Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 12. Dez. 2012 - 2 BvR 1750/12

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20121212.2bvr175012
bei uns veröffentlicht am12.12.2012

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 18. April 2012 - 3 Ri AR 4/12/3 Ri AR 32/11 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Juni 2012 - 3 W 0562/12 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Chemnitz zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Juli 2012 - 3 W 562/12 - wird damit gegenstandslos.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung eines Befangenheitsantrags im Zusammenhang mit Äußerungen eines Zivilrichters während des Verhandlungstermins.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist Beklagte eines vor dem Landgericht anhängigen Zivilrechtsstreits. Klägerin des Ausgangsrechtsstreits ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft.

3

a) Am 3. November 2011 fand im Rahmen des Ausgangsverfahrens ein Termin zur Güteverhandlung und Verhandlung über die Hauptsache statt. Nach Erörterung des Sach- und Streitstands äußerte der Prozessvertreter der Beschwerdeführerin, es sei seiner Auffassung nach geboten, einen in der Schweiz wohnhaften Zeugen zu laden. Der zuständige Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts weigerte sich jedoch, einen entsprechenden Beweisantrag in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufzunehmen. Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin regte im weiteren Verlauf des Termins an, das Verfahren nach § 149 ZPO auszusetzen, und ergänzte sein tatsächliches Vorbringen; auch insoweit verweigerte der Richter die Protokollierung. Als der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin ihm daraufhin vorhielt, es sei auch seine Aufgabe, die Wahrheit zu erforschen, entgegnete der Richter: "Die Wahrheit interessiert mich nicht." Daraufhin lehnte die Beschwerdeführerin den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Am 11. November 2011 gab der abgelehnte Richter eine dienstliche Stellungnahme ab, in der er bestätigte, sich wie beanstandet geäußert und die Protokollierungen verweigert zu haben.

4

b) Mit Beschluss vom 18. April 2012 erklärte die zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Zivilkammer des Landgerichts dieses für unbegründet. Die Erklärung des abgelehnten Richters - die Wahrheit interessiere ihn nicht - sei zwar zu monieren, begründe indes keine Richterablehnung, da durch sie sowohl die Klägerin als auch die Beklagte beschwert würden. Dass der abgelehnte Richter den Beweisantrag weder ins Protokoll aufgenommen noch verbeschieden habe, begründe ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit, denn dies stehe in seinem Ermessen. Verfahrensverstöße im Rahmen der Prozessleitung könnten nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie sich derart weit von dem geübten Verfahren entfernten, dass sich der Eindruck einer willkürlichen, sachwidrigen und auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdränge, wofür es hier keinerlei Anhaltspunkte gebe.

5

c) Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde ein, der das Landgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2012 nicht abhalf. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012, dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugegangen am 6. Juli 2012, wies das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde zurück. Der abgelehnte Richter habe nicht seinem Amtseid zuwiderhandeln wollen, es sei vielmehr der Beklagtenvertreter gewesen, der die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel dafür eingesetzt habe, um den abgelehnten Richter zur Anhörung des Zeugen zu bewegen. Mit der gerügten Äußerung habe sich der abgelehnte Richter dieser sachwidrigen Beeinflussung erwehrt. Auch im Übrigen seien die geltend gemachten Gründe nicht dazu geeignet, das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.

6

d) Mit Beschluss vom 24. Juli 2012 wies das Oberlandesgericht die gegen den Beschluss vom 28. Juni 2012 erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin zurück.

7

2. Mit ihrer am 3. August 2012 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die im Rubrum genannten Entscheidungen und Maßnahmen. Sie rügt die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 13 EMRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK.

