Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2015 - 1 StR 488/14

bei uns veröffentlicht am10.02.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 488/14
vom
10. Februar 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Falsche Verdächtigung durch den Beschuldigten in einem Strafverfahren bei bewusst
wahrheitswidriger Bezichtigung einer bis dahin unverdächtigen Person.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - 1 StR 488/14 - LG Traunstein
in der Strafsache
gegen
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27. Mai 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Nötigung verurteilt worden ist [Fälle II.2.a), c) und d) der Urteilsgründe],
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Auf die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird der Tagessatz der in den Fällen II.2.b) und e) der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen jeweils auf einen Euro festgesetzt. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 4. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. 5. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Nötigung sowie wegen unerlaubten Besitzes erlaubnispflichtiger Munition und wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich jeweils mit näher ausgeführten Sachrügen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit einer zu seinen Ungunsten eingelegten Revision.
3
Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt weitgehend erfolglos. Die Revision der Staatsanwaltschaft erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

A.


4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


5
1. Dem gesondert Verfolgten C. H. wird vorgeworfen, durch ein betrügerisches Anlagemodell mehrere tausend Anleger um insgesamt ca. 135 Mio. Euro betrogen zu haben. In die C. H. vorgeworfenen Taten sollen auch die beiden Geschäftsführer einer A. GmbH (A. ), M. K. und D. , involviert gewesen sein.
6
Aus dem Kreis der Anleger des von C. H. betriebenen Anlagemodells hatten sich mehrere Gruppierungen gebildet, die ihr eingebrachtes Geld zurückerlangen wollten. Zu einer dieser Anlegergruppen gehörte auch der ebenfalls gesondert verfolgte Au. . Dieser konnte ab etwa Jahresende 2011 den Angeklagten dazu bestimmen, der Anlegergruppe um Au. dabei behilflich zu sein, den Aufenthaltsort des zwischenzeitlich untergetauchten C. H. ausfindig zu machen und diesen zu veranlassen, sich bei der Anlegergruppe zu melden. Aus Sicht von Au. sollte es darum ge- hen, in das betrügerische Anlagemodell „investierte“ und bislang nicht zurück- erhaltene Gelder von C. H. zurückzuerlangen.
7
Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass außer dieser Anlegervereinigung noch weitere Personen bzw. Personengruppen versuchten, C. H. dazu zu veranlassen, sich seinen Anlegern zu stellen, und ggf. Geld von diesem zu erhalten.
8
2. Au. beauftragte den Angeklagten gegen Zahlung von 3.000 Euro damit, jeweils Sprengkörper in unmittelbarer Nähe der Anwesen von M. K. und von P. , dem Bruder von C. H. , zu zünden , um Angst zu verbreiten und mittelbar auf C. H. einzuwirken. Dies sollte geschehen, „indem man dessen Angehörige und Geschäftsfreunde ihrerseits bedrohte“ (UA S. 6). Zur Umsetzung dieses Vorhabens übergab Au. dem Angeklagten drei im Inland nicht zugelassene, aber in der Tschechischen Republik frei verkäufliche Feuerwerkskörper mit jeweils etwas mehr als 100 g Schwarzpulver. Im Rahmen der Au. zugesagten Unterstützung kam es nach den Feststellungen des Landgerichts zu folgenden Verhaltensweisen des Angeklagten:
9
a) Am 27. Dezember 2012 versandte der Angeklagte zwei Briefbombenattrappen. Die jeweiligen Briefe waren an den Geschäftsführer der A. , D. , sowie an die Schwiegermutter von C. H. gerichtet. In die Briefumschläge hatte der Angeklagte jeweils ein Feuerzeug, eine Batterie und einen Kupferdraht gelegt, um den Eindruck von Briefbomben zu erwecken. Damit sollten die beiden Empfänger unter Druck gesetzt werden und auf C. H. eingewirkt werden, damit dieser sich mit den Anlegern in Verbindung setze [Fall II.2.d) der Urteilsgründe].
10
b) Am 15. Januar 2013 zündete der Angeklagte einen der vonAu. übergebenen Feuerwerkskörper im Garten des (früheren) Wohnanwesens des anderen Geschäftsführers der A. , M. K. . Dabei warf der Angeklagte diesen Gegenstand in den Garten und verließ eilends das Grundstück. Der Feuerwerkskörper explodierte rund 2,60 m von der Hauswand entfernt. An der Explosionsstelle entstand eine Vertiefung in einer Größe von ca. 15 cm. Die Hauswand wies aufgrund der Wirkungen des gezündeten Feuerwerkskörpers an drei Stellen Verfärbungen bzw. eingebrannte Stellen auf [Fall II.2.a) der Urteilsgründe].
11
c) Nachdem im Rahmen einer noch am Tatabend erfolgten Polizeikontrolle auf der A8 die beiden bei dem Angeklagten verbliebenen Feuerwerkskörper wegen der fehlenden inländischen Zulassung sichergestellt worden waren, verschaffte dieser sich in der Tschechischen Republik einen anderen Sprengsatz , einen sog. Blitzknallsatz. Dabei handelt es sich um einen dort freiverkäuflichen , in Deutschland aber verbotenen Artikel mit 50 g aus Kaliumperchlorat und Aluminium bestehender Explosivmasse.
12
Diesen Sprengsatz warf der Angeklagte am 28. März 2013 auf dem Garagenvorplatz vor dem Wohnanwesen von P. aus dem geöffneten Fenster seines Fahrzeugs. Der Sprengkörper geriet unter den hinteren Teil eines dort abgestellten Pkw. Dort explodierte der Sprengsatz. Aufgrund der Sprengwirkung wurde u.a. das Bodenblech des Fahrzeugs durchschlagen, die Karosserie beschädigt und die Scheiben zerstört. Es entstand ein Schaden von rund 12.000 Euro. Durch die Detonation wurde zudem das Garagentor am Anwesen von P. verzogen und der Gartenzaun beschädigt. Dies führte weitere Schäden in Höhe von über 7.000 Euro herbei. Angesichts des ungezielten Hinauswerfens des Sprengsatzes aus seinem Wagen konnte der Angeklagte damit rechnen, dass die Explosion in der Nähe des abgestellten Fahrzeugs erfolgen würde und dadurch erhebliche Schäden entstünden.
13
Das Landgericht hat nicht aufzuklären vermocht, von wem eine rund eine Woche nach der Tat an C. H. gesandte und auch seinem Bruder P. zugeleitete E-Mail, in der die Zahlung von 2,4 Millionen Euro gefordert und auf den Anschlag Bezug genommen wurde, stammte. Kenntnis des Angeklagten von dieser Mail ließ sich nicht feststellen [Fall II.2.c) der Urteilsgründe].
14
3. a) Darüber hinaus hat das Tatgericht festgestellt, dass im Anschluss an die polizeiliche Sicherstellung der zwei nach dem Anschlag auf das frühere Wohnanwesen von M. K. bei dem Angeklagten verbliebenen Feuerwerkskörper [oben A.I.2.c)] gegen diesen ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet worden war. In diesem Verfahren behauptete der Angeklagte bewusst wahrheitswidrig, die beiden Gegenstände gehörten nicht ihm, sondern seinem Sohn. Dies wiederholte er in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, das ihn daraufhin freisprach. Wie von dem An- geklagten billigend in Kauf genommen, wurde nunmehr ein Ermittlungsverfahren gegen seinen Sohn eingeleitet [Fall II.2.b) der Urteilsgründe].
15
b) Anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in E. wurden zwei Patronen des Kalibers 38 Spezial gefunden. Wie der Angeklagte wusste, verfügte er nicht über die für den Besitz erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis [Fall II.2.e) der Urteilsgründe].

II.


