Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
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Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
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Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
14 
Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
17 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
18 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
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Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
19 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.).
I.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war.
21 
2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts.
22 
3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288).
23 
4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.).
II.
24 
Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.).
25 
1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln.
26 
a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
27 
Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16).
28 
Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17).
29 
Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18).
30 
b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13).
31 
c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.).
32 
d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen.
33 
Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln.
34 
Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist.
35 
e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.).
36 
Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten.
37 
2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes.
38 
a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung.
39 
b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend.
40 
3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat.
41 
Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen.
42 
a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.).
43 
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.
44 
aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>).
45 
bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen.
46 
b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben.
47 
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt.
48 
Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6).
49 
Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG).
50 
c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2).
51 
d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich.
52 
aa) Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, §§ 13 Abs. 1 Nr. 1, 16 Abs. 1 LVG).
53 
bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht.
54 
(1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben.
55 
Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde.
56 
Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen.
57 
(2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können.
58 
4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war.
59 
a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig.
60 
Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
61 
b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt.
62 
aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.).
63 
bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden.
64 
cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat.
65 
Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte.
66 
dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten.
67 
Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen.
68 
Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen.
69 
Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
70 
ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen.
71 
c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
73 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.
74 
Beschluss vom 12. Juli 2010
75 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
76 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. Okt. 2012 - 1 S 1401/11

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30.11.2010 - 3 K 1259/08 - geändert. Ziffer 1 der Verfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 23.06.2008 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des Ve

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. Aug. 2012 - 1 S 618/12

bei uns veröffentlicht am 02.08.2012

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. November 2011 - 3 K 641/11 - geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde.Es wird festgestellt, dass die an den Kläger gerichtete Auflage in Ziffer 7 der Ver

Referenzen

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge samt Ladung rechtswidrig war.
Im Vorfeld des für den 18.10.2000 geplanten Brennelemente-Transportes (sog. „Castor-Transport“) vom Kernkraftwerk Philippsburg in die Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague riefen Kernkraftgegner der Kampagne „x 1000 mal quer“ zu verschiedenen Demonstrationen und Aktionen mit dem Ziel auf, den vorgesehenen Transport - auch durch Blockaden - zu verhindern. Am 15.10.2000 fand in Phillipsburg eine Auftaktdemonstration mit ca. 1000 Teilnehmern statt, von denen einige dem Aufruf folgten, bis zum 18.10.2000 in der Nähe des Kernkraftwerks zu verbleiben. Zu diesem Zweck hatte die Initiative „x 1000 mal quer“ auf einem Wiesengrundstück im Ortsteil Oberhausen der benachbarten Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen in ca. 7 km Entfernung vom Kernkraftwerk ein Camp errichtet. Bis zum Mittag des 16.10.2000 wurden dort zwei größere Rundzelte, mehrere Versorgungs- und Küchenzelte und ca. 40 Iglu-Zelte aufgebaut sowie vier Toilettenhäuschen aufgestellt; ca. 150 Personen hielten sich dort auf. Die Klägerin zu 1), eine in einem niederländischen Register eingetragene Vereinigung, die sich als „Kochkollektiv“ bezeichnet, war für den Betrieb der Küche und die Versorgung des Zeltlagers mit Lebensmitteln zuständig; dabei wurde sie von der Klägerin zu 2) unterstützt, die die Küche „Maulwurf“ betreibt.
Am 16.10.2000 gegen 15:10 h forderte das Landratsamt Karlsruhe die Bewohner des Zeltlagers auf, die Zelte sofort abzubrechen und sich zu entfernen. Der Sofortvollzug von Platzverweis und Räumungsverfügung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung die Anwendung von Zwangsmitteln angedroht. Außerdem wurde das Verbot ausgesprochen, an anderer Stelle ein Zeltlager zu errichten.
Nach dem Abbau der Rundzelte und des Küchenzelts wurden diese zusammen mit den Koch- und Kücheneinrichtungen und den Lebensmitteln auf das Fahrzeug der Klägerin zu 1) (niederländisches Kennzeichen: BZ-41-ZB) und auf das Fahrzeug und den Anhänger der Klägerin zu 2) (amtliche Kennzeichen: FR-CK 581, FR-JP 985) sowie ein weiteres Fahrzeug verladen. Die Küchenfahrzeuge verließen das Grundstück nach 19:00 h und legten, von der Polizei überwacht, auf der B 36 in Richtung Karlsruhe eine Strecke von ca. 5 km zurück. Dort wurden die Fahrzeuge gestoppt, beschlagnahmt und zur Salm-Kaserne in Philippsburg gebracht. Den Eigentümern wurde angeboten, dass sie jedenfalls über ein Fahrzeug verfügen könnten, wenn dieses entladen werde; das dritte Fahrzeug wurde daraufhin entladen und sodann freigegeben, während die Fahrzeuge der Klägerinnen auf dem Kasernengelände verblieben. Am folgenden Tag wurden die Fahrzeuge samt Anhänger sowie die Lebensmittel an die Klägerinnen herausgegeben, während die Beschlagnahme der Küchengerätschaften aufrechterhalten blieb.
Mit einer an die Eigentümer bzw. die Besitzer der Fahrzeuge adressierten Verfügung vom 18.10.2000 wurde die Beschlagnahme der Fahrzeuge samt der logistischen Beladung schriftlich bestätigt (Ziff. 1) und der Sofortvollzug angeordnet (Ziff. 3).; in Ziff. 2 wurde bestimmt, dass über die Fahrzeuge frei verfügt werden kann, sofern die Beladung abgeladen wird. Zur Begründung wurde auf § 33 PolG verwiesen und ausgeführt, dass die Beschlagnahme zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich sei. Mit dem Zeltlager sei eine wesentliche infrastrukturelle Basis und Voraussetzung für eine längere Unterbringung vieler Personen geschaffen worden, mit der die Bewegung über eine Plattform verfüge, um angekündigte kollektive Rechtsbrüche zu organisieren; so hätten einige Camp-Bewohner bereits an rechtswidrigen Aktionen teilgenommen. Das Camp habe offensichtlich zu einer logistischen Zentrale des Widerstands mit einer Kapazität von mehreren tausend Menschen ausgebaut werden sollen; es sei geräumt worden, um massenhafte Rechtsbrüche zu verhindern. Schließlich sei auch einer allgemeinen hygienischen bzw. Seuchengefahr begegnet worden. Nach der Auflösung des Camps und Verladung der Kücheneinrichtungsgegenstände auf die später beschlagnahmten Fahrzeuge habe der Betreiber der Küche auf die Frage nach dem nächsten Anfahrtsziel angegeben, „dass er dies noch nicht wisse, er werde von seinen Auftraggebern … noch in die nächste Örtlichkeit eingewiesen“. Deshalb sei davon auszugehen, dass an anderer Stelle im Landkreis Karlsruhe ein neues Camp errichtet werden solle. Die Beschlagnahme sei geeignet und erforderlich, um den Zweck zu erreichen, weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit aus einem Camp heraus wirksam und dauerhaft zu unterbinden. Darüber hinaus sei sie auch angemessen gewesen, da das Interesse der Besitzer der Gerätschaften zurückzutreten habe.
Gegen die Beschlagnahmeverfügung erhoben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18.10.2000 Widerspruch. Ihre Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit er die beschlagnahmten Gerätschaften betraf, wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2981/00 - abgelehnt.
Mit Verfügung vom 06.11.2000 hob das Landratsamt Karlsruhe die Beschlagnahme der mit Verfügung vom 18.10.2000 beschlagnahmten Gerätschaften und der sonstigen Ladung auf, soweit diese nicht schon herausgegeben worden war.
Am 06.08.2001 haben die Klägerinnen Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr; denn selbst wenn keine Transporte mehr stattfänden, sei jedenfalls mit Aktionen gegen die geplante Einrichtung eines Interims- und Zwischenlagers in Philippsburg zu rechnen. Zum anderen könne sich die Klägerin zu 1) auf ein Rehabilitierungsinteresse stützen, da im „Limburgs Dagblad“, einer niederländischen Tageszeitung, über die Beschlagnahme der Küche berichtet worden sei. Schließlich müsse es den Klägerinnen möglich sein, die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme, die sich typischerweise kurzfristig erledige, gerichtlich klären zu lassen; die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes sei hierfür nicht ausreichend. In der Sache haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, dass die angefochtene Beschlagnahmeverfügung bereits formell rechtswidrig gewesen sei. Das Landratsamt Karlsruhe sei für den Erlass der Beschlagnahme auf polizeirechtlicher Grundlage nicht zuständig gewesen; insbesondere die Voraussetzungen einer Eilzuständigkeit gem. § 67 Abs. 1 PolG hätten nicht vorgelegen. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Verfügung rechtswidrig gewesen. Das Camp habe mit den geplanten Aktionen eine untrennbare Einheit gebildet; demnach sei Art. 8 Abs. 1 GG einschlägig, da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Vorschriften des Versammlungsgesetzes das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsäußerung und Meinungsbildung schütze. Von einem solchen inneren Zusammenhang sei auch die Beschlagnahmeverfügung ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme habe nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das aufgelöste Zeltlager ausgegangen werden können; die Aussage des Küchenbetreibers, er kenne das nächste Anfahrtsziel nicht, rechtfertige nicht die Annahme, an anderer Stelle könnte ein neues Camp errichtet werden.
Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klagen - dem Antrag des Beklagten folgend - als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Die Klägerinnen hätten ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargelegt. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da sich keine konkreten Anhaltspunkte abzeichnen, dass ähnliche Demonstrationen in Philippsburg in absehbarer Zeit durchgeführt würden. Denn die Castor-Transporte aus dem Kernkraftwerk nach La Hague seien mittlerweile abgeschlossen, und künftig würden die Brennelemente in Interims- und Zwischenlagern auf dem Gelände des Kraftwerks in Philippsburg untergebracht. Allein die Möglichkeit, dass auch gegen diese Art der Lagerung Demonstrationen mit entsprechender Infrastruktur durchgeführt würden, sei zu ungewiss und zu wenig konkret und demnach nicht ausreichend, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen; es sei nämlich nicht erkennbar, dass auch diese Aktionen ähnlichen Zulauf und Interesse erwecken würden, da die Fortführung des Betriebs des Kernkraftwerks in Philippsburg anders als im Oktober 2000 nicht in Frage stehe. Außerdem sei die Behördenentscheidung aufgrund des Einzelfalls ergangen und es sei nicht wahrscheinlich, dass das Landratsamt in Zukunft in vergleichbarer Weise gegen Versammlungsteilnehmer vorgehen wird. Ein Rehabilitierungsinteresse stehe den Klägerinnen ebenfalls nicht zu. Es könne weder festgestellt werden, dass die Beschlagnahme der Fahrzeuge und der Küchengegenstände selbst für die Klägerinnen eine diskriminierende Wirkung gehabt hätte, noch dass die Berichterstattung darüber in der lokalen und überregionalen Presse und einer niederländischen Zeitung geeignet gewesen sei, der Öffentlichkeit ein falsches oder gar ehrenrühriges Bild von den Klägerinnen zu vermitteln. Ein besonderes rechtliches Interesse sei auch nicht durch die Grundrechtsbetroffenheit der Klägerinnen in Verbindung mit der Rechtsweggarantie des Art.19 Abs. 4 GG anzunehmen. Die Beschlagnahme stelle keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung dar; dabei kämen tiefgreifende Grundrechtseingriffe insbesondere bei jenen Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalte. Eine vergleichbare Belastung der Klägerinnen sei nicht zu erkennen; sie seien durch die Beschlagnahme nicht in einem Grundrecht betroffen, das dem Schutz der persönlichen Sphäre oder der menschlichen Würde diene. Letztlich sei die den Klägerinnen eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit ausreichend gewesen. Der zeitliche Ablauf zeige, dass die Klägerinnen Gelegenheit gehabt hätten, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen; eine Beschwerde gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluss wäre bis zur Erledigung der Beschlagnahme noch möglich gewesen.
10 
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 04.10.2004 - 1 S 1512/04 - zugelassenen Berufungen vertiefen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen vor: Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspreche dem berechtigten Interesse gem. § 43 VwGO und sei nicht an zu strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Bei kurzfristiger Erledigung von Verwaltungsmaßnahmen folge es aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der zur Vermeidung rechtsfreier Räume bei der Verletzung eines jeglichen subjektiven Rechts mindestens eine gerichtliche Instanz im Hauptsacheverfahren garantiere. Jedenfalls sei bezüglich der Klägerin zu 1) ein tiefgreifender Grundrechtseingriff deshalb gegeben, weil sie als Betreiberin der Küche durch die Beschlagnahme in ihrer Berufsausübung betroffen sei. Außerdem liege ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Klägerinnen vor, der nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil mögliche Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht würden. Darüber hinaus sei ein Rehabilitierungsinteresse zu Unrecht abgelehnt worden, denn jeder Pressebericht über polizeiliche Maßnahmen zu Lasten einzelner habe in gewisser Weise einen diskriminierenden Charakter, weil es die Öffentlichkeit - ungeachtet der Wertung im Presseartikel - für möglich halten könne, dass der Betroffene Störer sei. Die Klagen seien auch begründet. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde sei für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung nicht zuständig gewesen; auf eine Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG könne sich das Landratsamt nicht berufen. Die Beschlagnahme habe im Zusammenhang mit der Auflösung des Camps gestanden. Die Ortspolizeibehörde hätte schon zu diesem Zeitpunkt informiert werden können und auch müssen; die unzuständige Behörde könne sich in einem solchen Fall nicht mehr auf eine Eilkompetenz berufen, wenn dies unterblieben sei und zu einem späteren Zeitpunkt das Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht mehr erreichbar erscheine. Dies gelte umso mehr als die Beschlagnahme bereits zuvor erwogen, aber nur aus polizeitaktischen Gründen zurückgestellt worden sei. Auch materiell-rechtlich sei die Beschlagnahme rechtswidrig gewesen. Zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen sei sie nicht erforderlich gewesen, denn das Camp sei bereits aufgelöst und die Küche verladen gewesen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung durch den Aufbau eines neuen Camps an anderer Stelle sei nicht belegt. Auch könnten Einschätzungen, die für die Kampagne „x 1000 mal quer“ zutreffend sein mögen, nicht auf die Klägerinnen übertragen werden, da sie lediglich Eigentümerinnen der Küche, nicht aber Anhänger der Kampagne seien. Im Übrigen hätten die Klägerinnen der Polizei zugesagt, den Landkreis zu verlassen. Auf Weisungen der Kampagne hätten sie nicht gewartet; etwas anderes ergebe sich nicht aus der Aussage eines Fahrers der Betreiber der Küche, er kenne das Fahrtziel nicht.
11 
Die Klägerinnen beantragen,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - zu ändern und festzustellen, dass die mit Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 16.10.2000/18.10.2000 verfügte Beschlagnahme der Kraftfahrzeuge und des Anhängers mit den amtlichen Kennzeichen BZ-41-ZW (NL), FR-CK 581 und FR-JP 985 und des Inhalts dieser Fahrzeuge rechtswidrig war.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufungen zurückzuweisen.
15 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt des Weiteren aus: Die Klagen seien auch unbegründet. Die Zuständigkeit des Landratsamts gründe sich auf die Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG. Seit Beginn der Auftaktkundgebung sei eine sehr komplexe polizeiliche Aufgabe wahrgenommen worden; dabei dürften auch polizeitaktische Aspekte nicht zurückstehen. Folglich dürfe der zuständigkeitsbegründende Begriff der „Gefahr im Verzug“ nicht eng ausgelegt werden. Nach der im damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung habe die Gefahr bestanden, dass sich eine Störung i. S. von § 33 PolG bei allernächster Gelegenheit wieder realisieren werde; die damalige Sicht, dass ein rechtzeitiges Tätigwerden der an sich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar sei, sei rückblickend nicht zu beanstanden. Auch die materielle Gefahreneinschätzung sei, wie schon das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt habe, zutreffend gewesen. Im übrigen treffe es nicht zu, dass sich die Klägerinnen rechtzeitig vor der Beschlagnahme von den Veranstaltern der Aktionstage distanziert hätten. Vielmehr hätten sie noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Zusicherung, sich nicht mehr an vergleichbaren Aktionen unterstützend zu beteiligen, ausdrücklich abgelehnt.
16 
Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.02.2001 – 4 K 3227/00 – stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die Klage eines Zeltlagerbewohners fest, dass der am 16.10.2000 ergangene Platzverweis und die Räumungsverfügung aus formellen Gründen rechtswidrig gewesen sei, da das Landratsamt Karlsruhe als sachlich unzuständige Behörde gehandelt habe.
17 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den damaligen Einsatzleiter der Polizei, Herrn Polizeidirektor Trunk, informatorisch als amtliche Auskunftsperson angehört. Wegen des wesentlichen Inhalts seiner Aussagen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 K 2981/00) und im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Räumungsverfügung (4 K 3227/00) - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Sonstige Literatur

