Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11

bei uns veröffentlicht am27.11.2012

Tenor

Es wird festgestellt, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung rechtswidrig waren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 3/5 und der Beklagte 2/5.

Tatbestand

 
Der am ... geborene Kläger, ein ehemaliger Polizeibeamter im Dienste des Beklagten, wurde mit Urteil des Landgerichts ... vom 05.11.1990 - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie homosexueller Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Am 10.03.2010 verurteilte das Landgericht ... den Kläger im Verfahren 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09 - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen (Tatzeit von Ende 1995 bis Ende 1996) erneut zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Die Staatsanwaltschaft ... ermittelte in der Zeit ab 1996 wiederholt gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Ermittlungsverfahren 82 Js 516/96, 82 Js 359/97 und 82 Js 2535/03 wurden indessen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, in einem weiteren Fall wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO nicht eingeleitet.
Der Kläger ist Mitglied im Vorstand der ..., einem Verein, der sich u. a. mit der Pflege und Förderung des Wassersports auf dem ... befasst und zusammen mit dem ... eine Bootsanlegestelle in ... am ... unterhält.
Der Kläger unternimmt mit seinem Kajütboot von dieser Bootsanlegestelle aus Ausfahrten auf den ... Immer wieder nimmt er auch Kinder und Jugendliche mit, mit denen zusammen er auch im Boot auf dem Rhein übernachtet.
Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte des Klägers war dieses Verhalten Gegenstand einer gemeinsamen Vorstandssitzung der ... und des ... am ... Der Kläger erklärte damals, sein Fehlverhalten liege mittlerweile 16 Jahre zurück und sei bei der Aufnahme in den Verein bekannt gewesen. Schon aus Eigeninteresse nehme er nur Kinder und Jugendliche auf das Boot mit, mit deren Eltern er gut bekannt sei.
..., Leiter des Sachgebiets ... und Mitglied des YC ..., teilte am 11.03.2010 einem deutschen Kollegen von der Kriminalpolizei ... mit, dass im ... in den letzten drei Jahren immer wieder beobachtet worden sei, wie der Kläger mit männlichen Kindern und Jugendlichen mit seinem Boot auf dem ... spazieren fahre und auch übernachte. Darauf angesprochen, habe der Kläger erklärt, dass alles mit den Eltern abgesprochen und auch sonst in Ordnung sei. Auch der Leiter der Kripo ..., ..., sei gelegentlich auf dem Boot. - Er, ..., habe bereits 2008/2009 den Polizeiposten in ... und die Wasserschutzpolizei in ... informiert, zumal der Kläger im August 2009 zusammen mit zwei Jungen auf dem ... in ... gewesen sei.
Die Polizeidirektion ... bat die Landespolizeidirektion beim Regierungspräsidium ... um Übernahme des Verfahrens, weil auch der Leiter ihrer Kriminalpolizei betroffen sei. Am 19.04.2010 ordnete das Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - für die Zeit bis zum 19.07.2010 die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gestützt auf § 22 PolG gegen den Kläger an. In der Antragsschrift des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 14.04.2010 heißt es, der homosexuell orientierte Kläger, der - wie das Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 ergeben habe - zudem an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leide, habe über viele Jahre hinweg Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gesucht, sie in seiner Wohnung, in seinem Bett und auf seinem Boot übernachten lassen. Die entsprechenden Situationen habe er zur Begehung von Sexualstraftaten genutzt, und zwar auch, als im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht ... im Jahre 1990 der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt gewesen sei bzw. als Freigänger während der Verbüßung der anschließenden Strafhaft. Wie die weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in den 90er Jahren gezeigt hätten, habe durch die Vernehmung der geschädigten Jungen kein Tatnachweis geführt werden können, weil diese wegen ihrer Scham- und Schuldgefühle keine belastenden Aussagen gemacht hätten. Im Jahre 1989 seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers viele Lichtbilder von den nackt fotografierten Jungen gefunden worden. Daraufhin seien die Geschädigten eher bereit gewesen, belastende Angaben zu den sexuellen Handlungen zu machen. - Dass der Kläger nun wiederum 10- bis 16jährige Jungen in der Regel mit Einverständnis der Eltern in seiner Wohnung und auf seinem Boot übernachten lasse, begründe zwar nicht den Anfangsverdacht einer Straftat, weshalb strafprozessuale Maßnahmen wie etwa eine Wohnungsdurchsuchung nicht in Betracht kämen. Die verdeckten Observationsmaßnahmen dienten aber dazu, festzustellen, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme und mit ihnen dort nächtige, um so potentiell Geschädigte zu erkennen und zu identifizieren, damit bevorstehende Straftaten erkannt und ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. Die verdeckten Observationen seien geeignet und erforderlich, weil durch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe die vollzugspolizeiliche Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht erfüllt werden könne.
Mit Verfügung des Regierungspräsidiums ... vom 12.07.2010 wurde die Anordnung der verdeckten Observationsmaßnahmen bis zum 19.10.2010 verlängert. In der Antragsschrift vom 09.07.2010 führte das Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - u.a. aus, durch die präventivpolizeilichen Observationsmaßnahmen sei festgestellt worden, dass der Kläger sowohl in seiner alten Wohnung in der ... als auch in der neuen Wohnung im ..., die er nach dem Umzug seiner Mutter in ein Altersheim renoviert habe, tagsüber wiederholt Besuch von Jugendlichen gehabt habe. Der allerdings bereits am 24.01.1994 geborene ... sei insgesamt fünfmal zu Besuch in den Wohnungen gewesen, an sechs weiteren Tagen habe der Kläger ihn im Auto mitgenommen und an zehn Tagen sei er zusammen mit ihm meistens für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen. Nach einem gemeinsamen Tag auf dem Boot habe er in einer Art und Weise, die einen sexuellen Bezug vermuten lasse, gesagt, „geil, geiler, geiler, am geilsten“, und kurz darauf noch einmal, „es war so geil“. Zu dem am 03.08.1995 geborenen, allerdings noch sehr kindlich aussehenden ... habe er im Bezugszeitraum einen noch engeren Kontakt gehabt. Er sei dreimal mit ihm für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen und sei oft zusammen mit ihm Auto gefahren. Wiederholt habe ihn der Jugendliche auch in der Wohnung im ... besucht und fünfmal dort auch übernachtet. Zweimal hätten sie sich zusammen auf einem Gartengelände mit einer Hütte aufgehalten. Bereits zuvor sei das Kraftfahrzeug des Klägers insgesamt 24mal in der Nähe des Gartengrundstücks festgestellt worden, und zwar teilweise für mehr als zwei Stunden. Ebenso habe der Kläger mehrfach Kontakt mit dem Leiter der Kriminalpolizei ... gehabt. So seien sie zusammen mit einem weiteren jungen Mann am 27.04.2010 von 16.35 Uhr bis 19.48 Uhr zusammen auf dem Kajütboot gewesen. Durch die polizeirechtlichen Maßnahmen hätten zwar noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Die Verhaltensweisen des Klägers bezüglich sexuell motivierter Kontakte zu männlichen Kindern und Jugendlichen hätten sich über die Jahre hinweg jedoch nicht verändert. Der Kläger suche über die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses u.a. mit den Eltern Kontakt zu den Jungen und verbringe mit ihnen seine Freizeit. Insbesondere die Übernachtungen des im Bezugszeitraum noch 14jährigen ... begründeten den Verdacht eines sexuellen Verhältnisses. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ... bestehe derzeit jedoch noch kein Anfangsverdacht im Hinblick auf die Begehung einer Straftat nach § 176 StGB (sexueller Missbrauch von Kindern) bzw. gem. § 182 StGB (sexueller Missbrauch von Jugendlichen).
10 
Im Zuge der weiteren Observationen wurde im Laufe des Augusts 2010 festgestellt, dass der Kläger mit dem 11 Jahre alten ... im Einverständnis mit dessen Eltern einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Kajütboot machen wollte. Die Nacht vom 19.08.2010 auf den 20.08.2010 verbrachte der Kläger zusammen mit diesem Jungen und ... in seinem Kajütboot auf dem Rhein. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ... am 25.08.2010 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren (90 Js 7892/10) wegen des Anfangsverdachts erneuter Straftaten gem. §§ 176, 176a und 182 StGB gegen den Kläger ein. Der Verdacht konnte jedoch durch die Durchsuchung der Person, der Wohnung, des Arbeitsplatzes und des Kajütbootes des Klägers am 26.08.2010 (gem. §§ 102 ff. StPO) nicht belegt werden. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin beendet.
11 
In dem Abschlussbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 28.06.2011 heißt es, es bestehe die begründete Vermutung, dass durch die am 26.08.2010 durchgeführte Durchsuchung ein unmittelbar bevorstehender sexueller Missbrauch eines damals gerade 12 Jahre alten Jungen (..., geb. am 13.01.1998) auf dem Kajütboot habe verhindert werden können. Nach Auskunft des Kindes sei es zu scheinbar unauffälligen körperlichen Annäherungsversuchen des Klägers mit einer von diesem nicht erkannten sexuellen Motivation gekommen.
12 
Mit Verfügung vom 15.07.2011 stellte die Staatsanwaltschaft ... das strafrechtliche Ermittlungsverfahren hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Kindern gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
13 
Am 19.08.2011 hat der Kläger mit dem Ziel der Feststellung, dass die ab 19.04.2010 gegen ihn durchgeführten verdeckten polizeirechtlichen Überwachungsmaßnahmen rechtswidrig gewesen seien, verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Er trägt vor: Für die Klage sei nach § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben, denn trotz ihrer Doppelfunktionalität und des Hin- und Herspringens zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen handele es sich bei den gegen den Kläger durchgeführten verdeckten Observationen nicht um strafrechtliche Ermittlungen, sondern um auf § 22 PolG gestützte präventivpolizeiliche Maßnahmen. - Auch nach Beendigung der verdeckten Observationsmaßnahmen dauere der Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung fort. Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft ... behaupte das Regierungspräsidium ... im Zusammenhang mit dem gegen ... wegen der Kontakte zum Kläger eingeleiteten Disziplinarverfahren, dass gegen diesen weiterhin ein Tatverdacht bestehe. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation des Klägers aus dem tiefen Eingriff in seine Grundrechtspositionen. Auch müsse einer Wiederholung solcher verdeckter polizeilicher Observationsmaßnahmen für den Fall einer erneuten Anzeige Dritter vorgebeugt werden. - Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen seien schließlich auch in der Sache rechtswidrig. Eine erhebliche und damit auch konkrete Gefahr i.S. des § 22 Abs. 2 PolG, die Voraussetzung für die Anfertigung verdeckter Bild- und Tonaufnahmen sowie für die Anwendung technischer Mittel zur Standortbestimmung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und 3 PolG sei, habe nicht vorgelegen. Den Polizeibehörden sei seit Jahren bekannt gewesen, dass der Kläger seine Freizeit zur Pflege des Wassersports mit Kindern und Jugendlichen auf dem Kajütboot verbringe, ohne dass es zu Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung gekommen sei. Irgendwelche Besonderheiten, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, habe es nicht gegeben. Stattdessen seien kriminalistische Bauchgefühle für das Vorgehen des Beklagten ausschlaggebend gewesen. So heiße es in den Vermerken etwa, die Geschädigten hätten in der Vergangenheit aus Scham- und Schuldgefühlen keine näheren Angaben gemacht. Es gebe aber weder irgendwelche „Geschädigten“ noch würden Anhaltspunkte dafür benannt, dass diese Scham- und Schuldgefühle hätten. Zu Unrecht schließe der Beklagte aus dem Gebrauch des Wortes „geil“ durch den Kläger darauf, dass der Aufenthalt der Jugendlichen auf dem Boot einen sexuellen Bezug gehabt habe. Dieses Wort habe heute eine allgemein lobende bzw. bestätigende Bedeutung. Wieso aus der „Art und Weise“ seines Gebrauchs auf einen sexuellen Bezug geschlossen werden können solle, teile der Beklagte nicht mit. Seine Spekulation, durch die polizeiliche Durchsuchungsaktion am 26.08.2010 habe eine sexuell motivierte Straftat des Klägers verhindert werden können, offenbare nur seinen Begründungsnotstand. Der Beklagte benenne weder das Kind, noch mache er Angaben dazu, ob es im Zeitpunkt der Straftat die maßgebliche Altersgrenze nicht bereits überschritten gehabt habe. Erst recht könne die Gefahr der Begehung von Straftaten im Jahr 2011 nicht mit einer im Jahre 1989, d.h. vor über 22 Jahren, festgestellten Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit homosexuellen Neigungen begründet werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich daraus auch heute noch die Gefahr von Straftaten ergeben könne, seien auch nicht ansatzweise benannt worden. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wäre ohne die verdeckten Maßnahmen auch weder gefährdet, noch - was überhaupt nur in Betracht komme - beeinträchtigt worden. Denn der Beklagte habe als mildere Ermittlungsmaßnahme etwa die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern im Hinblick auf sexuelle Übergriffe seitens des Klägers befragen oder dessen Kajütboot auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen hin untersuchen können. Das habe umso näher gelegen, als ohnehin höchstens ein Gefahrenverdacht bestanden habe. - Erst recht seien die verdeckte selbsttätige Bildaufzeichnung und die längerfristige Observation rechtswidrig gewesen. Solche Maßnahmen dürften nur zur Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, d.h. nach § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG von Verbrechen, eingesetzt werden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei nach §§ 176, 176a StGB aber nur dann ein Verbrechen, wenn der Täter tatsächlich sexuelle Handlungen vornehme. Selbst die Einwirkung auf die Kinder mit pornographischen Schriften oder Filmen genüge hier auf keinen Fall. - Ohnehin sei das Ziel des Beklagten nicht die präventive Datenerhebung zur Verhinderung von Straftaten gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht Beweise für ein zukünftiges Strafverfahren zu beschaffen. So heiße es in den Vermerken der Polizei etwa, die Hinweislage reiche zur Begründung des Anfangsverdachts einer Straftat noch nicht aus. Verfassungsrechtliche Überlegungen zeigten aber, dass polizeirechtliche Maßnahmen zu diesem Zweck unzulässig seien. Der Bundesgesetzgeber habe die Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen seiner Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG mit den §§ 100c, 100d, 163f und 100h StPO abschließend geregelt. Unabhängig von alledem seien die angeordneten Maßnahmen auch ungeeignet und sonst unverhältnismäßig gewesen. So hätte dadurch ein Missbrauch zwar vielleicht eindeutig dokumentiert, aber nicht - präventivpolizeilich - verhindert werden können. - Selbst wenn man annehmen wolle, eine längerfristige Observation i.S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG sei erforderlich gewesen, so hätten die danach möglichen Ermittlungsmaßnahmen auch ohne die zusätzlich angeordneten verdeckten Maßnahmen problemlos zum Auffinden weiterer Beweismittel, etwa Zeugen, geführt. Abgesehen davon hätten die im Verein bekannten Namen der Jugendlichen durch eine Befragung der Mitglieder festgestellt werden können. Ein behördliches Umgangsverbot wäre dann ein milderes Mittel gewesen. Die simultane Anwendung personeller und technischer Maßnahmen im Sinne einer Totalüberwachung im Rahmen interpersonaler Beziehungen sei in ihrer Massivität einzigartig und sonst nur aus der Terrorismusbekämpfung bekannt, woraus sich ihre Unverhältnismäßigkeit gegenüber dem Kläger, der seit 15 Jahren strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei, offensichtlich ergebe.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
festzustellen, dass die vom Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Bei den angeordneten Maßnahmen handele es sich um solche der Gefahrenabwehr, weshalb es nicht auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht ankomme, sondern darauf, dass die vorliegenden Tatsachen eine polizeiliche Gefahr begründet hätten. Durch die strafprozessuale Durchsuchung habe auch tatsächlich eine schwere Straftat i.S. des § 176a StGB verhindert werden können. Dem Behördenleitervorbehalt aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG sei Rechnung getragen und der Kläger entsprechend § 22 Abs. 8 PolG nachträglich über die verdeckten Maßnahmen unterrichtet worden. Aber auch die materiellen Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG seien gegeben gewesen. Es hätten konkrete, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, der Kläger könne ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach §§ 176 ff. StGB in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung begehen. Der Kläger habe weiterhin Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gepflegt, was für einen Mann seines Alters und mit seiner Vorgeschichte großen Bedenken begegne. Die vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltensweisen, die in seiner Persönlichkeit gründeten und ein gewisses Schema erkennen ließen, begründeten die Vermutung, er werde auch zukünftig sexuell motivierte Straftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begehen. Alle von ihm ausgewählten Kinder stammten aus sozial schwachen Familien. Durch das Anbieten und Gewähren von Vergünstigungen in Form von Nachhilfe, Freizeitaktivitäten, Bootsaufenthalten, Liebesbekundungen per SMS, Massagen und Geschenken habe der Kläger immer wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern geschaffen. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung könne daraus auf den Hang zur Begehung erheblicher Straftaten geschlossen werden. Mildere Mittel als die längerfristige Observation hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine zeitliche und räumliche Rundumüberwachung habe nicht stattgefunden. Dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Klägers sei hinreichend Rechnung getragen worden, denn sein Wohnraum sei weder durch Videoaufzeichnungen noch akustisch überwacht worden. - Bezüglich des verdeckten Einsatzes technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 PolG falle der Kläger unter den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personenkreis, da von ihm eine erhebliche Gefahr ausgegangen sei. Die vom Kläger genannte Durchsuchung seines Bootes auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen sei jedenfalls keine weniger einschneidende Maßnahme gewesen. Die besondere Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Kinder und Jugendlichen habe den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes und zur Standortbestimmung gerechtfertigt.
19 
Dem Gericht liegen die folgenden Akten vor:
20 
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 (auch bezeichnet: 28 Js 881/90 78 KLs 19/90); 4 Bände zuzüglich zweier Sonderbände sowie des zugehörigen Bewährungshefts
- die Akten des Strafverfahrens vor dem Landgericht ... 2 KLs 86 Js 6593/07 AK 9/09; 1 Band
- die Akten der Staatsanwaltschaft ... zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren 90 Js 7892/10; 2 Bände zuzüglich zweier Sonderbände
- drei Bände Akten mit Fotokopien aus polizeilichen Ermittlungsverfahren (zwei Leitz-Ordner und ein Schnellhefter)
- die Akten des Regierungspräsidiums ..., soweit deren Vorlage nicht gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Innenministerium verweigert worden ist (ein Leitz-Ordner)
21 
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer Herrn ... von der Landespolizeidirektion informatorisch zu den gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mitteln der Datenerhebung befragt. Bezüglich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die dem Gericht vorliegenden Akten und die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
22 
Für die Klage als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist - wovon auch der Beklagte in Übereinstimmung mit dem Kläger ausgeht (vgl. §§ 173 VwGO, 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) - mangels Sonderzuweisung an eine andere Gerichtsbarkeit gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Das Regierungspräsidium ... ist nicht im Rahmen der Strafverfolgung, sondern gestützt auf § 22 PolG präventiv-polizeilich tätig geworden. Sowohl in den Anordnungen des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion - vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 als auch in den zu Grunde liegenden Anträgen des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde als Rechtsgrundlage nur § 22 PolG genannt. Die Maßnahmen werden ausdrücklich als polizeirechtlich qualifiziert.
23 
Statthafte Klageart ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger setzt voraus, dass sich aus der Anwendung des § 22 PolG auf einen konkreten Lebenssachverhalt die Berechtigung des Beklagten dazu gegenüber dem Kläger ergibt. Diese auf einen konkreten Sachverhalt gestützte und durch Normen geordnete Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem ist als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO zu qualifizieren.
24 
Ungeachtet der Frage, ob eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (im Falle erneuter Hinweise, dass der Kläger Kontakte mit Jungen pflegt und sie in seine Wohnung bzw. auf sein Boot mitnimmt), ergibt sich das berechtigte Interesse hier bereits aus dem tiefen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu VG Freiburg, Urteil v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152 für den Fall des Einsatzes eines verdeckten Ermittlers mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtspr. u. a. des Bundesverfassungsgerichts und BVerwG, Urt. 16.05.2007 - C 23.06 -, BVerwGE 129, 42 für das berechtigte Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Falle bereits abgeschlossener versammlungsrechtlicher Maßnahmen, außerdem Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 82 zu § 22). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bejaht das berechtigte Interesse außerdem dann, wenn die sich typischerweise vor Einlegung eines Rechtsbehelfs erledigende polizeiliche Maßnahme Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs ist und eine nicht bloß geringfügige Rechtsverletzung bewirkt haben kann (Urt. v. 14.04.2005 - S 2362/04 -, juris). So liegen die Dinge hier, zumal der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen in der Regel erst nach deren Abschluss unterrichtet wird (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG). Darauf, ob die durchgeführten polizeirechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger auch eine fortbestehende diskriminierende Wirkung entfalten, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
25 
Der Kläger kann bzw. konnte seine Rechte auch nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht i.S. des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, wie bereits daran zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten (vgl. dazu auch VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 mit zahlr. Nachw. aus der Lit.).
26 
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Sowohl die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation als auch der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung waren - schon aus formellen Gründen - rechtswidrig.
27 
Im Einzelnen:
28 
(Verfassungskonforme) Rechtsgrundlage für sämtliche gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung ist § 22 PolG. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat bereits entschieden, dass diese Norm in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Die Kammer folgt dieser Auffassung. Das Verwaltungsgericht Aachen (Urt. v. 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, Städte- und Gemeinderat 2011, 30, zit. nach juris) ist im Rahmen einer Klage auf Unterlassung einer längerfristigen Observation ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, die vergleichbare Vorschrift des § 16 a PolG NW sei verfassungsgemäß. Auch im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 (1 S 2583/11), mit dem dieser einen Antrag eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftäters auf Unterlassung der polizeirechtlichen Observation abgelehnt hat, hat das Bundesverfassungsgericht keine Aussage getroffen, aus der sich ergäbe, dass es die o.g. Norm für verfassungswidrig hielte, sondern die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Beschl. v. 27.02.2012 - BvR 22/12 -). Einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bedarf es unter diesen Umständen nicht. Auch der Kläger hat die Verfassungskonformität des § 22 PolG insgesamt nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen rechtswidrige Anwendung im konkreten Fall gerügt.
29 
