheblicher Bedeutung in Abs. 5 legal definiert wird. Durch den Verweis auf § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG ergibt sich, dass die Daten erhoben werden dürfen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen.
55 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen gleichen damit denen des § 33 a Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG, den das Bundesverfassungsgericht u.a. mangels hinreichender Bestimmtheit für nichtig erklärt hat. Nach dieser Vorschrift durften Daten erhoben werden über Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 377 ff. [juris Rn. 122 ff.]), dass bei polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden müssten. Die Situation der Vorfeldermittlung sei durch eine hohe Ambivalenz der potenziellen Bedeutung einzelner Verhaltensumstände geprägt. Die Indizien oder einzelne beobachtete Tätigkeiten könnten in harmlosen, strafrechtlich unerheblichen Zusammenhängen verbleiben; sie könnten aber auch der Beginn eines Vorgangs sein, der zur Straftat führt. Sehe der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so habe er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm müsse handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist. Eine Ermächtigung, nach der die auf Tatsachen gegründete, nicht näher konkretisierte Möglichkeit genüge, dass jemand irgendwann in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werde, werde dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Es seien vielfältige Anknüpfungen denkbar, die nach hypothetischem Kausalverlauf in der Straftatenbegehung eines potenziellen Täters münden könnten. Weder hinsichtlich möglicher Indikatoren und des Grads der Wahrscheinlichkeit eines solchen Ablaufs noch in zeitlicher Hinsicht sehe das Gesetz Beschränkungen vor. Die im Vorfeld künftiger Straftaten bestehenden Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatenbegehung mündenden Verhaltens würden in der Ermächtigung nicht durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt. Die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs obliege vielmehr der Polizei. Sie entscheide ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit des Bürgers und müsse sich die Maßstäbe dafür selbst zurechtlegen. Sie werde insoweit gewissermaßen tatbestandsergänzend tätig. Die Schaffung eingriffsbeschränkender Maßstäbe sei aber Aufgabe des Gesetzgebers. Die Unbestimmtheit und das damit einhergehende Risiko der Fehlprognose würden nicht durch die Ausrichtung auf "Straftaten von erheblicher Bedeutung" vermindert. Dieses Tatbestandsmerkmal biete keine Anhaltspunkte dafür, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeute.
56 
Überträgt man diese - sehr hohen - Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat auf die hier herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG, wird man ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit der Norm ausgehen müssen. Zwar betraf die angeführte Entscheidung Eingriffe in Art. 10 GG, doch ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts nicht spezifisch auf Art. 10 GG zugeschnitten. Es spricht daher vieles dafür, dass die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze auch für andere verdeckte Ermittlungsmethoden gelten, sofern sie zu vergleichbar intensiven Grundrechtseingriffen führen (vgl. Rachor, a.a.O., E 288 Fn. 347; Trurnit; VBlBW 2011, 458 <463>).
57 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
59 
Beschluss
vom 15. Mai 2014
60 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- EUR festgesetzt.
61 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Mai 2014 - 1 S 815/13 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Tenor Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.Der Streitwert wird auf 2.500,

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1 Der Antragsteller wendet sich ge

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 06. Juli 2005 - 1 K 439/03

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 16. Juli 2015 - W 5 K 14.694

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Würzburg Aktenzeichen: W 5 K 14.694 Im Namen des Volkes Urteil 16. Juli 2015 5. Kammer gez.: Gemeinhardt, Angestellte als stellv. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Sa

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 26. Aug. 2015 - 4 K 2107/11

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Tenor 1. Es wird festgestellt, dass der in Heidelberg gegen den Kläger gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.2. Der Bekl

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 26. Aug. 2015 - 4 K 2108/11

bei uns veröffentlicht am 26.08.2015

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass der in Heidelberg (auch) gegen die Klägerin gerichtete Einsatz des Polizeibeamten ... als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen ... in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.2.

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 26. Aug. 2015 - 4 K 2113/11

bei uns veröffentlicht am 26.08.2015

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass der in Heidelberg (auch) gegen den Kläger gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.2. D

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Tenor

Es wird festgestellt, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5.

Tatbestand

 
Der am ... geborene Kläger, ein ehemaliger Polizeibeamter im Dienste des Beklagten, wurde mit Urteil des Landgerichts ... vom 05.11.1990 - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie homosexueller Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Am 10.03.2010 verurteilte das Landgericht ... den Kläger im Verfahren 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen (Tatzeit von Ende 1995 bis Ende 1996) erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Die Staatsanwaltschaft ... ermittelte in der Zeit ab 1996 wiederholt gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Ermittlungsverfahren 82 Js 516/96, 82 Js 359/97 und 82 Js 2535/03 wurden indessen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, in einem weiteren Fall wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO nicht eingeleitet.
Der Kläger ist Mitglied im Vorstand der ..., einem Verein, der sich u. a. mit der Pflege und Förderung des Wassersports auf dem ... befasst und zusammen mit dem ... eine Bootsanlegestelle in ... am ... unterhält.
Der Kläger unternimmt mit seinem Kajütboot von dieser Bootsanlegestelle aus Ausfahrten auf den ... Immer wieder nimmt er auch Kinder und Jugendliche mit, mit denen zusammen er auch im Boot auf dem Rhein übernachtet.
Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte des Klägers war dieses Verhalten Gegenstand einer gemeinsamen Vorstandssitzung der ... und des ... am ... Der Kläger erklärte damals, sein Fehlverhalten liege mittlerweile 16 Jahre zurück und sei bei der Aufnahme in den Verein bekannt gewesen. Schon aus Eigeninteresse nehme er nur Kinder und Jugendliche auf das Boot mit, mit deren Eltern er gut bekannt sei.
..., Leiter des Sachgebiets ... und Mitglied des YC ..., teilte am 11.03.2010 einem deutschen Kollegen von der Kriminalpolizei ... mit, dass im ... in den letzten drei Jahren immer wieder beobachtet worden sei, wie der Kläger mit männlichen Kindern und Jugendlichen mit seinem Boot auf dem ... spazieren fahre und auch übernachte. Darauf angesprochen, habe der Kläger erklärt, dass alles mit den Eltern abgesprochen und auch sonst in Ordnung sei. Auch der Leiter der Kripo ..., ..., sei gelegentlich auf dem Boot. - Er, ..., habe bereits 2008/2009 den Polizeiposten in ... und die Wasserschutzpolizei in ... informiert, zumal der Kläger im August 2009 zusammen mit zwei Jungen auf dem ... in ... gewesen sei.
Die Polizeidirektion ... bat die Landespolizeidirektion beim Regierungspräsidium ... um Übernahme des Verfahrens, weil auch der Leiter ihrer Kriminalpolizei betroffen sei. Am 19.04.2010 ordnete das Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - für die Zeit bis zum 19.07.2010 die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gestützt auf § 22 PolG gegen den Kläger an. In der Antragsschrift des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 14.04.2010 heißt es, der homosexuell orientierte Kläger, der - wie das Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 ergeben habe - zudem an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leide, habe über viele Jahre hinweg Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gesucht, sie in seiner Wohnung, in seinem Bett und auf seinem Boot übernachten lassen. Die entsprechenden Situationen habe er zur Begehung von Sexualstraftaten genutzt, und zwar auch, als im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt gewesen sei bzw. als Freigänger während der Verbüßung der anschließenden Strafhaft. Wie die weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in den 90er Jahren gezeigt hätten, habe durch die Vernehmung der geschädigten Jungen kein Tatnachweis geführt werden können, weil diese wegen ihrer Scham- und Schuldgefühle keine belastenden Aussagen gemacht hätten. Im Jahre 1989 seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers viele Lichtbilder von den nackt fotografierten Jungen gefunden worden. Daraufhin seien die Geschädigten eher bereit gewesen, belastende Angaben zu den sexuellen Handlungen zu machen. - Dass der Kläger nun wiederum 10- bis 16jährige Jungen in der Regel mit Einverständnis der Eltern in seiner Wohnung und auf seinem Boot übernachten lasse, begründe zwar nicht den Anfangsverdacht einer Straftat, weshalb strafprozessuale Maßnahmen wie etwa eine Wohnungsdurchsuchung nicht in Betracht kämen. Die verdeckten Observationsmaßnahmen dienten aber dazu, festzustellen, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme und mit ihnen dort nächtige, um so potentiell Geschädigte zu erkennen und zu identifizieren, damit bevorstehende Straftaten erkannt und ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. Die verdeckten Observationen seien geeignet und erforderlich, weil durch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe die vollzugspolizeiliche Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht erfüllt werden könne.
Mit Verfügung des Regierungspräsidiums ... vom 12.07.2010 wurde die Anordnung der verdeckten Observationsmaßnahmen bis zum 19.10.2010 verlängert. In der Antragsschrift vom 09.07.2010 führte das Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - u.a. aus, durch die präventivpolizeilichen Observationsmaßnahmen sei festgestellt worden, dass der Kläger sowohl in seiner alten Wohnung in der ... als auch in der neuen Wohnung im ..., die er nach dem Umzug seiner Mutter in ein Altersheim renoviert habe, tagsüber wiederholt Besuch von Jugendlichen gehabt habe. Der allerdings bereits am 24.01.1994 geborene ... sei insgesamt fünfmal zu Besuch in den Wohnungen gewesen, an sechs weiteren Tagen habe der Kläger ihn im Auto mitgenommen und an zehn Tagen sei er zusammen mit ihm meistens für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen. Nach einem gemeinsamen Tag auf dem Boot habe er in einer Art und Weise, die einen sexuellen Bezug vermuten lasse, gesagt, „geil, geiler, geiler, am geilsten“, und kurz darauf noch einmal, „es war so geil“. Zu dem am 03.08.1995 geborenen, allerdings noch sehr kindlich aussehenden ... habe er im Bezugszeitraum einen noch engeren Kontakt gehabt. Er sei dreimal mit ihm für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen und sei oft zusammen mit ihm Auto gefahren. Wiederholt habe ihn der Jugendliche auch in der Wohnung im ... besucht und fünfmal dort auch übernachtet. Zweimal hätten sie sich zusammen auf einem Gartengelände mit einer Hütte aufgehalten. Bereits zuvor sei das Kraftfahrzeug des Klägers insgesamt 24mal in der Nähe des Gartengrundstücks festgestellt worden, und zwar teilweise für mehr als zwei Stunden. Ebenso habe der Kläger mehrfach Kontakt mit dem Leiter der Kriminalpolizei ... gehabt. So seien sie zusammen mit einem weiteren jungen Mann am 27.04.2010 von 16.35 Uhr bis 19.48 Uhr zusammen auf dem Kajütboot gewesen. Durch die polizeirechtlichen Maßnahmen hätten zwar noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Die Verhaltensweisen des Klägers bezüglich sexuell motivierter Kontakte zu männlichen Kindern und Jugendlichen hätten sich über die Jahre hinweg jedoch nicht verändert. Der Kläger suche über die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses u.a. mit den Eltern Kontakt zu den Jungen und verbringe mit ihnen seine Freizeit. Insbesondere die Übernachtungen des im Bezugszeitraum noch 14jährigen ... begründeten den Verdacht eines sexuellen Verhältnisses. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ... bestehe derzeit jedoch noch kein Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung einer Straftat nach § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) bzw. gem. § 182 StGB (sexueller Missbrauch von Jugendlichen).
10 
Im Zuge der weiteren Observationen wurde im Laufe des Augusts 2010 festgestellt, dass der Kläger mit dem 11 Jahre alten ... im Einverständnis mit dessen Eltern einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Kajütboot machen wollte. Die Nacht vom 19.08.2010 auf den 20.08.2010 verbrachte der Kläger zusammen mit diesem Jungen und ... in seinem Kajütboot auf dem Rhein. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ... am 25.08.2010 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (90 Js 7892/10) wegen des Anfangsverdachts erneuter Straftaten gem. §§ 176, 176a und 182 StGB gegen den Kläger ein. Der Verdacht konnte jedoch durch die Durchsuchung der Person, der Wohnung, des Arbeitsplatzes und des Kajütbootes des Klägers am 26.08.2010 (gem. §§ 102 ff. StPO) nicht belegt werden. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin beendet.
11 
In dem Abschlussbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 28.06.2011 heißt es, es bestehe die begründete Vermutung, dass durch die am 26.08.2010 durchgeführte Durchsuchung ein unmittelbar bevorstehender sexueller Missbrauch eines damals gerade 12 Jahre alten Jungen (..., geb. am 13.01.1998) auf dem Kajütboot habe verhindert werden können. Nach Auskunft des Kindes sei es zu scheinbar unauffälligen körperlichen Annäherungsversuchen des Klägers mit einer von diesem nicht erkannten sexuellen Motivation gekommen.
12 
Mit Verfügung vom 15.07.2011 stellte die Staatsanwaltschaft ... das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
13 
Am 19.08.2011 hat der Kläger mit dem Ziel der Feststellung, dass die ab 19.04.2010 gegen ihn durchgeführten verdeckten polizeirechtlichen Überwachungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien, verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er trägt vor: Für die Klage sei nach § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben, denn trotz ihrer Doppelfunktionalität und des Hin- und Herspringens zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen handele es sich bei den gegen den Kläger durchgeführten verdeckten Observationen nicht um strafrechtliche Ermittlungen, sondern um auf § 22 PolG gestützte präventivpolizeiliche Maßnahmen. - Auch nach Beendigung der verdeckten Observationsmaßnahmen dauere der Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung fort. Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft ... behaupte das Regierungspräsidium ... im Zusammenhang mit dem gegen ... wegen der Kontakte zum Kläger eingeleiteten Disziplinarverfahren, dass gegen diesen weiterhin ein Tatverdacht bestehe. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation des Klägers aus dem tiefen Eingriff in seine Grundrechtspositionen. Auch müsse einer Wiederholung solcher verdeckter polizeilicher Observationsmaßnahmen für den Fall einer erneuten Anzeige Dritter vorgebeugt werden. - Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen seien schließlich auch in der Sache rechtswidrig. Eine erhebliche und damit auch konkrete Gefahr i.S. des § 22 Abs. 2 PolG, die Voraussetzung für die Anfertigung verdeckter Bild- und Tonaufnahmen sowie für die Anwendung technischer Mittel zur Standortbestimmung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PolG sei, habe nicht vorgelegen. Den Polizeibehörden sei seit Jahren bekannt gewesen, dass der Kläger seine Freizeit zur Pflege des Wassersports mit Kindern und Jugendlichen auf dem Kajütboot verbringe, ohne dass es zu Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung gekommen sei. Irgendwelche Besonderheiten, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, habe es nicht gegeben. Stattdessen seien kriminalistische Bauchgefühle für das Vorgehen des Beklagten ausschlaggebend gewesen. So heiße es in den Vermerken etwa, die Geschädigten hätten in der Vergangenheit aus Scham- und Schuldgefühlen keine näheren Angaben gemacht. Es gebe aber weder irgendwelche „Geschädigten“ noch würden Anhaltspunkte dafür benannt, dass diese Scham- und Schuldgefühle hätten. Zu Unrecht schließe der Beklagte aus dem Gebrauch des Wortes „geil“ durch den Kläger darauf, dass der Aufenthalt der Jugendlichen auf dem Boot einen sexuellen Bezug gehabt habe. Dieses Wort habe heute eine allgemein lobende bzw. bestätigende Bedeutung. Wieso aus der „Art und Weise“ seines Gebrauchs auf einen sexuellen Bezug geschlossen werden können solle, teile der Beklagte nicht mit. Seine Spekulation, durch die polizeiliche Durchsuchungsaktion am 26.08.2010 habe eine sexuell motivierte Straftat des Klägers verhindert werden können, offenbare nur seinen Begründungsnotstand. Der Beklagte benenne weder das Kind, noch mache er Angaben dazu, ob es im Zeitpunkt der Straftat die maßgebliche Altersgrenze nicht bereits überschritten gehabt habe. Erst recht könne die Gefahr der Begehung von Straftaten im Jahr 2011 nicht mit einer im Jahre 1989, d.h. vor über 22 Jahren, festgestellten Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit homosexuellen Neigungen begründet werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich daraus auch heute noch die Gefahr von Straftaten ergeben könne, seien auch nicht ansatzweise benannt worden. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wäre ohne die verdeckten Maßnahmen auch weder gefährdet, noch - was überhaupt nur in Betracht komme - beeinträchtigt worden. Denn der Beklagte habe als mildere Ermittlungsmaßnahme etwa die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern im Hinblick auf sexuelle Übergriffe seitens des Klägers befragen oder dessen Kajütboot auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen hin untersuchen können. Das habe umso näher gelegen, als ohnehin höchstens ein Gefahrenverdacht bestanden habe. - Erst recht seien die verdeckte selbsttätige Bildaufzeichnung und die längerfristige Observation rechtswidrig gewesen. Solche Maßnahmen dürften nur zur Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, d.h. nach § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG von Verbrechen, eingesetzt werden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei nach §§ 176, 176a StGB aber nur dann ein Verbrechen, wenn der Täter tatsächlich sexuelle Handlungen vornehme. Selbst die Einwirkung auf die Kinder mit pornographischen Schriften oder Filmen genüge hier auf keinen Fall. - Ohnehin sei das Ziel des Beklagten nicht die präventive Datenerhebung zur Verhinderung von Straftaten gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht Beweise für ein zukünftiges Strafverfahren zu beschaffen. So heiße es in den Vermerken der Polizei etwa, die Hinweislage reiche zur Begründung des Anfangsverdachts einer Straftat noch nicht aus. Verfassungsrechtliche Überlegungen zeigten aber, dass polizeirechtliche Maßnahmen zu diesem Zweck unzulässig seien. Der Bundesgesetzgeber habe die Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen seiner Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG mit den §§ 100c, 100d, 163f und 100h StPO abschließend geregelt. Unabhängig von alledem seien die angeordneten Maßnahmen auch ungeeignet und sonst unverhältnismäßig gewesen. So hätte dadurch ein Missbrauch zwar vielleicht eindeutig dokumentiert, aber nicht - präventivpolizeilich - verhindert werden können. - Selbst wenn man annehmen wolle, eine längerfristige Observation i.S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG sei erforderlich gewesen, so hätten die danach möglichen Ermittlungsmaßnahmen auch ohne die zusätzlich angeordneten verdeckten Maßnahmen problemlos zum Auffinden weiterer Beweismittel, etwa Zeugen, geführt. Abgesehen davon hätten die im Verein bekannten Namen der Jugendlichen durch eine Befragung der Mitglieder festgestellt werden können. Ein behördliches Umgangsverbot wäre dann ein milderes Mittel gewesen. Die simultane Anwendung personeller und technischer Maßnahmen im Sinne einer Totalüberwachung im Rahmen interpersonaler Beziehungen sei in ihrer Massivität einzigartig und sonst nur aus der Terrorismusbekämpfung bekannt, woraus sich ihre Unverhältnismäßigkeit gegenüber dem Kläger, der seit 15 Jahren strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei, offensichtlich ergebe.
14 
Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Bei den angeordneten Maßnahmen handele es sich um solche der Gefahrenabwehr, weshalb es nicht auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht ankomme, sondern darauf, dass die vorliegenden Tatsachen eine polizeiliche Gefahr begründet hätten. Durch die strafprozessuale Durchsuchung habe auch tatsächlich eine schwere Straftat i.S. des § 176a StGB verhindert werden können. Dem Behördenleitervorbehalt aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG sei Rechnung getragen und der Kläger entsprechend § 22 Abs. 8 PolG nachträglich über die verdeckten Maßnahmen unterrichtet worden. Aber auch die materiellen Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG seien gegeben gewesen. Es hätten konkrete, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, der Kläger könne ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 176 ff. StGB in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung begehen. Der Kläger habe weiterhin Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gepflegt, was für einen Mann seines Alters und mit seiner Vorgeschichte großen Bedenken begegne. Die vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltensweisen, die in seiner Persönlichkeit gründeten und ein gewisses Schema erkennen ließen, begründeten die Vermutung, er werde auch zukünftig sexuell motivierte Straftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begehen. Alle von ihm ausgewählten Kinder stammten aus sozial schwachen Familien. Durch das Anbieten und Gewähren von Vergünstigungen in Form von Nachhilfe, Freizeitaktivitäten, Bootsaufenthalten, Liebesbekundungen per SMS, Massagen und Geschenken habe der Kläger immer wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern geschaffen. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung könne daraus auf den Hang zur Begehung erheblicher Straftaten geschlossen werden. Mildere Mittel als die längerfristige Observation hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine zeitliche und räumliche Rundumüberwachung habe nicht stattgefunden. Dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Klägers sei hinreichend Rechnung getragen worden, denn sein Wohnraum sei weder durch Videoaufzeichnungen noch akustisch überwacht worden. - Bezüglich des verdeckten Einsatzes technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 PolG falle der Kläger unter den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personenkreis, da von ihm eine erhebliche Gefahr ausgegangen sei. Die vom Kläger genannte Durchsuchung seines Bootes auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen sei jedenfalls keine weniger einschneidende Maßnahme gewesen. Die besondere Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder und Jugendlichen habe den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes und zur Standortbestimmung gerechtfertigt.
19 
Dem Gericht liegen die folgenden Akten vor:
20 
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 (auch bezeichnet: 28 Js 881/90 78 KLs 19/90); 4 Bände zuzüglich zweier Sonderbände sowie des zugehörigen Bewährungshefts
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09; 1 Band
- die Akten der Staatsanwaltschaft ... zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 90 Js 7892/10; 2 Bände zuzüglich zweier Sonderbände
- drei Bände Akten mit Fotokopien aus polizeilichen Ermittlungsverfahren (zwei Leitz-Ordner und ein Schnellhefter)
- die Akten des Regierungspräsidiums ..., soweit deren Vorlage nicht gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Innenministerium verweigert worden ist (ein Leitz-Ordner)
21 
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer Herrn ... von der Landespolizeidirektion informatorisch zu den gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mitteln der Datenerhebung befragt. Bezüglich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die dem Gericht vorliegenden Akten und die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
22 
Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5.

Tatbestand

 
Der am ... geborene Kläger, ein ehemaliger Polizeibeamter im Dienste des Beklagten, wurde mit Urteil des Landgerichts ... vom 05.11.1990 - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie homosexueller Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Am 10.03.2010 verurteilte das Landgericht ... den Kläger im Verfahren 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen (Tatzeit von Ende 1995 bis Ende 1996) erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Die Staatsanwaltschaft ... ermittelte in der Zeit ab 1996 wiederholt gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Ermittlungsverfahren 82 Js 516/96, 82 Js 359/97 und 82 Js 2535/03 wurden indessen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, in einem weiteren Fall wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO nicht eingeleitet.
Der Kläger ist Mitglied im Vorstand der ..., einem Verein, der sich u. a. mit der Pflege und Förderung des Wassersports auf dem ... befasst und zusammen mit dem ... eine Bootsanlegestelle in ... am ... unterhält.
Der Kläger unternimmt mit seinem Kajütboot von dieser Bootsanlegestelle aus Ausfahrten auf den ... Immer wieder nimmt er auch Kinder und Jugendliche mit, mit denen zusammen er auch im Boot auf dem Rhein übernachtet.
Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte des Klägers war dieses Verhalten Gegenstand einer gemeinsamen Vorstandssitzung der ... und des ... am ... Der Kläger erklärte damals, sein Fehlverhalten liege mittlerweile 16 Jahre zurück und sei bei der Aufnahme in den Verein bekannt gewesen. Schon aus Eigeninteresse nehme er nur Kinder und Jugendliche auf das Boot mit, mit deren Eltern er gut bekannt sei.
..., Leiter des Sachgebiets ... und Mitglied des YC ..., teilte am 11.03.2010 einem deutschen Kollegen von der Kriminalpolizei ... mit, dass im ... in den letzten drei Jahren immer wieder beobachtet worden sei, wie der Kläger mit männlichen Kindern und Jugendlichen mit seinem Boot auf dem ... spazieren fahre und auch übernachte. Darauf angesprochen, habe der Kläger erklärt, dass alles mit den Eltern abgesprochen und auch sonst in Ordnung sei. Auch der Leiter der Kripo ..., ..., sei gelegentlich auf dem Boot. - Er, ..., habe bereits 2008/2009 den Polizeiposten in ... und die Wasserschutzpolizei in ... informiert, zumal der Kläger im August 2009 zusammen mit zwei Jungen auf dem ... in ... gewesen sei.
Die Polizeidirektion ... bat die Landespolizeidirektion beim Regierungspräsidium ... um Übernahme des Verfahrens, weil auch der Leiter ihrer Kriminalpolizei betroffen sei. Am 19.04.2010 ordnete das Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - für die Zeit bis zum 19.07.2010 die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gestützt auf § 22 PolG gegen den Kläger an. In der Antragsschrift des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 14.04.2010 heißt es, der homosexuell orientierte Kläger, der - wie das Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 ergeben habe - zudem an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leide, habe über viele Jahre hinweg Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gesucht, sie in seiner Wohnung, in seinem Bett und auf seinem Boot übernachten lassen. Die entsprechenden Situationen habe er zur Begehung von Sexualstraftaten genutzt, und zwar auch, als im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt gewesen sei bzw. als Freigänger während der Verbüßung der anschließenden Strafhaft. Wie die weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in den 90er Jahren gezeigt hätten, habe durch die Vernehmung der geschädigten Jungen kein Tatnachweis geführt werden können, weil diese wegen ihrer Scham- und Schuldgefühle keine belastenden Aussagen gemacht hätten. Im Jahre 1989 seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers viele Lichtbilder von den nackt fotografierten Jungen gefunden worden. Daraufhin seien die Geschädigten eher bereit gewesen, belastende Angaben zu den sexuellen Handlungen zu machen. - Dass der Kläger nun wiederum 10- bis 16jährige Jungen in der Regel mit Einverständnis der Eltern in seiner Wohnung und auf seinem Boot übernachten lasse, begründe zwar nicht den Anfangsverdacht einer Straftat, weshalb strafprozessuale Maßnahmen wie etwa eine Wohnungsdurchsuchung nicht in Betracht kämen. Die verdeckten Observationsmaßnahmen dienten aber dazu, festzustellen, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme und mit ihnen dort nächtige, um so potentiell Geschädigte zu erkennen und zu identifizieren, damit bevorstehende Straftaten erkannt und ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. Die verdeckten Observationen seien geeignet und erforderlich, weil durch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe die vollzugspolizeiliche Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht erfüllt werden könne.
Mit Verfügung des Regierungspräsidiums ... vom 12.07.2010 wurde die Anordnung der verdeckten Observationsmaßnahmen bis zum 19.10.2010 verlängert. In der Antragsschrift vom 09.07.2010 führte das Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - u.a. aus, durch die präventivpolizeilichen Observationsmaßnahmen sei festgestellt worden, dass der Kläger sowohl in seiner alten Wohnung in der ... als auch in der neuen Wohnung im ..., die er nach dem Umzug seiner Mutter in ein Altersheim renoviert habe, tagsüber wiederholt Besuch von Jugendlichen gehabt habe. Der allerdings bereits am 24.01.1994 geborene ... sei insgesamt fünfmal zu Besuch in den Wohnungen gewesen, an sechs weiteren Tagen habe der Kläger ihn im Auto mitgenommen und an zehn Tagen sei er zusammen mit ihm meistens für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen. Nach einem gemeinsamen Tag auf dem Boot habe er in einer Art und Weise, die einen sexuellen Bezug vermuten lasse, gesagt, „geil, geiler, geiler, am geilsten“, und kurz darauf noch einmal, „es war so geil“. Zu dem am 03.08.1995 geborenen, allerdings noch sehr kindlich aussehenden ... habe er im Bezugszeitraum einen noch engeren Kontakt gehabt. Er sei dreimal mit ihm für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen und sei oft zusammen mit ihm Auto gefahren. Wiederholt habe ihn der Jugendliche auch in der Wohnung im ... besucht und fünfmal dort auch übernachtet. Zweimal hätten sie sich zusammen auf einem Gartengelände mit einer Hütte aufgehalten. Bereits zuvor sei das Kraftfahrzeug des Klägers insgesamt 24mal in der Nähe des Gartengrundstücks festgestellt worden, und zwar teilweise für mehr als zwei Stunden. Ebenso habe der Kläger mehrfach Kontakt mit dem Leiter der Kriminalpolizei ... gehabt. So seien sie zusammen mit einem weiteren jungen Mann am 27.04.2010 von 16.35 Uhr bis 19.48 Uhr zusammen auf dem Kajütboot gewesen. Durch die polizeirechtlichen Maßnahmen hätten zwar noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Die Verhaltensweisen des Klägers bezüglich sexuell motivierter Kontakte zu männlichen Kindern und Jugendlichen hätten sich über die Jahre hinweg jedoch nicht verändert. Der Kläger suche über die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses u.a. mit den Eltern Kontakt zu den Jungen und verbringe mit ihnen seine Freizeit. Insbesondere die Übernachtungen des im Bezugszeitraum noch 14jährigen ... begründeten den Verdacht eines sexuellen Verhältnisses. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ... bestehe derzeit jedoch noch kein Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung einer Straftat nach § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) bzw. gem. § 182 StGB (sexueller Missbrauch von Jugendlichen).
10 
Im Zuge der weiteren Observationen wurde im Laufe des Augusts 2010 festgestellt, dass der Kläger mit dem 11 Jahre alten ... im Einverständnis mit dessen Eltern einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Kajütboot machen wollte. Die Nacht vom 19.08.2010 auf den 20.08.2010 verbrachte der Kläger zusammen mit diesem Jungen und ... in seinem Kajütboot auf dem Rhein. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ... am 25.08.2010 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (90 Js 7892/10) wegen des Anfangsverdachts erneuter Straftaten gem. §§ 176, 176a und 182 StGB gegen den Kläger ein. Der Verdacht konnte jedoch durch die Durchsuchung der Person, der Wohnung, des Arbeitsplatzes und des Kajütbootes des Klägers am 26.08.2010 (gem. §§ 102 ff. StPO) nicht belegt werden. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin beendet.
11 
In dem Abschlussbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 28.06.2011 heißt es, es bestehe die begründete Vermutung, dass durch die am 26.08.2010 durchgeführte Durchsuchung ein unmittelbar bevorstehender sexueller Missbrauch eines damals gerade 12 Jahre alten Jungen (..., geb. am 13.01.1998) auf dem Kajütboot habe verhindert werden können. Nach Auskunft des Kindes sei es zu scheinbar unauffälligen körperlichen Annäherungsversuchen des Klägers mit einer von diesem nicht erkannten sexuellen Motivation gekommen.
12 
Mit Verfügung vom 15.07.2011 stellte die Staatsanwaltschaft ... das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
13 
Am 19.08.2011 hat der Kläger mit dem Ziel der Feststellung, dass die ab 19.04.2010 gegen ihn durchgeführten verdeckten polizeirechtlichen Überwachungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien, verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er trägt vor: Für die Klage sei nach § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben, denn trotz ihrer Doppelfunktionalität und des Hin- und Herspringens zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen handele es sich bei den gegen den Kläger durchgeführten verdeckten Observationen nicht um strafrechtliche Ermittlungen, sondern um auf § 22 PolG gestützte präventivpolizeiliche Maßnahmen. - Auch nach Beendigung der verdeckten Observationsmaßnahmen dauere der Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung fort. Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft ... behaupte das Regierungspräsidium ... im Zusammenhang mit dem gegen ... wegen der Kontakte zum Kläger eingeleiteten Disziplinarverfahren, dass gegen diesen weiterhin ein Tatverdacht bestehe. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation des Klägers aus dem tiefen Eingriff in seine Grundrechtspositionen. Auch müsse einer Wiederholung solcher verdeckter polizeilicher Observationsmaßnahmen für den Fall einer erneuten Anzeige Dritter vorgebeugt werden. - Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen seien schließlich auch in der Sache rechtswidrig. Eine erhebliche und damit auch konkrete Gefahr i.S. des § 22 Abs. 2 PolG, die Voraussetzung für die Anfertigung verdeckter Bild- und Tonaufnahmen sowie für die Anwendung technischer Mittel zur Standortbestimmung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PolG sei, habe nicht vorgelegen. Den Polizeibehörden sei seit Jahren bekannt gewesen, dass der Kläger seine Freizeit zur Pflege des Wassersports mit Kindern und Jugendlichen auf dem Kajütboot verbringe, ohne dass es zu Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung gekommen sei. Irgendwelche Besonderheiten, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, habe es nicht gegeben. Stattdessen seien kriminalistische Bauchgefühle für das Vorgehen des Beklagten ausschlaggebend gewesen. So heiße es in den Vermerken etwa, die Geschädigten hätten in der Vergangenheit aus Scham- und Schuldgefühlen keine näheren Angaben gemacht. Es gebe aber weder irgendwelche „Geschädigten“ noch würden Anhaltspunkte dafür benannt, dass diese Scham- und Schuldgefühle hätten. Zu Unrecht schließe der Beklagte aus dem Gebrauch des Wortes „geil“ durch den Kläger darauf, dass der Aufenthalt der Jugendlichen auf dem Boot einen sexuellen Bezug gehabt habe. Dieses Wort habe heute eine allgemein lobende bzw. bestätigende Bedeutung. Wieso aus der „Art und Weise“ seines Gebrauchs auf einen sexuellen Bezug geschlossen werden können solle, teile der Beklagte nicht mit. Seine Spekulation, durch die polizeiliche Durchsuchungsaktion am 26.08.2010 habe eine sexuell motivierte Straftat des Klägers verhindert werden können, offenbare nur seinen Begründungsnotstand. Der Beklagte benenne weder das Kind, noch mache er Angaben dazu, ob es im Zeitpunkt der Straftat die maßgebliche Altersgrenze nicht bereits überschritten gehabt habe. Erst recht könne die Gefahr der Begehung von Straftaten im Jahr 2011 nicht mit einer im Jahre 1989, d.h. vor über 22 Jahren, festgestellten Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit homosexuellen Neigungen begründet werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich daraus auch heute noch die Gefahr von Straftaten ergeben könne, seien auch nicht ansatzweise benannt worden. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wäre ohne die verdeckten Maßnahmen auch weder gefährdet, noch - was überhaupt nur in Betracht komme - beeinträchtigt worden. Denn der Beklagte habe als mildere Ermittlungsmaßnahme etwa die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern im Hinblick auf sexuelle Übergriffe seitens des Klägers befragen oder dessen Kajütboot auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen hin untersuchen können. Das habe umso näher gelegen, als ohnehin höchstens ein Gefahrenverdacht bestanden habe. - Erst recht seien die verdeckte selbsttätige Bildaufzeichnung und die längerfristige Observation rechtswidrig gewesen. Solche Maßnahmen dürften nur zur Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, d.h. nach § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG von Verbrechen, eingesetzt werden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei nach §§ 176, 176a StGB aber nur dann ein Verbrechen, wenn der Täter tatsächlich sexuelle Handlungen vornehme. Selbst die Einwirkung auf die Kinder mit pornographischen Schriften oder Filmen genüge hier auf keinen Fall. - Ohnehin sei das Ziel des Beklagten nicht die präventive Datenerhebung zur Verhinderung von Straftaten gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht Beweise für ein zukünftiges Strafverfahren zu beschaffen. So heiße es in den Vermerken der Polizei etwa, die Hinweislage reiche zur Begründung des Anfangsverdachts einer Straftat noch nicht aus. Verfassungsrechtliche Überlegungen zeigten aber, dass polizeirechtliche Maßnahmen zu diesem Zweck unzulässig seien. Der Bundesgesetzgeber habe die Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen seiner Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG mit den §§ 100c, 100d, 163f und 100h StPO abschließend geregelt. Unabhängig von alledem seien die angeordneten Maßnahmen auch ungeeignet und sonst unverhältnismäßig gewesen. So hätte dadurch ein Missbrauch zwar vielleicht eindeutig dokumentiert, aber nicht - präventivpolizeilich - verhindert werden können. - Selbst wenn man annehmen wolle, eine längerfristige Observation i.S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG sei erforderlich gewesen, so hätten die danach möglichen Ermittlungsmaßnahmen auch ohne die zusätzlich angeordneten verdeckten Maßnahmen problemlos zum Auffinden weiterer Beweismittel, etwa Zeugen, geführt. Abgesehen davon hätten die im Verein bekannten Namen der Jugendlichen durch eine Befragung der Mitglieder festgestellt werden können. Ein behördliches Umgangsverbot wäre dann ein milderes Mittel gewesen. Die simultane Anwendung personeller und technischer Maßnahmen im Sinne einer Totalüberwachung im Rahmen interpersonaler Beziehungen sei in ihrer Massivität einzigartig und sonst nur aus der Terrorismusbekämpfung bekannt, woraus sich ihre Unverhältnismäßigkeit gegenüber dem Kläger, der seit 15 Jahren strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei, offensichtlich ergebe.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
festzustellen, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Bei den angeordneten Maßnahmen handele es sich um solche der Gefahrenabwehr, weshalb es nicht auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht ankomme, sondern darauf, dass die vorliegenden Tatsachen eine polizeiliche Gefahr begründet hätten. Durch die strafprozessuale Durchsuchung habe auch tatsächlich eine schwere Straftat i.S. des § 176a StGB verhindert werden können. Dem Behördenleitervorbehalt aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG sei Rechnung getragen und der Kläger entsprechend § 22 Abs. 8 PolG nachträglich über die verdeckten Maßnahmen unterrichtet worden. Aber auch die materiellen Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG seien gegeben gewesen. Es hätten konkrete, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, der Kläger könne ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 176 ff. StGB in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung begehen. Der Kläger habe weiterhin Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gepflegt, was für einen Mann seines Alters und mit seiner Vorgeschichte großen Bedenken begegne. Die vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltensweisen, die in seiner Persönlichkeit gründeten und ein gewisses Schema erkennen ließen, begründeten die Vermutung, er werde auch zukünftig sexuell motivierte Straftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begehen. Alle von ihm ausgewählten Kinder stammten aus sozial schwachen Familien. Durch das Anbieten und Gewähren von Vergünstigungen in Form von Nachhilfe, Freizeitaktivitäten, Bootsaufenthalten, Liebesbekundungen per SMS, Massagen und Geschenken habe der Kläger immer wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern geschaffen. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung könne daraus auf den Hang zur Begehung erheblicher Straftaten geschlossen werden. Mildere Mittel als die längerfristige Observation hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine zeitliche und räumliche Rundumüberwachung habe nicht stattgefunden. Dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Klägers sei hinreichend Rechnung getragen worden, denn sein Wohnraum sei weder durch Videoaufzeichnungen noch akustisch überwacht worden. - Bezüglich des verdeckten Einsatzes technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 PolG falle der Kläger unter den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personenkreis, da von ihm eine erhebliche Gefahr ausgegangen sei. Die vom Kläger genannte Durchsuchung seines Bootes auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen sei jedenfalls keine weniger einschneidende Maßnahme gewesen. Die besondere Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder und Jugendlichen habe den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes und zur Standortbestimmung gerechtfertigt.
19 
Dem Gericht liegen die folgenden Akten vor:
20 
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 (auch bezeichnet: 28 Js 881/90 78 KLs 19/90); 4 Bände zuzüglich zweier Sonderbände sowie des zugehörigen Bewährungshefts
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09; 1 Band
- die Akten der Staatsanwaltschaft ... zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 90 Js 7892/10; 2 Bände zuzüglich zweier Sonderbände
- drei Bände Akten mit Fotokopien aus polizeilichen Ermittlungsverfahren (zwei Leitz-Ordner und ein Schnellhefter)
- die Akten des Regierungspräsidiums ..., soweit deren Vorlage nicht gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Innenministerium verweigert worden ist (ein Leitz-Ordner)
21 
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer Herrn ... von der Landespolizeidirektion informatorisch zu den gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mitteln der Datenerhebung befragt. Bezüglich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die dem Gericht vorliegenden Akten und die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
22 
Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
10 
Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
11 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
17 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Antragsteller wendet sich gegen den von der Antragsgegnerin in der „Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern“ (Polizeiliche Umweltschutzverordnung - UmweltschutzVO - vom 21.11.1996, zuletzt geändert durch Polizeiverordnung vom 01.06.2006) geregelten Leinenzwang für Hunde.
Mit der im gemeindlichen Amts- und Mitteilungsblatt Nr. 23 vom 10.06.2005 bekannt gemachten und 01.07.2006 in Kraft getretenen Änderungsverordnung wird im neu gefassten § 10 („Gefahren durch Tiere“) die Regelung über die Beaufsichtigung von Hunden um den Leinenzwang für Hunde ergänzt; Abs. 3 bestimmt nun:
„Im Innenbereich (§§ 30-34 BauGB) sind auf öffentlichen Straßen und Gehwegen sowie im Außenbereich in folgenden Gebieten:
1. im gesamten Südbereich bis zum Waldrand zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler,
        