16
Das Versenden der Briefbombenattrappen und die beiden Anschläge mit den Sprengkörpern hat das Landgericht als einheitlichen Versuch der Nötigung (in Tateinheit mit vorsätzlichem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion) zu Lasten von C. H. gewertet. Zwar habe sich die Tat unmittelbar gegen verschiedene Nötigungsopfer gewendet. Im Ergebnis sei aber auf einen „einzigen und gleichartigen Nötigungserfolg“ (UA S. 21) abgezielt worden, C. H. zu einer Handlung zu veranlassen.
17
Die verschiedenen Verhaltensweisen des Angeklagten hat das Landgericht mit entsprechenden Erwägungen als eine einheitliche Beihilfe gewertet. Mehrere Hilfeleistungen zu einer Haupttat bildeten wegen des akzessorischen Rechtsgutsangriffs im Regelfall nur eine Beihilfe. Hier seien sämtliche Handlungen darauf gerichtet gewesen, C. H. zu veranlassen, seinen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Der ausgeübte Druck auf dessen Angehörige und Geschäftspartner war auf dieses eigentliche Ziel gerichtet. Dies gestatte, die einzelnen Handlungen des Angeklagten als einheitliche Handlung anzusehen.

B.


18
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt jeweils lediglich zur Nachholung der vom Tatgericht versäumten Festsetzung der Höhe des Tagessatzes bezüglich der in den Fällen II.2.b) und e) der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafen. Im Übrigen weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

I.


19
Hinsichtlich des mittels eines im Inland nicht zugelassenen Feuerwerkskörpers am 15. Januar 2013 ausgeführten Anschlags auf das frühere Wohnanwesen von M. K. [Fall II.2.a) der Urteilsgründe] besteht kein Verfahrenshindernis. Das den Angeklagten vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz freisprechende Urteil des Amtsgerichts Miesbach vom 23. Mai 2013 (4 2 Cs ) hat keinen Strafklageverbrauch (Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO) hinsichtlich der Verwendung der dem Angeklagten von Au. überlassenen Feuerwerkskörper herbeigeführt.
20
Dem Angeklagten war in dem Verfahren 21 Js der Staatsanwaltschaft München II die entgegen § 27 Abs. 1 SprengG und damit unerlaubt erfolgende Einfuhr sowie der unerlaubte Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen, zu denen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SprengG auch pyrotechnische Gegenstände gehören (vgl. näher B. Heinrich in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 8, SprengG, § 40 Rn. 20), und damit ein Vergehen nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG vorgeworfen worden. Selbst wenn der durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Miesbach vom 4. März 2013 festgelegte Verfahrensgegenstand (§§ 155, 264 StPO) auch die Einfuhr des und den Umgang mit dem nicht zugelassenen (§ 5 SprengG; § 6 SprengG i.V.m. Anlage 3 zur Ersten Verordnung zum SprengG), bei dem genannten Anschlag verwendeten Feuerwerkskörper umfasste, hat das freisprechende Urteil die Strafklage im Hinblick auf die Begehung des Verbrechens des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 Abs. 1 StGB nicht verbraucht. Wie der Bundesgerichtshof bereits zu Verstößen gegen das Waffengesetz durch den unerlaubten Besitz und das unerlaubte Führen einer Waffe entschieden hat, steht die rechtskräftige Aburteilung der Dauerstraftat des Besitzes der Waffe einer Strafverfolgung wegen eines mit dieser Waffe begangenen Verbrechens nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153 f.; siehe auch Urteil vom 1. Oktober 1997 - 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 256 sowie Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 289 ff. bzgl. Organisationsdelikten ). Für das Dauerdelikt des (unerlaubten) Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG gilt nichts anderes. Auf das kontrovers beurteilte materiell-rechtliche Konkurrenzverhältnis zwischen diesem Tatbestand und § 308 StGB (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 308 Rn. 13 aE; B. Heinrich aaO § 40 Rn. 106; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, SprengG, § 40 Rn. 27 mwN) kommt es für die Beurteilung des Strafklageverbrauchs nicht an.

II.