Hinsichtlich der gegen den Kläger angeordneten längerfristigen Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Standortbestimmung (zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG) hat der Beklagte allerdings bereits die formellen Anforderungen nicht beachtet. Nach § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG stehen diese Maßnahmen unter einem sogenannten Behördenleitervorbehalt. Ihr Einsatz wurde aber nicht durch den Regierungspräsidenten angeordnet, sondern sowohl am 19.04.2010 als auch am 12.07.2010 durch ..., den Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... Auf diesen wurde die Befugnis zur Anordnung dieser besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht wirksam übertragen.
30 
Allerdings bestimmt § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG, dass die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen können. Von der gesetzlichen Ermächtigung aus § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG, durch Rechtsverordnung Vorschriften zur Übertragung dieser Anordnungsbefugnis zu erlassen, hat das Innenministerium des Beklagten mit § 4 DVO PolG Gebrauch gemacht, wonach die Regierungspräsidenten die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilungen in den Regierungspräsidien oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen können.
31 
Von dieser Ermächtigung hat der Regierungspräsident ... mit seiner innerdienstlichen Verfügung vom 10.11.2009 zur Durchführung des Polizeigesetzes (hier: Delegation von Anordnungsbefugnissen) Gebrauch gemacht und bestimmt, dass die Befugnis zur Anordnung (einschließlich der Anordnungsbefugnis bei Gefahr im Verzug) und zur Beantragung von u.a. (hier relevant) Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG (Längerfristige Observation) und § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG (Verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsortes oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache) auf den Leiter der Abteilung 6 -Landespolizeidirektion - und die Leiter der Referate 64 - Führung und Einsatz - sowie 65 - Kriminalitätsbekämpfung - übertragen werden.
32 
Diese Übertragung der Anordnungsbefugnis ist jedoch nicht rechtmäßig, ohne dass es auf die unter den Beteiligten streitige Frage ankommt, ob der Leiter des für die Kriminalitätsbekämpfung zuständigen Referats 65 ebenso wie der Leiter des Referats 64 (Führung und Einsatz) Vertreter des Leiters der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium ... in polizeilichen Aufgaben i.S. des § 4 Satz 1 DVO PolG ist.
33 
Bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Anordnungsbefugnis auf die Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium oder deren Vertreter in polizeilichen Aufgaben übertragen werden kann. Die hier erfolgte kumulative Übertragung der Anordnungsbefugnis auf mehrere Stellen ist gerade nicht vorgesehen.
34 
Diese Bestimmung ist auch eng (am Wortlaut orientiert) auszulegen. Das ergibt sich zunächst aus der Funktion des Behördenleitervorbehalts. Er soll gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit sowohl einer längerfristigen Observation als auch des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Feststellung des Aufenthaltsorts oder der Bewegungen einer Person oder einer beweglichen Sache wegen der hohen Eingriffsintensität besonders sorgfältig geprüft werden, was Kompetenz und Weitsicht erfordert (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22). Damit ist eine Delegation der Anordnungsbefugnis auf einen größeren Personenkreis nicht vereinbar, weil anderenfalls die Funktion des Behördenleitervorbehalts unterlaufen würde (vgl. zur Bedeutung von Zuständigkeitsregelungen zur Sicherung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade bei längerfristigen Observationen auch BVerfG, Beschl. v. 02.07.2009 -2 BvR 1691/07 -, juris; zur Bedeutung der Anordnung solcher Maßnahmen durch eine unabhängige Stelle auch noch näher unten). Auch historische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Der Vertreter des Beklagten hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Polizeipräsident (jetzt der Leiter der Polizeiabteilung beim Regierungspräsidium) sei in der Vergangenheit traditionell ein Jurist gewesen, sein Vertreter aber ein mit der eigentlichen Polizeiarbeit vertrauter „gelernter Polizist“. Die Regelung in § 4 DVO PolG hält (bzw. hielt) vor diesem Hintergrund die Möglichkeit offen, die Anordnungsbefugnis entweder auf einen Juristen oder auf dessen Vertreter in polizeilichen Aufgaben und damit auf einen Polizisten zu übertragen.
35 
Der Einsatz der außerdem zur Anwendung gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung (verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger) ist aber formell ordnungsgemäß erfolgt. Diese besonderen Mittel der Datenerhebung werden in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannt und näher definiert. Auf sie erstreckt sich der Behördenleitervorbehalt nicht, wie sich aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ergibt.
36 
Angesichts der auch mit diesen Maßnahmen verbundenen tiefen Grundrechtseingriffen begegnet dies durchaus Bedenken (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl., 2009, RN 68 zu § 22), zumal die Funktion des Behördenleitervorbehalts durchaus auch darin besteht, eine polizeiinterne Kontrolle zu gewährleisten (dazu bereits oben). Diese war hier jedoch in der Sache letztlich deshalb gegeben, weil die operativ tätigen Polizeibeamten die besonderen Mittel der Datenerhebung nicht aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt haben, sondern zuvor eine entsprechende Anordnung bei ihrem Referatsleiter beantragt haben (dazu, dass kein Richtervorbehalt besteht, näher unten).
37 
Wie bereits ausgeführt, bewirkt allerdings auch die Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung intensive Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. (allgemeiner) auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch die Erhebung personenbezogener Daten (§§ 48 PolG, 3 Abs. 1 und 2 Nr. 1 LDSG) auch in Situationen vermeintlicher Vertraulichkeit. Entsprechend der Zielrichtung der Maßnahmen und nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. § 22 Abs. 8 PolG, der nur eine - eingeschränkte - nachträgliche Benachrichtigungspflicht vorsieht) kann der Betroffene vorherigen Rechtsschutz in aller Regel nicht erlangen. Auch sonst hat der Betroffene keine Möglichkeit, in einem vorgeschalteten Verfahren auf die Aktivitäten der Verwaltung Einfluss zu nehmen. In dieser Situation bedarf es weitergehender verfahrensmäßiger Sicherungen. Die bloße polizeiinterne Kontrolle durch den Referatsleiter - wie sie hier erfolgt ist - ist allein nicht ausreichend. Es bestehen weitergehende formelle Anforderungen. Die Anordnung muss - von Verfassungs wegen, auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa in § 25 Abs. 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen - grundsätzlich schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden, wie dies in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) unter Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 auch ausdrücklich verlangt wird (vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304; im Hinblick auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auch VG Freiburg, Urt. v 06.07.2005 - 1 K 439/03 -, VBlBW 2006, 152).
38 
Diesen Anforderungen genügen die Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/ Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wird, auf Grund welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen (noch) erforderlich ist.
39 
Weitergehende formelle Anforderungen bestehen nicht, insbesondere steht der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung nicht unter Richtervorbehalt. Die Regelung in § 23 Abs. 3 PolG ist nicht einschlägig. Der besondere Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen i.S. des § 23 PolG wurde nicht angeordnet. Auch in den jeweiligen Anträgen ist nur von „technischen Mitteln außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ die Rede. Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass die informatorische Befragung des Beamten der Landespolizeidirektion in der mündlichen Verhandlung auch keinerlei Hinweise dafür ergeben hat, dass tatsächlich doch personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG erhoben worden wären.
40 
Ein Richtervorbehalt ergibt sich für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG auch nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings geklärt, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bewirken, eine vorbeugende Kontrolle durch eine unabhängige Instanz verfassungsrechtlich geboten ist. Bei der Ausgestaltung dieser Kontrolle besteht aber ein Regelungsspielraum. Nur Grundrechtseingriffe von besonders hohem Gewicht stehen unter Richtervorbehalt (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 und v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 -, BVerfGE 109, 279). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richtervorbehalt angenommen für den heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System, weil dieser den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme werden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand kann detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (vgl. BVerfG, Urteile v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274).
41 
Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass auch die gegen den Kläger angeordneten besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch hinter der Intensität der kraft Verfassung unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb davon ausgehen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.
42 
Unerheblich ist, dass gegen den Kläger gleichzeitig mehrere besondere Mittel der Datenerhebung zum Einsatz gekommen sind. Im Hinblick auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende besondere Gefährdungspotential sind deshalb zwar besondere Anforderungen an das Verfahren zu beachten. Die die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung anordnende Stelle (hier: der Leiter des Referats 65) muss über alle Eingriffe informiert sein, weil nur so eine verantwortliche Prüfung und ggf. Feststellung einer übermäßigen Belastung möglich ist. Ebenso müssen alle Ermittlungsmaßnahmen (d.h. die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) in den Akten dokumentiert sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 02.09.2010 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 und EGMR, Urt. v. 02.09.2010 - 35623/05 -; NJW 2011, 1333). Diese Anforderungen sind hier indessen beachtet worden.
43 
Auch in der Sache ist der Einsatz der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG genannten besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die Anwendung dieser einzelnen Mittel unterliegt unterschiedlich strengen rechtlichen Voraussetzungen. Auch die Voraussetzungen für die Maßnahme mit den strengsten Anforderungen sind indessen erfüllt.
44 
Durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen kann der Polizeivollzugsdienst persönliche Daten von den in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen - und damit quasi von jedermann (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Auflage, 2009, RN. 20 zu § 22) - zur Abwehr einer erheblichen Gefahr erheben. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten auf die vorstehend beschriebene verdeckte Weise dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PolG genannten Personen erhoben werden, und damit - hier relevant - u. a. über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen (§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG).
45 
Die Erhebung personenbezogener Daten durch die außerdem formell rechtmäßig zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung - verdeckter Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG) - ist nach § 22 Abs. 3 PolG nur unter strengeren Voraussetzungen zulässig. Zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte dürfen die o.g. besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) eingesetzt werden - und damit quasi gegen jedermann, wie oben bereits dargelegt wurde; zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung ist die Erhebung von Daten mit den genannten besonderen Mitteln dagegen nur über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personen zulässig (Nr. 2).
46 
Im konkreten Fall sind auch die strengeren Anforderungen aus § 22 Abs. 3 PolG erfüllt.
47 
Allerdings dürfte eine hier überhaupt nur in Betracht kommende Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit nicht bestanden haben.
48 
Eine Gefahr liegt vor, wenn sich aus einem bestimmten einzelnen (realen) Sachverhalt die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens - hier: für eines der genannten hochrangigen Rechtsgüter - ergibt (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Auflage, 2009, RN 12 zu § 3). Anknüpfungspunkt dafür kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vorgeschichte begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Der Kläger hat auch bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten nie Gewalt angewendet, sondern es ist ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit.