2. im Bereich des Betonwegs von der Maienstraße in Feldrennach Richtung Ittersbach,
        
3. im Bereich der Bannholzstraße in Feldrennbach bis zum Festplatz beim Waldbeginn
        
4. im Bereich der an die Bach- und die Kelterstraße anschließenden Wege zum Fronberg in Ottenhausen
Hunde an der Leine zu führen. Ansonsten dürfen Hunde ohne Begleitung einer Person, die durch Zuruf auf das Tier einwirken kann, nicht frei umherlaufen.“
§ 28 Abs. 1 UmweltschutzVO lautet:
„Ordnungswidrig i.S. von § 18 Polizeigesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
(…)
Nr. 11: entgegen § 10 Abs. 3 Hunde frei herumlaufen lässt.“
Der Antragsteller wohnt im Ortsteil Conweiler der Antragsgegnerin. Er ist seit einigen Jahren Halter eines Hundes, den er täglich im Gebotsbereich der Polizeiverordnung ausführt. Am 17.03.2006 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen den Leinenzwang fest. Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch. Durch Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 04.08.2006 - 8 OWi 84 Js 6960/06 - wurde der Antragsteller zu einer Geldbuße von 25 EUR verurteilt; über die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde ist noch nicht entschieden.
Am 20.11.2006 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet, zu dessen Begründung er vorträgt: Die Änderungsverordnung vom 01.06.2005 sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da die bekanntgemachte Verordnung vom Beschluss des Gemeinderats hinsichtlich der jeweiligen Gebietsgrenzen nicht gedeckt sei; denn der im Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 01.06.2005 festgehaltene Beschluss zur Änderung der Verordnung enthalte anders als die Beschlussvorlage und der ausgefertigte Verordnungstext in § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO nicht die Worte „bis zum Waldrand“. Darüber hinaus sei die dortige Gebietsabgrenzung unklar und missverständlich und damit zu unbestimmt. Auch in der Sache sei der angeordnete Leinenzwang rechtswidrig. Die Annahme, dass eine abstrakt-generelle Gefahr von unangeleinten Hunden für Menschen oder andere Hunde ausgehe, könne nicht nachgewiesen werden. Ferner verstoße die Verordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die vorgenommene Abgrenzung könne nicht nachvollziehbar begründet werden. Bei der umfassenden Regelung für den südlichen Bereich habe der Gemeinderat nicht berücksichtigt, dass Hundehaltern auch Freilaufflächen für ihre Tiere zur Verfügung gestellt werden müssten. Andernfalls sei die nach Art. 20a GG gebotene artgerechte Tierhaltung nicht mehr möglich. Den in der Gemeinde wohnenden Hundehaltern könne auch nicht zugemutet werden, in ein gemeindefernes Freilaufgebiet zu fahren. Es sei ferner nicht dargetan, warum für den südlichen Außenbereich ein umfassender Leinenzwang erforderlich sei, während im nördlichen Außenbereich ein wegebezogener Leinenzwang für ausreichend angesehen wurde. Schließlich sei der normierte Leinenzwang auch nicht dazu geeignet, die von dem Gemeinderat heftig diskutierte Hundekotproblematik zu lösen.
10 
Der Antragsteller beantragt,
11 
§ 10 Abs. 3 Satz 1 der Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern (Polizeiliche Umweltschutzverordnung) der Antragsgegnerin vom 21.11.1996 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 01.06.2005 für unwirksam zu erklären.
12 
Die Antragsgegnerin beantragt,
13 
den Antrag abzulehnen.
14 
Sie trägt vor: Die Verordnung sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Zwar weiche der im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltene Beschlusstext geringfügig vom Wortlaut der Beschlussvorlage und der Verordnung ab. Das sei aber vor dem Hintergrund der Diskussion, deren Gegenstand nur der Bereich außerhalb des Waldgebiets gewesen sei, unerheblich; denn das Sitzungsprotokoll sei kein Wortprotokoll. Jedenfalls könne eine etwaige Lücke im Beschlusstext durch Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts geschlossen werden. Der räumliche Geltungsbereich des Leinenzwangs im streitigen Südbereich sei hinreichend bestimmt; dies werde durch einen Blick auf den Ortsplan bestätigt. Darüber hinaus werde mit Hinweistafeln auf Anfang und Ende des Leinenzwangs hingewiesen. Der Leinenzwang sei durch die Ermächtigungsgrundlage des § 10 PolG gedeckt. Von unangeleinten Hunden gehe eine abstrakte Gefahr für Menschen aus. Denn durch unberechenbares Verhalten der Hunde würden Menschen typischerweise gesundheitlich gefährdet oder zumindest erheblich belästigt. Zudem seien binnen eines Jahres ca. 25 bis 30 Vorfälle mit Bissen und Angriffen von freilaufenden Hunden zu verzeichnen gewesen. Seit Bestehen der Leinenpflicht sei die Zahl derartiger Vorfälle erheblich zurückgegangen. Des Weiteren werde die Landwirtschaft und der im dortigen Gebiet gelegene Segelflugplatz durch freilaufende Hunde und deren Kot sowie durch Stöcke, die von Hundehaltern geworfen würden, beeinträchtigt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Insbesondere die unterschiedliche Behandlung von nördlichem und südlichem Außenbereich sei im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers gerechtfertigt, weil der südliche Bereich erheblich stärker touristisch genutzt werde. Die Verordnung stelle eine sinnvolle Kompromisslösung zwischen den Interessen der Hundehalter und den Interessen der Erholungssuchenden dar. Durch die örtliche Begrenzung des Leinenzwangs seien genügend Flächen vorhanden, die ein Freilaufen der Hunde ermöglichten.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
10 
Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
11 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
17 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - geändert. Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Betretungsverbots für sein über dem Stollen IV des Altbergwerks Kahlenberg gelegenes Grundstück FlSt.-Nr. 8887 auf der Gemarkung Herbolzheim.
Am Kahlenberg in der Gemeinde Herbolzheim wurde in der Vorbergzone an der Ostflanke des Rheintalgrabens am Übergang zum Schwarzwald von 1937 bis 1969 Eisenerz abgebaut, teils im Tagebau, teils im Untertagebau.
Das Bergwerk Kahlenberg war ursprünglich auf Grund eines Konzessionsvertrags mit dem Land Baden vom 26.10.1937 durch die „Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH“ betrieben worden. Zuletzt standen die Bergrechte der ...... GmbH zu, die das Bergwerk nach Einstellung des Bergbaubetriebs 1970 an den Landkreis Lahr verkaufte. Am 20.04.1971 wurde der vom 16.06.1970 datierende Abschlussbetriebsplan zugelassen, der hinsichtlich der Hohlräume im Baufeld Stollen IV keine Sicherungsmaßnahmen vorsah, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. 1972 wurde das Bergwerk an den beigeladenen Zweckverband Abfallbeseitigung Kahlenberg - ZAK - (im Folgenden: Beigeladener) zum Betrieb einer Deponie weiterveräußert. § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 lautet wie folgt:
„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit dem 1. März 1972 alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag zwischen der ...... GmbH und dem Land Baden-Württemberg für die Gewinnung von Eisenerz in der Konzession Kahlenberg auf den Käufer übergehen sollen.
Dem Käufer ist bekannt, dass hierfür die Zustimmung des Landes Baden-Württemberg notwendig ist.
Da der Käufer den Bergbaubetrieb mit übernimmt, übernimmt er auch alle auf den verkauften Grundstücken zu Gunsten des Landkreises eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten mit.“
Aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 1973 wurde in den Tagebaubereichen des Bergwerks eine Mülldeponie errichtet.
Der Stollen IV wurde nach Beendigung der Förderung dort in den 1950er Jahren zum Teil zu Bruch geschossen, d.h. durch Sprengung gezielt zum Einsturz gebracht, zum größten Teil jedoch lediglich durch inzwischen verrottete Holzbalken gesichert. Der im Bereich dieses Stollens betriebene Bergbau führte zu mehreren sog. Tagesöffnungen. Mehrere 100 m nordöstlich des klägerischen Grundstücks haben sich in den 1990er Jahren einige sog. Spüllöcher (kreisrunde Absackungen mit einer Tiefe und einem Durchmesser von jeweils etwa 1 m sowie 60 cm breite und mehrere Meter lange Spalten) gebildet, die allerdings auch Folge einer Verkarstung sein können. Südlich des klägerischen Grundstücks befindet sich ein kleiner Tagesbruch mit unbekannter Entstehungsgeschichte.
Am 13.02.2008 wurde auf den Grundstücken FlSt.-Nrn. 8875, 8876 und 8877 im Gewann Wingarten ca. 45 m von der nordwestlichen Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt ein Tagesbruch entdeckt. Der Einbruchtrichter hatte anfänglich einen Durchmesser von etwa 6 m, die Wände verliefen fast senkrecht, in 6,75 m Tiefe verjüngte sich das Loch und setzte sich weitere 25 m bis zu dem Stollen IV des Bergwerks fort. Der Durchmesser des Trichters vergrößerte sich in der Folgezeit durch Nachrutschen auf über 20 m.
10 
Bereits kurz nach Entdeckung dieses Tagesbruchs sperrte die Gemeinde Herbolzheim als Ortspolizeibehörde durch Allgemeinverfügung vom 25.02.2008 die nähere Umgebung durch Trassierband und Zäune ab, um einen Unfall am Tagesbruch selbst oder durch einen neuen Tagesbruch zu verhindern. Der räumliche Geltungsbereich der Allgemeinverfügung erstreckte sich auf das Gebiet über dem südlichen Teil des Stollens IV und umfasste auch das ca. 60 m lange und 40 m breite, rautenförmige Weinberggrundstück des Klägers.
11 
Am 23.04.2008 führten Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg - Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) - eine Grubenbefahrung zum Zweck der Gefahrerforschung durch. Das Regierungspräsidium Freiburg legte aufgrund der Erkenntnisse aus der Befahrung ein übertägiges Sicherungsgebiet von ca. vier ha Größe fest, in welchem auf Dauer ein generelles Betretungsverbot gelten müsse. Der Beigeladene bot in der Folge den Eigentümern der innerhalb des Sicherungsgebiets gelegenen Grundstücke an, diese zu einem von einem Schätzer ermittelten Preis zu erwerben. Anders als die übrigen Grundeigentümer veräußerte der Kläger sein Grundstück nicht, weil er den angebotenen Preis für deutlich zu niedrig hielt.
12 
Mit Verfügung vom 23.06.2008 ordnete das Regierungspräsidium Freiburg dem Kläger gegenüber an, dass das Grundstück FlSt.-Nr. 8887 nicht mehr betreten werden dürfe. Ausnahmen seien nur mit vorheriger Zustimmung des Regierungspräsidiums möglich (Nr. 1). Weiter seien Maßnahmen zur Gefahrerkundung und -beseitigung zu dulden, insbesondere Begehungen, Beschilderungen und das Errichten von Zäunen (Nr. 2). Unter Nr. 3 hieß es, der Kläger werde für die mit den Anordnungen verbundenen Nachteile eine angemessene Entschädigung erhalten, deren Höhe noch festzusetzen sei. Unter Nr. 4 wurde der Sofortvollzug der Nummern 1 und 2 angeordnet. Die Verfügung wurde damit begründet, dass das klägerische Grundstück einsturzgefährdet sei und damit Leib und Leben von Menschen bedroht seien. Es könne jederzeit zu einem Tagesbruch wie am 13.02.2008 kommen. Daher müsse ein Betretungsverbot erlassen und der gesamte Bereich eingezäunt werden. Mildere Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Eine unterirdische Sicherung sei technisch nicht zuverlässig umsetzbar und unverhältnismäßig aufwändig. Die Maßnahme sei auf §§ 1, 3 und 9 PolG gestützt, weshalb dem Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld zustehe.
13 
Am 09.07.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben mit dem Antrag, Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, eine eingeschränkte Nutzung des Grundstücks unter Aufrechterhaltung der Sperrung gegenüber Dritten zuzulassen. Zur Begründung führte er aus, dass gerade auf seinem Grundstück die Gefahr eines Tagesbruchs allenfalls gering sei. Obwohl der Abbau im Stollen IV unter Kriegsbedingungen und damit nicht so sorgfältig wie im Fall einer zivilen Bergmannsarbeit durchgeführt worden sei, seien nicht alle unterirdischen Strukturen akut versturzgefährdet. Zwar seien unter den Bedingungen der kriegsmäßigen Erschließung die vorhandenen Abbaukammern wiederholt zur Seite erweitert worden, was die Firststabilität negativ beeinflusst habe. Unter dem Grundstück des Klägers seien solche nachträglichen Erweiterungen auf den Grubenplänen jedoch nicht zu erkennen, weshalb die Abbaukammern ihre ursprüngliche Stabilität behalten hätten. Mit Ausnahme eines kleinen Stücks im äußersten Südwesten des Grundstücks seien deshalb - anders als im Bereich des Tagesbruchs - keine Versturzstrecken erkennbar. Ohnehin bedeute ein Versturz nicht, dass der Stollen auf ganzer Länge unpassierbar sei. Ein Versturz liege bereits dann vor, wenn geringe Mengen des Hangenden niedergebrochen seien. Nach dem Versturz könne das Abbaufeld dann wieder über eine lange Strecke hinweg absolut stabil sein. Besonders versturzgefährdet seien Teile des Abbaufeldes, wo Wasser zutrete, sei es Oberflächenwasser oder Grundwasser. So habe der durch die mangelhafte Wartung des Abflusses einer Quelle verursachte Wasserzutritt zu dem Tagesbruch vom 13.02.2008 geführt. Auf dem klägerischen Grundstück gebe es dagegen weder feuchte Stellen noch gar stehendes Wasser. Eine eventuell gleichwohl bestehende Restgefahr könne durch bescheidene Maßnahmen unterhalb des klägerischen Grundstücks wie den Einzug einer Stützung beseitigt werden. Keineswegs sei es erforderlich, das gesamte Abbaufeld des Stollens IV unterirdisch zu sichern. In Relation zum Wert des Grundstücks, der sich auf 62.000,-- EUR belaufe, seien solche Maßnahmen keinesfalls unverhältnismäßig. Auch oberirdische Sicherungsmaßnahmen seien als mildere Maßnahme möglich. Das Grundstück solle nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern weiter zum Weinbau genutzt werden. Die mit dem Betreten des Grundstücks durch den Kläger einhergehende Selbstgefährdung rechtfertige kein polizeiliches Einschreiten. Da sich ein Tagesbruch durch Erdbewegungen und Geräusche ankündige, könnten sich auch die im Weinberg Beschäftigten rechtzeitig in Sicherheit bringen. Sie könnten zudem zu einer Seilsicherung verpflichtet werden. Außerdem könne das Befahren auf Fahrzeuge und Maschinen mit einem bestimmten Gesamtgewicht beschränkt werden. Für die Pflege der Rebstöcke sei nur eine geringe tägliche Aufenthaltsdauer erforderlich. Der durch das Betretungsverbot eintretende Schaden sei für den Kläger deutlich höher als für die Eigentümer der Nachbargrundstücke, da er das Grundstück erwerbslandwirtschaftlich genutzt habe. Zwischenzeitlich sei die Rebanlage so sehr beschädigt, dass es nicht mehr möglich sei, die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen. Die alten Rebstöcke müssten entfernt und durch Neuanpflanzungen ersetzt werden.
14 
Allgemein müsse berücksichtigt werden, dass in fast allen Bergbaugebieten ein Tagesbruch nahezu flächendeckend nicht ausgeschlossen werden könne. Auch im Bereich des Kahlenbergs werde sich irgendwann und irgendwo wieder ein Tagesbruch ereignen, allerdings vielleicht erst in 100 Jahren oder noch später. Die Tatsache, dass sich seit 2008 kein weiterer Tagesbruch ereignet habe, zeige jedenfalls, dass sich die Lage stabilisiert habe.
15 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Gefahr eines Tagesbruchs sei auch auf dem Grundstück des Klägers groß. Ausweislich des Grubenbildes befänden sich unter dem Grundstück flächendeckend ca. 5 - 6 m breite und 3 m hohe Erschließungsstrecken sowie ca. 4 - 5 m breite und 6 - 8 m hohe Abbauhohlräume. Die Abbaukammern seien - abgesehen von zwei kurzen Teilstücken unter dem südlichen Grundstücksbereich - nach der Betriebseinstellung nicht zu Bruch geschossen worden. Die für die Gefahr eines Tagesbruchs besonders bedeutsame Mächtigkeit des Deckgebirges belaufe sich im Bereich des klägerischen Grundstücks lediglich auf 34 - 41 m. Da auch unter dem klägerischen Grundstück Verbrüche der Firste festzustellen seien, bestehe Tagesbruchgefahr. Denn diese Verbrucherscheinungen deuteten auf eine langsame, aber unaufhaltsame Entfestigung des Gebirgsverbandes hin, die wegen der geringen Überdeckung über kurz oder lang zu einem Tagesbruch führen müsse. Nur wenn die Überdeckung des Hohlraums durch die darüber liegenden Gebirgsschichten das Siebenfache seiner Höhe erreiche (hier 56 m), sei das Risiko eines Tagesbruchs allenfalls noch gering. Daher sei der Sicherungsbereich danach bestimmt worden, ob die Überdeckung oberhalb dieses Grenzwerts liege. Die Behauptung des Klägers, unter seinem Grundstück gebe es weder Verbrüche noch Zutritte von Wasser, könne mangels Vor-Ort-Befund nicht bestätigt werden. Es stehe jedoch fest, dass es in den Gebirgsschichten unter dem Grundstück des Klägers Wasser gebe. Ein Wassereinbruch mit einer Beschleunigung des Verbruchs des Bergwerks sei daher nur eine Frage der Zeit. Ein Tagesbruch könne nach Jahren trügerischer Ruhe ohne Vorankündigung jederzeit auftreten, ohne dass Personen auf dem klägerischen Grundstück noch Zeit und Gelegenheit hätten, sich rechtzeitig zu entfernen. Sicherungsmaßnahmen unter Tage seien nicht nur technisch schwierig und gefährlich, die Kosten dafür stünden auch in keiner Relation zum Wert des Grundstücks. Von oben könnten keine Stabilisate in die Grubenbaue eingebracht werden, weil die Tragfähigkeit des Bodens für die dafür erforderlichen schweren Maschinen nicht ausreichend sei. Auch eine regelmäßige Überwachung der Stollen unter dem Grundstück sei zu gefährlich und daher nicht möglich.
16 
Das Verwaltungsgericht hat zur Gefahr eines Tagesbruchs auf dem Grundstück des Klägers und zu den Möglichkeiten, eine solche Gefahr abzuwenden, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Dipl.-Geol. ... von der Ingenieurgesellschaft ...... ist in seinem Gutachten vom 30.06.2010, welches er in den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat näher erläutert hat, zu dem Ergebnis gekommen, dass auf dem Grundstück des Klägers insbesondere in dem Bereich über dem 1. liegenden Aufhauen sowie über den Abbaukammern E, G und H die Gefahr eines Tagesbruchs bestehe. Die Wahrscheinlichkeit eines Tagesbruchs bewege sich im Vergleich zu dem 2008 gefallenen Tagesbruch in ähnlicher Größe, teilweise liege sie sogar höher. Die fehlenden Grundwasserzutritte zu den Grubenbauen unter dem Grundstück führten nicht zu einer Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Tagesbrüchen unter dem Grundstück. Im Vergleich zu den umliegenden Grundstücken sei die Tagesbruchgefahr nicht signifikant geringer. Ein Befahren mit landwirtschaftlichen Maschinen könne aufgrund der höheren Flächenbelastung bei ansonsten gleichen Verhältnissen eher zu einem Tagesbruch führen. Eine deutlich wahrnehmbare Vorankündigung eines Tagesbruchs sei nicht gewährleistet. Eine übertägige Überwachung der alten Grubenbaue zur rechtzeitigen Erkennung von Tagesbrüchen sei zwar grundsätzlich technisch möglich, aufgrund der Nutzung des Geländes als Weinberg jedoch nicht realisierbar. Eine untertägige Überwachung sei technisch sehr aufwändig, nicht gefahrlos installierbar und extrem störanfällig. Die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr sei eine Vollsicherung der Hohlräume durch Verfüllung mit einem hydraulisch abbindenden Material. Bei einem zu verfüllenden Hohlraumvolumen unter dem klägerischen Grundstück von ca. 7.400 m³ sei von Kosten von mehr als 1.000.000 EUR netto auszugehen. Bei einem Zu-Bruch-Schießen wäre nicht gewährleistet, dass das zu Bruch geschossene Gebirge tagesbruchfrei wäre. Bei Einbau einer Sicherung mittels Geotextilien könne durch die lastverteilende Wirkung des Geogitters bei Eintritt eines Tagesbruchs ein vollständiges Versagen der Erdoberfläche verhindert werden. Im Schadensfall sei jedoch eine anschließende Vollsicherung des Tagesbruchs erforderlich, um das Gelände weiter nutzen zu können. Zu allen untersuchten Sicherungs- und Überwachungsvarianten sei anzumerken, dass hierdurch lediglich das klägerische Grundstück gesichert bzw. überwacht werden könne. Die Zuwegungen zum Grundstück seien jedoch ebenfalls tagesbruchgefährdet und müssten in ein etwaiges Maßnahmenkonzept einbezogen werden.
17 
Der Beklagte hat in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zwei vom Beigeladenen beim Ingenieurbüro ... - ... - in Auftrag gegebene Gutachten, nämlich den Zwischenbericht vom 20.10.2009 und den „Abschlussbericht zu den Ergebnissen der Vor-Ort-Untersuchungen im Abbaufeld Stollen IV der ehemaligen Eisenerzgrube Kahlenberg unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Bereich der Steigstraße“ vom 30.09.2010 vorgelegt. Eine revidierte Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 wurde im Berufungsverfahren vorgelegt. Nach diesem Gutachten besteht auf dem klägerischen Grundstück die Gefahr eines großen Tagesbruchs (> 2 m). Für Teilbereiche des Grundstücks kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Tagesbruch-, Senkungs-/Setzungsgefährdung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden und keine Nutzung möglich ist. Für die übrigen Teilbereiche des Grundstücks geht das Gutachten davon aus, dass eine solche Gefährdung wahrscheinlich vorhanden ist und hält eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung (Beweidung oder extensiver Anbau ohne Maschineneinsatz) für vertretbar.
18 
Mit Urteil vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Tagesbruchgefahr liege für das gesamte klägerische Grundstück vor, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... nachvollziehbar ergebe. Das Betretungsverbot diene, auch soweit es sich an den Kläger richte, nicht nur dessen Schutz, sondern auch dem möglicher Retter. Ein Fall der ausschließlichen Selbstgefährdung liege daher nicht vor. Der Kläger sei als Eigentümer des tagesbruchgefährdeten Grundstücks Zustandsstörer. Das ihm auferlegte Betretungsverbot sei für ihn auch nicht wirtschaftlich unzumutbar. Eine grundlegende Beseitigung der von den Hohlräumen unter seinem Grundstück ausgehenden Gefahr werde von ihm nicht gefordert. Vielmehr werde ihm (nur) die Möglichkeit der Nutzung des Grundstücks entzogen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass ein vernünftiger Eigentümer das Grundstück ohnehin nicht mehr betreten würde. Die Frage, ob der Beigeladene ebenfalls polizeirechtlich verantwortlich sei, könne offen bleiben, da dieser nur zu Sicherungs- oder Überwachungsmaßnahmen verpflichtet werden könnte, die jedoch entweder nicht zuverlässig oder unverhältnismäßig teuer seien. Der auf teilweise Aufhebung des Betretungsverbots zielende Hilfsantrag sei gleichfalls unbegründet, da das Grundstück insgesamt tagesbruchgefährdet sei.
19 
Entsprechend den Empfehlungen des ...Gutachtens ließ der Beigeladene die Steigstraße, einen asphaltierten Wirtschaftsweg, der das abgesperrte Gebiet etwa 50 m südlich des klägerischen Grundstücks auf einer Länge von 180 m in Ost-West-Richtung quert, mit einem Geotextil sichern. Die Steigstraße wurde Anfang Mai 2011 wieder für Fußgänger und landwirtschaftliche Fahrzeuge bis 3,5 t bei einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h freigegeben. Die Maßnahme kostete laut Presseberichten 70.000 EUR, nach der Schätzung des Beklagten 100.000 EUR.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 11.05.2011 - 1 S 172/11 - zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, die Freigabe der Steigstraße zeige, dass der Beklagte selbst die Gefahrensituation inzwischen deutlich entspannter sehe. Die Absicherung der Steigstraße mit Geotextilien belege deren grundsätzliche Geeignetheit. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger Zustandsstörer sei. Störer sei vielmehr allein der Beigeladene, da er als Bergwerksbetreiber seiner Sicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und die dafür gebildeten Rückstellungen, die sich zum 31.12.1994 auf über 21 Mio. DM belaufen hätten, anderweitig verwendet habe.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - zu ändern und Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger und seinen Hilfspersonen auf dessen Antrag unbeschränkt Zugang zu seinem Grundstück zu gewähren und dessen weinbauliche Nutzung und Bewirtschaftung zu ermöglichen.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er trägt vor, dass in der revidierten Fassung vom 11.03.2011 auch das ...-Gutachten von einer Gefahr auf dem gesamten klägerischen Grundstück ausgehe, so dass es nun für 2/3 des Grundstücks keine Nutzung und für 1/3 eine nur eingeschränkte Nutzung empfehle. Die theoretisch denkbaren Sicherungsmaßnahmen stünden in keinem Verhältnis zum Wert des Grundstücks und Überwachungsmaßnahmen seien zu gefährlich und ebenfalls zu teuer. Der Beklagte gehe nach wie vor davon aus, dass der Kläger Nichtstörer sei; die Voraussetzungen des § 9 PolG lägen jedoch vor. Ein Tagesbruch könne sich jederzeit ohne Vorwarnung ereignen, so dass diese Gefahr unmittelbar drohe. Bei der Abwägung, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass die Anordnung von Maßnahmen gegenüber dem Beigeladenen unverhältnismäßig wäre, sei von einer unbegrenzten Leistungsfähigkeit des Beigeladenen ausgegangen worden, so dass es auf mögliche Rücklagen nicht ankomme. Abgestellt worden sei auf das Verhältnis zwischen dem Wert des Grundstücks und dem Sicherungsaufwand.
26 
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Selbst wenn auch er polizeilich verantwortlich sei, so habe der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr die Inanspruchnahme des Klägers erfordert, den das Verwaltungsgericht zu Recht als Zustandsstörer angesehen habe. Denn in der Zeit bis zum Abschluss etwaiger Sicherungsmaßnahmen bestehe die Gefahr fort. Außerdem sei die Sicherung für die eingesetzten Arbeiter ebenfalls gefährlich. Es könnten auch nicht alle Hohlräume zuverlässig erfasst werden. Die Sicherung sei zudem unverhältnismäßig teuer. Da der gesamte Stollen gesichert werden müsste, würde dies etwa 20 Mio. EUR kosten. Selbst wenn man optimistisch mit nur 7 Mio. EUR kalkulieren würde, sei dies immer noch unverhältnismäßig. Die Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden in allen Grubenbereichen des Altbergwerks beliefen sich auf ca. 3 Mio. EUR.
27 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen ... und des sachverständigen Zeugen ... sowie durch Vernehmung des Zeugen ..., der bis zu seiner Pensionierung 1995 technischer Betriebsleiter der vom Beigeladenen betriebenen Deponie war. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
28 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums Freiburg und des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Der Senat sieht keine Veranlassung, mit Blick auf den Schriftsatz des Beigeladenen vom 31.10.2012, in welchem dieser seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Störereigenschaft des Klägers und des Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Störung nochmals verdeutlicht, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen.
30 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). Das in Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 angeordnete Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
31 
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zwar ist bei einem Erfolg der Klage die tatsächliche Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks noch nicht sichergestellt, da dieses nicht an einen öffentlichen Weg grenzt und für die umliegenden Grundstücke, die im Eigentum des Beigeladenen stehen, weiterhin ein Betretungsverbot gilt. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber dem Beigeladenen einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB hat und dass von der ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks verlaufenden Steigstraße aus eine sichere Zuwegung geschaffen werden kann.
II.
32 
Die Klage ist auch begründet. Das auf die §§ 1, 3 und 9 PolG gestützte Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zwar ist der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung ist formell rechtmäßig (2.) und inhaltlich hinreichend bestimmt (3.). Der Kläger ist jedoch Nichtstörer (4.) und die Voraussetzungen des § 9 PolG für seine Inanspruchnahme als Nichtstörer liegen nicht vor (5.).
33 
1. Die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) ist als Ermächtigungsgrundlage anwendbar, obwohl es um die Bekämpfung der von einem Altbergwerk ausgehenden Gefahren geht. Ihre Anwendung ist nicht durch speziellere bergrechtliche Vorschriften gesperrt.
34 
Die Vorschriften des Bundesberggesetzes sind gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG vom 13.08.1980 (BGBl. I S. 1310) nicht anzuwenden auf Betriebe im Sinne des Absatzes 1, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1982 bereits endgültig eingestellt waren. Die endgültige Einstellung eines Bergwerksbetriebs nach § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG beginnt, sobald die Errichtungs- und/oder Führungsphase mit der Absicht beendet wird, sie nicht wieder aufzunehmen. Sie endet nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans (BayVGH, Urt. v. 24.08.2010 - 8 BV 06.1795 - ZfB 2011, 114). Im Bergwerk Kahlenberg wurde der Bergbau im Jahr 1970 aufgegeben. Der Abschlussbetriebsplan vom 16.06.1970, der am 20.04.1971 zugelassen wurde, sah vor, die Hohlräume im Baufeld Stollen IV unverändert zu belassen, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. Zwar lässt sich den vorgelegten Bergakten nicht entnehmen, wann genau die Zugänge geschlossen wurden. Die Verfahrensbeteiligten konnten hierzu ebenfalls keine exakten Angaben machen. Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zeitnah im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung erfolgt ist. Daher ist von einer endgültigen Einstellung des Betriebs vor dem 01.01.1982 auszugehen.
35 
Auch Vorschriften des vor Inkrafttretens des Bundesberggesetzes anzuwendenden Badischen Berggesetzes vom 22.06.1890 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.04.1925 (Bad. GVBl. S. 103), zuletzt geändert durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften vom 08.04.1975 (GBl. S. 237) und § 69 Abs. 6 des Naturschutzgesetzes vom 21.10.1975 (GBl. S. 654; ber. 1976 S. 96), kommen nach der Einstellung des Bergwerksbetriebes nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - VBlBW 2000, 362 = NVwZ-RR 2000, 589 m.w.N.). Denn das Badische Berggesetz sieht keine Eingriffsbefugnisse bei stillgelegten Bergwerken vor, da § 144 Bad. BergG die Zuständigkeit der Bergpolizei und damit auch die Reichweite der Generalklausel des § 147 Bad. BergG auf „den Betrieb“ beschränkt. Der Begriff „Betrieb“ ist im Gesetz nicht definiert. Aus den §§ 60 ff. Bad. BergG ergibt sich jedoch, dass der Betrieb ein tatsächlicher Abbauvorgang ist, der zum Beispiel nach § 60 Abs. 3 Bad. BergG auch kurzfristig unterbrochen werden kann. Ein stillgelegtes Bergwerk ist daher kein Betrieb im Sinne der §§ 144 ff. Bad. BergG mehr.
36 
Die bergrechtlichen Vorschriften sind insoweit nicht abschließend, so dass daher die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften Anwendung finden (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
37 
2. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der auf § 66 Abs. 1 PolG gestützten Verordnung des Umweltministeriums über die Zuständigkeit für stillgelegte Bergwerke und andere künstliche Hohlräume vom 21.11.1994 (GBl. S. 669), zuletzt geändert durch Art. 120 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 79). Danach ist das Regierungspräsidium Freiburg bei stillgelegten untertägigen Bergwerken und Bohrungen nach Maßgabe des § 2 zuständig für die Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und für die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.
38 
3. Die angefochtene Verfügung ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinn des § 37 Abs. 1 LVwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt, wenn sowohl der Adressat, als auch - bei der Aufgabe eines Handelns, Duldens oder Unterlassens - das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt ist, dass sie nicht einer unterschiedlichen subjektiven Beurteilung zugänglich ist. Es genügt insoweit, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
39 
Hier ergibt die Auslegung des angefochtenen Betretungsverbots, dass dem Kläger selbst das Betreten seines Grundstücks untersagt werden soll und dass es ihm darüber hinaus verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet.
40 
Zwar lässt die Formulierung des Tenors der angefochtenen Verfügung („Das Grundstück darf nicht betreten werden“) zunächst mehrere Auslegungen denkbar erscheinen: Das Betretungsverbot könnte sich ausschließlich auf den Kläger als Grundstückseigentümer beziehen, es könnte sich an jedermann richten und damit eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 3 LVwVfG darstellen oder die Verfügung könnte so auszulegen sein, dass sie neben dem an den Kläger gerichteten Verbot ihm gegenüber auch die Verpflichtung enthält, sein Eigentumsrecht dahingehend auszuüben, Dritten das Betreten nicht zu gestatten.
41 
Entscheidend gegen eine Deutung als Allgemeinverfügung spricht jedoch bereits der dem Tenor vorangestellte Einleitungssatz („Für dieses Grundstück wird Ihnen gegenüber angeordnet“) und der Umstand, dass allein der Kläger Adressat der Verfügung ist.
42 
Auf der anderen Seite würde ein ausschließlich an den Kläger als Grundstückseigentümer gerichtetes Betretungsverbot dem Ziel des Bescheids, wie es sich auch aus der Begründung ergibt, nicht gerecht werden. Denn vor dem Hintergrund der in der Begründung beschriebenen Gefahrenlage zielt das Vorgehen des Regierungspräsidiums darauf ab, dass niemand mehr das Grundstück betreten soll. Nach seinem Sinn und Zweck kann das Betretungsverbot daher nur in dem Sinn ausgelegt werden, dass es dem Kläger verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet. Für dieses Verständnis spricht auch der Hinweis in der Begründung, eventuelle Miet- oder Pachtverträge seien zu kündigen. Offenbar hat der Kläger den Bescheid auch ohne weiteres dahingehend verstanden, dass er selbst das Grundstück nicht betreten und auch Dritten das Betreten nicht gestatten darf.
43 
4. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger mangels polizeirechtlicher Verantwortlichkeit als Zustands- oder Verhaltensstörer Nichtstörer ist.
44 
a) Der Kläger ist nicht als Grundstückseigentümer Zustandsstörer gemäß § 7 Abs. 1 PolG. Nach dieser Vorschrift hat die Polizei Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer der Sache, deren Zustand die öffentliche Sicherheit bedroht, zu treffen.
45 
Das Verwaltungsgericht hat die Verantwortlichkeit des Klägers als Zustandsstörer mit der Begründung bejaht, der Untergrund gehöre zum Grundstück des Klägers und die Hohlräume dort führten ohne weitere Zwischenschritte zu der Tagesbruchgefahr (ebenso VG Braunschweig, Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>).
46 
Die Annahme, dass das Altbergwerk Teil des klägerischen Grundstücks geworden sei, ist jedoch unzutreffend. Zwar erstreckt sich das Grundstückseigentum gemäß § 905 Satz 1 BGB grundsätzlich auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Das Bergwerkseigentum ist davon jedoch gerade nicht erfasst. Das Bergwerkseigentum war auch unter dem Badischen Berggesetz als eigentumsgleiches Recht ausgestaltet (§ 42 Bad. BergG; ebenso nunmehr § 9 Abs. 1 BBergG). Die einzelnen Stollen stellen daher wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums dar, dagegen sind sie lediglich Scheinbestandteile an dem Grundstück. Abhängig von dem genauen rechtlichen Schicksal des Bergwerks befindet sich dieses daher entweder im Eigentum des Beigeladenen oder des Landes (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 LB 57/11 - UPR 2012, 149; OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <65 <; VG Braunschweig, Urt. v. 19.10.2006 - 1 A 267/04 - ZfB 2007, 32 <34> und Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>). In jedem Fall sind die Stollen des Altbergwerks nicht Bestandteil des klägerischen Grundstücks geworden.
47 
Die Gefahr geht auch nicht von dem Grundstück, sondern von der Instabilität der Stollen darunter aus. Sie wird von dem Grundeigentum des Klägers lediglich weitergeleitet.
48 
Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 PolG, nach dem die Gefahr von dem Zustand der Sache ausgehen muss, legt nahe, dass es nicht ausreicht, wenn eine Sache nur von einer Gefahr, die von dem Eigentum darunter ausgeht, betroffen ist. Ebenso spricht der auch für den Zustandsstörer geltende Grundsatz der unmittelbaren Verursachung (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 7 Rn. 5; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 7 Rn. 5) gegen eine Inanspruchnahme des Klägers. Danach trifft den Eigentümer keine Polizeipflicht, wenn sein Eigentum ohne sein Zutun als Mittel verwendet wird, aber nicht per se eine Quelle von Gefahren bildet (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O.). Hier ist der einzige Verursachungsbeitrag des Grundstücks seine bloße Existenz. Eine Gefahr erwächst daraus erst durch den Zustand der darunter liegenden künstlichen Hohlräume. Dagegen ließe sich einwenden, dass der gefährliche Zustand seine Ursache von außerhalb hat, aber in der Kausalkette am nächsten an einer Rechtsgutsverletzung liegt. Hintergrund für die Zurechnung ist jedoch die Wertung, dass der Eigentümer der Gefahr zumindest näher steht als die Allgemeinheit. Entsprechend ist Anknüpfungspunkt auch dessen (zumindest normative) Sachherrschaft über und Einflussmöglichkeit auf die gefährliche Sache und die sich daraus ergebende Pflicht, für die Störungsfreiheit zu sorgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - NJW 1999, 231). So entfällt die Störereigenschaft nicht nur bei Diebstahl der Sache, sondern auch, wenn die Sache – etwa durch Naturschutzrecht – der Allgemeinheit genauso zur Verfügung steht wie dem Eigentümer. Diese Einwirkungsmöglichkeit fehlt aber gerade in dem vorliegenden Fall, in dem der Eigentümer die Gefahr nicht verursacht hat und auch nicht verhindern, sondern ihr nur ausweichen kann, indem er sein eigenes Grundstück nicht mehr betritt. In diesem Sinne hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem Felsgestein von einem Grundstück auf die unterhalb gelegenen Grundstücke zu stürzen drohte, die Inanspruchnahme der bedrohten Grundeigentümer als Zustandsstörer ausgeschlossen (BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl. 1996, 437; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - a.a.O.; ebenso OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625; implizit auch bei Tagesbrüchen OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2001 - 11 U 44/01 - ZfB 2002, 216 <220>, ebenso die Vorinstanz: LG Essen, Urt. v. 16.11.2000 - 4 O 494/99 - ZfB 2001, 230; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 03.03.2005 - 8 K 2655/42 - ZfB 2005, 234 <239>). Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Beigeladenen nichts anderes gelten. Die vom Beigeladenen angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 11.10.1985 - 5 S 1738/85 - NVwZ 1986, 325) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Entscheidend für die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer war dort, dass die Schadstoffe, die das Erdreich unter dem Grundstück verseucht und schließlich zu Verunreinigungen des Grundwassers geführt hatten, nach den Feststellungen des Gerichtshofs aus dem betreffenden Grundstück stammten. Zwar konnte die Gefahr zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nur noch durch auf das Grundwasser bezogene Maßnahmen beseitigt werden, die Gefahrenquelle war jedoch das Grundstück des dortigen Klägers.
49 
b) Der Kläger kann auch nicht als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden.
50 
Verhaltenshaftung im Sinne von § 6 Abs. 1 PolG bedeutet Verantwortlichkeit für die Verursachung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. von Störungen dieser Schutzgüter durch menschliches Verhalten. Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne ist nur derjenige, dessen Verhalten die eingetretene Störung unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die polizeiliche Gefahrengrenze überschreitet. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, wobei danach zu fragen ist, wer die eigentliche und wesentliche Ursache für den polizeiwidrigen Erfolg gesetzt hat. Nur durch diese wertende Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Zurechnungsgrund und der Gefahr lässt sich ermitteln, ob eine unmittelbare Verursachung im Sinne eines hinreichend engen Wirkungs- und Verantwortungszusammenhanges zwischen der Gefahr oder der Störung und dem Verhalten der Person vorliegt, die deren Pflichtigkeit als zumutbar rechtfertigt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.07.2002 - 10 S 2153/01 - juris m.w.N.; ähnlich Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 6 Rn. 8; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 444 f.).
51 
Hier geht die Tagesbruchgefahr vom Zustand der Abbaukammern des Altbergwerks aus. Zwar leistet auch der Kläger, wenn er sein Grundstück betritt oder Dritten das Betreten gestattet, durch sein Verhalten einen kausalen Beitrag für die mit dem Betretungsverbot bekämpfte Gefahr. Eine Gefahr für Leib und Leben kann sich nur realisieren, wenn sich Personen auf dem gefährdeten Grundstück aufhalten. Mit dem Betreten und Bewirtschaften des eigenen Grundstücks macht der Kläger jedoch, ohne gegen strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verbots- oder Gebotsnormen zu verstoßen, lediglich von seinen Befugnissen als Grundstückseigentümer Gebrauch, ohne den eigenen Rechtskreis zu verlassen. Der Aufenthalt auf dem Grundstück ist auch nicht aufgrund natürlicher Gegebenheiten gefährlich, vielmehr geht die Gefahr auf - ebenfalls kausale - Verursachungsbeiträge Dritter zurück (Erzbergbau ohne hinreichende Sicherung der im Zuge des Abbaus geschaffenen künstlichen Hohlräume). Das bloße Betreten erhöht auch nicht die Gefahr eines Tagesbruchs, sondern lediglich die Gefahr, dass bei einem Tagesbruch Menschen zu Schaden kommen. Der sein Grundstück im Einklang mit der Rechtsordnung nutzende Kläger ist daher selbst „Gestörter“ und nicht Störer (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 432). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei der Gefahr von Felsstürzen ausschließlich der Eigentümer des Felsgrundstücks als Störer angesehen, nicht jedoch die Eigentümer der gefährdeten Grundstücke (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl 1996, 437).
52 
5. Die Voraussetzungen des § 9 PolG für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer liegen nicht vor.
53 
Nach § 9 Abs. 1 PolG kann die Polizei gegenüber anderen als den in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen nach den §§ 6 bis 8 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer dürfen nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
54 
a) Hier liegt zwar eine ein polizeiliches Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG gegenüber dem Störer rechtfertigende konkrete Gefahr, nicht aber eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten gegenüber dem Nichtstörer rechtfertigen würde, vor.
55 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
56 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134 und vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
57 
Die auf die Gefahrenabwehr zielende polizeiliche Generalklausel deckt hingegen keine Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein "Besorgnispotenzial" (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315>). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, a.a.O.).
58 
Für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer bedarf es nicht nur einer konkreten Gefahr, sondern einer unmittelbar bevorstehenden Störung. Der Begriff der „unmittelbar bevorstehenden Störung“ stellt strenge Anforderungen sowohl an die zeitliche Nähe als auch an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, weil polizeiliche Notstandsmaßnahmen in die Rechte unbeteiligter Dritter eingreifen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (Senatsurteile vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 - NVwZ 1987, 237 = VBlBW 1987, 183 und vom 15.06.2005 - 1 S 2718/04 - NJW 2006, 635 m.w.N.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 415). Der Begriff der unmittelbar bevorstehenden Störung deckt sich mit dem in anderen Polizeigesetzen verwendeten Begriff der gegenwärtigen Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51 ; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.04.2012 - 4 Bs 78/12 - NJW 2012, 1975).
59 
Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff grundsätzlich die ex ante-Sicht entscheidend. Da es sich bei dem hier angeordneten Betretungsverbot jedoch nicht um eine vorläufige Maßnahme, sondern um einen unbefristet Geltung beanspruchenden Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 116 m.w.N.).
60 
bb) Daran gemessen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen, nicht jedoch eine unmittelbar bevorstehende Störung gegeben ist.
61 
Das Gutachten des vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen ... kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass auf wesentlichen Teilen des klägerischen Grundstücks die Gefahr von Tagesbrüchen besteht, weil die Stollen unter dem Grundstück in verschiedenen Bereichen instabil sind und zu erwartende Verbrüche sich mangels ausreichender Mächtigkeit des Deckgebirges nicht im Fels totlaufen, sondern sich an der Erdoberfläche als Tagesbrüche manifestieren werden. Dieses Ergebnis wird gestützt durch das ...Gutachten und die vom sachverständigen Zeugen ... hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Erläuterungen sowie durch die Angaben des Zeugen ...
62 
(1) Der Sachverständige ... greift auf Archivmaterial, zwei Bohrungen in der Nähe des Grundstücks und eine Befahrung der Stollen unterhalb des Grundstücks zurück. Bei der Befahrung hat der Gutachter an mehreren Stellen Verbrüche, also Absprengungen von der Decke, festgestellt. Weiter hat er festgestellt, dass in keiner Abbaukammer unter dem Grundstück eine First- oder Stoßsicherung besteht und dass ehemals vorhandene Sicherungen aus Holz mittlerweile verrottet sind. Die Zusammensetzung des Deckgesteins, auf die der Gutachter durch Literaturquellen und zwei nahegelegene Bohrungen geschlossen hat, wird als wenig standfest beschrieben, was es notwendig gemacht habe, beim Abbau eine ca. 1,5 m dicke Erzschicht zur Stabilisierung stehen zu lassen. Wie der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläutert hat, wurde diese Sicherheitsmaßnahme jedoch nicht überall eingehalten. Zum Teil sei diese Schicht schon vollständig verbrochen. Das ausweislich der herangezogenen Quellen während der Abbauzeit aufgetretene Phänomen der „Sargdeckelbildung“, d.h. des Sich-Ablösens größerer Platten von der Decke, deute darauf hin, dass die Erzschicht kleinteiliger zerklüftet, also segmentiert sei, als die Breite der Gänge. Dies erhöhe die Gefahr einer sehr raschen Tagesbruchentstehung.
63 
Die Auswirkungen von Brüchen auf die Oberfläche modelliert das Gutachten ... mit dem gängigen Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Die verwendete Formel berücksichtigt zum einen, dass das gebrochene Material eine geringere Dichte aufweist und sich ein Bruch schließlich „totläuft“. Zum anderen prognostiziert das Modell die Menge an Material, die zur Seite hin verdrängt wird. Die Modellrechnung ergab, dass sich an mehreren Stellen ein etwaiger Einbruch im Stollen bis zur Oberfläche fortsetzen wird (Anlage 5 zum Gutachten).
64 
In den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat hat der Sachverständige ... nachvollziehbar erläutert, dass - über die Ausführungen in seinem Gutachten und die dort angestellte Modellrechnung hinausgehend - auch über den Abbaukammern C und D eine Tagesbruchgefahr bestehe, da die dortige Zwischenwand nicht mächtig genug und - auch aufgrund der dort verlaufenden Störungszone - instabil sei. Bei dieser unter dem Grundstück von Nordost nach Südwest verlaufenden Störung handelt es sich um eine Zone, in der die Festigkeit des Gebirges herabgesetzt ist und die Schichten einen Versatz aufweisen (Gutachten S. 11).
65 
Gefahrerhöhend wirkt sich, worauf der Sachverständige ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, die Lage des Grundstücks in einer Erdbebenzone aus.
66 
Der Tagesbruch vom Februar 2008 erlaubt ebenfalls Rückschlüsse auf die Tagesbruchgefahr auf dem klägerischen Grundstück, weil die geologischen Verhältnisse vergleichbar sind und die vom Kläger geäußerte Vermutung, dieser Tagesbruch sei aufgrund eines Wassereinbruchs infolge der mangelhaften Wartung einer in der Nähe befindlichen Quelle entstanden, in den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen keine Stütze findet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Sachverständige ... hierzu erklärt, es sei klar, dass beim Auftreten einer Öffnung an der Erdoberfläche von dort aus Wasser in tiefere Schichten eindringen könne. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass das Wasser auch für die Tagesbruchentstehung verantwortlich sei.
67 
(2) Das vom Beigeladenen in Auftrag gegebene ...Gutachten kommt im Ergebnis zu vergleichbaren Einschätzungen. Es erfasst das gesamte gefährdete Gebiet, wobei ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der Frage lag, ob und unter welchen Bedingungen die ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks am Rande des gesperrten Gebiets in West-Ost Richtung verlaufende Steigstraße wieder für den Verkehr freigegeben werden kann. Das Gutachten teilt das Gebiet in verschiedene Einwirkungsklassen ein: Der Bereich der Einwirkungsklasse 3 (geringe Tagesbruchgefahr) kann ohne Einschränkungen betreten werden, auf Gebieten der Einwirkungsklasse 2 (Tagesbruchgefahr wahrscheinlich vorhanden) halten die Gutachter eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ohne Maschineneinsatz für vertretbar, Gebiete der Einwirkungsklasse 1 (Tagesbruchgefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden) sollen gar nicht mehr betreten werden. Das Deckgebirge unter dem Grundstück wird ähnlich wie im Gutachten ... als „gebräches Mergel/Kalksandsteinpaket“ bezeichnet, das nicht in der Lage sei, langfristig ein tragendes Stützgewölbe auszubilden. Durch Wasserzutritt von der Oberfläche könne sich die Schicht komplett entfestigen.
68 
Die im östlichen Winkel des Grundstücks gelegenen Kammern 7 - 11 (Kammern D - H bei ...) wurden im Abschlussbericht vom 30.09.2010 als so sicher angesehen, dass eine Nutzungseinschränkung nicht erforderlich sei. Begründet wurde dies mit der geringen Höhe der Kammern und der stabilisierenden Erzschicht. In der revidierten Fassung vom 11.03.2011 wurde dieses Gebiet in die Einwirkungsklasse 2 hochgestuft. Der sachverständige Zeuge ... hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass der Einschätzung vom 30.09.2009, auf der der Abschlussbericht vom 30.09.2010 basierte, eine erste Grubenbefahrung zugrunde lag. Aufgrund einer weiteren Befahrung seien die Einwirkungsklassen neu festgelegt worden. Darauf beruhe der Plan vom 30.09.2010, der erst in der revidierten Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 berücksichtigt worden sei.
69 
(3) Das Gutachten ... und das ...Gutachten in der revidierten Fassung stimmen danach sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen als auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen im Wesentlichen überein. Beide sehen das Gebiet als instabil an, beide halten Tagesbrüche für möglich, beide sehen die Möglichkeit der Entfestigung des Deckgebirges durch Wasser und damit auch größerer und tieferer Tagesbrüche als bei der Berechnung nach dem Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Und schließlich können beide Gutachter keine belastbaren Aussagen dazu treffen, wann sich die Tagesbruchgefahr realisieren wird. Dies deckt sich mit der Einschätzung des als Zeuge vernommenen früheren technischen Betriebsleiters der Deponie, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Abbaukammern nicht dauerhaft standsicher sind und die Gefahr von Tagesbrüchen besteht.
70 
(4) Aufgrund der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Schluss, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen gegeben ist.
71 
Die Bewertung einer Wahrscheinlichkeit als Gefahr im polizeirechtlichen Sinne ist grundsätzlich nicht mehr Aufgabe der Gutachter, sondern des Gerichts. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass kein Sachverständiger zu sagen vermag, innerhalb welchen Zeitraums es mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einem wie großen und gefährlichen Tagesbruch kommen wird.
72 
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit hochrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, die auch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten ausreichen lassen. Unerheblich ist demgegenüber für die Bestimmung des Grades der Gefahr, dass es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... um eine Dauergefahr handelt, die sich nicht mit der Zeit verringert, sondern sich vielmehr nach Jahren trügerischer Ruhe auch in 100 Jahren noch realisieren kann. Denn die Dauergefahr ist keine eigenständige Gefahrenart, vielmehr gelten für sie die allgemeinen Anforderungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts (Belz/Mußmann, a.a.O., § 1 Rn. 49 a).
73 
Die völlige Ungewissheit auf der Zeitachse schließt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Störung im Sinn des § 9 Abs. 1 PolG aus. Auch wenn sich ein Tagesbruch jederzeit ohne Vorwarnung ereignen kann, ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein solcher in allernächster Zeit auf dem klägerischen Grundstück auftreten und dabei einen Menschen an Leib oder Leben gefährden wird.
74 
Auf der anderen Seite handelt es sich nicht lediglich um eine „latente Gefahr“ oder ein ohne weiteres hinnehmbares Restrisiko. Zwar legen oberflächennahe Bergbautätigkeiten im Ausgangspunkt die Annahme einer „latenten Gefahr“ nahe. Dies gilt insbesondere für Bergwerke, die - wie der Kahlenberg - nicht nach dem Stand der Technik abgesichert wurden. Gibt es indes Hinweise, dass sich die Gefahr konkretisiert, so schlägt die latente in die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigende konkrete Gefahr um (vgl. OVG NRW, Urt. v. 13.09.1995 - 21 A 2273/91 - ZfB 1995, 322 <327>). Daran gemessen ist hier bei der erforderlichen Gesamtschau von einer konkreten Gefahr auszugehen. Dafür spricht bereits, dass sich die latente Gefahr nur 45 m von der Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt bereits realisiert hat und dass die geologischen Bedingungen dort mit denen auf dem klägerischen Grundstück vergleichbar sind. Hinzu kommen als gefahrerhöhende Umstände die Lage des Grundstücks in der Erdbebenzone 1 und die infolge der unter dem Grundstück verlaufenden Störung herabgesetzte Festigkeit des Deckgebirges.
75 
cc) Eine konkrete Gefahr kann nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass die Polizei nicht gegen bewusste Selbstgefährdungen einschreiten darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - NJW 1998, 2235 = VBlBW 1998, 25 m.w.N.). Begründet wird dies teilweise damit, dass es in einem solchen Fall an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder an einem öffentlichen Interesse für ein behördliches Eingreifen fehle. Überwiegend wird jedoch damit argumentiert, dass Art. 2 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstgefährdung gebe.
76 
Voraussetzung für die Annahme einer nicht zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigenden Selbstgefährdung ist allerdings, dass sich die Betroffenen freiwillig und in Kenntnis der Sachlage der Gefahr aussetzen. Dies wäre bei allen Personen der Fall, die erkennen, dass ihnen mit einer gewissen, nicht näher bestimmbaren Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet der Boden unter den Füßen wegbrechen kann, also insbesondere bei dem Kläger selbst.
77 
Das innerhalb bestimmter Grenzen anzuerkennende Recht auf Selbstgefährdung kann einem staatlichen Verbot jedoch nur dann entgegengehalten werden, wenn mit der betreffenden Tätigkeit nicht zugleich eine Gefahr für andere Personen verbunden ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - a.a.O.; Senatsurteil vom 22.07.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 39). Hier steht der Annahme einer bloßen Selbstgefährdung bei Betreten des Grundstücks entgegen, dass jeder, der in einen Tagesbruch stürzt, um Hilfe rufen und damit unbeteiligte Dritte zu Rettungsmaßnahmen veranlassen wird. Da das Grundstück nur etwa 50 m von einem öffentlichen Weg entfernt liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand zur Hilfe eilt und sich angesichts des unsicheren Kraterrands in Gefahr begeben muss, nicht viel geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt. Insofern liegt selbst bei einem Betreten allein durch den Kläger keine ausschließliche Selbstgefährdung vor, die einem polizeilichen Einschreiten entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die potenziellen Helfer keine professionell ausgebildeten Rettungskräfte, sondern zufällig vorbeikommende Passanten sind, die mit den spezifischen Risiken eines Tagesbruchs kaum vertraut sein dürften und diese Risiken bei der Rettung in keiner Weise überblicken können. Selbst wenn ihnen bekannt wäre, dass in dem Gebiet grundsätzlich die Gefahr eines Tagesbruchs besteht, folgt daraus nicht, dass sie die Gefährlichkeit einer Rettungsaktion zutreffend einschätzen können.
78 
Auch das Betreten durch den Kläger selbst würde also Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter gefährden, so dass eine konkrete Gefahr, die zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigt, nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden kann.
79 
b) Das Betretungsverbot kann auch deshalb nicht auf § 9 PolG gestützt werden, weil es auf unbefristete Dauer Geltung beanspruchen soll und eine Inanspruchnahme des Störers überhaupt nicht beabsichtigt ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass dem Nichtstörer nur das zur Gefahrenabwehr sachlich Unumgängliche aufgegeben werden darf. Deshalb sind Maßnahmen, die sich länger auswirken, grundsätzlich von vornherein zeitlich zu begrenzen (Belz/Mußmann, a.a.O., § 9 Rn. 7; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 9 Rn. 21). Zudem dürfen Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die unmittelbar bevorstehende Gefahr fortbesteht und ihre Abwehr weiterhin auf andere Weise nicht möglich ist.
80 
Hier ist ausweislich des Gutachtens ..., dem der Senat auch in diesem Punkt folgt, die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr eine Vollsicherung der Hohlräume unter dem klägerischen Grundstück mit einem hydraulisch abbindenden Material (Gutachten S. 23). Eine solche Maßnahme könnte der Beklagte dem Beigeladenen als polizeirechtlich Verantwortlichem auch aufgeben. Der Beigeladene ist jedenfalls als Zustandsstörer nach § 7 PolG (aa), möglicherweise auch als Verhaltensstörer nach § 6 PolG (bb) polizeirechtlich verantwortlich. Auch der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gebietet nicht die Anordnung eines dauerhaften Betretungsverbots gegenüber dem Kläger (cc). Schließlich würde die Inanspruchnahme des Beigeladenen diesen nicht unverhältnismäßig belasten (dd).
81 
aa) Als Inhaber der Bergbaukonzession war der Beigeladene Verfügungsberechtigter. Woraus sich nach Erlöschen der Konzession die Verfügungsberechtigung, von der die Verfahrensbeteiligten ausgehen, ergibt, ist unklar. Jedenfalls ist der Beigeladene weiterhin Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Altbergwerk und daher Zustandsstörer nach § 7 2. Alt. PolG:
82 
In § 1 des Konzessionsvertrags von 1937 räumte das Land Baden den Rohstoffbetrieben der Vereinigten Stahlwerke GmbH kein Bergwerkseigentum, sondern lediglich die Berechtigung zur Ausbeutung von Eisenerzen ein (vgl. § 2 Abs. 1 Bad. BergG: „Es kann [zur Ausbeutung von Eisenerzen] seitens des Finanzministeriums an Einzelne oder Gemeinschaften eine Konzession erteilt werden“). Das Bergwerkseigentum blieb nach § 39 b Bad. BergG beim Land Baden. Es konnte, und dies war nach § 1 des Konzessionsvertrags auch beabsichtigt, lediglich das Bergwerkseigentum nach § 39 c Bad. BergG „in der Weise belastet werden, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, auf Zeit das vererbliche und veräußerliche Recht erhält, die in § 2 bezeichneten Mineralien […] aufzusuchen und zu gewinnen“. Dieses Gewinnungsrecht sollte nach § 39 c Abs. 1 Bad. BergG zeitlich beschränkt im Wesentlichen wie Bergwerkseigentum behandelt werden. § 42 Abs. 2 Bad. BergG erklärt die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Damit ist das Gewinnungsrecht genauso Eigentum im polizeirechtlichen Sinne wie dies für das Bergwerkseigentum allgemeine Meinung ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <64> m.w.N).
83 
Die Konzession wurde gemäß § 2 des 2. Nachtrags vom 12.08.1968 bis zum 31.12.1997 verlängert. Aus § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 ergibt sich, dass der Beigeladene alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag vom Landkreis Lahr, der die Konzession seinerseits von der ...... GmbH, der Rechtsnachfolgerin der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH, gekauft hatte, übernehmen soll. Mit Wirksamkeit dieses Vertrages hat der Beigeladene die Verfügungsgewalt erlangt.
84 
Nach Erlöschen der Konzession ist der Beigeladene jedenfalls als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Störer nach § 7 2. Alt. PolG. Ob daneben auch eine Verantwortlichkeit des beklagten Landes als Bergwerkseigentümer besteht, kann offen bleiben.
85 
bb) Daneben dürfte der Beigeladene auch Verhaltensstörer nach § 6 PolG sein. Zwar hat er selbst in dem fraglichen Teil des Bergwerks nie selbst Erz abgebaut und auch sonst - soweit ersichtlich - keine gefahrerhöhenden Tätigkeiten vorgenommen. Er dürfte jedoch Sicherungsmaßnahmen unterlassen haben, obwohl er dazu verpflichtet war.
86 
Den Beigeladenen trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Altbergwerk. Im Rahmen des § 823 BGB ist anerkannt, dass aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände auch die Pflicht folgt, andere vor diesen Gefahren zu schützen. Dabei muss zwar nicht jeder abstrakten Gefahr vorgesorgt werden, haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326 m.w.N.).
87 
§§ 130 ff. Bad. BergG regeln die Haftung des Bergwerkbetreibers zwar spezieller, aber nicht abschließend, sondern nur für Schäden an Grundeigentum. Darüber hinaus lässt sich diesen Vorschriften die Wertung entnehmen, dass der Bergwerksbetrieb grundsätzlich so gefahrgeneigt ist, dass im Fall von Schadensersatzansprüchen nach Pflichtverletzungen erst gar nicht gefragt werden muss. Daher trifft den Beigeladenen, solange er die tatsächliche Sachherrschaft hat, nach § 823 BGB eine Pflicht zur Sicherung.
88 
Dass die nicht abgesicherten Stollen im Laufe der Zeit durchzubrechen drohen und durch das wenig belastbare Deckgestein dadurch Tagesbrüche entstehen können, wurde bereits bei Zulassung des Abschlussbetriebsplans gesehen. In einem Aktenvermerk des Landesbergamtes vom 25.03.1971 ist festgehalten, dass im Bereich des Stollens IV noch Pingen, d.h. Tagesbrüche, zu erwarten seien. Da Sicherungsmaßnahmen unter Tage nicht möglich seien, müsse man das Gelände einbrechen lassen und dann wieder auffüllen. Die Grundstücke seien in fremdem Besitz und könnten eventuell vom Landkreis aufgekauft werden.
89 
Auch die zahlreichen Verbrüche in den letzten Jahrzehnten gaben klare Hinweise auf eine grundsätzliche Instabilität, ebenso das Wissen um den wenig sorgfältigen Kriegsbergbau. Spätestens bei Auftreten der Spüllöcher in den 1990er Jahren dürfte für Sachkundige erkennbar geworden sein, dass langfristig Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, um die Stollen vor dem Durchbrechen zu bewahren. Das Gutachten des Sachverständigen ... und das ...Gutachten bestätigen die Tagesbruchgefahr.
90 
Die Verkehrspflichten sollen alle schützen, die in den Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle geraten und somit also die Allgemeinheit. Damit begründen die Verkehrspflichten nach § 823 BGB auch polizeirechtliche Handlungspflichten (BayVGH, Beschl. v. 05.05.2011 - 22 ZB 10.214 - UPR 2011, 357 ). Der Beigeladene dürfte damit auch als Verhaltensstörer herangezogen werden können. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Beigeladene sich stets an alle Betriebspläne gehalten haben sollte, da diese keine Legalisierungswirkung entfalten (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
91 
Auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Beigeladene polizeipflichtig, weil die möglichen Maßnahmen nicht unmittelbar in die hoheitliche Tätigkeit des Beigeladenen eingreifen, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft bzw. Versäumnisse bei der Sicherung des stillgelegten Bergwerks anknüpfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 7 C 15.02 - NVwZ 2003, 1252 Rn. 18).
92 
cc) Die Effektivität der Gefahrenabwehr spricht nur vordergründig für eine Inanspruchnahme des Klägers. Zwar greift das Betretungsverbot sofort, während eine Sicherung des Grundstücks durch Verfüllung der Hohlräume, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... technisch realisierbar ist und die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr darstellt (Gutachten S. 23), einer längeren Erkundung und Vorbereitung bedarf. Allerdings sieht der Beklagte das Betretungsverbot als endgültigen Regelungszustand an. Daher muss der Schnelligkeitsaspekt in den Hintergrund treten, zumal auch ein temporäres Betretungsverbot bis zur endgültigen Sicherung denkbar gewesen wäre, welches der Kläger - wie auch die zunächst erlassene Allgemeinverfügung der Ortspolizeibehörde - möglicherweise akzeptiert hätte. Daher müssen einem vielleicht verbleibenden Restrisiko einzelner Geländeabsackungen die Nachteile eines dauerhaften Betretungsverbots, welches für den Kläger enteignungsgleiche Wirkung hat, gegenübergestellt werden. Denn die bloße Sperrung lässt ja die Gefahr vollständig bestehen und setzt darauf, dass das Betretungsverbot - letztlich bis zum vollständigen Verbruch der Stollen, unter Umständen also Jahrhunderte - eingehalten und kontrolliert wird. Angesichts dieser zeitlichen Dimension erscheint ein dauerhaftes Betretungsverbot als einzige Gefahrenabwehrmaßnahme sogar als vergleichsweise unsicher.
93 
dd) Eine Inanspruchnahme des Beigeladenen wäre auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger als Nichtstörer trägt keine Verantwortung für die bestehende Gefahr und hat nach § 55 PolG lediglich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, nicht jedoch auf vollen Schadenersatz (vgl. Belz/Mußmann, a.a.O., § 55 Rn. 3; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 55 Rn. 15). Der Beigeladene, der jedenfalls als Zustandsstörer polizeirechtlich verantwortlich ist, hat es demgegenüber über Jahrzehnte unterlassen, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, obwohl er die Tagesbruchgefahr kannte und auch entsprechende Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden gebildet hat.
III.
94 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
95 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
96 
Beschluss vom 25. Oktober 2012
97 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt.
98 
Gründe
99 
Der für die Festsetzung des Streitwerts maßgebliche Verkehrswert des klägerischen Grundstücks beläuft sich nach den nachvollziehbaren Feststellungen eines unabhängigen Sachverständigen auf etwa 20.000,-- EUR. Soweit der Kläger von einem deutlich höheren Grundstückswert ausgeht, den er mit 62.000,-- EUR beziffert, fehlt es schon im Ansatz an einer tragfähigen Begründung hierfür.
100 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
29 
Der Senat sieht keine Veranlassung, mit Blick auf den Schriftsatz des Beigeladenen vom 31.10.2012, in welchem dieser seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Störereigenschaft des Klägers und des Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Störung nochmals verdeutlicht, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen.
30 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). Das in Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 angeordnete Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
31 
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zwar ist bei einem Erfolg der Klage die tatsächliche Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks noch nicht sichergestellt, da dieses nicht an einen öffentlichen Weg grenzt und für die umliegenden Grundstücke, die im Eigentum des Beigeladenen stehen, weiterhin ein Betretungsverbot gilt. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber dem Beigeladenen einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB hat und dass von der ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks verlaufenden Steigstraße aus eine sichere Zuwegung geschaffen werden kann.
II.
32 
Die Klage ist auch begründet. Das auf die §§ 1, 3 und 9 PolG gestützte Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zwar ist der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung ist formell rechtmäßig (2.) und inhaltlich hinreichend bestimmt (3.). Der Kläger ist jedoch Nichtstörer (4.) und die Voraussetzungen des § 9 PolG für seine Inanspruchnahme als Nichtstörer liegen nicht vor (5.).
33 
1. Die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) ist als Ermächtigungsgrundlage anwendbar, obwohl es um die Bekämpfung der von einem Altbergwerk ausgehenden Gefahren geht. Ihre Anwendung ist nicht durch speziellere bergrechtliche Vorschriften gesperrt.
34 
Die Vorschriften des Bundesberggesetzes sind gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG vom 13.08.1980 (BGBl. I S. 1310) nicht anzuwenden auf Betriebe im Sinne des Absatzes 1, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1982 bereits endgültig eingestellt waren. Die endgültige Einstellung eines Bergwerksbetriebs nach § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG beginnt, sobald die Errichtungs- und/oder Führungsphase mit der Absicht beendet wird, sie nicht wieder aufzunehmen. Sie endet nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans (BayVGH, Urt. v. 24.08.2010 - 8 BV 06.1795 - ZfB 2011, 114). Im Bergwerk Kahlenberg wurde der Bergbau im Jahr 1970 aufgegeben. Der Abschlussbetriebsplan vom 16.06.1970, der am 20.04.1971 zugelassen wurde, sah vor, die Hohlräume im Baufeld Stollen IV unverändert zu belassen, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. Zwar lässt sich den vorgelegten Bergakten nicht entnehmen, wann genau die Zugänge geschlossen wurden. Die Verfahrensbeteiligten konnten hierzu ebenfalls keine exakten Angaben machen. Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zeitnah im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung erfolgt ist. Daher ist von einer endgültigen Einstellung des Betriebs vor dem 01.01.1982 auszugehen.
35 
Auch Vorschriften des vor Inkrafttretens des Bundesberggesetzes anzuwendenden Badischen Berggesetzes vom 22.06.1890 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.04.1925 (Bad. GVBl. S. 103), zuletzt geändert durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften vom 08.04.1975 (GBl. S. 237) und § 69 Abs. 6 des Naturschutzgesetzes vom 21.10.1975 (GBl. S. 654; ber. 1976 S. 96), kommen nach der Einstellung des Bergwerksbetriebes nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - VBlBW 2000, 362 = NVwZ-RR 2000, 589 m.w.N.). Denn das Badische Berggesetz sieht keine Eingriffsbefugnisse bei stillgelegten Bergwerken vor, da § 144 Bad. BergG die Zuständigkeit der Bergpolizei und damit auch die Reichweite der Generalklausel des § 147 Bad. BergG auf „den Betrieb“ beschränkt. Der Begriff „Betrieb“ ist im Gesetz nicht definiert. Aus den §§ 60 ff. Bad. BergG ergibt sich jedoch, dass der Betrieb ein tatsächlicher Abbauvorgang ist, der zum Beispiel nach § 60 Abs. 3 Bad. BergG auch kurzfristig unterbrochen werden kann. Ein stillgelegtes Bergwerk ist daher kein Betrieb im Sinne der §§ 144 ff. Bad. BergG mehr.
36 
Die bergrechtlichen Vorschriften sind insoweit nicht abschließend, so dass daher die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften Anwendung finden (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
37 
2. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der auf § 66 Abs. 1 PolG gestützten Verordnung des Umweltministeriums über die Zuständigkeit für stillgelegte Bergwerke und andere künstliche Hohlräume vom 21.11.1994 (GBl. S. 669), zuletzt geändert durch Art. 120 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 79). Danach ist das Regierungspräsidium Freiburg bei stillgelegten untertägigen Bergwerken und Bohrungen nach Maßgabe des § 2 zuständig für die Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und für die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.
38 
3. Die angefochtene Verfügung ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinn des § 37 Abs. 1 LVwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt, wenn sowohl der Adressat, als auch - bei der Aufgabe eines Handelns, Duldens oder Unterlassens - das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt ist, dass sie nicht einer unterschiedlichen subjektiven Beurteilung zugänglich ist. Es genügt insoweit, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
39 
Hier ergibt die Auslegung des angefochtenen Betretungsverbots, dass dem Kläger selbst das Betreten seines Grundstücks untersagt werden soll und dass es ihm darüber hinaus verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet.
40 