21
1. Das Landgericht hat bezüglich der für die Fälle II.2.b) und e) der Urteilsgründe verhängten Geldstrafen von 60 bzw. 30 Tagessätzen jeweils die Höhe des Tagessatzes nicht festgesetzt. Einer solchen Festsetzung bedarf es aber auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96; vom 8. April 2014 - 1 StR 126/14, NStZ-RR 2014, 208, 209). Dies zieht zwar regelmäßig die Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der Tagessatzhöhe nach sich (BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 97). Allerdings ist dem Revisionsgericht in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Möglichkeit eröffnet, in geeigneten Fällen die Festsetzung selbst vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 8. April 2014 - 1 StR 126/14, NStZ-RR 2014, 208, 209 mwN) und etwa die Tagessatzhöhe auf das gesetzliche Mindestmaß festzusetzen (BGH aaO; BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09, WM 2010, 1957, 1964). Davon macht der Senat auf den vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrag Gebrauch.
22
2. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten weist das angefochtene Urteil im Übrigen nicht auf.
23
a) Das Landgericht hat im Fall II.2.c) rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 Abs. 1 StGB bejaht.
24
aa) Mit dem Zünden des verwendeten Feuerwerkskörpers hat der Angeklagte eine Explosion herbeigeführt. Explosion ist die plötzliche Auslösung von Druckwellen außergewöhnlicher Beschleunigung (Wolff in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 11, § 308 Rn. 4; Krack in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 5, § 308 Rn. 3 jeweils mwN). Unmittelbar durch die mittels des aus Kaliumperchlorat und Aluminium bestehenden Sprengstoffs ausgelöste Explosion sind erhebliche Schäden an fremden Gegenständen, dem Kraftfahrzeug der Tochter von P. sowie u.a. an der Garage von dessen Hausgrundstück, verursacht worden.
25
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht bei dem hinsichtlich der Explosion selbst mit direktem Vorsatz handelnden Angeklagten einen auf das Verursachen einer konkreten Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert bezogenen bedingten Vorsatz angenommen. Es stützt sich zur Begründung auf eine - teils im Rahmen der rechtlichen Würdigung erfolgende - Gesamtwürdigung aller relevanten objektiven und subjektiven Umstände des Zündens des Feuerwerkskörpers. Dabei hat das Landgericht vor allem auf die für die Durchführbarkeit des Nötigungsvorhabens erforderliche Nachhaltigkeit der Explosion als Drohmittel abgestellt.
26
Die Hinweise der Revision auf die Freiverkäuflichkeit des verwendeten Feuerwerkskörpers in der Tschechischen Republik zeigen Lücken in der Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht auf. Dieses hat sich erkennbar von dem Gedanken leiten lassen, dass der Angeklagte nach der Sicherstellung von zwei der ihm seitens Au. übergebenen, ebenfalls aus Tschechien stammenden Feuerwerkskörpern und der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz aufgrund des Mitsichführens der entsprechenden Gegenstände Kenntnis von deren fehlender Zulassung im Inland hatte. Da er anschließend zur Vorbereitung des Anschlags gegen das Wohnanwesen von P. in die Tschechische Republik gefahren ist, um einen wegen der hohen Sprengkraft wiederum im Inland nicht zugelassenen Feuerwerkskörper zu erwerben, konnte das Landgericht unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände auf einen wenigstens bedingten Gefahrvorsatz schließen.
27
cc) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob bei Verursachung tatbestandsmäßiger Gefahrerfolge hinsichtlich von § 308 Abs. 1 StGB erfasster Rechtsgüter durch Explosion mittels Feuerwerkskörper eine einschränkende Auslegung des Tatbestandes oder gar ein Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit in Betracht zu ziehen ist (zu dem entsprechenden Diskussionsstand vgl. Krack aaO § 308 Rn. 4 f.; siehe auch Wolff aaO § 308 Rn. 13; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 308 Rn. 5-6). Jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation der vorsätzlichen Verwendung eines im Inland nicht zugelassenen, in seiner Explosivwirkung über das inländisch Zugelassene deutlich hinausgehenden Feuerwerkskörpers kommt vor dem Hintergrund der geschützten Individualrechtsgüter (zu diesen Fischer aaO § 308 Rn. 1) eine Restriktion des Tatbestandes, erst recht ein Tatbestandsoder Rechtswidrigkeitsausschluss nicht in Betracht.
28
b) Im Fall II.2.b) der Urteilsgründe tragen die getroffenen, allerdings knappen Feststellungen die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB.
29
aa) Indem der Angeklagte im Rahmen des gegen ihn wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz geführten Strafverfahrens bewusst wahrheitswidrig angegeben hatte, die in dem von ihm geführten Pkw aufgefundenen Feuerwerkskörper gehörten seinem Sohn, hat er diesen vorsätzlich der Begehung einer rechtswidrigen Tat, nämlich einer Straftat gemäß § 40 Abs. 1 SprengG, verdächtigt.
30
Nach ganz überwiegendem Verständnis ist Verdächtigen das Hervorrufen , Umlenken oder Verstärken eines Verdachts (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1960 - 2 StR 593/59, BGHSt 14, 240, 246; Ruß in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 5; Zopfs in Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 2. Aufl., § 164 Rn. 20 jeweils mwN; siehe auch Langer, Gedächtnisschrift für Schlüchter, 2002, S. 361, 366 f.). Die Tathandlung kann jedenfalls durch das Behaupten von Tatsachen verwirklicht werden, die geeignet sind (§ 152 Abs. 2 StPO), den Verdächtigten einem behördlichen Verfahren auszusetzen (Fischer aaO § 164 Rn. 3; Jeßberger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 6; näher Zopfs aaO § 164 Rn. 23 mwN).
31
Diese Voraussetzungen sind angesichts der konkreten Bezichtigung des Sohns, Eigentümer der im Inland nicht zugelassenen pyrotechnischen Gegenstände zu sein, erfüllt. Da der Angeklagte die bereits während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn erfolgte Falschbezichtigung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht wiederholt hat, handelt es sich bei den beiden wahrheitswidrigen Verdächtigungen lediglich um eine Tat im Rechtssinne (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 - 4 StR 427/12, BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 2; siehe auch OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - 2 Ws 480/10 Rn. 20).
32
bb) Eine auf zulässiges Verteidigungsverhalten eines Beschuldigten im Strafverfahren oder dessen Selbstbelastungsfreiheit gestützte Einschränkung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB kommt in der vorliegenden Konstellation nicht in Betracht.
33
(1) Ob eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung (etwa BayObLG NJW 1986, 441, 442; OLG Frankfurt DAR 1999, 225; OLG Düsseldorf MDR 1992, 286 f.) und von Teilen der Strafrechtswissenschaft (siehe nur Ruß aaO § 164 Rn. 6 mwN; Jeßberger aaO § 164 Rn. 10) befürwortete Tatbestandseinschränkung für Fallgestaltungen, in denen der Täter wahrheitswidrig eine allein als alternativer Täter in Frage kommende Person ausdrücklich als solchen bezeichnet (gegen Einschränkungen in solchen Fällen etwa Langer aaO S. 367-369; Schneider, NZV 1992, 471, 472 ff. jeweils mwN; Fischer aaO § 164 Rn. 3a; näher auch Deutscher, Grundfragen der falschen Straftatverdächtigung [§ 164 Abs. 1 StGB], 1995, S. 127 ff.), angenommen werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - eine Person konkret verdächtigt wird, für deren Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung bis dahin keine Anhaltspunkte bestanden, kommt im Hinblick auf das durch § 164 StGB auch gewährleistete Rechtsgut des Schutzes der innerstaatlichen Strafrechtspflege vor unberechtigter Inanspruchnahme (siehe nur BGH, Beschluss vom 21. November 2012 - 4 StR 427/12, StraFo 2013, 79) eine Tatbestandseinschränkung nicht in Betracht (vgl. Zopfs aaO § 164 Rn. 25 f.; siehe auch Aselmann, Die Selbstbelastungs- und Verteidigungsfreiheit, 2004, S. 267 f.). Anders als in Fallgestaltungen, in denen außer dem falsch Verdächtigenden überhaupt nur eine weitere Person als Täter der fraglichen rechtswidrigen Tat in Betracht kommt, wird in der hier vorliegenden Konstellation erstmals eine andere Person als vermeintlicher Täter bezichtigt. Erst dadurch werden die Ermittlungsbehörden zu einer auf eine materiell unschuldige und bis zur Falschbezichtigung unverdächtige Person bezogenen Ermittlungstätigkeit veranlasst.
34
(2) Eine Einschränkung des Tatbestandes von § 164 Abs. 1 StGB in Anwendung auf einen sich durch Falschverdächtigung Dritter verteidigenden Beschuldigten oder Angeklagten lässt in der hier vorliegenden Fallgestaltung auch nicht mit Erwägungen aus der Rechtsprechung zu zulässigem Verteidigungsverhalten im Rahmen der Strafzumessung begründen (siehe aber OLG Düsseldorf MDR 1992, 286; krit. Schneider, NZV 1992, 471, 473 f.). Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs strafzumessungsrechtlich die Grenze zulässigen und damit nicht strafschärfend berücksichtigungsfähigen Verteidigungsverhaltens selbst bei unberechtigten Anschuldigungen gegen Dritte noch nicht überschritten (etwa BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 5 StR 453/12 Rn. 2 bzgl. Alternativtäterschaft); dies sei vielmehr erst dann der Fall, wenn sich dieses Verhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung erweise (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170 f. mwN sowie vom 6. Juli 2010 - 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692). Diese für die Strafzumessung im Rahmen von § 46 Abs. 2 StGB geltenden Erwägungen können jedoch nicht die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 164 StGB in einer Weise beeinflussen, die mit den Schutzzwecken dieses Tatbestandes nicht mehr vereinbar wäre.
35
(3) Die Auslegung von § 164 StGB nach dem Wortlaut, derSystematik - der Gesetzgeber hat für die falsche Verdächtigung anders als in § 258 Abs. 1 und Abs. 5 StGB kein Selbstbegünstigungsprivileg vorgesehen - und dem Schutzzweck spricht gegen eine Einschränkung des Tatbestandes in Konstellationen wie der hier vorliegenden. Mit der durch das 43. Strafrechtsänderungsgesetz (43. StrÄndG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2288) erfolgten Einführung von § 164 Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber möglichen Missbräuchen der in § 46b StGB und § 31 BtMG enthaltenen Strafmilderungsmöglichkeiten bei Aufklärungshilfe durch in einem Strafverfahren Beschuldigte entgegen wirken wollen (BT-Drucks. 16/6268 S. 15 re. Sp.). Dabei hat er zugrunde gelegt, dass vielfach Falschangaben durch einen Beschuldigten in dem gegen ihn gerichteten Verfahren zum Zwecke der Erlangung von Strafmilderung den Tatbeständen aus § 164 StGB und § 145d StGB unterfallen, deren Strafandrohungen gravierende Fälle aber nur unzureichend erfassen (BT-Drucks. aaO). Die Entstehungsgeschichte von § 164 Abs. 3 StGB spricht damit ebenfalls gegen eine Einschränkung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung bei Falschbezichtigung Dritter durch Beschuldigte oder Angeklagte in gegen sie geführten Strafverfahren.
36
(4) Die Restriktion könnte sich angesichts dessen lediglich aus übergeordneten verfassungsrechtlichen oder menschenrechtlichen Grundsätzen ergeben , aus denen sich für Beschuldigte bzw. Angeklagte im Strafverfahren ein Recht auf Lüge ableiten ließe (vgl. insoweit Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, 2006, S. 403 f.). Solche Grundsätze bestehen jedoch nicht. Die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipsum accusare) gewährleistet verfassungsrechtlich dem Beschuldigten bzw. Angeklagten im Strafverfahren ein umfassendes Recht zu schweigen, um nicht zu seiner Überführung beitragen zu müssen; der Beschuldigte ist durch die Selbstbelastungsfreiheit mithin davor geschützt, auf ihn selbst bezogene Informationen zu generieren (siehe BVerfGE 56, 37, 49; BVerfGE 109, 279, 324; BVerfGE 133, 168, 201 Rn. 60; näher Verrel, Die Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren, 2001, S. 261-264).
37
Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, lässt sich aus der einfachgesetzlichen Gewährleistung des Schweigerechts des Angeklagten in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO als Ausprägung der Selbstbelastungsfreiheit zwar keine Wahrheitspflicht aber auch kein „Recht zur Lüge" ableiten (BGH, Be- schluss vom 17. März 2005 - 5 StR 328/04, NStZ 2005, 517, 518 Rn. 10; siehe auch OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Dezember 2012 - 2 Ws 480/10 Rn. 13, NStZ-RR 2011, 178 [nur Leitsätze]; zum Meinungsstand bzgl. des „Rechts auf Lüge“ Kölbel aaO S. 25 f.). Für eine einschränkende Anwendung des § 164 StGB jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation der bewusst wahrheitswidrigen Verdächtigung besteht daher kein tragfähiger Grund (vgl. insoweit auch Kölbel aaO S. 404, siehe aber auch ders. aaO S. 493).
38
3. Bezüglich der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2.e) der Urteilsgründe kann der Senat dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen, dass der unerlaubte Besitz erlaubnispflichtiger Munition sich auf die am Tag der vorläufigen Festnahme des Angeklagten, dem 19. November 2013 (UA S. 4 unten), in dessen Wohnung aufgefundene Munition bezieht.
39
4. Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte durch die im Rahmen der Revision der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Rechtsfehler beschwert ist.