8

Sie habe einen Anspruch darauf, dass ihr Rechtsstreit von einem Richter bearbeitet, verhandelt und entschieden werde, der sich an seinen Amtseid gebunden fühle und nicht ankündige, diesem vorsätzlich zuwider handeln zu wollen. Den abgelehnten Richter interessierten nach seiner Aussage weder Wahrheit noch Gerechtigkeit; es sei ihr nicht zumutbar, sich in dessen Willkür zu begeben. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hätten die Tragweite der Gewährleistung des gesetzlichen Richters grundlegend verkannt. Dies verletze zugleich ihr Grundrecht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK und sei willkürlich. Durch die vom Landgericht und Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung des § 46 Abs. 2 ZPO werde ihr das Recht auf wirksame Beschwerde genommen. Dies verletze das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz sowie die Rechte auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK), auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK). Sie werde zudem gehindert, sich effektiv gegen die Klageforderung zu verteidigen, was gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG verstoße.

II.

9

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat mitgeteilt, von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde werde abgesehen. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

III.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr in dem im Tenor bezeichneten Umfang statt, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 in Verbindung mit § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

11

Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Beschlüsse vom 18. April 2012 und vom 28. Juni 2012 rügt, zulässig und offensichtlich begründet. Auf die Frage, ob die Anhörungsrüge geeignet war, die Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten, kommt es nicht an, da die Frist auch dann gewahrt ist, wenn sie mit dem Zugang des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2012 zu laufen begann.

12

1. a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter (vgl. BVerfGE 22, 254 <258>). Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95, 322 <327>). Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>).

13

b) Zwar kann eine Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls wäre jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich ein Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143>; 13, 72 <77>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Verfahrensnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299> m.w.N.; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 2012 - 2 BvR 615/11 -, juris, Rn. 12). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <143 f.>; 13, 72 <77>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; 13, 72 <78>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 2012, a.a.O.).

14

c) Eine Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30 <38>). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", also der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (vgl. BVerfGE 46, 34 <41>). Entscheidend ist demnach, ob das beanstandete Verhalten für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGK 5, 269 <281>; 13, 72 <79>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 2012, a.a.O., Rn. 13).

15

2. Nach diesen Maßstäben wurde im vorliegenden Fall der grundrechtliche Anspruch auf den gesetzlichen Richter nicht gewahrt.

16

Die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters, nach der er "wohl etwas ungehalten" reagiert habe, gibt keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen Unmutsbekundungen eines Richters, die sich auf das Verhalten von Prozessparteien oder Zeugen beziehen, bereits als solche geeignet sind, den Eindruck der Voreingenommenheit zu wecken (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 247/09 -, juris, Rn. 12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. März 2012 - 14 W 2/12 - NJW-RR 2012, S. 960 <960>; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 10 W 42/11 (Abl.) -, juris, Rn. 28; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 42 Rn. 17; Gehrlein, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, § 42 Rn. 24 m.w.N.). Mit der Äußerung, auf die sich der Befangenheitsantrag der Beschwerdeführerin bezog, hat der Richter nicht nur Unmut über ein Verhalten ihres Bevollmächtigten zum Ausdruck gebracht, sondern zugleich bekundet, dass er an der Erfüllung einer wesentlichen richterlichen Amtspflicht nicht interessiert sei. Der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz macht es zwar zur Sache der Parteien, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und Beweismittel zu benennen, und beschränkt insoweit die Aufgabe des Richters, den Sachverhalt zu erforschen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2008 - IX ZB 137/07 -, NZI 2008, S. 240 <241>). Er bedeutet aber ebenso wenig wie andere Beschränkungen der Pflicht zur Ermittlung und Berücksichtigung von Tatsachen - wie sie, etwa im Interesse der Verfahrensbeschleunigung, auch im Ansatz vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägte Verfahrensordnungen kennen -, dass den Richter die Wahrheit grundsätzlich nicht zu interessieren hätte. Auch der Zivilrichter ist nach Maßgabe der anwendbaren Verfahrensordnung, seinem Amtseid gemäß, verpflichtet, der Wahrheit zu dienen (§ 38 Abs. 1 DRiG).