Zwar lässt die Formulierung des Tenors der angefochtenen Verfügung („Das Grundstück darf nicht betreten werden“) zunächst mehrere Auslegungen denkbar erscheinen: Das Betretungsverbot könnte sich ausschließlich auf den Kläger als Grundstückseigentümer beziehen, es könnte sich an jedermann richten und damit eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 3 LVwVfG darstellen oder die Verfügung könnte so auszulegen sein, dass sie neben dem an den Kläger gerichteten Verbot ihm gegenüber auch die Verpflichtung enthält, sein Eigentumsrecht dahingehend auszuüben, Dritten das Betreten nicht zu gestatten.
41 
Entscheidend gegen eine Deutung als Allgemeinverfügung spricht jedoch bereits der dem Tenor vorangestellte Einleitungssatz („Für dieses Grundstück wird Ihnen gegenüber angeordnet“) und der Umstand, dass allein der Kläger Adressat der Verfügung ist.
42 
Auf der anderen Seite würde ein ausschließlich an den Kläger als Grundstückseigentümer gerichtetes Betretungsverbot dem Ziel des Bescheids, wie es sich auch aus der Begründung ergibt, nicht gerecht werden. Denn vor dem Hintergrund der in der Begründung beschriebenen Gefahrenlage zielt das Vorgehen des Regierungspräsidiums darauf ab, dass niemand mehr das Grundstück betreten soll. Nach seinem Sinn und Zweck kann das Betretungsverbot daher nur in dem Sinn ausgelegt werden, dass es dem Kläger verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet. Für dieses Verständnis spricht auch der Hinweis in der Begründung, eventuelle Miet- oder Pachtverträge seien zu kündigen. Offenbar hat der Kläger den Bescheid auch ohne weiteres dahingehend verstanden, dass er selbst das Grundstück nicht betreten und auch Dritten das Betreten nicht gestatten darf.
43 
4. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger mangels polizeirechtlicher Verantwortlichkeit als Zustands- oder Verhaltensstörer Nichtstörer ist.
44 
a) Der Kläger ist nicht als Grundstückseigentümer Zustandsstörer gemäß § 7 Abs. 1 PolG. Nach dieser Vorschrift hat die Polizei Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer der Sache, deren Zustand die öffentliche Sicherheit bedroht, zu treffen.
45 
Das Verwaltungsgericht hat die Verantwortlichkeit des Klägers als Zustandsstörer mit der Begründung bejaht, der Untergrund gehöre zum Grundstück des Klägers und die Hohlräume dort führten ohne weitere Zwischenschritte zu der Tagesbruchgefahr (ebenso VG Braunschweig, Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>).
46 
Die Annahme, dass das Altbergwerk Teil des klägerischen Grundstücks geworden sei, ist jedoch unzutreffend. Zwar erstreckt sich das Grundstückseigentum gemäß § 905 Satz 1 BGB grundsätzlich auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Das Bergwerkseigentum ist davon jedoch gerade nicht erfasst. Das Bergwerkseigentum war auch unter dem Badischen Berggesetz als eigentumsgleiches Recht ausgestaltet (§ 42 Bad. BergG; ebenso nunmehr § 9 Abs. 1 BBergG). Die einzelnen Stollen stellen daher wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums dar, dagegen sind sie lediglich Scheinbestandteile an dem Grundstück. Abhängig von dem genauen rechtlichen Schicksal des Bergwerks befindet sich dieses daher entweder im Eigentum des Beigeladenen oder des Landes (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 LB 57/11 - UPR 2012, 149; OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <65 <; VG Braunschweig, Urt. v. 19.10.2006 - 1 A 267/04 - ZfB 2007, 32 <34> und Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>). In jedem Fall sind die Stollen des Altbergwerks nicht Bestandteil des klägerischen Grundstücks geworden.
47 
Die Gefahr geht auch nicht von dem Grundstück, sondern von der Instabilität der Stollen darunter aus. Sie wird von dem Grundeigentum des Klägers lediglich weitergeleitet.
48 
Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 PolG, nach dem die Gefahr von dem Zustand der Sache ausgehen muss, legt nahe, dass es nicht ausreicht, wenn eine Sache nur von einer Gefahr, die von dem Eigentum darunter ausgeht, betroffen ist. Ebenso spricht der auch für den Zustandsstörer geltende Grundsatz der unmittelbaren Verursachung (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 7 Rn. 5; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 7 Rn. 5) gegen eine Inanspruchnahme des Klägers. Danach trifft den Eigentümer keine Polizeipflicht, wenn sein Eigentum ohne sein Zutun als Mittel verwendet wird, aber nicht per se eine Quelle von Gefahren bildet (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O.). Hier ist der einzige Verursachungsbeitrag des Grundstücks seine bloße Existenz. Eine Gefahr erwächst daraus erst durch den Zustand der darunter liegenden künstlichen Hohlräume. Dagegen ließe sich einwenden, dass der gefährliche Zustand seine Ursache von außerhalb hat, aber in der Kausalkette am nächsten an einer Rechtsgutsverletzung liegt. Hintergrund für die Zurechnung ist jedoch die Wertung, dass der Eigentümer der Gefahr zumindest näher steht als die Allgemeinheit. Entsprechend ist Anknüpfungspunkt auch dessen (zumindest normative) Sachherrschaft über und Einflussmöglichkeit auf die gefährliche Sache und die sich daraus ergebende Pflicht, für die Störungsfreiheit zu sorgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - NJW 1999, 231). So entfällt die Störereigenschaft nicht nur bei Diebstahl der Sache, sondern auch, wenn die Sache – etwa durch Naturschutzrecht – der Allgemeinheit genauso zur Verfügung steht wie dem Eigentümer. Diese Einwirkungsmöglichkeit fehlt aber gerade in dem vorliegenden Fall, in dem der Eigentümer die Gefahr nicht verursacht hat und auch nicht verhindern, sondern ihr nur ausweichen kann, indem er sein eigenes Grundstück nicht mehr betritt. In diesem Sinne hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem Felsgestein von einem Grundstück auf die unterhalb gelegenen Grundstücke zu stürzen drohte, die Inanspruchnahme der bedrohten Grundeigentümer als Zustandsstörer ausgeschlossen (BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl. 1996, 437; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - a.a.O.; ebenso OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625; implizit auch bei Tagesbrüchen OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2001 - 11 U 44/01 - ZfB 2002, 216 <220>, ebenso die Vorinstanz: LG Essen, Urt. v. 16.11.2000 - 4 O 494/99 - ZfB 2001, 230; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 03.03.2005 - 8 K 2655/42 - ZfB 2005, 234 <239>). Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Beigeladenen nichts anderes gelten. Die vom Beigeladenen angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 11.10.1985 - 5 S 1738/85 - NVwZ 1986, 325) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Entscheidend für die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer war dort, dass die Schadstoffe, die das Erdreich unter dem Grundstück verseucht und schließlich zu Verunreinigungen des Grundwassers geführt hatten, nach den Feststellungen des Gerichtshofs aus dem betreffenden Grundstück stammten. Zwar konnte die Gefahr zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nur noch durch auf das Grundwasser bezogene Maßnahmen beseitigt werden, die Gefahrenquelle war jedoch das Grundstück des dortigen Klägers.
49 
b) Der Kläger kann auch nicht als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden.
50 
Verhaltenshaftung im Sinne von § 6 Abs. 1 PolG bedeutet Verantwortlichkeit für die Verursachung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. von Störungen dieser Schutzgüter durch menschliches Verhalten. Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne ist nur derjenige, dessen Verhalten die eingetretene Störung unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die polizeiliche Gefahrengrenze überschreitet. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, wobei danach zu fragen ist, wer die eigentliche und wesentliche Ursache für den polizeiwidrigen Erfolg gesetzt hat. Nur durch diese wertende Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Zurechnungsgrund und der Gefahr lässt sich ermitteln, ob eine unmittelbare Verursachung im Sinne eines hinreichend engen Wirkungs- und Verantwortungszusammenhanges zwischen der Gefahr oder der Störung und dem Verhalten der Person vorliegt, die deren Pflichtigkeit als zumutbar rechtfertigt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.07.2002 - 10 S 2153/01 - juris m.w.N.; ähnlich Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 6 Rn. 8; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 444 f.).
51 
Hier geht die Tagesbruchgefahr vom Zustand der Abbaukammern des Altbergwerks aus. Zwar leistet auch der Kläger, wenn er sein Grundstück betritt oder Dritten das Betreten gestattet, durch sein Verhalten einen kausalen Beitrag für die mit dem Betretungsverbot bekämpfte Gefahr. Eine Gefahr für Leib und Leben kann sich nur realisieren, wenn sich Personen auf dem gefährdeten Grundstück aufhalten. Mit dem Betreten und Bewirtschaften des eigenen Grundstücks macht der Kläger jedoch, ohne gegen strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verbots- oder Gebotsnormen zu verstoßen, lediglich von seinen Befugnissen als Grundstückseigentümer Gebrauch, ohne den eigenen Rechtskreis zu verlassen. Der Aufenthalt auf dem Grundstück ist auch nicht aufgrund natürlicher Gegebenheiten gefährlich, vielmehr geht die Gefahr auf - ebenfalls kausale - Verursachungsbeiträge Dritter zurück (Erzbergbau ohne hinreichende Sicherung der im Zuge des Abbaus geschaffenen künstlichen Hohlräume). Das bloße Betreten erhöht auch nicht die Gefahr eines Tagesbruchs, sondern lediglich die Gefahr, dass bei einem Tagesbruch Menschen zu Schaden kommen. Der sein Grundstück im Einklang mit der Rechtsordnung nutzende Kläger ist daher selbst „Gestörter“ und nicht Störer (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 432). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei der Gefahr von Felsstürzen ausschließlich der Eigentümer des Felsgrundstücks als Störer angesehen, nicht jedoch die Eigentümer der gefährdeten Grundstücke (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl 1996, 437).
52 
5. Die Voraussetzungen des § 9 PolG für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer liegen nicht vor.
53 
Nach § 9 Abs. 1 PolG kann die Polizei gegenüber anderen als den in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen nach den §§ 6 bis 8 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer dürfen nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
54 
a) Hier liegt zwar eine ein polizeiliches Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG gegenüber dem Störer rechtfertigende konkrete Gefahr, nicht aber eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten gegenüber dem Nichtstörer rechtfertigen würde, vor.
55 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
56 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134 und vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
57 
Die auf die Gefahrenabwehr zielende polizeiliche Generalklausel deckt hingegen keine Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein "Besorgnispotenzial" (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315>). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, a.a.O.).
58 
Für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer bedarf es nicht nur einer konkreten Gefahr, sondern einer unmittelbar bevorstehenden Störung. Der Begriff der „unmittelbar bevorstehenden Störung“ stellt strenge Anforderungen sowohl an die zeitliche Nähe als auch an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, weil polizeiliche Notstandsmaßnahmen in die Rechte unbeteiligter Dritter eingreifen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (Senatsurteile vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 - NVwZ 1987, 237 = VBlBW 1987, 183 und vom 15.06.2005 - 1 S 2718/04 - NJW 2006, 635 m.w.N.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 415). Der Begriff der unmittelbar bevorstehenden Störung deckt sich mit dem in anderen Polizeigesetzen verwendeten Begriff der gegenwärtigen Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51 ; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.04.2012 - 4 Bs 78/12 - NJW 2012, 1975).
59 
Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff grundsätzlich die ex ante-Sicht entscheidend. Da es sich bei dem hier angeordneten Betretungsverbot jedoch nicht um eine vorläufige Maßnahme, sondern um einen unbefristet Geltung beanspruchenden Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 116 m.w.N.).
60 
bb) Daran gemessen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen, nicht jedoch eine unmittelbar bevorstehende Störung gegeben ist.
61 
Das Gutachten des vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen ... kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass auf wesentlichen Teilen des klägerischen Grundstücks die Gefahr von Tagesbrüchen besteht, weil die Stollen unter dem Grundstück in verschiedenen Bereichen instabil sind und zu erwartende Verbrüche sich mangels ausreichender Mächtigkeit des Deckgebirges nicht im Fels totlaufen, sondern sich an der Erdoberfläche als Tagesbrüche manifestieren werden. Dieses Ergebnis wird gestützt durch das ...Gutachten und die vom sachverständigen Zeugen ... hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Erläuterungen sowie durch die Angaben des Zeugen ...
62 
(1) Der Sachverständige ... greift auf Archivmaterial, zwei Bohrungen in der Nähe des Grundstücks und eine Befahrung der Stollen unterhalb des Grundstücks zurück. Bei der Befahrung hat der Gutachter an mehreren Stellen Verbrüche, also Absprengungen von der Decke, festgestellt. Weiter hat er festgestellt, dass in keiner Abbaukammer unter dem Grundstück eine First- oder Stoßsicherung besteht und dass ehemals vorhandene Sicherungen aus Holz mittlerweile verrottet sind. Die Zusammensetzung des Deckgesteins, auf die der Gutachter durch Literaturquellen und zwei nahegelegene Bohrungen geschlossen hat, wird als wenig standfest beschrieben, was es notwendig gemacht habe, beim Abbau eine ca. 1,5 m dicke Erzschicht zur Stabilisierung stehen zu lassen. Wie der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläutert hat, wurde diese Sicherheitsmaßnahme jedoch nicht überall eingehalten. Zum Teil sei diese Schicht schon vollständig verbrochen. Das ausweislich der herangezogenen Quellen während der Abbauzeit aufgetretene Phänomen der „Sargdeckelbildung“, d.h. des Sich-Ablösens größerer Platten von der Decke, deute darauf hin, dass die Erzschicht kleinteiliger zerklüftet, also segmentiert sei, als die Breite der Gänge. Dies erhöhe die Gefahr einer sehr raschen Tagesbruchentstehung.
63 
Die Auswirkungen von Brüchen auf die Oberfläche modelliert das Gutachten ... mit dem gängigen Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Die verwendete Formel berücksichtigt zum einen, dass das gebrochene Material eine geringere Dichte aufweist und sich ein Bruch schließlich „totläuft“. Zum anderen prognostiziert das Modell die Menge an Material, die zur Seite hin verdrängt wird. Die Modellrechnung ergab, dass sich an mehreren Stellen ein etwaiger Einbruch im Stollen bis zur Oberfläche fortsetzen wird (Anlage 5 zum Gutachten).
64 
In den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat hat der Sachverständige ... nachvollziehbar erläutert, dass - über die Ausführungen in seinem Gutachten und die dort angestellte Modellrechnung hinausgehend - auch über den Abbaukammern C und D eine Tagesbruchgefahr bestehe, da die dortige Zwischenwand nicht mächtig genug und - auch aufgrund der dort verlaufenden Störungszone - instabil sei. Bei dieser unter dem Grundstück von Nordost nach Südwest verlaufenden Störung handelt es sich um eine Zone, in der die Festigkeit des Gebirges herabgesetzt ist und die Schichten einen Versatz aufweisen (Gutachten S. 11).
65 
Gefahrerhöhend wirkt sich, worauf der Sachverständige ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, die Lage des Grundstücks in einer Erdbebenzone aus.
66 
Der Tagesbruch vom Februar 2008 erlaubt ebenfalls Rückschlüsse auf die Tagesbruchgefahr auf dem klägerischen Grundstück, weil die geologischen Verhältnisse vergleichbar sind und die vom Kläger geäußerte Vermutung, dieser Tagesbruch sei aufgrund eines Wassereinbruchs infolge der mangelhaften Wartung einer in der Nähe befindlichen Quelle entstanden, in den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen keine Stütze findet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Sachverständige ... hierzu erklärt, es sei klar, dass beim Auftreten einer Öffnung an der Erdoberfläche von dort aus Wasser in tiefere Schichten eindringen könne. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass das Wasser auch für die Tagesbruchentstehung verantwortlich sei.
67 
(2) Das vom Beigeladenen in Auftrag gegebene ...Gutachten kommt im Ergebnis zu vergleichbaren Einschätzungen. Es erfasst das gesamte gefährdete Gebiet, wobei ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der Frage lag, ob und unter welchen Bedingungen die ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks am Rande des gesperrten Gebiets in West-Ost Richtung verlaufende Steigstraße wieder für den Verkehr freigegeben werden kann. Das Gutachten teilt das Gebiet in verschiedene Einwirkungsklassen ein: Der Bereich der Einwirkungsklasse 3 (geringe Tagesbruchgefahr) kann ohne Einschränkungen betreten werden, auf Gebieten der Einwirkungsklasse 2 (Tagesbruchgefahr wahrscheinlich vorhanden) halten die Gutachter eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ohne Maschineneinsatz für vertretbar, Gebiete der Einwirkungsklasse 1 (Tagesbruchgefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden) sollen gar nicht mehr betreten werden. Das Deckgebirge unter dem Grundstück wird ähnlich wie im Gutachten ... als „gebräches Mergel/Kalksandsteinpaket“ bezeichnet, das nicht in der Lage sei, langfristig ein tragendes Stützgewölbe auszubilden. Durch Wasserzutritt von der Oberfläche könne sich die Schicht komplett entfestigen.
68 
Die im östlichen Winkel des Grundstücks gelegenen Kammern 7 - 11 (Kammern D - H bei ...) wurden im Abschlussbericht vom 30.09.2010 als so sicher angesehen, dass eine Nutzungseinschränkung nicht erforderlich sei. Begründet wurde dies mit der geringen Höhe der Kammern und der stabilisierenden Erzschicht. In der revidierten Fassung vom 11.03.2011 wurde dieses Gebiet in die Einwirkungsklasse 2 hochgestuft. Der sachverständige Zeuge ... hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass der Einschätzung vom 30.09.2009, auf der der Abschlussbericht vom 30.09.2010 basierte, eine erste Grubenbefahrung zugrunde lag. Aufgrund einer weiteren Befahrung seien die Einwirkungsklassen neu festgelegt worden. Darauf beruhe der Plan vom 30.09.2010, der erst in der revidierten Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 berücksichtigt worden sei.
69 
(3) Das Gutachten ... und das ...Gutachten in der revidierten Fassung stimmen danach sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen als auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen im Wesentlichen überein. Beide sehen das Gebiet als instabil an, beide halten Tagesbrüche für möglich, beide sehen die Möglichkeit der Entfestigung des Deckgebirges durch Wasser und damit auch größerer und tieferer Tagesbrüche als bei der Berechnung nach dem Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Und schließlich können beide Gutachter keine belastbaren Aussagen dazu treffen, wann sich die Tagesbruchgefahr realisieren wird. Dies deckt sich mit der Einschätzung des als Zeuge vernommenen früheren technischen Betriebsleiters der Deponie, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Abbaukammern nicht dauerhaft standsicher sind und die Gefahr von Tagesbrüchen besteht.
70 
(4) Aufgrund der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Schluss, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen gegeben ist.
71 
Die Bewertung einer Wahrscheinlichkeit als Gefahr im polizeirechtlichen Sinne ist grundsätzlich nicht mehr Aufgabe der Gutachter, sondern des Gerichts. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass kein Sachverständiger zu sagen vermag, innerhalb welchen Zeitraums es mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einem wie großen und gefährlichen Tagesbruch kommen wird.
72 
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit hochrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, die auch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten ausreichen lassen. Unerheblich ist demgegenüber für die Bestimmung des Grades der Gefahr, dass es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... um eine Dauergefahr handelt, die sich nicht mit der Zeit verringert, sondern sich vielmehr nach Jahren trügerischer Ruhe auch in 100 Jahren noch realisieren kann. Denn die Dauergefahr ist keine eigenständige Gefahrenart, vielmehr gelten für sie die allgemeinen Anforderungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts (Belz/Mußmann, a.a.O., § 1 Rn. 49 a).
73 
Die völlige Ungewissheit auf der Zeitachse schließt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Störung im Sinn des § 9 Abs. 1 PolG aus. Auch wenn sich ein Tagesbruch jederzeit ohne Vorwarnung ereignen kann, ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein solcher in allernächster Zeit auf dem klägerischen Grundstück auftreten und dabei einen Menschen an Leib oder Leben gefährden wird.
74 
Auf der anderen Seite handelt es sich nicht lediglich um eine „latente Gefahr“ oder ein ohne weiteres hinnehmbares Restrisiko. Zwar legen oberflächennahe Bergbautätigkeiten im Ausgangspunkt die Annahme einer „latenten Gefahr“ nahe. Dies gilt insbesondere für Bergwerke, die - wie der Kahlenberg - nicht nach dem Stand der Technik abgesichert wurden. Gibt es indes Hinweise, dass sich die Gefahr konkretisiert, so schlägt die latente in die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigende konkrete Gefahr um (vgl. OVG NRW, Urt. v. 13.09.1995 - 21 A 2273/91 - ZfB 1995, 322 <327>). Daran gemessen ist hier bei der erforderlichen Gesamtschau von einer konkreten Gefahr auszugehen. Dafür spricht bereits, dass sich die latente Gefahr nur 45 m von der Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt bereits realisiert hat und dass die geologischen Bedingungen dort mit denen auf dem klägerischen Grundstück vergleichbar sind. Hinzu kommen als gefahrerhöhende Umstände die Lage des Grundstücks in der Erdbebenzone 1 und die infolge der unter dem Grundstück verlaufenden Störung herabgesetzte Festigkeit des Deckgebirges.
75 
cc) Eine konkrete Gefahr kann nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass die Polizei nicht gegen bewusste Selbstgefährdungen einschreiten darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - NJW 1998, 2235 = VBlBW 1998, 25 m.w.N.). Begründet wird dies teilweise damit, dass es in einem solchen Fall an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder an einem öffentlichen Interesse für ein behördliches Eingreifen fehle. Überwiegend wird jedoch damit argumentiert, dass Art. 2 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstgefährdung gebe.
76 
Voraussetzung für die Annahme einer nicht zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigenden Selbstgefährdung ist allerdings, dass sich die Betroffenen freiwillig und in Kenntnis der Sachlage der Gefahr aussetzen. Dies wäre bei allen Personen der Fall, die erkennen, dass ihnen mit einer gewissen, nicht näher bestimmbaren Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet der Boden unter den Füßen wegbrechen kann, also insbesondere bei dem Kläger selbst.
77 
Das innerhalb bestimmter Grenzen anzuerkennende Recht auf Selbstgefährdung kann einem staatlichen Verbot jedoch nur dann entgegengehalten werden, wenn mit der betreffenden Tätigkeit nicht zugleich eine Gefahr für andere Personen verbunden ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - a.a.O.; Senatsurteil vom 22.07.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 39). Hier steht der Annahme einer bloßen Selbstgefährdung bei Betreten des Grundstücks entgegen, dass jeder, der in einen Tagesbruch stürzt, um Hilfe rufen und damit unbeteiligte Dritte zu Rettungsmaßnahmen veranlassen wird. Da das Grundstück nur etwa 50 m von einem öffentlichen Weg entfernt liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand zur Hilfe eilt und sich angesichts des unsicheren Kraterrands in Gefahr begeben muss, nicht viel geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt. Insofern liegt selbst bei einem Betreten allein durch den Kläger keine ausschließliche Selbstgefährdung vor, die einem polizeilichen Einschreiten entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die potenziellen Helfer keine professionell ausgebildeten Rettungskräfte, sondern zufällig vorbeikommende Passanten sind, die mit den spezifischen Risiken eines Tagesbruchs kaum vertraut sein dürften und diese Risiken bei der Rettung in keiner Weise überblicken können. Selbst wenn ihnen bekannt wäre, dass in dem Gebiet grundsätzlich die Gefahr eines Tagesbruchs besteht, folgt daraus nicht, dass sie die Gefährlichkeit einer Rettungsaktion zutreffend einschätzen können.
78 
Auch das Betreten durch den Kläger selbst würde also Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter gefährden, so dass eine konkrete Gefahr, die zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigt, nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden kann.
79 
b) Das Betretungsverbot kann auch deshalb nicht auf § 9 PolG gestützt werden, weil es auf unbefristete Dauer Geltung beanspruchen soll und eine Inanspruchnahme des Störers überhaupt nicht beabsichtigt ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass dem Nichtstörer nur das zur Gefahrenabwehr sachlich Unumgängliche aufgegeben werden darf. Deshalb sind Maßnahmen, die sich länger auswirken, grundsätzlich von vornherein zeitlich zu begrenzen (Belz/Mußmann, a.a.O., § 9 Rn. 7; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 9 Rn. 21). Zudem dürfen Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die unmittelbar bevorstehende Gefahr fortbesteht und ihre Abwehr weiterhin auf andere Weise nicht möglich ist.
80 
Hier ist ausweislich des Gutachtens ..., dem der Senat auch in diesem Punkt folgt, die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr eine Vollsicherung der Hohlräume unter dem klägerischen Grundstück mit einem hydraulisch abbindenden Material (Gutachten S. 23). Eine solche Maßnahme könnte der Beklagte dem Beigeladenen als polizeirechtlich Verantwortlichem auch aufgeben. Der Beigeladene ist jedenfalls als Zustandsstörer nach § 7 PolG (aa), möglicherweise auch als Verhaltensstörer nach § 6 PolG (bb) polizeirechtlich verantwortlich. Auch der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gebietet nicht die Anordnung eines dauerhaften Betretungsverbots gegenüber dem Kläger (cc). Schließlich würde die Inanspruchnahme des Beigeladenen diesen nicht unverhältnismäßig belasten (dd).
81 
aa) Als Inhaber der Bergbaukonzession war der Beigeladene Verfügungsberechtigter. Woraus sich nach Erlöschen der Konzession die Verfügungsberechtigung, von der die Verfahrensbeteiligten ausgehen, ergibt, ist unklar. Jedenfalls ist der Beigeladene weiterhin Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Altbergwerk und daher Zustandsstörer nach § 7 2. Alt. PolG:
82 
In § 1 des Konzessionsvertrags von 1937 räumte das Land Baden den Rohstoffbetrieben der Vereinigten Stahlwerke GmbH kein Bergwerkseigentum, sondern lediglich die Berechtigung zur Ausbeutung von Eisenerzen ein (vgl. § 2 Abs. 1 Bad. BergG: „Es kann [zur Ausbeutung von Eisenerzen] seitens des Finanzministeriums an Einzelne oder Gemeinschaften eine Konzession erteilt werden“). Das Bergwerkseigentum blieb nach § 39 b Bad. BergG beim Land Baden. Es konnte, und dies war nach § 1 des Konzessionsvertrags auch beabsichtigt, lediglich das Bergwerkseigentum nach § 39 c Bad. BergG „in der Weise belastet werden, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, auf Zeit das vererbliche und veräußerliche Recht erhält, die in § 2 bezeichneten Mineralien […] aufzusuchen und zu gewinnen“. Dieses Gewinnungsrecht sollte nach § 39 c Abs. 1 Bad. BergG zeitlich beschränkt im Wesentlichen wie Bergwerkseigentum behandelt werden. § 42 Abs. 2 Bad. BergG erklärt die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Damit ist das Gewinnungsrecht genauso Eigentum im polizeirechtlichen Sinne wie dies für das Bergwerkseigentum allgemeine Meinung ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <64> m.w.N).
83 
Die Konzession wurde gemäß § 2 des 2. Nachtrags vom 12.08.1968 bis zum 31.12.1997 verlängert. Aus § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 ergibt sich, dass der Beigeladene alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag vom Landkreis Lahr, der die Konzession seinerseits von der ...... GmbH, der Rechtsnachfolgerin der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH, gekauft hatte, übernehmen soll. Mit Wirksamkeit dieses Vertrages hat der Beigeladene die Verfügungsgewalt erlangt.
84 
Nach Erlöschen der Konzession ist der Beigeladene jedenfalls als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Störer nach § 7 2. Alt. PolG. Ob daneben auch eine Verantwortlichkeit des beklagten Landes als Bergwerkseigentümer besteht, kann offen bleiben.
85 
bb) Daneben dürfte der Beigeladene auch Verhaltensstörer nach § 6 PolG sein. Zwar hat er selbst in dem fraglichen Teil des Bergwerks nie selbst Erz abgebaut und auch sonst - soweit ersichtlich - keine gefahrerhöhenden Tätigkeiten vorgenommen. Er dürfte jedoch Sicherungsmaßnahmen unterlassen haben, obwohl er dazu verpflichtet war.
86 
Den Beigeladenen trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Altbergwerk. Im Rahmen des § 823 BGB ist anerkannt, dass aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände auch die Pflicht folgt, andere vor diesen Gefahren zu schützen. Dabei muss zwar nicht jeder abstrakten Gefahr vorgesorgt werden, haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326 m.w.N.).
87 
§§ 130 ff. Bad. BergG regeln die Haftung des Bergwerkbetreibers zwar spezieller, aber nicht abschließend, sondern nur für Schäden an Grundeigentum. Darüber hinaus lässt sich diesen Vorschriften die Wertung entnehmen, dass der Bergwerksbetrieb grundsätzlich so gefahrgeneigt ist, dass im Fall von Schadensersatzansprüchen nach Pflichtverletzungen erst gar nicht gefragt werden muss. Daher trifft den Beigeladenen, solange er die tatsächliche Sachherrschaft hat, nach § 823 BGB eine Pflicht zur Sicherung.
88 
Dass die nicht abgesicherten Stollen im Laufe der Zeit durchzubrechen drohen und durch das wenig belastbare Deckgestein dadurch Tagesbrüche entstehen können, wurde bereits bei Zulassung des Abschlussbetriebsplans gesehen. In einem Aktenvermerk des Landesbergamtes vom 25.03.1971 ist festgehalten, dass im Bereich des Stollens IV noch Pingen, d.h. Tagesbrüche, zu erwarten seien. Da Sicherungsmaßnahmen unter Tage nicht möglich seien, müsse man das Gelände einbrechen lassen und dann wieder auffüllen. Die Grundstücke seien in fremdem Besitz und könnten eventuell vom Landkreis aufgekauft werden.
89 
Auch die zahlreichen Verbrüche in den letzten Jahrzehnten gaben klare Hinweise auf eine grundsätzliche Instabilität, ebenso das Wissen um den wenig sorgfältigen Kriegsbergbau. Spätestens bei Auftreten der Spüllöcher in den 1990er Jahren dürfte für Sachkundige erkennbar geworden sein, dass langfristig Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, um die Stollen vor dem Durchbrechen zu bewahren. Das Gutachten des Sachverständigen ... und das ...Gutachten bestätigen die Tagesbruchgefahr.
90 
Die Verkehrspflichten sollen alle schützen, die in den Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle geraten und somit also die Allgemeinheit. Damit begründen die Verkehrspflichten nach § 823 BGB auch polizeirechtliche Handlungspflichten (BayVGH, Beschl. v. 05.05.2011 - 22 ZB 10.214 - UPR 2011, 357 ). Der Beigeladene dürfte damit auch als Verhaltensstörer herangezogen werden können. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Beigeladene sich stets an alle Betriebspläne gehalten haben sollte, da diese keine Legalisierungswirkung entfalten (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
91 
Auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Beigeladene polizeipflichtig, weil die möglichen Maßnahmen nicht unmittelbar in die hoheitliche Tätigkeit des Beigeladenen eingreifen, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft bzw. Versäumnisse bei der Sicherung des stillgelegten Bergwerks anknüpfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 7 C 15.02 - NVwZ 2003, 1252 Rn. 18).
92 
cc) Die Effektivität der Gefahrenabwehr spricht nur vordergründig für eine Inanspruchnahme des Klägers. Zwar greift das Betretungsverbot sofort, während eine Sicherung des Grundstücks durch Verfüllung der Hohlräume, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... technisch realisierbar ist und die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr darstellt (Gutachten S. 23), einer längeren Erkundung und Vorbereitung bedarf. Allerdings sieht der Beklagte das Betretungsverbot als endgültigen Regelungszustand an. Daher muss der Schnelligkeitsaspekt in den Hintergrund treten, zumal auch ein temporäres Betretungsverbot bis zur endgültigen Sicherung denkbar gewesen wäre, welches der Kläger - wie auch die zunächst erlassene Allgemeinverfügung der Ortspolizeibehörde - möglicherweise akzeptiert hätte. Daher müssen einem vielleicht verbleibenden Restrisiko einzelner Geländeabsackungen die Nachteile eines dauerhaften Betretungsverbots, welches für den Kläger enteignungsgleiche Wirkung hat, gegenübergestellt werden. Denn die bloße Sperrung lässt ja die Gefahr vollständig bestehen und setzt darauf, dass das Betretungsverbot - letztlich bis zum vollständigen Verbruch der Stollen, unter Umständen also Jahrhunderte - eingehalten und kontrolliert wird. Angesichts dieser zeitlichen Dimension erscheint ein dauerhaftes Betretungsverbot als einzige Gefahrenabwehrmaßnahme sogar als vergleichsweise unsicher.
93 
dd) Eine Inanspruchnahme des Beigeladenen wäre auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger als Nichtstörer trägt keine Verantwortung für die bestehende Gefahr und hat nach § 55 PolG lediglich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, nicht jedoch auf vollen Schadenersatz (vgl. Belz/Mußmann, a.a.O., § 55 Rn. 3; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 55 Rn. 15). Der Beigeladene, der jedenfalls als Zustandsstörer polizeirechtlich verantwortlich ist, hat es demgegenüber über Jahrzehnte unterlassen, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, obwohl er die Tagesbruchgefahr kannte und auch entsprechende Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden gebildet hat.
III.
94 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
95 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
96 
Beschluss vom 25. Oktober 2012
97 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt.
98 
Gründe
99 
Der für die Festsetzung des Streitwerts maßgebliche Verkehrswert des klägerischen Grundstücks beläuft sich nach den nachvollziehbaren Feststellungen eines unabhängigen Sachverständigen auf etwa 20.000,-- EUR. Soweit der Kläger von einem deutlich höheren Grundstückswert ausgeht, den er mit 62.000,-- EUR beziffert, fehlt es schon im Ansatz an einer tragfähigen Begründung hierfür.
100 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
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cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
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Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
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dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
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Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
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Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
10 
Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
11 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
17 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Antragsteller wendet sich gegen den von der Antragsgegnerin in der „Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern“ (Polizeiliche Umweltschutzverordnung - UmweltschutzVO - vom 21.11.1996, zuletzt geändert durch Polizeiverordnung vom 01.06.2006) geregelten Leinenzwang für Hunde.
Mit der im gemeindlichen Amts- und Mitteilungsblatt Nr. 23 vom 10.06.2005 bekannt gemachten und 01.07.2006 in Kraft getretenen Änderungsverordnung wird im neu gefassten § 10 („Gefahren durch Tiere“) die Regelung über die Beaufsichtigung von Hunden um den Leinenzwang für Hunde ergänzt; Abs. 3 bestimmt nun:
„Im Innenbereich (§§ 30-34 BauGB) sind auf öffentlichen Straßen und Gehwegen sowie im Außenbereich in folgenden Gebieten:
1. im gesamten Südbereich bis zum Waldrand zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler,
        