III.


40
Angesichts des nur sehr geringen Erfolgs des Rechtsmittels des Angeklagten ist es nicht unbillig, diesen insgesamt mit dadurch entstandenen Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

C.


41
Die Revision der Staatsanwalt führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

I.


42
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Oktober 2014 zutreffend aufgezeigt hat, ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beschränkt. Die Verurteilungen in den Fällen II.2.b) und e) der Urteilsgründe werden ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Beschränkung ersichtlich nicht angegriffen.
43
Die Beschränkung ist wirksam. Dass die für die vorgenannten Fälle verhängten Einzelgeldstrafen wegen der beim Tatrichter unterbliebenen Festset- zung der Tagessatzhöhe (oben B.II.1.) isoliert nicht vollstreckt werden könnten, steht nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1998 - 4 StR 348/98, BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Bestimmung, unterlassene 2; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - 5 StR 122/10).

II.


44
Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II.2.a), c) und d) der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit lediglich einer (einheitlichen) Beihilfe zu einer (gleichfalls einheitlichen ) versuchten Nötigung zu Lasten von C. H. als Haupttat hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Bereits der von dem Landgericht für das Vorliegen einer einzigen Haupttat herangezogene Grund eines „einzigen und gleichartigen Nötigungserfolgs“ (UA S. 21) trägt nicht.
45
1. Das Landgericht hat nicht ausreichend in den Blick genommen, dass als Tat bzw. als Taten auch Nötigung(en) in Bezug auf die von den Sprengstoffanschlägen bzw. Briefbombenattrappen unmittelbar bedrohten Angehörigen (Bruder, Schwiegermutter) bzw. Geschäftspartner (Geschäftsführer der A. ) von C. H. in Betracht kamen. Ausweislich der Urteilgründe sollte durch die von dem Angeklagten verübten Anschläge bzw. das Versenden der Briefbombenattrappen auf die betroffenen Angehörigen und Geschäftspartner von C. H. „Druck dahingehend ausgeübt werden, dass diese sich an H. wenden und ihn veranlassen, sich mit seinen Gläubigern in Verbindung zu setzen, damit diese in der Folge ihre behaupteten Ansprüche gegen H. geltend machen können“ (UA S. 21). Waren aber die Handlungen des Angeklagten darauf gerichtet, die direkt davon Betroffenen selbst wenigstens zu einer Kontaktaufnahme mit C. H. zu bewe- gen, sollten diese aufgrund nötigenden Drucks zu einem eigenen Handeln veranlasst werden. Dementsprechend sollte vorsätzlich eine Beeinträchtigung ihrer durch § 240 StGB geschützten Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit (BVerfGE 92, 1, 13 f.; siehe auch BGH, Beschlüsse vom 21. März 1991 - 1 StR 3/90, BGHSt 37, 350, 353; vom 24. Februar 2005 - 1 StR 33/05, NStZ 2005, 387; Schluckebier in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 240 Rn. 1) herbeigeführt werden.
46
Mit diesen Taten würde eine bzw. würden mehrere versuchte Nötigung (en) zu Lasten von C. H. - die gegen Angehörige und Geschäftspartner gerichteten (konkludenten) Drohungen sollten von diesem als eigenes Übel empfunden werden (siehe dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 240 Rn. 37; Altvater in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 7/2, § 240 Rn. 83 jeweils mwN) - jeweils in gleichartiger Tateinheit stehen, weil mittels derselben Nötigungshandlung, den jeweiligen Anschlägen als konkludente Drohungen mit weiteren solcher Angriffe, von je zwei verschiedenen Nötigungsopfern unter Beeinträchtigung ihrer Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit Verhaltensweisen erzwungen wurden bzw. erzwungen werden sollten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07 Rn. 3; Schluckebier aaO Rn. 28).
47
2. Unter Berücksichtigung des Vorgenannten und der insgesamt festgestellten vier Handlungen des Angeklagten (Versenden von zwei Briefbombenattrappen an zwei unterschiedliche Empfänger, zwei Anschläge mit Feuerwerkskörpern gegen zwei verschiedene Opfer) lässt sich das Vorliegen lediglich einer einheitlichen Nötigungstat zu Lasten von C. H. auch nicht auf die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit stützen.
48
a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nimmt eine natürliche Handlungseinheit, die mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Einheit im Rechtsinne verbinden kann, an, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368; vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09 Rn. 16 [in NStZ-RR 2010, 140 f. nur LS], vom 8. Februar 2012 - 1 StR 427/11, NStZ-RR 2012, 241, 242 f.; Fischer aaO Vor § 52 Rn. 3 mwN). Richten sich die Handlungen des Täters bzw. Tatbeteiligten - wie hier - gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, ist die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt aber regelmäßig nicht nahe (BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09 Rn. 16). In solchen Konstellationen können unterschiedliche Handlungen regelmäßig weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges willkürlich oder gekünstelt erschiene (BGH aaO mwN).
49
b) Nach diesen Maßstäben können die einzelnen Handlungen des Angeklagten , die sich als konkludente Drohungen gegenüber den verschiedenen von den Anschlägen betroffenen Personen erweisen, nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Dem steht bereits die Tatbegehung zu Lasten des höchstpersönlichen Rechtsguts Willensfreiheit unterschied- licher Rechtsgutsinhaber entgegen. Das Landgericht hat, wie bereits aufgezeigt , bei der Annahme natürlicher Handlungseinheit nicht ausreichend im Blick behalten, dass mit den Anschlägen die unmittelbar dadurch Bedrohten veranlasst werden sollten, sich an C. H. zu wenden. Die Voraussetzungen dafür, mehrere Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedenen Inhaber ausnahmsweise als natürliche Handlungseinheit zu bewerten, liegen ersichtlich nicht vor. Zwischen dem Versenden der Briefbombenattrappen und den beiden Anschlägen mit Feuerwerkskörpern sowie zwischen den letztgenannten Handlungen untereinander besteht kein außergewöhnlich enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang.
50
3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.2.a), c) und d) der Urteilsgründe und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
51
Obwohl die Aufhebung aufgrund eines Wertungsfehlers des Tatgerichts erfolgt, hebt der Senat die zugrunde liegenden Feststellungen ebenfalls auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Das angefochtene Urteil erweist sich nicht als widerspruchsfrei. So führt das Landgericht - im Rahmen der rechtlichen Würdigung - einerseits aus, es habe sich nicht feststellen lassen, dass einer der von den Anschlägen des Angeklagten unmittelbar Betroffenen sich bei C. H. dafür eingesetzt habe, dass dieser sich bei den Anlegern melde (UA S. 22), was jedenfalls eine vollendete Nötigung zum Nachteil der Opfer der Anschläge ausschließen würde. Da sich aber andererseits aus der Darstellung der Aussage des Zeugen C. H. ergibt, diesem sei durch seinen Bruder P. , dem Opfer des Anschlags vom 28. März 2013, über den Sprengstoffanschlag berichtet worden (UA S. 18), findet die Annahme ausgebliebener Reaktionen der unmittelbar bedrohten Nötigungsopfer keine ausreichende Stüt- ze in der Beweiswürdigung. Um dem neuen Tatrichter in sich widerspruchsfreie Feststellungen auch zu den Reaktionen der Anschlagsopfer zu ermöglichen, erfolgt die Aufhebung auch der Feststellungen.

III.