 
47 
Rechtsmittelbelehrung
48 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
49 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
50 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
51 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
52 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
55 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beschlagnahme der Plakate und der Platzverweis am Volkstrauertag 2003 sowie die Beschlagnahme der Flugblätter und die Ingewahrsamnahme des Klägers am Volkstrauertag 2004 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen anlässlich öffentlicher Gedenkfeiern zum Volkstrauertag 2003 und 2004 auf dem Bergfriedhof in Tübingen.
Die Beklagte veranstaltet gemeinsam mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge alljährlich am Volkstrauertag - in Anlehnung an die zentrale Gedenkstunde im Deutschen Bundestag - auf dem Bergfriedhof in Tübingen eine öffentliche Gedenkfeier in der dortigen Kapelle mit anschließender Kranzniederlegung am Mahnmal. Die Veranstaltung beginnt jeweils um 11:15 Uhr. Nach dem Willen der Veranstalter darf seit dem Jahre 1987 nur ein Kranz niedergelegt werden. Bereits seit Jahren möchte der Kläger, der sich am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums bewegt, bei dieser Gelegenheit auf seine Anliegen und Ansichten aufmerksam machen. Dabei war er anfangs bestrebt, an der Veranstaltung auf dem Friedhof teilzunehmen, und versuchte einmal, diese durch lautes Rufen zu stören, nachdem ihm die Teilnahme untersagt worden war. In einer 2001 abgegebenen Erklärung versicherte er, die Veranstaltung fortan nicht mehr zu stören.
Am Volkstrauertag 2003 fuhr der Kläger gegen 10:40 Uhr zusammen mit einem Begleiter mit einem Fahrzeug auf einen freien Parkplatz gegenüber dem Haupteingang des Bergfriedhofs. Sie führten Plakate mit sich und stellten sich mit diesen unmittelbar gegenüber dem Haupteingang auf. Auf den Plakaten war zu lesen: „ ‚Man darf in der BRD (schon lange) nicht mehr die Wahrheit sagen.‛ BRAVO Hohmann, General Günzel, PFUI Merkel, Stoiber, Struck …“ (Plakat 1). „Russ-Scherer, Weimer … : Hängt die Heimkehrertafel wieder auf!“ (Plakat 2). „Viele Politiker u. Medien sind so dumm, da sie nicht mehr wissen wo Ostdeutschland liegt. Zählen Sie auch dazu?“ (Plakat 3). „Deutsche sind keine ‚Antisemiten‛ wegen Goebbels und Hitler - wohl aber judenkritisch wegen USrael, Scharon, Spiegel, Friedman und vielen Lea Rosh`s!“ (Plakat 4). Nachdem ein Vertreter der Beklagten den Kläger vergeblich aufgefordert hatte, die Plakate zu entfernen, ordnete er einen Platzverweis und die Beschlagnahme der Plakate bis zum Ende der Gedenkveranstaltung an. Der Kläger verließ daraufhin den Parkplatz, hielt sich jedoch weiterhin auf dem Gelände des Bergfriedhofs auf. Der gegen diese Maßnahmen erhobene Widerspruch des Klägers wurde von der Beklagten unter Hinweis auf die Erledigung der Verwaltungsakte nicht beschieden.
Am Volkstrauertag 2004 begab sich der Kläger mit zwei weiteren Personen zum Haupteingang des Bergfriedhofs. Dabei klemmte er Faltblätter zur Ausländerpolitik, hrsg. vom „Schutzbund für das deutsche Volk e.V.“, unter die Scheibenwischer von Fahrzeugen, die auf den Parkplätzen abgestellt waren. Ein Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten forderte den Kläger auf, die Verteilung der Flugblätter zu unterlassen, und fügte hinzu, er solle den Totensonntag nicht jedes Mal für seine Aktionen missbrauchen. Hierauf entgegnete der Kläger ausweislich des Polizeiberichts: „Sie missbrauchen den Volkstrauertag für ihre Juden- und Kommunistenpropaganda.“ Daraufhin wurde die Beschlagnahme der Flugblätter angeordnet. Als sich der Kläger der Wegnahme der Flugblätter widersetzte und laut zu schreien anfing, wurde angeordnet, dass der Kläger bis zum Ende der Feierstunde in Gewahrsam genommen werde. Er wurde mit einfacher körperlicher Gewalt in das Dienstfahrzeug des Polizeivollzugsdienstes verbracht und zum Polizeirevier Tübingen gefahren, wo er in der Gewahrsamseinrichtung eingeschlossen und um 12:16 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die beiden Begleiter des Klägers begaben sich währenddessen zum Haupteingang des Bergfriedhofs, wo sie sich wiederum mit politischen Plakaten aufstellten. Diese entsprachen inhaltlich zum einen im Wesentlichen den oben erwähnten Plakaten 1 - 3 ; zum anderen stand auf einem vierten Plakat: „Wer wie die BRD Machthaber ein Verbrechen im Nachhinein als Recht behandelt, hat kein Recht andere zu verurteilen.“ Nach längerer Diskussion mit dem Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten wurden die Plakate wieder entfernt und in den PKW verbracht.
Mit Schreiben vom 29.01.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben, die er mit Schreiben vom 11.11.2005 erweitert hat; er hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn gerichteten polizeilichen Maßnahmen in den Jahren 2003 und 2004 sowie im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage die Unterlassung ähnlicher polizeilicher Maßnahmen in der Zukunft begehrt. Er hat geltend gemacht, dass rechtswidrige Eingriffe in sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch in Zukunft zu befürchten seien, weil die Beklagte nach ihrem eigenen Bekunden die von ihm verwendeten Plakate nicht dulden werde. Die Beklagte übe eine unzulässige Zensur aus, indem sie missliebige Meinungsäußerungen von rechts unterdrücke. Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die polizeilichen Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien. Das Zeigen von Plakaten mit rechtsgerichtetem Inhalt stelle angesichts der Zielrichtung des Volkstrauertags, der gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet sei, eine Störung der öffentlichen Ordnung dar.
Mit Urteil vom 26.01.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Ein Feststellungsinteresse sei wegen der Wiederholungsgefahr gegeben; darüber hinaus habe der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an einer Rehabilitierung, weil sein Ruf beschädigt worden sei. Schließlich müsse auch bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen, die sich schnell erledigten, eine gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die polizeilichen Maßnahmen an den Volkstrauertagen 2003 und 2004 seien rechtmäßig gewesen. Die Platzverweise fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 3 PolG. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit habe vorgelegen. Die Veranstalter der offiziellen Gedenkfeiern auf dem Bergfriedhof hätten aufgrund der ihnen erteilten Sondernutzungserlaubnis das Recht, den Ablauf der Veranstaltung zu bestimmen und die Gedenkstätte nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten; es gebe kein Recht Dritter, darauf Einfluss zu nehmen. Dieses Gestaltungsrecht beziehe sich räumlich nicht nur auf das Friedhofsgelände selbst, sondern auch auf den Zugangsbereich. Zeitlich setze die Sondernutzungserlaubnis nicht erst mit Beginn der Veranstaltung, sondern bereits zu einem Zeitpunkt ein, zu dem regelmäßig mit dem Eintreffen von Besuchern und Teilnehmern der Veranstaltung zu rechnen sei. Eine Störung dieses Rechts der Veranstalter habe durch das Verhalten des Klägers unmittelbar bevor gestanden. Denn der Inhalt seiner Plakate und sonstigen Meinungsäußerungen habe zu dem von den Veranstaltern gewünschten mahnenden Charakter der Gedenkfeier in erkennbaren Widerspruch gestanden. Zudem seien im Jahre 2004 wegen des aggressiven Verhaltens des Klägers angesichts der in den Vorjahren zu verzeichnenden massiven Störversuche weitere Störungen zu befürchten gewesen. Es habe auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestanden. Diese werde hier durch die provokante Art und Weise der Meinungskundgabe verletzt, denn der Volkstrauertag diene der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und damit an diejenigen Menschen, die unmittelbar durch die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft oder mittelbar durch den von dieser verschuldeten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten, und der Mahnung vor der Wiederholung solcher oder vergleichbarer Geschehnisse. Demnach sei dieser Feiertag als solcher und speziell die Gedenkfeier nach überwiegender Anschauung gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet. Die politisch rechts angesiedelten Meinungsäußerungen des Klägers und dessen lautstarke Auftritte störten insoweit die öffentliche Ordnung. Die Platzverweise seien als vorübergehende Maßnahmen von nur kurzer Dauer nicht unverhältnismäßig gewesen und auch ermessensfehlerfrei ergangen. Die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Klägers sei nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Denn die Abgrenzung gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands gehöre zu den tragenden Elementen der Wertordnung des Grundgesetzes; eine Veranstaltung wie die Gedenkfeier zum Volkstrauertag gehöre zum eng begrenzten Kernbereich, in welchem die symbolische Bekräftigung dieser Abgrenzung auch im Sinne einer Selbstvergewisserung des demokratischen Gemeinwesens gänzlich frei von Störungen gehalten werden müsse. Die Beschlagnahme der Plakate und der Flugblätter sei durch § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG gedeckt, da sie als Mittel zur Abwehr der unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedient hätten. Die Anordnung des polizeilichen Gewahrsams beruhe auf § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG; der erforderliche enge Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung sei ebenfalls gewahrt, da der Kläger unmittelbar nach Ende dieser Veranstaltung wieder aus dem Gewahrsam entlassen worden sei. Der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme des Klägers stehe schließlich nicht entgegen, dass keine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeigeführt worden sei. Denn eine solche Entscheidung sei hier entbehrlich gewesen, da sie erst zu einem Zeitpunkt hätte ergehen können, als der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen sei. Die vorbeugende Unterlassungsklage dürfte zwar zulässig sein, da der Kläger sich auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse berufen könne. Sie sei allerdings unbegründet, da dem Kläger angesichts der Rechtmäßigkeit der in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen ein Unterlassungsanspruch nicht zustehe.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 30.11.2006 - 1 S 1397/06 - zugelassenen Berufung, mit der er sein ursprüngliches Klagebegehren präzisierend weiterverfolgt, trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht dehne das Sondernutzungsrecht der Veranstalter der Gedenkfeier auf dem Friedhof in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unzulässig aus. Die aus dem Sondernutzungsrecht folgende Gestaltungsbefugnis erstrecke sich nur auf den Bereich des Mahnmals auf dem Bergfriedhof, nicht jedoch auf den gesamten Friedhof und gar den Zugangsbereich. Jedenfalls fehle es aber für die Annahme einer Störung durch ein unmittelbares Einwirken auf die Veranstaltung von außen an der Wahrnehmbarkeit der politischen Meinungsäußerungen. Denn der Mahnmalsbereich, wo die Kränze niedergelegt würden, sei ca. 150 - 200 m vom Eingangsbereich des Bergfriedhofs entfernt, während die Gedenkfeier in einer Kapelle stattfinde, die in entgegengesetzter Richtung ca. 120 m vom Eingang entfernt liege. Wenn die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal wieder am Eingang vorbeikämen, schauten sie nach vorn und nicht zur Seite; außerdem sei die Sicht von der gegenüberliegenden Straßenseite in den Eingangsbereich durch die vorhandenen Gitterstäbe beeinträchtigt. Eine Störung der öffentlichen Ordnung habe ebenso wenig vorgelegen. Die Gedenkfeier sei nicht konkret gestört worden. Der Volkstrauertag genieße in Baden-Württemberg keinen besonderen gesetzlichen Schutz; es handele sich um einen normalen Sonntag. Des Weiteren habe der Volkstrauertag keinen politischen Sinngehalt im Hinblick auf die Bekämpfung rechtsextremistischen Gedankenguts. Zwar solle auch daran erinnert werden, dass ein dem nationalsozialistischen Regime und dem Zweiten Weltkrieg vergleichbares Sterben durch Unrechtsregime und Angriffskriege sich nicht wiederholen möge; doch sei es unzutreffend, dass eine solche Wiederholungsgefahr nur aus der politischen Welt des Rechtsextremen gegeben sei. Im Übrigen gehe das Verwaltungsgericht selbst nur von politisch rechts angesiedelten, nicht aber von rechtsextremen Meinungsäußerungen aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass seine Plakate und Flugblätter der Verherrlichung und Billigung von Angriffskriegen oder von totalitären Unrechtsregimen gedient hätten. Das Vorgehen der Beklagten stelle eine unzulässige Zensur der politischen Meinungsäußerung dar; ohnehin habe jedermann, der sich durch diese politische Meinungskundgabe gestört fühle, die Möglichkeit, wegzusehen oder die Handzettel ungelesen wegzuwerfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - abzuändern und
10 
a)  festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Plakatbeschlagnahme und der ausgesprochene polizeiliche Platzverweis am Volkstrauertag 2003 gegenüber dem Kläger auf dem Gehweg gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren
11 
b)  festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Flugblattbeschlagnahme und der ausgesprochene Platzverweis (mittels Ingewahrsamnahme) gegenüber dem Kläger am Volkstrauertag 2004 im öffentlichen Zugangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren,
12 
hilfsweise,
13 
die Beklagte zu verurteilen, es fortan an Volkstrauertagen zu unterlassen, vom Kläger gezeigte Plakate im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplätze) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen zu verbieten, zu beschlagnahmen oder mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt, und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine vom Kläger beabsichtigte Verteilung von Handzetteln im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplatz) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs zu verbieten, die Handzettel zu beschlagnahmen oder ihre Verteilung mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen der Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
17 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die - im Berufungsverfahren sachdienlich im Hauptantrag verfolgte - Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abweisen dürfen.
I.
19 
Diese Klage ist nach vorprozessualer Erledigung der streitigen Verwaltungsakte in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Er kann sich jedenfalls auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Daneben kann er auch geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Maßnahmen typischerweise schnell erledigen, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Der Klageantrag ist mit der Klarstellung, dass auch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme im Jahre 2004 festgestellt werden soll, zulässig. Darin liegt nicht etwa eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Denn bei sachdienlicher Auslegung des ursprünglichen Klagebegehrens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht auch die Ingewahrsamnahme zum Klagegegenstand gemacht hat.
II.
20 
Die Klage ist auch begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger waren rechtswidrig. Sie sind von einer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, auf das die Beklagte die Maßnahmen gestützt hat, war unmittelbar nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des vorrangigen Versammlungsgesetzes, in dessen Folge dann auch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetz ergehen dürfen (siehe etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 <81> m.w.N.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278), lagen nicht vor.
21 
1. Die als eine Art „Mahnwache“ einzuordnenden Aktionen des Klägers und seiner jeweiligen Begleiter erfüllten in beiden Jahren den verfassungsrechtlichen Begriff der Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, der sich mit dem versammlungsrechtlichen Begriff deckt.
22 
a) Eine Versammlung ist danach eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>). Durch Meinungskundgabe mittels Plakaten und Flugblättern zielte das Auftreten auf die öffentliche Meinungsbildung. Eine geringe Teilnehmerzahl steht der Annahme einer Versammlung nicht entgegen. Ein Sich-Versammeln als Zusammenkunft „mehrerer Personen“ ist bereits bei nur zwei Teilnehmern gegeben (vgl. zur mittlerweile überwiegenden Auffassung in der verfassungs- und versammlungsrechtlichen Literatur zuletzt Sachs in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV 1, 2006, § 107, S. 1196 ff., mit umfangreichen Nachweisen , auch zur Gegenansicht ; zur strafrechtl. und OWi- Rspr. Wache in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Bd. 4, V 55 < Dez. 2005 >, § 1, Rn. 23 m.N.). Der mögliche Wortsinn als Grenze der Interpretation ist damit - im Gegensatz zur Annahme einer „Ein-Mann-Versammlung“, die ggfs. als Demonstration nur von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist - nicht
23 
überschritten. Eine unterschiedliche rechtliche Einordnung einer Veranstaltung mit zwei und einer mit drei Personen unter Verweis auf ein - vages - Sprachgefühl und „natürliches Verständnis“ überzeugt angesichts des auch individualbezogenen Schutzzwecks des Art. 8 GG und des daraus zu folgernden Verbots einer staatlichen Isolierung des Einzelnen nicht; dies gilt auch dann, wenn ein - bezogen auf den verfolgten Zweck - enger Versammlungsbegriff zugrunde gelegt wird. Gegen diese weite Auslegung des Grundrechtstatbestands spricht schließlich nicht die damit nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG einhergehende Möglichkeit der Auferlegung versammlungsrechtlicher Pflichten (siehe hierzu Gusy in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 8 Rn. 15; Hoffmann-Riem in: Denninger , AK-GG, 3. Aufl. , Art. 8 Rn. 18). Denn auch der vorliegende Fall zeigt, dass sich der Regelungsbedarf bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit zwei oder mit drei Personen nicht grundlegend unterscheidet. Fehlt insbesondere Veranstaltungen mit nur wenigen Personen die Öffentlichkeitswirkung, etwa weil sie als Zwiegespräch schon ihrer Natur nach nicht öffentlich sind, ist das Versammlungsgesetz mit seinen besonderen Pflichten, etwa der Anmeldepflicht, nicht einschlägig. Einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Begriffsbildung bedarf es folglich nicht.
24 
b) Der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes war ebenfalls eröffnet. Er setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>). Dies war im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nicht nur am Volkstrauertag 2003, sondern auch am Volkstrauertag 2004 schon bei der Verteilung der Flugblätter der Fall. Denn dies war bereits Teil der damaligen Mahnwache und diente nicht lediglich deren Vorbereitung.
25 
2. Gegen die dem Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes unterfallenden Veranstaltungen des Klägers konnte vor dem Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflösungs- bzw. Auflagenverfügung nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes eingeschritten werden.
26 
Die Beklagte hat die versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen mit ihren mündlich ergangenen Verfügungen ausweislich der Polizeiberichte und der Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob es gleichwohl möglich wäre, im Erlass eines Platzverweises bzw. der Anordnung der Ingewahrsamnahme zugleich eine Auflösungsverfügung oder jedenfalls in der Beschlagnahmeanordnung auch eine Auflagenverfügung jeweils nach § 15 Abs. 2 VersG in der bis zum 31.03.2005 gültigen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 3 VersG i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2005, BGBl. I S. 969) zu sehen. Denn auch als versammlungsrechtliche Entscheidungen - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - könnten diese Maßnahmen keinen rechtlichen Bestand haben. Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 LVG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersG a.F. waren jedoch nicht gegeben; diese decken sich bezüglich der durch den Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG in Bezug genommenen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Übrigen mit der polizeirechtlichen Beurteilung.
27 
a) Allein die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, könnte eine Auflösung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <351>).
28 
b) Eine Störung der öffentlichen Sicherheit war nicht gegeben und stand auch nicht unmittelbar bevor.
29 
aa) Das den Veranstaltern der Gedenkfeier auf dem Friedhofsgelände gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofssatzung der Beklagten eingeräumte Sondernutzungsrecht gibt diesen das Recht, die Feier nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und unbehelligt von Einwirkungen Dritter abzuhalten (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.09.1986 - 11 A 53/84 -, NVwZ 1987, 1099 <1100>). Dies war hier gewährleistet, da der Kläger und seine Begleiter sich nicht auf dem Friedhof selbst aufhielten und dort der Gedenkfeier ihren Stempel aufzudrücken versuchten, sondern gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite standen. Eine Einwirkung von außen auf das Geschehen auf dem Friedhof war - jedenfalls in erheblicher Weise - nicht gegeben. Für geplante akustische Störungen durch Sprechchöre, Lautsprechereinsatz oder Ähnliches gab es keine Hinweise. Allein die Tatsache, dass die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal beim Passieren des Eingangsbereichs die Plakate des Klägers in beträchtlicher Entfernung hätten sehen können, ist nicht von Relevanz. Es kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass ihnen während der Feier die Meinungskundgabe des Klägers in irgendeiner unzulässigen Weise aufgedrängt worden wäre. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene weitere räumliche und zeitliche Ausstrahlungswirkung des aus dem Sondernutzungsrecht fließenden Gestaltungsrechts fehlt es an jeglicher rechtlichen Grundlage; denn die allein auf der Grundlage der Friedhofssatzung gewährte Sondernutzung ermöglichte nicht die Einrichtung einer über den eigentlichen Veranstaltungsort hinausreichenden, von konkreten störenden Einwirkungen unabhängigen „Bannmeile“. Eine „negative Meinungsfreiheit“, verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden fremden Meinungen in jeglicher Weise verschont zu bleiben, gibt es nicht.
30 
Auch im Jahr 2004 gab es schließlich keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte, die die Prognose hätte rechtfertigen können, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen in den eidesstattlichen Versicherungen wie in früheren Jahren auf das Gelände des Friedhofs vordringen würde. Nach den Mitteilungen der Beklagten im Klageverfahren war schon in den Jahren 2001 und 2002 kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben. Allein die lautstarke Auseinandersetzung um eine polizeiliche Anordnung gab für weitergehende Befürchtungen keine hinreichende Tatsachengrundlage; insbesondere spricht alles dafür, dass die in der damaligen Beschlagnahmeverfügung liegende Wegnahmeanordnung kurzfristig und damit rechtzeitig vor Beginn der Gedenkfeier vollstreckt werden konnte, so dass weitere akustische Störungen nicht mehr zu besorgen waren.
31 
bb) Die Versammlungen mit dem vom Kläger verfolgten Anliegen verstießen nicht gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Sonntage und die Feiertage (Feiertagsgesetz - FTG) vom 08.05.1995 (GBl. S. 450). Der Volkstrauertag genießt zwar über den allgemeinen Schutz des Sonntags hinaus einen besonderen gesetzlichen Schutz; dieser hinderte das Auftreten des Klägers jedenfalls in der vom ihm gewählten konkreten Art und Weise aber nicht.
32 
Nach § 8 Abs. 3 FTG können u.a. am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen und Vergnügungen, auch soweit sie nach § 7 Abs. 2 FTG - diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Hauptgottesdienstzeiten - nicht verboten sind, von der Kreispolizeibehörde auf Antrag der Ortspolizeibehörde verboten werden, wenn sie nach den besonderen örtlichen Verhältnissen Anstoß zu erregen geeignet sind. Wie der Vergleich mit § 7 Abs. 2 FTG deutlich macht, nimmt § 8 Abs. 3 FTG die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FTG ausdrücklich - in Abgrenzung zu öffentlichen Veranstaltungen und Vergnügungen - erwähnten öffentlichen Versammlungen von dieser Verbotsmöglichkeit aus. Darüber hinaus geht auch die Beklagte nicht davon aus, dass die Aktionen des Klägers von vornherein mit dem Charakter und der Würde des Volkstrauertags als eines Tags des stillen Gedenkens (siehe hierzu auch § 10 Abs. 1, § 11 FTG) unvereinbar seien; denn gegen das Zeigen der Plakate in der Innenstadt hat sie nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nichts einzuwenden. Ob und inwieweit die Eigenart des Volkstrauertags die Versammlungsfreiheit einzuschränken geeignet ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (siehe hierzu etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 24.11.2006 - 7 B 11487/06 - ).
33 
cc) Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit lag schließlich auch nicht darin, dass ausweislich eines Fotos im Jahre 2003 ein Plakat gegen das Kraftfahrzeug gelehnt auf dem Boden stand. Zwar überschreitet die Verwendung von Plakatständern den straßenrechtlichen Gemeingebrauch auch auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1994 - 11 C 57.92 -, NVwZ-RR 1995, 129 m.N.). Demgegenüber liegt im Verhalten des Klägers ebenso wenig eine genehmigungspflichtige Sondernutzung wie im Verteilen von nicht gewerblichen Flugblättern (siehe BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 <66 f.>). Dahinstehen kann, ob das Befestigen der Faltblätter unter den Scheibenwischern geparkter Kraftfahrzeuge als unzumutbare Belästigung einzustufen ist und deswegen einen zivilrechtlichen Abwehranspruch des Kfz-Halters zur Folge hat (siehe hierzu Dahlen, MDR 1991, 1130; Köhler in: Hefermehl u.a. , Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 7 Rn. 31). Denn insoweit stünde einem polizeilichen Einschreiten die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG entgegen. Im Übrigen hätte allein ein solcher Rechtsverstoß weder die Auflösung der Versammlung noch die Anordnung der Beseitigung der Plakate gerechtfertigt.
34 
c) Auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung konnten die polizeilichen Maßnahmen ebenso wenig gestützt werden.
35 
Die Maßnahmen knüpfen an den Inhalt der mit den Plakaten und Flugblättern kundgetanen Meinungsäußerungen an, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Anliegen des Volkstrauertags nicht in Einklang stehen. Danach sind die Anordnungen, auch wenn sie zugleich auf eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit abzielen, am Maßstab des Art. 5 GG zu messen.
36 
Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) haben die hier einschlägigen „allgemeinen Gesetze“ ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden, während auf den Begriff der öffentlichen Ordnung mangels tatbestandlicher Eingrenzung nicht zurückgegriffen werden darf. Die Grenzen des Strafrechts überschreiten aber die Äußerungen auf den Plakaten offensichtlich nicht. Beim Inhalt des Faltblatts ist hierfür gleichfalls nichts ersichtlich. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben keinen Anlass zu Ermittlungen gegen den Kläger gesehen. Schließlich bildet die öffentliche Ordnung keine verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <157 f.>). Die Sperrwirkung der Vorschriften, die der Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats dienen sollen, steht der Annahme entgegen, sonstige Maßnahmen könnten ohne Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes mit dem Schutz der Wertordnung des Grundgesetzes gerechtfertigt werden.
37 
Das Verwaltungsgericht verweist des Weiteren auf eine „provokante Art und Weise der Meinungsäußerung“ und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <156 f.> m.N. aus der Rspr. der 1. Kammer des 1. Senats). Danach können Beschränkungen der Art und Weise der Durchführung von Versammlungen - des äußeren Versammlungsgeschehens - auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung angeordnet werden. Hiernach ist es rechtlich unbedenklich, wenn aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindert werden soll, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann des Weiteren verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Von einem auch nur annähernd vergleichbaren Verhalten kann im vorliegenden Fall keine Rede sein; denn der Kläger beschränkte sich jeweils auf eine stille „Mahnwache“, die als solche in keiner Weise aggressiv und Angst einflößend wirkte. Nicht die Art und Weise der Meinungsäußerung des Klägers war je nach Empfängerhorizont geeignet zu provozieren, sondern deren Inhalt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
vom 25. April 2007
41 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
18 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die - im Berufungsverfahren sachdienlich im Hauptantrag verfolgte - Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abweisen dürfen.
I.
19 
Diese Klage ist nach vorprozessualer Erledigung der streitigen Verwaltungsakte in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Er kann sich jedenfalls auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Daneben kann er auch geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Maßnahmen typischerweise schnell erledigen, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Der Klageantrag ist mit der Klarstellung, dass auch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme im Jahre 2004 festgestellt werden soll, zulässig. Darin liegt nicht etwa eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Denn bei sachdienlicher Auslegung des ursprünglichen Klagebegehrens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht auch die Ingewahrsamnahme zum Klagegegenstand gemacht hat.
II.
20 
Die Klage ist auch begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger waren rechtswidrig. Sie sind von einer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, auf das die Beklagte die Maßnahmen gestützt hat, war unmittelbar nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des vorrangigen Versammlungsgesetzes, in dessen Folge dann auch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetz ergehen dürfen (siehe etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 <81> m.w.N.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278), lagen nicht vor.
21 
1. Die als eine Art „Mahnwache“ einzuordnenden Aktionen des Klägers und seiner jeweiligen Begleiter erfüllten in beiden Jahren den verfassungsrechtlichen Begriff der Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, der sich mit dem versammlungsrechtlichen Begriff deckt.
22 
a) Eine Versammlung ist danach eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>). Durch Meinungskundgabe mittels Plakaten und Flugblättern zielte das Auftreten auf die öffentliche Meinungsbildung. Eine geringe Teilnehmerzahl steht der Annahme einer Versammlung nicht entgegen. Ein Sich-Versammeln als Zusammenkunft „mehrerer Personen“ ist bereits bei nur zwei Teilnehmern gegeben (vgl. zur mittlerweile überwiegenden Auffassung in der verfassungs- und versammlungsrechtlichen Literatur zuletzt Sachs in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV 1, 2006, § 107, S. 1196 ff., mit umfangreichen Nachweisen , auch zur Gegenansicht ; zur strafrechtl. und OWi- Rspr. Wache in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Bd. 4, V 55 < Dez. 2005 >, § 1, Rn. 23 m.N.). Der mögliche Wortsinn als Grenze der Interpretation ist damit - im Gegensatz zur Annahme einer „Ein-Mann-Versammlung“, die ggfs. als Demonstration nur von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist - nicht
23 
überschritten. Eine unterschiedliche rechtliche Einordnung einer Veranstaltung mit zwei und einer mit drei Personen unter Verweis auf ein - vages - Sprachgefühl und „natürliches Verständnis“ überzeugt angesichts des auch individualbezogenen Schutzzwecks des Art. 8 GG und des daraus zu folgernden Verbots einer staatlichen Isolierung des Einzelnen nicht; dies gilt auch dann, wenn ein - bezogen auf den verfolgten Zweck - enger Versammlungsbegriff zugrunde gelegt wird. Gegen diese weite Auslegung des Grundrechtstatbestands spricht schließlich nicht die damit nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG einhergehende Möglichkeit der Auferlegung versammlungsrechtlicher Pflichten (siehe hierzu Gusy in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 8 Rn. 15; Hoffmann-Riem in: Denninger , AK-GG, 3. Aufl. , Art. 8 Rn. 18). Denn auch der vorliegende Fall zeigt, dass sich der Regelungsbedarf bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit zwei oder mit drei Personen nicht grundlegend unterscheidet. Fehlt insbesondere Veranstaltungen mit nur wenigen Personen die Öffentlichkeitswirkung, etwa weil sie als Zwiegespräch schon ihrer Natur nach nicht öffentlich sind, ist das Versammlungsgesetz mit seinen besonderen Pflichten, etwa der Anmeldepflicht, nicht einschlägig. Einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Begriffsbildung bedarf es folglich nicht.
24 
b) Der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes war ebenfalls eröffnet. Er setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>). Dies war im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nicht nur am Volkstrauertag 2003, sondern auch am Volkstrauertag 2004 schon bei der Verteilung der Flugblätter der Fall. Denn dies war bereits Teil der damaligen Mahnwache und diente nicht lediglich deren Vorbereitung.
25 
2. Gegen die dem Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes unterfallenden Veranstaltungen des Klägers konnte vor dem Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflösungs- bzw. Auflagenverfügung nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes eingeschritten werden.
26 
Die Beklagte hat die versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen mit ihren mündlich ergangenen Verfügungen ausweislich der Polizeiberichte und der Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob es gleichwohl möglich wäre, im Erlass eines Platzverweises bzw. der Anordnung der Ingewahrsamnahme zugleich eine Auflösungsverfügung oder jedenfalls in der Beschlagnahmeanordnung auch eine Auflagenverfügung jeweils nach § 15 Abs. 2 VersG in der bis zum 31.03.2005 gültigen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 3 VersG i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2005, BGBl. I S. 969) zu sehen. Denn auch als versammlungsrechtliche Entscheidungen - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - könnten diese Maßnahmen keinen rechtlichen Bestand haben. Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 LVG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersG a.F. waren jedoch nicht gegeben; diese decken sich bezüglich der durch den Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG in Bezug genommenen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Übrigen mit der polizeirechtlichen Beurteilung.
27 
a) Allein die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, könnte eine Auflösung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <351>).
28 
b) Eine Störung der öffentlichen Sicherheit war nicht gegeben und stand auch nicht unmittelbar bevor.
29 
aa) Das den Veranstaltern der Gedenkfeier auf dem Friedhofsgelände gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofssatzung der Beklagten eingeräumte Sondernutzungsrecht gibt diesen das Recht, die Feier nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und unbehelligt von Einwirkungen Dritter abzuhalten (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.09.1986 - 11 A 53/84 -, NVwZ 1987, 1099 <1100>). Dies war hier gewährleistet, da der Kläger und seine Begleiter sich nicht auf dem Friedhof selbst aufhielten und dort der Gedenkfeier ihren Stempel aufzudrücken versuchten, sondern gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite standen. Eine Einwirkung von außen auf das Geschehen auf dem Friedhof war - jedenfalls in erheblicher Weise - nicht gegeben. Für geplante akustische Störungen durch Sprechchöre, Lautsprechereinsatz oder Ähnliches gab es keine Hinweise. Allein die Tatsache, dass die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal beim Passieren des Eingangsbereichs die Plakate des Klägers in beträchtlicher Entfernung hätten sehen können, ist nicht von Relevanz. Es kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass ihnen während der Feier die Meinungskundgabe des Klägers in irgendeiner unzulässigen Weise aufgedrängt worden wäre. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene weitere räumliche und zeitliche Ausstrahlungswirkung des aus dem Sondernutzungsrecht fließenden Gestaltungsrechts fehlt es an jeglicher rechtlichen Grundlage; denn die allein auf der Grundlage der Friedhofssatzung gewährte Sondernutzung ermöglichte nicht die Einrichtung einer über den eigentlichen Veranstaltungsort hinausreichenden, von konkreten störenden Einwirkungen unabhängigen „Bannmeile“. Eine „negative Meinungsfreiheit“, verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden fremden Meinungen in jeglicher Weise verschont zu bleiben, gibt es nicht.
30 
Auch im Jahr 2004 gab es schließlich keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte, die die Prognose hätte rechtfertigen können, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen in den eidesstattlichen Versicherungen wie in früheren Jahren auf das Gelände des Friedhofs vordringen würde. Nach den Mitteilungen der Beklagten im Klageverfahren war schon in den Jahren 2001 und 2002 kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben. Allein die lautstarke Auseinandersetzung um eine polizeiliche Anordnung gab für weitergehende Befürchtungen keine hinreichende Tatsachengrundlage; insbesondere spricht alles dafür, dass die in der damaligen Beschlagnahmeverfügung liegende Wegnahmeanordnung kurzfristig und damit rechtzeitig vor Beginn der Gedenkfeier vollstreckt werden konnte, so dass weitere akustische Störungen nicht mehr zu besorgen waren.
31 
bb) Die Versammlungen mit dem vom Kläger verfolgten Anliegen verstießen nicht gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Sonntage und die Feiertage (Feiertagsgesetz - FTG) vom 08.05.1995 (GBl. S. 450). Der Volkstrauertag genießt zwar über den allgemeinen Schutz des Sonntags hinaus einen besonderen gesetzlichen Schutz; dieser hinderte das Auftreten des Klägers jedenfalls in der vom ihm gewählten konkreten Art und Weise aber nicht.
32 
Nach § 8 Abs. 3 FTG können u.a. am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen und Vergnügungen, auch soweit sie nach § 7 Abs. 2 FTG - diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Hauptgottesdienstzeiten - nicht verboten sind, von der Kreispolizeibehörde auf Antrag der Ortspolizeibehörde verboten werden, wenn sie nach den besonderen örtlichen Verhältnissen Anstoß zu erregen geeignet sind. Wie der Vergleich mit § 7 Abs. 2 FTG deutlich macht, nimmt § 8 Abs. 3 FTG die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FTG ausdrücklich - in Abgrenzung zu öffentlichen Veranstaltungen und Vergnügungen - erwähnten öffentlichen Versammlungen von dieser Verbotsmöglichkeit aus. Darüber hinaus geht auch die Beklagte nicht davon aus, dass die Aktionen des Klägers von vornherein mit dem Charakter und der Würde des Volkstrauertags als eines Tags des stillen Gedenkens (siehe hierzu auch § 10 Abs. 1, § 11 FTG) unvereinbar seien; denn gegen das Zeigen der Plakate in der Innenstadt hat sie nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nichts einzuwenden. Ob und inwieweit die Eigenart des Volkstrauertags die Versammlungsfreiheit einzuschränken geeignet ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (siehe hierzu etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 24.11.2006 - 7 B 11487/06 - ).
33 
cc) Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit lag schließlich auch nicht darin, dass ausweislich eines Fotos im Jahre 2003 ein Plakat gegen das Kraftfahrzeug gelehnt auf dem Boden stand. Zwar überschreitet die Verwendung von Plakatständern den straßenrechtlichen Gemeingebrauch auch auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1994 - 11 C 57.92 -, NVwZ-RR 1995, 129 m.N.). Demgegenüber liegt im Verhalten des Klägers ebenso wenig eine genehmigungspflichtige Sondernutzung wie im Verteilen von nicht gewerblichen Flugblättern (siehe BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 <66 f.>). Dahinstehen kann, ob das Befestigen der Faltblätter unter den Scheibenwischern geparkter Kraftfahrzeuge als unzumutbare Belästigung einzustufen ist und deswegen einen zivilrechtlichen Abwehranspruch des Kfz-Halters zur Folge hat (siehe hierzu Dahlen, MDR 1991, 1130; Köhler in: Hefermehl u.a. , Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 7 Rn. 31). Denn insoweit stünde einem polizeilichen Einschreiten die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG entgegen. Im Übrigen hätte allein ein solcher Rechtsverstoß weder die Auflösung der Versammlung noch die Anordnung der Beseitigung der Plakate gerechtfertigt.
34 
c) Auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung konnten die polizeilichen Maßnahmen ebenso wenig gestützt werden.
35 
Die Maßnahmen knüpfen an den Inhalt der mit den Plakaten und Flugblättern kundgetanen Meinungsäußerungen an, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Anliegen des Volkstrauertags nicht in Einklang stehen. Danach sind die Anordnungen, auch wenn sie zugleich auf eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit abzielen, am Maßstab des Art. 5 GG zu messen.
36 
Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) haben die hier einschlägigen „allgemeinen Gesetze“ ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden, während auf den Begriff der öffentlichen Ordnung mangels tatbestandlicher Eingrenzung nicht zurückgegriffen werden darf. Die Grenzen des Strafrechts überschreiten aber die Äußerungen auf den Plakaten offensichtlich nicht. Beim Inhalt des Faltblatts ist hierfür gleichfalls nichts ersichtlich. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben keinen Anlass zu Ermittlungen gegen den Kläger gesehen. Schließlich bildet die öffentliche Ordnung keine verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <157 f.>). Die Sperrwirkung der Vorschriften, die der Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats dienen sollen, steht der Annahme entgegen, sonstige Maßnahmen könnten ohne Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes mit dem Schutz der Wertordnung des Grundgesetzes gerechtfertigt werden.
37 
Das Verwaltungsgericht verweist des Weiteren auf eine „provokante Art und Weise der Meinungsäußerung“ und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <156 f.> m.N. aus der Rspr. der 1. Kammer des 1. Senats). Danach können Beschränkungen der Art und Weise der Durchführung von Versammlungen - des äußeren Versammlungsgeschehens - auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung angeordnet werden. Hiernach ist es rechtlich unbedenklich, wenn aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindert werden soll, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann des Weiteren verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Von einem auch nur annähernd vergleichbaren Verhalten kann im vorliegenden Fall keine Rede sein; denn der Kläger beschränkte sich jeweils auf eine stille „Mahnwache“, die als solche in keiner Weise aggressiv und Angst einflößend wirkte. Nicht die Art und Weise der Meinungsäußerung des Klägers war je nach Empfängerhorizont geeignet zu provozieren, sondern deren Inhalt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
vom 25. April 2007
41 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.

(2) Dieses Recht hat nicht,

1.
wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt hat,
2.
wer mit der Durchführung oder Teilnahme an einer solchen Veranstaltung die Ziele einer nach Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder Teil- oder Ersatzorganisation einer Partei fördern will,
3.
eine Partei, die nach Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, oder
4.
eine Vereinigung, die nach Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Wer zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einem Aufzug öffentlich einlädt, muß als Veranstalter in der Einladung seinen Namen angeben.

(2) Bei öffentlichen Versammlungen und Aufzügen hat jedermann Störungen zu unterlassen, die bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung zu verhindern.

(3) Niemand darf bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führen, ohne dazu behördlich ermächtigt zu sein. Ebenso ist es verboten, ohne behördliche Ermächtigung Waffen oder die in Satz 1 genannten Gegenstände auf dem Weg zu öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen mit sich zu führen, zu derartigen Veranstaltungen hinzuschaffen oder sie zur Verwendung bei derartigen Veranstaltungen bereitzuhalten oder zu verteilen.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Werden Polizeibeamte in eine öffentliche Versammlung entsandt, so haben sie sich dem Leiter zu erkennen zu geben. Es muß ihnen ein angemessener Platz eingeräumt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