2. im Bereich des Betonwegs von der Maienstraße in Feldrennach Richtung Ittersbach,
        
3. im Bereich der Bannholzstraße in Feldrennbach bis zum Festplatz beim Waldbeginn
        
4. im Bereich der an die Bach- und die Kelterstraße anschließenden Wege zum Fronberg in Ottenhausen
Hunde an der Leine zu führen. Ansonsten dürfen Hunde ohne Begleitung einer Person, die durch Zuruf auf das Tier einwirken kann, nicht frei umherlaufen.“
§ 28 Abs. 1 UmweltschutzVO lautet:
„Ordnungswidrig i.S. von § 18 Polizeigesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
(…)
Nr. 11: entgegen § 10 Abs. 3 Hunde frei herumlaufen lässt.“
Der Antragsteller wohnt im Ortsteil Conweiler der Antragsgegnerin. Er ist seit einigen Jahren Halter eines Hundes, den er täglich im Gebotsbereich der Polizeiverordnung ausführt. Am 17.03.2006 setzte die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen den Leinenzwang fest. Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch. Durch Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 04.08.2006 - 8 OWi 84 Js 6960/06 - wurde der Antragsteller zu einer Geldbuße von 25 EUR verurteilt; über die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde ist noch nicht entschieden.
Am 20.11.2006 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet, zu dessen Begründung er vorträgt: Die Änderungsverordnung vom 01.06.2005 sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da die bekanntgemachte Verordnung vom Beschluss des Gemeinderats hinsichtlich der jeweiligen Gebietsgrenzen nicht gedeckt sei; denn der im Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 01.06.2005 festgehaltene Beschluss zur Änderung der Verordnung enthalte anders als die Beschlussvorlage und der ausgefertigte Verordnungstext in § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO nicht die Worte „bis zum Waldrand“. Darüber hinaus sei die dortige Gebietsabgrenzung unklar und missverständlich und damit zu unbestimmt. Auch in der Sache sei der angeordnete Leinenzwang rechtswidrig. Die Annahme, dass eine abstrakt-generelle Gefahr von unangeleinten Hunden für Menschen oder andere Hunde ausgehe, könne nicht nachgewiesen werden. Ferner verstoße die Verordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die vorgenommene Abgrenzung könne nicht nachvollziehbar begründet werden. Bei der umfassenden Regelung für den südlichen Bereich habe der Gemeinderat nicht berücksichtigt, dass Hundehaltern auch Freilaufflächen für ihre Tiere zur Verfügung gestellt werden müssten. Andernfalls sei die nach Art. 20a GG gebotene artgerechte Tierhaltung nicht mehr möglich. Den in der Gemeinde wohnenden Hundehaltern könne auch nicht zugemutet werden, in ein gemeindefernes Freilaufgebiet zu fahren. Es sei ferner nicht dargetan, warum für den südlichen Außenbereich ein umfassender Leinenzwang erforderlich sei, während im nördlichen Außenbereich ein wegebezogener Leinenzwang für ausreichend angesehen wurde. Schließlich sei der normierte Leinenzwang auch nicht dazu geeignet, die von dem Gemeinderat heftig diskutierte Hundekotproblematik zu lösen.
10 
Der Antragsteller beantragt,
11 
§ 10 Abs. 3 Satz 1 der Polizeiverordnung gegen umweltschädliches Verhalten, zum Schutze der Grün- und Erholungsanlagen und über das Anbringen von Hausnummern (Polizeiliche Umweltschutzverordnung) der Antragsgegnerin vom 21.11.1996 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 01.06.2005 für unwirksam zu erklären.
12 
Die Antragsgegnerin beantragt,
13 
den Antrag abzulehnen.
14 
Sie trägt vor: Die Verordnung sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Zwar weiche der im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltene Beschlusstext geringfügig vom Wortlaut der Beschlussvorlage und der Verordnung ab. Das sei aber vor dem Hintergrund der Diskussion, deren Gegenstand nur der Bereich außerhalb des Waldgebiets gewesen sei, unerheblich; denn das Sitzungsprotokoll sei kein Wortprotokoll. Jedenfalls könne eine etwaige Lücke im Beschlusstext durch Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts geschlossen werden. Der räumliche Geltungsbereich des Leinenzwangs im streitigen Südbereich sei hinreichend bestimmt; dies werde durch einen Blick auf den Ortsplan bestätigt. Darüber hinaus werde mit Hinweistafeln auf Anfang und Ende des Leinenzwangs hingewiesen. Der Leinenzwang sei durch die Ermächtigungsgrundlage des § 10 PolG gedeckt. Von unangeleinten Hunden gehe eine abstrakte Gefahr für Menschen aus. Denn durch unberechenbares Verhalten der Hunde würden Menschen typischerweise gesundheitlich gefährdet oder zumindest erheblich belästigt. Zudem seien binnen eines Jahres ca. 25 bis 30 Vorfälle mit Bissen und Angriffen von freilaufenden Hunden zu verzeichnen gewesen. Seit Bestehen der Leinenpflicht sei die Zahl derartiger Vorfälle erheblich zurückgegangen. Des Weiteren werde die Landwirtschaft und der im dortigen Gebiet gelegene Segelflugplatz durch freilaufende Hunde und deren Kot sowie durch Stöcke, die von Hundehaltern geworfen würden, beeinträchtigt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Insbesondere die unterschiedliche Behandlung von nördlichem und südlichem Außenbereich sei im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers gerechtfertigt, weil der südliche Bereich erheblich stärker touristisch genutzt werde. Die Verordnung stelle eine sinnvolle Kompromisslösung zwischen den Interessen der Hundehalter und den Interessen der Erholungssuchenden dar. Durch die örtliche Begrenzung des Leinenzwangs seien genügend Flächen vorhanden, die ein Freilaufen der Hunde ermöglichten.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
16 
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Er kann als Hundehalter, der bei seinen täglichen Spaziergängen mit dem Hund mit dem Anleingebot konfrontiert ist, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein; auch ist gegen ihn bereits ein Bußgeld verhängt worden. Die insoweit noch maßgebliche Zweijahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31.12.2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21.12.2006 ) ist gewahrt.
II.
17 
Der Antrag ist nicht begründet. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind rechtsfehlerfrei zustande gekommen und auch inhaltlich von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
18 
1. Die Änderungsverordnung, durch die § 10 Abs. 3 UmweltschutzVO neu gefasst wurde, ist, wie sich aus den vorgelegten Behördenakten ergibt, mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und dem Landratsamt als der Aufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt.
19 
Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Gemeinde (§ 5 VerkG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 DVO-GemO) liegt ebenfalls vor. Die vom Antragsteller gerügte Abweichung des im Sitzungsprotokoll des Gemeinderats festgehaltenen Beschlusstextes vom bekannt gemachten Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen.
20 
Eine Verordnung ist zwar unwirksam, wenn sie nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 8 CN 1.02 -, BVerwGE 120, 82). Eine solche Abweichung liegt hier aber auch bezüglich der Gebietsabgrenzung in § 10 Abs. 3 Satz Nr. 1 UmweltschutzVO nicht vor.
21 
Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller auf die gemäß § 38 Abs. 1 GemO gefertigte Niederschrift über die Verhandlungen des Gemeinderats. Diese muss u.a. den Wortlaut der Beschlüsse enthalten. Die Niederschrift dient dem späteren Nachweis über den Ablauf der Sitzungen, den Verlauf der Verhandlungen und den Inhalt der gefassten Beschlüsse. Ihr kommt als öffentliche Urkunde die in den §§ 415, 417 und 418 ZPO normierte erhöhte Beweiskraft zu (vgl. Senatsurteil vom 09.10.1989 - 1 S 5/88 -, NJW 1990, 1808; vom 17.10.2002 - 1 S 2114/99 -, juris Rz. 39). Es wird vermutet, dass der Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Gemeinderates vollständig und richtig wiedergeben sind. Die Niederschrift wirkt aber nicht rechtsbegründend für die Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, § 38 Rn. 1). Aus der formalen Beweisfunktion der Niederschrift folgt, dass die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit durch Gegenbeweise entkräftet werden kann.
22 
In der Niederschrift über die Verhandlungen und Beschlüsse des Gemeinderats vom 01.06.2005 wird auf Blatt 104 zwar festgehalten, dass nach der Zustimmung zur grundsätzlichen Festlegung von Leinenzwang in bestimmten Außengebieten u.a. der Leinenzwang für das Gebiet „Südbereich zwischen Schützenstraße in Schwann und der Straße Am Sportplatz in Conweiler“ beschlossen wurde. In dieser Umschreibung fehlt im Unterschied sowohl zur diskutierten Beschlussvorlage als auch zur veröffentlichten Verordnungsregelung die Angabe „bis zum Waldrand“. Eine inhaltliche Abweichung wird damit aber nicht dokumentiert. Es handelt sich vielmehr ersichtlich um eine leicht verkürzte Wiedergabe des in der Beschlussvorlage bezeichneten Gebiets, das - auch ausweislich der Diskussion im Gemeinderat - in seiner Ausdehnung unverändert bleiben sollte. Denn auf Blatt 106 der Sitzungsniederschrift wird der gesamte Text der vom Gemeinderat - zunächst in getrennten Abstimmungen - beschlossenen Änderungsverordnung nochmals zusammenfassend aufgeführt; dieser Text stimmt mit dem der Bekanntmachung überein.
23 
2. Auch in materieller Hinsicht hält § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO der rechtlichen Prüfung stand.
24 
a) Der in dieser Vorschrift angeordnete Leinenzwang für Hunde ist durch die gesetzliche Ermächtigung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 PolG gedeckt.
25 
Eine hiernach erforderliche abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86>; BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
26 
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von Hunden Gefahren für die menschliche Gesundheit und für andere Hunde ausgehen können, die geeignet sind, die allgemeine Anordnung eines Leinenzwangs zu rechtfertigen (vgl. schon Beschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <21 f.>; vom 31.01.1980 – I 1996/79 -, BWVPr 1980, 167 und vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>). Hieran hält der Senat fest. Dabei mag dahinstehen, ob eine entsprechende Gefahrenlage schon durch die von der Antragsgegnerin angeführten, in der Mehrzahl aber nicht näher umschriebenen Vorfälle mit unangeleinten Hunden hinreichend verlässlich dokumentiert wird. Denn schon die allgemeine Lebenserfahrung belegt aufgrund der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit einer Begegnung von Hunden und Menschen die erforderliche abstrakt-generelle Gefahrenlage. Zum natürlichen Verhaltensrepertoire von Hunden gehören nämlich das Beißen, Hetzen, Reißen, Anspringen, Schnappen, Nachrennen und Beschnüffeln, das sich bei freilaufenden Hunden spontan und unberechenbar äußert und zu einer Gefährdung unbeteiligter Dritter führen kann, welche die Schwelle der bloßen Lästigkeit überschreitet. Auch ein zunächst bloß subjektives Unsicherheitsgefühl, das viele Menschen, vor allem Kinder, gegenüber freilaufenden Hunden beschleicht, ist hier zu berücksichtigen; denn gerade auch ängstliches Verhalten kann bei ansonsten unauffälligen Hunden weitere Reaktionen und auf diese Weise einen gefahrerhöhenden Kreislauf in Gang setzen (Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 60 ff.).
27 
Der Verweis des Antragstellers auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <180 f.>), wonach eine abstrakte Gefahr durch unangeleinte Hunde nicht festgestellt werden könne, verfängt nicht. Zu Unrecht bezieht sich diese Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Mit Urteil vom 03.07.2002 (- 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <355 f.>) hat das Bundesverwaltungsgericht die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung nämlich allein wegen des abschließend an die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen anknüpfenden Regelungskonzepts als von der polizeirechtlichen, auf die Gefahrenabwehr zielenden Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckte Maßnahme der Gefahrenvorsorge beanstandet. Das Bundesverwaltungsgericht geht aber zugleich davon aus, dass mit der Haltung von Hunden „wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens“ „unzweifelhaft“ Gefahren verbunden sind.
28 
b) Der Erlass einer Regelung über den allgemeinen Leinenzwang ist nicht gemäß § 11 PolG durch die Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom 3. August 2000 (GBl. S. 574) gesperrt. § 4 Abs. 3 Satz 1 PolVOgH sieht zwar einen Leinenzwang für gefährliche Hunde i.S. dieser Verordnung vor. Diese Regelung versteht sich jedoch ausweislich von § 6 PolVOgH nicht als abschließend. Denn nach dieser Bestimmung bleiben weitergehende Verordnungen nachgeordneter Polizeibehörden unberührt. Dies gilt insbesondere für Regelungen, die nicht dem Schutz der Bevölkerung und anderer Tiere vor „gefährlichen Hunden“ zu dienen bestimmt sind, sondern die von Hunden generell in bestimmten - gefahrträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren in den Blick nehmen.
29 
c) Die Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmweltschutzVO sind hinreichend bestimmt.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Zum anderen soll das Vorgehen der Verwaltung durch steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe gebunden werden. Schließlich sollen die Gerichte in die Lage versetzt werden, anhand verlässlicher normativer Vorgaben die Rechtskontrolle durchzuführen. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen Vollzug der Norm gewährleisten. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtspositionen des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 ff.>, sowie Senatsurteil vom 11.10.2000 - 1 S 2964/99 -, ESVGH 51, 41 <46>; vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <86 f.>, jeweils m.w.N.).
31 
Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO zur Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs auf die bauplanungsrechtliche Begriffe Innenbereich und Außenbereich Bezug nimmt. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung geäußerten Bedenken (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.09.2006 - 7 C 10539/06 -, DÖV 2007, 82 <83>; Thür. OVG, Urteil vom 26.04.2007 - 3 N 699/05 -, juris Rz. 76 ff.; siehe auch zur Unbestimmtheit des Begriffs „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ OVG NRW, Urteil vom 26.01.1987 – 7 A 605/85 -, NVwZ 1988, 659, sowie Nds. OVG, Urteil vom 27.01.2005 - 11 KN 38/04 -, NordÖR 2005, 179 <181>) teilt der Senat jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.
32 
Der Rechtsbegriff des Innenbereichs ist in seinem baurechtlichen Kontext hinreichend bestimmt. Dies gilt für den Planbereich (§ 30 BauGB) durch den Bezug auf parzellenscharf abgegrenzte Bebauungspläne ebenso wie für den unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Nach der Rechtsprechung setzt ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. dieser Vorschrift voraus, dass die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt sowie Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist; die hierfür maßgeblichen Kriterien sind im Einzelnen entfaltet worden (siehe etwa Hofherr in: Berliner Kommentar zum BauGB, Lfg. Jan. 2005, § 34 Rn 2 ff., m.N.), so dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff hinreichend präzisiert, in seiner Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten stehen damit handhabbare Maßstäbe zur Verfügung. Dem Grundstückseigentümer als dem in erster Linie von der Norm Betroffenen ist es zumutbar, sich angesichts der Bedeutung der Frage ggf. unter Hinzuziehung von Fachleuten und Einholung von Rechtsrat über die baulichen Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks zu vergewissern. Auf solches jedenfalls in Grenzfällen erforderliches baurechtliches Spezialwissen kann indessen nicht in jeglichem Regelungszusammenhang verwiesen werden. Das gilt nur dann, wenn die Lage des Normadressaten vergleichbar dem Baurecht durch einen Grundstücksbezug gekennzeichnet ist. Dies ist etwa bei einer Baumschutzsatzung der Fall (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110, sowie BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95 -, NStZ 1996, 342). Demgegenüber sieht sich der Hundehalter nicht nur bezogen auf ein bestimmtes Grundstück, sondern potentiell an vielen Stellen, die er in Begleitung des Hundes passiert, mit der Frage des räumlichen Geltungsbereichs des Leinenzwangs konfrontiert. Auch für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter muss dann ohne großen Aufwand erkennbar sein, wo der Hund an der Leine zu führen ist. Ausgehend vom gefahrabwehrrechtlichen Zweck der Norm erschließt sich der auf den Innenbereich bezogene Geltungsbereich des Leinenzwangs zumeist ohne Schwierigkeiten. Wo nämlich eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht, ist gewöhnlich mit dem Erscheinen von Menschen und anderen Tieren zu rechnen, deren Schutz beabsichtigt ist. Die Feinabgrenzung in der Ortsrandlage mag sich allerdings dem Hundeführer nicht unmittelbar erschließen. Denn die Frage, ob ein unbebautes Grundstück noch als Baulücke einzustufen ist, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, setzt eine umfassende Wertung und Bewertung der Umstände voraus, die ohne baurechtliche Kenntnisse oftmals nicht zu bewältigen ist. Vereinzelte „Unschärfen“ in Randbereichen sind indessen nicht zu beanstanden. Denn mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, ESVGH 52, 80 <87> m.N.). Das Maß an Unsicherheit, das den Normadressaten – nicht zuletzt mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen, wenn auch bußgeldbewehrten, Anleinen der Hunde verbunden ist – noch zugemutet werden kann, wäre jedoch überschritten, wenn die Siedlungsstruktur im Bereich des Normgebers so durch Streubebauung geprägt würde, dass nicht nur vereinzelt bauplanungsrechtlich zwischen Splittersiedlung und Ortsteil abgegrenzt werden müsste. Dann erwiese sich die Bezugnahme auf baurechtliche Begriffe für eine Regelung über den Leinenzwang als untauglich. Für eine solche (Sonder-)Situation ist hier aber angesichts der vorgelegten Pläne und Luftbilder nichts ersichtlich, so dass § 10 Abs. 3 Satz 1 UmweltschutzVO insoweit keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Der Bezug auf den Planbereich (§ 30 BauGB) ist ebenfalls unschädlich. Solange ein Bebauungsplan noch nicht verwirklicht ist, fehlt es für den Betrachter zwar an Anhaltspunkten, die für eine rechtliche Einstufung des betreffenden Gebiets als Innenbereich sprechen. Eine solche Unsicherheit im Übergangszeitraum bis zur Planverwirklichung durch die Bebauung kann aber hingenommen werden.
33 
d) Die räumliche Festlegung des Gebotsgebiets im südlichen Außenbereich ist ebenfalls hinreichend bestimmt. In nördlicher Richtung ist das Gebiet durch den Begriff des Außenbereichs begrenzt. Dieser beginnt nach der letzten geschlossenen Bebauung am Ortsrand. In südlicher Richtung bezeichnet der „Waldrand“ die Grenze der Anleinpflicht. In westlicher Richtung wird das Gebiet durch die Straße „Am Sportplatz in Conweiler“, in östlicher Richtung durch die „Schützenstraße in Schwann“ begrenzt. Damit sind die äußeren Grenzen klar und für jedermann erkennbar umrissen. Eventuelle Zweifel des Betroffenen über die Geltung des Anleingebots werden zudem dadurch ausgeräumt, dass Hinweistafeln aufgestellt wurden, welche auf den Beginn des Leinenzwangs hinweisen.
34 
Hinsichtlich der Gebotsbereiche im nördlichen Gemarkungsgebiet sind konkrete Einwendungen nicht vorgebracht worden. Bedenken sind auch nicht ersichtlich; aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin aufgestellten Schilder kann es hier keine vernünftigen Zweifel an der räumlichen Erstreckung des Leinenzwangs geben. Soweit darin jeweils auf den Bereich einer Straße bzw. eines Weges abgestellt wird, wird deutlich, dass die Hunde nicht nur auf der Straße bzw. dem Weg anzuleinen sind; auch auf den daran anschließenden Grundstücken dürfen sie gleichfalls nicht frei laufen.
35 
e) Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, zum Zweck der Gefahrenabwehr in den genannten Gebieten des Außenbereichs den Leinenzwang anzuordnen, ist im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Überprüfung (vgl. den Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO), die dem weiten Einschätzungsspielraum des Normgebers Rechnung zu tragen hat, rechtlich nicht zu beanstanden.
36 
Die umstrittene Vorschrift verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
37 
Der Leinenzwang ist geeignet, Schäden durch Beißattacken zu verhindern. Er trägt darüber hinaus dazu bei, Verunreinigungen öffentlich zugänglicher Flächen zu vermeiden; denn für den Hundeführer ist es wegen des dann eingeschränkten Bewegungsradius des Hundes und der örtlichen Nähe jedenfalls leichter, die Hinterlassenschaften eines an der Leine geführten Hundes zu beseitigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 31.01.1980 - I 1886/79 -, BWVPr 1980, 167).
38 
Die Regelung erweist sich zudem als erforderlich, weil mildere Mittel zur Gefahrenabwehr nicht in Betracht kommen. Der Verweis auf Belehrungen und weitere freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung von Beißattacken und Verunreinigungen ist nicht in gleicher Weise geeignet, die von unangeleinten Hunden ausgehenden Gefahren wirksam zu bekämpfen.
39 
Schließlich ist der Leinenzwang auch angemessen und beschränkt die Hundehalter nicht unzumutbar in ihren Rechten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Anleinpflicht nur geringfügig in das Recht des Hundehalters auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, während die geschützten Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) von Verfassung wegen einen hohen Rang beanspruchen. Bei Abwägung der durch den Leinenzwang betroffenen Interessen ist die Regelung der Antragsgegnerin mithin nicht unverhältnismäßig.
40 
Soweit der Antragsteller durch den Leinenzwang die Möglichkeit einer artgerechten Hundehaltung beeinträchtigt sieht (siehe § 2 Abs. 1 Satz 2 Tierschutz-Hundeverordnung vom 02.05.2001 ), ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich nicht die Antragsgegnerin das artgerechte Halten von Tieren sicherzustellen, sondern hierfür der Hundehalter selbst zu sorgen hat (vgl. § 2 Nr. 2 TierSchG; dazu Senatsbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289 f.>). Eine solche tierschutzrechtlich unbedenkliche Haltung wird dem Antragsteller im Übrigen auf dem Gemeindegebiet auch nicht unmöglich gemacht.
41 
Denn die Antragsgegnerin hat den Leinenzwang nicht für das gesamte Gemeindegebiet angeordnet, diesen vielmehr - nach Maßgabe des nach der örtlichen Situation je verschieden zu gewichtenden Gefahrenpotentials - auf einzelne Gebiete mit einer Ausdehnung von ca. 610 ha bei einer Gemarkungsfläche von 3.307 ha beschränkt, in denen es besonders häufig zu Kontakten zwischen Menschen und Hunden kommt. Für den innerörtlichen Bereich ist dies offenkundig. Aber auch der vom Leinenzwang erfasste südliche Außenbereich der Gemeinde wird in hohem Maß von Spaziergängern, Wanderern und Joggern genutzt und ist ein touristisch attraktives Gebiet. Der Bereich befindet sich im Naturparkportal Nordschwarzwald, zahlreiche Wanderrouten (z.B. Westweg Pforzheim/Basel), Nordic Walking-Routen, Mountainbike-Routen und Radwege führen durch diesen Bereich. Zudem liegt im süd-östlichen Bereich des betroffenen Gebietes ein Segelflugplatz. Hier kam es in letzter Zeit zunehmend zu Konflikten mit freilaufenden Hunden. Die weniger stark frequentieren östlichen und westlichen Außenbereichsgebiete der Antragsgegnerin sind dagegen vom Leinenzwang ausgenommen. Im nördlichen Außenbereich sind ebenfalls nur einzelne Wege vom Leinenzwang betroffen. Diese sachlichen Gegebenheiten rechtfertigen entgegen der Ansicht des Antragstellers die unterschiedlichen Regelungen für den nördlichen und den südlichen Außenbereich; diese sind gerade Ausdruck einer angemessenen Abwägung der meist gegenläufigen Interessen von Hundehaltern und Erholungssuchenden. Den Hundehaltern kann zugemutet werden, ihre Hunde auf den vorhandenen Freiflächen artgerecht auszuführen. Der Antragsteller muss zwar in der näheren Umgebung seiner Wohnung den Leinenzwang beachten, es trifft aber nicht zu, dass der Antragsteller nunmehr in gemeindeferne Gebiete fahren müsse, um seinem Hund Auslauf zu gewähren. Auch fußläufig sind solche Gebiete gerade mit einem großen und lauffreudigen Hund erreichbar.
42 
Eine Differenzierung nach Art und Größe der Hunde ist nicht geboten. Der Verordnungsgeber darf ausgehend von der grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde Sachverhalte typisieren. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn er in einer generellen Regelung atypische Besonderheiten des Einzelfalles vernachlässigt (vgl. nur Senatbeschluss vom 06.07.1989 - 1 S 3107/88 -, ESVGH 39, 288 <289>) und deswegen auch umsichtige Hundehalter, die immer rücksichtsvoll auftreten und in einer der Situation angemessenen Weise reagieren sowie ihren Hund – jedenfalls in aller Regel - verlässlich „im Griff“ haben, dieser Vorschrift unterwirft (siehe hierzu schon Senatsbeschluss vom 05.07.1967 - I 195/66 -, ESVGH 18, 19 <23>). Auch zu der vom Antragsteller angeregten zeitlichen Einschränkung des Leinenzwangs im Außenbereich ist die Antragsgegnerin von Rechts wegen nicht verpflichtet. Zwar ist das Konfliktpotential zwischen Hundehaltern und den übrigen Nutzern dort am Wochenende und gerade bei schönem Wetter besonders groß. Aber auch an Wochentagen kann es nicht vernachlässigt werden; dies gilt nicht zuletzt für Begegnungen mit Joggern. Darüber hinaus ist das Problem der Verunreinigung stark genutzter Freilaufflächen durch die Hunde nicht auf bestimmte Zeiten begrenzt.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
45 
Beschluss
vom 15.11.2007
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
10 
Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
11 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
17 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - geändert. Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Betretungsverbots für sein über dem Stollen IV des Altbergwerks Kahlenberg gelegenes Grundstück FlSt.-Nr. 8887 auf der Gemarkung Herbolzheim.
Am Kahlenberg in der Gemeinde Herbolzheim wurde in der Vorbergzone an der Ostflanke des Rheintalgrabens am Übergang zum Schwarzwald von 1937 bis 1969 Eisenerz abgebaut, teils im Tagebau, teils im Untertagebau.
Das Bergwerk Kahlenberg war ursprünglich auf Grund eines Konzessionsvertrags mit dem Land Baden vom 26.10.1937 durch die „Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH“ betrieben worden. Zuletzt standen die Bergrechte der ...... GmbH zu, die das Bergwerk nach Einstellung des Bergbaubetriebs 1970 an den Landkreis Lahr verkaufte. Am 20.04.1971 wurde der vom 16.06.1970 datierende Abschlussbetriebsplan zugelassen, der hinsichtlich der Hohlräume im Baufeld Stollen IV keine Sicherungsmaßnahmen vorsah, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. 1972 wurde das Bergwerk an den beigeladenen Zweckverband Abfallbeseitigung Kahlenberg - ZAK - (im Folgenden: Beigeladener) zum Betrieb einer Deponie weiterveräußert. § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 lautet wie folgt:
„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass mit dem 1. März 1972 alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag zwischen der ...... GmbH und dem Land Baden-Württemberg für die Gewinnung von Eisenerz in der Konzession Kahlenberg auf den Käufer übergehen sollen.
Dem Käufer ist bekannt, dass hierfür die Zustimmung des Landes Baden-Württemberg notwendig ist.
Da der Käufer den Bergbaubetrieb mit übernimmt, übernimmt er auch alle auf den verkauften Grundstücken zu Gunsten des Landkreises eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten mit.“
Aufgrund eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 1973 wurde in den Tagebaubereichen des Bergwerks eine Mülldeponie errichtet.
Der Stollen IV wurde nach Beendigung der Förderung dort in den 1950er Jahren zum Teil zu Bruch geschossen, d.h. durch Sprengung gezielt zum Einsturz gebracht, zum größten Teil jedoch lediglich durch inzwischen verrottete Holzbalken gesichert. Der im Bereich dieses Stollens betriebene Bergbau führte zu mehreren sog. Tagesöffnungen. Mehrere 100 m nordöstlich des klägerischen Grundstücks haben sich in den 1990er Jahren einige sog. Spüllöcher (kreisrunde Absackungen mit einer Tiefe und einem Durchmesser von jeweils etwa 1 m sowie 60 cm breite und mehrere Meter lange Spalten) gebildet, die allerdings auch Folge einer Verkarstung sein können. Südlich des klägerischen Grundstücks befindet sich ein kleiner Tagesbruch mit unbekannter Entstehungsgeschichte.
Am 13.02.2008 wurde auf den Grundstücken FlSt.-Nrn. 8875, 8876 und 8877 im Gewann Wingarten ca. 45 m von der nordwestlichen Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt ein Tagesbruch entdeckt. Der Einbruchtrichter hatte anfänglich einen Durchmesser von etwa 6 m, die Wände verliefen fast senkrecht, in 6,75 m Tiefe verjüngte sich das Loch und setzte sich weitere 25 m bis zu dem Stollen IV des Bergwerks fort. Der Durchmesser des Trichters vergrößerte sich in der Folgezeit durch Nachrutschen auf über 20 m.
10 
Bereits kurz nach Entdeckung dieses Tagesbruchs sperrte die Gemeinde Herbolzheim als Ortspolizeibehörde durch Allgemeinverfügung vom 25.02.2008 die nähere Umgebung durch Trassierband und Zäune ab, um einen Unfall am Tagesbruch selbst oder durch einen neuen Tagesbruch zu verhindern. Der räumliche Geltungsbereich der Allgemeinverfügung erstreckte sich auf das Gebiet über dem südlichen Teil des Stollens IV und umfasste auch das ca. 60 m lange und 40 m breite, rautenförmige Weinberggrundstück des Klägers.
11 
Am 23.04.2008 führten Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg - Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) - eine Grubenbefahrung zum Zweck der Gefahrerforschung durch. Das Regierungspräsidium Freiburg legte aufgrund der Erkenntnisse aus der Befahrung ein übertägiges Sicherungsgebiet von ca. vier ha Größe fest, in welchem auf Dauer ein generelles Betretungsverbot gelten müsse. Der Beigeladene bot in der Folge den Eigentümern der innerhalb des Sicherungsgebiets gelegenen Grundstücke an, diese zu einem von einem Schätzer ermittelten Preis zu erwerben. Anders als die übrigen Grundeigentümer veräußerte der Kläger sein Grundstück nicht, weil er den angebotenen Preis für deutlich zu niedrig hielt.
12 
Mit Verfügung vom 23.06.2008 ordnete das Regierungspräsidium Freiburg dem Kläger gegenüber an, dass das Grundstück FlSt.-Nr. 8887 nicht mehr betreten werden dürfe. Ausnahmen seien nur mit vorheriger Zustimmung des Regierungspräsidiums möglich (Nr. 1). Weiter seien Maßnahmen zur Gefahrerkundung und -beseitigung zu dulden, insbesondere Begehungen, Beschilderungen und das Errichten von Zäunen (Nr. 2). Unter Nr. 3 hieß es, der Kläger werde für die mit den Anordnungen verbundenen Nachteile eine angemessene Entschädigung erhalten, deren Höhe noch festzusetzen sei. Unter Nr. 4 wurde der Sofortvollzug der Nummern 1 und 2 angeordnet. Die Verfügung wurde damit begründet, dass das klägerische Grundstück einsturzgefährdet sei und damit Leib und Leben von Menschen bedroht seien. Es könne jederzeit zu einem Tagesbruch wie am 13.02.2008 kommen. Daher müsse ein Betretungsverbot erlassen und der gesamte Bereich eingezäunt werden. Mildere Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Eine unterirdische Sicherung sei technisch nicht zuverlässig umsetzbar und unverhältnismäßig aufwändig. Die Maßnahme sei auf §§ 1, 3 und 9 PolG gestützt, weshalb dem Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld zustehe.
13 