52
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
53
1. Sollte auch der neue Tatrichter feststellen, dass nach dem Tatplan des Angeklagten und ggf. seiner Auftraggeber durch die Briefbombenattrappen sowie die Explosionen die von den Anschlägen unmittelbar Betroffenen dazu veranlasst werden sollten, sich ihrerseits an C. H. zu wenden, wird aufzuklären sein, ob und wie sich die Bedrohten nach den gegen sie gerichteten Handlungen verhalten haben. Die Vollendung einer ihnen gegenüber begangenen Nötigung wäre bereits dann eingetreten, wenn sie als Nötigungsopfer unter der Einwirkung des Nötigungsmittels mit der von dem Täter geforderten Handlung begonnen hätten (BGH, Urteil vom 26. August 1986 - 1 StR 365/86, NStZ 1987, 70 f.; BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, BGHR StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 3; siehe auch BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 4 StR 139/12, NStZ 2013, 36 f.; Altvater aaO § 240 Rn. 90 mwN).
54
Dass es dem Angeklagten als Endziel darauf ankam, auf C. H. einzuwirken, stünde vollendeten Nötigungen zu Lasten der unmittelbar Bedrohten nicht entgegen. Selbst bei Nötigungen gegenüber demselben Opfer kann ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 - 4 StR 139/12, NStZ 2013, 36 f.; vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, BGHR StGB § 240 Abs. 1 Nötigungserfolg 3; Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 157/07, StV 2008, 249). Das gilt erst recht, wenn ein „Teilerfolg“ gegenüber anderen Personen als dem vom Täter als Endziel ins Auge gefassten Nötigungsopfer eintreten soll.
55
Vollendete oder versuchte Nötigungen zu Lasten der von den Anschlägen des Angeklagten unmittelbar Betroffenen stünden mit der Nötigungstat oder den Nötigungstaten zu Lasten von C. H. jeweils in gleichartiger Tateinheit (oben C.II.1.).
56
2. Der neue Tatrichter wird auch die durch den Angeklagten verwirklichte Beteiligungsform näher zu prüfen haben. Das Landgericht hatte in Bezug auf die Nötigungstaten die Möglichkeit einer unmittelbaren Täterschaft im Sinne von § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB nicht in den Blick genommen. Nach dieser Vorschrift ist Täter, wer vorsätzlich handelnd sämtliche Tatbestandsmerkmale der Straftat in eigener Person verwirklicht (BGH, Urteil vom 17. August 1993 - 1 StR 266/93, BGHR StGB § 25 Abs. 1 Begehung, eigenhändige 3; siehe auch BGH, Urteile vom 22. Juli 1992 - 3 StR 35/92, BGHSt 38, 315, 317 mwN; vom 12. August 1998 - 3 StR 160/98, NStZ-RR 2000, 22 [nur LS]; Schünemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Bd. 1, § 25 Rn. 53 f.). Fehlender Täterwille oder das Berufen darauf, lediglich einem anderen behilflich sein zu wollen, schließt bei Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen die (unmittelbare) Täterschaft nicht aus (BGH, Urteil vom 17. August 1993 - 1 StR 266/93, BGHR StGB § 25 Abs. 1 Begehung, eigenhändige 3). Bei der Beurteilung, ob angesichts der Ausführung der Nötigungshandlungen seitens des Angeklagten Tä- terschaft gemäß § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB in Betracht kommt, wird auch zu bedenken sein, wie und durch wen die Anschlagsopfer erfahren haben oder sollten , welches Verhalten von ihnen erwartet wurde.
57
3. Im Fall II.2.a) der Urteilsgründe wird eine Strafbarkeit wegen versuchter oder vollendeter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion näher zu prüfen sein. § 308 StGB ist ein konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1995 - 5 StR 366/95, NStZ-RR 1996, 132 f. mwN zu § 311 StGB aF). Vollendung tritt mit dem Herbeiführen einer konkreten Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert ein. Maßgeblich ist dafür die Höhe des dem betroffenen fremden Eigentum konkret drohenden Schadens (Wolff aaO § 308 Rn. 8; Krack aaO § 308 Rn. 9 mwN). Um diese zu bestimmen, bedarf es regelmäßig eines zweistufigen Vorgehens, indem zunächst der Wert der Sache selbst und anschließend der ihr drohende (bedeutende) Schaden zu ermitteln sind (st. Rspr. zu § 315c StGB; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - 4 StR 22/11, DAR 2011, 398 f. mwN).
58
Der Bundesgerichtshof hat - soweit ersichtlich - bislang weder zu § 308 StGB noch zu der Vorgängerregelung § 311 StGB aF entschieden, ab welcher Untergrenze von einem bedeutenden Wert ausgegangen werden kann. Für die bezüglich des konkreten Gefahrerfolgs im Wortlaut identisch gefassten §§ 315b, c StGB legt der Bundesgerichtshof eine solche von 750 Euro zugrunde (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 - 4 StR 145/13 Rn. 7 mwN). Der Senat neigt für § 308 StGB im Hinblick auf die auf der Ebene der Tathandlung auch erfassten Explosionen durch Sprengkörper mit geringer Sprengkraft [oben B.II.2.a)] allerdings zu einem etwas höheren Grenzwert, der bei 1.500 Euro liegen könnte. In der Strafrechtswissenschaft geforderte, deutlich höhere Untergrenzen (Wolff aaO § 308 Rn. 8 „2.500 Euro“; Krack aaO § 308 Rn. 9 „ca.
5.000 Euro“; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 308 Rn. 7 „3.000 Euro“) sind weder aus teleologischen Gründen noch durch das verfas- sungsrechtliche Schuldprinzip veranlasst.
59
Sollte nach diesen Maßstäben dem auf dem Grundstück befindlichen Wohnhaus ein solcher Gefahrerfolg nicht gedroht haben, wird die Frage eines darauf gerichteten Gefahrvorsatzes des Angeklagten und damit eine Versuchsstrafbarkeit näher zu prüfen sein.
Rothfuß Jäger Radtke
Mosbacher Fischer

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Referenzen

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wer in anderen als den in § 7 Abs. 1 bezeichneten Fällen

1.
explosionsgefährliche Stoffe erwerben oder
2.
mit explosionsgefährlichen Stoffen umgehen will,
bedarf der Erlaubnis.

(1a) Eine Erlaubnis nach Absatz 1 zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen gilt auch als Erlaubnis zum Erwerb und Besitz der dabei hergestellten Munition nach § 10 Abs. 3 des Waffengesetzes in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Erlaubnis ist in der Regel für die Dauer von fünf Jahren zu erteilen. Sie kann inhaltlich und räumlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder von erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für Dritte erforderlich ist. Die nachträgliche Beifügung, Änderung und Ergänzung von Auflagen ist zulässig.

(3) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn

1.
beim Antragsteller Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 vorliegen,
2.
der Antragsteller ein Bedürfnis für die beabsichtigte Tätigkeit nicht nachweist,
3.
inhaltliche Beschränkungen oder Auflagen zum Schutze der in Absatz 2 Satz 2 bezeichneten Rechtsgüter nicht ausreichen.
Satz 1 Nr. 2 gilt nicht für die Erlaubnis zum Erwerb und zur Verwendung pyrotechnischer Gegenstände. Für den Nachweis der Fachkunde gilt § 9 Abs. 1 und 2 entsprechend.

(4) Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Antragsteller

1.
nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder
2.
nicht seit mindestens drei Jahren seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ununterbrochen im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat.

(5) Die zuständige Behörde kann für den Einzelfall eine Ausnahme von dem Alterserfordernis des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c zulassen, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen.