§ 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Stadt Freiburg i. Br. zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Antragsgegnerin zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 (im Folgenden: PolVO), mit dem ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot im öffentlichen Straßenraum der Freiburger Innenstadt („Bermuda-Dreieck“) angeordnet worden ist.
Am 22.07.2008 erließ die Antragsgegnerin mit Zustimmung des Gemeinderats die bis zum 31.07.2010 befristete Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum. Zuvor hatte sie bereits am 23.12.2007 - damals noch unter Einbeziehung eines weiteren Bereichs im Industriegebiet Nord - eine auf sieben Monate befristete Polizeiverordnung gleichen Wortlauts erlassen, die - wie vorgesehen - am 31.07.2008 außer Kraft trat und durch die nunmehr angegriffene Polizeiverordnung abgelöst wurde. Die derzeit gültige Verordnung hat in dem hier angegriffenen Umfang folgenden Wortlaut:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Diese Polizeiverordnung gilt für das Gebiet der Innenstadt, begrenzt durch die Bertoldstraße, den Platz der Alten Synagoge, den Platz der Universität, das westlich der Humboldtstraße gelegene Verbindungsstück zur Humboldtstraße, die Humboldtstraße und die Kaiser-Joseph-Straße bis zum Bertoldsbrunnen.
Die genannten Straßen zählen noch zum Geltungsbereich der Verordnung.
(2) Der beigefügte Lageplan vom 28.05.2008 ist Bestandteil dieser Polizeiverordnung.
§ 2
Alkoholverbot
(1) Im Geltungsbereich der Verordnung ist es auf den öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb konzessionierter Freisitzflächen verboten
- alkoholische Getränke jeglicher Art zu konsumieren
- alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen.
10 
(2) Dieses Verbot gilt in den Nächten von Freitag auf Samstag, Samstag auf Sonntag, Sonntag auf Montag jeweils von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Gleiches gilt für die Zeit von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr morgens an einem gesetzlichen Feiertag und die zwei Stunden davor (d. h. von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr).
11 
Gemäß § 4 Abs. 1 PolVO kann ein Verstoß gegen dieses Verbot als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
12 
Die angegriffene Polizeiverordnung wurde vorab als Notbekanntmachung in der Badischen Zeitung vom 31.07.2008 und am 02.08.2008 im Amtsblatt der Antragsgegnerin veröffentlicht.
13 
Nach der Beschlussvorlage vom 07.07.2008 (Drucksache G-08/148), die auf die Beschlussvorlage der Vorläuferfassung (G-07/185) Bezug nimmt, soll das in zeitlicher und räumlicher Hinsicht begrenzte Alkoholverbot die körperliche Unversehrtheit schützen. Eine abstrakte Gefahr im Sinne von § 10 PolG liege vor. Die auch beim Schutz hochrangiger Güter erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als Folge des Alkoholkonsums sei gegeben. Es bestehe ein Wirkungszusammenhang; Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein Ort überproportional hoher Gewaltkriminalität und starken Alkoholkonsums im öffentlichen Raum. Insbesondere junge Leute träfen sich dort zunächst zum sog. „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen und Diskotheken bereits alkoholisiert aufzusuchen. Aus alldem folge, dass der Konsum von mitgebrachtem Alkohol im „Bermuda-Dreieck“ nach den Erfahrungen der Polizei zumindest mitursächlich für die Begehung von Körperverletzungsdelikten sei. Das Alkoholverbot sei auch verhältnismäßig. Die Geeignetheit ergebe sich aus der seit Einführung der Regelung um 16 % gesunkenen Gewaltkriminalität. Gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. Mit Blick auf die zeitliche und räumliche Beschränkung sowie die Befristung des Verbots sei der Freiheitseingriff zu Gunsten des hohen Schutzguts der körperlichen Unversehrtheit angemessen.
14 
Bestandteil der Beschlussvorlage war die Studie der Polizeidirektion Freiburg 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“.
15 
Der 1982 geborene Antragsteller ist Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen (akj) sowie Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie; sein Büro befindet sich innerhalb des Geltungsbereichs der Polizeiverordnung.
16 
Am 11.08.2008 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet, zu dessen Begründung er vorträgt:
17 
Seine Antragsbefugnis ergebe sich daraus, dass er in seiner Freizeit, insbesondere auch an den Wochenenden, regelmäßiger Besucher von Plätzen innerhalb des von der Polizeiverordnung umfassten sog. „Bermuda-Dreiecks“ sei, wo er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss niederlasse. Die Polizeiverordnung sei materiell rechtswidrig. Die angegriffene Regelung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 PolG gedeckt. Diese setze voraus, dass eine Störung oder abstrakte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 PolG vorliege. Dies sei jedoch nicht der Fall. Dass Alkoholisierung, wie in der Studie dargelegt, „zumindest mitursächlich“ für Gewalt sein könne, sei nicht ausreichend, um eine abstrakte Gefährlichkeit des Alkoholgenusses, geschweige denn des Mitführens von alkoholischen Getränken in Konsumabsicht, zu belegen. Der Nachweis, dass durch Alkoholkonsum im Regelfall abstrakte Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung einträten, sei bislang nicht erbracht worden. Auch im „Bermuda-Dreieck“ stellten Gewalttaten nicht die Regel-Folge von öffentlichem Alkoholkonsum dar. Menschliche Gewalttaten entstünden unter komplexen Umständen und seien nicht linear auf Alkoholisierung zurückzuführen. Bei den Erhebungen der Polizeidirektion handle es sich um statistisch nicht belastbares Zahlenmaterial. Für die vorgelagerte Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld biete § 10 Abs. 1 PolG keine gesetzliche Grundlage. Die angegriffene Regelung verstoße schließlich gegen das Bestimmtheitsgebot. Dies gelte insbesondere für die Formulierung, aus den „konkreten Umständen“ müsse die „Absicht“ erkennbar sein, alkoholische Getränke zu konsumieren. Überdies sei sie unverhältnismäßig und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
18 
Der Antragsteller beantragt,
19 
§ 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Stadt Freiburg i. Br. zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 für unwirksam zu erklären.
20 
Die Antragsgegnerin beantragt,
21 
den Antrag abzulehnen.
22 
Sie trägt vor: Die angegriffenen Bestimmungen der Polizeiverordnung seien durch die Ermächtigungsgrundlage des Polizeigesetzes (§ 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1) gedeckt. Es liege eine abstrakte Gefahr - und nicht lediglich ein Gefahrenverdacht - vor. Die angegriffene Regelung sei Teil eines abgestimmten Gesamtkonzepts. Der Konsum mitgebrachten Alkohols führe nach den vollzugspolizeilichen Erfahrungen zwar nicht überall in der Innenstadt, sehr wohl aber im Geltungsbereich der Verordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit. Insoweit lasse sich im „Bermuda-Dreieck“ aufgrund der konkreten Umstände eine in tatsächlicher Hinsicht hinreichend gesicherte Gefahrenprognose treffen. Auch wenn Alkohol - jedenfalls bei der Durchschnittsbevölkerung - nicht grundsätzlich zur Begehung von Gewaltdelikten führe, so gelte dies nach der polizeilichen Untersuchung nicht für den Bereich des „Bermuda-Dreiecks“. Der weit überwiegende Teil der sich dort aufhaltenden jungen Personen habe bereits deutlich vor Mitternacht erhebliche Mengen an Alkohol zu sich genommen. Der weitere unkontrollierte Konsum des mitgeführten Alkohols im Zusammenwirken mit gruppendynamischen Begleitfaktoren (Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle, vermeintliche Provokationen) sei unmittelbar ursächlich für die Gewaltausschreitungen und bewirke damit eine Überschreitung der Gefahrenschwelle. Die angegriffenen Normen verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Das Bestimmtheitsgebot sei gewahrt. Insbesondere sei der Begriff „Absicht“ in seiner gefestigten dogmatischen Bedeutung unproblematisch bestimmbar als zielgerichteter Wille. Die Besorgnis des Antragstellers, die Formulierung könne zur willkürlichen Handhabung Anlass geben, sei nicht nachvollziehbar. Die bisherigen Anwendungserfahrungen hätten die diesbezüglichen Zweifel des Antragstellers nicht bestätigt. Die angegriffene Regelung stelle eine verhältnismäßige Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte dar. Sie sei ein geeignetes Mittel, den aufgezeigten Gefahren für die körperliche Unversehrtheit zu begegnen, und sie sei insoweit erforderlich. Das in zeitlicher und örtlicher Hinsicht beschränkte Alkoholverbot sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Hierbei sei zu würdigen, dass das Verbot auf lediglich zwei Jahre begrenzt sei, ein Zeitraum, der zum Anlass genommen werden solle, die weitere Entwicklung des Gewaltgeschehens zu beobachten und - soweit möglich - auch statistisch zu bewerten. Schließlich bedeute die Differenzierung zum zulässigen Alkoholgenuss in Freischankflächen keine willkürliche Ungleichbehandlung.
23 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Antragsgegnerin vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
25 
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr ist gewahrt.
26 
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wird nach dieser Regelung jeder natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die Polizeiverordnung oder der auf sie gestützte Vollzugsakt an den Antragsteller adressiert ist, d.h. für diesen ein polizeiliches Verbot oder Gebot statuiert (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, 2007, RdNr. 633). Dies ist hier der Fall. Der 1982 geborene Antragsteller ist Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie sein Büro innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. In seiner Freizeit, insbesondere auch in den späten Abendstunden an Wochenenden, ist er nach seinen eigenen Angaben regelmäßiger Besucher der im sog. „Bermuda-Dreieck“ gelegenen Plätze, auf denen er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss aufhält. Er wird dabei in dem von der Polizeiverordnung zeitlich umfassten Umfang mit dem Alkoholverbot konfrontiert und kann daher, ungeachtet des übergreifenden Anliegens, das er als Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen offensichtlich verfolgt, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein.
27 
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die zur Überprüfung gestellte Vorschrift des § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22.07.2008 - PolVO - ist zwar ordnungsgemäß zustande gekommen (2.1) und verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (2.2). Sie ist jedoch nicht durch die polizeiliche Generalermächtigung in § 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1 PolG gedeckt, weil sie nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dient (2.3).
28 
2.1. Formelle Bedenken gegen die Polizeiverordnung der Antragsgegnerin sind weder geltend gemacht, noch ersichtlich. Die Polizeiverordnung ist mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt. Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung sowohl in der Badischen Zeitung als auch im Amtsblatt der Antragsgegnerin liegt ebenfalls vor.
29 
2.2 Auch genügt die Regelung entgegen der Auffassung des Antragstellers dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die darin verwendeten Begriffe und Tatbestandsmerkmale sind hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 f.> sowie Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f. m.w.N. und Normenkontrollbeschluss des Senats vom 29.04.1983 - 1 S 1/83 -, VBlBW 1983, 302 f.).
31 
Diesen Anforderungen wird die Bestimmung des § 2 Abs. 1 der Polizeiverordnung gerecht, auch soweit sie nicht lediglich den Alkoholkonsum, sondern darüber hinaus verbietet, „alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen“. Für den Betroffenen erkennbar nicht erfasst wird durch die Verbotsnorm das einfache Durchqueren der zum Geltungsbereich der Verordnung gehörenden Örtlichkeiten mit zuvor eingekauftem Alkohol, wenn nicht beabsichtigt ist, diesen dort konsumieren zu wollen. Auch das Verweilen mit mitgeführtem Alkohol ohne Konsumabsicht unterfällt nicht dem § 2 Abs. 1 PolVO. Verboten ist dagegen das Mitsichführen von alkoholischen Getränken, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese an Ort und Stelle zu konsumieren. Die Bezugnahme auf eine Absicht des Handelnden widerspricht nicht dem Bestimmtheitsgebot, wie insbesondere die zahlreichen Vorschriften des Strafrechts zeigen, die ein Handeln dann unter Strafe stellen, wenn es in einer bestimmten - oft nur anhand von Indizien - feststellbaren Absicht geschieht. Da konkrete äußere Umstände (wie mitgebrachte Trinkgefäße, Strohhalme, bereits geöffnete Flaschen) diese Absicht belegen müssen, ist diese Regelung noch hinreichend bestimmt. Mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 27720/06 -, VBlBW 2008, 134 ff.). Auch hinsichtlich des zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs des Alkoholverbots sind Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots nicht ersichtlich. Durch den der Regelung beigefügten Lageplan und die genaue Bezeichnung der erfassten Straßen und Plätze ist die räumliche Festlegung des Verbotsgebiets hinreichend erkennbar.
32 
2.3 Die angegriffene Bestimmung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO ist jedoch deshalb unwirksam, weil sie sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung in § 10 i.V.m. § 1 PolG hält. Denn das verbotene Verhalten stellt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin eine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht dar.
33 
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f., BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
34 
Der Gefahrenbegriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotential“. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Diese lässt sich auch nicht dahingehend erweiternd auslegen, dass der Exekutive eine „Einschätzungsprärogative“ in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
35 
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich dabei von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.), durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zu erwarten sein (vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.1998 - 1 S 2272/97 -, VBlBW 1999, 101 f.). Denn es liegt im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
36 
Gemessen an diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Zeit und Ort verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte zur Folge hat. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewalt begründen lediglich einen Gefahrenverdacht. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die Ermächtigungsgrundlage in § 10 i.V.m. § 1 PolG aber nicht gedeckt.
37 
Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Polizeiverordnung bewogen haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Erkenntnisse wie diejenigen der örtlichen Polizei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Polizeiverordnung der Gewaltdelinquenz begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich darauf (vgl. Beschluss-Vorlage des Gemeinderats, Drucksache G-08/148), dass im „Bermuda-Dreieck“ der Konsum von mitgebrachtem Alkohol zur Begehung von Körperverletzungsdelikten führe; der Alkoholkonsum stelle - zwar nicht grundsätzlich, aber in diesem räumlich abgegrenzten Bereich der Innenstadt Freiburgs - eine abstrakte Gefahr für das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Nach den Erfahrungen der Polizei sei Alkoholisierung häufig die Ursache für gewalttätige Auseinandersetzungen. Im Jahr 2007 seien 43 % der Tatverdächtigen in der Freiburger Altstadt unter Alkoholeinfluss gestanden, im Jahr 2008 sogar 60 %. Im „Bermuda-Dreieck“, das ungefähr ein Zehntel der Freiburger Altstadt umfasse, sei die Anzahl der Gewaltdelikte im Vergleich zur restlichen Altstadt überproportional hoch. Hier seien sowohl 2007 als auch 2008 fast 50 % aller Gewaltstraftaten in der Altstadt begangen worden. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein begehrter Aufenthaltsort insbesondere junger Menschen. Zu beobachten seien dabei Gruppen, die von vornherein nicht den Besuch der dortigen Kneipen oder anderer Vergnügungsstätten beabsichtigten, sondern diesen Ort als gesellschaftlichen Treffpunkt nutzen wollten und dabei Alkohol in erheblichen Mengen konsumierten. Andere, insbesondere Jugendliche, träfen sich dort zunächst zum sogenannten „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen bereits alkoholisiert aufzusuchen. Dies werde ihnen von Türstehern aufgrund ihres erheblichen Alkoholisierungsgrades oftmals verwehrt. Viele Betroffene reagierten hierauf aggressiv. Dasselbe gelte für Personen, die alkoholisiert der Kneipen verwiesen würden. Nach den Erfahrungen der Polizei sei das Zusammentreffen abgewiesener und verwiesener Personen eine häufige Ursache gewalttätiger Auseinandersetzungen. Seit Erlass der Polizeiverordnung seien die Gewaltstraftaten im gesamten Stadtteil Altstadt gesunken, auch im örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung.
38 
Die Antragsgegnerin stützt sich für die dargelegten Erwägungen auf folgende polizeiliche Untersuchungen:
39 
- die Studie 2007 „Gewaltdelinquenz im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Freiburg, Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten“, die als Anlage 3 zur Drucksache G-07/185 Bestandteil der Beschlussvorlage des Gemeinderats bei der Abstimmung über die Vorläuferfassung vom 23.12.2007 war,
40 
- die Studie 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“, die als Anlage 2 Bestandteil der Beschlussvorlage vom 07.07.2008, Drucksache G-08/148 vom Juni 2008 war.
41 
Die Studie 2007 basiert auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten Delikte. Dabei handelt es sich um eine Ausgangsstatistik, was bedeutet, dass die Fälle erst nach Abschluss der Ermittlungen und vor Abgabe an die Justiz in der PKS erfasst werden. Dadurch ergibt sich in zeitlicher Hinsicht ein Verzerrfaktor, der - worauf in den polizeilichen Untersuchungen hingewiesen wird - bei der Betrachtung der Ergebnisse mitberücksichtigt werden muss. Der Studie zufolge registrierte die Polizeidirektion in der Freiburger Innenstadt in den letzten Jahren einen überproportionalen Anstieg von Gewaltdelikten. In einer Anmerkung wird ausgeführt, dass die - hiervon auch erfassten - Fälle der häuslichen Gewalt in allen Stadtteilen etwa mit gleichen Anteilen registriert worden seien. Im innerstädtischen Bereich liege der Anteil leicht unter dem Durchschnitt, da in diesem Bereich die Wohndichte niedriger sei. Hingewiesen wird auch darauf, dass bei der Auswertung der PKS-Dateien nicht unterschieden werden könne, ob die registrierten Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen worden seien. Hier seien Erfahrungswerte zugrunde zu legen, nach denen sich der Anteil gleichmäßig mit ca. 50:50 verteile. Bei einer Feinanalyse des Stadtteils Altstadt, so die Studie, würden die Straßen im und rund um das „Bermuda-Dreieck“ als Brennpunkte deutlich. Die Auswertung der relevanten Tattage zeige, dass an den Wochentagen von Freitag bis Montag die meisten Straftaten zu verzeichnen seien und die Gewaltdelikte insbesondere in der Zeit zwischen 00.00 bis 05.00 Uhr verübt würden. Die Alkoholbeeinflussung sei je nach Deliktsart sehr unterschiedlich. Der 7-Jahres-Durchschnitt (2000 - 2006) des Anteils an alkoholisierten Tatverdächtigen habe bei den Straftaten in der Stadt bei insgesamt 9,9 % gelegen, für den Bereich der Altstadt bei etwas über 10,5 %. Rund bei der Hälfte (43,0 %) der in der Freiburger Altstadt registrierten Körperverletzungsdelikte im ersten Halbjahr 2007 hätten die Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss gestanden (vgl. S. 14 der Anlage 3 der Beschlussvorlage 2007).
42 
In der Studie 2008 wurde die Gewaltphänomenologie durch eine Tatzeitbetrachtung dargestellt, d.h. es wurden nur die Gewaltstraftaten für die Auswertung herangezogen, die tatsächlich im Zeitraum Januar bis Mai 2008 begangen wurden. Entscheidend war hier die Tatzeit und nicht wie bei der PKS- Auswertung das Erfassungsdatum. Gleichzeitig wurde eine Tatzeitanalyse für den Vergleichszeitraum Januar bis Mai 2007 erstellt und so ein Vergleich mit der Situation vor Inkrafttreten der Polizeiverordnung angestellt, um die Auswirkungen des Verbots sichtbar zu machen. Nach der Studie 2008 wurden in den ersten 5 Monaten des Jahres 2008 256 Straftaten im Vergleich zu insgesamt 273 Straftaten im Vergleichszeitraum 2007 erfasst; dies entspricht einem Rückgang von 7 % (= 17 Straftaten). Die Untersuchung zeige nach wie vor einen Schwerpunkt im Bereich der Kaiser-Joseph-Straße und im „Bermuda-Dreieck“ sowie auf den Zu- und Abwanderungsstraßen. Von den 256 Gewaltdelikten im Stadtteil Altstadt seien 120 Delikte im örtlichen Definitionsbereich der Polizeiverordnung begangen worden, davon 69 auch im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Das entspreche einem Anteil von 25 %. Der Studie zufolge sollen im Verbotsbereich die Gewaltstraftaten von 126 im Jahr 2007 auf 120 im Jahr 2008 zurückgegangen sein. Die Untersuchung der Tatzeitpunkte ergebe weiterhin Spitzen an Samstagen und Sonntagen, insbesondere um 03.00 und 05.00 Uhr. Insgesamt hätten sich 69 der 120 Gewaltstraftaten im Verbotsbereich auch im zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung, also am Wochenende, abgespielt; das entspreche im Vergleich zum Vorjahr (82 Taten) einem Rückgang von 13 Gewaltstraftaten und damit um 16 %. Bezüglich des Einflusses von Alkohol enthält die Studie die Feststellung, dass 60 % der registrierten Täter alkoholisiert gewesen seien gegenüber 43 % im Vorjahr. Die registrierten Täter seien überwiegend männlich (82 %) und zwischen 21 und 30 Jahren alt.
43 
Außerdem hat der Vertreter der Polizeidirektion Freiburg - auf aktuelle Zahlen angesprochen - in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass auf der Basis der polizeilichen Kriminalstatistik im „Bermuda-Dreieck“ im Jahr 2009 nochmals ein weiterer Rückgang an Gewaltdelikten von ca. 25 % zu verzeichnen sei. Allerdings seien im ganzen Stadtgebiet die Gewaltdelikte ebenfalls leicht rückläufig gewesen. Eine Tatzeitanalyse liege insoweit nicht vor.
44 
Diese von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten polizeilichen Erkenntnisse lassen nicht den Schluss zu, dass gerade das verbotene Verhalten - der Genuss mitgebrachten Alkohols im Geltungsbereich der PolVO - regelmäßig und typischerweise die Gefahr von Körperverletzungen mit sich bringt. Aufgrund der polizeilichen Studien sind zwar Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewaltdelikten nicht auszuschließen; sie begründen jedoch allenfalls einen Gefahrenverdacht, nicht aber eine abstrakte Gefahr im oben dargelegten Sinne.
45 
Dass Alkoholgenuss generell zu Aggressivität führt, widerspricht schon der Lebenserfahrung und wird von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Vielmehr hängt es von den äußeren Umständen, den individuellen Gegebenheiten und Befindlichkeiten sowie den situativen Einflüssen ab, welche Wirkungen der Alkoholgenuss bei dem Einzelnen zeigt. Auch die kriminologische Forschung hat verschiedene Erklärungsmodelle für die in den polizeilichen Kriminalitätsstatistiken festgestellten Beziehungen zwischen Alkohol und Gewaltdelinquenz (vgl. Schwind, Kriminologie, 18. Auflage, 2008, § 26 Rn. 30 f.; Kaiser, Kriminologie, 3. Auflage, 1996, § 54 Rn. 22 f.). Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob überhaupt eine kausale Beziehung oder nicht vielmehr ein „Scheinzusammenhang“ besteht. Denn es könne auch möglich sein, dass sich Alkoholtäter leichter überführen ließen und daher bei den polizeilichen Erhebungen überrepräsentiert seien (Kaiser, a.a.O. Rn. 23). In dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht des Bundesministeriums der Justiz von 2006 wird festgestellt (S. 287, unter 3.5.3.1), dass die Alkoholisierung von Beteiligten bei der Entstehung von Straftaten „im Einzelfall“ eine mitursächliche, auslösende, begünstigende oder begleitende Rolle spielt. Der Alkoholeinfluss könne jedoch nur selten als einzige Ursache herausgearbeitet werden.
46 
Nichts grundlegend anderes ergibt sich für den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass jedenfalls im „Bermuda-Dreieck“ das verbotene Verhalten vor dem Hintergrund der dortigen Verhältnisse - wie Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle und vermeintliche Provokationen - die prognostizierten Auswirkungen hat, wird der Nachweis einer abstrakten Gefährlichkeit des verbotenen Verhaltens durch die polizeilichen Studien nicht erbracht (kritisch zu dem in diesem Bereich behaupteten Ursachenzusammenhang der Kriminologe Prof. Hefendehl, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg, Leserbrief zum Beitrag Faßbender, NVwZ 11/2009, IX). Nicht geklärt ist dabei vor allem, welche Bedeutung dem Faktor Alkohol neben zahlreichen anderen Ursachen zukommt.
47 
Der Nachweis einer abstrakten Gefahr kann schließlich auch nicht durch den seit Einführung der Verbotsnorm festgestellten Rückgang der Gewaltdelikte um lediglich 16 % (= 13 von 69 im zeitlichen und örtlichen Verbotsbereich festgestellten Gewaltstraftaten) erbracht werden. Der Rückschluss, von dem Normunterworfenen gehe typischerweise und regelmäßig die Gefahr von Gewaltdelikten aus, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ein massiver Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung zu verzeichnen wäre. Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Selbst wenn man, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, einzukalkulieren hat, dass die ständige Polizeipräsenz auch ein verändertes Anzeigeverhalten zur Folge gehabt haben kann, belegt der festgestellte Rückgang keinesfalls, dass sich aufgrund des verbotenen Verhaltens in aller Regel eine Gefahrenlage ergibt.
48 
Im Übrigen kommt dem zugrunde gelegten statistischen Material ohnehin nur eine beschränkte Aussagekraft zu. Zum einen ist, wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht, die verfügbare Datenmenge der Polizei zu gering, um hieraus ein empirisch gesichertes Ergebnis abzuleiten und den dargelegten Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung verlässlich nachzuweisen. Zum anderen ist das in die Untersuchung eingestellte Zahlenmaterial als solches nicht hinreichend aussagekräftig für die Frage, wie viele Gewaltdelikte gerade aufgrund des verbotenen Verhaltens vor und nach Erlass der Polizeiverordnung im „Bermuda-Dreieck“ zu verzeichnen waren. Bei der Auswertung der polizeilichen Studien ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Studie 2007 sowie die neuesten, in der mündlichen Verhandlung dargelegten polizeilichen Untersuchungen auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Delikte basieren. Nach den eigenen Angaben des Vertreters der Polizeidirektion, die sich mit den Hinweisen aus der polizeilichen Studie 2007 decken, geben die aus der PKS übernommenen Zahlen keinen Aufschluss darüber, wann genau sich die Gewalttaten ereignet haben. Hier geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass in der - auf den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abstellenden - Kriminalstatistik Gewalttaten zahlenmäßig erfasst wurden, die sich schon mehrere Monate vorher ereignet haben können. Mit Blick auf diesen Verzerrfaktor ergeben sich folglich verlässliche Angaben über bestimmte Vergleichszeiträume lediglich aus der in der Studie 2008 dargestellten Tatzeitanalyse, nicht aber aus dem ansonsten von der PKS erfassten Zahlenmaterial. Auch für den Vergleichszeitraum 2009 liegt keine Tatzeitanalyse vor. Der von der Antragsgegnerin für das erste Halbjahr 2009 dargelegte weitere Rückgang von Gewalttaten im zeitlichen und örtlichen Bereich der Polizeiverordnung relativiert sich überdies deshalb, weil für das ganze Stadtgebiet 2009 ein „leichter“ Rückgang dieser Delikte (nähere Angaben hierzu konnten nicht gemacht werden) erwartet wird.
49 
Schließlich kann, wie bereits in der polizeilichen Studie 2007 hervorgehoben wird, bei der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik nicht unterschieden werden, ob die Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen wurden. Es können insoweit daher nur Erfahrungswerte (50:50) zugrunde gelegt werden. Ebenso sind Fälle häuslicher Gewalt erfasst, die mit dem verbotenen Verhalten in keinerlei Zusammenhang gebracht werden können. Entsprechendes gilt, soweit die registrierten Gewalttaten auch Personen umfassen, die, wie in der Beschlussvorlage ausgeführt, alkoholisiert der dortigen Kneipen verwiesen werden und hierauf aggressiv reagieren. Die Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Gewaltdelikte gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob der Gewalttäter bereits zu Hause „vorgeglüht“ hat und sich in alkoholisiertem Zustand ins „Bermuda-Dreieck“ begibt oder in den dortigen Kneipen und Vergnügungsstätten Alkohol zu sich nimmt und anschließend aggressiv und gewalttätig wird oder tatsächlich zu der Gruppe der Normunterworfenen zählt.
50 
Ist die Antragsgegnerin daher mangels genügend abgesicherter Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte bzw. über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt allenfalls ein Gefahrenverdacht vor.
51 
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf, dass angesichts der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Körperverletzungen im „Bermuda-Dreieck“ auch ein Weniger an gesicherten Erkenntnissen hinzunehmen und ihr insoweit eine Erprobungsphase einzuräumen sei.
52 
Die Antragsgegnerin ist als kommunale Verordnungsgeberin an die Vorgaben des § 10 Abs. 1 PolG gebunden; ein Erprobungsspielraum bei der Beurteilung, ob die bisherigen Erkenntnisse eine abstrakte Gefahr belegen oder nicht, kommt ihr nicht zu (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O., S. 95 f. <96>; a.A. Faßbender, Alkoholverbote durch Polizeiverordnungen: per se rechtswidrig?, NVwZ 2009, 563 f.). Davon abgesehen war sie aufgrund der unbeanstandet gebliebenen, zeitlich befristeten Vorläuferfassung der Polizeiverordnung in der Lage, Erkenntnisse zu sammeln, die jedoch - wie dargelegt - die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht stützen.
53 
Der Senat verkennt nicht, dass die sich häufenden Alkoholexzesse gerade unter jungen Menschen ein gesellschaftliches Problem darstellen, denen auf verschiedenen Wegen begegnet werden muss. Es kann daher auch im Bereich der Gefahrenvorsorge ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Dies setzt aber eine Risikobewertung voraus, zu der nur der Gesetzgeber berufen ist. Nur er ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Beachtung grundrechtlicher Vorgaben die Rechtsgrundlagen für abstrakt-generelle Grundeingriffe zu schaffen, mit denen an einzelnen Brennpunkten Risiken vermindert werden sollen. Eine derart weitreichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht der Polizeibehörde nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
54 
Der Antragsgegnerin bleibt nach wie vor die Möglichkeit, den notwendigen Schutz der Bevölkerung vor den von alkoholisierten Personen ausgehenden Gefahren mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium zu gewährleisten und etwa mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen. Auch Massenbesäufnisse auf öffentlichen Plätzen (sog. Botellón-Veranstaltungen) können auf der Grundlage des Polizeigesetzes untersagt werden, ohne dass es des Rückgriffs auf eine Polizeiverordnung bedarf. Das Jugendschutzgesetz, das Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit ohnehin nicht gestattet (§ 9 Abs. 1), bietet darüber hinaus ein Handhabe gegen jugendliche „Rucksacktrinker“. Auch kann für einzelne öffentliche Einrichtungen eine entsprechende Einrichtungssatzung bzw. Benutzungsordnung erwogen werden. Der Antragsgegnerin ist es schließlich unbenommen, ihre im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen sonstigen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, über die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit, Projekte mit sozialarbeiterischer oder jugendpflegerischer Ausrichtung und „Gefährderansprachen“) weiter zu verfolgen und diese Präventionsprojekte auszuweiten.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 28. Juli 2009
58 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
25 
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr ist gewahrt.
26 
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wird nach dieser Regelung jeder natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die Polizeiverordnung oder der auf sie gestützte Vollzugsakt an den Antragsteller adressiert ist, d.h. für diesen ein polizeiliches Verbot oder Gebot statuiert (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, 2007, RdNr. 633). Dies ist hier der Fall. Der 1982 geborene Antragsteller ist Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie sein Büro innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. In seiner Freizeit, insbesondere auch in den späten Abendstunden an Wochenenden, ist er nach seinen eigenen Angaben regelmäßiger Besucher der im sog. „Bermuda-Dreieck“ gelegenen Plätze, auf denen er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss aufhält. Er wird dabei in dem von der Polizeiverordnung zeitlich umfassten Umfang mit dem Alkoholverbot konfrontiert und kann daher, ungeachtet des übergreifenden Anliegens, das er als Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen offensichtlich verfolgt, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein.
27 
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die zur Überprüfung gestellte Vorschrift des § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22.07.2008 - PolVO - ist zwar ordnungsgemäß zustande gekommen (2.1) und verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (2.2). Sie ist jedoch nicht durch die polizeiliche Generalermächtigung in § 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1 PolG gedeckt, weil sie nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dient (2.3).
28 
2.1. Formelle Bedenken gegen die Polizeiverordnung der Antragsgegnerin sind weder geltend gemacht, noch ersichtlich. Die Polizeiverordnung ist mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt. Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung sowohl in der Badischen Zeitung als auch im Amtsblatt der Antragsgegnerin liegt ebenfalls vor.
29 
2.2 Auch genügt die Regelung entgegen der Auffassung des Antragstellers dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die darin verwendeten Begriffe und Tatbestandsmerkmale sind hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 f.> sowie Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f. m.w.N. und Normenkontrollbeschluss des Senats vom 29.04.1983 - 1 S 1/83 -, VBlBW 1983, 302 f.).
31 
Diesen Anforderungen wird die Bestimmung des § 2 Abs. 1 der Polizeiverordnung gerecht, auch soweit sie nicht lediglich den Alkoholkonsum, sondern darüber hinaus verbietet, „alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen“. Für den Betroffenen erkennbar nicht erfasst wird durch die Verbotsnorm das einfache Durchqueren der zum Geltungsbereich der Verordnung gehörenden Örtlichkeiten mit zuvor eingekauftem Alkohol, wenn nicht beabsichtigt ist, diesen dort konsumieren zu wollen. Auch das Verweilen mit mitgeführtem Alkohol ohne Konsumabsicht unterfällt nicht dem § 2 Abs. 1 PolVO. Verboten ist dagegen das Mitsichführen von alkoholischen Getränken, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese an Ort und Stelle zu konsumieren. Die Bezugnahme auf eine Absicht des Handelnden widerspricht nicht dem Bestimmtheitsgebot, wie insbesondere die zahlreichen Vorschriften des Strafrechts zeigen, die ein Handeln dann unter Strafe stellen, wenn es in einer bestimmten - oft nur anhand von Indizien - feststellbaren Absicht geschieht. Da konkrete äußere Umstände (wie mitgebrachte Trinkgefäße, Strohhalme, bereits geöffnete Flaschen) diese Absicht belegen müssen, ist diese Regelung noch hinreichend bestimmt. Mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 27720/06 -, VBlBW 2008, 134 ff.). Auch hinsichtlich des zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs des Alkoholverbots sind Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots nicht ersichtlich. Durch den der Regelung beigefügten Lageplan und die genaue Bezeichnung der erfassten Straßen und Plätze ist die räumliche Festlegung des Verbotsgebiets hinreichend erkennbar.
32 
2.3 Die angegriffene Bestimmung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO ist jedoch deshalb unwirksam, weil sie sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung in § 10 i.V.m. § 1 PolG hält. Denn das verbotene Verhalten stellt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin eine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht dar.
33 
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f., BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
34 
Der Gefahrenbegriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotential“. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Diese lässt sich auch nicht dahingehend erweiternd auslegen, dass der Exekutive eine „Einschätzungsprärogative“ in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
35 
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich dabei von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.), durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zu erwarten sein (vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.1998 - 1 S 2272/97 -, VBlBW 1999, 101 f.). Denn es liegt im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
36 
Gemessen an diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Zeit und Ort verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte zur Folge hat. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewalt begründen lediglich einen Gefahrenverdacht. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die Ermächtigungsgrundlage in § 10 i.V.m. § 1 PolG aber nicht gedeckt.
37 
Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Polizeiverordnung bewogen haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Erkenntnisse wie diejenigen der örtlichen Polizei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Polizeiverordnung der Gewaltdelinquenz begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich darauf (vgl. Beschluss-Vorlage des Gemeinderats, Drucksache G-08/148), dass im „Bermuda-Dreieck“ der Konsum von mitgebrachtem Alkohol zur Begehung von Körperverletzungsdelikten führe; der Alkoholkonsum stelle - zwar nicht grundsätzlich, aber in diesem räumlich abgegrenzten Bereich der Innenstadt Freiburgs - eine abstrakte Gefahr für das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Nach den Erfahrungen der Polizei sei Alkoholisierung häufig die Ursache für gewalttätige Auseinandersetzungen. Im Jahr 2007 seien 43 % der Tatverdächtigen in der Freiburger Altstadt unter Alkoholeinfluss gestanden, im Jahr 2008 sogar 60 %. Im „Bermuda-Dreieck“, das ungefähr ein Zehntel der Freiburger Altstadt umfasse, sei die Anzahl der Gewaltdelikte im Vergleich zur restlichen Altstadt überproportional hoch. Hier seien sowohl 2007 als auch 2008 fast 50 % aller Gewaltstraftaten in der Altstadt begangen worden. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein begehrter Aufenthaltsort insbesondere junger Menschen. Zu beobachten seien dabei Gruppen, die von vornherein nicht den Besuch der dortigen Kneipen oder anderer Vergnügungsstätten beabsichtigten, sondern diesen Ort als gesellschaftlichen Treffpunkt nutzen wollten und dabei Alkohol in erheblichen Mengen konsumierten. Andere, insbesondere Jugendliche, träfen sich dort zunächst zum sogenannten „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen bereits alkoholisiert aufzusuchen. Dies werde ihnen von Türstehern aufgrund ihres erheblichen Alkoholisierungsgrades oftmals verwehrt. Viele Betroffene reagierten hierauf aggressiv. Dasselbe gelte für Personen, die alkoholisiert der Kneipen verwiesen würden. Nach den Erfahrungen der Polizei sei das Zusammentreffen abgewiesener und verwiesener Personen eine häufige Ursache gewalttätiger Auseinandersetzungen. Seit Erlass der Polizeiverordnung seien die Gewaltstraftaten im gesamten Stadtteil Altstadt gesunken, auch im örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung.
38 
Die Antragsgegnerin stützt sich für die dargelegten Erwägungen auf folgende polizeiliche Untersuchungen:
39 
- die Studie 2007 „Gewaltdelinquenz im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Freiburg, Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten“, die als Anlage 3 zur Drucksache G-07/185 Bestandteil der Beschlussvorlage des Gemeinderats bei der Abstimmung über die Vorläuferfassung vom 23.12.2007 war,
40 
- die Studie 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“, die als Anlage 2 Bestandteil der Beschlussvorlage vom 07.07.2008, Drucksache G-08/148 vom Juni 2008 war.
41 
Die Studie 2007 basiert auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten Delikte. Dabei handelt es sich um eine Ausgangsstatistik, was bedeutet, dass die Fälle erst nach Abschluss der Ermittlungen und vor Abgabe an die Justiz in der PKS erfasst werden. Dadurch ergibt sich in zeitlicher Hinsicht ein Verzerrfaktor, der - worauf in den polizeilichen Untersuchungen hingewiesen wird - bei der Betrachtung der Ergebnisse mitberücksichtigt werden muss. Der Studie zufolge registrierte die Polizeidirektion in der Freiburger Innenstadt in den letzten Jahren einen überproportionalen Anstieg von Gewaltdelikten. In einer Anmerkung wird ausgeführt, dass die - hiervon auch erfassten - Fälle der häuslichen Gewalt in allen Stadtteilen etwa mit gleichen Anteilen registriert worden seien. Im innerstädtischen Bereich liege der Anteil leicht unter dem Durchschnitt, da in diesem Bereich die Wohndichte niedriger sei. Hingewiesen wird auch darauf, dass bei der Auswertung der PKS-Dateien nicht unterschieden werden könne, ob die registrierten Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen worden seien. Hier seien Erfahrungswerte zugrunde zu legen, nach denen sich der Anteil gleichmäßig mit ca. 50:50 verteile. Bei einer Feinanalyse des Stadtteils Altstadt, so die Studie, würden die Straßen im und rund um das „Bermuda-Dreieck“ als Brennpunkte deutlich. Die Auswertung der relevanten Tattage zeige, dass an den Wochentagen von Freitag bis Montag die meisten Straftaten zu verzeichnen seien und die Gewaltdelikte insbesondere in der Zeit zwischen 00.00 bis 05.00 Uhr verübt würden. Die Alkoholbeeinflussung sei je nach Deliktsart sehr unterschiedlich. Der 7-Jahres-Durchschnitt (2000 - 2006) des Anteils an alkoholisierten Tatverdächtigen habe bei den Straftaten in der Stadt bei insgesamt 9,9 % gelegen, für den Bereich der Altstadt bei etwas über 10,5 %. Rund bei der Hälfte (43,0 %) der in der Freiburger Altstadt registrierten Körperverletzungsdelikte im ersten Halbjahr 2007 hätten die Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss gestanden (vgl. S. 14 der Anlage 3 der Beschlussvorlage 2007).
42 
In der Studie 2008 wurde die Gewaltphänomenologie durch eine Tatzeitbetrachtung dargestellt, d.h. es wurden nur die Gewaltstraftaten für die Auswertung herangezogen, die tatsächlich im Zeitraum Januar bis Mai 2008 begangen wurden. Entscheidend war hier die Tatzeit und nicht wie bei der PKS- Auswertung das Erfassungsdatum. Gleichzeitig wurde eine Tatzeitanalyse für den Vergleichszeitraum Januar bis Mai 2007 erstellt und so ein Vergleich mit der Situation vor Inkrafttreten der Polizeiverordnung angestellt, um die Auswirkungen des Verbots sichtbar zu machen. Nach der Studie 2008 wurden in den ersten 5 Monaten des Jahres 2008 256 Straftaten im Vergleich zu insgesamt 273 Straftaten im Vergleichszeitraum 2007 erfasst; dies entspricht einem Rückgang von 7 % (= 17 Straftaten). Die Untersuchung zeige nach wie vor einen Schwerpunkt im Bereich der Kaiser-Joseph-Straße und im „Bermuda-Dreieck“ sowie auf den Zu- und Abwanderungsstraßen. Von den 256 Gewaltdelikten im Stadtteil Altstadt seien 120 Delikte im örtlichen Definitionsbereich der Polizeiverordnung begangen worden, davon 69 auch im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Das entspreche einem Anteil von 25 %. Der Studie zufolge sollen im Verbotsbereich die Gewaltstraftaten von 126 im Jahr 2007 auf 120 im Jahr 2008 zurückgegangen sein. Die Untersuchung der Tatzeitpunkte ergebe weiterhin Spitzen an Samstagen und Sonntagen, insbesondere um 03.00 und 05.00 Uhr. Insgesamt hätten sich 69 der 120 Gewaltstraftaten im Verbotsbereich auch im zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung, also am Wochenende, abgespielt; das entspreche im Vergleich zum Vorjahr (82 Taten) einem Rückgang von 13 Gewaltstraftaten und damit um 16 %. Bezüglich des Einflusses von Alkohol enthält die Studie die Feststellung, dass 60 % der registrierten Täter alkoholisiert gewesen seien gegenüber 43 % im Vorjahr. Die registrierten Täter seien überwiegend männlich (82 %) und zwischen 21 und 30 Jahren alt.
43 
Außerdem hat der Vertreter der Polizeidirektion Freiburg - auf aktuelle Zahlen angesprochen - in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass auf der Basis der polizeilichen Kriminalstatistik im „Bermuda-Dreieck“ im Jahr 2009 nochmals ein weiterer Rückgang an Gewaltdelikten von ca. 25 % zu verzeichnen sei. Allerdings seien im ganzen Stadtgebiet die Gewaltdelikte ebenfalls leicht rückläufig gewesen. Eine Tatzeitanalyse liege insoweit nicht vor.
44 
Diese von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten polizeilichen Erkenntnisse lassen nicht den Schluss zu, dass gerade das verbotene Verhalten - der Genuss mitgebrachten Alkohols im Geltungsbereich der PolVO - regelmäßig und typischerweise die Gefahr von Körperverletzungen mit sich bringt. Aufgrund der polizeilichen Studien sind zwar Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewaltdelikten nicht auszuschließen; sie begründen jedoch allenfalls einen Gefahrenverdacht, nicht aber eine abstrakte Gefahr im oben dargelegten Sinne.
45 
Dass Alkoholgenuss generell zu Aggressivität führt, widerspricht schon der Lebenserfahrung und wird von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Vielmehr hängt es von den äußeren Umständen, den individuellen Gegebenheiten und Befindlichkeiten sowie den situativen Einflüssen ab, welche Wirkungen der Alkoholgenuss bei dem Einzelnen zeigt. Auch die kriminologische Forschung hat verschiedene Erklärungsmodelle für die in den polizeilichen Kriminalitätsstatistiken festgestellten Beziehungen zwischen Alkohol und Gewaltdelinquenz (vgl. Schwind, Kriminologie, 18. Auflage, 2008, § 26 Rn. 30 f.; Kaiser, Kriminologie, 3. Auflage, 1996, § 54 Rn. 22 f.). Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob überhaupt eine kausale Beziehung oder nicht vielmehr ein „Scheinzusammenhang“ besteht. Denn es könne auch möglich sein, dass sich Alkoholtäter leichter überführen ließen und daher bei den polizeilichen Erhebungen überrepräsentiert seien (Kaiser, a.a.O. Rn. 23). In dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht des Bundesministeriums der Justiz von 2006 wird festgestellt (S. 287, unter 3.5.3.1), dass die Alkoholisierung von Beteiligten bei der Entstehung von Straftaten „im Einzelfall“ eine mitursächliche, auslösende, begünstigende oder begleitende Rolle spielt. Der Alkoholeinfluss könne jedoch nur selten als einzige Ursache herausgearbeitet werden.
46 
Nichts grundlegend anderes ergibt sich für den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass jedenfalls im „Bermuda-Dreieck“ das verbotene Verhalten vor dem Hintergrund der dortigen Verhältnisse - wie Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle und vermeintliche Provokationen - die prognostizierten Auswirkungen hat, wird der Nachweis einer abstrakten Gefährlichkeit des verbotenen Verhaltens durch die polizeilichen Studien nicht erbracht (kritisch zu dem in diesem Bereich behaupteten Ursachenzusammenhang der Kriminologe Prof. Hefendehl, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg, Leserbrief zum Beitrag Faßbender, NVwZ 11/2009, IX). Nicht geklärt ist dabei vor allem, welche Bedeutung dem Faktor Alkohol neben zahlreichen anderen Ursachen zukommt.
47 
Der Nachweis einer abstrakten Gefahr kann schließlich auch nicht durch den seit Einführung der Verbotsnorm festgestellten Rückgang der Gewaltdelikte um lediglich 16 % (= 13 von 69 im zeitlichen und örtlichen Verbotsbereich festgestellten Gewaltstraftaten) erbracht werden. Der Rückschluss, von dem Normunterworfenen gehe typischerweise und regelmäßig die Gefahr von Gewaltdelikten aus, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ein massiver Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung zu verzeichnen wäre. Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Selbst wenn man, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, einzukalkulieren hat, dass die ständige Polizeipräsenz auch ein verändertes Anzeigeverhalten zur Folge gehabt haben kann, belegt der festgestellte Rückgang keinesfalls, dass sich aufgrund des verbotenen Verhaltens in aller Regel eine Gefahrenlage ergibt.
48 
Im Übrigen kommt dem zugrunde gelegten statistischen Material ohnehin nur eine beschränkte Aussagekraft zu. Zum einen ist, wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht, die verfügbare Datenmenge der Polizei zu gering, um hieraus ein empirisch gesichertes Ergebnis abzuleiten und den dargelegten Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung verlässlich nachzuweisen. Zum anderen ist das in die Untersuchung eingestellte Zahlenmaterial als solches nicht hinreichend aussagekräftig für die Frage, wie viele Gewaltdelikte gerade aufgrund des verbotenen Verhaltens vor und nach Erlass der Polizeiverordnung im „Bermuda-Dreieck“ zu verzeichnen waren. Bei der Auswertung der polizeilichen Studien ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Studie 2007 sowie die neuesten, in der mündlichen Verhandlung dargelegten polizeilichen Untersuchungen auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Delikte basieren. Nach den eigenen Angaben des Vertreters der Polizeidirektion, die sich mit den Hinweisen aus der polizeilichen Studie 2007 decken, geben die aus der PKS übernommenen Zahlen keinen Aufschluss darüber, wann genau sich die Gewalttaten ereignet haben. Hier geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass in der - auf den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abstellenden - Kriminalstatistik Gewalttaten zahlenmäßig erfasst wurden, die sich schon mehrere Monate vorher ereignet haben können. Mit Blick auf diesen Verzerrfaktor ergeben sich folglich verlässliche Angaben über bestimmte Vergleichszeiträume lediglich aus der in der Studie 2008 dargestellten Tatzeitanalyse, nicht aber aus dem ansonsten von der PKS erfassten Zahlenmaterial. Auch für den Vergleichszeitraum 2009 liegt keine Tatzeitanalyse vor. Der von der Antragsgegnerin für das erste Halbjahr 2009 dargelegte weitere Rückgang von Gewalttaten im zeitlichen und örtlichen Bereich der Polizeiverordnung relativiert sich überdies deshalb, weil für das ganze Stadtgebiet 2009 ein „leichter“ Rückgang dieser Delikte (nähere Angaben hierzu konnten nicht gemacht werden) erwartet wird.
49 
Schließlich kann, wie bereits in der polizeilichen Studie 2007 hervorgehoben wird, bei der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik nicht unterschieden werden, ob die Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen wurden. Es können insoweit daher nur Erfahrungswerte (50:50) zugrunde gelegt werden. Ebenso sind Fälle häuslicher Gewalt erfasst, die mit dem verbotenen Verhalten in keinerlei Zusammenhang gebracht werden können. Entsprechendes gilt, soweit die registrierten Gewalttaten auch Personen umfassen, die, wie in der Beschlussvorlage ausgeführt, alkoholisiert der dortigen Kneipen verwiesen werden und hierauf aggressiv reagieren. Die Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Gewaltdelikte gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob der Gewalttäter bereits zu Hause „vorgeglüht“ hat und sich in alkoholisiertem Zustand ins „Bermuda-Dreieck“ begibt oder in den dortigen Kneipen und Vergnügungsstätten Alkohol zu sich nimmt und anschließend aggressiv und gewalttätig wird oder tatsächlich zu der Gruppe der Normunterworfenen zählt.
50 
Ist die Antragsgegnerin daher mangels genügend abgesicherter Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte bzw. über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt allenfalls ein Gefahrenverdacht vor.
51 
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf, dass angesichts der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Körperverletzungen im „Bermuda-Dreieck“ auch ein Weniger an gesicherten Erkenntnissen hinzunehmen und ihr insoweit eine Erprobungsphase einzuräumen sei.
52 
Die Antragsgegnerin ist als kommunale Verordnungsgeberin an die Vorgaben des § 10 Abs. 1 PolG gebunden; ein Erprobungsspielraum bei der Beurteilung, ob die bisherigen Erkenntnisse eine abstrakte Gefahr belegen oder nicht, kommt ihr nicht zu (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O., S. 95 f. <96>; a.A. Faßbender, Alkoholverbote durch Polizeiverordnungen: per se rechtswidrig?, NVwZ 2009, 563 f.). Davon abgesehen war sie aufgrund der unbeanstandet gebliebenen, zeitlich befristeten Vorläuferfassung der Polizeiverordnung in der Lage, Erkenntnisse zu sammeln, die jedoch - wie dargelegt - die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht stützen.
53 
Der Senat verkennt nicht, dass die sich häufenden Alkoholexzesse gerade unter jungen Menschen ein gesellschaftliches Problem darstellen, denen auf verschiedenen Wegen begegnet werden muss. Es kann daher auch im Bereich der Gefahrenvorsorge ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Dies setzt aber eine Risikobewertung voraus, zu der nur der Gesetzgeber berufen ist. Nur er ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Beachtung grundrechtlicher Vorgaben die Rechtsgrundlagen für abstrakt-generelle Grundeingriffe zu schaffen, mit denen an einzelnen Brennpunkten Risiken vermindert werden sollen. Eine derart weitreichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht der Polizeibehörde nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
54 
Der Antragsgegnerin bleibt nach wie vor die Möglichkeit, den notwendigen Schutz der Bevölkerung vor den von alkoholisierten Personen ausgehenden Gefahren mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium zu gewährleisten und etwa mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen. Auch Massenbesäufnisse auf öffentlichen Plätzen (sog. Botellón-Veranstaltungen) können auf der Grundlage des Polizeigesetzes untersagt werden, ohne dass es des Rückgriffs auf eine Polizeiverordnung bedarf. Das Jugendschutzgesetz, das Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit ohnehin nicht gestattet (§ 9 Abs. 1), bietet darüber hinaus ein Handhabe gegen jugendliche „Rucksacktrinker“. Auch kann für einzelne öffentliche Einrichtungen eine entsprechende Einrichtungssatzung bzw. Benutzungsordnung erwogen werden. Der Antragsgegnerin ist es schließlich unbenommen, ihre im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen sonstigen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, über die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit, Projekte mit sozialarbeiterischer oder jugendpflegerischer Ausrichtung und „Gefährderansprachen“) weiter zu verfolgen und diese Präventionsprojekte auszuweiten.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 28. Juli 2009
58 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 01.02.2007 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 23.01.2007 wird mit folgenden Maßgaben wiederhergestellt:

1. Die Lärmemissionen sind auf das notwendige Maß zu reduzieren. Die Immissionsrichtwerte "Außen" gemessen an der dem K.- Haus zugewandten Außenwand des nächstgelegenen Wohnhauses werden festgesetzt auf tagsüber 60 dB (A) und nachts 45 dB (A). Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr.

2. Zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen hat der Antragsgegner als untere Verkehrsbehörde eine Anordnung nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO zu treffen, nach der das Befahren der R.-Straße mit Kraftfahrzeugen am 03.02.2007 ab 22.00 Uhr bis zum 04.02.2007 um 8.00 Uhr untersagt wird.

3. Der Parkplatz bei der Veranstaltungsstätte darf durch Mitglieder und Mitarbeiter des Veranstalters, d.h. nicht durch Besucher, am 03.02.2007 bis 22.00 Uhr angefahren werden.

4. Es ist ein Ordnerdienst einzurichten, der den Zu- und Abgangsverkehr (PKW und Fußgänger) regelt und auf die Besucher des KKH dahingehend einwirkt, das verkehrsrechtliche Verbot zu beachten und unnötige Lärmbelästigung und Verunreinigung der Vorgärten etc. der Anwohner zu vermeiden.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/2, der Antragsgegner zu 1/4 und die Beigel. zu 3. - 10. je zu 1/32. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. - 10. tragen diese zu 1/2 selbst; im Übrigen der Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- festgesetzt.

Gründe

1

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 23.01.2007 für eine vom Antragsteller im ehemaligen K.- Hauses W. in der Zeit vom 03.02.2007, 19.00 Uhr, bis zum 04.02.2007, 04.00 Uhr, geplante Veranstaltung abgelehnt. Das Interesse des Antragsgegners am sofortigen Vollzug der Nutzungsuntersagung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Durchführung der Veranstaltung, da er im Widerspruchverfahren und einem sich eventuell anschließenden Hauptsacheverfahren die Aufhebung der Verfügung nicht erreichen könne. Für die geplante Nutzung des Gebäudes bestehe keine bauaufsichtliche Zulassung und die formelle Illegalität der Nutzung rechtfertige den Erlass der streitgegenständlichen Verfügung. Auch wenn es sich bei der Veranstaltung um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG handeln sollte, könne diese nicht in einem für diesen Zweck baurechtlich nicht genehmigten Gebäude durchgeführt werden.

2

Die hiergegen gerichtete zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.

3

Zu Recht verweist das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebende Beschwerdevorbringen auf den nach Auffassung des Antragstellers bestehenden Charakter der geplanten streitgegenständlichen Veranstaltung als Versammlung i.S.v. Art. 8 GG.

4

Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - BVerfGE 104, 92 = DVBl 2002, 256). In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen Versammlungen auch dann, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen und diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit der Ziel der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung eingesetzt werden. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfasst, wenn sie sich z.B. dafür einsetzen, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden. Andererseits wird eine solche Veranstaltung nicht allein dadurch zu einer Versammlung i.S.v. Art. 8 GG, das bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die rechtliche Beurteilung danach zu richten, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder ob der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund steht. Bleiben Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01 -, NJW 2001, 2459).

5

Bei Anwendung der o.g. Grundsätze spricht einiges dafür, dass es sich bei der vom Antragsteller geplanten Veranstaltung mit dem beschriebenen Inhalt um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 GG handelt.

6

Nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung führt der Antragsteller die Versammlung eine Woche vor der Landratswahl mit den zwei Schwerpunkten "Freie Willensbildung zum Thema "Abbau der Freizeitangebote für jüngere Menschen"" und "Vorstellung des Landratskandidaten der A. - Partei" durch. Der Antragsteller will insbesondere auf die besondere Situation der Jugendlichen im Landkreis, namentlich das Fehlen des vorgesehenen Veranstaltungsorts als Treffpunkt für Jugendliche hinweisen. Er möchte hierzu während der gesamten Dauer der Veranstaltung eine Unterschriftenaktion durchführen. Sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung würden ausschließlich von Mitgliedern des Antragstellers erbracht und es werde kein Eintrittsgeld erhoben. Neben dem Landratskandidaten würden Mitglieder des Bundestages und des Landtages mit Wortbeiträgen an der politischen Willensbildung mitwirken und sämtliche Räume des K.- Hauses würden mit Fahnen, Plakaten und Flyern tapeziert.

7

Zweifel am Versammlungscharakter der Veranstaltung bestehen allerdings im Hinblick auf den geplanten Zeitrahmen der Veranstaltung von 19.00 Uhr bis 04.00 Uhr, für den sich der Anteil an Meinungskundgaben im Verhältnis zu Vergnügungsanteilen weder aus den Darlegungen des Antragstellers hinreichend deutlich ergibt noch im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufklären lässt. Erweist sich der Versammlungscharakter der Veranstaltung danach als offen, gebieten die o.g. Grundsätze, die Veranstaltung als Versammlung zu behandeln.

8

Dies ist im Rahmen der auf § 80 Abs. 2 LBauO M-V gestützten Nutzungsuntersagungsverfügung durch den Antragsgegner zu treffenden Ermessenentscheidung einzustellen, da er durch die Verfügung die konkrete Veranstaltung untersagt hat. Ob dies auch dann gelten würde, wenn der Antragsgegner eine allgemeine Nutzungsuntersagung ausgesprochen hätte mit dem Inhalt, dass eine typisierte Nutzung generell untersagt wird, kann dahinstehen, da er eine solche Anordnung nicht erlassen hat.

9

Auch wenn der Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung insoweit zutreffend meint, dass dies nicht dazu führen könne, dass sämtliche anderen öffentlich-rechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter hintan stehen müssten und Bestimmungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts nicht außer Kraft gesetzt werden könnten, müssen auch Maßnahmen ohne unmittelbaren Bezug zum Versammlungsrecht - soweit sie im Ergebnis zu Beschränkungen der Ausübung der Versammlungsfreiheit führen - inhaltlich auch mit Rücksicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit legitimiert werden können. Soweit Ermächtigungsnormen primär Ordnungscharakter haben, im konkreten Fall aber nicht zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder andere wichtige Rechtsgüter dienen, reichen sie regelmäßig nicht als Rechtsgrundlage, um die Ausübung der Versammlungsfreiheit beschränken zu können. Ist es aber möglich, die Modalitäten der Durchführung der Versammlung ohne Gefährdung des Versammlungszwecks zu ändern und den Normen dadurch Rechnung zu tragen, so treten sie nicht in ihrer Anwendung zurück (vgl. Hoffmann-Riem in Alternativ - Kommentar zum Grundgesetz für die BRD - AK -, Art. 8 Rn. 30 und 55).

10

Ob bei Anwendung dieser Grundsätze die streitgegenständliche Verfügung dem Schutzbereich des Art. 8 GG hinreichend Rechnung trägt, kann offen bleiben. Denn zum einen dient sie erkennbar nicht der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder anderer vergleichbarer Rechtsgüter, wirkt sich zum anderen aber als faktisches Versammlungsverbot aus, so dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung damit nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Ergebnis wenigstens als offen zu bezeichnen ist. Die in diesem Fall vom Gericht zu treffende Abwägung hat nach o.g. Grundsätzen zugunsten der Durchführung der Veranstaltung als Versammlung durch den Antragsteller auszugehen.