Am 09.07.2008 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben mit dem Antrag, Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, eine eingeschränkte Nutzung des Grundstücks unter Aufrechterhaltung der Sperrung gegenüber Dritten zuzulassen. Zur Begründung führte er aus, dass gerade auf seinem Grundstück die Gefahr eines Tagesbruchs allenfalls gering sei. Obwohl der Abbau im Stollen IV unter Kriegsbedingungen und damit nicht so sorgfältig wie im Fall einer zivilen Bergmannsarbeit durchgeführt worden sei, seien nicht alle unterirdischen Strukturen akut versturzgefährdet. Zwar seien unter den Bedingungen der kriegsmäßigen Erschließung die vorhandenen Abbaukammern wiederholt zur Seite erweitert worden, was die Firststabilität negativ beeinflusst habe. Unter dem Grundstück des Klägers seien solche nachträglichen Erweiterungen auf den Grubenplänen jedoch nicht zu erkennen, weshalb die Abbaukammern ihre ursprüngliche Stabilität behalten hätten. Mit Ausnahme eines kleinen Stücks im äußersten Südwesten des Grundstücks seien deshalb - anders als im Bereich des Tagesbruchs - keine Versturzstrecken erkennbar. Ohnehin bedeute ein Versturz nicht, dass der Stollen auf ganzer Länge unpassierbar sei. Ein Versturz liege bereits dann vor, wenn geringe Mengen des Hangenden niedergebrochen seien. Nach dem Versturz könne das Abbaufeld dann wieder über eine lange Strecke hinweg absolut stabil sein. Besonders versturzgefährdet seien Teile des Abbaufeldes, wo Wasser zutrete, sei es Oberflächenwasser oder Grundwasser. So habe der durch die mangelhafte Wartung des Abflusses einer Quelle verursachte Wasserzutritt zu dem Tagesbruch vom 13.02.2008 geführt. Auf dem klägerischen Grundstück gebe es dagegen weder feuchte Stellen noch gar stehendes Wasser. Eine eventuell gleichwohl bestehende Restgefahr könne durch bescheidene Maßnahmen unterhalb des klägerischen Grundstücks wie den Einzug einer Stützung beseitigt werden. Keineswegs sei es erforderlich, das gesamte Abbaufeld des Stollens IV unterirdisch zu sichern. In Relation zum Wert des Grundstücks, der sich auf 62.000,-- EUR belaufe, seien solche Maßnahmen keinesfalls unverhältnismäßig. Auch oberirdische Sicherungsmaßnahmen seien als mildere Maßnahme möglich. Das Grundstück solle nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern weiter zum Weinbau genutzt werden. Die mit dem Betreten des Grundstücks durch den Kläger einhergehende Selbstgefährdung rechtfertige kein polizeiliches Einschreiten. Da sich ein Tagesbruch durch Erdbewegungen und Geräusche ankündige, könnten sich auch die im Weinberg Beschäftigten rechtzeitig in Sicherheit bringen. Sie könnten zudem zu einer Seilsicherung verpflichtet werden. Außerdem könne das Befahren auf Fahrzeuge und Maschinen mit einem bestimmten Gesamtgewicht beschränkt werden. Für die Pflege der Rebstöcke sei nur eine geringe tägliche Aufenthaltsdauer erforderlich. Der durch das Betretungsverbot eintretende Schaden sei für den Kläger deutlich höher als für die Eigentümer der Nachbargrundstücke, da er das Grundstück erwerbslandwirtschaftlich genutzt habe. Zwischenzeitlich sei die Rebanlage so sehr beschädigt, dass es nicht mehr möglich sei, die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen. Die alten Rebstöcke müssten entfernt und durch Neuanpflanzungen ersetzt werden.
14 
Allgemein müsse berücksichtigt werden, dass in fast allen Bergbaugebieten ein Tagesbruch nahezu flächendeckend nicht ausgeschlossen werden könne. Auch im Bereich des Kahlenbergs werde sich irgendwann und irgendwo wieder ein Tagesbruch ereignen, allerdings vielleicht erst in 100 Jahren oder noch später. Die Tatsache, dass sich seit 2008 kein weiterer Tagesbruch ereignet habe, zeige jedenfalls, dass sich die Lage stabilisiert habe.
15 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Gefahr eines Tagesbruchs sei auch auf dem Grundstück des Klägers groß. Ausweislich des Grubenbildes befänden sich unter dem Grundstück flächendeckend ca. 5 - 6 m breite und 3 m hohe Erschließungsstrecken sowie ca. 4 - 5 m breite und 6 - 8 m hohe Abbauhohlräume. Die Abbaukammern seien - abgesehen von zwei kurzen Teilstücken unter dem südlichen Grundstücksbereich - nach der Betriebseinstellung nicht zu Bruch geschossen worden. Die für die Gefahr eines Tagesbruchs besonders bedeutsame Mächtigkeit des Deckgebirges belaufe sich im Bereich des klägerischen Grundstücks lediglich auf 34 - 41 m. Da auch unter dem klägerischen Grundstück Verbrüche der Firste festzustellen seien, bestehe Tagesbruchgefahr. Denn diese Verbrucherscheinungen deuteten auf eine langsame, aber unaufhaltsame Entfestigung des Gebirgsverbandes hin, die wegen der geringen Überdeckung über kurz oder lang zu einem Tagesbruch führen müsse. Nur wenn die Überdeckung des Hohlraums durch die darüber liegenden Gebirgsschichten das Siebenfache seiner Höhe erreiche (hier 56 m), sei das Risiko eines Tagesbruchs allenfalls noch gering. Daher sei der Sicherungsbereich danach bestimmt worden, ob die Überdeckung oberhalb dieses Grenzwerts liege. Die Behauptung des Klägers, unter seinem Grundstück gebe es weder Verbrüche noch Zutritte von Wasser, könne mangels Vor-Ort-Befund nicht bestätigt werden. Es stehe jedoch fest, dass es in den Gebirgsschichten unter dem Grundstück des Klägers Wasser gebe. Ein Wassereinbruch mit einer Beschleunigung des Verbruchs des Bergwerks sei daher nur eine Frage der Zeit. Ein Tagesbruch könne nach Jahren trügerischer Ruhe ohne Vorankündigung jederzeit auftreten, ohne dass Personen auf dem klägerischen Grundstück noch Zeit und Gelegenheit hätten, sich rechtzeitig zu entfernen. Sicherungsmaßnahmen unter Tage seien nicht nur technisch schwierig und gefährlich, die Kosten dafür stünden auch in keiner Relation zum Wert des Grundstücks. Von oben könnten keine Stabilisate in die Grubenbaue eingebracht werden, weil die Tragfähigkeit des Bodens für die dafür erforderlichen schweren Maschinen nicht ausreichend sei. Auch eine regelmäßige Überwachung der Stollen unter dem Grundstück sei zu gefährlich und daher nicht möglich.
16 
Das Verwaltungsgericht hat zur Gefahr eines Tagesbruchs auf dem Grundstück des Klägers und zu den Möglichkeiten, eine solche Gefahr abzuwenden, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Dipl.-Geol. ... von der Ingenieurgesellschaft ...... ist in seinem Gutachten vom 30.06.2010, welches er in den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat näher erläutert hat, zu dem Ergebnis gekommen, dass auf dem Grundstück des Klägers insbesondere in dem Bereich über dem 1. liegenden Aufhauen sowie über den Abbaukammern E, G und H die Gefahr eines Tagesbruchs bestehe. Die Wahrscheinlichkeit eines Tagesbruchs bewege sich im Vergleich zu dem 2008 gefallenen Tagesbruch in ähnlicher Größe, teilweise liege sie sogar höher. Die fehlenden Grundwasserzutritte zu den Grubenbauen unter dem Grundstück führten nicht zu einer Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Tagesbrüchen unter dem Grundstück. Im Vergleich zu den umliegenden Grundstücken sei die Tagesbruchgefahr nicht signifikant geringer. Ein Befahren mit landwirtschaftlichen Maschinen könne aufgrund der höheren Flächenbelastung bei ansonsten gleichen Verhältnissen eher zu einem Tagesbruch führen. Eine deutlich wahrnehmbare Vorankündigung eines Tagesbruchs sei nicht gewährleistet. Eine übertägige Überwachung der alten Grubenbaue zur rechtzeitigen Erkennung von Tagesbrüchen sei zwar grundsätzlich technisch möglich, aufgrund der Nutzung des Geländes als Weinberg jedoch nicht realisierbar. Eine untertägige Überwachung sei technisch sehr aufwändig, nicht gefahrlos installierbar und extrem störanfällig. Die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr sei eine Vollsicherung der Hohlräume durch Verfüllung mit einem hydraulisch abbindenden Material. Bei einem zu verfüllenden Hohlraumvolumen unter dem klägerischen Grundstück von ca. 7.400 m³ sei von Kosten von mehr als 1.000.000 EUR netto auszugehen. Bei einem Zu-Bruch-Schießen wäre nicht gewährleistet, dass das zu Bruch geschossene Gebirge tagesbruchfrei wäre. Bei Einbau einer Sicherung mittels Geotextilien könne durch die lastverteilende Wirkung des Geogitters bei Eintritt eines Tagesbruchs ein vollständiges Versagen der Erdoberfläche verhindert werden. Im Schadensfall sei jedoch eine anschließende Vollsicherung des Tagesbruchs erforderlich, um das Gelände weiter nutzen zu können. Zu allen untersuchten Sicherungs- und Überwachungsvarianten sei anzumerken, dass hierdurch lediglich das klägerische Grundstück gesichert bzw. überwacht werden könne. Die Zuwegungen zum Grundstück seien jedoch ebenfalls tagesbruchgefährdet und müssten in ein etwaiges Maßnahmenkonzept einbezogen werden.
17 
Der Beklagte hat in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zwei vom Beigeladenen beim Ingenieurbüro ... - ... - in Auftrag gegebene Gutachten, nämlich den Zwischenbericht vom 20.10.2009 und den „Abschlussbericht zu den Ergebnissen der Vor-Ort-Untersuchungen im Abbaufeld Stollen IV der ehemaligen Eisenerzgrube Kahlenberg unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Bereich der Steigstraße“ vom 30.09.2010 vorgelegt. Eine revidierte Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 wurde im Berufungsverfahren vorgelegt. Nach diesem Gutachten besteht auf dem klägerischen Grundstück die Gefahr eines großen Tagesbruchs (> 2 m). Für Teilbereiche des Grundstücks kommt das Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine Tagesbruch-, Senkungs-/Setzungsgefährdung mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden und keine Nutzung möglich ist. Für die übrigen Teilbereiche des Grundstücks geht das Gutachten davon aus, dass eine solche Gefährdung wahrscheinlich vorhanden ist und hält eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung (Beweidung oder extensiver Anbau ohne Maschineneinsatz) für vertretbar.
18 
Mit Urteil vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Tagesbruchgefahr liege für das gesamte klägerische Grundstück vor, wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... nachvollziehbar ergebe. Das Betretungsverbot diene, auch soweit es sich an den Kläger richte, nicht nur dessen Schutz, sondern auch dem möglicher Retter. Ein Fall der ausschließlichen Selbstgefährdung liege daher nicht vor. Der Kläger sei als Eigentümer des tagesbruchgefährdeten Grundstücks Zustandsstörer. Das ihm auferlegte Betretungsverbot sei für ihn auch nicht wirtschaftlich unzumutbar. Eine grundlegende Beseitigung der von den Hohlräumen unter seinem Grundstück ausgehenden Gefahr werde von ihm nicht gefordert. Vielmehr werde ihm (nur) die Möglichkeit der Nutzung des Grundstücks entzogen. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass ein vernünftiger Eigentümer das Grundstück ohnehin nicht mehr betreten würde. Die Frage, ob der Beigeladene ebenfalls polizeirechtlich verantwortlich sei, könne offen bleiben, da dieser nur zu Sicherungs- oder Überwachungsmaßnahmen verpflichtet werden könnte, die jedoch entweder nicht zuverlässig oder unverhältnismäßig teuer seien. Der auf teilweise Aufhebung des Betretungsverbots zielende Hilfsantrag sei gleichfalls unbegründet, da das Grundstück insgesamt tagesbruchgefährdet sei.
19 
Entsprechend den Empfehlungen des ...Gutachtens ließ der Beigeladene die Steigstraße, einen asphaltierten Wirtschaftsweg, der das abgesperrte Gebiet etwa 50 m südlich des klägerischen Grundstücks auf einer Länge von 180 m in Ost-West-Richtung quert, mit einem Geotextil sichern. Die Steigstraße wurde Anfang Mai 2011 wieder für Fußgänger und landwirtschaftliche Fahrzeuge bis 3,5 t bei einer Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h freigegeben. Die Maßnahme kostete laut Presseberichten 70.000 EUR, nach der Schätzung des Beklagten 100.000 EUR.
20 
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 11.05.2011 - 1 S 172/11 - zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, die Freigabe der Steigstraße zeige, dass der Beklagte selbst die Gefahrensituation inzwischen deutlich entspannter sehe. Die Absicherung der Steigstraße mit Geotextilien belege deren grundsätzliche Geeignetheit. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger Zustandsstörer sei. Störer sei vielmehr allein der Beigeladene, da er als Bergwerksbetreiber seiner Sicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und die dafür gebildeten Rückstellungen, die sich zum 31.12.1994 auf über 21 Mio. DM belaufen hätten, anderweitig verwendet habe.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - zu ändern und Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger und seinen Hilfspersonen auf dessen Antrag unbeschränkt Zugang zu seinem Grundstück zu gewähren und dessen weinbauliche Nutzung und Bewirtschaftung zu ermöglichen.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Er trägt vor, dass in der revidierten Fassung vom 11.03.2011 auch das ...-Gutachten von einer Gefahr auf dem gesamten klägerischen Grundstück ausgehe, so dass es nun für 2/3 des Grundstücks keine Nutzung und für 1/3 eine nur eingeschränkte Nutzung empfehle. Die theoretisch denkbaren Sicherungsmaßnahmen stünden in keinem Verhältnis zum Wert des Grundstücks und Überwachungsmaßnahmen seien zu gefährlich und ebenfalls zu teuer. Der Beklagte gehe nach wie vor davon aus, dass der Kläger Nichtstörer sei; die Voraussetzungen des § 9 PolG lägen jedoch vor. Ein Tagesbruch könne sich jederzeit ohne Vorwarnung ereignen, so dass diese Gefahr unmittelbar drohe. Bei der Abwägung, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass die Anordnung von Maßnahmen gegenüber dem Beigeladenen unverhältnismäßig wäre, sei von einer unbegrenzten Leistungsfähigkeit des Beigeladenen ausgegangen worden, so dass es auf mögliche Rücklagen nicht ankomme. Abgestellt worden sei auf das Verhältnis zwischen dem Wert des Grundstücks und dem Sicherungsaufwand.
26 
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Selbst wenn auch er polizeilich verantwortlich sei, so habe der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr die Inanspruchnahme des Klägers erfordert, den das Verwaltungsgericht zu Recht als Zustandsstörer angesehen habe. Denn in der Zeit bis zum Abschluss etwaiger Sicherungsmaßnahmen bestehe die Gefahr fort. Außerdem sei die Sicherung für die eingesetzten Arbeiter ebenfalls gefährlich. Es könnten auch nicht alle Hohlräume zuverlässig erfasst werden. Die Sicherung sei zudem unverhältnismäßig teuer. Da der gesamte Stollen gesichert werden müsste, würde dies etwa 20 Mio. EUR kosten. Selbst wenn man optimistisch mit nur 7 Mio. EUR kalkulieren würde, sei dies immer noch unverhältnismäßig. Die Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden in allen Grubenbereichen des Altbergwerks beliefen sich auf ca. 3 Mio. EUR.
27 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen ... und des sachverständigen Zeugen ... sowie durch Vernehmung des Zeugen ..., der bis zu seiner Pensionierung 1995 technischer Betriebsleiter der vom Beigeladenen betriebenen Deponie war. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
28 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Regierungspräsidiums Freiburg und des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Der Senat sieht keine Veranlassung, mit Blick auf den Schriftsatz des Beigeladenen vom 31.10.2012, in welchem dieser seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Störereigenschaft des Klägers und des Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Störung nochmals verdeutlicht, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen.
30 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). Das in Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 angeordnete Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
31 
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zwar ist bei einem Erfolg der Klage die tatsächliche Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks noch nicht sichergestellt, da dieses nicht an einen öffentlichen Weg grenzt und für die umliegenden Grundstücke, die im Eigentum des Beigeladenen stehen, weiterhin ein Betretungsverbot gilt. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber dem Beigeladenen einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB hat und dass von der ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks verlaufenden Steigstraße aus eine sichere Zuwegung geschaffen werden kann.
II.
32 
Die Klage ist auch begründet. Das auf die §§ 1, 3 und 9 PolG gestützte Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zwar ist der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung ist formell rechtmäßig (2.) und inhaltlich hinreichend bestimmt (3.). Der Kläger ist jedoch Nichtstörer (4.) und die Voraussetzungen des § 9 PolG für seine Inanspruchnahme als Nichtstörer liegen nicht vor (5.).
33 
1. Die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) ist als Ermächtigungsgrundlage anwendbar, obwohl es um die Bekämpfung der von einem Altbergwerk ausgehenden Gefahren geht. Ihre Anwendung ist nicht durch speziellere bergrechtliche Vorschriften gesperrt.
34 
Die Vorschriften des Bundesberggesetzes sind gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG vom 13.08.1980 (BGBl. I S. 1310) nicht anzuwenden auf Betriebe im Sinne des Absatzes 1, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1982 bereits endgültig eingestellt waren. Die endgültige Einstellung eines Bergwerksbetriebs nach § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG beginnt, sobald die Errichtungs- und/oder Führungsphase mit der Absicht beendet wird, sie nicht wieder aufzunehmen. Sie endet nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans (BayVGH, Urt. v. 24.08.2010 - 8 BV 06.1795 - ZfB 2011, 114). Im Bergwerk Kahlenberg wurde der Bergbau im Jahr 1970 aufgegeben. Der Abschlussbetriebsplan vom 16.06.1970, der am 20.04.1971 zugelassen wurde, sah vor, die Hohlräume im Baufeld Stollen IV unverändert zu belassen, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. Zwar lässt sich den vorgelegten Bergakten nicht entnehmen, wann genau die Zugänge geschlossen wurden. Die Verfahrensbeteiligten konnten hierzu ebenfalls keine exakten Angaben machen. Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zeitnah im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung erfolgt ist. Daher ist von einer endgültigen Einstellung des Betriebs vor dem 01.01.1982 auszugehen.
35 
Auch Vorschriften des vor Inkrafttretens des Bundesberggesetzes anzuwendenden Badischen Berggesetzes vom 22.06.1890 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.04.1925 (Bad. GVBl. S. 103), zuletzt geändert durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften vom 08.04.1975 (GBl. S. 237) und § 69 Abs. 6 des Naturschutzgesetzes vom 21.10.1975 (GBl. S. 654; ber. 1976 S. 96), kommen nach der Einstellung des Bergwerksbetriebes nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - VBlBW 2000, 362 = NVwZ-RR 2000, 589 m.w.N.). Denn das Badische Berggesetz sieht keine Eingriffsbefugnisse bei stillgelegten Bergwerken vor, da § 144 Bad. BergG die Zuständigkeit der Bergpolizei und damit auch die Reichweite der Generalklausel des § 147 Bad. BergG auf „den Betrieb“ beschränkt. Der Begriff „Betrieb“ ist im Gesetz nicht definiert. Aus den §§ 60 ff. Bad. BergG ergibt sich jedoch, dass der Betrieb ein tatsächlicher Abbauvorgang ist, der zum Beispiel nach § 60 Abs. 3 Bad. BergG auch kurzfristig unterbrochen werden kann. Ein stillgelegtes Bergwerk ist daher kein Betrieb im Sinne der §§ 144 ff. Bad. BergG mehr.
36 
Die bergrechtlichen Vorschriften sind insoweit nicht abschließend, so dass daher die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften Anwendung finden (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
37 
2. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der auf § 66 Abs. 1 PolG gestützten Verordnung des Umweltministeriums über die Zuständigkeit für stillgelegte Bergwerke und andere künstliche Hohlräume vom 21.11.1994 (GBl. S. 669), zuletzt geändert durch Art. 120 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 79). Danach ist das Regierungspräsidium Freiburg bei stillgelegten untertägigen Bergwerken und Bohrungen nach Maßgabe des § 2 zuständig für die Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und für die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.
38 
3. Die angefochtene Verfügung ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinn des § 37 Abs. 1 LVwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt, wenn sowohl der Adressat, als auch - bei der Aufgabe eines Handelns, Duldens oder Unterlassens - das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt ist, dass sie nicht einer unterschiedlichen subjektiven Beurteilung zugänglich ist. Es genügt insoweit, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
39 
Hier ergibt die Auslegung des angefochtenen Betretungsverbots, dass dem Kläger selbst das Betreten seines Grundstücks untersagt werden soll und dass es ihm darüber hinaus verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet.
40 
Zwar lässt die Formulierung des Tenors der angefochtenen Verfügung („Das Grundstück darf nicht betreten werden“) zunächst mehrere Auslegungen denkbar erscheinen: Das Betretungsverbot könnte sich ausschließlich auf den Kläger als Grundstückseigentümer beziehen, es könnte sich an jedermann richten und damit eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 3 LVwVfG darstellen oder die Verfügung könnte so auszulegen sein, dass sie neben dem an den Kläger gerichteten Verbot ihm gegenüber auch die Verpflichtung enthält, sein Eigentumsrecht dahingehend auszuüben, Dritten das Betreten nicht zu gestatten.
41 
Entscheidend gegen eine Deutung als Allgemeinverfügung spricht jedoch bereits der dem Tenor vorangestellte Einleitungssatz („Für dieses Grundstück wird Ihnen gegenüber angeordnet“) und der Umstand, dass allein der Kläger Adressat der Verfügung ist.
42 
Auf der anderen Seite würde ein ausschließlich an den Kläger als Grundstückseigentümer gerichtetes Betretungsverbot dem Ziel des Bescheids, wie es sich auch aus der Begründung ergibt, nicht gerecht werden. Denn vor dem Hintergrund der in der Begründung beschriebenen Gefahrenlage zielt das Vorgehen des Regierungspräsidiums darauf ab, dass niemand mehr das Grundstück betreten soll. Nach seinem Sinn und Zweck kann das Betretungsverbot daher nur in dem Sinn ausgelegt werden, dass es dem Kläger verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet. Für dieses Verständnis spricht auch der Hinweis in der Begründung, eventuelle Miet- oder Pachtverträge seien zu kündigen. Offenbar hat der Kläger den Bescheid auch ohne weiteres dahingehend verstanden, dass er selbst das Grundstück nicht betreten und auch Dritten das Betreten nicht gestatten darf.
43 
4. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger mangels polizeirechtlicher Verantwortlichkeit als Zustands- oder Verhaltensstörer Nichtstörer ist.
44 
a) Der Kläger ist nicht als Grundstückseigentümer Zustandsstörer gemäß § 7 Abs. 1 PolG. Nach dieser Vorschrift hat die Polizei Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer der Sache, deren Zustand die öffentliche Sicherheit bedroht, zu treffen.
45 
Das Verwaltungsgericht hat die Verantwortlichkeit des Klägers als Zustandsstörer mit der Begründung bejaht, der Untergrund gehöre zum Grundstück des Klägers und die Hohlräume dort führten ohne weitere Zwischenschritte zu der Tagesbruchgefahr (ebenso VG Braunschweig, Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>).
46 
Die Annahme, dass das Altbergwerk Teil des klägerischen Grundstücks geworden sei, ist jedoch unzutreffend. Zwar erstreckt sich das Grundstückseigentum gemäß § 905 Satz 1 BGB grundsätzlich auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Das Bergwerkseigentum ist davon jedoch gerade nicht erfasst. Das Bergwerkseigentum war auch unter dem Badischen Berggesetz als eigentumsgleiches Recht ausgestaltet (§ 42 Bad. BergG; ebenso nunmehr § 9 Abs. 1 BBergG). Die einzelnen Stollen stellen daher wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums dar, dagegen sind sie lediglich Scheinbestandteile an dem Grundstück. Abhängig von dem genauen rechtlichen Schicksal des Bergwerks befindet sich dieses daher entweder im Eigentum des Beigeladenen oder des Landes (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 LB 57/11 - UPR 2012, 149; OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <65 <; VG Braunschweig, Urt. v. 19.10.2006 - 1 A 267/04 - ZfB 2007, 32 <34> und Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>). In jedem Fall sind die Stollen des Altbergwerks nicht Bestandteil des klägerischen Grundstücks geworden.
47 
Die Gefahr geht auch nicht von dem Grundstück, sondern von der Instabilität der Stollen darunter aus. Sie wird von dem Grundeigentum des Klägers lediglich weitergeleitet.
48 
Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 PolG, nach dem die Gefahr von dem Zustand der Sache ausgehen muss, legt nahe, dass es nicht ausreicht, wenn eine Sache nur von einer Gefahr, die von dem Eigentum darunter ausgeht, betroffen ist. Ebenso spricht der auch für den Zustandsstörer geltende Grundsatz der unmittelbaren Verursachung (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 7 Rn. 5; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 7 Rn. 5) gegen eine Inanspruchnahme des Klägers. Danach trifft den Eigentümer keine Polizeipflicht, wenn sein Eigentum ohne sein Zutun als Mittel verwendet wird, aber nicht per se eine Quelle von Gefahren bildet (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O.). Hier ist der einzige Verursachungsbeitrag des Grundstücks seine bloße Existenz. Eine Gefahr erwächst daraus erst durch den Zustand der darunter liegenden künstlichen Hohlräume. Dagegen ließe sich einwenden, dass der gefährliche Zustand seine Ursache von außerhalb hat, aber in der Kausalkette am nächsten an einer Rechtsgutsverletzung liegt. Hintergrund für die Zurechnung ist jedoch die Wertung, dass der Eigentümer der Gefahr zumindest näher steht als die Allgemeinheit. Entsprechend ist Anknüpfungspunkt auch dessen (zumindest normative) Sachherrschaft über und Einflussmöglichkeit auf die gefährliche Sache und die sich daraus ergebende Pflicht, für die Störungsfreiheit zu sorgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - NJW 1999, 231). So entfällt die Störereigenschaft nicht nur bei Diebstahl der Sache, sondern auch, wenn die Sache – etwa durch Naturschutzrecht – der Allgemeinheit genauso zur Verfügung steht wie dem Eigentümer. Diese Einwirkungsmöglichkeit fehlt aber gerade in dem vorliegenden Fall, in dem der Eigentümer die Gefahr nicht verursacht hat und auch nicht verhindern, sondern ihr nur ausweichen kann, indem er sein eigenes Grundstück nicht mehr betritt. In diesem Sinne hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem Felsgestein von einem Grundstück auf die unterhalb gelegenen Grundstücke zu stürzen drohte, die Inanspruchnahme der bedrohten Grundeigentümer als Zustandsstörer ausgeschlossen (BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl. 1996, 437; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - a.a.O.; ebenso OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625; implizit auch bei Tagesbrüchen OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2001 - 11 U 44/01 - ZfB 2002, 216 <220>, ebenso die Vorinstanz: LG Essen, Urt. v. 16.11.2000 - 4 O 494/99 - ZfB 2001, 230; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 03.03.2005 - 8 K 2655/42 - ZfB 2005, 234 <239>). Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Beigeladenen nichts anderes gelten. Die vom Beigeladenen angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 11.10.1985 - 5 S 1738/85 - NVwZ 1986, 325) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Entscheidend für die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer war dort, dass die Schadstoffe, die das Erdreich unter dem Grundstück verseucht und schließlich zu Verunreinigungen des Grundwassers geführt hatten, nach den Feststellungen des Gerichtshofs aus dem betreffenden Grundstück stammten. Zwar konnte die Gefahr zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nur noch durch auf das Grundwasser bezogene Maßnahmen beseitigt werden, die Gefahrenquelle war jedoch das Grundstück des dortigen Klägers.
49 
b) Der Kläger kann auch nicht als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden.
50 
Verhaltenshaftung im Sinne von § 6 Abs. 1 PolG bedeutet Verantwortlichkeit für die Verursachung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. von Störungen dieser Schutzgüter durch menschliches Verhalten. Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne ist nur derjenige, dessen Verhalten die eingetretene Störung unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die polizeiliche Gefahrengrenze überschreitet. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, wobei danach zu fragen ist, wer die eigentliche und wesentliche Ursache für den polizeiwidrigen Erfolg gesetzt hat. Nur durch diese wertende Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Zurechnungsgrund und der Gefahr lässt sich ermitteln, ob eine unmittelbare Verursachung im Sinne eines hinreichend engen Wirkungs- und Verantwortungszusammenhanges zwischen der Gefahr oder der Störung und dem Verhalten der Person vorliegt, die deren Pflichtigkeit als zumutbar rechtfertigt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.07.2002 - 10 S 2153/01 - juris m.w.N.; ähnlich Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 6 Rn. 8; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 444 f.).
51 
Hier geht die Tagesbruchgefahr vom Zustand der Abbaukammern des Altbergwerks aus. Zwar leistet auch der Kläger, wenn er sein Grundstück betritt oder Dritten das Betreten gestattet, durch sein Verhalten einen kausalen Beitrag für die mit dem Betretungsverbot bekämpfte Gefahr. Eine Gefahr für Leib und Leben kann sich nur realisieren, wenn sich Personen auf dem gefährdeten Grundstück aufhalten. Mit dem Betreten und Bewirtschaften des eigenen Grundstücks macht der Kläger jedoch, ohne gegen strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verbots- oder Gebotsnormen zu verstoßen, lediglich von seinen Befugnissen als Grundstückseigentümer Gebrauch, ohne den eigenen Rechtskreis zu verlassen. Der Aufenthalt auf dem Grundstück ist auch nicht aufgrund natürlicher Gegebenheiten gefährlich, vielmehr geht die Gefahr auf - ebenfalls kausale - Verursachungsbeiträge Dritter zurück (Erzbergbau ohne hinreichende Sicherung der im Zuge des Abbaus geschaffenen künstlichen Hohlräume). Das bloße Betreten erhöht auch nicht die Gefahr eines Tagesbruchs, sondern lediglich die Gefahr, dass bei einem Tagesbruch Menschen zu Schaden kommen. Der sein Grundstück im Einklang mit der Rechtsordnung nutzende Kläger ist daher selbst „Gestörter“ und nicht Störer (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 432). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei der Gefahr von Felsstürzen ausschließlich der Eigentümer des Felsgrundstücks als Störer angesehen, nicht jedoch die Eigentümer der gefährdeten Grundstücke (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl 1996, 437).
52 
5. Die Voraussetzungen des § 9 PolG für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer liegen nicht vor.
53 
Nach § 9 Abs. 1 PolG kann die Polizei gegenüber anderen als den in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen nach den §§ 6 bis 8 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer dürfen nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
54 
a) Hier liegt zwar eine ein polizeiliches Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG gegenüber dem Störer rechtfertigende konkrete Gefahr, nicht aber eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten gegenüber dem Nichtstörer rechtfertigen würde, vor.
55 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
56 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134 und vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
57 
Die auf die Gefahrenabwehr zielende polizeiliche Generalklausel deckt hingegen keine Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein "Besorgnispotenzial" (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315>). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, a.a.O.).
58 
Für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer bedarf es nicht nur einer konkreten Gefahr, sondern einer unmittelbar bevorstehenden Störung. Der Begriff der „unmittelbar bevorstehenden Störung“ stellt strenge Anforderungen sowohl an die zeitliche Nähe als auch an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, weil polizeiliche Notstandsmaßnahmen in die Rechte unbeteiligter Dritter eingreifen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (Senatsurteile vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 - NVwZ 1987, 237 = VBlBW 1987, 183 und vom 15.06.2005 - 1 S 2718/04 - NJW 2006, 635 m.w.N.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 415). Der Begriff der unmittelbar bevorstehenden Störung deckt sich mit dem in anderen Polizeigesetzen verwendeten Begriff der gegenwärtigen Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51 ; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.04.2012 - 4 Bs 78/12 - NJW 2012, 1975).
59 
Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff grundsätzlich die ex ante-Sicht entscheidend. Da es sich bei dem hier angeordneten Betretungsverbot jedoch nicht um eine vorläufige Maßnahme, sondern um einen unbefristet Geltung beanspruchenden Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 116 m.w.N.).
60 
bb) Daran gemessen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen, nicht jedoch eine unmittelbar bevorstehende Störung gegeben ist.