(6) Absatz 1 gilt nicht für die bestimmungsgemäße Verwendung zugelassener pyrotechnischer Gegenstände zur Gefahrenabwehr und bei Rettungsübungen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
explosionsgefährliche Stoffe:
a)
feste oder flüssige Stoffe und Gemische (Stoffe), die
aa)
durch eine gewöhnliche thermische, mechanische oder andere Beanspruchung zur Explosion gebracht werden können und
bb)
sich bei Durchführung der Prüfverfahren nach Anhang Teil A.14. der Verordnung (EG) Nr. 440/2008 der Kommission vom 30. Mai 2008 zur Festlegung der Prüfmethoden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) (ABl. L 142 vom 31.5.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2016/266 (ABl. L 54 vom 1.3.2016, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils jüngsten im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Fassung als explosionsgefährlich erwiesen haben,
b)
Gegenstände, die Stoffe nach Buchstabe a enthalten,
2.
Explosivstoffe:
a)
Stoffe und Gegenstände, die nach der Richtlinie 2014/28/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung auf dem Markt und die Kontrolle von Explosivstoffen für zivile Zwecke (Neufassung) (ABl. L 96 vom 29.3.2014, S. 1) als Explosivstoffe für zivile Zwecke betrachtet werden oder diesen in Zusammensetzung und Wirkung ähnlich sind,
b)
die in Anlage III genannten Stoffe und Gegenstände,
3.
pyrotechnische Gegenstände: Gegenstände, die explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische enthalten (pyrotechnische Sätze), mit denen auf Grund selbsterhaltender, exotherm ablaufender chemischer Reaktionen Wärme, Licht, Schall, Gas oder Rauch oder eine Kombination dieser Wirkungen erzeugt werden soll,
4.
Feuerwerkskörper: pyrotechnische Gegenstände für Unterhaltungszwecke,
5.
pyrotechnische Gegenstände für Fahrzeuge: Komponenten von Sicherheitsvorrichtungen in Fahrzeugen, die pyrotechnische Sätze enthalten, die zur Aktivierung dieser oder anderer Vorrichtungen verwendet werden,
6.
pyrotechnische Gegenstände für Bühne und Theater: pyrotechnische Gegenstände für die Verwendung auf Bühnen im Innen- und Außenbereich, bei Film- und Fernsehproduktionen oder für eine ähnliche Verwendung,
7.
Anzündmittel: pyrotechnische Gegenstände, die explosionsgefährliche Stoffe enthalten und die zur nichtdetonativen Auslösung von Explosivstoffen oder pyrotechnischen Gegenständen bestimmt sind,
8.
sonstige pyrotechnische Gegenstände: pyrotechnische Gegenstände, die technischen Zwecken dienen,
9.
sonstige explosionsgefährliche Stoffe: explosionsgefährliche Stoffe, die weder Explosivstoff noch pyrotechnischer Gegenstand sind; als sonstige explosionsgefährliche Stoffe gelten auch Explosivstoffe, die zur Herstellung sonstiger explosionsgefährlicher Stoffe bestimmt sind,
10.
Zündmittel: Gegenstände, die explosionsgefährliche Stoffe enthalten und die zur detonativen Auslösung von Explosivstoffen bestimmt sind,
11.
Hilfsstoffe: Stoffe, die einem chemischen Verfahren zugesetzt werden, um den Verfahrensablauf zu erleichtern oder die Eigenschaften des Endproduktes zu beeinflussen,
12.
Zwischenerzeugnisse: Stoffe, die in einem Verfahrensgang innerhalb einer Betriebsstätte, wenn auch in mehreren nach § 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigungsbedürftigen Anlagen, als explosionsgefährliche Stoffe entstehen und in demselben Verfahrensgang die Eigenschaft der Explosionsgefährlichkeit wieder verlieren,
13.
Sprengzubehör:
a)
Gegenstände, die zur Auslösung einer Sprengung oder zur Prüfung der zur Auslösung einer Sprengung erforderlichen Vorrichtung bestimmt sind und keine explosionsgefährlichen Stoffe enthalten,
b)
Ladegeräte und Mischladegeräte für explosionsgefährliche oder explosionsfähige Stoffe, die für Sprengarbeiten verwendet werden,
14.
Sprengarbeiten: die bestimmungsgemäße Verwendung von Explosivstoffen, Anzündmitteln und Sprengzubehör zur gezielten Nutzung der Energie, die bei der Explosion in Form von Druckentwicklung und Stoßwellenbildung freigesetzt wird,
15.
Munition: Geschosse, Treibladungen und Übungsmunition für Handfeuerwaffen, andere Schusswaffen, Artilleriegeschütze und technische Geräte,
16.
Fundmunition: Munition oder sprengkräftige Kriegswaffen, die nicht ununterbrochen verwahrt, überwacht oder verwaltet worden sind.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen: das Herstellen, Bearbeiten, Verarbeiten, Wiedergewinnen, Aufbewahren, Verbringen, Verwenden und Vernichten sowie innerhalb der Betriebsstätte der Transport, das Überlassen und die Empfangnahme explosionsgefährlicher Stoffe sowie die weiteren in § 1b Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a bis e bezeichneten Tätigkeiten,
2.
Bereitstellung auf dem Markt: jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Stoffes oder Gegenstandes zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit,
3.
Inverkehrbringen: die erstmalige Bereitstellung eines Stoffes oder Gegenstandes auf dem Markt,
4.
Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen: die Bereitstellung auf dem Markt, der Erwerb, das Überlassen und das Vermitteln des Erwerbs, des Vertriebs und des Überlassens explosionsgefährlicher Stoffe,
5.
Drittstaat: jeder Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist,
6.
Einfuhr: jede Ortsveränderung von explosionsgefährlichen Stoffen aus einem Drittstaat in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einschließlich der Überführung zur Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr nach vorheriger Durchfuhr,
7.
Ausfuhr: jede Ortsveränderung von explosionsgefährlichen Stoffen aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen Drittstaat,
8.
Durchfuhr: jede Ortsveränderung von explosionsgefährlichen Stoffen aus einem Drittstaat in einen anderen Drittstaat durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes unter zollamtlicher Überwachung einschließlich
a)
der Überführung in das Zolllagerverfahren,
b)
des Verbringens in eine Freizone,
c)
des Versandverfahrens mit anschließender Überführung in das Zolllagerverfahren oder anschließendem Verbringen in eine Freizone,
d)
des Versandverfahrens durch das Zollgebiet der Europäischen Union oder mit Bestimmungsstelle in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,
9.
Verbringen: jede Ortsveränderung von Stoffen und Gegenständen außerhalb einer Betriebsstätte
a)
im Geltungsbereich dieses Gesetzes,
b)
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in den Geltungsbereich dieses Gesetzes,
c)
aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union,
einschließlich der Empfangnahme und des Überlassens durch den Verbringer,
10.
Beförderung: jede Ortsveränderung im Sinne verkehrsrechtlicher Vorschriften,
11.
Rücknahme: jede Maßnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein Stoff oder Gegenstand, der sich in der Lieferkette befindet, auf dem Markt bereitgestellt wird,
12.
Rückruf: jede Maßnahme, die darauf abzielt, die Rückgabe eines dem Endnutzer bereits bereitgestellten Stoffes oder Gegenstandes zu erwirken.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind

1.
Hersteller: jede natürliche oder juristische Person, die einen Explosivstoff oder pyrotechnischen Gegenstand herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und diesen Explosivstoff oder pyrotechnischen Gegenstand unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet,
2.
Einführer: jede in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige natürliche oder juristische Person, die einen Explosivstoff oder pyrotechnischen Gegenstand aus einem Drittstaat in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einführt,
3.
Bevollmächtigter: jede in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben wahrzunehmen,
4.
Händler: jede weitere natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die einen Explosivstoff oder pyrotechnischen Gegenstand auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Einführers,
5.
Wirtschaftsakteur: der Hersteller, der Bevollmächtigte nach § 16d, der Einführer und der Händler sowie beim Inverkehrbringen von Explosivstoffen zusätzlich jede juristische oder natürliche Person, die die Lagerung, die Verwendung, die Verbringung, die Einfuhr und die Ausfuhr von Explosivstoffen beziehungsweise den Handel damit betreibt.

(4) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
harmonisierte Norm: eine harmonisierte Norm im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und93/15/EWGdes Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG,95/16/EG,97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 316 vom 14.11.2012, S. 12), die zuletzt durch die Richtlinie 2014/68/EU (ABl. L 189 vom 27.6.2014, S. 164) geändert worden ist,
2.
Akkreditierung: eine Akkreditierung im Sinne von Artikel 2 Nummer 10 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93 des Rates (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 30),
3.
Konformitätsbewertung: das Verfahren zur Bewertung, ob die durch eine Rechtsvorschrift der Europäischen Union zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten vorgeschriebenen wesentlichen Sicherheitsanforderungen an einen Explosivstoff oder pyrotechnischen Gegenstand erfüllt worden sind,
4.
CE-Kennzeichnung: die Kennzeichnung, durch die der Hersteller erklärt, dass der Explosivstoff oder der pyrotechnische Gegenstand den geltenden Anforderungen genügt, die in den Rechtsvorschriften der Europäischen Union zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten festgelegt sind.