49 
Indessen war der Beklagte gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG zur Anwendung der in § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG aufgeführten besonderen Mittel der Datenerhebung berechtigt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung i.S. des § 22 Abs. 5 PolG. Beim Kläger lagen auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig solche Straftaten begehen werde.
50 
Der Kläger stellt zunächst grundsätzlich in Frage, dass die genannte Norm auf die vom Beklagten angeordneten und durchgeführten Maßnahmen überhaupt anwendbar ist. Er trägt dazu vor, der Beklagte habe mit dem Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung Maßnahmen vorgenommen, die allein der - mangels eines gegenwärtigen Tatverdachts - zukünftigen Strafverfolgung dienten und daher von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 22 Abs. 2 und 3 PolG ohnehin nicht mehr gedeckt seien. Dem ist nicht zu folgen. Der Kläger verkennt, dass die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten angeordnet und durchgeführt worden sind (vgl. zu dieser Differenzierung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 7. Aufl., 2009, RN 41ff. zu § 20).
51 
Die Verhütung von Straftaten fällt grundsätzlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn die entsprechenden Maßnahmen bereits vorbeugend im Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat erfolgen sollen. Das Tatbestandsmerkmal der Verhütung von Straftaten bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Maßnahmen, die eine - drohende - Rechtsgutsverletzung von vornherein und damit in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
52 
Letztlich stellt auch der Kläger diese Landeskompetenz nicht in Frage. Er argumentiert vielmehr, die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei von der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt, weil es dem Beklagten nicht um die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung in Form einer Straftat gegangen sei, sondern darum, bereits im Vorfeld einer Straftat im Sinne der Strafverfolgungsvorsorge Beweismittel für ein erst zukünftiges Strafverfahren zu gewinnen. Dieser Argumentation stimmt die Kammer nicht zu.
53 
Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt. Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener, sondern erst in ungewisser Zukunft (möglicherweise) bevorstehender Straftaten fällt nicht unter den landesrechtlichen Kompetenztitel der Gefahrenabwehr, sondern unter die konkurrierende Bundeszuständigkeit für das gerichtliche Verfahren im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Der Landesgesetzgeber ist hier zur Gesetzgebung nur zuständig, wenn und soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348).
54 
Vieles spricht dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit den §§ 100 f und 100 h StPO, wonach die hier zur Anwendung gekommenen besonderen Mittel der Datenerhebung im Strafverfahren prinzipiell nur gegen einen Beschuldigten gerichtet sein dürfen und damit wenigstens einen Anfangsverdacht voraussetzen, eine abschließende Regelung getroffen hat und somit für Landesrecht kein Raum mehr verbleibt. Denn wie etwa § 81 b StPO („für Zwecke des Erkennungsdienstes“) oder § 81 g StPO („zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“) zeigen, hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das gerichtliche Verfahren durchaus auch Regelungen getroffen, die der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten dienen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung erfolgte nicht zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge, sondern sollte verhindern, dass der Kläger künftig erhebliche Straftaten begeht.
55 
In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 wurde allerdings jeweils ausführlich erörtert, dass der Kläger weiterhin die Verhaltensweisen an den Tag lege wie im Zusammenhang mit den von ihm begangenen Sexualstraftaten (Kontaktaufnahme mit Kindern und Jugendlichen und anschließender gemeinsamer Aufenthalt an unbeobachteten Orten). Daraus wurde die Folgerung gezogen, der Kläger begehe weiterhin Sexualstraftaten nach §§ 176 ff. StGB. Die deshalb in der Vergangenheit gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren hätten nur deshalb eingestellt werden müssen, weil die Kinder und Jugendlichen wegen ihrer Schuld- und Schamgefühle keine zur Verurteilung führenden Angaben gemacht hätten. Weiter heißt es auch, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel könne ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglicht werden. Diese Ausführungen deuten durchaus daraufhin, dass die gegen den Kläger ergriffenen verdeckten Maßnahmen der Datenerhebung zukünftig die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Eine solche Sichtweise griffe jedoch zu kurz.
56 
Im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden (hier in der Form der Strafverfolgungsvorsorge) muss für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben. Erkennt die Polizei durch den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung, dass der Kläger alsbald eine (Sexual-)Straftat begehen wird, so muss sie zu deren Verhinderung frühzeitig eingreifen. Konsequent dazu heißt es in den Antragsschriften auch, es gehe darum, Informationen zu sammeln, die bevorstehende Straftaten erkennen lassen, um - wie zu ergänzen ist - sofort einschreiten zu können. Wenn gleichwohl in den Antragsschriften immer wieder auf die erfolglose Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in der Vergangenheit abgestellt wird, so wird damit letztlich nur gesagt, aus deren Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO könne nicht gefolgert werden, beim Kläger sei auch zukünftig trotz der von ihm an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht mehr mit der Begehung von Straftaten zu rechnen. Vor dem Hintergrund der Pflicht der Polizei zum Rechtsgüterschutz kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung habe vorrangig oder auch nur schwerpunktmäßig der Gewinnung von Beweismitteln für ein erst zukünftiges Strafverfahren gedient (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium zwischen repressivem und präventivem Tätigwerden der Polizei auch Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 5 zu § 1) In den Verfügungen vom 19.04.2010 bzw. vom 12.07.2010 heißt es folglich auch, die angeordneten Maßnahmen dienten der vorbeugenden Bekämpfung (nicht: Aufklärung) von Straftaten.
57 
Ohne Erfolg wendet der Kläger dazu ein, wenn es der Polizei tatsächlich um die Verhinderung zukünftiger Straftaten und nicht um die vorbeugende Sammlung von Beweismitteln gegangen wäre, so hätte sie spätestens eingreifen müssen, als sie im August 2010 erkannt habe, dass der Kläger sein Kajütboot für eine Ausfahrt auf dem Rhein mit einem gerade 11 Jahre alten und damit in den Anwendungsbereich des § 176 Abs. 1 StGB fallenden Jungen belade. Der informatorisch befragte Beamte der Landespolizeidirektion hat dazu erklärt, die Polizei sei damals aus taktischen Gründen noch nicht eingeschritten. Ob das im Sinne der Verhinderung einer Straftat polizeitaktisch richtig war, ist von der Kammer nicht zu beurteilen. Denn ein diesbezüglicher Fehler im Einzelfall würde die präventive Ausrichtung des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung nicht in Frage stellen.
58 
Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, durch die eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung hätte eine Straftat ohnehin nur beweissicher dokumentiert, aber nicht verhindert werden können. Das Gegenteil ist richtig. Wie die beiden gegen den Kläger ergangenen Strafurteile des Landgerichts ... zeigen, beging er die Sexualstraftaten vorzugsweise in seiner Wohnung. Dort wurden aber gerade keine besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt.
59 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung sind in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Bei polizeilichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten wird der polizeiliche Eingriff allerdings auf Tatsachen stützt, bei denen noch offen ist, ob sie in harmlosen Zusammenhängen verbleiben oder sich zur Straftat und damit zur Rechtsgutsverletzung weiterentwickeln werden. Die den Anlass für polizeiliche Maßnahmen bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an die Tatsachen, die auf deren künftige Begehung hindeuten, müssen daher so konkretisiert werden, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit gewährleisten, wie er auch sonst für die Gefahrenabwehr bzw. die Strafverfolgung geboten ist. Auch die auf Tatsachen gegründete, aber sonst nicht näher konkretisierte Möglichkeit, dass jemand möglicherweise irgendwann in der Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird, kann nicht ausreichen. Die Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatbegehung mündenden Verhalten müssen in der Norm selbst durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt werden. Allein die Beschränkung auf Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ genügt nicht, weil sich daraus kein Anhaltspunkt dafür ergibt, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeutet (vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 116, 348 und Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvF 3/92 -, BVerfGE 110, 33).
60 
Die danach für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion wird hier durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürfen nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über die Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden (vgl. Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Auflage, 2009, RN 47 ff. zu § 20 und Wolf, Stephan, Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Komm., 6. Aufl., 2009, RN 14 und 15 zu § 22).
61 
Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze können grundsätzlich nicht ausreichen, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssen vielmehr Tatsachen festgestellt sein, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Dabei kann allerdings durchaus auf polizeiliches Erfahrungswissen zurückgegriffen werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 -, 1 BvR 595/07, BVerfGE 120, 274 zur Onlinedurchsuchung nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz).
62 
Nach diesem Maßstab lagen während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung (also insbesondere auch bei der Verlängerung) tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176, 176 a StGB begehen.
63 
Der Kläger wurde bereits zweimal wegen Straftaten nach § 176 StGB rechtskräftig verurteilt, und zwar einmal in 7 Fällen und das andere Mal in 4 Fällen, auch wenn die Tatbegehung mittlerweile bereits über 15 Jahre zurückliegt. Unerheblich ist dabei, dass der Kläger im Jahre 1990 vom Landgericht ... auch wegen homosexueller Handlungen verurteilt worden ist, was nach der ersatzlosen Aufhebung des § 175 StGB nicht mehr strafbar ist. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist selbstverständlich weiter unter Strafe gestellt. Im Rahmen der Strafverfahren wurde beim Kläger auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt, die im Zusammenhang mit seiner homosexuellen Veranlagung die Begehung solcher Straftaten zum Nachteil männlicher Kinder begünstigt und in den Strafverfahren sogar zur Zuerkennung verminderter Schuldfähigkeit geführt hat. Die Kammer verkennt nicht, dass der Kläger nach der ersten Verurteilung deshalb eine Psychotherapie durchgeführt und auch abgeschlossen hat. Wie die zur zweiten Verurteilung führenden Straftaten in den Jahren 1995 und 1996 zeigen, war damit jedoch kein dauerhafter Erfolg verbunden. Die Tatbegehung war stets auch durch ein bestimmtes Schema gekennzeichnet. Der Kläger nahm Kontakt mit den Kindern auf, ließ ihnen verlockende Vorteile und Vergünstigungen zukommen, gewann so ihr Vertrauen, bis er dann schließlich vorzugsweise in seiner Wohnung die Straftaten beging. Auch im hier maßgeblichen Zeitraum suchte der Kläger wieder intensiv Kontakt zu männlichen Jugendlichen und Kindern, ließ ihnen Vorteile zukommen (Bootsfahrt), gewann so ihr Vertrauen und hielt sich dann wieder an unbeobachteten Orten mit ihnen auf (Übernachtung im Kajütboot auf dem ...). Dies ist für einen Mann seines Alters ein ohnehin eher ungewöhnliches Verhalten. Jedenfalls die Übernachtungen auf dem ... sind auch kaum damit zu erklären, der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen für den Wassersport begeistern wollen. Der Kläger wurde mit diesem Verhalten auch sozial auffällig. So wurde der Kläger bereits im Jahre 2005 von Mitgliedern des ... darauf angesprochen und musste im Rahmen einer Vereinsveranstaltung deswegen auch eine Erklärung abgeben. Weil entsprechende Vorgänge schambehaftet sind und deshalb nur ungern zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden, ist dies schon für sich genommen ungewöhnlich und ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Umgang des Klägers mit männlichen Kindern und Jugendlichen deutlich aus dem Rahmen des sozial Üblichen fiel. Auch zu der jetzt streitigen Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung kam es, weil der Umgang des Klägers mit Kindern und Jugendlichen einem ... Polizeibeamten als ungewöhnlich und verdächtig auffiel. Insbesondere vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte lagen damit durchaus Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger werde erneut Straftaten nach §§ 176 ff StGB begehen.