61 
Das Gutachten des vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen ... kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass auf wesentlichen Teilen des klägerischen Grundstücks die Gefahr von Tagesbrüchen besteht, weil die Stollen unter dem Grundstück in verschiedenen Bereichen instabil sind und zu erwartende Verbrüche sich mangels ausreichender Mächtigkeit des Deckgebirges nicht im Fels totlaufen, sondern sich an der Erdoberfläche als Tagesbrüche manifestieren werden. Dieses Ergebnis wird gestützt durch das ...Gutachten und die vom sachverständigen Zeugen ... hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Erläuterungen sowie durch die Angaben des Zeugen ...
62 
(1) Der Sachverständige ... greift auf Archivmaterial, zwei Bohrungen in der Nähe des Grundstücks und eine Befahrung der Stollen unterhalb des Grundstücks zurück. Bei der Befahrung hat der Gutachter an mehreren Stellen Verbrüche, also Absprengungen von der Decke, festgestellt. Weiter hat er festgestellt, dass in keiner Abbaukammer unter dem Grundstück eine First- oder Stoßsicherung besteht und dass ehemals vorhandene Sicherungen aus Holz mittlerweile verrottet sind. Die Zusammensetzung des Deckgesteins, auf die der Gutachter durch Literaturquellen und zwei nahegelegene Bohrungen geschlossen hat, wird als wenig standfest beschrieben, was es notwendig gemacht habe, beim Abbau eine ca. 1,5 m dicke Erzschicht zur Stabilisierung stehen zu lassen. Wie der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläutert hat, wurde diese Sicherheitsmaßnahme jedoch nicht überall eingehalten. Zum Teil sei diese Schicht schon vollständig verbrochen. Das ausweislich der herangezogenen Quellen während der Abbauzeit aufgetretene Phänomen der „Sargdeckelbildung“, d.h. des Sich-Ablösens größerer Platten von der Decke, deute darauf hin, dass die Erzschicht kleinteiliger zerklüftet, also segmentiert sei, als die Breite der Gänge. Dies erhöhe die Gefahr einer sehr raschen Tagesbruchentstehung.
63 
Die Auswirkungen von Brüchen auf die Oberfläche modelliert das Gutachten ... mit dem gängigen Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Die verwendete Formel berücksichtigt zum einen, dass das gebrochene Material eine geringere Dichte aufweist und sich ein Bruch schließlich „totläuft“. Zum anderen prognostiziert das Modell die Menge an Material, die zur Seite hin verdrängt wird. Die Modellrechnung ergab, dass sich an mehreren Stellen ein etwaiger Einbruch im Stollen bis zur Oberfläche fortsetzen wird (Anlage 5 zum Gutachten).
64 
In den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat hat der Sachverständige ... nachvollziehbar erläutert, dass - über die Ausführungen in seinem Gutachten und die dort angestellte Modellrechnung hinausgehend - auch über den Abbaukammern C und D eine Tagesbruchgefahr bestehe, da die dortige Zwischenwand nicht mächtig genug und - auch aufgrund der dort verlaufenden Störungszone - instabil sei. Bei dieser unter dem Grundstück von Nordost nach Südwest verlaufenden Störung handelt es sich um eine Zone, in der die Festigkeit des Gebirges herabgesetzt ist und die Schichten einen Versatz aufweisen (Gutachten S. 11).
65 
Gefahrerhöhend wirkt sich, worauf der Sachverständige ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, die Lage des Grundstücks in einer Erdbebenzone aus.
66 
Der Tagesbruch vom Februar 2008 erlaubt ebenfalls Rückschlüsse auf die Tagesbruchgefahr auf dem klägerischen Grundstück, weil die geologischen Verhältnisse vergleichbar sind und die vom Kläger geäußerte Vermutung, dieser Tagesbruch sei aufgrund eines Wassereinbruchs infolge der mangelhaften Wartung einer in der Nähe befindlichen Quelle entstanden, in den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen keine Stütze findet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Sachverständige ... hierzu erklärt, es sei klar, dass beim Auftreten einer Öffnung an der Erdoberfläche von dort aus Wasser in tiefere Schichten eindringen könne. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass das Wasser auch für die Tagesbruchentstehung verantwortlich sei.
67 
(2) Das vom Beigeladenen in Auftrag gegebene ...Gutachten kommt im Ergebnis zu vergleichbaren Einschätzungen. Es erfasst das gesamte gefährdete Gebiet, wobei ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der Frage lag, ob und unter welchen Bedingungen die ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks am Rande des gesperrten Gebiets in West-Ost Richtung verlaufende Steigstraße wieder für den Verkehr freigegeben werden kann. Das Gutachten teilt das Gebiet in verschiedene Einwirkungsklassen ein: Der Bereich der Einwirkungsklasse 3 (geringe Tagesbruchgefahr) kann ohne Einschränkungen betreten werden, auf Gebieten der Einwirkungsklasse 2 (Tagesbruchgefahr wahrscheinlich vorhanden) halten die Gutachter eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ohne Maschineneinsatz für vertretbar, Gebiete der Einwirkungsklasse 1 (Tagesbruchgefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden) sollen gar nicht mehr betreten werden. Das Deckgebirge unter dem Grundstück wird ähnlich wie im Gutachten ... als „gebräches Mergel/Kalksandsteinpaket“ bezeichnet, das nicht in der Lage sei, langfristig ein tragendes Stützgewölbe auszubilden. Durch Wasserzutritt von der Oberfläche könne sich die Schicht komplett entfestigen.
68 
Die im östlichen Winkel des Grundstücks gelegenen Kammern 7 - 11 (Kammern D - H bei ...) wurden im Abschlussbericht vom 30.09.2010 als so sicher angesehen, dass eine Nutzungseinschränkung nicht erforderlich sei. Begründet wurde dies mit der geringen Höhe der Kammern und der stabilisierenden Erzschicht. In der revidierten Fassung vom 11.03.2011 wurde dieses Gebiet in die Einwirkungsklasse 2 hochgestuft. Der sachverständige Zeuge ... hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass der Einschätzung vom 30.09.2009, auf der der Abschlussbericht vom 30.09.2010 basierte, eine erste Grubenbefahrung zugrunde lag. Aufgrund einer weiteren Befahrung seien die Einwirkungsklassen neu festgelegt worden. Darauf beruhe der Plan vom 30.09.2010, der erst in der revidierten Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 berücksichtigt worden sei.
69 
(3) Das Gutachten ... und das ...Gutachten in der revidierten Fassung stimmen danach sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen als auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen im Wesentlichen überein. Beide sehen das Gebiet als instabil an, beide halten Tagesbrüche für möglich, beide sehen die Möglichkeit der Entfestigung des Deckgebirges durch Wasser und damit auch größerer und tieferer Tagesbrüche als bei der Berechnung nach dem Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Und schließlich können beide Gutachter keine belastbaren Aussagen dazu treffen, wann sich die Tagesbruchgefahr realisieren wird. Dies deckt sich mit der Einschätzung des als Zeuge vernommenen früheren technischen Betriebsleiters der Deponie, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Abbaukammern nicht dauerhaft standsicher sind und die Gefahr von Tagesbrüchen besteht.
70 
(4) Aufgrund der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Schluss, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen gegeben ist.
71 
Die Bewertung einer Wahrscheinlichkeit als Gefahr im polizeirechtlichen Sinne ist grundsätzlich nicht mehr Aufgabe der Gutachter, sondern des Gerichts. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass kein Sachverständiger zu sagen vermag, innerhalb welchen Zeitraums es mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einem wie großen und gefährlichen Tagesbruch kommen wird.
72 
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit hochrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, die auch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten ausreichen lassen. Unerheblich ist demgegenüber für die Bestimmung des Grades der Gefahr, dass es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... um eine Dauergefahr handelt, die sich nicht mit der Zeit verringert, sondern sich vielmehr nach Jahren trügerischer Ruhe auch in 100 Jahren noch realisieren kann. Denn die Dauergefahr ist keine eigenständige Gefahrenart, vielmehr gelten für sie die allgemeinen Anforderungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts (Belz/Mußmann, a.a.O., § 1 Rn. 49 a).
73 
Die völlige Ungewissheit auf der Zeitachse schließt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Störung im Sinn des § 9 Abs. 1 PolG aus. Auch wenn sich ein Tagesbruch jederzeit ohne Vorwarnung ereignen kann, ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein solcher in allernächster Zeit auf dem klägerischen Grundstück auftreten und dabei einen Menschen an Leib oder Leben gefährden wird.
74 
Auf der anderen Seite handelt es sich nicht lediglich um eine „latente Gefahr“ oder ein ohne weiteres hinnehmbares Restrisiko. Zwar legen oberflächennahe Bergbautätigkeiten im Ausgangspunkt die Annahme einer „latenten Gefahr“ nahe. Dies gilt insbesondere für Bergwerke, die - wie der Kahlenberg - nicht nach dem Stand der Technik abgesichert wurden. Gibt es indes Hinweise, dass sich die Gefahr konkretisiert, so schlägt die latente in die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigende konkrete Gefahr um (vgl. OVG NRW, Urt. v. 13.09.1995 - 21 A 2273/91 - ZfB 1995, 322 <327>). Daran gemessen ist hier bei der erforderlichen Gesamtschau von einer konkreten Gefahr auszugehen. Dafür spricht bereits, dass sich die latente Gefahr nur 45 m von der Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt bereits realisiert hat und dass die geologischen Bedingungen dort mit denen auf dem klägerischen Grundstück vergleichbar sind. Hinzu kommen als gefahrerhöhende Umstände die Lage des Grundstücks in der Erdbebenzone 1 und die infolge der unter dem Grundstück verlaufenden Störung herabgesetzte Festigkeit des Deckgebirges.
75 
cc) Eine konkrete Gefahr kann nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass die Polizei nicht gegen bewusste Selbstgefährdungen einschreiten darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - NJW 1998, 2235 = VBlBW 1998, 25 m.w.N.). Begründet wird dies teilweise damit, dass es in einem solchen Fall an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder an einem öffentlichen Interesse für ein behördliches Eingreifen fehle. Überwiegend wird jedoch damit argumentiert, dass Art. 2 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstgefährdung gebe.
76 
Voraussetzung für die Annahme einer nicht zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigenden Selbstgefährdung ist allerdings, dass sich die Betroffenen freiwillig und in Kenntnis der Sachlage der Gefahr aussetzen. Dies wäre bei allen Personen der Fall, die erkennen, dass ihnen mit einer gewissen, nicht näher bestimmbaren Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet der Boden unter den Füßen wegbrechen kann, also insbesondere bei dem Kläger selbst.
77 
Das innerhalb bestimmter Grenzen anzuerkennende Recht auf Selbstgefährdung kann einem staatlichen Verbot jedoch nur dann entgegengehalten werden, wenn mit der betreffenden Tätigkeit nicht zugleich eine Gefahr für andere Personen verbunden ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - a.a.O.; Senatsurteil vom 22.07.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 39). Hier steht der Annahme einer bloßen Selbstgefährdung bei Betreten des Grundstücks entgegen, dass jeder, der in einen Tagesbruch stürzt, um Hilfe rufen und damit unbeteiligte Dritte zu Rettungsmaßnahmen veranlassen wird. Da das Grundstück nur etwa 50 m von einem öffentlichen Weg entfernt liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand zur Hilfe eilt und sich angesichts des unsicheren Kraterrands in Gefahr begeben muss, nicht viel geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt. Insofern liegt selbst bei einem Betreten allein durch den Kläger keine ausschließliche Selbstgefährdung vor, die einem polizeilichen Einschreiten entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die potenziellen Helfer keine professionell ausgebildeten Rettungskräfte, sondern zufällig vorbeikommende Passanten sind, die mit den spezifischen Risiken eines Tagesbruchs kaum vertraut sein dürften und diese Risiken bei der Rettung in keiner Weise überblicken können. Selbst wenn ihnen bekannt wäre, dass in dem Gebiet grundsätzlich die Gefahr eines Tagesbruchs besteht, folgt daraus nicht, dass sie die Gefährlichkeit einer Rettungsaktion zutreffend einschätzen können.
78 
Auch das Betreten durch den Kläger selbst würde also Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter gefährden, so dass eine konkrete Gefahr, die zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigt, nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden kann.
79 
b) Das Betretungsverbot kann auch deshalb nicht auf § 9 PolG gestützt werden, weil es auf unbefristete Dauer Geltung beanspruchen soll und eine Inanspruchnahme des Störers überhaupt nicht beabsichtigt ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass dem Nichtstörer nur das zur Gefahrenabwehr sachlich Unumgängliche aufgegeben werden darf. Deshalb sind Maßnahmen, die sich länger auswirken, grundsätzlich von vornherein zeitlich zu begrenzen (Belz/Mußmann, a.a.O., § 9 Rn. 7; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 9 Rn. 21). Zudem dürfen Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die unmittelbar bevorstehende Gefahr fortbesteht und ihre Abwehr weiterhin auf andere Weise nicht möglich ist.
80 
Hier ist ausweislich des Gutachtens ..., dem der Senat auch in diesem Punkt folgt, die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr eine Vollsicherung der Hohlräume unter dem klägerischen Grundstück mit einem hydraulisch abbindenden Material (Gutachten S. 23). Eine solche Maßnahme könnte der Beklagte dem Beigeladenen als polizeirechtlich Verantwortlichem auch aufgeben. Der Beigeladene ist jedenfalls als Zustandsstörer nach § 7 PolG (aa), möglicherweise auch als Verhaltensstörer nach § 6 PolG (bb) polizeirechtlich verantwortlich. Auch der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gebietet nicht die Anordnung eines dauerhaften Betretungsverbots gegenüber dem Kläger (cc). Schließlich würde die Inanspruchnahme des Beigeladenen diesen nicht unverhältnismäßig belasten (dd).
81 
aa) Als Inhaber der Bergbaukonzession war der Beigeladene Verfügungsberechtigter. Woraus sich nach Erlöschen der Konzession die Verfügungsberechtigung, von der die Verfahrensbeteiligten ausgehen, ergibt, ist unklar. Jedenfalls ist der Beigeladene weiterhin Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Altbergwerk und daher Zustandsstörer nach § 7 2. Alt. PolG:
82 
In § 1 des Konzessionsvertrags von 1937 räumte das Land Baden den Rohstoffbetrieben der Vereinigten Stahlwerke GmbH kein Bergwerkseigentum, sondern lediglich die Berechtigung zur Ausbeutung von Eisenerzen ein (vgl. § 2 Abs. 1 Bad. BergG: „Es kann [zur Ausbeutung von Eisenerzen] seitens des Finanzministeriums an Einzelne oder Gemeinschaften eine Konzession erteilt werden“). Das Bergwerkseigentum blieb nach § 39 b Bad. BergG beim Land Baden. Es konnte, und dies war nach § 1 des Konzessionsvertrags auch beabsichtigt, lediglich das Bergwerkseigentum nach § 39 c Bad. BergG „in der Weise belastet werden, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, auf Zeit das vererbliche und veräußerliche Recht erhält, die in § 2 bezeichneten Mineralien […] aufzusuchen und zu gewinnen“. Dieses Gewinnungsrecht sollte nach § 39 c Abs. 1 Bad. BergG zeitlich beschränkt im Wesentlichen wie Bergwerkseigentum behandelt werden. § 42 Abs. 2 Bad. BergG erklärt die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Damit ist das Gewinnungsrecht genauso Eigentum im polizeirechtlichen Sinne wie dies für das Bergwerkseigentum allgemeine Meinung ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <64> m.w.N).
83 
Die Konzession wurde gemäß § 2 des 2. Nachtrags vom 12.08.1968 bis zum 31.12.1997 verlängert. Aus § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 ergibt sich, dass der Beigeladene alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag vom Landkreis Lahr, der die Konzession seinerseits von der ...... GmbH, der Rechtsnachfolgerin der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH, gekauft hatte, übernehmen soll. Mit Wirksamkeit dieses Vertrages hat der Beigeladene die Verfügungsgewalt erlangt.
84 
Nach Erlöschen der Konzession ist der Beigeladene jedenfalls als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Störer nach § 7 2. Alt. PolG. Ob daneben auch eine Verantwortlichkeit des beklagten Landes als Bergwerkseigentümer besteht, kann offen bleiben.
85 
bb) Daneben dürfte der Beigeladene auch Verhaltensstörer nach § 6 PolG sein. Zwar hat er selbst in dem fraglichen Teil des Bergwerks nie selbst Erz abgebaut und auch sonst - soweit ersichtlich - keine gefahrerhöhenden Tätigkeiten vorgenommen. Er dürfte jedoch Sicherungsmaßnahmen unterlassen haben, obwohl er dazu verpflichtet war.
86 
Den Beigeladenen trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Altbergwerk. Im Rahmen des § 823 BGB ist anerkannt, dass aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände auch die Pflicht folgt, andere vor diesen Gefahren zu schützen. Dabei muss zwar nicht jeder abstrakten Gefahr vorgesorgt werden, haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326 m.w.N.).
87 
§§ 130 ff. Bad. BergG regeln die Haftung des Bergwerkbetreibers zwar spezieller, aber nicht abschließend, sondern nur für Schäden an Grundeigentum. Darüber hinaus lässt sich diesen Vorschriften die Wertung entnehmen, dass der Bergwerksbetrieb grundsätzlich so gefahrgeneigt ist, dass im Fall von Schadensersatzansprüchen nach Pflichtverletzungen erst gar nicht gefragt werden muss. Daher trifft den Beigeladenen, solange er die tatsächliche Sachherrschaft hat, nach § 823 BGB eine Pflicht zur Sicherung.
88 
Dass die nicht abgesicherten Stollen im Laufe der Zeit durchzubrechen drohen und durch das wenig belastbare Deckgestein dadurch Tagesbrüche entstehen können, wurde bereits bei Zulassung des Abschlussbetriebsplans gesehen. In einem Aktenvermerk des Landesbergamtes vom 25.03.1971 ist festgehalten, dass im Bereich des Stollens IV noch Pingen, d.h. Tagesbrüche, zu erwarten seien. Da Sicherungsmaßnahmen unter Tage nicht möglich seien, müsse man das Gelände einbrechen lassen und dann wieder auffüllen. Die Grundstücke seien in fremdem Besitz und könnten eventuell vom Landkreis aufgekauft werden.
89 
Auch die zahlreichen Verbrüche in den letzten Jahrzehnten gaben klare Hinweise auf eine grundsätzliche Instabilität, ebenso das Wissen um den wenig sorgfältigen Kriegsbergbau. Spätestens bei Auftreten der Spüllöcher in den 1990er Jahren dürfte für Sachkundige erkennbar geworden sein, dass langfristig Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, um die Stollen vor dem Durchbrechen zu bewahren. Das Gutachten des Sachverständigen ... und das ...Gutachten bestätigen die Tagesbruchgefahr.
90 
Die Verkehrspflichten sollen alle schützen, die in den Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle geraten und somit also die Allgemeinheit. Damit begründen die Verkehrspflichten nach § 823 BGB auch polizeirechtliche Handlungspflichten (BayVGH, Beschl. v. 05.05.2011 - 22 ZB 10.214 - UPR 2011, 357 ). Der Beigeladene dürfte damit auch als Verhaltensstörer herangezogen werden können. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Beigeladene sich stets an alle Betriebspläne gehalten haben sollte, da diese keine Legalisierungswirkung entfalten (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
91 
Auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Beigeladene polizeipflichtig, weil die möglichen Maßnahmen nicht unmittelbar in die hoheitliche Tätigkeit des Beigeladenen eingreifen, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft bzw. Versäumnisse bei der Sicherung des stillgelegten Bergwerks anknüpfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 7 C 15.02 - NVwZ 2003, 1252 Rn. 18).
92 
cc) Die Effektivität der Gefahrenabwehr spricht nur vordergründig für eine Inanspruchnahme des Klägers. Zwar greift das Betretungsverbot sofort, während eine Sicherung des Grundstücks durch Verfüllung der Hohlräume, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... technisch realisierbar ist und die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr darstellt (Gutachten S. 23), einer längeren Erkundung und Vorbereitung bedarf. Allerdings sieht der Beklagte das Betretungsverbot als endgültigen Regelungszustand an. Daher muss der Schnelligkeitsaspekt in den Hintergrund treten, zumal auch ein temporäres Betretungsverbot bis zur endgültigen Sicherung denkbar gewesen wäre, welches der Kläger - wie auch die zunächst erlassene Allgemeinverfügung der Ortspolizeibehörde - möglicherweise akzeptiert hätte. Daher müssen einem vielleicht verbleibenden Restrisiko einzelner Geländeabsackungen die Nachteile eines dauerhaften Betretungsverbots, welches für den Kläger enteignungsgleiche Wirkung hat, gegenübergestellt werden. Denn die bloße Sperrung lässt ja die Gefahr vollständig bestehen und setzt darauf, dass das Betretungsverbot - letztlich bis zum vollständigen Verbruch der Stollen, unter Umständen also Jahrhunderte - eingehalten und kontrolliert wird. Angesichts dieser zeitlichen Dimension erscheint ein dauerhaftes Betretungsverbot als einzige Gefahrenabwehrmaßnahme sogar als vergleichsweise unsicher.
93 
dd) Eine Inanspruchnahme des Beigeladenen wäre auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger als Nichtstörer trägt keine Verantwortung für die bestehende Gefahr und hat nach § 55 PolG lediglich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, nicht jedoch auf vollen Schadenersatz (vgl. Belz/Mußmann, a.a.O., § 55 Rn. 3; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 55 Rn. 15). Der Beigeladene, der jedenfalls als Zustandsstörer polizeirechtlich verantwortlich ist, hat es demgegenüber über Jahrzehnte unterlassen, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, obwohl er die Tagesbruchgefahr kannte und auch entsprechende Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden gebildet hat.
III.
94 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
95 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
96 
Beschluss vom 25. Oktober 2012
97 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt.
98 
Gründe
99 
Der für die Festsetzung des Streitwerts maßgebliche Verkehrswert des klägerischen Grundstücks beläuft sich nach den nachvollziehbaren Feststellungen eines unabhängigen Sachverständigen auf etwa 20.000,-- EUR. Soweit der Kläger von einem deutlich höheren Grundstückswert ausgeht, den er mit 62.000,-- EUR beziffert, fehlt es schon im Ansatz an einer tragfähigen Begründung hierfür.
100 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
29 
Der Senat sieht keine Veranlassung, mit Blick auf den Schriftsatz des Beigeladenen vom 31.10.2012, in welchem dieser seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Störereigenschaft des Klägers und des Vorliegens einer unmittelbar bevorstehenden Störung nochmals verdeutlicht, die mündliche Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wieder zu eröffnen.
30 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.). Das in Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 angeordnete Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
31 
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Zwar ist bei einem Erfolg der Klage die tatsächliche Erreichbarkeit des klägerischen Grundstücks noch nicht sichergestellt, da dieses nicht an einen öffentlichen Weg grenzt und für die umliegenden Grundstücke, die im Eigentum des Beigeladenen stehen, weiterhin ein Betretungsverbot gilt. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger gegenüber dem Beigeladenen einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB hat und dass von der ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks verlaufenden Steigstraße aus eine sichere Zuwegung geschaffen werden kann.
II.
32 
Die Klage ist auch begründet. Das auf die §§ 1, 3 und 9 PolG gestützte Betretungsverbot ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zwar ist der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes eröffnet (1.) und die Verfügung ist formell rechtmäßig (2.) und inhaltlich hinreichend bestimmt (3.). Der Kläger ist jedoch Nichtstörer (4.) und die Voraussetzungen des § 9 PolG für seine Inanspruchnahme als Nichtstörer liegen nicht vor (5.).
33 
1. Die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) ist als Ermächtigungsgrundlage anwendbar, obwohl es um die Bekämpfung der von einem Altbergwerk ausgehenden Gefahren geht. Ihre Anwendung ist nicht durch speziellere bergrechtliche Vorschriften gesperrt.
34 
Die Vorschriften des Bundesberggesetzes sind gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG vom 13.08.1980 (BGBl. I S. 1310) nicht anzuwenden auf Betriebe im Sinne des Absatzes 1, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.1982 bereits endgültig eingestellt waren. Die endgültige Einstellung eines Bergwerksbetriebs nach § 169 Abs. 2 Satz 1 BBergG beginnt, sobald die Errichtungs- und/oder Führungsphase mit der Absicht beendet wird, sie nicht wieder aufzunehmen. Sie endet nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans (BayVGH, Urt. v. 24.08.2010 - 8 BV 06.1795 - ZfB 2011, 114). Im Bergwerk Kahlenberg wurde der Bergbau im Jahr 1970 aufgegeben. Der Abschlussbetriebsplan vom 16.06.1970, der am 20.04.1971 zugelassen wurde, sah vor, die Hohlräume im Baufeld Stollen IV unverändert zu belassen, lediglich offene Stollenmundlöcher (Zugänge) sollten geschlossen werden. Zwar lässt sich den vorgelegten Bergakten nicht entnehmen, wann genau die Zugänge geschlossen wurden. Die Verfahrensbeteiligten konnten hierzu ebenfalls keine exakten Angaben machen. Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zeitnah im Zusammenhang mit der Betriebseinstellung erfolgt ist. Daher ist von einer endgültigen Einstellung des Betriebs vor dem 01.01.1982 auszugehen.
35 
Auch Vorschriften des vor Inkrafttretens des Bundesberggesetzes anzuwendenden Badischen Berggesetzes vom 22.06.1890 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.04.1925 (Bad. GVBl. S. 103), zuletzt geändert durch Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften vom 08.04.1975 (GBl. S. 237) und § 69 Abs. 6 des Naturschutzgesetzes vom 21.10.1975 (GBl. S. 654; ber. 1976 S. 96), kommen nach der Einstellung des Bergwerksbetriebes nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - VBlBW 2000, 362 = NVwZ-RR 2000, 589 m.w.N.). Denn das Badische Berggesetz sieht keine Eingriffsbefugnisse bei stillgelegten Bergwerken vor, da § 144 Bad. BergG die Zuständigkeit der Bergpolizei und damit auch die Reichweite der Generalklausel des § 147 Bad. BergG auf „den Betrieb“ beschränkt. Der Begriff „Betrieb“ ist im Gesetz nicht definiert. Aus den §§ 60 ff. Bad. BergG ergibt sich jedoch, dass der Betrieb ein tatsächlicher Abbauvorgang ist, der zum Beispiel nach § 60 Abs. 3 Bad. BergG auch kurzfristig unterbrochen werden kann. Ein stillgelegtes Bergwerk ist daher kein Betrieb im Sinne der §§ 144 ff. Bad. BergG mehr.
36 
Die bergrechtlichen Vorschriften sind insoweit nicht abschließend, so dass daher die allgemeinen polizeirechtlichen Vorschriften Anwendung finden (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
37 
2. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der auf § 66 Abs. 1 PolG gestützten Verordnung des Umweltministeriums über die Zuständigkeit für stillgelegte Bergwerke und andere künstliche Hohlräume vom 21.11.1994 (GBl. S. 669), zuletzt geändert durch Art. 120 der Verordnung vom 25.01.2012 (GBl. S. 65, 79). Danach ist das Regierungspräsidium Freiburg bei stillgelegten untertägigen Bergwerken und Bohrungen nach Maßgabe des § 2 zuständig für die Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und für die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.
38 
3. Die angefochtene Verfügung ist inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinn des § 37 Abs. 1 LVwVfG. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt, wenn sowohl der Adressat, als auch - bei der Aufgabe eines Handelns, Duldens oder Unterlassens - das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt ist, dass sie nicht einer unterschiedlichen subjektiven Beurteilung zugänglich ist. Es genügt insoweit, dass aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts und aus dem Zusammenhang, vor allem aus der von der Behörde gegebenen Begründung und aus den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 37 Rn. 12 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 03.02.1989 - 7 B 18.89 - NJW 1989, 1624). Hierbei ist entsprechend § 133 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 71).
39 
Hier ergibt die Auslegung des angefochtenen Betretungsverbots, dass dem Kläger selbst das Betreten seines Grundstücks untersagt werden soll und dass es ihm darüber hinaus verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet.
40 
Zwar lässt die Formulierung des Tenors der angefochtenen Verfügung („Das Grundstück darf nicht betreten werden“) zunächst mehrere Auslegungen denkbar erscheinen: Das Betretungsverbot könnte sich ausschließlich auf den Kläger als Grundstückseigentümer beziehen, es könnte sich an jedermann richten und damit eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 3 LVwVfG darstellen oder die Verfügung könnte so auszulegen sein, dass sie neben dem an den Kläger gerichteten Verbot ihm gegenüber auch die Verpflichtung enthält, sein Eigentumsrecht dahingehend auszuüben, Dritten das Betreten nicht zu gestatten.
41 
Entscheidend gegen eine Deutung als Allgemeinverfügung spricht jedoch bereits der dem Tenor vorangestellte Einleitungssatz („Für dieses Grundstück wird Ihnen gegenüber angeordnet“) und der Umstand, dass allein der Kläger Adressat der Verfügung ist.
42 
Auf der anderen Seite würde ein ausschließlich an den Kläger als Grundstückseigentümer gerichtetes Betretungsverbot dem Ziel des Bescheids, wie es sich auch aus der Begründung ergibt, nicht gerecht werden. Denn vor dem Hintergrund der in der Begründung beschriebenen Gefahrenlage zielt das Vorgehen des Regierungspräsidiums darauf ab, dass niemand mehr das Grundstück betreten soll. Nach seinem Sinn und Zweck kann das Betretungsverbot daher nur in dem Sinn ausgelegt werden, dass es dem Kläger verboten sein soll, von seinem Eigentumsrecht nach § 906 BGB in der Weise Gebrauch zu machen, dass er anderen Personen das Betreten gestattet. Für dieses Verständnis spricht auch der Hinweis in der Begründung, eventuelle Miet- oder Pachtverträge seien zu kündigen. Offenbar hat der Kläger den Bescheid auch ohne weiteres dahingehend verstanden, dass er selbst das Grundstück nicht betreten und auch Dritten das Betreten nicht gestatten darf.
43 
4. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger mangels polizeirechtlicher Verantwortlichkeit als Zustands- oder Verhaltensstörer Nichtstörer ist.
44 
a) Der Kläger ist nicht als Grundstückseigentümer Zustandsstörer gemäß § 7 Abs. 1 PolG. Nach dieser Vorschrift hat die Polizei Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer der Sache, deren Zustand die öffentliche Sicherheit bedroht, zu treffen.
45 
Das Verwaltungsgericht hat die Verantwortlichkeit des Klägers als Zustandsstörer mit der Begründung bejaht, der Untergrund gehöre zum Grundstück des Klägers und die Hohlräume dort führten ohne weitere Zwischenschritte zu der Tagesbruchgefahr (ebenso VG Braunschweig, Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>).
46 
Die Annahme, dass das Altbergwerk Teil des klägerischen Grundstücks geworden sei, ist jedoch unzutreffend. Zwar erstreckt sich das Grundstückseigentum gemäß § 905 Satz 1 BGB grundsätzlich auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Das Bergwerkseigentum ist davon jedoch gerade nicht erfasst. Das Bergwerkseigentum war auch unter dem Badischen Berggesetz als eigentumsgleiches Recht ausgestaltet (§ 42 Bad. BergG; ebenso nunmehr § 9 Abs. 1 BBergG). Die einzelnen Stollen stellen daher wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums dar, dagegen sind sie lediglich Scheinbestandteile an dem Grundstück. Abhängig von dem genauen rechtlichen Schicksal des Bergwerks befindet sich dieses daher entweder im Eigentum des Beigeladenen oder des Landes (vgl. NdsOVG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 LB 57/11 - UPR 2012, 149; OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <65 <; VG Braunschweig, Urt. v. 19.10.2006 - 1 A 267/04 - ZfB 2007, 32 <34> und Beschl. v. 08.10.2008 - 2 B 174/08 - ZfB 2009, 207 <210>). In jedem Fall sind die Stollen des Altbergwerks nicht Bestandteil des klägerischen Grundstücks geworden.