(1) Wer ohne die erforderliche Erlaubnis

1.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht,
2.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreibt oder
3.
entgegen § 27 Abs. 1 explosionsgefährliche Stoffe erwirbt oder mit diesen Stoffen umgeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 explosionsgefährliche Stoffe einführt, durchführt oder verbringt oder durch einen anderen einführen, durchführen oder verbringen lässt, ohne seine Berechtigung zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen oder zu deren Erwerb nachgewiesen zu haben,
2.
ein Lager ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder nach einer wesentlichen Änderung ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 betreibt,
3.
explosionsgefährliche Stoffe
a)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 2 an Personen vertreibt oder Personen überlässt, die mit diesen Stoffen nicht umgehen oder den Verkehr mit diesen Stoffen nicht betreiben dürfen,
b)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 3 innerhalb einer Betriebsstätte einer Person, die nicht unter Aufsicht oder nach Weisung einer verantwortlichen Person handelt oder noch nicht 16 Jahre alt ist, oder einer Person unter 18 Jahren ohne Vorliegen der dort bezeichneten Voraussetzungen überlässt,
c)
entgegen § 22 Abs. 2 einer anderen als dort bezeichneten Person oder Stelle überlässt,
d)
entgegen § 22 Abs. 3 einer Person unter 18 Jahren überlässt oder
e)
entgegen § 22 Abs. 4 Satz 1 vertreibt oder anderen überlässt.

(3) Wer wissentlich durch eine der in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Handlungen Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 Nummer 3 oder Absatz 2 Nummer 3 strafbar, wenn eine dort bezeichnete Handlung in Bezug auf einen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 konformitätsbewerteten oder nach § 47 Absatz 2 oder Absatz 4 zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand begangen wird. Satz 1 gilt nicht für einen pyrotechnischen Gegenstand nach § 3a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe d.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände dürfen nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn

1.
der Hersteller den Konformitätsnachweis erbracht hat und
2.
sie mit der CE-Kennzeichnung versehen sind.

(1a) Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände dürfen nur eingeführt, verbracht, in Verkehr gebracht, vertrieben, anderen überlassen oder verwendet werden, wenn sie die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllen.

(2) Der Konformitätsnachweis ist durch eine Konformitätserklärung erbracht, die bestätigt, dass die Konformität in einer Einzelprüfung überprüft worden ist oder

1.
die Baumuster den wesentlichen Anforderungen entsprechen, die für Explosivstoffe in Anhang II der Richtlinie 2014/28/EU und für pyrotechnische Gegenstände in Anhang I der Richtlinie 2013/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung pyrotechnischer Gegenstände auf dem Markt (Neufassung) (ABl. L 178 vom 28.6.2013, S. 27) festgelegt sind und
2.
die den Baumustern nachgefertigten Explosivstoffe und pyrotechnischen Gegenstände den Baumustern entsprechen.

(3) Es ist verboten, nicht konforme Explosivstoffe oder nicht konforme pyrotechnische Gegenstände

1.
mit der CE-Kennzeichnung zu versehen,
2.
anderen Personen außerhalb der Betriebsstätte außer zur Ausfuhr oder zur Vernichtung zu überlassen.

(4) Nicht der Pflicht zur CE-Kennzeichnung unterliegen

1.
pyrotechnische Gegenstände zur ausschließlichen Verwendung nach den Anlagen A.1 und A.2 der Richtlinie 96/98/EG des Rates vom 20. Dezember 1996 über Schiffsausrüstung (ABl. L 46 vom 17.2.1997, S. 25), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/559 (ABl. L 95 vom 10.4.2015, S. 1) geändert worden ist,
2.
Zündplättchen, die speziell konzipiert sind für Spielzeug und sonstige Gegenstände im Sinne der Richtlinie 2009/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über die Sicherheit von Spielzeug (ABl. L 170 vom 30.6.2009, S. 1, 2013 L 355 vom 31.12.2013, S. 92), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/2117 (ABl. L 306 vom 24.11.2015, S. 23) geändert worden ist.

(1) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung

1.
sonstige explosionsgefährliche Stoffe und Sprengzubehör allgemein zuzulassen, soweit diese Stoffe und Gegenstände in ihrer Wirkungsweise, Brauchbarkeit und Beständigkeit dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen und der Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter bei bestimmungsgemäßer Verwendung gewährleistet ist,
2.
zum Schutze der in Nummer 1 bezeichneten Rechtsgüter Vorschriften zu erlassen über
a)
die Zulassung von sonstigen explosionsgefährlichen Stoffen und Sprengzubehör und den Konformitätsnachweis für Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände; sie regeln insbesondere die Anforderungen, die an die Zusammensetzung, Beschaffenheit und Bezeichnung der explosionsgefährlichen Stoffe und des Sprengzubehörs zu stellen sind,
b)
das Verfahren, nach dem die explosionsgefährlichen Stoffe und das Sprengzubehör zu prüfen sind, und die Anforderungen, die benannte Stellen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des Konformitätsnachweises erfüllen müssen,
c)
die Verpflichtung zur Anbringung eines Zulassungszeichens auf sonstigen explosionsgefährlichen Stoffen und auf Sprengzubehör, die Festlegung der CE-Kennzeichnung von Explosivstoffen und pyrotechnischen Gegenständen nach § 5 Absatz 1,
d)
das Verfahren für den Konformitätsnachweis nach § 5 Absatz 1, das Verfahren für die Zulassung nach § 5f, das Verfahren der Kennzeichnung von Explosivstoffen zum Zweck der Rückverfolgung, das Verfahren der Kennzeichnung und zur Vergabe einer Registrierungsnummer für pyrotechnische Gegenstände nach Artikel 9 der Richtlinie 2013/29/EU sowie das Verfahren der Zusammenarbeit mit benannten Stellen anderer Mitgliedstaaten, das Verfahren für die Akkreditierung und Überwachung benannter Stellen und Prüflaboratorien und das Verfahren der Bekanntmachung der zugelassenen sonstigen explosionsgefährlichen Stoffe und des Sprengzubehörs sowie der Explosivstoffe und pyrotechnischen Gegenstände, für die der Konformitätsnachweis erbracht worden ist,
e)
das Verbringen von explosionsgefährlichen Stoffen und dessen Kontrolle sowie die Mitteilung von erfolgten Meldungen und erteilten Genehmigungen an Behörden der Ausgangs-, Durchfuhr- und Bestimmungsstaaten oder an die Europäische Kommission durch die Bundesanstalt, die zuständigen Landesbehörden und durch die für das Verbringen Verantwortlichen,
3.
zum Schutze der in Nummer 1 bezeichneten Rechtsgüter zu bestimmen,
a)
dass explosionsgefährliche Stoffe und Sprengzubehör nach ihrer Gefährlichkeit oder ihrem Verwendungszweck in Gruppen und Klassen einzuteilen sind, und welche Stoffe und Gegenstände zu ihnen gehören,
b)
dass explosionsgefährliche Stoffe und Sprengzubehör in bestimmter Weise zu kennzeichnen und zu verpacken sind,
c)
welche Pflichten beim Überlassen explosionsgefährlicher Stoffe an andere zu erfüllen sind,
d)
dass über erworbene oder eingeführte explosionsgefährliche Stoffe nach § 1 Abs. 1 Anzeigen zu erstatten und dass den Anzeigen bestimmte Unterlagen beizufügen sind,
e)
dass eine Erlaubnis nach § 7 und ein Befähigungsschein nach § 20 nicht aus den in § 8 Abs. 2 genannten Gründen versagt werden kann,
f)
dass der Nachweis der Fachkunde für den Umgang und den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a in Verbindung mit § 9 oder nach § 20 Abs. 2 auch bei Vorliegen anderer Voraussetzungen als der in § 9 Abs. 1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen als erbracht anzusehen ist,
g)
dass für den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen in Einzelfällen eine eingeschränkte Fachkunde ausreichend ist,
4.
zum Schutze vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen Beschäftigter oder Dritter zu bestimmen, dass explosionsgefährliche Stoffe und Sprengzubehör nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen vertrieben, anderen überlassen, aufbewahrt oder verwendet werden dürfen; dabei kann auch bestimmt werden, dass pyrotechnische Gegenstände nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten verwendet werden dürfen und dass die zuständige Behörde Ausnahmen hiervon zulassen oder zusätzliche Beschränkungen anordnen kann,
5.
Vorschriften zu erlassen über das Erlaubnisverfahren nach §§ 7 und 27, über das Genehmigungsverfahren nach § 17 und das Verfahren bei der Erteilung des Befähigungsscheins nach § 20,
6.
die Liste der Explosivstoffe nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b so anzupassen, dass sie alle Explosivstoffe enthält, die zu empfindlich für den Transport sind und daher nicht von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 2014/28/EU erfasst werden,
7.
zur Erfüllung von Verpflichtungen aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen zu bestimmen, dass explosionsgefährliche Stoffe zum Zwecke der Entdeckbarkeit zu markieren sind und dass der Umgang und Verkehr mit nicht markierten Stoffen sowie deren Ein- oder Ausfuhr verboten sind.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung einen Sachverständigenausschuss für explosionsgefährliche Stoffe zu bilden, der die zuständigen Bundesministerien insbesondere in technischen Fragen berät. Vor dem Erlass von Rechtsverordnungen, die technische Fragen betreffen, soll der Sachverständigenausschuss gehört werden. Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es auch, dem Stand der Technik entsprechende Regeln und sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für die diesem Gesetz unterliegenden Stoffe und Gegenstände, einschließlich deren Einstufung und Kennzeichnung, zu ermitteln, wie die in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes gestellten Anforderungen erfüllt werden können. In den Ausschuss sind Vertreter der beteiligten Bundes- und Landesbehörden, der weiteren benannten Stellen, der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sowie der Wirtschaft und der Gewerkschaften nach Anhörung der Spitzenorganisationen der betroffenen Wirtschaftskreise zu berufen.