17

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Umstände (vgl. BVerfGE 82, 30 <38>; zur zivilprozessualen Rechtslage Schneider, Befangenheitsablehnung im Zivilprozess, 3. Aufl. 2008, Rn. 378; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Oktober 1992 - 11 W 76/92 -, OLG-Report 1992, S. 343; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23. September 1997 - 6 W 140/97 -, NJW-RR 1998, S. 858 <859>; OLG Schleswig, Beschluss vom 30. September 2004 - 16 W 126/04 -, OLG-Report 2004, S. 561 <562>) kann eine Besorgnis der Befangenheit nicht verneint werden. Nachdem der Richter sich geweigert hatte, einen Beweisantrag und weitere Äußerungen des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in das Protokoll aufzunehmen, und dieser deshalb dem Richter vorgehalten hatte, es sei seine Aufgabe, die Wahrheit zu erforschen, stellte die daraufhin an den Bevollmächtigten gerichtete Äußerung des Richters, die Wahrheit interessiere ihn nicht, keinen bloßen Hinweis auf die zivilprozessrechtlichen Grenzen der richterlichen Pflicht zur Sachverhaltsermittlung dar. Unter diesen Umständen war die Annahme des Landgerichts, die Äußerung begründe keine Ablehnung, weil sie beide Parteien gleichermaßen beschwere, unvertretbar. Die grob unsachliche Äußerung des Richters war eindeutig als zurückweisende Reaktion auf ein vom Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin vorgebrachtes Anliegen erfolgt und daher offensichtlich geeignet, den Eindruck einer Voreingenommenheit gerade nach dieser Seite hin zu erzeugen. Erst recht ist die Annahme des Oberlandesgerichts nicht tragfähig, die Äußerung sei hinzunehmen als Reaktion auf eine sachwidrige Beeinflussung durch den Beklagtenvertreter, der die Pflicht zur Wahrheitsfindung als Druckmittel eingesetzt habe, um den Richter zur Anhörung des Zeugen zu bewegen. Weshalb in dem Hinweis auf eine bestehende Amtspflicht eine sachwidrige Druckausübung liegen soll, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Selbst wenn der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit seinem Hinweis auf die Wahrheitserforschungspflicht des Gerichts die Reichweite dieser Pflicht unter den gegebenen Umständen verkannt haben sollte, kann darin eine die Besorgnis der Befangenheit ausschließende Rechtfertigung für die anschließende Äußerung des Richters schon deshalb nicht liegen, weil in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Pflicht des Richters zur Erfüllung seiner Amtspflichten und zu sachlichem Umgang mit dem Parteivorbringen nicht davon abhängt, dass dieses Vorbringen auf zutreffenden rechtlichen Einschätzungen beruht.

IV.

18

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Von einer weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

V.

19

1. Der Beschluss des Landgerichts vom 18. April 2012 und der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2012 beruhen auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG sind sie daher aufzuheben und das Verfahren ist an das Landgericht Chemnitz zurückzuverweisen. Der ebenfalls angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts vom 24. Juli 2012 wird damit gegenstandslos.

20

2. Die vollständige Erstattung der Auslagen ist gemäß § 34a Abs. 2, Abs. 3 BVerfGG anzuordnen, weil die Beschwerdeführerin ihr wesentliches Rechtsschutzziel erreicht hat.

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(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergeht durch Beschluss.

(2) Gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 18. Januar 2012 (35 O 42/11 KfH) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 50.000,00 EUR