47 
Die Gefahr geht auch nicht von dem Grundstück, sondern von der Instabilität der Stollen darunter aus. Sie wird von dem Grundeigentum des Klägers lediglich weitergeleitet.
48 
Bereits der Wortlaut des § 7 Abs. 1 PolG, nach dem die Gefahr von dem Zustand der Sache ausgehen muss, legt nahe, dass es nicht ausreicht, wenn eine Sache nur von einer Gefahr, die von dem Eigentum darunter ausgeht, betroffen ist. Ebenso spricht der auch für den Zustandsstörer geltende Grundsatz der unmittelbaren Verursachung (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 7 Rn. 5; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., § 7 Rn. 5) gegen eine Inanspruchnahme des Klägers. Danach trifft den Eigentümer keine Polizeipflicht, wenn sein Eigentum ohne sein Zutun als Mittel verwendet wird, aber nicht per se eine Quelle von Gefahren bildet (Wolf/Stephan/Deger, a.a.O.). Hier ist der einzige Verursachungsbeitrag des Grundstücks seine bloße Existenz. Eine Gefahr erwächst daraus erst durch den Zustand der darunter liegenden künstlichen Hohlräume. Dagegen ließe sich einwenden, dass der gefährliche Zustand seine Ursache von außerhalb hat, aber in der Kausalkette am nächsten an einer Rechtsgutsverletzung liegt. Hintergrund für die Zurechnung ist jedoch die Wertung, dass der Eigentümer der Gefahr zumindest näher steht als die Allgemeinheit. Entsprechend ist Anknüpfungspunkt auch dessen (zumindest normative) Sachherrschaft über und Einflussmöglichkeit auf die gefährliche Sache und die sich daraus ergebende Pflicht, für die Störungsfreiheit zu sorgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - NJW 1999, 231). So entfällt die Störereigenschaft nicht nur bei Diebstahl der Sache, sondern auch, wenn die Sache – etwa durch Naturschutzrecht – der Allgemeinheit genauso zur Verfügung steht wie dem Eigentümer. Diese Einwirkungsmöglichkeit fehlt aber gerade in dem vorliegenden Fall, in dem der Eigentümer die Gefahr nicht verursacht hat und auch nicht verhindern, sondern ihr nur ausweichen kann, indem er sein eigenes Grundstück nicht mehr betritt. In diesem Sinne hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem Felsgestein von einem Grundstück auf die unterhalb gelegenen Grundstücke zu stürzen drohte, die Inanspruchnahme der bedrohten Grundeigentümer als Zustandsstörer ausgeschlossen (BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl. 1996, 437; bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 31.07.1998 - 1 B 229.97 - a.a.O.; ebenso OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625; implizit auch bei Tagesbrüchen OLG Hamm, Urt. v. 26.10.2001 - 11 U 44/01 - ZfB 2002, 216 <220>, ebenso die Vorinstanz: LG Essen, Urt. v. 16.11.2000 - 4 O 494/99 - ZfB 2001, 230; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 03.03.2005 - 8 K 2655/42 - ZfB 2005, 234 <239>). Vorliegend kann entgegen der Auffassung des Beigeladenen nichts anderes gelten. Die vom Beigeladenen angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 11.10.1985 - 5 S 1738/85 - NVwZ 1986, 325) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Entscheidend für die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer war dort, dass die Schadstoffe, die das Erdreich unter dem Grundstück verseucht und schließlich zu Verunreinigungen des Grundwassers geführt hatten, nach den Feststellungen des Gerichtshofs aus dem betreffenden Grundstück stammten. Zwar konnte die Gefahr zum Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nur noch durch auf das Grundwasser bezogene Maßnahmen beseitigt werden, die Gefahrenquelle war jedoch das Grundstück des dortigen Klägers.
49 
b) Der Kläger kann auch nicht als Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden.
50 
Verhaltenshaftung im Sinne von § 6 Abs. 1 PolG bedeutet Verantwortlichkeit für die Verursachung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bzw. von Störungen dieser Schutzgüter durch menschliches Verhalten. Verhaltensstörer im polizeirechtlichen Sinne ist nur derjenige, dessen Verhalten die eingetretene Störung unmittelbar verursacht, also selbst im konkreten Fall die polizeiliche Gefahrengrenze überschreitet. Wann dies der Fall ist, kann nicht generell, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden, wobei danach zu fragen ist, wer die eigentliche und wesentliche Ursache für den polizeiwidrigen Erfolg gesetzt hat. Nur durch diese wertende Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Zurechnungsgrund und der Gefahr lässt sich ermitteln, ob eine unmittelbare Verursachung im Sinne eines hinreichend engen Wirkungs- und Verantwortungszusammenhanges zwischen der Gefahr oder der Störung und dem Verhalten der Person vorliegt, die deren Pflichtigkeit als zumutbar rechtfertigt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.07.2002 - 10 S 2153/01 - juris m.w.N.; ähnlich Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 6 Rn. 8; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 444 f.).
51 
Hier geht die Tagesbruchgefahr vom Zustand der Abbaukammern des Altbergwerks aus. Zwar leistet auch der Kläger, wenn er sein Grundstück betritt oder Dritten das Betreten gestattet, durch sein Verhalten einen kausalen Beitrag für die mit dem Betretungsverbot bekämpfte Gefahr. Eine Gefahr für Leib und Leben kann sich nur realisieren, wenn sich Personen auf dem gefährdeten Grundstück aufhalten. Mit dem Betreten und Bewirtschaften des eigenen Grundstücks macht der Kläger jedoch, ohne gegen strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verbots- oder Gebotsnormen zu verstoßen, lediglich von seinen Befugnissen als Grundstückseigentümer Gebrauch, ohne den eigenen Rechtskreis zu verlassen. Der Aufenthalt auf dem Grundstück ist auch nicht aufgrund natürlicher Gegebenheiten gefährlich, vielmehr geht die Gefahr auf - ebenfalls kausale - Verursachungsbeiträge Dritter zurück (Erzbergbau ohne hinreichende Sicherung der im Zuge des Abbaus geschaffenen künstlichen Hohlräume). Das bloße Betreten erhöht auch nicht die Gefahr eines Tagesbruchs, sondern lediglich die Gefahr, dass bei einem Tagesbruch Menschen zu Schaden kommen. Der sein Grundstück im Einklang mit der Rechtsordnung nutzende Kläger ist daher selbst „Gestörter“ und nicht Störer (vgl. Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 432). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei der Gefahr von Felsstürzen ausschließlich der Eigentümer des Felsgrundstücks als Störer angesehen, nicht jedoch die Eigentümer der gefährdeten Grundstücke (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urt. v. 01.10.1997 - 11 A 12542/96 - NJW 1998, 625 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 26.09.1995 - 21 B 95.1527 - BayVBl 1996, 437).
52 
5. Die Voraussetzungen des § 9 PolG für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer liegen nicht vor.
53 
Nach § 9 Abs. 1 PolG kann die Polizei gegenüber anderen als den in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen oder wenn durch Maßnahmen nach den §§ 6 bis 8 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer dürfen nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
54 
a) Hier liegt zwar eine ein polizeiliches Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG gegenüber dem Störer rechtfertigende konkrete Gefahr, nicht aber eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten gegenüber dem Nichtstörer rechtfertigen würde, vor.
55 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.
56 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134 und vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468).
57 
Die auf die Gefahrenabwehr zielende polizeiliche Generalklausel deckt hingegen keine Maßnahmen der Gefahrenvorsorge. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein "Besorgnispotenzial" (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300 <315>). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 03.07.2002, a.a.O.).
58 
Für die Inanspruchnahme des Klägers als Nichtstörer bedarf es nicht nur einer konkreten Gefahr, sondern einer unmittelbar bevorstehenden Störung. Der Begriff der „unmittelbar bevorstehenden Störung“ stellt strenge Anforderungen sowohl an die zeitliche Nähe als auch an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, weil polizeiliche Notstandsmaßnahmen in die Rechte unbeteiligter Dritter eingreifen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn der Eintritt der Störung nach allgemeiner Erfahrung sofort oder in allernächster Zeit bevorsteht und als gewiss anzusehen ist, falls nicht eingeschritten wird (Senatsurteile vom 28.08.1986 - 1 S 3241/85 - NVwZ 1987, 237 = VBlBW 1987, 183 und vom 15.06.2005 - 1 S 2718/04 - NJW 2006, 635 m.w.N.; Würtenberger/Heckmann, a.a.O., Rn. 415). Der Begriff der unmittelbar bevorstehenden Störung deckt sich mit dem in anderen Polizeigesetzen verwendeten Begriff der gegenwärtigen Gefahr (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.1974 - I C 31.72 - BVerwGE 45, 51 ; OVG Hamburg, Beschl. v. 13.04.2012 - 4 Bs 78/12 - NJW 2012, 1975).
59 
Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff grundsätzlich die ex ante-Sicht entscheidend. Da es sich bei dem hier angeordneten Betretungsverbot jedoch nicht um eine vorläufige Maßnahme, sondern um einen unbefristet Geltung beanspruchenden Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 116 m.w.N.).
60 
bb) Daran gemessen ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen, nicht jedoch eine unmittelbar bevorstehende Störung gegeben ist.
61 
Das Gutachten des vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen ... kommt in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass auf wesentlichen Teilen des klägerischen Grundstücks die Gefahr von Tagesbrüchen besteht, weil die Stollen unter dem Grundstück in verschiedenen Bereichen instabil sind und zu erwartende Verbrüche sich mangels ausreichender Mächtigkeit des Deckgebirges nicht im Fels totlaufen, sondern sich an der Erdoberfläche als Tagesbrüche manifestieren werden. Dieses Ergebnis wird gestützt durch das ...Gutachten und die vom sachverständigen Zeugen ... hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Erläuterungen sowie durch die Angaben des Zeugen ...
62 
(1) Der Sachverständige ... greift auf Archivmaterial, zwei Bohrungen in der Nähe des Grundstücks und eine Befahrung der Stollen unterhalb des Grundstücks zurück. Bei der Befahrung hat der Gutachter an mehreren Stellen Verbrüche, also Absprengungen von der Decke, festgestellt. Weiter hat er festgestellt, dass in keiner Abbaukammer unter dem Grundstück eine First- oder Stoßsicherung besteht und dass ehemals vorhandene Sicherungen aus Holz mittlerweile verrottet sind. Die Zusammensetzung des Deckgesteins, auf die der Gutachter durch Literaturquellen und zwei nahegelegene Bohrungen geschlossen hat, wird als wenig standfest beschrieben, was es notwendig gemacht habe, beim Abbau eine ca. 1,5 m dicke Erzschicht zur Stabilisierung stehen zu lassen. Wie der Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläutert hat, wurde diese Sicherheitsmaßnahme jedoch nicht überall eingehalten. Zum Teil sei diese Schicht schon vollständig verbrochen. Das ausweislich der herangezogenen Quellen während der Abbauzeit aufgetretene Phänomen der „Sargdeckelbildung“, d.h. des Sich-Ablösens größerer Platten von der Decke, deute darauf hin, dass die Erzschicht kleinteiliger zerklüftet, also segmentiert sei, als die Breite der Gänge. Dies erhöhe die Gefahr einer sehr raschen Tagesbruchentstehung.
63 
Die Auswirkungen von Brüchen auf die Oberfläche modelliert das Gutachten ... mit dem gängigen Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Die verwendete Formel berücksichtigt zum einen, dass das gebrochene Material eine geringere Dichte aufweist und sich ein Bruch schließlich „totläuft“. Zum anderen prognostiziert das Modell die Menge an Material, die zur Seite hin verdrängt wird. Die Modellrechnung ergab, dass sich an mehreren Stellen ein etwaiger Einbruch im Stollen bis zur Oberfläche fortsetzen wird (Anlage 5 zum Gutachten).
64 
In den mündlichen Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat hat der Sachverständige ... nachvollziehbar erläutert, dass - über die Ausführungen in seinem Gutachten und die dort angestellte Modellrechnung hinausgehend - auch über den Abbaukammern C und D eine Tagesbruchgefahr bestehe, da die dortige Zwischenwand nicht mächtig genug und - auch aufgrund der dort verlaufenden Störungszone - instabil sei. Bei dieser unter dem Grundstück von Nordost nach Südwest verlaufenden Störung handelt es sich um eine Zone, in der die Festigkeit des Gebirges herabgesetzt ist und die Schichten einen Versatz aufweisen (Gutachten S. 11).
65 
Gefahrerhöhend wirkt sich, worauf der Sachverständige ebenfalls zu Recht hingewiesen hat, die Lage des Grundstücks in einer Erdbebenzone aus.
66 
Der Tagesbruch vom Februar 2008 erlaubt ebenfalls Rückschlüsse auf die Tagesbruchgefahr auf dem klägerischen Grundstück, weil die geologischen Verhältnisse vergleichbar sind und die vom Kläger geäußerte Vermutung, dieser Tagesbruch sei aufgrund eines Wassereinbruchs infolge der mangelhaften Wartung einer in der Nähe befindlichen Quelle entstanden, in den vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen keine Stütze findet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Sachverständige ... hierzu erklärt, es sei klar, dass beim Auftreten einer Öffnung an der Erdoberfläche von dort aus Wasser in tiefere Schichten eindringen könne. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass das Wasser auch für die Tagesbruchentstehung verantwortlich sei.
67 
(2) Das vom Beigeladenen in Auftrag gegebene ...Gutachten kommt im Ergebnis zu vergleichbaren Einschätzungen. Es erfasst das gesamte gefährdete Gebiet, wobei ein Schwerpunkt auf der Untersuchung der Frage lag, ob und unter welchen Bedingungen die ca. 50 m südlich des klägerischen Grundstücks am Rande des gesperrten Gebiets in West-Ost Richtung verlaufende Steigstraße wieder für den Verkehr freigegeben werden kann. Das Gutachten teilt das Gebiet in verschiedene Einwirkungsklassen ein: Der Bereich der Einwirkungsklasse 3 (geringe Tagesbruchgefahr) kann ohne Einschränkungen betreten werden, auf Gebieten der Einwirkungsklasse 2 (Tagesbruchgefahr wahrscheinlich vorhanden) halten die Gutachter eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ohne Maschineneinsatz für vertretbar, Gebiete der Einwirkungsklasse 1 (Tagesbruchgefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden) sollen gar nicht mehr betreten werden. Das Deckgebirge unter dem Grundstück wird ähnlich wie im Gutachten ... als „gebräches Mergel/Kalksandsteinpaket“ bezeichnet, das nicht in der Lage sei, langfristig ein tragendes Stützgewölbe auszubilden. Durch Wasserzutritt von der Oberfläche könne sich die Schicht komplett entfestigen.
68 
Die im östlichen Winkel des Grundstücks gelegenen Kammern 7 - 11 (Kammern D - H bei ...) wurden im Abschlussbericht vom 30.09.2010 als so sicher angesehen, dass eine Nutzungseinschränkung nicht erforderlich sei. Begründet wurde dies mit der geringen Höhe der Kammern und der stabilisierenden Erzschicht. In der revidierten Fassung vom 11.03.2011 wurde dieses Gebiet in die Einwirkungsklasse 2 hochgestuft. Der sachverständige Zeuge ... hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass der Einschätzung vom 30.09.2009, auf der der Abschlussbericht vom 30.09.2010 basierte, eine erste Grubenbefahrung zugrunde lag. Aufgrund einer weiteren Befahrung seien die Einwirkungsklassen neu festgelegt worden. Darauf beruhe der Plan vom 30.09.2010, der erst in der revidierten Fassung des Abschlussberichts vom 11.03.2011 berücksichtigt worden sei.
69 
(3) Das Gutachten ... und das ...Gutachten in der revidierten Fassung stimmen danach sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen als auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen im Wesentlichen überein. Beide sehen das Gebiet als instabil an, beide halten Tagesbrüche für möglich, beide sehen die Möglichkeit der Entfestigung des Deckgebirges durch Wasser und damit auch größerer und tieferer Tagesbrüche als bei der Berechnung nach dem Hohlraum-Bruchmassen-Modell. Und schließlich können beide Gutachter keine belastbaren Aussagen dazu treffen, wann sich die Tagesbruchgefahr realisieren wird. Dies deckt sich mit der Einschätzung des als Zeuge vernommenen früheren technischen Betriebsleiters der Deponie, der ebenfalls davon ausgeht, dass die Abbaukammern nicht dauerhaft standsicher sind und die Gefahr von Tagesbrüchen besteht.
70 
(4) Aufgrund der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Schluss, dass beim Betreten des klägerischen Grundstücks eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der das Grundstück betretenden Personen gegeben ist.
71 
Die Bewertung einer Wahrscheinlichkeit als Gefahr im polizeirechtlichen Sinne ist grundsätzlich nicht mehr Aufgabe der Gutachter, sondern des Gerichts. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass kein Sachverständiger zu sagen vermag, innerhalb welchen Zeitraums es mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einem wie großen und gefährlichen Tagesbruch kommen wird.
72 
Bei der Bewertung ist zu beachten, dass mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit hochrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen, die auch geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten ausreichen lassen. Unerheblich ist demgegenüber für die Bestimmung des Grades der Gefahr, dass es sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... um eine Dauergefahr handelt, die sich nicht mit der Zeit verringert, sondern sich vielmehr nach Jahren trügerischer Ruhe auch in 100 Jahren noch realisieren kann. Denn die Dauergefahr ist keine eigenständige Gefahrenart, vielmehr gelten für sie die allgemeinen Anforderungen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts (Belz/Mußmann, a.a.O., § 1 Rn. 49 a).
73 
Die völlige Ungewissheit auf der Zeitachse schließt die Annahme einer unmittelbar bevorstehenden Störung im Sinn des § 9 Abs. 1 PolG aus. Auch wenn sich ein Tagesbruch jederzeit ohne Vorwarnung ereignen kann, ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass ein solcher in allernächster Zeit auf dem klägerischen Grundstück auftreten und dabei einen Menschen an Leib oder Leben gefährden wird.
74 
Auf der anderen Seite handelt es sich nicht lediglich um eine „latente Gefahr“ oder ein ohne weiteres hinnehmbares Restrisiko. Zwar legen oberflächennahe Bergbautätigkeiten im Ausgangspunkt die Annahme einer „latenten Gefahr“ nahe. Dies gilt insbesondere für Bergwerke, die - wie der Kahlenberg - nicht nach dem Stand der Technik abgesichert wurden. Gibt es indes Hinweise, dass sich die Gefahr konkretisiert, so schlägt die latente in die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigende konkrete Gefahr um (vgl. OVG NRW, Urt. v. 13.09.1995 - 21 A 2273/91 - ZfB 1995, 322 <327>). Daran gemessen ist hier bei der erforderlichen Gesamtschau von einer konkreten Gefahr auszugehen. Dafür spricht bereits, dass sich die latente Gefahr nur 45 m von der Grenze des klägerischen Grundstücks entfernt bereits realisiert hat und dass die geologischen Bedingungen dort mit denen auf dem klägerischen Grundstück vergleichbar sind. Hinzu kommen als gefahrerhöhende Umstände die Lage des Grundstücks in der Erdbebenzone 1 und die infolge der unter dem Grundstück verlaufenden Störung herabgesetzte Festigkeit des Deckgebirges.
75 
cc) Eine konkrete Gefahr kann nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass die Polizei nicht gegen bewusste Selbstgefährdungen einschreiten darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - NJW 1998, 2235 = VBlBW 1998, 25 m.w.N.). Begründet wird dies teilweise damit, dass es in einem solchen Fall an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder an einem öffentlichen Interesse für ein behördliches Eingreifen fehle. Überwiegend wird jedoch damit argumentiert, dass Art. 2 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstgefährdung gebe.
76 
Voraussetzung für die Annahme einer nicht zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigenden Selbstgefährdung ist allerdings, dass sich die Betroffenen freiwillig und in Kenntnis der Sachlage der Gefahr aussetzen. Dies wäre bei allen Personen der Fall, die erkennen, dass ihnen mit einer gewissen, nicht näher bestimmbaren Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet der Boden unter den Füßen wegbrechen kann, also insbesondere bei dem Kläger selbst.
77 
Das innerhalb bestimmter Grenzen anzuerkennende Recht auf Selbstgefährdung kann einem staatlichen Verbot jedoch nur dann entgegengehalten werden, wenn mit der betreffenden Tätigkeit nicht zugleich eine Gefahr für andere Personen verbunden ist (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.07.1997 - 8 S 2683/96 - a.a.O.; Senatsurteil vom 22.07.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 39). Hier steht der Annahme einer bloßen Selbstgefährdung bei Betreten des Grundstücks entgegen, dass jeder, der in einen Tagesbruch stürzt, um Hilfe rufen und damit unbeteiligte Dritte zu Rettungsmaßnahmen veranlassen wird. Da das Grundstück nur etwa 50 m von einem öffentlichen Weg entfernt liegt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich jemand zur Hilfe eilt und sich angesichts des unsicheren Kraterrands in Gefahr begeben muss, nicht viel geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt. Insofern liegt selbst bei einem Betreten allein durch den Kläger keine ausschließliche Selbstgefährdung vor, die einem polizeilichen Einschreiten entgegenstehen würde. In diesem Zusammenhang kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass die potenziellen Helfer keine professionell ausgebildeten Rettungskräfte, sondern zufällig vorbeikommende Passanten sind, die mit den spezifischen Risiken eines Tagesbruchs kaum vertraut sein dürften und diese Risiken bei der Rettung in keiner Weise überblicken können. Selbst wenn ihnen bekannt wäre, dass in dem Gebiet grundsätzlich die Gefahr eines Tagesbruchs besteht, folgt daraus nicht, dass sie die Gefährlichkeit einer Rettungsaktion zutreffend einschätzen können.
78 
Auch das Betreten durch den Kläger selbst würde also Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter gefährden, so dass eine konkrete Gefahr, die zu einem polizeilichen Einschreiten berechtigt, nicht unter dem Aspekt der freiwilligen Selbstgefährdung verneint werden kann.
79 
b) Das Betretungsverbot kann auch deshalb nicht auf § 9 PolG gestützt werden, weil es auf unbefristete Dauer Geltung beanspruchen soll und eine Inanspruchnahme des Störers überhaupt nicht beabsichtigt ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass dem Nichtstörer nur das zur Gefahrenabwehr sachlich Unumgängliche aufgegeben werden darf. Deshalb sind Maßnahmen, die sich länger auswirken, grundsätzlich von vornherein zeitlich zu begrenzen (Belz/Mußmann, a.a.O., § 9 Rn. 7; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 9 Rn. 21). Zudem dürfen Maßnahmen gegenüber dem Nichtstörer nach § 9 Abs. 2 PolG nur aufrechterhalten werden, solange die unmittelbar bevorstehende Gefahr fortbesteht und ihre Abwehr weiterhin auf andere Weise nicht möglich ist.
80 
Hier ist ausweislich des Gutachtens ..., dem der Senat auch in diesem Punkt folgt, die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr eine Vollsicherung der Hohlräume unter dem klägerischen Grundstück mit einem hydraulisch abbindenden Material (Gutachten S. 23). Eine solche Maßnahme könnte der Beklagte dem Beigeladenen als polizeirechtlich Verantwortlichem auch aufgeben. Der Beigeladene ist jedenfalls als Zustandsstörer nach § 7 PolG (aa), möglicherweise auch als Verhaltensstörer nach § 6 PolG (bb) polizeirechtlich verantwortlich. Auch der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gebietet nicht die Anordnung eines dauerhaften Betretungsverbots gegenüber dem Kläger (cc). Schließlich würde die Inanspruchnahme des Beigeladenen diesen nicht unverhältnismäßig belasten (dd).
81 
aa) Als Inhaber der Bergbaukonzession war der Beigeladene Verfügungsberechtigter. Woraus sich nach Erlöschen der Konzession die Verfügungsberechtigung, von der die Verfahrensbeteiligten ausgehen, ergibt, ist unklar. Jedenfalls ist der Beigeladene weiterhin Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Altbergwerk und daher Zustandsstörer nach § 7 2. Alt. PolG:
82 
In § 1 des Konzessionsvertrags von 1937 räumte das Land Baden den Rohstoffbetrieben der Vereinigten Stahlwerke GmbH kein Bergwerkseigentum, sondern lediglich die Berechtigung zur Ausbeutung von Eisenerzen ein (vgl. § 2 Abs. 1 Bad. BergG: „Es kann [zur Ausbeutung von Eisenerzen] seitens des Finanzministeriums an Einzelne oder Gemeinschaften eine Konzession erteilt werden“). Das Bergwerkseigentum blieb nach § 39 b Bad. BergG beim Land Baden. Es konnte, und dies war nach § 1 des Konzessionsvertrags auch beabsichtigt, lediglich das Bergwerkseigentum nach § 39 c Bad. BergG „in der Weise belastet werden, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, auf Zeit das vererbliche und veräußerliche Recht erhält, die in § 2 bezeichneten Mineralien […] aufzusuchen und zu gewinnen“. Dieses Gewinnungsrecht sollte nach § 39 c Abs. 1 Bad. BergG zeitlich beschränkt im Wesentlichen wie Bergwerkseigentum behandelt werden. § 42 Abs. 2 Bad. BergG erklärt die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB für entsprechend anwendbar. Damit ist das Gewinnungsrecht genauso Eigentum im polizeirechtlichen Sinne wie dies für das Bergwerkseigentum allgemeine Meinung ist (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 08.12.2005 - 11 A 2436/02 - ZfB 2006, 61 <64> m.w.N).
83 
Die Konzession wurde gemäß § 2 des 2. Nachtrags vom 12.08.1968 bis zum 31.12.1997 verlängert. Aus § 7 des notariellen Kaufvertrags vom 04.09.1972 ergibt sich, dass der Beigeladene alle Rechte und Pflichten aus dem Konzessionsvertrag vom Landkreis Lahr, der die Konzession seinerseits von der ...... GmbH, der Rechtsnachfolgerin der Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH, gekauft hatte, übernehmen soll. Mit Wirksamkeit dieses Vertrages hat der Beigeladene die Verfügungsgewalt erlangt.
84 
Nach Erlöschen der Konzession ist der Beigeladene jedenfalls als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Störer nach § 7 2. Alt. PolG. Ob daneben auch eine Verantwortlichkeit des beklagten Landes als Bergwerkseigentümer besteht, kann offen bleiben.
85 
bb) Daneben dürfte der Beigeladene auch Verhaltensstörer nach § 6 PolG sein. Zwar hat er selbst in dem fraglichen Teil des Bergwerks nie selbst Erz abgebaut und auch sonst - soweit ersichtlich - keine gefahrerhöhenden Tätigkeiten vorgenommen. Er dürfte jedoch Sicherungsmaßnahmen unterlassen haben, obwohl er dazu verpflichtet war.
86 
Den Beigeladenen trifft die Verkehrssicherungspflicht für das Altbergwerk. Im Rahmen des § 823 BGB ist anerkannt, dass aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt über gefährliche Gegenstände auch die Pflicht folgt, andere vor diesen Gefahren zu schützen. Dabei muss zwar nicht jeder abstrakten Gefahr vorgesorgt werden, haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2006 - VI ZR 189/05 - NJW 2006, 2326 m.w.N.).
87 
§§ 130 ff. Bad. BergG regeln die Haftung des Bergwerkbetreibers zwar spezieller, aber nicht abschließend, sondern nur für Schäden an Grundeigentum. Darüber hinaus lässt sich diesen Vorschriften die Wertung entnehmen, dass der Bergwerksbetrieb grundsätzlich so gefahrgeneigt ist, dass im Fall von Schadensersatzansprüchen nach Pflichtverletzungen erst gar nicht gefragt werden muss. Daher trifft den Beigeladenen, solange er die tatsächliche Sachherrschaft hat, nach § 823 BGB eine Pflicht zur Sicherung.
88 
Dass die nicht abgesicherten Stollen im Laufe der Zeit durchzubrechen drohen und durch das wenig belastbare Deckgestein dadurch Tagesbrüche entstehen können, wurde bereits bei Zulassung des Abschlussbetriebsplans gesehen. In einem Aktenvermerk des Landesbergamtes vom 25.03.1971 ist festgehalten, dass im Bereich des Stollens IV noch Pingen, d.h. Tagesbrüche, zu erwarten seien. Da Sicherungsmaßnahmen unter Tage nicht möglich seien, müsse man das Gelände einbrechen lassen und dann wieder auffüllen. Die Grundstücke seien in fremdem Besitz und könnten eventuell vom Landkreis aufgekauft werden.
89 
Auch die zahlreichen Verbrüche in den letzten Jahrzehnten gaben klare Hinweise auf eine grundsätzliche Instabilität, ebenso das Wissen um den wenig sorgfältigen Kriegsbergbau. Spätestens bei Auftreten der Spüllöcher in den 1990er Jahren dürfte für Sachkundige erkennbar geworden sein, dass langfristig Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, um die Stollen vor dem Durchbrechen zu bewahren. Das Gutachten des Sachverständigen ... und das ...Gutachten bestätigen die Tagesbruchgefahr.
90 
Die Verkehrspflichten sollen alle schützen, die in den Einwirkungsbereich der Gefahrenquelle geraten und somit also die Allgemeinheit. Damit begründen die Verkehrspflichten nach § 823 BGB auch polizeirechtliche Handlungspflichten (BayVGH, Beschl. v. 05.05.2011 - 22 ZB 10.214 - UPR 2011, 357 ). Der Beigeladene dürfte damit auch als Verhaltensstörer herangezogen werden können. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Beigeladene sich stets an alle Betriebspläne gehalten haben sollte, da diese keine Legalisierungswirkung entfalten (Senatsurteil vom 29.03.2000 - 1 S 1245/99 - a.a.O.).
91 
Auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der Beigeladene polizeipflichtig, weil die möglichen Maßnahmen nicht unmittelbar in die hoheitliche Tätigkeit des Beigeladenen eingreifen, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft bzw. Versäumnisse bei der Sicherung des stillgelegten Bergwerks anknüpfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.05.2003 - 7 C 15.02 - NVwZ 2003, 1252 Rn. 18).
92 
cc) Die Effektivität der Gefahrenabwehr spricht nur vordergründig für eine Inanspruchnahme des Klägers. Zwar greift das Betretungsverbot sofort, während eine Sicherung des Grundstücks durch Verfüllung der Hohlräume, die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... technisch realisierbar ist und die sicherste Lösung zur Abwendung der Tagesbruchgefahr darstellt (Gutachten S. 23), einer längeren Erkundung und Vorbereitung bedarf. Allerdings sieht der Beklagte das Betretungsverbot als endgültigen Regelungszustand an. Daher muss der Schnelligkeitsaspekt in den Hintergrund treten, zumal auch ein temporäres Betretungsverbot bis zur endgültigen Sicherung denkbar gewesen wäre, welches der Kläger - wie auch die zunächst erlassene Allgemeinverfügung der Ortspolizeibehörde - möglicherweise akzeptiert hätte. Daher müssen einem vielleicht verbleibenden Restrisiko einzelner Geländeabsackungen die Nachteile eines dauerhaften Betretungsverbots, welches für den Kläger enteignungsgleiche Wirkung hat, gegenübergestellt werden. Denn die bloße Sperrung lässt ja die Gefahr vollständig bestehen und setzt darauf, dass das Betretungsverbot - letztlich bis zum vollständigen Verbruch der Stollen, unter Umständen also Jahrhunderte - eingehalten und kontrolliert wird. Angesichts dieser zeitlichen Dimension erscheint ein dauerhaftes Betretungsverbot als einzige Gefahrenabwehrmaßnahme sogar als vergleichsweise unsicher.
93 
dd) Eine Inanspruchnahme des Beigeladenen wäre auch nicht unverhältnismäßig. Der Kläger als Nichtstörer trägt keine Verantwortung für die bestehende Gefahr und hat nach § 55 PolG lediglich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, nicht jedoch auf vollen Schadenersatz (vgl. Belz/Mußmann, a.a.O., § 55 Rn. 3; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 55 Rn. 15). Der Beigeladene, der jedenfalls als Zustandsstörer polizeirechtlich verantwortlich ist, hat es demgegenüber über Jahrzehnte unterlassen, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, obwohl er die Tagesbruchgefahr kannte und auch entsprechende Rückstellungen für Berg- und Folgeschäden gebildet hat.
III.
94 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
95 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
96 
Beschluss vom 25. Oktober 2012
97 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- EUR festgesetzt.
98 
Gründe
99 
Der für die Festsetzung des Streitwerts maßgebliche Verkehrswert des klägerischen Grundstücks beläuft sich nach den nachvollziehbaren Feststellungen eines unabhängigen Sachverständigen auf etwa 20.000,-- EUR. Soweit der Kläger von einem deutlich höheren Grundstückswert ausgeht, den er mit 62.000,-- EUR beziffert, fehlt es schon im Ansatz an einer tragfähigen Begründung hierfür.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2) Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.