11

Allerdings sind nach o.g. Grundsätzen auch die Modalitäten der Durchführung der Versammlung zu berücksichtigen, um dem Ordnungsrecht Rechnung zu tragen. Die in diesem Zusammenhang zu prüfenden Auflagen für die Durchführung der Versammlung liegen dabei im Gestaltungsermessen des Gerichts. Zu berücksichtigen sind dabei Aspekte des vom Verwaltungsgericht angeführten baurechtlichen Rücksichtsnahmegebots und hier insbesondere die Vermeidung unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen für die Anwohner. Denn insoweit hat das Baurecht hinter dem Versammlungsrecht jedenfalls dann nicht zurückzutreten, wenn letzteres durch die einschränkenden Auflagen nur am Rande berührt wird. Zum Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen durch die Veranstaltung im und am Gebäude selbst sind die sich aus der TA - Lärm ergebenden Grenzwerte gemäß Ziffer 1. der Auflagen im Beschlusstenor einzuhalten. Die unter Ziffern 2. bis 4. erteilten Auflagen sind zum Fernhalten der Lärmbeeinträchtigungen durch Park- und Parksuchverkehr in der R.-Straße zur Nachtzeit erforderlich. Diese Auflagen erscheinen für die Beteiligten auch zumutbar; sie entsprechen im Wesentlichen der Vereinbarung vom 27.12.2005. Durch die vorgesehene verkehrsrechtliche Anordnung sind sie notfalls auch hoheitlich durchsetzbar.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs.3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die Beschlagnahme ihrer Fahrzeuge samt Ladung rechtswidrig war.
Im Vorfeld des für den 18.10.2000 geplanten Brennelemente-Transportes (sog. „Castor-Transport“) vom Kernkraftwerk Philippsburg in die Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague riefen Kernkraftgegner der Kampagne „x 1000 mal quer“ zu verschiedenen Demonstrationen und Aktionen mit dem Ziel auf, den vorgesehenen Transport - auch durch Blockaden - zu verhindern. Am 15.10.2000 fand in Phillipsburg eine Auftaktdemonstration mit ca. 1000 Teilnehmern statt, von denen einige dem Aufruf folgten, bis zum 18.10.2000 in der Nähe des Kernkraftwerks zu verbleiben. Zu diesem Zweck hatte die Initiative „x 1000 mal quer“ auf einem Wiesengrundstück im Ortsteil Oberhausen der benachbarten Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen in ca. 7 km Entfernung vom Kernkraftwerk ein Camp errichtet. Bis zum Mittag des 16.10.2000 wurden dort zwei größere Rundzelte, mehrere Versorgungs- und Küchenzelte und ca. 40 Iglu-Zelte aufgebaut sowie vier Toilettenhäuschen aufgestellt; ca. 150 Personen hielten sich dort auf. Die Klägerin zu 1), eine in einem niederländischen Register eingetragene Vereinigung, die sich als „Kochkollektiv“ bezeichnet, war für den Betrieb der Küche und die Versorgung des Zeltlagers mit Lebensmitteln zuständig; dabei wurde sie von der Klägerin zu 2) unterstützt, die die Küche „Maulwurf“ betreibt.
Am 16.10.2000 gegen 15:10 h forderte das Landratsamt Karlsruhe die Bewohner des Zeltlagers auf, die Zelte sofort abzubrechen und sich zu entfernen. Der Sofortvollzug von Platzverweis und Räumungsverfügung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbeachtung die Anwendung von Zwangsmitteln angedroht. Außerdem wurde das Verbot ausgesprochen, an anderer Stelle ein Zeltlager zu errichten.
Nach dem Abbau der Rundzelte und des Küchenzelts wurden diese zusammen mit den Koch- und Kücheneinrichtungen und den Lebensmitteln auf das Fahrzeug der Klägerin zu 1) (niederländisches Kennzeichen: BZ-41-ZB) und auf das Fahrzeug und den Anhänger der Klägerin zu 2) (amtliche Kennzeichen: FR-CK 581, FR-JP 985) sowie ein weiteres Fahrzeug verladen. Die Küchenfahrzeuge verließen das Grundstück nach 19:00 h und legten, von der Polizei überwacht, auf der B 36 in Richtung Karlsruhe eine Strecke von ca. 5 km zurück. Dort wurden die Fahrzeuge gestoppt, beschlagnahmt und zur Salm-Kaserne in Philippsburg gebracht. Den Eigentümern wurde angeboten, dass sie jedenfalls über ein Fahrzeug verfügen könnten, wenn dieses entladen werde; das dritte Fahrzeug wurde daraufhin entladen und sodann freigegeben, während die Fahrzeuge der Klägerinnen auf dem Kasernengelände verblieben. Am folgenden Tag wurden die Fahrzeuge samt Anhänger sowie die Lebensmittel an die Klägerinnen herausgegeben, während die Beschlagnahme der Küchengerätschaften aufrechterhalten blieb.
Mit einer an die Eigentümer bzw. die Besitzer der Fahrzeuge adressierten Verfügung vom 18.10.2000 wurde die Beschlagnahme der Fahrzeuge samt der logistischen Beladung schriftlich bestätigt (Ziff. 1) und der Sofortvollzug angeordnet (Ziff. 3).; in Ziff. 2 wurde bestimmt, dass über die Fahrzeuge frei verfügt werden kann, sofern die Beladung abgeladen wird. Zur Begründung wurde auf § 33 PolG verwiesen und ausgeführt, dass die Beschlagnahme zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich sei. Mit dem Zeltlager sei eine wesentliche infrastrukturelle Basis und Voraussetzung für eine längere Unterbringung vieler Personen geschaffen worden, mit der die Bewegung über eine Plattform verfüge, um angekündigte kollektive Rechtsbrüche zu organisieren; so hätten einige Camp-Bewohner bereits an rechtswidrigen Aktionen teilgenommen. Das Camp habe offensichtlich zu einer logistischen Zentrale des Widerstands mit einer Kapazität von mehreren tausend Menschen ausgebaut werden sollen; es sei geräumt worden, um massenhafte Rechtsbrüche zu verhindern. Schließlich sei auch einer allgemeinen hygienischen bzw. Seuchengefahr begegnet worden. Nach der Auflösung des Camps und Verladung der Kücheneinrichtungsgegenstände auf die später beschlagnahmten Fahrzeuge habe der Betreiber der Küche auf die Frage nach dem nächsten Anfahrtsziel angegeben, „dass er dies noch nicht wisse, er werde von seinen Auftraggebern … noch in die nächste Örtlichkeit eingewiesen“. Deshalb sei davon auszugehen, dass an anderer Stelle im Landkreis Karlsruhe ein neues Camp errichtet werden solle. Die Beschlagnahme sei geeignet und erforderlich, um den Zweck zu erreichen, weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit aus einem Camp heraus wirksam und dauerhaft zu unterbinden. Darüber hinaus sei sie auch angemessen gewesen, da das Interesse der Besitzer der Gerätschaften zurückzutreten habe.
Gegen die Beschlagnahmeverfügung erhoben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 18.10.2000 Widerspruch. Ihre Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, soweit er die beschlagnahmten Gerätschaften betraf, wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2981/00 - abgelehnt.
Mit Verfügung vom 06.11.2000 hob das Landratsamt Karlsruhe die Beschlagnahme der mit Verfügung vom 18.10.2000 beschlagnahmten Gerätschaften und der sonstigen Ladung auf, soweit diese nicht schon herausgegeben worden war.
Am 06.08.2001 haben die Klägerinnen Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich zum einen aus der Wiederholungsgefahr; denn selbst wenn keine Transporte mehr stattfänden, sei jedenfalls mit Aktionen gegen die geplante Einrichtung eines Interims- und Zwischenlagers in Philippsburg zu rechnen. Zum anderen könne sich die Klägerin zu 1) auf ein Rehabilitierungsinteresse stützen, da im „Limburgs Dagblad“, einer niederländischen Tageszeitung, über die Beschlagnahme der Küche berichtet worden sei. Schließlich müsse es den Klägerinnen möglich sein, die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme, die sich typischerweise kurzfristig erledige, gerichtlich klären zu lassen; die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes sei hierfür nicht ausreichend. In der Sache haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, dass die angefochtene Beschlagnahmeverfügung bereits formell rechtswidrig gewesen sei. Das Landratsamt Karlsruhe sei für den Erlass der Beschlagnahme auf polizeirechtlicher Grundlage nicht zuständig gewesen; insbesondere die Voraussetzungen einer Eilzuständigkeit gem. § 67 Abs. 1 PolG hätten nicht vorgelegen. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Verfügung rechtswidrig gewesen. Das Camp habe mit den geplanten Aktionen eine untrennbare Einheit gebildet; demnach sei Art. 8 Abs. 1 GG einschlägig, da das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Vorschriften des Versammlungsgesetzes das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsäußerung und Meinungsbildung schütze. Von einem solchen inneren Zusammenhang sei auch die Beschlagnahmeverfügung ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme habe nicht mehr von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das aufgelöste Zeltlager ausgegangen werden können; die Aussage des Küchenbetreibers, er kenne das nächste Anfahrtsziel nicht, rechtfertige nicht die Annahme, an anderer Stelle könnte ein neues Camp errichtet werden.
Mit Urteil vom 18.11.2003 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klagen - dem Antrag des Beklagten folgend - als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt: Die Klägerinnen hätten ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung nicht dargelegt. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da sich keine konkreten Anhaltspunkte abzeichnen, dass ähnliche Demonstrationen in Philippsburg in absehbarer Zeit durchgeführt würden. Denn die Castor-Transporte aus dem Kernkraftwerk nach La Hague seien mittlerweile abgeschlossen, und künftig würden die Brennelemente in Interims- und Zwischenlagern auf dem Gelände des Kraftwerks in Philippsburg untergebracht. Allein die Möglichkeit, dass auch gegen diese Art der Lagerung Demonstrationen mit entsprechender Infrastruktur durchgeführt würden, sei zu ungewiss und zu wenig konkret und demnach nicht ausreichend, um eine Wiederholungsgefahr zu begründen; es sei nämlich nicht erkennbar, dass auch diese Aktionen ähnlichen Zulauf und Interesse erwecken würden, da die Fortführung des Betriebs des Kernkraftwerks in Philippsburg anders als im Oktober 2000 nicht in Frage stehe. Außerdem sei die Behördenentscheidung aufgrund des Einzelfalls ergangen und es sei nicht wahrscheinlich, dass das Landratsamt in Zukunft in vergleichbarer Weise gegen Versammlungsteilnehmer vorgehen wird. Ein Rehabilitierungsinteresse stehe den Klägerinnen ebenfalls nicht zu. Es könne weder festgestellt werden, dass die Beschlagnahme der Fahrzeuge und der Küchengegenstände selbst für die Klägerinnen eine diskriminierende Wirkung gehabt hätte, noch dass die Berichterstattung darüber in der lokalen und überregionalen Presse und einer niederländischen Zeitung geeignet gewesen sei, der Öffentlichkeit ein falsches oder gar ehrenrühriges Bild von den Klägerinnen zu vermitteln. Ein besonderes rechtliches Interesse sei auch nicht durch die Grundrechtsbetroffenheit der Klägerinnen in Verbindung mit der Rechtsweggarantie des Art.19 Abs. 4 GG anzunehmen. Die Beschlagnahme stelle keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung dar; dabei kämen tiefgreifende Grundrechtseingriffe insbesondere bei jenen Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalte. Eine vergleichbare Belastung der Klägerinnen sei nicht zu erkennen; sie seien durch die Beschlagnahme nicht in einem Grundrecht betroffen, das dem Schutz der persönlichen Sphäre oder der menschlichen Würde diene. Letztlich sei die den Klägerinnen eingeräumte Rechtsschutzmöglichkeit ausreichend gewesen. Der zeitliche Ablauf zeige, dass die Klägerinnen Gelegenheit gehabt hätten, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen; eine Beschwerde gegen den im Eilverfahren ergangenen Beschluss wäre bis zur Erledigung der Beschlagnahme noch möglich gewesen.
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Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 04.10.2004 - 1 S 1512/04 - zugelassenen Berufungen vertiefen die Klägerinnen ihr erstinstanzliches Vorbringen und tragen vor: Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspreche dem berechtigten Interesse gem. § 43 VwGO und sei nicht an zu strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Bei kurzfristiger Erledigung von Verwaltungsmaßnahmen folge es aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, der zur Vermeidung rechtsfreier Räume bei der Verletzung eines jeglichen subjektiven Rechts mindestens eine gerichtliche Instanz im Hauptsacheverfahren garantiere. Jedenfalls sei bezüglich der Klägerin zu 1) ein tiefgreifender Grundrechtseingriff deshalb gegeben, weil sie als Betreiberin der Küche durch die Beschlagnahme in ihrer Berufsausübung betroffen sei. Außerdem liege ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Klägerinnen vor, der nicht deshalb ausgeschlossen sei, weil mögliche Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht würden. Darüber hinaus sei ein Rehabilitierungsinteresse zu Unrecht abgelehnt worden, denn jeder Pressebericht über polizeiliche Maßnahmen zu Lasten einzelner habe in gewisser Weise einen diskriminierenden Charakter, weil es die Öffentlichkeit - ungeachtet der Wertung im Presseartikel - für möglich halten könne, dass der Betroffene Störer sei. Die Klagen seien auch begründet. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde sei für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung nicht zuständig gewesen; auf eine Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG könne sich das Landratsamt nicht berufen. Die Beschlagnahme habe im Zusammenhang mit der Auflösung des Camps gestanden. Die Ortspolizeibehörde hätte schon zu diesem Zeitpunkt informiert werden können und auch müssen; die unzuständige Behörde könne sich in einem solchen Fall nicht mehr auf eine Eilkompetenz berufen, wenn dies unterblieben sei und zu einem späteren Zeitpunkt das Tätigwerden der zuständigen Behörde nicht mehr erreichbar erscheine. Dies gelte umso mehr als die Beschlagnahme bereits zuvor erwogen, aber nur aus polizeitaktischen Gründen zurückgestellt worden sei. Auch materiell-rechtlich sei die Beschlagnahme rechtswidrig gewesen. Zur Beseitigung bereits eingetretener Störungen sei sie nicht erforderlich gewesen, denn das Camp sei bereits aufgelöst und die Küche verladen gewesen. Eine unmittelbar bevorstehende Störung durch den Aufbau eines neuen Camps an anderer Stelle sei nicht belegt. Auch könnten Einschätzungen, die für die Kampagne „x 1000 mal quer“ zutreffend sein mögen, nicht auf die Klägerinnen übertragen werden, da sie lediglich Eigentümerinnen der Küche, nicht aber Anhänger der Kampagne seien. Im Übrigen hätten die Klägerinnen der Polizei zugesagt, den Landkreis zu verlassen. Auf Weisungen der Kampagne hätten sie nicht gewartet; etwas anderes ergebe sich nicht aus der Aussage eines Fahrers der Betreiber der Küche, er kenne das Fahrtziel nicht.
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Die Klägerinnen beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. November 2003 - 4 K 1967/01 - zu ändern und festzustellen, dass die mit Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 16.10.2000/18.10.2000 verfügte Beschlagnahme der Kraftfahrzeuge und des Anhängers mit den amtlichen Kennzeichen BZ-41-ZW (NL), FR-CK 581 und FR-JP 985 und des Inhalts dieser Fahrzeuge rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
15 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt des Weiteren aus: Die Klagen seien auch unbegründet. Die Zuständigkeit des Landratsamts gründe sich auf die Eilkompetenz gem. § 67 Abs. 1 PolG. Seit Beginn der Auftaktkundgebung sei eine sehr komplexe polizeiliche Aufgabe wahrgenommen worden; dabei dürften auch polizeitaktische Aspekte nicht zurückstehen. Folglich dürfe der zuständigkeitsbegründende Begriff der „Gefahr im Verzug“ nicht eng ausgelegt werden. Nach der im damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsamen Einschätzung habe die Gefahr bestanden, dass sich eine Störung i. S. von § 33 PolG bei allernächster Gelegenheit wieder realisieren werde; die damalige Sicht, dass ein rechtzeitiges Tätigwerden der an sich zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar sei, sei rückblickend nicht zu beanstanden. Auch die materielle Gefahreneinschätzung sei, wie schon das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Beschluss des vorläufigen Rechtsschutzes festgestellt habe, zutreffend gewesen. Im übrigen treffe es nicht zu, dass sich die Klägerinnen rechtzeitig vor der Beschlagnahme von den Veranstaltern der Aktionstage distanziert hätten. Vielmehr hätten sie noch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Zusicherung, sich nicht mehr an vergleichbaren Aktionen unterstützend zu beteiligen, ausdrücklich abgelehnt.
16 
Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.02.2001 – 4 K 3227/00 – stellte das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die Klage eines Zeltlagerbewohners fest, dass der am 16.10.2000 ergangene Platzverweis und die Räumungsverfügung aus formellen Gründen rechtswidrig gewesen sei, da das Landratsamt Karlsruhe als sachlich unzuständige Behörde gehandelt habe.
17 
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den damaligen Einsatzleiter der Polizei, Herrn Polizeidirektor Trunk, informatorisch als amtliche Auskunftsperson angehört. Wegen des wesentlichen Inhalts seiner Aussagen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren sowie auf die dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten - auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (4 K 2981/00) und im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Räumungsverfügung (4 K 3227/00) - verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
18 
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 15.04.2005 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
19 
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen sind nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
20 
1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch behördliche Aufhebung erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.1967 - I C 49.64 -, BVerwGE 26, 161 <165>) und auch im übrigen zulässig.
21 
Einer Fristbindung unterliegt die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <206 ff.>); der zwischen Erledigung und Einreichung der Klagen verstrichene Zeitraum von lediglich 9 Monaten schließt die Annahme der Verwirkung des Klagerechts aus (siehe hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 18.12.2002 - 2 BvR 1660/00 -, NJW 2003, 1514 <1515>). Als Adressaten des streitigen Verwaltungsakts sind die Klägerinnen klagebefugt.
22 
Schließlich können sich die Klägerinnen auf das notwendige Feststellungsinteresse stützen. Dieses ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es nicht darum geht, den in einem bereits angestrengten Anfechtungsprozess getätigten Aufwand weiterhin zu nutzen, mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 <228>; Urteil vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 <209>) und umfasst anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 <4>).
23 
Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr, die ein rechtliches Interesse an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu begründen geeignet wäre, hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
24 
Die Klägerinnen berufen sich hier zunächst auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen diskriminierender Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete - Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber nicht automatisch folgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6). Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1980 - 7 C 18.79 -, BVerwGE 61, 164 <166>; Urteil vom 19.03.1992 - 5 C 44.87 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244; Urteil des erkennenden Senats vom 08.05.1989 - 1 S 722/88 -, NVwZ 1990, 378). Ob die Klägerinnen in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.04.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6, m.w.N.) in diesem Sinne noch merkliche ungünstige Nachwirkungen im beruflichen oder gesellschaftlichen Bereich plausibel dargetan haben, erscheint fraglich, kann hier aber dahinstehen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist nicht auf eine Rehabilitation im engem Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
25 
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein schutzwürdiges ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht nur in Fällen in Betracht kommt, in denen abträgliche Nachwirkungen der erledigten Verwaltungsmaßnahme fortbestehen. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung - nicht nur im Eil-, sondern auch und gerade im Hauptsacheverfahren - in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Diese Rechtsprechung ist zwar anlässlich der Fälle sogenannter prozessualer Überholung bei Eingriffen unter Richtervorbehalt entwickelt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.12.2001 - 2 BvR 527/99 u.a. -, BVerfGE 104, 220 <233>, m.w.N.), aber nicht hierauf beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <89 ff.>; Kammerbeschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 290 <292>; vom 22.02.2002 - 1 BvR 300/02 -, NJW 2002, 2225).
26 
Anknüpfend an diese Grundsätze ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 GG können die Klägerinnen zwar nicht geltend machen; dies folgt - auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung des aufgelösten Zeltlagers und den Vorwirkungen der Versammlungsfreiheit - schon aus dem persönlichen Schutzbereich des Grundrechts, das auch auf inländische juristische Personen i.S. von Art. 19 Abs. 3 GG nur in deren Eigenschaft als Veranstalter Anwendung finden kann (vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 8 Rn. 56). Auch kann sich die Klägerin zu 1 als ausländische juristische Person nicht ohne weiteres auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG berufen; hier bedürfte es ggfs. eines Rückgriffs auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, um zu einer grundrechts- und rechtsschutzbezogenen Gleichbehandlung zu gelangen (siehe hierzu Wieland in: Dreier , GG, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rn. 72 m.N.). Ob der zeitweilige Entzug der Nutzung ihrer Gerätschaften und Fahrzeuge nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung einen tiefgreifenden bzw. gewichtigen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht darstellt, mag - insbesondere angesichts der nur kurzen Dauer der Beschlagnahme - zweifelhaft erscheinen.
27 
Diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen sind indessen im Ergebnis nicht ausschlaggebend, denn eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise wird nach Ansicht des Senats der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht. Eine spezifische Grundrechtsverletzung wird, soweit von einer fortwirkenden Rechtsbeeinträchtigung abgesehen werden soll, in der Regel zu Recht gefordert, da anderenfalls wegen der durch Art. 2 Abs. 1 GG umfassend grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre des Bürgers für die besonderen Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis bei erledigtem Verwaltungshandeln letztlich kein Raum mehr bliebe (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz-Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245). Einem Rechtsstreit kann aber - bei Wahrung dieser Grundentscheidung - auch dann eine solche Bedeutung zukommen, dass unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt erscheint, wenn das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist. Dies ist hier der Fall. Denn die geltend gemachten Rechtsverletzungen, die als solche nicht bloß geringfügig sind, werden maßgeblich davon geprägt, dass sie im Zusammenhang mit der behördlichen Reaktion auf eine damals viel beachtete (Groß-)Demonstration stehen, die für die Klägerinnen angesichts ihres Selbstverständnisses eine große Symbolkraft besaß. Ein öffentliches Interesse an einer rechtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns kann als solches ein Rechtsschutzinteresse zwar nicht begründen; reflexhaft kommt es den Klägerinnen jedoch zugute, indem vor diesem Hintergrund die Anforderungen an dessen Vorliegen herabgesetzt werden.
28 
2. Die Klagen sind nicht begründet. Die Beschlagnahmeverfügung hat die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt; sie war formell und materiell rechtmäßig.
29 
a. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) war für den Erlass der Beschlagnahmeverfügung, die ihre Ermächtigungsgrundlage als sogenannte polizeirechtliche Standardmaßnahme in § 33 PolG findet, zuständig.
30 
Als Versammlungsbehörde nach der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - (vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278) war das Landratsamt hier allerdings nicht zur Entscheidung berufen.
31 
Aus der genannten Verordnung folgt nicht, dass die Zuständigkeit für alle im Umfeld einer Versammlung erforderlichen polizeilichen Maßnahmen in der Hand der Kreispolizeibehörde als Versammlungsbehörde konzentriert werden. Sie beschränkt deren Zuständigkeit zum einen auf die Durchführung des Versammlungsgesetzes, d.h. auf Maßnahmen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Versammlungsgesetz findet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), zum anderen auf Maßnahmen auf Grund des Polizeigesetzes, die der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Vorschriften und Anordnungen dienen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2); hierzu zählen insbesondere Auflagen als sogenannte Minus-Maßnahmen i. S. von § 15 VersG. Eine Maßnahme, die an versammlungsrechtliche Anordnungen anknüpft, liegt hier nicht vor.
32 
Die Auflösung des Zeltlagers wurde zu Recht nicht auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes verfügt. Denn das Camp erfüllte die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs der Versammlung, die durch den Zweck gemeinsamer Meinungsbildung und -kundgabe geprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <343 ff.>, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>), nicht; vielmehr diente es als Obdach seiner Bewohner und als Ausgangsbasis für die in den folgenden Tagen beabsichtigten Demonstrationen, die ihrerseits auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit abzielten (siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 23.09.1991 - 5 B 254/91 -, NVwZ-RR 1992, 360). Wollte man allein in der Anwesenheit der Lagerbewohner eine Art „konkludente Solidaritätsadresse“ zugunsten der Demonstrationsteilnehmer erblicken, verlöre das Erfordernis der gemeinschaftlichen Meinungsäußerung jegliche Konturen (siehe hierzu auch das den Beteiligten bekannte Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 -). Die Beschlagnahme als Folgemaßnahme diente demnach auch nicht der Durchsetzung versammlungsrechtlicher Anordnungen.
33 
Dieser rechtlichen Einordnung steht nicht entgegen, dass das Zeltlager als „logistische Basis“ einen engen Bezug zu den gegen den Castor-Transport gerichteten Versammlungen hatte, die ungeachtet der beabsichtigten Blockade-Aktionen weiterhin als i. S. v. Art. 8 Abs. 1 GG friedliche Demonstrationen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit standen (BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <105 f.>).
34 
Zwar hat das Grundrecht der Versammlungsfreiheit im Interesse seiner Effektuierung auch Vorwirkungen. Die genaue Reichweite des grundrechtlichen Vorfeldschutzes ist aber für die einfachgesetzliche Frage der behördlichen Zuständigkeit ohne Bedeutung. Denn der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>).
35 
Das Landratsamt als die der originär - als allgemeine Polizeibehörde -zuständigen Ortspolizeibehörde (§ 61 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 4 Satz 1, § 66 Abs. 2 PolG) übergeordnete Fachaufsichtsbehörde (§ 64 Nr. 3 b PolG) konnte sich aber auf eine Eilzuständigkeit nach § 67 Abs. 1 PolG stützen.
36 
Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes war hier eröffnet. Inwieweit das Polizeigesetz bei Vorfeldmaßnahmen, die den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG berühren, insbesondere wegen der Anforderungen des Zitiergebotes (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) nur eingeschränkt anwendbar ist (siehe hierzu Deger, NVwZ 1999, 265 <267>; Kniesel, NJW 2000, 2857 <2862 f.>), kann hier offenbleiben. Denn ungeachtet der inhaltlichen Nähe zu den geplanten Demonstrationen ist das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht berührt. Art. 8 Abs. 1 GG schützt den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <349>; Beschluss vom 11.06.1991 - 1 BvR 772/90 -, BVerfGE 84, 203 <209>). Demnach sind z.B. Behinderungen der Anfahrt und schleppende vorbeugende Kontrollen mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar. Eine weitere Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 GG ist aber nicht gerechtfertigt. Insbesondere eine - wie hier - feste „Infrastruktur“ fällt nicht mehr unter den Schutz des Grundrechts; denn sie ist für die eigentliche Versammlung nicht mehr funktional notwendig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, NVwZRR 1994, 370; OVG Berlin, Beschluss vom 08.07.1999 -1 SN 63/99 -, LKV 1999, 372 <373>, zur straßenrechtlichen Erlaubnispflicht von Imbissständen; Schulze-Fielitz, a.a.O. , Art. 8 Rn 34). Folglich ist es nicht gerechtfertigt, insoweit Erlaubnisvorbehalte - sowie nachfolgend Eingriffsmöglichkeiten - außerhalb des Versammlungsgesetzes zu suspendieren und die Beachtung der dort geregelten rechtlichen Vorgaben der bloß abwägenden Berücksichtigung der Versammlungsbehörde zu überlassen (vgl. Kanther, NVwZ 2001, 1239 <1242>; Dietlein, NVwZ 1992, 1066).
37 
Nach § 67 Abs. 1 PolG kann die Fachaufsichtsbehörde die polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, wenn bei Gefahr im Verzug ein rechtzeitiges Tätigwerden der zuständigen Polizeibehörde nicht erreichbar erscheint. Gefahr im Verzug liegt hierbei vor, wenn zur Verhinderung eines drohenden Schadens sofort eingeschritten werden muss, weil ein Abwarten bis zum Eingreifen der an sich zuständigen Behörde den Erfolg der notwendigen Maßnahme erschweren oder vereiteln würde. Entscheidend sind hierbei die Verhältnisse und der Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme; der Begriff „Gefahr in Verzug“ darf dabei nicht zu eng ausgelegt werden, da eine effiziente Gefahrenabwehr nicht durch Zuständigkeitsprobleme erschwert oder verhindert werden darf. Dabei kommt es gerade nicht auf eine objektive Unerreichbarkeit der sachlich zuständigen Polizeibehörde an; es genügt vielmehr, dass es für die Fachaufsichtsbehörde den Anschein hat, die an sich zuständige Polizeibehörde sei nicht erreichbar. Diese Einschätzung der handelnden Behörde kann gerichtlich nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, die sich bereits im Zeitpunkt der Entscheidung erkennen ließen (vgl. Urteil des Senats vom 14.12.1989 - 1 S 799/89 -, NJW 1990, 1618 zu § 46 Abs. 2 Nr. 2 PolG a.F. <§ 60 Abs. 2 PolG>). Nach diesen Vorgaben ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt die Zuständigkeit für die Beschlagnahme in Anspruch genommen hat.
38 
Nach den Schilderungen des vom Senat in der mündlichen Verhandlung angehörten Einsatzleiters der Polizei war die Kreispolizeibehörde bereits kurze Zeit nach Erlass der Räumungsverfügung, etwa gegen 16:00 Uhr, zur Überzeugung gelangt, dass eine Beschlagnahme der Küchen zur Gefahrenabwehr erforderlich sei. Diese Einschätzung beruhte in erster Linie auf den Einlassungen eines Vertreters der Klägerinnen, wonach diese die Kampagne, falls gewünscht, weiterhin unterstützen wollten. Es spricht zwar vieles dafür, im Anschluss an das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14.02.2001 - 4 K 3227/00 - zur Zuständigkeit für den Erlass der Räumungsverfügung auch für die folgende Zeit davon auszugehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Oberhausen-Rheinhausen weiterhin i. S. v. § 67 Abs. 1 PolG erreichbar war; er war damals mit der Sachlage vertraut und ist auch in die Erörterungen zur beabsichtigten Beschlagnahme mit einbezogen worden. Allein auf diesen Zeitpunkt bezogen kann die hier streitige Zuständigkeitsfrage aber nicht beantwortet werden. Denn die interne Willensbildung der Polizeibehörde ist für die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht entscheidend. Vielmehr bestimmt sich diese nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verfügung; wirksam geworden ist die Beschlagnahme erst mit der um ca. 19:30 Uhr erfolgten Bekanntgabe, als die Fahrzeuge auf der Bundesstraße 36 auf dem Gebiet der Gemeinde Waghäusel in Richtung Süden fuhren. Der Bürgermeister von Waghäusel als das für die grundsätzlich zuständige Ortspolizeibehörde handelnde Organ war indessen Sinne von § 67 Abs. 1 PolG nicht rechtzeitig erreichbar.
39 
Der Zeitpunkt und der Ort des polizeilichen Einschreitens war hier durch die polizeitaktische Erwägung bestimmt, die Küchenfahrzeuge, soweit ein Verbleiben im Landkreis Karlsruhe nicht auszuschließen war, erst in räumlicher Entfernung vom Lagerplatz zu beschlagnahmen; damit sollte im Interesse der Deeskalation eine unter Umständen gewalttätige Solidarisierung durch die Bewohner des Lagers vermieden werden. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Da den Klägerinnen bei ihrem Abzug vom Lagerplatz eines Fahrtroute nicht vorgegeben wurde und der konkrete Ort des polizeilichen Zugriffs letztlich auch von verkehrstechnischen Erfordernissen bestimmt war, hätte die Wahrung der gesetzlich für den Regelfall vorgesehenen Zuständigkeitsordnung außer der Unterrichtung des Bürgermeisters von Oberhausen-Rheinhausen noch die Einbindung von - mindestens - drei weiteren Bürgermeistern - nämlich denen von Philippsburg, Waghäusel und Altlussheim - erforderlich gemacht, die dann - schon „auf Vorrat“ - eine Beschlagnahmeverfügung hätten vorbereiten müssen für den Fall, dass sich auf ihrer Gemarkung der Handlungsbedarf einstellt. Ein solches Vorgehen war jedoch angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht angezeigt; es war bereits nicht abzuschätzen, wie lange der Abbau der Küchenzelte und die Verladung der Gerätschaften dauern werde, so dass eine rechtzeitige Reaktion der örtlich zuständigen Ortspolizeibehörde, die sich mit der Situation und deren polizeirechtliche Bewertung erst hätte vertraut machen müssen, nicht gewährleistet gewesen wäre.
40 
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen waren die polizeitaktischen Überlegungen nicht darauf beschränkt, im Interesse größtmöglicher Wahrung der Zuständigkeitsordnung die Beschlagnahme zwar in gewisser räumlicher Entfernung vom Lagerplatz, aber noch auf dem Gebiet der Gemeinde Rheinhausen-Oberhausen anzuordnen. Zum einen wäre den Klägerinnen damit von vornherein die Möglichkeit genommen worden, den Landkreis Karlsruhe in Richtung Norden zu verlassen und so einer Beschlagnahme zu entgehen; mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wäre das nicht vereinbar. Wird - wie tatsächlich geschehen - auf der Bundesstraße 36 die Fahrtrichtung Süden gewählt, so könnte mit dieser Vorgabe den verkehrstechnischen Erfordernissen nicht in angemessener Weise Rechnung getragen werden, da hier das Gemeindegebiet schon wenige 100 Meter nach der Einmündung der von Oberhausen kommenden Kreisstraße 3537 endet. Zum anderen wird mit der Ansicht der Klägerinnen die Gefahr eines Missbrauchs überbewertet. Die Behörde, die sich auf einen Zuständigkeitswechsel wegen Gefahr im Verzug beruft, darf diese Gefahr zwar nicht bewusst herbeiführen, um eine ansonsten nicht gegebene Zuständigkeit zu begründen. Dies unterliegt dann einer strengen gerichtlichen Kontrolle, wenn die Zuständigkeitsverlagerung mit dem Verlust besonderer Schutzvorkehrungen für den Betroffenen einhergeht, was insbesondere bei Eingriffen gilt, die im Regelfall unter Richtervorbehalt stehen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 -, BVerfGE 103, 142 <155 ff.>). Geht es demgegenüber lediglich um eine Abweichung von der instanziellen Behördenzuständigkeit, kommt der Effektivität der Gefahrenabwehr bei der Ausfüllung der Rechtsbegriffe ein deutlich größeres Gewicht zu.
41 
b. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig.
42 
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG kann die Polizei eine Sache u. a. dann beschlagnahmen, wenn dies zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen einen unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen auf der Grundlage der Erkenntnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Beschlagnahmeverfügung vor; dies hat bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 20.10.2000 - 4 K 2891/00 - im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt.
43 
Aufgrund der Einlassungen der Koordinatoren der Kampagne „x 1000 mal quer“, die in generalstabsmäßiger Art und Weise eine Verhinderung der von ihr befürchteten Castor-Transporte anstrebte, stand zu erwarten, dass nach Räumung des Zeltlagers in Oberhausen-Rheinhausen an anderer Stelle wiederum - insbesondere unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften - ein Zeltlager zum Zwecke der logistischen Unterstützung auch gewaltbereiter Demonstrationsteilnehmer errichtet würde.
44 
Vor diesem Hintergrund war schließlich auch die Einschätzung des Landratsamts, dass sich die Klägerinnen ebenfalls an der Errichtung eines neuen Lager beteiligen würden, was es durch die Beschlagnahme zu verhindern galt, nicht fehlsam. Denn nach der Aussage des Einsatzleiters der Polizei hat sich der Ansprechpartner auf Seiten der Klägerinnen dahingehend eingelassen, dass sie nebst ihren Einrichtungen den Camp-Bewohnern weiterhin unterstützend zur Verfügung stehen wollten. Die auf dieser Aussage eines Vertreters der Klägerinnen gestützte Gefahrenprognose beruhte entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht nicht auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen haben insoweit geltend gemacht, die Aussage, weiterhin den Camp-Bewohnern zur Verfügung stehen zu wollen, habe sich nicht auf ein Lager wie das soeben aufgelöste bezogen, sondern auf ein „Zusammensein in anderer Form“, das gegebenenfalls von der Polizei geduldet würde. Ein solches Verständnis der Aussage lag aus der damaligen Perspektive indessen fern; denn die Gespräche mit den Klägerinnen fanden immer vor dem Hintergrund der Räumungsverfügung statt, in der auch die Errichtung eines Zeltlagers an anderer Stelle untersagt worden war. Folglich war vor dem Verständnishorizont der Behörde die von den Klägerinnen erklärte Bereitschaft, die Camp-Bewohner weiterhin zu unterstützen, auf die Errichtung eines neuen Lagers gemünzt. Auf die Möglichkeit eines anderen Verständnisses hätten die Klägerinnen ausdrücklich hinweisen müssen. Auf die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung unter Beweis gestellten Tatsachen kommt es demnach nicht an, so dass der Senat dem Beweisantrag nicht nachkommen musste.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Sonstige Literatur