Gründe

 
A.
I.
1.
Die Beklagte ist eine GmbH mit Sitz in O., deren Geschäftsanteile je zur Hälfte vom Kläger und dessen Bruder H.-M. S. gehalten werden. Letzterer ist zugleich alleiniger Geschäftsführer der Beklagten.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der in der Gesellschafterversammlung vom 19. April 2011 zur Beschlussfassung gestellte Antrag über die Auflösung der Zweigniederlassung P. der Beklagten aufgrund des Abstimmungsergebnisses nicht angenommen worden sei (vgl. GA 2).
Mit Verfügung vom 4. August 2011 (hier: Ziff. I. und IV.; GA 19) hatte der abgelehnte Vorsitzende Richter am Landgericht ... das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch zum Termin vom 24. November 2011 angeordnet. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten nicht zum Termin erschienen und sein Fernbleiben durch den Beklagtenvertreter mit „dringenden Angelegenheiten“ begründet worden war (vgl. S. 1 der Sitzungsniederschrift vom 24. November 2011; GA 52), äußerte der Vorsitzende Richter im Zusammenhang hiermit, dass H.-M. S. der Ladung des Gerichts hätte Folge leisten und sich der Auseinandersetzung oder Diskussion stellen sollen, statt den „Schwanz einzuziehen“ (vgl. GA 59). Während eines zwischen dem Beklagtenvertreter und dem Vorsitzenden Richter am folgenden Tage geführten Telefongesprächs war letzterer nicht bereit, den beanstandeten Ausdruck („Schwanz einziehen“) zu relativieren (aaO).
2.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2011 (GA 54 ff.) lehnte die Beklagte daraufhin den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab und begründete dies mit der Unangemessenheit seiner Wortwahl. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung des Ablehnungsgesuchs wird auf den vorerwähnten Schriftsatz Bezug genommen.
II.
Mit Beschluss vom 18. Januar 2011 (GA 79 ff.) wies das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten zurück.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dieses zwar zulässig sei, jedoch in der Sache keinen Erfolg habe. Es liege kein objektiver Grund vor, welcher aus Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters aufkommen lasse. Die von der Beklagten beanstandete Wortwahl stelle lediglich eine umgangssprachliche Redewendung dar, welche so viel bedeute wie „sich zurückziehen“ oder „feige sein“ (LGB 3; GA 81). Diese Ausdrucksweise des abgelehnten Richters habe sich auf das Verhalten des Geschäftsführers der Beklagten bezogen, welcher nach Ansicht des abgelehnten Richters „zu feige“ gewesen sei, sich - trotz Ladung - dem Rechtsstreit persönlich zu stellen. Die Wortwahl habe keinen beleidigenden Inhalt gehabt. Die Wirkung der umgangssprachlichen Wendung werde dadurch abgeschwächt, dass sich diese Äußerung lediglich auf das Verhalten des gesetzlichen Vertreters der Beklagten bezogen habe und erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei einem Gespräch zwischen dem abgelehnten Richter und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geäußert worden sei (LGB 4; GA 82).
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den landgerichtlichen Beschluss Bezug genommen.
III.
1.
Gegen den ihr am 23. Januar 2012 zugestellten (GA 83) Beschluss des Landgerichts vom 18. Januar 2012 richtet sich die am 3. Februar 2012 vorab per Telefax eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten aus deren Schriftsatz vom 2. Februar 2012 (GA 86 ff.).
a)
Nach ihrer Auffassung stellt die Wortwahl „Schwanz einziehen“ im hier gegebenen Zusammenhang keine hinzunehmende umgangssprachliche Äußerung, sondern vielmehr eine nicht gerechtfertigte Unmutsäußerung gar beleidigenden Charakters dar, welche im Hinblick auf die durchgängig in einem ruhigen und sachlichen Ton geführte Verhandlung vor dem Landgericht nicht veranlasst gewesen sei. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe im Termin vom 24. November 2011 ausdrücklich klargestellt, dass er es gewesen sei, welcher dem Geschäftsführer der Beklagten - im Hinblick auf von diesem wahrzunehmende wichtige Termine in Indien - die Auskunft erteilt habe, dass er dem Verhandlungstermin fernbleiben könne, nachdem es in dem Rechtsstreit nicht um dessen persönliche Wahrnehmungen gehe (GA 94 ff.). Der Geschäftsführer der Beklagten habe damit - für den abgelehnten Richter ersichtlich - lediglich zulässigerweise von dem prozessualen Recht des § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht (GA 95). In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der abgelehnte Richter auch in der Folge - und somit nach reiflicher Überlegung - an seiner unangemessenen Äußerung festgehalten habe (aaO).
b)
10 