64 
Die Kammer verkennt nicht, dass das Landgericht ... in seinem Urteil vom 10.03.2010 die gegen den Kläger verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren noch zur Bewährung ausgesetzt hat, was nach § 56 Abs. 2 StGB nicht nur besondere Umstände, sondern vor allem voraussetzt, dass erwartet werden kann, der Verurteilte werde künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (positive Sozialprognose). Im Ergebnis rechtfertigt das jedoch keine andere Beurteilung. Eine gesetzlich angeordnete Bindung der Polizei oder des Verwaltungsgerichts an die strafrichterliche Prognose besteht ohnehin nicht. Das Landgericht hat seine Entscheidung auch nur knapp und allein mit der seit der letzten Tat verstrichenen Zeit sowie mit dem von Reue getragenen Geständnis des Klägers begründet. Von dem für die polizeiliche Prognose maßgeblichen, oben näher beschriebenen Verhalten des Klägers hatte es offensichtlich keine Kenntnis und konnte es bei der Prognose schon deshalb nicht berücksichtigen.
65 
Dem Kläger konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass er nach 1996 noch einmal eine vergleichbare Straftat begangen hat, weshalb die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils eingestellt wurden. Auch das rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung. Gerade die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Missbrauchsskandale zeigen, dass entsprechende Straftaten - selbst wenn sie in großem Stil begangen werden - den Strafverfolgungsbehörden häufig unbekannt bleiben oder die Täter aus anderen Gründen nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
66 
Bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG durfte sich der Beklagte allerdings nicht mit der Feststellung begnügen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung gegen den Kläger im Zeitpunkt der Anordnung vorgelegen haben. Vielmehr musste er seine darauf bezogene Bewertung ständig den sich wandelnden Verhältnissen anpassen (vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Das wirkt sich indessen nicht zu Gunsten des Klägers aus. Denn nicht nur für die Einleitung, sondern auch für die Aufrechterhaltung und Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Wie die durchgeführten verdeckten Maßnahmen gezeigt haben, hat der Kläger auch während des Beobachtungszeitraums den ungewöhnlichen und intensiven Kontakt mit männlichen Kindern und Jugendlichen fortgesetzt. Darauf, dass die Kinder und Jugendlichen zum größten Teil bereits 14 Jahre und älter und damit keine tauglichen Tatobjekte nach § 176 StGB mehr waren, kommt es nicht an. So hat - wie das Lichtbild in der Akte zeigt - etwa ... einen deutlich jüngeren Eindruck gemacht. Zeigte der Kläger eine Tendenz, mit Kindern und Jugendlichen Kontakte unter Umständen zu pflegen, die vor dem Hintergrund seiner Vorgeschichte und seiner Veranlagung auf eine Kontaktaufnahme zum Zwecke sexueller Aktivitäten hindeuteten, so kann jedenfalls im Rahmen der präventiv-polizeilichen Tätigkeit nicht das Risiko eingegangen werden, es darauf ankommen zu lassen, ob er die strafrechtsrelevante Altersgrenze jeweils exakt beachtet. Schlussendlich hat der Kläger dann auch tatsächlich Kontakt zu gerade 11 bzw. 12 Jahre alten Kindern gesucht und aufgenommen.
67 
Der sexuelle Missbrauch von Kindern wäre beim Kläger auch ein Verbrechen und damit eine Straftat mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG gewesen. Da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre (2010 durch das Landgericht ...) wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist, wäre die Straftat des Klägers jedenfalls unter den mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedrohten Qualifikationstatbestand des § 176 a Abs. 1 StGB gefallen und damit ein Verbrechen i.S. des § 12 StGB. Wäre es wie bei den der Verurteilung durch das Landgericht ... im Jahre 1990 zu Grunde liegenden Straftaten auch zum Analverkehr gekommen, so hätte auch der Qualifikationstatbestand aus § 176 a Abs. 2 Nr. 1 StGB mit einer Mindeststrafe von 2 Jahren vorgelegen.
68 
Über den Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung entscheidet der Polizeivollzugsdienst nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein Ermessensfehler läge vor, wenn die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt hätte. Das ist aber nicht der Fall. In der Antragsschrift vom 14.04.2010 heißt es zwar, der Antragsteller habe auch während der Außervollzugsetzung des im Strafverfahren - 78 KLs 19/89 - VI AK 26/90 - vor dem Landgericht ... gegen ihn ergangenen Haftbefehls und während der Verbüßung der Strafhaft als Freigänger sexuelle Handlungen an Jungen vorgenommen. Dadurch entsteht der missverständliche Eindruck, der Kläger habe auch in diesem Zusammenhang Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 StGB begangen, während tatsächlich deswegen keine Verurteilung erfolgt ist. Diese Sachlage war der Polizei indessen bekannt, wie aus den weiteren Ausführungen in der Antragsschrift vom 14.04.2010 folgt, dass keiner der Jungen damals belastende Angaben gegen den Kläger gemacht habe. Ungeachtet dessen waren diese Umstände für die Anordnung der besonderen Mittel der Datenerhebung auch nicht tragend. Maßgeblich war vielmehr, dass der Kläger wieder wie im Zusammenhang mit den von ihm tatsächlich begangenen Straftaten und in der gleichen Art und Weise Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht hat.
69 
Nach § 22 Abs. 3 PolG (wie übrigens auch nach Abs. 2 der Norm) dürfen die besonderen Mittel der Datenerhebung nur eingesetzt werden, wenn anderenfalls die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe gefährdet oder erheblich erschwert wäre. Diese Anforderungen geben Anlass, wegen der damit verbundenen gravierenden Grundrechtseingriffe besonders genau zu prüfen, ob der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung zur Erreichung des damit verfolgten polizeilichen Ziels, der Begehung erneuter Straftaten nach §§ 176 ff StGB durch den Kläger vorzubeugen, wirklich geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist. Mit den Darlegungen in der Anordnung bzw. in der Verlängerung der Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung ist die Kammer der Auffassung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach diesem strengen Maßstab beachtet wurde.
70 
Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der allein noch zu prüfenden Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
71 
Durch molekulargenetische Untersuchungen der Wohnung und des Bootes des Klägers hätten Straftaten jedenfalls nicht verhindert, sondern allenfalls festgestellt werden können.
72 
Eine (längerfristige) Observation allein hätte ebenfalls nicht ausgereicht. Damit hätte nicht festgestellt werden können, ab welchem Zeitpunkt der für sich genommen harmlose Kontakt des Klägers mit den Kindern und Jugendlichen in die Phase der Straftatbegehung übergeht. Dazu musste vielmehr zusätzlich festgestellt werden, mit welchen Kindern und Jugendlichen (Alter) der Kläger jeweils Umgang hat und wie dieser im Einzelfall einzuordnen ist (harmlose Freizeitgestaltung oder Anbahnung sexueller Kontakte). Dazu bedurfte es zusätzlicher akustischer Maßnahmen (Feststellung des Charakters und Inhalts der Gespräche) und der Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen zur zuverlässigen Identitätsfeststellung.
73 
Die Feststellung der Namen der Kinder, mit denen der Kläger Umgang hatte, durch Befragung der Vereinsmitglieder mit einem anschließenden Umgangsverbot wäre zur Verhinderung von Straftaten nicht ausreichend gewesen. Abgesehen davon, dass auf diese Weise kaum abschließend hätte festgestellt werden können, mit welchen Kindern - etwa außerhalb des Vereinsgeländes - der Kläger Umgang pflegt, hätte auch ein solches Verbot - soweit es rechtlich überhaupt angeordnet werden kann - jedenfalls ohne die besonderen Mittel der Datenerhebung kaum zuverlässig überwacht werden können. Ohnehin stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise der Polizei angesichts der damit verbundenen Bloßstellung des Klägers in seinem sozialen Umfeld wirklich ein milderes Mittel gewesen wäre.
74 
Die selbsttätige Bildaufzeichnung erfolgte - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - im Bereich der Wohnung und des Bootes des Klägers, d.h. an den Orten, an denen der Kläger in der Vergangenheit vorzugsweise seine Straftaten begangen hat. Die Polizei hatte so die Möglichkeit festzustellen, ob der Kläger diese Orte mit potentiellen Tatopfern aufsucht.
75 
Der Kläger stellt die Berechtigung des Beklagten zur Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG grundsätzlich in Frage, indem er vorträgt, die Polizei hätte stattdessen einfach Zeugen (wohl vor allem Vereinsmitglieder und insbesondere potentielle Opfer) daraufhin befragen können, ob der Kläger Aktivitäten entfaltet, die auf die Vorbereitung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hindeuten. Dass die Polizei auf diese Weise in einem so schambesetzten Bereich gerade von unter 14 Jahre alten Kindern, auf deren Aussagen es letztendlich maßgeblich angekommen wäre, zuverlässige Angaben hätte erlangen können, hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal der Kläger in der Vergangenheit gegen die Tatopfer auch nie gewaltsam vorgegangen ist, sondern diese stets durch Vergünstigungen gefügig gemacht hat. Wegen der mit einer solchen Befragung verbundenen regelrechten Stigmatisierung des Klägers stellt sich hier erst recht die Frage, ob diese Vorgehensweise tatsächlich ein milderes Mittel gewesen wäre.
76 
Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG war auch nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig.
77 
Auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen hat der Staat zwar dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden - keiner Abwägung unterliegenden - Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private, „höchstpersönliche“ Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Räumliches Substrat dieses Freiraums ist regelmäßig die Privatwohnung. Das verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber einen absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279). Außerdem umfasst der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis u.a. die in §§ 52, 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten einschließt, wobei aber Gespräche außerhalb der danach besondere Vertraulichkeit genießenden Themenkreise (vgl. zu diesen Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414) nicht geschützt sind.
78 
Dieser Kernbereich wurde vorliegend gewahrt. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass in der Wohnung des Klägers überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass die Datenerhebung auch oder sogar gerade auf die Gewinnung von Informationen in dem nach dem o.g. Maßstab besonders geschützten Bereich gerichtet gewesen wäre. Zu diesem gehört zwar auch die Sexualität mit ihren individuellen Ausdrucksformen. Das gilt jedoch nicht, soweit das diesbezügliche Verhalten im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten steht (vgl. dazu erneut Trurnit, Kernbereichsschutz bei der Datenerhebung nach § 22 bis 25 PolG, VBlBW 2010, 413/414).
79 
Das Argument des Klägers, die gegen ihn zum Einsatz gebrachten besonderen Mittel der Datenerhebung seien überhaupt nur im Bereich der Terrorismusbekämpfung zulässig, findet im Gesetz keine Stütze.
80 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es besteht kein Anlass, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
81 
Beschluss vom 27. November 2012
82 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf25.000,00 EUR festgesetzt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11 zitiert 32 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 35 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 99