 
47 
Rechtsmittelbelehrung
48 
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
49 
Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.
50 
Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
51 
In der Begründung der Beschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
52 
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
53 
Beschluss
54 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt (§ 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F., vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG, BGBl. I, 2004, 718).
55 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - wird geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beschlagnahme der Plakate und der Platzverweis am Volkstrauertag 2003 sowie die Beschlagnahme der Flugblätter und die Ingewahrsamnahme des Klägers am Volkstrauertag 2004 rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen anlässlich öffentlicher Gedenkfeiern zum Volkstrauertag 2003 und 2004 auf dem Bergfriedhof in Tübingen.
Die Beklagte veranstaltet gemeinsam mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge alljährlich am Volkstrauertag - in Anlehnung an die zentrale Gedenkstunde im Deutschen Bundestag - auf dem Bergfriedhof in Tübingen eine öffentliche Gedenkfeier in der dortigen Kapelle mit anschließender Kranzniederlegung am Mahnmal. Die Veranstaltung beginnt jeweils um 11:15 Uhr. Nach dem Willen der Veranstalter darf seit dem Jahre 1987 nur ein Kranz niedergelegt werden. Bereits seit Jahren möchte der Kläger, der sich am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums bewegt, bei dieser Gelegenheit auf seine Anliegen und Ansichten aufmerksam machen. Dabei war er anfangs bestrebt, an der Veranstaltung auf dem Friedhof teilzunehmen, und versuchte einmal, diese durch lautes Rufen zu stören, nachdem ihm die Teilnahme untersagt worden war. In einer 2001 abgegebenen Erklärung versicherte er, die Veranstaltung fortan nicht mehr zu stören.
Am Volkstrauertag 2003 fuhr der Kläger gegen 10:40 Uhr zusammen mit einem Begleiter mit einem Fahrzeug auf einen freien Parkplatz gegenüber dem Haupteingang des Bergfriedhofs. Sie führten Plakate mit sich und stellten sich mit diesen unmittelbar gegenüber dem Haupteingang auf. Auf den Plakaten war zu lesen: „ ‚Man darf in der BRD (schon lange) nicht mehr die Wahrheit sagen.‛ BRAVO Hohmann, General Günzel, PFUI Merkel, Stoiber, Struck …“ (Plakat 1). „Russ-Scherer, Weimer … : Hängt die Heimkehrertafel wieder auf!“ (Plakat 2). „Viele Politiker u. Medien sind so dumm, da sie nicht mehr wissen wo Ostdeutschland liegt. Zählen Sie auch dazu?“ (Plakat 3). „Deutsche sind keine ‚Antisemiten‛ wegen Goebbels und Hitler - wohl aber judenkritisch wegen USrael, Scharon, Spiegel, Friedman und vielen Lea Rosh`s!“ (Plakat 4). Nachdem ein Vertreter der Beklagten den Kläger vergeblich aufgefordert hatte, die Plakate zu entfernen, ordnete er einen Platzverweis und die Beschlagnahme der Plakate bis zum Ende der Gedenkveranstaltung an. Der Kläger verließ daraufhin den Parkplatz, hielt sich jedoch weiterhin auf dem Gelände des Bergfriedhofs auf. Der gegen diese Maßnahmen erhobene Widerspruch des Klägers wurde von der Beklagten unter Hinweis auf die Erledigung der Verwaltungsakte nicht beschieden.
Am Volkstrauertag 2004 begab sich der Kläger mit zwei weiteren Personen zum Haupteingang des Bergfriedhofs. Dabei klemmte er Faltblätter zur Ausländerpolitik, hrsg. vom „Schutzbund für das deutsche Volk e.V.“, unter die Scheibenwischer von Fahrzeugen, die auf den Parkplätzen abgestellt waren. Ein Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten forderte den Kläger auf, die Verteilung der Flugblätter zu unterlassen, und fügte hinzu, er solle den Totensonntag nicht jedes Mal für seine Aktionen missbrauchen. Hierauf entgegnete der Kläger ausweislich des Polizeiberichts: „Sie missbrauchen den Volkstrauertag für ihre Juden- und Kommunistenpropaganda.“ Daraufhin wurde die Beschlagnahme der Flugblätter angeordnet. Als sich der Kläger der Wegnahme der Flugblätter widersetzte und laut zu schreien anfing, wurde angeordnet, dass der Kläger bis zum Ende der Feierstunde in Gewahrsam genommen werde. Er wurde mit einfacher körperlicher Gewalt in das Dienstfahrzeug des Polizeivollzugsdienstes verbracht und zum Polizeirevier Tübingen gefahren, wo er in der Gewahrsamseinrichtung eingeschlossen und um 12:16 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die beiden Begleiter des Klägers begaben sich währenddessen zum Haupteingang des Bergfriedhofs, wo sie sich wiederum mit politischen Plakaten aufstellten. Diese entsprachen inhaltlich zum einen im Wesentlichen den oben erwähnten Plakaten 1 - 3 ; zum anderen stand auf einem vierten Plakat: „Wer wie die BRD Machthaber ein Verbrechen im Nachhinein als Recht behandelt, hat kein Recht andere zu verurteilen.“ Nach längerer Diskussion mit dem Vertreter des Ordnungsamts der Beklagten wurden die Plakate wieder entfernt und in den PKW verbracht.
Mit Schreiben vom 29.01.2004 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben, die er mit Schreiben vom 11.11.2005 erweitert hat; er hat die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn gerichteten polizeilichen Maßnahmen in den Jahren 2003 und 2004 sowie im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage die Unterlassung ähnlicher polizeilicher Maßnahmen in der Zukunft begehrt. Er hat geltend gemacht, dass rechtswidrige Eingriffe in sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit auch in Zukunft zu befürchten seien, weil die Beklagte nach ihrem eigenen Bekunden die von ihm verwendeten Plakate nicht dulden werde. Die Beklagte übe eine unzulässige Zensur aus, indem sie missliebige Meinungsäußerungen von rechts unterdrücke. Die Beklagte hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die polizeilichen Maßnahmen rechtmäßig gewesen seien. Das Zeigen von Plakaten mit rechtsgerichtetem Inhalt stelle angesichts der Zielrichtung des Volkstrauertags, der gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet sei, eine Störung der öffentlichen Ordnung dar.
Mit Urteil vom 26.01.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig. Ein Feststellungsinteresse sei wegen der Wiederholungsgefahr gegeben; darüber hinaus habe der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an einer Rehabilitierung, weil sein Ruf beschädigt worden sei. Schließlich müsse auch bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen, die sich schnell erledigten, eine gerichtliche Kontrolle gewährleistet sein. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die polizeilichen Maßnahmen an den Volkstrauertagen 2003 und 2004 seien rechtmäßig gewesen. Die Platzverweise fänden ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 3 PolG. Eine Störung der öffentlichen Sicherheit habe vorgelegen. Die Veranstalter der offiziellen Gedenkfeiern auf dem Bergfriedhof hätten aufgrund der ihnen erteilten Sondernutzungserlaubnis das Recht, den Ablauf der Veranstaltung zu bestimmen und die Gedenkstätte nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten; es gebe kein Recht Dritter, darauf Einfluss zu nehmen. Dieses Gestaltungsrecht beziehe sich räumlich nicht nur auf das Friedhofsgelände selbst, sondern auch auf den Zugangsbereich. Zeitlich setze die Sondernutzungserlaubnis nicht erst mit Beginn der Veranstaltung, sondern bereits zu einem Zeitpunkt ein, zu dem regelmäßig mit dem Eintreffen von Besuchern und Teilnehmern der Veranstaltung zu rechnen sei. Eine Störung dieses Rechts der Veranstalter habe durch das Verhalten des Klägers unmittelbar bevor gestanden. Denn der Inhalt seiner Plakate und sonstigen Meinungsäußerungen habe zu dem von den Veranstaltern gewünschten mahnenden Charakter der Gedenkfeier in erkennbaren Widerspruch gestanden. Zudem seien im Jahre 2004 wegen des aggressiven Verhaltens des Klägers angesichts der in den Vorjahren zu verzeichnenden massiven Störversuche weitere Störungen zu befürchten gewesen. Es habe auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestanden. Diese werde hier durch die provokante Art und Weise der Meinungskundgabe verletzt, denn der Volkstrauertag diene der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft und damit an diejenigen Menschen, die unmittelbar durch die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft oder mittelbar durch den von dieser verschuldeten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten, und der Mahnung vor der Wiederholung solcher oder vergleichbarer Geschehnisse. Demnach sei dieser Feiertag als solcher und speziell die Gedenkfeier nach überwiegender Anschauung gegen rechtsextreme Bestrebungen und rechtsextremes Gedankengut gerichtet. Die politisch rechts angesiedelten Meinungsäußerungen des Klägers und dessen lautstarke Auftritte störten insoweit die öffentliche Ordnung. Die Platzverweise seien als vorübergehende Maßnahmen von nur kurzer Dauer nicht unverhältnismäßig gewesen und auch ermessensfehlerfrei ergangen. Die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Klägers sei nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Denn die Abgrenzung gegenüber der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands gehöre zu den tragenden Elementen der Wertordnung des Grundgesetzes; eine Veranstaltung wie die Gedenkfeier zum Volkstrauertag gehöre zum eng begrenzten Kernbereich, in welchem die symbolische Bekräftigung dieser Abgrenzung auch im Sinne einer Selbstvergewisserung des demokratischen Gemeinwesens gänzlich frei von Störungen gehalten werden müsse. Die Beschlagnahme der Plakate und der Flugblätter sei durch § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG gedeckt, da sie als Mittel zur Abwehr der unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gedient hätten. Die Anordnung des polizeilichen Gewahrsams beruhe auf § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG; der erforderliche enge Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung sei ebenfalls gewahrt, da der Kläger unmittelbar nach Ende dieser Veranstaltung wieder aus dem Gewahrsam entlassen worden sei. Der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme des Klägers stehe schließlich nicht entgegen, dass keine richterliche Entscheidung über den Gewahrsam herbeigeführt worden sei. Denn eine solche Entscheidung sei hier entbehrlich gewesen, da sie erst zu einem Zeitpunkt hätte ergehen können, als der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen sei. Die vorbeugende Unterlassungsklage dürfte zwar zulässig sein, da der Kläger sich auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse berufen könne. Sie sei allerdings unbegründet, da dem Kläger angesichts der Rechtmäßigkeit der in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen ein Unterlassungsanspruch nicht zustehe.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 30.11.2006 - 1 S 1397/06 - zugelassenen Berufung, mit der er sein ursprüngliches Klagebegehren präzisierend weiterverfolgt, trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht dehne das Sondernutzungsrecht der Veranstalter der Gedenkfeier auf dem Friedhof in räumlicher und zeitlicher Hinsicht unzulässig aus. Die aus dem Sondernutzungsrecht folgende Gestaltungsbefugnis erstrecke sich nur auf den Bereich des Mahnmals auf dem Bergfriedhof, nicht jedoch auf den gesamten Friedhof und gar den Zugangsbereich. Jedenfalls fehle es aber für die Annahme einer Störung durch ein unmittelbares Einwirken auf die Veranstaltung von außen an der Wahrnehmbarkeit der politischen Meinungsäußerungen. Denn der Mahnmalsbereich, wo die Kränze niedergelegt würden, sei ca. 150 - 200 m vom Eingangsbereich des Bergfriedhofs entfernt, während die Gedenkfeier in einer Kapelle stattfinde, die in entgegengesetzter Richtung ca. 120 m vom Eingang entfernt liege. Wenn die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal wieder am Eingang vorbeikämen, schauten sie nach vorn und nicht zur Seite; außerdem sei die Sicht von der gegenüberliegenden Straßenseite in den Eingangsbereich durch die vorhandenen Gitterstäbe beeinträchtigt. Eine Störung der öffentlichen Ordnung habe ebenso wenig vorgelegen. Die Gedenkfeier sei nicht konkret gestört worden. Der Volkstrauertag genieße in Baden-Württemberg keinen besonderen gesetzlichen Schutz; es handele sich um einen normalen Sonntag. Des Weiteren habe der Volkstrauertag keinen politischen Sinngehalt im Hinblick auf die Bekämpfung rechtsextremistischen Gedankenguts. Zwar solle auch daran erinnert werden, dass ein dem nationalsozialistischen Regime und dem Zweiten Weltkrieg vergleichbares Sterben durch Unrechtsregime und Angriffskriege sich nicht wiederholen möge; doch sei es unzutreffend, dass eine solche Wiederholungsgefahr nur aus der politischen Welt des Rechtsextremen gegeben sei. Im Übrigen gehe das Verwaltungsgericht selbst nur von politisch rechts angesiedelten, nicht aber von rechtsextremen Meinungsäußerungen aus. Es sei auch nicht ersichtlich, dass seine Plakate und Flugblätter der Verherrlichung und Billigung von Angriffskriegen oder von totalitären Unrechtsregimen gedient hätten. Das Vorgehen der Beklagten stelle eine unzulässige Zensur der politischen Meinungsäußerung dar; ohnehin habe jedermann, der sich durch diese politische Meinungskundgabe gestört fühle, die Möglichkeit, wegzusehen oder die Handzettel ungelesen wegzuwerfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Januar 2006 - 8 K 308/04 - abzuändern und
10 
a)  festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Plakatbeschlagnahme und der ausgesprochene polizeiliche Platzverweis am Volkstrauertag 2003 gegenüber dem Kläger auf dem Gehweg gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren
11 
b)  festzustellen, dass die von der Beklagten veranlasste Flugblattbeschlagnahme und der ausgesprochene Platzverweis (mittels Ingewahrsamnahme) gegenüber dem Kläger am Volkstrauertag 2004 im öffentlichen Zugangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen rechtswidrig waren,
12 
hilfsweise,
13 
die Beklagte zu verurteilen, es fortan an Volkstrauertagen zu unterlassen, vom Kläger gezeigte Plakate im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplätze) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs Tübingen zu verbieten, zu beschlagnahmen oder mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt, und die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine vom Kläger beabsichtigte Verteilung von Handzetteln im öffentlichen Verkehrsraum (Bürgersteig, Parkplatz) gegenüber dem Eingangsbereich des Bergfriedhofs zu verbieten, die Handzettel zu beschlagnahmen oder ihre Verteilung mittels Platzverweises zu verunmöglichen, es sei denn, dass ein Einschreiten auf der Grundlage von StGB und StPO oder wegen der Verherrlichung/Billigung von Unrechtsregimen und Angriffskriegen geboten ist, oder der Kläger in akustischer Weise störend in Erscheinung tritt.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
17 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die - im Berufungsverfahren sachdienlich im Hauptantrag verfolgte - Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abweisen dürfen.
I.
19 
Diese Klage ist nach vorprozessualer Erledigung der streitigen Verwaltungsakte in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Er kann sich jedenfalls auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Daneben kann er auch geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Maßnahmen typischerweise schnell erledigen, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Der Klageantrag ist mit der Klarstellung, dass auch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme im Jahre 2004 festgestellt werden soll, zulässig. Darin liegt nicht etwa eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Denn bei sachdienlicher Auslegung des ursprünglichen Klagebegehrens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht auch die Ingewahrsamnahme zum Klagegegenstand gemacht hat.
II.
20 
Die Klage ist auch begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger waren rechtswidrig. Sie sind von einer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, auf das die Beklagte die Maßnahmen gestützt hat, war unmittelbar nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des vorrangigen Versammlungsgesetzes, in dessen Folge dann auch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetz ergehen dürfen (siehe etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 <81> m.w.N.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278), lagen nicht vor.
21 
1. Die als eine Art „Mahnwache“ einzuordnenden Aktionen des Klägers und seiner jeweiligen Begleiter erfüllten in beiden Jahren den verfassungsrechtlichen Begriff der Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, der sich mit dem versammlungsrechtlichen Begriff deckt.
22 
a) Eine Versammlung ist danach eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>). Durch Meinungskundgabe mittels Plakaten und Flugblättern zielte das Auftreten auf die öffentliche Meinungsbildung. Eine geringe Teilnehmerzahl steht der Annahme einer Versammlung nicht entgegen. Ein Sich-Versammeln als Zusammenkunft „mehrerer Personen“ ist bereits bei nur zwei Teilnehmern gegeben (vgl. zur mittlerweile überwiegenden Auffassung in der verfassungs- und versammlungsrechtlichen Literatur zuletzt Sachs in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV 1, 2006, § 107, S. 1196 ff., mit umfangreichen Nachweisen , auch zur Gegenansicht ; zur strafrechtl. und OWi- Rspr. Wache in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Bd. 4, V 55 < Dez. 2005 >, § 1, Rn. 23 m.N.). Der mögliche Wortsinn als Grenze der Interpretation ist damit - im Gegensatz zur Annahme einer „Ein-Mann-Versammlung“, die ggfs. als Demonstration nur von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist - nicht
23 
überschritten. Eine unterschiedliche rechtliche Einordnung einer Veranstaltung mit zwei und einer mit drei Personen unter Verweis auf ein - vages - Sprachgefühl und „natürliches Verständnis“ überzeugt angesichts des auch individualbezogenen Schutzzwecks des Art. 8 GG und des daraus zu folgernden Verbots einer staatlichen Isolierung des Einzelnen nicht; dies gilt auch dann, wenn ein - bezogen auf den verfolgten Zweck - enger Versammlungsbegriff zugrunde gelegt wird. Gegen diese weite Auslegung des Grundrechtstatbestands spricht schließlich nicht die damit nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG einhergehende Möglichkeit der Auferlegung versammlungsrechtlicher Pflichten (siehe hierzu Gusy in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 8 Rn. 15; Hoffmann-Riem in: Denninger , AK-GG, 3. Aufl. , Art. 8 Rn. 18). Denn auch der vorliegende Fall zeigt, dass sich der Regelungsbedarf bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit zwei oder mit drei Personen nicht grundlegend unterscheidet. Fehlt insbesondere Veranstaltungen mit nur wenigen Personen die Öffentlichkeitswirkung, etwa weil sie als Zwiegespräch schon ihrer Natur nach nicht öffentlich sind, ist das Versammlungsgesetz mit seinen besonderen Pflichten, etwa der Anmeldepflicht, nicht einschlägig. Einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Begriffsbildung bedarf es folglich nicht.
24 
b) Der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes war ebenfalls eröffnet. Er setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>). Dies war im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nicht nur am Volkstrauertag 2003, sondern auch am Volkstrauertag 2004 schon bei der Verteilung der Flugblätter der Fall. Denn dies war bereits Teil der damaligen Mahnwache und diente nicht lediglich deren Vorbereitung.
25 
2. Gegen die dem Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes unterfallenden Veranstaltungen des Klägers konnte vor dem Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflösungs- bzw. Auflagenverfügung nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes eingeschritten werden.
26 
Die Beklagte hat die versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen mit ihren mündlich ergangenen Verfügungen ausweislich der Polizeiberichte und der Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob es gleichwohl möglich wäre, im Erlass eines Platzverweises bzw. der Anordnung der Ingewahrsamnahme zugleich eine Auflösungsverfügung oder jedenfalls in der Beschlagnahmeanordnung auch eine Auflagenverfügung jeweils nach § 15 Abs. 2 VersG in der bis zum 31.03.2005 gültigen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 3 VersG i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2005, BGBl. I S. 969) zu sehen. Denn auch als versammlungsrechtliche Entscheidungen - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - könnten diese Maßnahmen keinen rechtlichen Bestand haben. Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 LVG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersG a.F. waren jedoch nicht gegeben; diese decken sich bezüglich der durch den Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG in Bezug genommenen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Übrigen mit der polizeirechtlichen Beurteilung.
27 
a) Allein die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, könnte eine Auflösung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <351>).
28 
b) Eine Störung der öffentlichen Sicherheit war nicht gegeben und stand auch nicht unmittelbar bevor.
29 
aa) Das den Veranstaltern der Gedenkfeier auf dem Friedhofsgelände gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofssatzung der Beklagten eingeräumte Sondernutzungsrecht gibt diesen das Recht, die Feier nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und unbehelligt von Einwirkungen Dritter abzuhalten (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.09.1986 - 11 A 53/84 -, NVwZ 1987, 1099 <1100>). Dies war hier gewährleistet, da der Kläger und seine Begleiter sich nicht auf dem Friedhof selbst aufhielten und dort der Gedenkfeier ihren Stempel aufzudrücken versuchten, sondern gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite standen. Eine Einwirkung von außen auf das Geschehen auf dem Friedhof war - jedenfalls in erheblicher Weise - nicht gegeben. Für geplante akustische Störungen durch Sprechchöre, Lautsprechereinsatz oder Ähnliches gab es keine Hinweise. Allein die Tatsache, dass die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal beim Passieren des Eingangsbereichs die Plakate des Klägers in beträchtlicher Entfernung hätten sehen können, ist nicht von Relevanz. Es kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass ihnen während der Feier die Meinungskundgabe des Klägers in irgendeiner unzulässigen Weise aufgedrängt worden wäre. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene weitere räumliche und zeitliche Ausstrahlungswirkung des aus dem Sondernutzungsrecht fließenden Gestaltungsrechts fehlt es an jeglicher rechtlichen Grundlage; denn die allein auf der Grundlage der Friedhofssatzung gewährte Sondernutzung ermöglichte nicht die Einrichtung einer über den eigentlichen Veranstaltungsort hinausreichenden, von konkreten störenden Einwirkungen unabhängigen „Bannmeile“. Eine „negative Meinungsfreiheit“, verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden fremden Meinungen in jeglicher Weise verschont zu bleiben, gibt es nicht.
30 
Auch im Jahr 2004 gab es schließlich keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte, die die Prognose hätte rechtfertigen können, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen in den eidesstattlichen Versicherungen wie in früheren Jahren auf das Gelände des Friedhofs vordringen würde. Nach den Mitteilungen der Beklagten im Klageverfahren war schon in den Jahren 2001 und 2002 kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben. Allein die lautstarke Auseinandersetzung um eine polizeiliche Anordnung gab für weitergehende Befürchtungen keine hinreichende Tatsachengrundlage; insbesondere spricht alles dafür, dass die in der damaligen Beschlagnahmeverfügung liegende Wegnahmeanordnung kurzfristig und damit rechtzeitig vor Beginn der Gedenkfeier vollstreckt werden konnte, so dass weitere akustische Störungen nicht mehr zu besorgen waren.
31 
bb) Die Versammlungen mit dem vom Kläger verfolgten Anliegen verstießen nicht gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Sonntage und die Feiertage (Feiertagsgesetz - FTG) vom 08.05.1995 (GBl. S. 450). Der Volkstrauertag genießt zwar über den allgemeinen Schutz des Sonntags hinaus einen besonderen gesetzlichen Schutz; dieser hinderte das Auftreten des Klägers jedenfalls in der vom ihm gewählten konkreten Art und Weise aber nicht.
32 
Nach § 8 Abs. 3 FTG können u.a. am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen und Vergnügungen, auch soweit sie nach § 7 Abs. 2 FTG - diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Hauptgottesdienstzeiten - nicht verboten sind, von der Kreispolizeibehörde auf Antrag der Ortspolizeibehörde verboten werden, wenn sie nach den besonderen örtlichen Verhältnissen Anstoß zu erregen geeignet sind. Wie der Vergleich mit § 7 Abs. 2 FTG deutlich macht, nimmt § 8 Abs. 3 FTG die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FTG ausdrücklich - in Abgrenzung zu öffentlichen Veranstaltungen und Vergnügungen - erwähnten öffentlichen Versammlungen von dieser Verbotsmöglichkeit aus. Darüber hinaus geht auch die Beklagte nicht davon aus, dass die Aktionen des Klägers von vornherein mit dem Charakter und der Würde des Volkstrauertags als eines Tags des stillen Gedenkens (siehe hierzu auch § 10 Abs. 1, § 11 FTG) unvereinbar seien; denn gegen das Zeigen der Plakate in der Innenstadt hat sie nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nichts einzuwenden. Ob und inwieweit die Eigenart des Volkstrauertags die Versammlungsfreiheit einzuschränken geeignet ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (siehe hierzu etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 24.11.2006 - 7 B 11487/06 - ).
33 
cc) Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit lag schließlich auch nicht darin, dass ausweislich eines Fotos im Jahre 2003 ein Plakat gegen das Kraftfahrzeug gelehnt auf dem Boden stand. Zwar überschreitet die Verwendung von Plakatständern den straßenrechtlichen Gemeingebrauch auch auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1994 - 11 C 57.92 -, NVwZ-RR 1995, 129 m.N.). Demgegenüber liegt im Verhalten des Klägers ebenso wenig eine genehmigungspflichtige Sondernutzung wie im Verteilen von nicht gewerblichen Flugblättern (siehe BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 <66 f.>). Dahinstehen kann, ob das Befestigen der Faltblätter unter den Scheibenwischern geparkter Kraftfahrzeuge als unzumutbare Belästigung einzustufen ist und deswegen einen zivilrechtlichen Abwehranspruch des Kfz-Halters zur Folge hat (siehe hierzu Dahlen, MDR 1991, 1130; Köhler in: Hefermehl u.a. , Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 7 Rn. 31). Denn insoweit stünde einem polizeilichen Einschreiten die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG entgegen. Im Übrigen hätte allein ein solcher Rechtsverstoß weder die Auflösung der Versammlung noch die Anordnung der Beseitigung der Plakate gerechtfertigt.
34 
c) Auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung konnten die polizeilichen Maßnahmen ebenso wenig gestützt werden.
35 
Die Maßnahmen knüpfen an den Inhalt der mit den Plakaten und Flugblättern kundgetanen Meinungsäußerungen an, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Anliegen des Volkstrauertags nicht in Einklang stehen. Danach sind die Anordnungen, auch wenn sie zugleich auf eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit abzielen, am Maßstab des Art. 5 GG zu messen.
36 
Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) haben die hier einschlägigen „allgemeinen Gesetze“ ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden, während auf den Begriff der öffentlichen Ordnung mangels tatbestandlicher Eingrenzung nicht zurückgegriffen werden darf. Die Grenzen des Strafrechts überschreiten aber die Äußerungen auf den Plakaten offensichtlich nicht. Beim Inhalt des Faltblatts ist hierfür gleichfalls nichts ersichtlich. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben keinen Anlass zu Ermittlungen gegen den Kläger gesehen. Schließlich bildet die öffentliche Ordnung keine verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <157 f.>). Die Sperrwirkung der Vorschriften, die der Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats dienen sollen, steht der Annahme entgegen, sonstige Maßnahmen könnten ohne Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes mit dem Schutz der Wertordnung des Grundgesetzes gerechtfertigt werden.
37 
Das Verwaltungsgericht verweist des Weiteren auf eine „provokante Art und Weise der Meinungsäußerung“ und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <156 f.> m.N. aus der Rspr. der 1. Kammer des 1. Senats). Danach können Beschränkungen der Art und Weise der Durchführung von Versammlungen - des äußeren Versammlungsgeschehens - auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung angeordnet werden. Hiernach ist es rechtlich unbedenklich, wenn aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindert werden soll, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann des Weiteren verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Von einem auch nur annähernd vergleichbaren Verhalten kann im vorliegenden Fall keine Rede sein; denn der Kläger beschränkte sich jeweils auf eine stille „Mahnwache“, die als solche in keiner Weise aggressiv und Angst einflößend wirkte. Nicht die Art und Weise der Meinungsäußerung des Klägers war je nach Empfängerhorizont geeignet zu provozieren, sondern deren Inhalt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
40 
Beschluss
vom 25. April 2007
41 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
18 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die - im Berufungsverfahren sachdienlich im Hauptantrag verfolgte - Fortsetzungsfeststellungsklage nicht abweisen dürfen.
I.
19 
Diese Klage ist nach vorprozessualer Erledigung der streitigen Verwaltungsakte in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere steht dem Kläger ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite. Er kann sich jedenfalls auf eine Wiederholungsgefahr berufen. Daneben kann er auch geltend machen, dass sich die zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Maßnahmen typischerweise schnell erledigen, so dass angesichts der Grundrechtsbetroffenheit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung der Klagemöglichkeit gebietet (vgl. Senatsurteil vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -, VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Der Klageantrag ist mit der Klarstellung, dass auch die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme im Jahre 2004 festgestellt werden soll, zulässig. Darin liegt nicht etwa eine unzulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz. Denn bei sachdienlicher Auslegung des ursprünglichen Klagebegehrens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Kläger bereits vor dem Verwaltungsgericht auch die Ingewahrsamnahme zum Klagegegenstand gemacht hat.
II.
20 
Die Klage ist auch begründet. Die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger waren rechtswidrig. Sie sind von einer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Der Anwendungsbereich des Polizeigesetzes, auf das die Beklagte die Maßnahmen gestützt hat, war unmittelbar nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des vorrangigen Versammlungsgesetzes, in dessen Folge dann auch Maßnahmen aufgrund des Polizeigesetz ergehen dürfen (siehe etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 1726/01 -, NVwZ 2005, 80 <81> m.w.N.; vgl. auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl. S. 196, zuletzt geändert durch Verordnung vom 17.06.1997, GBl. 278), lagen nicht vor.
21 
1. Die als eine Art „Mahnwache“ einzuordnenden Aktionen des Klägers und seiner jeweiligen Begleiter erfüllten in beiden Jahren den verfassungsrechtlichen Begriff der Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG, der sich mit dem versammlungsrechtlichen Begriff deckt.
22 
a) Eine Versammlung ist danach eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. -, BVerfGE 104, 92 <104>). Durch Meinungskundgabe mittels Plakaten und Flugblättern zielte das Auftreten auf die öffentliche Meinungsbildung. Eine geringe Teilnehmerzahl steht der Annahme einer Versammlung nicht entgegen. Ein Sich-Versammeln als Zusammenkunft „mehrerer Personen“ ist bereits bei nur zwei Teilnehmern gegeben (vgl. zur mittlerweile überwiegenden Auffassung in der verfassungs- und versammlungsrechtlichen Literatur zuletzt Sachs in: Stern, Staatsrecht, Bd. IV 1, 2006, § 107, S. 1196 ff., mit umfangreichen Nachweisen , auch zur Gegenansicht ; zur strafrechtl. und OWi- Rspr. Wache in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtl. Nebengesetze, Bd. 4, V 55 < Dez. 2005 >, § 1, Rn. 23 m.N.). Der mögliche Wortsinn als Grenze der Interpretation ist damit - im Gegensatz zur Annahme einer „Ein-Mann-Versammlung“, die ggfs. als Demonstration nur von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist - nicht
23 
überschritten. Eine unterschiedliche rechtliche Einordnung einer Veranstaltung mit zwei und einer mit drei Personen unter Verweis auf ein - vages - Sprachgefühl und „natürliches Verständnis“ überzeugt angesichts des auch individualbezogenen Schutzzwecks des Art. 8 GG und des daraus zu folgernden Verbots einer staatlichen Isolierung des Einzelnen nicht; dies gilt auch dann, wenn ein - bezogen auf den verfolgten Zweck - enger Versammlungsbegriff zugrunde gelegt wird. Gegen diese weite Auslegung des Grundrechtstatbestands spricht schließlich nicht die damit nach Maßgabe des Gesetzesvorbehalts in Art. 8 Abs. 2 GG einhergehende Möglichkeit der Auferlegung versammlungsrechtlicher Pflichten (siehe hierzu Gusy in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 8 Rn. 15; Hoffmann-Riem in: Denninger , AK-GG, 3. Aufl. , Art. 8 Rn. 18). Denn auch der vorliegende Fall zeigt, dass sich der Regelungsbedarf bei öffentlichen und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen mit zwei oder mit drei Personen nicht grundlegend unterscheidet. Fehlt insbesondere Veranstaltungen mit nur wenigen Personen die Öffentlichkeitswirkung, etwa weil sie als Zwiegespräch schon ihrer Natur nach nicht öffentlich sind, ist das Versammlungsgesetz mit seinen besonderen Pflichten, etwa der Anmeldepflicht, nicht einschlägig. Einer unterschiedlichen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Begriffsbildung bedarf es folglich nicht.
24 
b) Der zeitliche Geltungsbereich des Versammlungsgesetzes war ebenfalls eröffnet. Er setzt - vorbehaltlich einer abweichenden ausdrücklichen Regelung (siehe insbes. § 17a VersG) - nach der Rechtsprechung des Senats im Interesse einer klaren Zäsur den Beginn der Versammlung voraus (Urteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761 <763>). Dies war im Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens nicht nur am Volkstrauertag 2003, sondern auch am Volkstrauertag 2004 schon bei der Verteilung der Flugblätter der Fall. Denn dies war bereits Teil der damaligen Mahnwache und diente nicht lediglich deren Vorbereitung.
25 
2. Gegen die dem Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes unterfallenden Veranstaltungen des Klägers konnte vor dem Erlass einer versammlungsrechtlichen Auflösungs- bzw. Auflagenverfügung nicht auf der Grundlage des Polizeigesetzes eingeschritten werden.
26 
Die Beklagte hat die versammlungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen mit ihren mündlich ergangenen Verfügungen ausweislich der Polizeiberichte und der Einlassungen im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich in Anspruch genommen. Es kann dahinstehen, ob es gleichwohl möglich wäre, im Erlass eines Platzverweises bzw. der Anordnung der Ingewahrsamnahme zugleich eine Auflösungsverfügung oder jedenfalls in der Beschlagnahmeanordnung auch eine Auflagenverfügung jeweils nach § 15 Abs. 2 VersG in der bis zum 31.03.2005 gültigen Fassung (vgl. nunmehr § 15 Abs. 3 VersG i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2005, BGBl. I S. 969) zu sehen. Denn auch als versammlungsrechtliche Entscheidungen - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - könnten diese Maßnahmen keinen rechtlichen Bestand haben. Zwar stünde deren Rechtmäßigkeit nicht bereits die Zuständigkeitsordnung entgegen, denn die Beklagte ist als Große Kreisstadt nicht nur Ortspolizeibehörde, sondern auch Versammlungsbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VersGZuVO, § 62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 LVG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 VersG a.F. waren jedoch nicht gegeben; diese decken sich bezüglich der durch den Verweis auf § 15 Abs. 1 VersG in Bezug genommenen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Übrigen mit der polizeirechtlichen Beurteilung.
27 
a) Allein die Tatsache, dass die Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 VersG nicht angemeldet war, könnte eine Auflösung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233/81 u.a. -, BVerfGE 69, 315 <351>).
28 
b) Eine Störung der öffentlichen Sicherheit war nicht gegeben und stand auch nicht unmittelbar bevor.
29 
aa) Das den Veranstaltern der Gedenkfeier auf dem Friedhofsgelände gemäß § 5 Abs. 4 der Friedhofssatzung der Beklagten eingeräumte Sondernutzungsrecht gibt diesen das Recht, die Feier nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und unbehelligt von Einwirkungen Dritter abzuhalten (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 10.09.1986 - 11 A 53/84 -, NVwZ 1987, 1099 <1100>). Dies war hier gewährleistet, da der Kläger und seine Begleiter sich nicht auf dem Friedhof selbst aufhielten und dort der Gedenkfeier ihren Stempel aufzudrücken versuchten, sondern gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite standen. Eine Einwirkung von außen auf das Geschehen auf dem Friedhof war - jedenfalls in erheblicher Weise - nicht gegeben. Für geplante akustische Störungen durch Sprechchöre, Lautsprechereinsatz oder Ähnliches gab es keine Hinweise. Allein die Tatsache, dass die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem Weg von der Kapelle zum Mahnmal beim Passieren des Eingangsbereichs die Plakate des Klägers in beträchtlicher Entfernung hätten sehen können, ist nicht von Relevanz. Es kann in keiner Weise davon ausgegangen werden, dass ihnen während der Feier die Meinungskundgabe des Klägers in irgendeiner unzulässigen Weise aufgedrängt worden wäre. Für die vom Verwaltungsgericht angenommene weitere räumliche und zeitliche Ausstrahlungswirkung des aus dem Sondernutzungsrecht fließenden Gestaltungsrechts fehlt es an jeglicher rechtlichen Grundlage; denn die allein auf der Grundlage der Friedhofssatzung gewährte Sondernutzung ermöglichte nicht die Einrichtung einer über den eigentlichen Veranstaltungsort hinausreichenden, von konkreten störenden Einwirkungen unabhängigen „Bannmeile“. Eine „negative Meinungsfreiheit“, verstanden als das Recht, von der Konfrontation mit abweichenden fremden Meinungen in jeglicher Weise verschont zu bleiben, gibt es nicht.
30 
Auch im Jahr 2004 gab es schließlich keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte, die die Prognose hätte rechtfertigen können, dass der Kläger entgegen seinen Bekundungen in den eidesstattlichen Versicherungen wie in früheren Jahren auf das Gelände des Friedhofs vordringen würde. Nach den Mitteilungen der Beklagten im Klageverfahren war schon in den Jahren 2001 und 2002 kein Anlass für ein polizeiliches Einschreiten gegeben. Allein die lautstarke Auseinandersetzung um eine polizeiliche Anordnung gab für weitergehende Befürchtungen keine hinreichende Tatsachengrundlage; insbesondere spricht alles dafür, dass die in der damaligen Beschlagnahmeverfügung liegende Wegnahmeanordnung kurzfristig und damit rechtzeitig vor Beginn der Gedenkfeier vollstreckt werden konnte, so dass weitere akustische Störungen nicht mehr zu besorgen waren.
31 
bb) Die Versammlungen mit dem vom Kläger verfolgten Anliegen verstießen nicht gegen die Vorschriften des Gesetzes über die Sonntage und die Feiertage (Feiertagsgesetz - FTG) vom 08.05.1995 (GBl. S. 450). Der Volkstrauertag genießt zwar über den allgemeinen Schutz des Sonntags hinaus einen besonderen gesetzlichen Schutz; dieser hinderte das Auftreten des Klägers jedenfalls in der vom ihm gewählten konkreten Art und Weise aber nicht.
32 
Nach § 8 Abs. 3 FTG können u.a. am Volkstrauertag öffentliche Veranstaltungen und Vergnügungen, auch soweit sie nach § 7 Abs. 2 FTG - diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Hauptgottesdienstzeiten - nicht verboten sind, von der Kreispolizeibehörde auf Antrag der Ortspolizeibehörde verboten werden, wenn sie nach den besonderen örtlichen Verhältnissen Anstoß zu erregen geeignet sind. Wie der Vergleich mit § 7 Abs. 2 FTG deutlich macht, nimmt § 8 Abs. 3 FTG die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FTG ausdrücklich - in Abgrenzung zu öffentlichen Veranstaltungen und Vergnügungen - erwähnten öffentlichen Versammlungen von dieser Verbotsmöglichkeit aus. Darüber hinaus geht auch die Beklagte nicht davon aus, dass die Aktionen des Klägers von vornherein mit dem Charakter und der Würde des Volkstrauertags als eines Tags des stillen Gedenkens (siehe hierzu auch § 10 Abs. 1, § 11 FTG) unvereinbar seien; denn gegen das Zeigen der Plakate in der Innenstadt hat sie nach ihrer Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nichts einzuwenden. Ob und inwieweit die Eigenart des Volkstrauertags die Versammlungsfreiheit einzuschränken geeignet ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung (siehe hierzu etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 24.11.2006 - 7 B 11487/06 - ).
33 
cc) Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit lag schließlich auch nicht darin, dass ausweislich eines Fotos im Jahre 2003 ein Plakat gegen das Kraftfahrzeug gelehnt auf dem Boden stand. Zwar überschreitet die Verwendung von Plakatständern den straßenrechtlichen Gemeingebrauch auch auf Gehwegen und in Fußgängerbereichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1994 - 11 C 57.92 -, NVwZ-RR 1995, 129 m.N.). Demgegenüber liegt im Verhalten des Klägers ebenso wenig eine genehmigungspflichtige Sondernutzung wie im Verteilen von nicht gewerblichen Flugblättern (siehe BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 5.78 -, BVerwGE 56, 63 <66 f.>). Dahinstehen kann, ob das Befestigen der Faltblätter unter den Scheibenwischern geparkter Kraftfahrzeuge als unzumutbare Belästigung einzustufen ist und deswegen einen zivilrechtlichen Abwehranspruch des Kfz-Halters zur Folge hat (siehe hierzu Dahlen, MDR 1991, 1130; Köhler in: Hefermehl u.a. , Wettbewerbsrecht, 25. Aufl. 2007, § 7 Rn. 31). Denn insoweit stünde einem polizeilichen Einschreiten die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG entgegen. Im Übrigen hätte allein ein solcher Rechtsverstoß weder die Auflösung der Versammlung noch die Anordnung der Beseitigung der Plakate gerechtfertigt.
34 
c) Auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung konnten die polizeilichen Maßnahmen ebenso wenig gestützt werden.
35 
Die Maßnahmen knüpfen an den Inhalt der mit den Plakaten und Flugblättern kundgetanen Meinungsäußerungen an, die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts mit dem Anliegen des Volkstrauertags nicht in Einklang stehen. Danach sind die Anordnungen, auch wenn sie zugleich auf eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit abzielen, am Maßstab des Art. 5 GG zu messen.
36 
Eine inhaltliche Begrenzung von Meinungsäußerungen hat sich, auch wenn sie sich nur auf bestimmte Zeiten und Orte beschränkt, im Rahmen der Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu bewegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <155 f.>) haben die hier einschlägigen „allgemeinen Gesetze“ ihre Ausformung insbesondere in der Strafrechtsordnung gefunden, während auf den Begriff der öffentlichen Ordnung mangels tatbestandlicher Eingrenzung nicht zurückgegriffen werden darf. Die Grenzen des Strafrechts überschreiten aber die Äußerungen auf den Plakaten offensichtlich nicht. Beim Inhalt des Faltblatts ist hierfür gleichfalls nichts ersichtlich. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben keinen Anlass zu Ermittlungen gegen den Kläger gesehen. Schließlich bildet die öffentliche Ordnung keine verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <157 f.>). Die Sperrwirkung der Vorschriften, die der Abwehr von Beeinträchtigungen der Grundlagen einer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit den Mitteln des Rechtsstaats dienen sollen, steht der Annahme entgegen, sonstige Maßnahmen könnten ohne Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes mit dem Schutz der Wertordnung des Grundgesetzes gerechtfertigt werden.
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Das Verwaltungsgericht verweist des Weiteren auf eine „provokante Art und Weise der Meinungsäußerung“ und nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23.06.2004 - 1 BvQ 19/04 -, BVerfGE 111, 147 <156 f.> m.N. aus der Rspr. der 1. Kammer des 1. Senats). Danach können Beschränkungen der Art und Weise der Durchführung von Versammlungen - des äußeren Versammlungsgeschehens - auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung angeordnet werden. Hiernach ist es rechtlich unbedenklich, wenn aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindert werden soll, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potenzieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Die öffentliche Ordnung kann des Weiteren verletzt sein, wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einen speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert. Von einem auch nur annähernd vergleichbaren Verhalten kann im vorliegenden Fall keine Rede sein; denn der Kläger beschränkte sich jeweils auf eine stille „Mahnwache“, die als solche in keiner Weise aggressiv und Angst einflößend wirkte. Nicht die Art und Weise der Meinungsäußerung des Klägers war je nach Empfängerhorizont geeignet zu provozieren, sondern deren Inhalt.
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO
39 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
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Beschluss
vom 25. April 2007
41 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 2 GKG).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.

(2) Dieses Recht hat nicht,

1.
wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt hat,
2.
wer mit der Durchführung oder Teilnahme an einer solchen Veranstaltung die Ziele einer nach Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder Teil- oder Ersatzorganisation einer Partei fördern will,
3.
eine Partei, die nach Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist, oder
4.
eine Vereinigung, die nach Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verboten ist.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1.
gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2.
die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der
a)
zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b)
zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c)
die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden oder
2.
einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.

(6) Absatz 2 gilt auch für einen in den Absätzen 3 bis 5 bezeichneten Inhalt (§ 11 Absatz 3).

(7) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1, auch in Verbindung mit Absatz 6, ist der Versuch strafbar.

(8) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, sowie in den Fällen der Absätze 3 bis 5 gilt § 86 Absatz 4 entsprechend.

Die Abhaltung einer Versammlung kann nur im Einzelfall und nur dann verboten werden, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
der Veranstalter oder Leiter der Versammlung Teilnehmern Zutritt gewährt, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen,
3.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben,
4.
Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

(1) Wer zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einem Aufzug öffentlich einlädt, muß als Veranstalter in der Einladung seinen Namen angeben.

(2) Bei öffentlichen Versammlungen und Aufzügen hat jedermann Störungen zu unterlassen, die bezwecken, die ordnungsgemäße Durchführung zu verhindern.

(3) Niemand darf bei öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen Waffen oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind, mit sich führen, ohne dazu behördlich ermächtigt zu sein. Ebenso ist es verboten, ohne behördliche Ermächtigung Waffen oder die in Satz 1 genannten Gegenstände auf dem Weg zu öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen mit sich zu führen, zu derartigen Veranstaltungen hinzuschaffen oder sie zur Verwendung bei derartigen Veranstaltungen bereitzuhalten oder zu verteilen.

(1) Die Polizei (§ 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn

1.
der Veranstalter unter die Vorschriften des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 fällt, und im Falle der Nummer 4 das Verbot durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgestellt worden ist,
2.
die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit der Teilnehmer besteht,
3.
der Leiter Personen, die Waffen oder sonstige Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, nicht sofort ausschließt und für die Durchführung des Ausschlusses sorgt,
4.
durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet.
In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen.