Die Wirkung der unangemessenen Äußerung werde entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht dadurch abgeschwächt, dass sich diese Äußerung lediglich auf das Verhalten des gesetzlichen Vertreters der Beklagten bezogen habe und erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung geäußert worden sei. Denn eine unangemessene Äußerung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter könne bei verständiger Würdigung nicht anders zu bewerten sein, als dass der Richter dem gesetzlichen Vertreter - und damit zwangsläufig der Beklagten - nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüberstehe (GA 96).
2.
11 
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten mit Beschluss vom 27. Februar 2012 (GA 98 f.) dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht auf seine Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass die angegriffene Äußerung des abgelehnte Richters - wie aus seiner dienstlichen Stellungnahme hervorgehe - im Hinblick auf seine Verfügung vom 4. August 2011 zum persönlichen Erscheinen der Parteien veranlasst und auch objektiv als Unmutsäußerung nicht ohne sachlichen Grund erfolgt sei. Anhaltspunkte dafür, dass der abgelehnte Richter mit seiner Äußerung den Eindruck erwecke, eine sachliche Auseinandersetzung nicht zu wollen, seien nicht ersichtlich, da die Unmutsäußerung sich nur auf die Tatsache des Nichterscheinens des Geschäftsführers der Beklagten bezogen habe (GA 99).
B.
I.
12 
Die nach §§ 46 Abs. 2 Halbs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
13 
Denn das Landgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die in dem Ablehnungsgesuch der Beklagten beanstandete Äußerung des abgelehnten Richters nicht geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO).
1.
14 
Hierzu geeignet sind nämlich nur objektive Gründe, welche vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1220, 1221). Derartige Gründe liegen hier nicht vor.
15 
Zwar stellt die beanstandete Äußerung („Schwanz einziehen“) eine - wie der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 (GA 63) selbst einräumt - „saloppe bis derbe Redensart“ dar. Die Äußerung darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr kommt es auf den Zusammenhang an, in dem sie gefallen ist (vgl. OLG Hamburg, NJW 1992, 2036).
16 
So ist die Äußerung ersichtlich von der Enttäuschung des abgelehnten Richters darüber geprägt, dass der für eine nach § 278 Abs. 1 ZPO angestrebte wirtschaftliche Gesamtlösung unerlässliche Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagten, dessen persönliches Erscheinen zu dem - immerhin mit dreimonatiger Vorlaufzeit anberaumten - Termin vom 24. November 2011 angeordnet worden war, nicht zum Termin erschienen war.
17 
Dies manifestiert sich nicht zuletzt darin, dass der abgelehnte Richter - ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. November 2011 (GA 52 f.) - den Parteien mitgeteilt hat, dass nach seiner Auffassung der hiesige Rechtsstreit nicht die eigentliche Ursache der Auseinandersetzung betreffe. Diese liege vielmehr in dem Streit zwischen den beiden Gesellschaftern über die Trennungsvereinbarung begründet, weswegen es angezeigt sei, eine gütliche Einigung hierüber anzustreben.
2.
18 
Anders als im Falle der Äußerungen der abgelehnten Richter, welche Gegenstand der von der sofortigen Beschwerde zitierten Entscheidungen waren (BGH, NJW-RR 2007, 776 Rz. 9: „Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben sie auf allem sitzen“; OLG Hamburg, NJW 1992, 2036: „Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten“; Brandenburgisches OLG, MDR 2000, 47: „Jetzt reicht es mir! Halten Sie endlich den Mund! Jetzt rede ich!“; LSG Nordrhein-Westfalen, NJW 2003, 2933: Bezeichnung des Sachvortrags einer Partei als „Unsinn“), durfte die beklagte Partei des hiesigen Rechtsstreits von ihrem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben die Äußerung des Vorsitzenden Richters am Landgericht ... nicht dahin verstehen, dass dieser ihr gegenüber negativ eingestellt oder gar zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen nicht gewillt wäre.
II.
1.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
2.
20 
Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache (vgl. BGH, NJW 1968, 796).

(1) Der Richter hat folgenden Eid in öffentlicher Sitzung eines Gerichts zu leisten:

"Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe."

(2) Der Eid kann ohne die Worte "so wahr mir Gott helfe" geleistet werden.

(3) Der Eid kann für Richter im Landesdienst eine Verpflichtung auf die Landesverfassung enthalten und statt vor einem Gericht in anderer Weise öffentlich geleistet werden.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.