(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bu

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Strafprozeßordnung - StPO | § 152 Anklagebehörde; Legalitätsgrundsatz


(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspu

Strafprozeßordnung - StPO | § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anv

Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht si

Strafgesetzbuch - StGB | § 182 Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage 1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorz

Strafprozeßordnung - StPO | § 100h Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum


(1) Auch ohne Wissen der betroffenen Personen dürfen außerhalb von Wohnungen 1. Bildaufnahmen hergestellt werden,2. sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden,wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die

Strafprozeßordnung - StPO | § 100d Kernbereich privater Lebensgestaltung; Zeugnisverweigerungsberechtigte


(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach den §§ 100a bis 100c allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, ist die Maßnahme unzulässig. (2) Erkenntnisse aus dem

Strafprozeßordnung - StPO | § 100c Akustische Wohnraumüberwachung


(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf das in einer Wohnung nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn 1. bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine

Strafprozeßordnung - StPO | § 163f Längerfristige Observation


(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die 1. durchgehend länger als 24 Stunden

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 29. Dez. 2010 - 4 K 2629/10

bei uns veröffentlicht am 29.12.2010

Tenor Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.Der Streitwert wird auf 2.500,

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 06. Juli 2005 - 1 K 439/03

bei uns veröffentlicht am 06.07.2005

Tenor Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war. Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 27. Nov. 2012 - 3 K 1607/11.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 15. Mai 2014 - 1 S 815/13

bei uns veröffentlicht am 15.05.2014

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2012 - 3 K 1607/11 - geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde. Es wird festgestellt, dass auch der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespoliz

Referenzen

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.

(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie

1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder
2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die ihr gegenüber fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf das in einer Wohnung nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet werden, wenn

1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in § 100b Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat,
2.
die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt,
3.
auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen des Beschuldigten erfasst werden, die für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten von Bedeutung sind, und
4.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre.

(2) Die Maßnahme darf sich nur gegen den Beschuldigten richten und nur in Wohnungen des Beschuldigten durchgeführt werden. In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass

1.
der in der Anordnung nach § 100e Absatz 3 bezeichnete Beschuldigte sich dort aufhält und
2.
die Maßnahme in Wohnungen des Beschuldigten allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten führen wird.
Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

(1) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach den §§ 100a bis 100c allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt werden, ist die Maßnahme unzulässig.

(2) Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach den §§ 100a bis 100c erlangt wurden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen über solche Erkenntnisse sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist zu dokumentieren.

(3) Bei Maßnahmen nach § 100b ist, soweit möglich, technisch sicherzustellen, dass Daten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, nicht erhoben werden. Erkenntnisse, die durch Maßnahmen nach § 100b erlangt wurden und den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, sind unverzüglich zu löschen oder von der Staatsanwaltschaft dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit und Löschung der Daten vorzulegen. Die Entscheidung des Gerichts über die Verwertbarkeit ist für das weitere Verfahren bindend.

(4) Maßnahmen nach § 100c dürfen nur angeordnet werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Das Abhören und Aufzeichnen ist unverzüglich zu unterbrechen, wenn sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Ist eine Maßnahme unterbrochen worden, so darf sie unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. Im Zweifel hat die Staatsanwaltschaft über die Unterbrechung oder Fortführung der Maßnahme unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; § 100e Absatz 5 gilt entsprechend. Auch soweit für bereits erlangte Erkenntnisse ein Verwertungsverbot nach Absatz 2 in Betracht kommt, hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

(5) In den Fällen des § 53 sind Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c unzulässig; ergibt sich während oder nach Durchführung der Maßnahme, dass ein Fall des § 53 vorliegt, gilt Absatz 2 entsprechend. In den Fällen der §§ 52 und 53a dürfen aus Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c gewonnene Erkenntnisse nur verwertet werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts oder der Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten steht. § 160a Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

(1) Auch ohne Wissen der betroffenen Personen dürfen außerhalb von Wohnungen

1.
Bildaufnahmen hergestellt werden,
2.
sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden,
wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. Eine Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist.

(2) Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen einen Beschuldigten richten. Gegen andere Personen sind

1.
Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre,
2.
Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen werden.

(4) § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers des LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg gegen den Kläger rechtswidrig war.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer verdeckten Datenerhebung.
Der Kläger beteiligte sich an einer im August 1991 in Freiburg gegründeten und im Januar 1992 aufgelösten Initiative mit dem Ziel humanitärer Hilfe für politische Gefangene. Am ersten Treffen dieser Initiative nahm neben dem Kläger auch ein Hans-Joachim C. teil. Zwischen C. und dem Kläger entwickelte sich in der Folgezeit eine freundschaftliche Beziehung. Im Juli 1992 fand das letzte Treffen des Klägers mit C. statt, der Kontakt brach dann ab, da C. unbekannt verzog. Während der gemeinsamen Zeit der beiden Männer war gegenüber C. der Verdacht entstanden, dieser könne, neben einem R., ein polizeilicher Verdeckter Ermittler sein. Im Oktober 1992 richtete der Kläger ein Schreiben an den Beklagtenvertreter, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA), und begehrte Auskunft darüber, ob und ggf. warum er Betroffener einer verdeckten Datenerhebung geworden sei, und forderte ferner Auskunft über alle in diesem Zusammenhang erhobenen Informationen. Der Kläger bezog sich dabei auch auf den Einsatz zweier Verdeckter Ermittler in Tübingen. Dieser Einsatz war vom LKA im Jahr 1991 begonnen und im Juli 1992 abgebrochen worden, nachdem ein Verdeckter Ermittler enttarnt worden war. Auf Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg war schließlich Ende Juli 1992 der Einsatz aller im Bereich Linksextremismus-/Terrorismus eingesetzten Verdeckten Ermittler beendet worden. Auf die im November 1992 erhobene Klage zweier vom Tübinger Einsatz betroffener Personen stellte das VG Stuttgart mit Urteil vom 30.9.1993 (1 K 3212/92 -Juris Web [L]) die Rechtswidrigkeit des Tübinger Einsatzes fest. Der VGH Baden-Württemberg änderte diese Entscheidung mit Urteil vom 21.11.1994 (1 S 2909/93 - DVBl. 1995, 365) und wies die Klagen als unzulässig ab. Auf die Revision der Tübinger Kläger hob das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl. 1997, 761) die Berufungsentscheidung auf und verwies den Rechtstreit an den VGH zurück, wo das Verfahren mit Beschluss vom 25.5.1999 (1 S 1593/97 - NVwZ-RR 2000, 174) eingestellt wurde, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich verglichen hatten.
Eine vom Kläger zwecks Klärung der "Freiburger Ereignisse" im Dezember 1993 erhobene Auskunftsklage (1 K 2265/93) erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im November 1995 übereinstimmend für erledigt, nachdem das LKA erklärt hatte, alle im Zusammenhang mit dem etwaigen Einsatz von Verdeckten Ermittlern erhobenen Daten seien in der Zeit von November 1992 bis Januar 1993 gelöscht worden. Bereits am 31.1.1994 hat der Kläger die vorliegende Feststellungsklage - sie ist zunächst unter dem Aktenzeichen 1 K 215/94 geführt worden - erhoben. Im Anschluss an einen Zwischenstreit nach § 99 VwGO, in welchem der VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 S 2581/96 - Juris Web) - anders als die Kammer - entschieden hatte, die vom Beklagten verweigerte Erteilung von Auskünften sei zulässig, ruhte das vorliegende Verfahren zunächst. Es ist vom Kläger am 10.8.1998 wiederangerufen worden (neues Az.: 1 K 2186/98), wobei er zugleich die Klage um das Begehren erweitert hat, den Beklagten zur Unterrichtung zu verurteilen, ob er in der Zeit von Mai 1991 bis August 1992 Betroffener einer Maßnahme nach § 22 Abs. 2 und Abs. 3 PolG gewesen sei. Mit Urteil vom 23.6.1999 hat die Kammer dem (materiell-rechtlich auf § 22 Abs. 8 PolG beruhenden) Unterrichtungsbegehren im Verfahren 1 K 1478/99 umfassend stattgegeben. Zugleich ist der vorliegende, jetzt unter dem aktuellen Aktenzeichen 1 K 439/03 geführte Feststellungsstreit abgetrennt und bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterrichtungsbegehren ausgesetzt worden. Mit Urteil vom 4.12.2002 (1 S 1639/00 - VBlBW 2003, 349), rechtskräftig seit 25.2.2003, hat der VGH Baden-Württemberg die von ihm zugelassene Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 23.6.1999 zurückgewiesen.
Am 13.3.2003 hat der Kläger den vorliegenden Feststellungsstreit wieder angerufen, nachdem ihm das LKA mit Schreiben vom 17.2.2003 Land folgendes mitgeteilt hatte:
"Die zur Stellungnahme aufgeforderte Abteilung 6 "Staatsschutz" teilte dem Referat 101 "Recht, Datenschutz" des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) mit, dass
- das LKA BW vom Januar 1991 bis Juli 1992 im Raum Freiburg Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 PolG durchführte,
- u. a. eine Person namens  XXX  XXX  - als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG - von diesen Maßnahmen betroffen war
- der Umfang der Datenerhebung sowie die exakte Dauer der Maßnahme, von der Herr XXX betroffen war, nicht mehr nachvollziehbar ist, da alle personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit den oben angeführten Maßnahmen zwischenzeitlich gelöscht wurden. …"
Sein Feststellungsbegehren begründet der Kläger im wesentlichen wie folgt: Die Klage sei zulässig, weil er unabhängig von der Frage einer konkreten Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes des Verdeckten Ermittlers habe. Sein Fall sei weiterhin Gegenstand öffentlicher journalistischer Bearbeitung. So habe sein Prozessbevollmächtigter auf Anforderung des Redaktionsteams des "Grundrechte-Reports 2004" einen Bericht zum bisherigen Verfahrensstand gegeben. Im übrigen habe jüngst auch das Bundesverfassungsgericht ein Rehabilitationsinteresse selbst nach Erledigung einer grundrechtsintensiv belastenden Maßnahmen bejaht. Zur Begründetheit seines Begehrens führt der Kläger aus, aufgrund des engen Verhältnisses zwischen ihm und C. seien diesem eine Vielzahl an Informationen aus seinem Privat- und Intimbereich bekannt geworden. Es sei davon auszugehen, dass das LKA mit der Hilfe C.'s über ihn eine Vielzahl von Informationen erhalten habe, die ein vollständiges Persönlichkeitsbild wiedergäben. Diese Informationen seien in geheimdienstlicher Manier erhoben worden, ohne dass sie einem konkreten, gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren gedient hätten. Die Einsatzanordnung sei bereits deshalb rechtswidrig gewesen, weil der von ihr betroffene Personenkreis nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Insoweit unterscheide sich sein Fall nicht vom Einsatz Verdeckter Ermittler in den Jahren 1991 und 1992 in Tübingen, der durch das VG Stuttgart für rechtswidrig erklärt worden sei. Auf Grund der Intensität des Kontaktes, die er und seine damalige Lebensgefährtin zu C. erlebt hätten, stelle sich die nachträglich vom Beklagten vorgenommene Einordnung seiner Person als (nur) Kontaktperson als Schutzbehauptung dar. Auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1 und 3 PolG bzw. - seit seinem Inkrafttreten am 1.12.1991 - des § 22 PolG habe es schließlich gefehlt.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
festzustellen, dass der Einsatz des unter einem Decknamen vom LKA Baden-Württemberg in den Jahren 1991 und 1992 in Freiburg eingesetzten Verdeckten Ermittlers ihm gegenüber rechtswidrig war.
12 
Das beklagte Land beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Es entgegnet: Die Klage sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Wegen der Einzigartigkeit des Vorfalls bestehe keine konkrete Wiederholungsgefahr. Aber auch ein Rehabilitationsinteresse fehle, weil von Seiten des LKA nie öffentlich geäußert worden sei, dass der Kläger Betroffener einer verdeckten Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine den Kläger beeinträchtigende Reaktionen Dritter gegeben. Das Begehren sei aber auch nicht begründet. Der Einsatz des LKA sei rechtmäßig gewesen. Wegen der Lage im Bereich des Linksextremismus bis 1992 werde auf im Rahmen von Abgeordnetenanfragen ergangene, umfassende Stellungnahmen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom Juli und August 1992 verwiesen. Für die Entscheidung eines Verdeckten-Ermittler-Einsatzes im Raum Freiburg seien weitere schwerwiegende Aspekte ausschlaggebend gewesen, die das LKA im Schreiben vom 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg ausführlich dargelegt habe. Von den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen sei der Kläger als Kontaktperson i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG betroffen gewesen. Er habe intensive Kontakte zu Personen i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG unterhalten, bei denen wiederum tatsächliche Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sie künftig Straftaten begingen.
15 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Akteninhalt (ein Heft des LKA, zwei Hefte Gerichtsakten der Verfahren 1 K 2265/93 und 1 K 1478/99) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