(2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.

Werden Polizeibeamte in eine öffentliche Versammlung entsandt, so haben sie sich dem Leiter zu erkennen zu geben. Es muß ihnen ein angemessener Platz eingeräumt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

§ 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Stadt Freiburg i. Br. zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Antragsgegnerin zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 (im Folgenden: PolVO), mit dem ein örtlich und zeitlich begrenztes Alkoholverbot im öffentlichen Straßenraum der Freiburger Innenstadt („Bermuda-Dreieck“) angeordnet worden ist.
Am 22.07.2008 erließ die Antragsgegnerin mit Zustimmung des Gemeinderats die bis zum 31.07.2010 befristete Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum. Zuvor hatte sie bereits am 23.12.2007 - damals noch unter Einbeziehung eines weiteren Bereichs im Industriegebiet Nord - eine auf sieben Monate befristete Polizeiverordnung gleichen Wortlauts erlassen, die - wie vorgesehen - am 31.07.2008 außer Kraft trat und durch die nunmehr angegriffene Polizeiverordnung abgelöst wurde. Die derzeit gültige Verordnung hat in dem hier angegriffenen Umfang folgenden Wortlaut:
§ 1
Geltungsbereich
(1) Diese Polizeiverordnung gilt für das Gebiet der Innenstadt, begrenzt durch die Bertoldstraße, den Platz der Alten Synagoge, den Platz der Universität, das westlich der Humboldtstraße gelegene Verbindungsstück zur Humboldtstraße, die Humboldtstraße und die Kaiser-Joseph-Straße bis zum Bertoldsbrunnen.
Die genannten Straßen zählen noch zum Geltungsbereich der Verordnung.
(2) Der beigefügte Lageplan vom 28.05.2008 ist Bestandteil dieser Polizeiverordnung.
§ 2
Alkoholverbot
(1) Im Geltungsbereich der Verordnung ist es auf den öffentlich zugänglichen Flächen außerhalb konzessionierter Freisitzflächen verboten
- alkoholische Getränke jeglicher Art zu konsumieren
- alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen.
10 
(2) Dieses Verbot gilt in den Nächten von Freitag auf Samstag, Samstag auf Sonntag, Sonntag auf Montag jeweils von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Gleiches gilt für die Zeit von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr morgens an einem gesetzlichen Feiertag und die zwei Stunden davor (d. h. von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr).
11 
Gemäß § 4 Abs. 1 PolVO kann ein Verstoß gegen dieses Verbot als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
12 
Die angegriffene Polizeiverordnung wurde vorab als Notbekanntmachung in der Badischen Zeitung vom 31.07.2008 und am 02.08.2008 im Amtsblatt der Antragsgegnerin veröffentlicht.
13 
Nach der Beschlussvorlage vom 07.07.2008 (Drucksache G-08/148), die auf die Beschlussvorlage der Vorläuferfassung (G-07/185) Bezug nimmt, soll das in zeitlicher und räumlicher Hinsicht begrenzte Alkoholverbot die körperliche Unversehrtheit schützen. Eine abstrakte Gefahr im Sinne von § 10 PolG liege vor. Die auch beim Schutz hochrangiger Güter erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als Folge des Alkoholkonsums sei gegeben. Es bestehe ein Wirkungszusammenhang; Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein Ort überproportional hoher Gewaltkriminalität und starken Alkoholkonsums im öffentlichen Raum. Insbesondere junge Leute träfen sich dort zunächst zum sog. „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen und Diskotheken bereits alkoholisiert aufzusuchen. Aus alldem folge, dass der Konsum von mitgebrachtem Alkohol im „Bermuda-Dreieck“ nach den Erfahrungen der Polizei zumindest mitursächlich für die Begehung von Körperverletzungsdelikten sei. Das Alkoholverbot sei auch verhältnismäßig. Die Geeignetheit ergebe sich aus der seit Einführung der Regelung um 16 % gesunkenen Gewaltkriminalität. Gleich geeignete Mittel seien nicht ersichtlich. Mit Blick auf die zeitliche und räumliche Beschränkung sowie die Befristung des Verbots sei der Freiheitseingriff zu Gunsten des hohen Schutzguts der körperlichen Unversehrtheit angemessen.
14 
Bestandteil der Beschlussvorlage war die Studie der Polizeidirektion Freiburg 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“.
15 
Der 1982 geborene Antragsteller ist Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen (akj) sowie Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie; sein Büro befindet sich innerhalb des Geltungsbereichs der Polizeiverordnung.
16 
Am 11.08.2008 hat der Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet, zu dessen Begründung er vorträgt:
17 
Seine Antragsbefugnis ergebe sich daraus, dass er in seiner Freizeit, insbesondere auch an den Wochenenden, regelmäßiger Besucher von Plätzen innerhalb des von der Polizeiverordnung umfassten sog. „Bermuda-Dreiecks“ sei, wo er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss niederlasse. Die Polizeiverordnung sei materiell rechtswidrig. Die angegriffene Regelung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 PolG gedeckt. Diese setze voraus, dass eine Störung oder abstrakte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von § 10 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 PolG vorliege. Dies sei jedoch nicht der Fall. Dass Alkoholisierung, wie in der Studie dargelegt, „zumindest mitursächlich“ für Gewalt sein könne, sei nicht ausreichend, um eine abstrakte Gefährlichkeit des Alkoholgenusses, geschweige denn des Mitführens von alkoholischen Getränken in Konsumabsicht, zu belegen. Der Nachweis, dass durch Alkoholkonsum im Regelfall abstrakte Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung einträten, sei bislang nicht erbracht worden. Auch im „Bermuda-Dreieck“ stellten Gewalttaten nicht die Regel-Folge von öffentlichem Alkoholkonsum dar. Menschliche Gewalttaten entstünden unter komplexen Umständen und seien nicht linear auf Alkoholisierung zurückzuführen. Bei den Erhebungen der Polizeidirektion handle es sich um statistisch nicht belastbares Zahlenmaterial. Für die vorgelagerte Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld biete § 10 Abs. 1 PolG keine gesetzliche Grundlage. Die angegriffene Regelung verstoße schließlich gegen das Bestimmtheitsgebot. Dies gelte insbesondere für die Formulierung, aus den „konkreten Umständen“ müsse die „Absicht“ erkennbar sein, alkoholische Getränke zu konsumieren. Überdies sei sie unverhältnismäßig und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
18 
Der Antragsteller beantragt,
19 
§ 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung der Stadt Freiburg i. Br. zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22. Juli 2008 für unwirksam zu erklären.
20 
Die Antragsgegnerin beantragt,
21 
den Antrag abzulehnen.
22 
Sie trägt vor: Die angegriffenen Bestimmungen der Polizeiverordnung seien durch die Ermächtigungsgrundlage des Polizeigesetzes (§ 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1) gedeckt. Es liege eine abstrakte Gefahr - und nicht lediglich ein Gefahrenverdacht - vor. Die angegriffene Regelung sei Teil eines abgestimmten Gesamtkonzepts. Der Konsum mitgebrachten Alkohols führe nach den vollzugspolizeilichen Erfahrungen zwar nicht überall in der Innenstadt, sehr wohl aber im Geltungsbereich der Verordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit. Insoweit lasse sich im „Bermuda-Dreieck“ aufgrund der konkreten Umstände eine in tatsächlicher Hinsicht hinreichend gesicherte Gefahrenprognose treffen. Auch wenn Alkohol - jedenfalls bei der Durchschnittsbevölkerung - nicht grundsätzlich zur Begehung von Gewaltdelikten führe, so gelte dies nach der polizeilichen Untersuchung nicht für den Bereich des „Bermuda-Dreiecks“. Der weit überwiegende Teil der sich dort aufhaltenden jungen Personen habe bereits deutlich vor Mitternacht erhebliche Mengen an Alkohol zu sich genommen. Der weitere unkontrollierte Konsum des mitgeführten Alkohols im Zusammenwirken mit gruppendynamischen Begleitfaktoren (Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle, vermeintliche Provokationen) sei unmittelbar ursächlich für die Gewaltausschreitungen und bewirke damit eine Überschreitung der Gefahrenschwelle. Die angegriffenen Normen verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht. Das Bestimmtheitsgebot sei gewahrt. Insbesondere sei der Begriff „Absicht“ in seiner gefestigten dogmatischen Bedeutung unproblematisch bestimmbar als zielgerichteter Wille. Die Besorgnis des Antragstellers, die Formulierung könne zur willkürlichen Handhabung Anlass geben, sei nicht nachvollziehbar. Die bisherigen Anwendungserfahrungen hätten die diesbezüglichen Zweifel des Antragstellers nicht bestätigt. Die angegriffene Regelung stelle eine verhältnismäßige Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte dar. Sie sei ein geeignetes Mittel, den aufgezeigten Gefahren für die körperliche Unversehrtheit zu begegnen, und sie sei insoweit erforderlich. Das in zeitlicher und örtlicher Hinsicht beschränkte Alkoholverbot sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Hierbei sei zu würdigen, dass das Verbot auf lediglich zwei Jahre begrenzt sei, ein Zeitraum, der zum Anlass genommen werden solle, die weitere Entwicklung des Gewaltgeschehens zu beobachten und - soweit möglich - auch statistisch zu bewerten. Schließlich bedeute die Differenzierung zum zulässigen Alkoholgenuss in Freischankflächen keine willkürliche Ungleichbehandlung.
23 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Antragsgegnerin vor. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
25 
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr ist gewahrt.
26 
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wird nach dieser Regelung jeder natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die Polizeiverordnung oder der auf sie gestützte Vollzugsakt an den Antragsteller adressiert ist, d.h. für diesen ein polizeiliches Verbot oder Gebot statuiert (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, 2007, RdNr. 633). Dies ist hier der Fall. Der 1982 geborene Antragsteller ist Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie sein Büro innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. In seiner Freizeit, insbesondere auch in den späten Abendstunden an Wochenenden, ist er nach seinen eigenen Angaben regelmäßiger Besucher der im sog. „Bermuda-Dreieck“ gelegenen Plätze, auf denen er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss aufhält. Er wird dabei in dem von der Polizeiverordnung zeitlich umfassten Umfang mit dem Alkoholverbot konfrontiert und kann daher, ungeachtet des übergreifenden Anliegens, das er als Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen offensichtlich verfolgt, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein.
27 
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die zur Überprüfung gestellte Vorschrift des § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22.07.2008 - PolVO - ist zwar ordnungsgemäß zustande gekommen (2.1) und verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (2.2). Sie ist jedoch nicht durch die polizeiliche Generalermächtigung in § 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1 PolG gedeckt, weil sie nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dient (2.3).
28 
2.1. Formelle Bedenken gegen die Polizeiverordnung der Antragsgegnerin sind weder geltend gemacht, noch ersichtlich. Die Polizeiverordnung ist mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt. Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung sowohl in der Badischen Zeitung als auch im Amtsblatt der Antragsgegnerin liegt ebenfalls vor.
29 
2.2 Auch genügt die Regelung entgegen der Auffassung des Antragstellers dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die darin verwendeten Begriffe und Tatbestandsmerkmale sind hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 f.> sowie Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f. m.w.N. und Normenkontrollbeschluss des Senats vom 29.04.1983 - 1 S 1/83 -, VBlBW 1983, 302 f.).
31 
Diesen Anforderungen wird die Bestimmung des § 2 Abs. 1 der Polizeiverordnung gerecht, auch soweit sie nicht lediglich den Alkoholkonsum, sondern darüber hinaus verbietet, „alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen“. Für den Betroffenen erkennbar nicht erfasst wird durch die Verbotsnorm das einfache Durchqueren der zum Geltungsbereich der Verordnung gehörenden Örtlichkeiten mit zuvor eingekauftem Alkohol, wenn nicht beabsichtigt ist, diesen dort konsumieren zu wollen. Auch das Verweilen mit mitgeführtem Alkohol ohne Konsumabsicht unterfällt nicht dem § 2 Abs. 1 PolVO. Verboten ist dagegen das Mitsichführen von alkoholischen Getränken, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese an Ort und Stelle zu konsumieren. Die Bezugnahme auf eine Absicht des Handelnden widerspricht nicht dem Bestimmtheitsgebot, wie insbesondere die zahlreichen Vorschriften des Strafrechts zeigen, die ein Handeln dann unter Strafe stellen, wenn es in einer bestimmten - oft nur anhand von Indizien - feststellbaren Absicht geschieht. Da konkrete äußere Umstände (wie mitgebrachte Trinkgefäße, Strohhalme, bereits geöffnete Flaschen) diese Absicht belegen müssen, ist diese Regelung noch hinreichend bestimmt. Mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 27720/06 -, VBlBW 2008, 134 ff.). Auch hinsichtlich des zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs des Alkoholverbots sind Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots nicht ersichtlich. Durch den der Regelung beigefügten Lageplan und die genaue Bezeichnung der erfassten Straßen und Plätze ist die räumliche Festlegung des Verbotsgebiets hinreichend erkennbar.
32 
2.3 Die angegriffene Bestimmung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO ist jedoch deshalb unwirksam, weil sie sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung in § 10 i.V.m. § 1 PolG hält. Denn das verbotene Verhalten stellt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin eine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht dar.
33 
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f., BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
34 
Der Gefahrenbegriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotential“. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Diese lässt sich auch nicht dahingehend erweiternd auslegen, dass der Exekutive eine „Einschätzungsprärogative“ in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
35 
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich dabei von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.), durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zu erwarten sein (vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.1998 - 1 S 2272/97 -, VBlBW 1999, 101 f.). Denn es liegt im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
36 
Gemessen an diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Zeit und Ort verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte zur Folge hat. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewalt begründen lediglich einen Gefahrenverdacht. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die Ermächtigungsgrundlage in § 10 i.V.m. § 1 PolG aber nicht gedeckt.
37 
Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Polizeiverordnung bewogen haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Erkenntnisse wie diejenigen der örtlichen Polizei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Polizeiverordnung der Gewaltdelinquenz begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich darauf (vgl. Beschluss-Vorlage des Gemeinderats, Drucksache G-08/148), dass im „Bermuda-Dreieck“ der Konsum von mitgebrachtem Alkohol zur Begehung von Körperverletzungsdelikten führe; der Alkoholkonsum stelle - zwar nicht grundsätzlich, aber in diesem räumlich abgegrenzten Bereich der Innenstadt Freiburgs - eine abstrakte Gefahr für das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Nach den Erfahrungen der Polizei sei Alkoholisierung häufig die Ursache für gewalttätige Auseinandersetzungen. Im Jahr 2007 seien 43 % der Tatverdächtigen in der Freiburger Altstadt unter Alkoholeinfluss gestanden, im Jahr 2008 sogar 60 %. Im „Bermuda-Dreieck“, das ungefähr ein Zehntel der Freiburger Altstadt umfasse, sei die Anzahl der Gewaltdelikte im Vergleich zur restlichen Altstadt überproportional hoch. Hier seien sowohl 2007 als auch 2008 fast 50 % aller Gewaltstraftaten in der Altstadt begangen worden. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein begehrter Aufenthaltsort insbesondere junger Menschen. Zu beobachten seien dabei Gruppen, die von vornherein nicht den Besuch der dortigen Kneipen oder anderer Vergnügungsstätten beabsichtigten, sondern diesen Ort als gesellschaftlichen Treffpunkt nutzen wollten und dabei Alkohol in erheblichen Mengen konsumierten. Andere, insbesondere Jugendliche, träfen sich dort zunächst zum sogenannten „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen bereits alkoholisiert aufzusuchen. Dies werde ihnen von Türstehern aufgrund ihres erheblichen Alkoholisierungsgrades oftmals verwehrt. Viele Betroffene reagierten hierauf aggressiv. Dasselbe gelte für Personen, die alkoholisiert der Kneipen verwiesen würden. Nach den Erfahrungen der Polizei sei das Zusammentreffen abgewiesener und verwiesener Personen eine häufige Ursache gewalttätiger Auseinandersetzungen. Seit Erlass der Polizeiverordnung seien die Gewaltstraftaten im gesamten Stadtteil Altstadt gesunken, auch im örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung.
38 
Die Antragsgegnerin stützt sich für die dargelegten Erwägungen auf folgende polizeiliche Untersuchungen:
39 
- die Studie 2007 „Gewaltdelinquenz im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Freiburg, Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten“, die als Anlage 3 zur Drucksache G-07/185 Bestandteil der Beschlussvorlage des Gemeinderats bei der Abstimmung über die Vorläuferfassung vom 23.12.2007 war,
40 
- die Studie 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“, die als Anlage 2 Bestandteil der Beschlussvorlage vom 07.07.2008, Drucksache G-08/148 vom Juni 2008 war.
41 
Die Studie 2007 basiert auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten Delikte. Dabei handelt es sich um eine Ausgangsstatistik, was bedeutet, dass die Fälle erst nach Abschluss der Ermittlungen und vor Abgabe an die Justiz in der PKS erfasst werden. Dadurch ergibt sich in zeitlicher Hinsicht ein Verzerrfaktor, der - worauf in den polizeilichen Untersuchungen hingewiesen wird - bei der Betrachtung der Ergebnisse mitberücksichtigt werden muss. Der Studie zufolge registrierte die Polizeidirektion in der Freiburger Innenstadt in den letzten Jahren einen überproportionalen Anstieg von Gewaltdelikten. In einer Anmerkung wird ausgeführt, dass die - hiervon auch erfassten - Fälle der häuslichen Gewalt in allen Stadtteilen etwa mit gleichen Anteilen registriert worden seien. Im innerstädtischen Bereich liege der Anteil leicht unter dem Durchschnitt, da in diesem Bereich die Wohndichte niedriger sei. Hingewiesen wird auch darauf, dass bei der Auswertung der PKS-Dateien nicht unterschieden werden könne, ob die registrierten Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen worden seien. Hier seien Erfahrungswerte zugrunde zu legen, nach denen sich der Anteil gleichmäßig mit ca. 50:50 verteile. Bei einer Feinanalyse des Stadtteils Altstadt, so die Studie, würden die Straßen im und rund um das „Bermuda-Dreieck“ als Brennpunkte deutlich. Die Auswertung der relevanten Tattage zeige, dass an den Wochentagen von Freitag bis Montag die meisten Straftaten zu verzeichnen seien und die Gewaltdelikte insbesondere in der Zeit zwischen 00.00 bis 05.00 Uhr verübt würden. Die Alkoholbeeinflussung sei je nach Deliktsart sehr unterschiedlich. Der 7-Jahres-Durchschnitt (2000 - 2006) des Anteils an alkoholisierten Tatverdächtigen habe bei den Straftaten in der Stadt bei insgesamt 9,9 % gelegen, für den Bereich der Altstadt bei etwas über 10,5 %. Rund bei der Hälfte (43,0 %) der in der Freiburger Altstadt registrierten Körperverletzungsdelikte im ersten Halbjahr 2007 hätten die Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss gestanden (vgl. S. 14 der Anlage 3 der Beschlussvorlage 2007).
42 
In der Studie 2008 wurde die Gewaltphänomenologie durch eine Tatzeitbetrachtung dargestellt, d.h. es wurden nur die Gewaltstraftaten für die Auswertung herangezogen, die tatsächlich im Zeitraum Januar bis Mai 2008 begangen wurden. Entscheidend war hier die Tatzeit und nicht wie bei der PKS- Auswertung das Erfassungsdatum. Gleichzeitig wurde eine Tatzeitanalyse für den Vergleichszeitraum Januar bis Mai 2007 erstellt und so ein Vergleich mit der Situation vor Inkrafttreten der Polizeiverordnung angestellt, um die Auswirkungen des Verbots sichtbar zu machen. Nach der Studie 2008 wurden in den ersten 5 Monaten des Jahres 2008 256 Straftaten im Vergleich zu insgesamt 273 Straftaten im Vergleichszeitraum 2007 erfasst; dies entspricht einem Rückgang von 7 % (= 17 Straftaten). Die Untersuchung zeige nach wie vor einen Schwerpunkt im Bereich der Kaiser-Joseph-Straße und im „Bermuda-Dreieck“ sowie auf den Zu- und Abwanderungsstraßen. Von den 256 Gewaltdelikten im Stadtteil Altstadt seien 120 Delikte im örtlichen Definitionsbereich der Polizeiverordnung begangen worden, davon 69 auch im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Das entspreche einem Anteil von 25 %. Der Studie zufolge sollen im Verbotsbereich die Gewaltstraftaten von 126 im Jahr 2007 auf 120 im Jahr 2008 zurückgegangen sein. Die Untersuchung der Tatzeitpunkte ergebe weiterhin Spitzen an Samstagen und Sonntagen, insbesondere um 03.00 und 05.00 Uhr. Insgesamt hätten sich 69 der 120 Gewaltstraftaten im Verbotsbereich auch im zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung, also am Wochenende, abgespielt; das entspreche im Vergleich zum Vorjahr (82 Taten) einem Rückgang von 13 Gewaltstraftaten und damit um 16 %. Bezüglich des Einflusses von Alkohol enthält die Studie die Feststellung, dass 60 % der registrierten Täter alkoholisiert gewesen seien gegenüber 43 % im Vorjahr. Die registrierten Täter seien überwiegend männlich (82 %) und zwischen 21 und 30 Jahren alt.
43 
Außerdem hat der Vertreter der Polizeidirektion Freiburg - auf aktuelle Zahlen angesprochen - in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass auf der Basis der polizeilichen Kriminalstatistik im „Bermuda-Dreieck“ im Jahr 2009 nochmals ein weiterer Rückgang an Gewaltdelikten von ca. 25 % zu verzeichnen sei. Allerdings seien im ganzen Stadtgebiet die Gewaltdelikte ebenfalls leicht rückläufig gewesen. Eine Tatzeitanalyse liege insoweit nicht vor.
44 
Diese von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten polizeilichen Erkenntnisse lassen nicht den Schluss zu, dass gerade das verbotene Verhalten - der Genuss mitgebrachten Alkohols im Geltungsbereich der PolVO - regelmäßig und typischerweise die Gefahr von Körperverletzungen mit sich bringt. Aufgrund der polizeilichen Studien sind zwar Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewaltdelikten nicht auszuschließen; sie begründen jedoch allenfalls einen Gefahrenverdacht, nicht aber eine abstrakte Gefahr im oben dargelegten Sinne.
45 
Dass Alkoholgenuss generell zu Aggressivität führt, widerspricht schon der Lebenserfahrung und wird von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Vielmehr hängt es von den äußeren Umständen, den individuellen Gegebenheiten und Befindlichkeiten sowie den situativen Einflüssen ab, welche Wirkungen der Alkoholgenuss bei dem Einzelnen zeigt. Auch die kriminologische Forschung hat verschiedene Erklärungsmodelle für die in den polizeilichen Kriminalitätsstatistiken festgestellten Beziehungen zwischen Alkohol und Gewaltdelinquenz (vgl. Schwind, Kriminologie, 18. Auflage, 2008, § 26 Rn. 30 f.; Kaiser, Kriminologie, 3. Auflage, 1996, § 54 Rn. 22 f.). Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob überhaupt eine kausale Beziehung oder nicht vielmehr ein „Scheinzusammenhang“ besteht. Denn es könne auch möglich sein, dass sich Alkoholtäter leichter überführen ließen und daher bei den polizeilichen Erhebungen überrepräsentiert seien (Kaiser, a.a.O. Rn. 23). In dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht des Bundesministeriums der Justiz von 2006 wird festgestellt (S. 287, unter 3.5.3.1), dass die Alkoholisierung von Beteiligten bei der Entstehung von Straftaten „im Einzelfall“ eine mitursächliche, auslösende, begünstigende oder begleitende Rolle spielt. Der Alkoholeinfluss könne jedoch nur selten als einzige Ursache herausgearbeitet werden.
46 
Nichts grundlegend anderes ergibt sich für den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass jedenfalls im „Bermuda-Dreieck“ das verbotene Verhalten vor dem Hintergrund der dortigen Verhältnisse - wie Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle und vermeintliche Provokationen - die prognostizierten Auswirkungen hat, wird der Nachweis einer abstrakten Gefährlichkeit des verbotenen Verhaltens durch die polizeilichen Studien nicht erbracht (kritisch zu dem in diesem Bereich behaupteten Ursachenzusammenhang der Kriminologe Prof. Hefendehl, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg, Leserbrief zum Beitrag Faßbender, NVwZ 11/2009, IX). Nicht geklärt ist dabei vor allem, welche Bedeutung dem Faktor Alkohol neben zahlreichen anderen Ursachen zukommt.
47 
Der Nachweis einer abstrakten Gefahr kann schließlich auch nicht durch den seit Einführung der Verbotsnorm festgestellten Rückgang der Gewaltdelikte um lediglich 16 % (= 13 von 69 im zeitlichen und örtlichen Verbotsbereich festgestellten Gewaltstraftaten) erbracht werden. Der Rückschluss, von dem Normunterworfenen gehe typischerweise und regelmäßig die Gefahr von Gewaltdelikten aus, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ein massiver Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung zu verzeichnen wäre. Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Selbst wenn man, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, einzukalkulieren hat, dass die ständige Polizeipräsenz auch ein verändertes Anzeigeverhalten zur Folge gehabt haben kann, belegt der festgestellte Rückgang keinesfalls, dass sich aufgrund des verbotenen Verhaltens in aller Regel eine Gefahrenlage ergibt.
48 
Im Übrigen kommt dem zugrunde gelegten statistischen Material ohnehin nur eine beschränkte Aussagekraft zu. Zum einen ist, wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht, die verfügbare Datenmenge der Polizei zu gering, um hieraus ein empirisch gesichertes Ergebnis abzuleiten und den dargelegten Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung verlässlich nachzuweisen. Zum anderen ist das in die Untersuchung eingestellte Zahlenmaterial als solches nicht hinreichend aussagekräftig für die Frage, wie viele Gewaltdelikte gerade aufgrund des verbotenen Verhaltens vor und nach Erlass der Polizeiverordnung im „Bermuda-Dreieck“ zu verzeichnen waren. Bei der Auswertung der polizeilichen Studien ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Studie 2007 sowie die neuesten, in der mündlichen Verhandlung dargelegten polizeilichen Untersuchungen auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Delikte basieren. Nach den eigenen Angaben des Vertreters der Polizeidirektion, die sich mit den Hinweisen aus der polizeilichen Studie 2007 decken, geben die aus der PKS übernommenen Zahlen keinen Aufschluss darüber, wann genau sich die Gewalttaten ereignet haben. Hier geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass in der - auf den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abstellenden - Kriminalstatistik Gewalttaten zahlenmäßig erfasst wurden, die sich schon mehrere Monate vorher ereignet haben können. Mit Blick auf diesen Verzerrfaktor ergeben sich folglich verlässliche Angaben über bestimmte Vergleichszeiträume lediglich aus der in der Studie 2008 dargestellten Tatzeitanalyse, nicht aber aus dem ansonsten von der PKS erfassten Zahlenmaterial. Auch für den Vergleichszeitraum 2009 liegt keine Tatzeitanalyse vor. Der von der Antragsgegnerin für das erste Halbjahr 2009 dargelegte weitere Rückgang von Gewalttaten im zeitlichen und örtlichen Bereich der Polizeiverordnung relativiert sich überdies deshalb, weil für das ganze Stadtgebiet 2009 ein „leichter“ Rückgang dieser Delikte (nähere Angaben hierzu konnten nicht gemacht werden) erwartet wird.
49 
Schließlich kann, wie bereits in der polizeilichen Studie 2007 hervorgehoben wird, bei der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik nicht unterschieden werden, ob die Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen wurden. Es können insoweit daher nur Erfahrungswerte (50:50) zugrunde gelegt werden. Ebenso sind Fälle häuslicher Gewalt erfasst, die mit dem verbotenen Verhalten in keinerlei Zusammenhang gebracht werden können. Entsprechendes gilt, soweit die registrierten Gewalttaten auch Personen umfassen, die, wie in der Beschlussvorlage ausgeführt, alkoholisiert der dortigen Kneipen verwiesen werden und hierauf aggressiv reagieren. Die Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Gewaltdelikte gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob der Gewalttäter bereits zu Hause „vorgeglüht“ hat und sich in alkoholisiertem Zustand ins „Bermuda-Dreieck“ begibt oder in den dortigen Kneipen und Vergnügungsstätten Alkohol zu sich nimmt und anschließend aggressiv und gewalttätig wird oder tatsächlich zu der Gruppe der Normunterworfenen zählt.
50 
Ist die Antragsgegnerin daher mangels genügend abgesicherter Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte bzw. über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt allenfalls ein Gefahrenverdacht vor.
51 
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf, dass angesichts der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Körperverletzungen im „Bermuda-Dreieck“ auch ein Weniger an gesicherten Erkenntnissen hinzunehmen und ihr insoweit eine Erprobungsphase einzuräumen sei.
52 
Die Antragsgegnerin ist als kommunale Verordnungsgeberin an die Vorgaben des § 10 Abs. 1 PolG gebunden; ein Erprobungsspielraum bei der Beurteilung, ob die bisherigen Erkenntnisse eine abstrakte Gefahr belegen oder nicht, kommt ihr nicht zu (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O., S. 95 f. <96>; a.A. Faßbender, Alkoholverbote durch Polizeiverordnungen: per se rechtswidrig?, NVwZ 2009, 563 f.). Davon abgesehen war sie aufgrund der unbeanstandet gebliebenen, zeitlich befristeten Vorläuferfassung der Polizeiverordnung in der Lage, Erkenntnisse zu sammeln, die jedoch - wie dargelegt - die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht stützen.
53 
Der Senat verkennt nicht, dass die sich häufenden Alkoholexzesse gerade unter jungen Menschen ein gesellschaftliches Problem darstellen, denen auf verschiedenen Wegen begegnet werden muss. Es kann daher auch im Bereich der Gefahrenvorsorge ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Dies setzt aber eine Risikobewertung voraus, zu der nur der Gesetzgeber berufen ist. Nur er ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Beachtung grundrechtlicher Vorgaben die Rechtsgrundlagen für abstrakt-generelle Grundeingriffe zu schaffen, mit denen an einzelnen Brennpunkten Risiken vermindert werden sollen. Eine derart weitreichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht der Polizeibehörde nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
54 
Der Antragsgegnerin bleibt nach wie vor die Möglichkeit, den notwendigen Schutz der Bevölkerung vor den von alkoholisierten Personen ausgehenden Gefahren mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium zu gewährleisten und etwa mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen. Auch Massenbesäufnisse auf öffentlichen Plätzen (sog. Botellón-Veranstaltungen) können auf der Grundlage des Polizeigesetzes untersagt werden, ohne dass es des Rückgriffs auf eine Polizeiverordnung bedarf. Das Jugendschutzgesetz, das Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit ohnehin nicht gestattet (§ 9 Abs. 1), bietet darüber hinaus ein Handhabe gegen jugendliche „Rucksacktrinker“. Auch kann für einzelne öffentliche Einrichtungen eine entsprechende Einrichtungssatzung bzw. Benutzungsordnung erwogen werden. Der Antragsgegnerin ist es schließlich unbenommen, ihre im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen sonstigen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, über die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit, Projekte mit sozialarbeiterischer oder jugendpflegerischer Ausrichtung und „Gefährderansprachen“) weiter zu verfolgen und diese Präventionsprojekte auszuweiten.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 28. Juli 2009
58 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
25 
1. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von einem Jahr ist gewahrt.
26 
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis wird nach dieser Regelung jeder natürlichen oder juristischen Person eingeräumt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die Polizeiverordnung oder der auf sie gestützte Vollzugsakt an den Antragsteller adressiert ist, d.h. für diesen ein polizeiliches Verbot oder Gebot statuiert (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Auflage, 2007, RdNr. 633). Dies ist hier der Fall. Der 1982 geborene Antragsteller ist Promotionsstudent an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg und hat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie sein Büro innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. In seiner Freizeit, insbesondere auch in den späten Abendstunden an Wochenenden, ist er nach seinen eigenen Angaben regelmäßiger Besucher der im sog. „Bermuda-Dreieck“ gelegenen Plätze, auf denen er sich auch zum - nicht an einen Gastronomiebesuch gebundenen - Alkoholgenuss aufhält. Er wird dabei in dem von der Polizeiverordnung zeitlich umfassten Umfang mit dem Alkoholverbot konfrontiert und kann daher, ungeachtet des übergreifenden Anliegens, das er als Mitglied des Arbeitskreises kritischer Juristen und Juristinnen offensichtlich verfolgt, geltend machen, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein.
27 
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die zur Überprüfung gestellte Vorschrift des § 2 i.V.m. § 1 der Polizeiverordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums im öffentlichen Straßenraum vom 22.07.2008 - PolVO - ist zwar ordnungsgemäß zustande gekommen (2.1) und verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (2.2). Sie ist jedoch nicht durch die polizeiliche Generalermächtigung in § 10 Abs. 1, § 1 Abs. 1 PolG gedeckt, weil sie nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dient (2.3).
28 
2.1. Formelle Bedenken gegen die Polizeiverordnung der Antragsgegnerin sind weder geltend gemacht, noch ersichtlich. Die Polizeiverordnung ist mit der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates der Antragsgegnerin erlassen (§ 15 Abs. 2 PolG) und der Rechtsaufsichtsbehörde vorgelegt worden (§ 16 Abs. 1 PolG). Die Formerfordernisse des § 12 Abs. 1 und 2 PolG sind gewahrt. Eine ordnungsgemäße Verkündung durch öffentliche Bekanntmachung sowohl in der Badischen Zeitung als auch im Amtsblatt der Antragsgegnerin liegt ebenfalls vor.
29 
2.2 Auch genügt die Regelung entgegen der Auffassung des Antragstellers dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. Die darin verwendeten Begriffe und Tatbestandsmerkmale sind hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar.
30 
Das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen, in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit nicht entgegen; allerdings müssen sich dann aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten. Die Erkennbarkeit der Rechtslage durch den Betroffenen darf hierdurch nicht wesentlich eingeschränkt sein und die Gerichte müssen in der Lage bleiben, den Regelungsinhalt mit den anerkannten Auslegungsregeln zu konkretisieren. Je intensiver dabei eine Regelung auf die Rechtsposition des Normadressaten wirkt, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 <375 f.> sowie Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f. m.w.N. und Normenkontrollbeschluss des Senats vom 29.04.1983 - 1 S 1/83 -, VBlBW 1983, 302 f.).
31 
Diesen Anforderungen wird die Bestimmung des § 2 Abs. 1 der Polizeiverordnung gerecht, auch soweit sie nicht lediglich den Alkoholkonsum, sondern darüber hinaus verbietet, „alkoholische Getränke jeglicher Art mit sich zu führen, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese im Geltungsbereich der Verordnung konsumieren zu wollen“. Für den Betroffenen erkennbar nicht erfasst wird durch die Verbotsnorm das einfache Durchqueren der zum Geltungsbereich der Verordnung gehörenden Örtlichkeiten mit zuvor eingekauftem Alkohol, wenn nicht beabsichtigt ist, diesen dort konsumieren zu wollen. Auch das Verweilen mit mitgeführtem Alkohol ohne Konsumabsicht unterfällt nicht dem § 2 Abs. 1 PolVO. Verboten ist dagegen das Mitsichführen von alkoholischen Getränken, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Absicht erkennbar ist, diese an Ort und Stelle zu konsumieren. Die Bezugnahme auf eine Absicht des Handelnden widerspricht nicht dem Bestimmtheitsgebot, wie insbesondere die zahlreichen Vorschriften des Strafrechts zeigen, die ein Handeln dann unter Strafe stellen, wenn es in einer bestimmten - oft nur anhand von Indizien - feststellbaren Absicht geschieht. Da konkrete äußere Umstände (wie mitgebrachte Trinkgefäße, Strohhalme, bereits geöffnete Flaschen) diese Absicht belegen müssen, ist diese Regelung noch hinreichend bestimmt. Mögliche Nachteile einer insoweit verbleibenden Unbestimmtheit können durch die gerichtliche Kontrolle einer konkretisierenden Polizeiverfügung oder eines Bußgeldbescheides ausgeglichen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 2.94 -, BVerwGE 96, 110 <116>; Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 27720/06 -, VBlBW 2008, 134 ff.). Auch hinsichtlich des zeitlichen und örtlichen Anwendungsbereichs des Alkoholverbots sind Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots nicht ersichtlich. Durch den der Regelung beigefügten Lageplan und die genaue Bezeichnung der erfassten Straßen und Plätze ist die räumliche Festlegung des Verbotsgebiets hinreichend erkennbar.
32 
2.3 Die angegriffene Bestimmung des § 2 i.V.m. § 1 PolVO ist jedoch deshalb unwirksam, weil sie sich nicht im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung in § 10 i.V.m. § 1 PolG hält. Denn das verbotene Verhalten stellt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin eine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht dar.
33 
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. nur Senatsurteil vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 -, VBlBW 2008, 134 f., BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, BVerwGE 116, 347 <351 f.>, jeweils m.w.N.).
34 
Der Gefahrenbegriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.) dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotential“. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Diese lässt sich auch nicht dahingehend erweiternd auslegen, dass der Exekutive eine „Einschätzungsprärogative“ in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
35 
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich dabei von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, so das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.), durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der Schaden muss regelmäßig und typischerweise, wenn auch nicht ausnahmslos zu erwarten sein (vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.1998 - 1 S 2272/97 -, VBlBW 1999, 101 f.). Denn es liegt im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
36 
Gemessen an diesen vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, liegen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das nach Zeit und Ort verbotene Verhalten regelmäßig und typischerweise Gewaltdelikte zur Folge hat. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewalt begründen lediglich einen Gefahrenverdacht. Vorsorgemaßnahmen zur Abwehr möglicher Beeinträchtigungen im Gefahrenvorfeld werden durch die Ermächtigungsgrundlage in § 10 i.V.m. § 1 PolG aber nicht gedeckt.
37 
Nach den dargelegten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, welche konkreten Zustände die Antragsgegnerin zum Erlass der angegriffenen Polizeiverordnung bewogen haben. Dabei sind grundsätzlich auch fachliche Erkenntnisse wie diejenigen der örtlichen Polizei zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin will mit der Polizeiverordnung der Gewaltdelinquenz begegnen; damit ist die öffentliche Sicherheit betroffen. Sie beruft sich darauf (vgl. Beschluss-Vorlage des Gemeinderats, Drucksache G-08/148), dass im „Bermuda-Dreieck“ der Konsum von mitgebrachtem Alkohol zur Begehung von Körperverletzungsdelikten führe; der Alkoholkonsum stelle - zwar nicht grundsätzlich, aber in diesem räumlich abgegrenzten Bereich der Innenstadt Freiburgs - eine abstrakte Gefahr für das hochrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit dar. Zwischen Alkoholkonsum und Gewaltkriminalität bestehe ein Wirkungszusammenhang. Der Alkoholkonsum führe zur Enthemmung und damit auch zur Steigerung der Gewaltbereitschaft Einzelner. Nach den Erfahrungen der Polizei sei Alkoholisierung häufig die Ursache für gewalttätige Auseinandersetzungen. Im Jahr 2007 seien 43 % der Tatverdächtigen in der Freiburger Altstadt unter Alkoholeinfluss gestanden, im Jahr 2008 sogar 60 %. Im „Bermuda-Dreieck“, das ungefähr ein Zehntel der Freiburger Altstadt umfasse, sei die Anzahl der Gewaltdelikte im Vergleich zur restlichen Altstadt überproportional hoch. Hier seien sowohl 2007 als auch 2008 fast 50 % aller Gewaltstraftaten in der Altstadt begangen worden. Das „Bermuda-Dreieck“ sei ein begehrter Aufenthaltsort insbesondere junger Menschen. Zu beobachten seien dabei Gruppen, die von vornherein nicht den Besuch der dortigen Kneipen oder anderer Vergnügungsstätten beabsichtigten, sondern diesen Ort als gesellschaftlichen Treffpunkt nutzen wollten und dabei Alkohol in erheblichen Mengen konsumierten. Andere, insbesondere Jugendliche, träfen sich dort zunächst zum sogenannten „Vorglühen“ oder „Warmtrinken“ mit - im Vergleich zu Gaststätten weitaus billigerem - in Discountern gekauftem Alkohol, um anschließend die dortigen Kneipen bereits alkoholisiert aufzusuchen. Dies werde ihnen von Türstehern aufgrund ihres erheblichen Alkoholisierungsgrades oftmals verwehrt. Viele Betroffene reagierten hierauf aggressiv. Dasselbe gelte für Personen, die alkoholisiert der Kneipen verwiesen würden. Nach den Erfahrungen der Polizei sei das Zusammentreffen abgewiesener und verwiesener Personen eine häufige Ursache gewalttätiger Auseinandersetzungen. Seit Erlass der Polizeiverordnung seien die Gewaltstraftaten im gesamten Stadtteil Altstadt gesunken, auch im örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung.
38 
Die Antragsgegnerin stützt sich für die dargelegten Erwägungen auf folgende polizeiliche Untersuchungen:
39 
- die Studie 2007 „Gewaltdelinquenz im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Freiburg, Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Straftaten“, die als Anlage 3 zur Drucksache G-07/185 Bestandteil der Beschlussvorlage des Gemeinderats bei der Abstimmung über die Vorläuferfassung vom 23.12.2007 war,
40 
- die Studie 2008 „Gewaltdelinquenz in der Altstadt von Freiburg; Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und der Begehung von Gewaltstraftaten nach Inkrafttreten der Polizeiverordnung. Erste Erfahrungen und statistische Entwicklungen nach Einführung des Alkoholverbots“, die als Anlage 2 Bestandteil der Beschlussvorlage vom 07.07.2008, Drucksache G-08/148 vom Juni 2008 war.
41 
Die Studie 2007 basiert auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierten Delikte. Dabei handelt es sich um eine Ausgangsstatistik, was bedeutet, dass die Fälle erst nach Abschluss der Ermittlungen und vor Abgabe an die Justiz in der PKS erfasst werden. Dadurch ergibt sich in zeitlicher Hinsicht ein Verzerrfaktor, der - worauf in den polizeilichen Untersuchungen hingewiesen wird - bei der Betrachtung der Ergebnisse mitberücksichtigt werden muss. Der Studie zufolge registrierte die Polizeidirektion in der Freiburger Innenstadt in den letzten Jahren einen überproportionalen Anstieg von Gewaltdelikten. In einer Anmerkung wird ausgeführt, dass die - hiervon auch erfassten - Fälle der häuslichen Gewalt in allen Stadtteilen etwa mit gleichen Anteilen registriert worden seien. Im innerstädtischen Bereich liege der Anteil leicht unter dem Durchschnitt, da in diesem Bereich die Wohndichte niedriger sei. Hingewiesen wird auch darauf, dass bei der Auswertung der PKS-Dateien nicht unterschieden werden könne, ob die registrierten Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen worden seien. Hier seien Erfahrungswerte zugrunde zu legen, nach denen sich der Anteil gleichmäßig mit ca. 50:50 verteile. Bei einer Feinanalyse des Stadtteils Altstadt, so die Studie, würden die Straßen im und rund um das „Bermuda-Dreieck“ als Brennpunkte deutlich. Die Auswertung der relevanten Tattage zeige, dass an den Wochentagen von Freitag bis Montag die meisten Straftaten zu verzeichnen seien und die Gewaltdelikte insbesondere in der Zeit zwischen 00.00 bis 05.00 Uhr verübt würden. Die Alkoholbeeinflussung sei je nach Deliktsart sehr unterschiedlich. Der 7-Jahres-Durchschnitt (2000 - 2006) des Anteils an alkoholisierten Tatverdächtigen habe bei den Straftaten in der Stadt bei insgesamt 9,9 % gelegen, für den Bereich der Altstadt bei etwas über 10,5 %. Rund bei der Hälfte (43,0 %) der in der Freiburger Altstadt registrierten Körperverletzungsdelikte im ersten Halbjahr 2007 hätten die Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss gestanden (vgl. S. 14 der Anlage 3 der Beschlussvorlage 2007).
42 
In der Studie 2008 wurde die Gewaltphänomenologie durch eine Tatzeitbetrachtung dargestellt, d.h. es wurden nur die Gewaltstraftaten für die Auswertung herangezogen, die tatsächlich im Zeitraum Januar bis Mai 2008 begangen wurden. Entscheidend war hier die Tatzeit und nicht wie bei der PKS- Auswertung das Erfassungsdatum. Gleichzeitig wurde eine Tatzeitanalyse für den Vergleichszeitraum Januar bis Mai 2007 erstellt und so ein Vergleich mit der Situation vor Inkrafttreten der Polizeiverordnung angestellt, um die Auswirkungen des Verbots sichtbar zu machen. Nach der Studie 2008 wurden in den ersten 5 Monaten des Jahres 2008 256 Straftaten im Vergleich zu insgesamt 273 Straftaten im Vergleichszeitraum 2007 erfasst; dies entspricht einem Rückgang von 7 % (= 17 Straftaten). Die Untersuchung zeige nach wie vor einen Schwerpunkt im Bereich der Kaiser-Joseph-Straße und im „Bermuda-Dreieck“ sowie auf den Zu- und Abwanderungsstraßen. Von den 256 Gewaltdelikten im Stadtteil Altstadt seien 120 Delikte im örtlichen Definitionsbereich der Polizeiverordnung begangen worden, davon 69 auch im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Das entspreche einem Anteil von 25 %. Der Studie zufolge sollen im Verbotsbereich die Gewaltstraftaten von 126 im Jahr 2007 auf 120 im Jahr 2008 zurückgegangen sein. Die Untersuchung der Tatzeitpunkte ergebe weiterhin Spitzen an Samstagen und Sonntagen, insbesondere um 03.00 und 05.00 Uhr. Insgesamt hätten sich 69 der 120 Gewaltstraftaten im Verbotsbereich auch im zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung, also am Wochenende, abgespielt; das entspreche im Vergleich zum Vorjahr (82 Taten) einem Rückgang von 13 Gewaltstraftaten und damit um 16 %. Bezüglich des Einflusses von Alkohol enthält die Studie die Feststellung, dass 60 % der registrierten Täter alkoholisiert gewesen seien gegenüber 43 % im Vorjahr. Die registrierten Täter seien überwiegend männlich (82 %) und zwischen 21 und 30 Jahren alt.
43 
Außerdem hat der Vertreter der Polizeidirektion Freiburg - auf aktuelle Zahlen angesprochen - in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass auf der Basis der polizeilichen Kriminalstatistik im „Bermuda-Dreieck“ im Jahr 2009 nochmals ein weiterer Rückgang an Gewaltdelikten von ca. 25 % zu verzeichnen sei. Allerdings seien im ganzen Stadtgebiet die Gewaltdelikte ebenfalls leicht rückläufig gewesen. Eine Tatzeitanalyse liege insoweit nicht vor.
44 
Diese von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten polizeilichen Erkenntnisse lassen nicht den Schluss zu, dass gerade das verbotene Verhalten - der Genuss mitgebrachten Alkohols im Geltungsbereich der PolVO - regelmäßig und typischerweise die Gefahr von Körperverletzungen mit sich bringt. Aufgrund der polizeilichen Studien sind zwar Ursachenzusammenhänge zwischen Alkoholkonsum und Gewaltdelikten nicht auszuschließen; sie begründen jedoch allenfalls einen Gefahrenverdacht, nicht aber eine abstrakte Gefahr im oben dargelegten Sinne.
45 
Dass Alkoholgenuss generell zu Aggressivität führt, widerspricht schon der Lebenserfahrung und wird von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet. Vielmehr hängt es von den äußeren Umständen, den individuellen Gegebenheiten und Befindlichkeiten sowie den situativen Einflüssen ab, welche Wirkungen der Alkoholgenuss bei dem Einzelnen zeigt. Auch die kriminologische Forschung hat verschiedene Erklärungsmodelle für die in den polizeilichen Kriminalitätsstatistiken festgestellten Beziehungen zwischen Alkohol und Gewaltdelinquenz (vgl. Schwind, Kriminologie, 18. Auflage, 2008, § 26 Rn. 30 f.; Kaiser, Kriminologie, 3. Auflage, 1996, § 54 Rn. 22 f.). Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob überhaupt eine kausale Beziehung oder nicht vielmehr ein „Scheinzusammenhang“ besteht. Denn es könne auch möglich sein, dass sich Alkoholtäter leichter überführen ließen und daher bei den polizeilichen Erhebungen überrepräsentiert seien (Kaiser, a.a.O. Rn. 23). In dem Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht des Bundesministeriums der Justiz von 2006 wird festgestellt (S. 287, unter 3.5.3.1), dass die Alkoholisierung von Beteiligten bei der Entstehung von Straftaten „im Einzelfall“ eine mitursächliche, auslösende, begünstigende oder begleitende Rolle spielt. Der Alkoholeinfluss könne jedoch nur selten als einzige Ursache herausgearbeitet werden.
46 
Nichts grundlegend anderes ergibt sich für den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Polizeiverordnung. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass jedenfalls im „Bermuda-Dreieck“ das verbotene Verhalten vor dem Hintergrund der dortigen Verhältnisse - wie Gedränge, körperliche Kontakte, Rempeleien, Gegröle und vermeintliche Provokationen - die prognostizierten Auswirkungen hat, wird der Nachweis einer abstrakten Gefährlichkeit des verbotenen Verhaltens durch die polizeilichen Studien nicht erbracht (kritisch zu dem in diesem Bereich behaupteten Ursachenzusammenhang der Kriminologe Prof. Hefendehl, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg, Leserbrief zum Beitrag Faßbender, NVwZ 11/2009, IX). Nicht geklärt ist dabei vor allem, welche Bedeutung dem Faktor Alkohol neben zahlreichen anderen Ursachen zukommt.
47 
Der Nachweis einer abstrakten Gefahr kann schließlich auch nicht durch den seit Einführung der Verbotsnorm festgestellten Rückgang der Gewaltdelikte um lediglich 16 % (= 13 von 69 im zeitlichen und örtlichen Verbotsbereich festgestellten Gewaltstraftaten) erbracht werden. Der Rückschluss, von dem Normunterworfenen gehe typischerweise und regelmäßig die Gefahr von Gewaltdelikten aus, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn ein massiver Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung zu verzeichnen wäre. Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Selbst wenn man, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, einzukalkulieren hat, dass die ständige Polizeipräsenz auch ein verändertes Anzeigeverhalten zur Folge gehabt haben kann, belegt der festgestellte Rückgang keinesfalls, dass sich aufgrund des verbotenen Verhaltens in aller Regel eine Gefahrenlage ergibt.
48 
Im Übrigen kommt dem zugrunde gelegten statistischen Material ohnehin nur eine beschränkte Aussagekraft zu. Zum einen ist, wovon auch die Antragsgegnerin ausgeht, die verfügbare Datenmenge der Polizei zu gering, um hieraus ein empirisch gesichertes Ergebnis abzuleiten und den dargelegten Rückgang der Gewaltdelinquenz im Geltungsbereich der Polizeiverordnung verlässlich nachzuweisen. Zum anderen ist das in die Untersuchung eingestellte Zahlenmaterial als solches nicht hinreichend aussagekräftig für die Frage, wie viele Gewaltdelikte gerade aufgrund des verbotenen Verhaltens vor und nach Erlass der Polizeiverordnung im „Bermuda-Dreieck“ zu verzeichnen waren. Bei der Auswertung der polizeilichen Studien ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Studie 2007 sowie die neuesten, in der mündlichen Verhandlung dargelegten polizeilichen Untersuchungen auf der Auswertung der in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Delikte basieren. Nach den eigenen Angaben des Vertreters der Polizeidirektion, die sich mit den Hinweisen aus der polizeilichen Studie 2007 decken, geben die aus der PKS übernommenen Zahlen keinen Aufschluss darüber, wann genau sich die Gewalttaten ereignet haben. Hier geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, dass in der - auf den Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abstellenden - Kriminalstatistik Gewalttaten zahlenmäßig erfasst wurden, die sich schon mehrere Monate vorher ereignet haben können. Mit Blick auf diesen Verzerrfaktor ergeben sich folglich verlässliche Angaben über bestimmte Vergleichszeiträume lediglich aus der in der Studie 2008 dargestellten Tatzeitanalyse, nicht aber aus dem ansonsten von der PKS erfassten Zahlenmaterial. Auch für den Vergleichszeitraum 2009 liegt keine Tatzeitanalyse vor. Der von der Antragsgegnerin für das erste Halbjahr 2009 dargelegte weitere Rückgang von Gewalttaten im zeitlichen und örtlichen Bereich der Polizeiverordnung relativiert sich überdies deshalb, weil für das ganze Stadtgebiet 2009 ein „leichter“ Rückgang dieser Delikte (nähere Angaben hierzu konnten nicht gemacht werden) erwartet wird.
49 
Schließlich kann, wie bereits in der polizeilichen Studie 2007 hervorgehoben wird, bei der Auswertung der polizeilichen Kriminalstatistik nicht unterschieden werden, ob die Delikte im öffentlichen Raum oder in einem Gebäude begangen wurden. Es können insoweit daher nur Erfahrungswerte (50:50) zugrunde gelegt werden. Ebenso sind Fälle häuslicher Gewalt erfasst, die mit dem verbotenen Verhalten in keinerlei Zusammenhang gebracht werden können. Entsprechendes gilt, soweit die registrierten Gewalttaten auch Personen umfassen, die, wie in der Beschlussvorlage ausgeführt, alkoholisiert der dortigen Kneipen verwiesen werden und hierauf aggressiv reagieren. Die Anzahl der unter Alkoholeinfluss begangenen Gewaltdelikte gibt daher keinen Aufschluss darüber, ob der Gewalttäter bereits zu Hause „vorgeglüht“ hat und sich in alkoholisiertem Zustand ins „Bermuda-Dreieck“ begibt oder in den dortigen Kneipen und Vergnügungsstätten Alkohol zu sich nimmt und anschließend aggressiv und gewalttätig wird oder tatsächlich zu der Gruppe der Normunterworfenen zählt.
50 
Ist die Antragsgegnerin daher mangels genügend abgesicherter Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte bzw. über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt allenfalls ein Gefahrenverdacht vor.
51 
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf, dass angesichts der in der Vergangenheit festgestellten erheblichen Körperverletzungen im „Bermuda-Dreieck“ auch ein Weniger an gesicherten Erkenntnissen hinzunehmen und ihr insoweit eine Erprobungsphase einzuräumen sei.
52 
Die Antragsgegnerin ist als kommunale Verordnungsgeberin an die Vorgaben des § 10 Abs. 1 PolG gebunden; ein Erprobungsspielraum bei der Beurteilung, ob die bisherigen Erkenntnisse eine abstrakte Gefahr belegen oder nicht, kommt ihr nicht zu (BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O., S. 95 f. <96>; a.A. Faßbender, Alkoholverbote durch Polizeiverordnungen: per se rechtswidrig?, NVwZ 2009, 563 f.). Davon abgesehen war sie aufgrund der unbeanstandet gebliebenen, zeitlich befristeten Vorläuferfassung der Polizeiverordnung in der Lage, Erkenntnisse zu sammeln, die jedoch - wie dargelegt - die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht stützen.
53 
Der Senat verkennt nicht, dass die sich häufenden Alkoholexzesse gerade unter jungen Menschen ein gesellschaftliches Problem darstellen, denen auf verschiedenen Wegen begegnet werden muss. Es kann daher auch im Bereich der Gefahrenvorsorge ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Dies setzt aber eine Risikobewertung voraus, zu der nur der Gesetzgeber berufen ist. Nur er ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Beachtung grundrechtlicher Vorgaben die Rechtsgrundlagen für abstrakt-generelle Grundeingriffe zu schaffen, mit denen an einzelnen Brennpunkten Risiken vermindert werden sollen. Eine derart weitreichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht der Polizeibehörde nicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002, a.a.O.).
54 
Der Antragsgegnerin bleibt nach wie vor die Möglichkeit, den notwendigen Schutz der Bevölkerung vor den von alkoholisierten Personen ausgehenden Gefahren mit dem herkömmlichen polizeilichen Instrumentarium zu gewährleisten und etwa mit Platzverweisen und Aufenthaltsverboten im Einzelfall gegen Störer vorzugehen. Auch Massenbesäufnisse auf öffentlichen Plätzen (sog. Botellón-Veranstaltungen) können auf der Grundlage des Polizeigesetzes untersagt werden, ohne dass es des Rückgriffs auf eine Polizeiverordnung bedarf. Das Jugendschutzgesetz, das Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Verzehr von Alkohol in der Öffentlichkeit ohnehin nicht gestattet (§ 9 Abs. 1), bietet darüber hinaus ein Handhabe gegen jugendliche „Rucksacktrinker“. Auch kann für einzelne öffentliche Einrichtungen eine entsprechende Einrichtungssatzung bzw. Benutzungsordnung erwogen werden. Der Antragsgegnerin ist es schließlich unbenommen, ihre im Rahmen eines Gesamtkonzepts getroffenen sonstigen Maßnahmen (wie Vereinbarungen mit den gastronomischen Betrieben über die gegenseitige Anerkennung von Hausverboten, über die freiwillige Selbstbeschränkung in Bezug auf sog. Flatrate-Angebote, systematische Öffentlichkeitsarbeit, Projekte mit sozialarbeiterischer oder jugendpflegerischer Ausrichtung und „Gefährderansprachen“) weiter zu verfolgen und diese Präventionsprojekte auszuweiten.
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 28. Juli 2009
58 
Der Streitwert für das Normenkontrollverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 01.02.2007 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 23.01.2007 wird mit folgenden Maßgaben wiederhergestellt:

1. Die Lärmemissionen sind auf das notwendige Maß zu reduzieren. Die Immissionsrichtwerte "Außen" gemessen an der dem K.- Haus zugewandten Außenwand des nächstgelegenen Wohnhauses werden festgesetzt auf tagsüber 60 dB (A) und nachts 45 dB (A). Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr.

2. Zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen hat der Antragsgegner als untere Verkehrsbehörde eine Anordnung nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO zu treffen, nach der das Befahren der R.-Straße mit Kraftfahrzeugen am 03.02.2007 ab 22.00 Uhr bis zum 04.02.2007 um 8.00 Uhr untersagt wird.

3. Der Parkplatz bei der Veranstaltungsstätte darf durch Mitglieder und Mitarbeiter des Veranstalters, d.h. nicht durch Besucher, am 03.02.2007 bis 22.00 Uhr angefahren werden.

4. Es ist ein Ordnerdienst einzurichten, der den Zu- und Abgangsverkehr (PKW und Fußgänger) regelt und auf die Besucher des KKH dahingehend einwirkt, das verkehrsrechtliche Verbot zu beachten und unnötige Lärmbelästigung und Verunreinigung der Vorgärten etc. der Anwohner zu vermeiden.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/2, der Antragsgegner zu 1/4 und die Beigel. zu 3. - 10. je zu 1/32. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. - 10. tragen diese zu 1/2 selbst; im Übrigen der Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- festgesetzt.

Gründe

1

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 23.01.2007 für eine vom Antragsteller im ehemaligen K.- Hauses W. in der Zeit vom 03.02.2007, 19.00 Uhr, bis zum 04.02.2007, 04.00 Uhr, geplante Veranstaltung abgelehnt. Das Interesse des Antragsgegners am sofortigen Vollzug der Nutzungsuntersagung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Durchführung der Veranstaltung, da er im Widerspruchverfahren und einem sich eventuell anschließenden Hauptsacheverfahren die Aufhebung der Verfügung nicht erreichen könne. Für die geplante Nutzung des Gebäudes bestehe keine bauaufsichtliche Zulassung und die formelle Illegalität der Nutzung rechtfertige den Erlass der streitgegenständlichen Verfügung. Auch wenn es sich bei der Veranstaltung um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG handeln sollte, könne diese nicht in einem für diesen Zweck baurechtlich nicht genehmigten Gebäude durchgeführt werden.

2

Die hiergegen gerichtete zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.

3

Zu Recht verweist das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebende Beschwerdevorbringen auf den nach Auffassung des Antragstellers bestehenden Charakter der geplanten streitgegenständlichen Veranstaltung als Versammlung i.S.v. Art. 8 GG.

4

Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - BVerfGE 104, 92 = DVBl 2002, 256). In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen Versammlungen auch dann, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen und diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit der Ziel der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung eingesetzt werden. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann erfasst, wenn sie sich z.B. dafür einsetzen, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch in Zukunft ermöglicht werden. Andererseits wird eine solche Veranstaltung nicht allein dadurch zu einer Versammlung i.S.v. Art. 8 GG, das bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die rechtliche Beurteilung danach zu richten, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder ob der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund steht. Bleiben Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01 -, NJW 2001, 2459).

5

Bei Anwendung der o.g. Grundsätze spricht einiges dafür, dass es sich bei der vom Antragsteller geplanten Veranstaltung mit dem beschriebenen Inhalt um eine Versammlung i.S.v. Art. 8 GG handelt.

6

Nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung führt der Antragsteller die Versammlung eine Woche vor der Landratswahl mit den zwei Schwerpunkten "Freie Willensbildung zum Thema "Abbau der Freizeitangebote für jüngere Menschen"" und "Vorstellung des Landratskandidaten der A. - Partei" durch. Der Antragsteller will insbesondere auf die besondere Situation der Jugendlichen im Landkreis, namentlich das Fehlen des vorgesehenen Veranstaltungsorts als Treffpunkt für Jugendliche hinweisen. Er möchte hierzu während der gesamten Dauer der Veranstaltung eine Unterschriftenaktion durchführen. Sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Veranstaltung würden ausschließlich von Mitgliedern des Antragstellers erbracht und es werde kein Eintrittsgeld erhoben. Neben dem Landratskandidaten würden Mitglieder des Bundestages und des Landtages mit Wortbeiträgen an der politischen Willensbildung mitwirken und sämtliche Räume des K.- Hauses würden mit Fahnen, Plakaten und Flyern tapeziert.

7

Zweifel am Versammlungscharakter der Veranstaltung bestehen allerdings im Hinblick auf den geplanten Zeitrahmen der Veranstaltung von 19.00 Uhr bis 04.00 Uhr, für den sich der Anteil an Meinungskundgaben im Verhältnis zu Vergnügungsanteilen weder aus den Darlegungen des Antragstellers hinreichend deutlich ergibt noch im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufklären lässt. Erweist sich der Versammlungscharakter der Veranstaltung danach als offen, gebieten die o.g. Grundsätze, die Veranstaltung als Versammlung zu behandeln.

8

Dies ist im Rahmen der auf § 80 Abs. 2 LBauO M-V gestützten Nutzungsuntersagungsverfügung durch den Antragsgegner zu treffenden Ermessenentscheidung einzustellen, da er durch die Verfügung die konkrete Veranstaltung untersagt hat. Ob dies auch dann gelten würde, wenn der Antragsgegner eine allgemeine Nutzungsuntersagung ausgesprochen hätte mit dem Inhalt, dass eine typisierte Nutzung generell untersagt wird, kann dahinstehen, da er eine solche Anordnung nicht erlassen hat.

9

Auch wenn der Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung insoweit zutreffend meint, dass dies nicht dazu führen könne, dass sämtliche anderen öffentlich-rechtlich geschützten Rechtsgüter Dritter hintan stehen müssten und Bestimmungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts nicht außer Kraft gesetzt werden könnten, müssen auch Maßnahmen ohne unmittelbaren Bezug zum Versammlungsrecht - soweit sie im Ergebnis zu Beschränkungen der Ausübung der Versammlungsfreiheit führen - inhaltlich auch mit Rücksicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit legitimiert werden können. Soweit Ermächtigungsnormen primär Ordnungscharakter haben, im konkreten Fall aber nicht zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder andere wichtige Rechtsgüter dienen, reichen sie regelmäßig nicht als Rechtsgrundlage, um die Ausübung der Versammlungsfreiheit beschränken zu können. Ist es aber möglich, die Modalitäten der Durchführung der Versammlung ohne Gefährdung des Versammlungszwecks zu ändern und den Normen dadurch Rechnung zu tragen, so treten sie nicht in ihrer Anwendung zurück (vgl. Hoffmann-Riem in Alternativ - Kommentar zum Grundgesetz für die BRD - AK -, Art. 8 Rn. 30 und 55).

10

Ob bei Anwendung dieser Grundsätze die streitgegenständliche Verfügung dem Schutzbereich des Art. 8 GG hinreichend Rechnung trägt, kann offen bleiben. Denn zum einen dient sie erkennbar nicht der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben oder anderer vergleichbarer Rechtsgüter, wirkt sich zum anderen aber als faktisches Versammlungsverbot aus, so dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung damit nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage im Ergebnis wenigstens als offen zu bezeichnen ist. Die in diesem Fall vom Gericht zu treffende Abwägung hat nach o.g. Grundsätzen zugunsten der Durchführung der Veranstaltung als Versammlung durch den Antragsteller auszugehen.

11

Allerdings sind nach o.g. Grundsätzen auch die Modalitäten der Durchführung der Versammlung zu berücksichtigen, um dem Ordnungsrecht Rechnung zu tragen. Die in diesem Zusammenhang zu prüfenden Auflagen für die Durchführung der Versammlung liegen dabei im Gestaltungsermessen des Gerichts. Zu berücksichtigen sind dabei Aspekte des vom Verwaltungsgericht angeführten baurechtlichen Rücksichtsnahmegebots und hier insbesondere die Vermeidung unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen für die Anwohner. Denn insoweit hat das Baurecht hinter dem Versammlungsrecht jedenfalls dann nicht zurückzutreten, wenn letzteres durch die einschränkenden Auflagen nur am Rande berührt wird. Zum Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen durch die Veranstaltung im und am Gebäude selbst sind die sich aus der TA - Lärm ergebenden Grenzwerte gemäß Ziffer 1. der Auflagen im Beschlusstenor einzuhalten. Die unter Ziffern 2. bis 4. erteilten Auflagen sind zum Fernhalten der Lärmbeeinträchtigungen durch Park- und Parksuchverkehr in der R.-Straße zur Nachtzeit erforderlich. Diese Auflagen erscheinen für die Beteiligten auch zumutbar; sie entsprechen im Wesentlichen der Vereinbarung vom 27.12.2005. Durch die vorgesehene verkehrsrechtliche Anordnung sind sie notfalls auch hoheitlich durchsetzbar.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs.3 i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

13

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.