Gründe

 
16 
Das Feststellungsbegehren hat Erfolg.
17 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Durch den Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (VE) ist zwischen dem Kläger und dem beklagten Land eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis darstellt. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist. Auf Grund der Innerdienstlichkeit der Einsatzanordnung fehlte es dieser an einem Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG, sodass eine (wegen vorprozessualer Erledigung sogenannt: "nachgezogene") Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) ausscheidet.
18 
Das berechtigte (Feststellungs-)Interesse ergibt sich vorliegend aus der Art des Eingriffs in einen grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Der Kläger war nicht als beliebiger Dritter (zufällig, reflexhaft, unvermeidbar) betroffen, sondern unmittelbar und final - als sog. "Kontaktperson" in die Datenerhebung durch VE einbezogen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an. Nachdem das LKA über Jahre hinweg die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme behauptet hat, genügte eine erst in der mündlichen Verhandlung nach Antragstellung und im Anschluss an die ausführliche rechtliche Erörterung durch den Vorsitzenden signalisierte Kompromissbereitschaft ebenfalls nicht, um ein Feststellungs-/Rechtsschutzinteresse des Klägers nunmehr zu verneinen. Ungeachtet dessen hat der Kläger-Vertreter - unter Hinweis auf die erforderlichen mehreren Prozesse - in eine solche Vorgehensweise auch nicht eingewilligt, so dass sich dieses Ergebnis auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt.
19 
Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. zum Vorstehenden ausführlich auch die Revisionsentscheidung im "Tübinger Fall": BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - BayVBl 1997, 761; zum Rehabilitationsinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, vgl. ferner: BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - DVBl. 2004, 822 [Versammlungsverbot]; Beschl. v. 30.4.1997 2 BvR 817/90 - NJW 1997, 2163 [strafrichterliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 - VBlBW 2002, 426 [vollstreckungsrechtliche Wohnungsdurchsuchungsanordnung]; OVG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002 - 1 Bf 301/00 - NVwZ-RR 2003, 276 [Identitätsfeststellung eines Straßenpassanten], in diesem Sinne schließlich auch für ein Rehabilitationsinteresse allein wegen des Grundrechtseingriffs: Bader, Aktuelles Verwaltungsprozessrecht, JuS 2005, 126/127).
20 
II. Die Klage ist auch begründet. Der Einsatz des VE war gegenüber dem Kläger rechtswidrig. Das gilt ungeachtet dessen bzw. unabhängig davon, dass die umstrittene verdeckte Datenerhebung von Januar 1991 bis Juli 1992 andauerte und somit sowohl unter Geltung des alten Polizeigesetzes (PolG i.d.F. vom 16.1.1968, GBl. S. 61 - PolG a.F.) als auch unter Geltung des neuen Polizeigesetzes (PolG id.F. des Gesetzes vom 22.10.1991, GBl. S. 625 - PolG n.F.) stattfand. Seit 1.12.1991 musste sich der Freiburger Einsatz an den bereichsspezifischen Regelungen der §§ 19 ff. PolG n.F. messen lassen. Aus der detaillierten Übergangsregelung in § 85 PolG n.F. geht, weil sie nur bestimmte Sachverhalte in Absätzen 1 bis 5 regelt, nichts Gegenteiliges hervor. Gerade die Zielsetzung des Polizeigesetzes (vgl. unter Hinweis auf die LT-Drs. 10/5230, wonach die Novellierung des Polizeigesetzes ausdrücklich auf das Volkszählungsurteil des BVerfG rekurriert: Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., Rnrn. 536 ff.) spricht für diesen Maßstab (vgl. in diesem Sinne auch für das neue BKAG: BVerwG, Urt. v. 9.9.1998 - 1 C 14/95 -  DVBl 1999, 332; ferner für das Speichern und die Aufbewahrung personenbezogener Daten mit dem Inkrafttreten des saarl. PolG am 1.1.1990: OVG Saarlouis, Urt. v. 18.12.1996 - 9 R 26/95 - Juris Web). Die Kammer lässt offen, ob diese Rechtswidrigkeit daraus folgte, dass die mit §§ 22 Abs. 3, zweite Alternative, Abs. 5, 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG n. F. geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz von VE verfassungswidrig sein könnte (vgl. zu der überaus inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffenden Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG das im Zeitpunkt des Absetzens dieser Entscheidung verkündete Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - bislang wohl nur veröffentlicht in der Internet-Entscheidungssammlung des BVerfG [www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/]). Auf das Ergebnis einer inzidenten Prüfung - es hätte bei Annahme eines Verfassungsverstoßes zunächst die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG erfordert - kommt es nämlich nicht an. Denn der Einsatz eines VE war jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil ihm keine erforderliche bzw. ausreichende Einsatzanordnung zugrunde lag. Das galt für den gesamten Einsatzzeitraum von Januar 1991 bis Juli 1992 und somit unabhängig davon, welches Polizeirecht zur Anwendung kam.
21 
Personen wie der Kläger, die sich der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG n. F.) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG n. F.) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten - erhoben (zur Definition vgl. § 48 PolG n.F. i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG). Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt", und ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG n. F.) beschränkt sind. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.4.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; ferner bereits BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht). Vorliegend kam deshalb der Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA erhebliche Bedeutung zu. § 22 Abs. 6 PolG n. F. sieht deshalb eine solche besondere Anordnung zwecks verfahrensmäßiger polizeiinterne Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Einsatzes vor (vgl. auch VG Stuttgart, Urt. vom 30.9.1993, a. a. O., unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf, LT-Drs. 10/5230, S. 41).
22 
Die den Einsatz von VE in Freiburg (auch) gegenüber dem Kläger betreffende Einsatzanordnung des Präsidenten des LKA bzw. des zuständigen Leiters der Inspektion Linksextremismus/-terrorismus lag zwar an sich vor (zum Behördenleitervorbehalt bzw. dessen Delegationsmöglichkeit vgl. § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG n.F.). Sie wurde zum 1.12.1991 - dem Inkrafttreten des PolG n. F. - schriftlich formuliert bzw. begründet. Dieses Formerfordernis ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 PolG n. F., jedenfalls aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG n. F. (sog. Ausschreibung) bzw. aus Teil II, Ziff. 1 zu § 22 Abs. 6 der VwV PolG (v. 18.7.1997, GABl. S. 406; zu Schriftlichkeit und Begründung im Rahmen des § 22 Abs. 6 PolG vgl. auch Belz/Mussmann, PolG für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 22 Rdnr. 70, sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 439). Die Geltung des § 22 Abs. 6 PolG n. F. auf den unter altem Polizeirecht begonnenen Einsatz folgte aus der Übergangsvorschrift des § 85 Abs. 1 PolG n. F., weil die Datenerhebung am 29.2.1992 noch nicht beendet war. Trotz ihrer textlichen Ausführlichkeit war die Einsatzanordnung gleichwohl rechtswidrig, weil es ihr an Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit (u.a.) hinsichtlich der Person des Klägers fehlte und sie somit ihren letztlich auf verfassungsrechtliche Anforderungen zurückgehenden Zweck nicht erfüllen konnte (in diesem Sinne auch für die inhaltsgleiche Einsatzanordnung im Tübinger Fall: VG Stuttgart, a. a. O.).
23 
Die maßgebliche Einsatzanordnung lautete wie folgt:
24 
"Ziel ist es, durch die Erhebung von Informationen bei zur PB-07 ausgeschriebenen Personen, deren Umfeld sowie Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen, vorbeugend Straftaten mit erheblicher Bedeutung zu bekämpfen.
25 
Insbesondere sollen durch den verdeckten Einsatz
26 
- das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld in Bereich Freiburg aufgehellt
27 
- Informationen über bevorstehende/beabsichtigte Straftaten sowie Anhaltspunkte für die Unterstützung/Bildung terroristischer Vereinigungen gewonnen werden.
28 
Mit Hilfe dieser Informationen soll es insbesondere ermöglicht werden
29 
- bevorstehende Staatsschutzdelikte durch geeignete polizeiliche Präventionsmaßnahmen zu vereiteln (Lagebewältigung bei gewalttätigen Demonstrationen, Hausbesetzungen, Auseinandersetzungen links/rechts)
30 
- gegen sich bildende terroristische Vereinigungen rechtzeitig einzuschreiten bzw. deren Unterstützung zu verhindern (Gewährleistung einer frühzeitigen Strafverfolgung, u. a. Veranlassung von PB 07 Ausschreibungen).
31 
Ohne den Einsatz des verdeckten Ermittlers können diese Informationen nicht gewonnen werden, sodass die polizeiliche Aufgabenerfüllung gefährdet bzw. erheblich erschwert würde."
32 
Dieser "Auftrag an die ausführenden Polizeibeamten" ist zwar anlassbezogen begründet - Hintergrund sind die vom Beklagtenvertreter beschriebenen bzw. Gegenstand von Landtagsanfragen/Korrespondenzen bildenden RAF-spezifischen Ereignisse im Raum Freiburg in den Jahren 1989 bis 1992 (vgl. LT-Drs. 11/245 und LT-Drs. 11/262 sowie Schreiben des LKA Baden-Württemberg vom am 22.3.1993 an das Innenministerium Baden-Württemberg, Gerichtsakte Band II, Seite 363 bis 386). Mit Ausnahme von zur Personenbeobachtung im Bereich terroristischer Vereinigungen (sog. "PB 07") ausgeschriebenen (vgl. § 25 PolG n. F.) und mithin namentlich feststellbaren Personen, enthält die Einsatzanordnung jedoch keine nachvollziehbaren bzw. ausweislich ihrer "Verbalisierung" Rechenschaft über eine vorherige ausführliche polizeiinterne Kontrolle ablegenden Details dazu, welche sonstigen Personen konkret von der verdeckten Datenerhebung betroffen sein sollten. Eine solche Konkretisierung war auch nicht etwa entbehrlich. Ausdrücklich nämlich sollten auch "Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Staatsschutzdelikte begehen" erfasst sein, mithin solche i.S.d. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG n. F.. Eine Bestimmung oder zumindest Bestimmbarkeit im Blick auf den Kläger lässt diese Einsatzanordnung in keiner Weise zu. Geht man nach dem Vortrag des LKA bzw. dessen förmlichen Unterrichtungsschreibens vom 17.2.2003 davon aus, dass der Kläger (nur) als Kontaktperson von der verdeckten Datenerhebung betroffen war, so fehlte in der Einsatzanordnung sogar bereits eine allgemeine Nennung dieses in § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG n. F. umschriebenen (und in der VwV PolG 1997 in Ziffer 3 zu § 20 Abs. 3 PolG näher interpretierten) Personenbegriffs. Selbst wenn man auch die Anordnung zur Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen in die Einsatzanordnung "hineinlesen" wollte - etwa wegen der Verwendung des im ersten Spiegelpunkt stehenden Begriffs "das militante autonome Spektrum sowie das RAF-Umfeld im Bereich Freiburg" genügte das jedoch für eine inhaltliche Präzisierung in keiner Weise, um zumindest den Kläger als detailliert feststellbar erscheinen zu lassen.
33 
Die Kammer hegt keinen Zweifel am Vortrag des Beklagten-Vertreters, dass im Zeitpunkt der Erstellung der (mündlichen sowie schriftlichen) Einsatzanordnung dem Polizeivollzugsdienst durchaus näher bestimmte Personen im Raum Freiburg - darunter eben wohl auch der Kläger - als Adressaten einer verdeckten Datenerhebung "vor Augen" gewesen sein mögen. Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass erfahrene Kriminalbeamte (in der Regel des gehobenen Dienstes), die zugleich auch als sog. "VE-Führer" fungierten, entsprechende Informationen an die Leitung des LKA weitergegeben haben mögen, so genügte das Einfließen solcher Informationen in der wie geschehen überaus allgemeinen und letztlich nur den Gesetzeswortlaut mit anderen Worten umschreibenden Einsatzanordnung nicht. Das gilt vor dem Hintergrund des bereits oben skizzierten besonders intensiven Grundrechtseingriffs auch deshalb, weil auf diese Art und Weise die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs rein polizeiintern, weil letztlich auch völlig undokumentiert blieb. Diese Betrachtungsweise verstärkt sich schließlich noch dadurch, dass - wohl durchaus in (noch) zulässiger Weise (so jedenfalls Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. § 22 Rnr. 27) - die Einsatzanordnung i.S.d. § 22 Abs. 6 PolG n. F. (nur) dem Behördenleiter und nicht einem richterlichen Vorbehalt unterstellt wurde.
34 
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung. Die Reaktion des beklagten Landes auf den "Tübinger Fall" belegt die Möglichkeit einer personenspezifisch-konkretisierten Einsatzanordnung anschaulich: Das Land Baden-Württemberg hat Ende 1994/Anfang 1995 im Zuge des Tübinger Falles in einer neuen Dienstanweisung den gesamten Einsatzbereich vollkommen neu geregelt (vgl. die Mitteilung in einer 1995er-Ausgabe des Staatsanzeigers Baden-Württemberg: "Neue Dienstanweisung für verdeckte Ermittler", Gerichtsakten Band II, Seite 431). Die Personen, gegen die sich der Einsatz von VE richtet, müssen seither namentlich bezeichnet werden. Ist dies bei Einsatzbeginn nicht möglich, müssen Sie anhand konkreter Merkmale beschrieben oder zumindest muss der Kreis der Personen, gegen den sich der Einsatz richtet, möglichst genau umschrieben werden. Lassen sich im Verlauf des Einsatzes Einzelpersonen durch namentliche Bezeichnung oder anhand konkreter Merkmale bestimmen, ist die Einsatzanordnung unverzüglich fortzuschreiben. Ferner ist laufend die weitere Zulässigkeit und Effizienz des Einsatzes zu prüfen. Über Personen, bei denen nach Entscheidung des VE-Führers feststeht, dass sie für die Erfüllung des Einsatzauftrages oder für die Legende des VE bedeutungslos sind, dürfen vom VE keine weiteren Daten mehr erhoben werden.
35 
Die Rechtswidrigkeit der Einsatzanordnung und die daraus folgende Rechtswidrigkeit des Einsatzes eines VE gegenüber dem Kläger ist schließlich auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kläger - die Verfassungsgemäßheit der §§ 22 Abs. 3, 20 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 PolG n. F. unterstellt - materiell eine Ziel-, Kontakt- oder Begleitperson gewesen wäre. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten dem Gericht hierzu nichts Überprüfbares unterbreitet haben, ist ein Verstoß gegen die inhaltlichen Anforderungen an die Einsatzanordnung nämlich nicht unbeachtlich. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, wenn zwar die handelnde Behörde gegen Verfahrensvorschriften verstößt, der Eingriff aber materiell-rechtlich gerechtfertigt war, gibt es nicht; entsprechend hat der Kläger ungeachtet dessen, dass er nie persönlich in einer mündlichen Verhandlung seiner zahlreichen Verfahren erschienen ist und nichts Näheres zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, auch keinen Anspruch auf die " Feststellung eines anderen Rechtswidrigkeitsgrundes". Der Gegenstand einer Grundrechtsprüfung darf nicht dadurch verändert werden, dass ein im übrigen rechtmäßiges Verhalten unterstellt wird. Denn damit würde statt des tatsächlichen ein fiktiver Geschehensablauf an dem Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung gemessen (BVerwG, Urt. v. 9.3.2005 - 6 C 3.04 - nachgewiesen in Internetdatenbank des BVerwG). Auch eine entsprechende Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet schließlich schon deshalb aus, weil der Bestimmtheitsmangel der Einsatzanordnung letztlich kein bloß formaler Fehler ist, jedenfalls aber weil nicht von einem offenkundig fehlenden Einfluss auf die verdeckte Datenerhebung ausgegangen werden kann.
36 
Die vorstehenden Ausführungen gelten schließlich auch, was die Zeit des Einsatzes von Januar 1991 bis zum Inkrafttreten des neuen Polizeigesetzes (1.12.1991) angeht (so auch VG Stuttgart, a.a.O.). Wie das beklagte Land vorgetragen hat, erfolgte die Anordnung des VE-Einsatzes im Raum Freiburg Ende 1990 zunächst in mündlicher Form durch den Präsidenten des LKA und wurde in regelmäßigen Abständen von drei Wochen durch schriftliche Dienstreiseanordnungen für die VE bestätigt. Einen anderen Inhalt, als die ab dem 1.12.1991 schriftlich fixierte Einsatzanordnung, hatte ihre "mündliche Vorgängerin" jedoch nicht. Zwar waren vor dem 1.12.1991 bereichsspezifische Regelungen vergleichbar denen in §§ 19 ff. PolG n. F. (noch) nicht vorhanden. Allerdings dürfte es insoweit nicht schon an einer Rechtsgrundlage gefehlt haben, weil bis zu diesem Zeitpunkt wohl die polizeiliche Aufgabennorm tragfähige Grundlage gewesen ist (vgl. entsprechend für die polizeiliche Datenverarbeitung in Berlin: BVerwG, Urt. v. 20.2.1990 - 1 C 29/86 - NJW 1990, 2765). Gleichwohl war wegen der oben dargelegten spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die zu keiner Zeit andere gewesen sind, auch die mündliche Einsatzanordnung und daraus folgend der auf ihre beruhende VE-Einsatz rechtswidrig.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; das Gericht hat entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO von einem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit abgesehen. Weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, hat die Kammer die Berufung zugelassen;

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.