(3) Zur Festlegung sicherheitstechnischer Anforderungen und sonstiger Voraussetzungen des Konformitätsnachweises nach § 5 kann in Rechtsverordnungen auf Grund dieses Gesetzes auf harmonisierte Normen verwiesen werden.

(4) Die zuständigen Bundesministerien können die nach Absatz 2 ermittelten Regeln und Erkenntnisse im Bundesanzeiger bekannt geben.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer ohne die erforderliche Erlaubnis

1.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht,
2.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreibt oder
3.
entgegen § 27 Abs. 1 explosionsgefährliche Stoffe erwirbt oder mit diesen Stoffen umgeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 explosionsgefährliche Stoffe einführt, durchführt oder verbringt oder durch einen anderen einführen, durchführen oder verbringen lässt, ohne seine Berechtigung zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen oder zu deren Erwerb nachgewiesen zu haben,
2.
ein Lager ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder nach einer wesentlichen Änderung ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 betreibt,
3.
explosionsgefährliche Stoffe
a)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 2 an Personen vertreibt oder Personen überlässt, die mit diesen Stoffen nicht umgehen oder den Verkehr mit diesen Stoffen nicht betreiben dürfen,
b)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 3 innerhalb einer Betriebsstätte einer Person, die nicht unter Aufsicht oder nach Weisung einer verantwortlichen Person handelt oder noch nicht 16 Jahre alt ist, oder einer Person unter 18 Jahren ohne Vorliegen der dort bezeichneten Voraussetzungen überlässt,
c)
entgegen § 22 Abs. 2 einer anderen als dort bezeichneten Person oder Stelle überlässt,
d)
entgegen § 22 Abs. 3 einer Person unter 18 Jahren überlässt oder
e)
entgegen § 22 Abs. 4 Satz 1 vertreibt oder anderen überlässt.

(3) Wer wissentlich durch eine der in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Handlungen Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 Nummer 3 oder Absatz 2 Nummer 3 strafbar, wenn eine dort bezeichnete Handlung in Bezug auf einen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 konformitätsbewerteten oder nach § 47 Absatz 2 oder Absatz 4 zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand begangen wird. Satz 1 gilt nicht für einen pyrotechnischen Gegenstand nach § 3a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe d.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 2 6 / 1 4
vom
8. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. November 2013 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der Nachstellung und der versuchten Nötigung schuldig ist. 2. Der Tagessatz der im Fall III.3. der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafe wird auf einen Euro festgesetzt. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, Nachstellung sowie Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision führt lediglich zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall III.1. der Urteilsgründe ändert der Senat den allein auf die Verurteilung wegen sexueller Nötigung lautenden Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 1 StR 317/01) dahingehend, dass der Angeklagte auch der tat- einheitlich verwirklichten vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist. Die entsprechende Fassung des Urteilstenors ist ersichtlich irrtümlich unterblieben. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergriff der Angeklagte die Nebenklägerin im Verlauf des zur sexuellen Nötigung führenden Geschehens und trug sie ins Schlafzimmer. Durch die dabei angewendeten Griffe erlitt die Nebenklägerin Schmerzen, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm (UA S. 9). In seiner rechtlichen Würdigung hat das Landgericht dieses Geschehen sowie die anschließende Vornahme sexueller Handlungen als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Köperverletzung gewertet (UA S. 30). Zudem hat es im Rahmen der konkreten Strafzumessung für diese Tat berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Strafgesetze verletzt hat (UA S. 31).
3
Angesichts der Berücksichtigung der Verwirklichung auch der tateinheitlichen Körperverletzung bei der Strafzumessung für die sexuelle Nötigung schließt der Senat aus, dass das Fassungsversehen im Schuldspruch sich bei der Festsetzung der Einzelstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
4
2. Im Fall III.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen Bedrohung (§ 241 StGB) verurteilt und dafür eine Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt. Die Höhe des Tagessatzes hat es nicht festgelegt.
5
a) Nach den getroffenen Feststellungen kündigte der Angeklagte während einer Beschuldigtenvernehmung im Rahmen eines gegen ihn wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz geführten Ermittlungsverfahrens den beiden Vernehmungsbeamten an, sie und alle anderen an dem Verfahren gegen ihn beteiligten Personen umzubringen. „Seine Absicht war dabei, auf das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren … Einfluss zu nehmen und die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen ab- zuhalten“ (UA S. 16).
6
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen versuchter Nötigung zu Lasten der zuständigen Polizeibeamten strafbar gemacht. Sein Vorsatz war darauf gerichtet, diese durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel davon abzuhalten, weitere Ermittlungen, mithin Handlungen , vorzunehmen. Durch das Aussprechen der Drohung hat der Angeklagte unmittelbar zu der im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB verwerflichen, weil auf einen rechtswidrigen Zweck gerichteten Tat angesetzt. Hinter dieser versuchten Nötigung tritt die durch dieselbe Nötigungshandlung begangene Bedrohung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück (BGH, Beschluss vom 8. November 2005 – 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342 mwN). Da nach den weiteren Urteilsgründen die Beamten sich in ihrer Ermittlungsarbeit von der Drohung nicht weiter haben beeindrucken lassen, war der Nötigungsversuch fehlgeschlagen. Die Bedrohung kann daher auch nicht im Hinblick auf einen Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Nötigung bestehen bleiben.
7
Der Senat hat dem gesetzeskonkurrierenden Vorrang der Verurteilung wegen versuchter Nötigung entsprechend den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diesen Vorwurf nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.
8
b) Der Senat schließt auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB angesichts des gegenüber § 241 StGB höheren Strafrahmens von § 240 StGB aus, dass das Tatgericht im Fall III.3. der Urteilsgründe zu einer geringeren Tagessatzanzahl gelangt wäre, wenn es seiner Strafzumessung eine versuchte Nötigung zugrunde gelegt hätte.
9
c) Das Landgericht hat bezüglich der im Fall III.3. verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen die Höhe des Tagessatzes nicht festgesetzt. Einer solchen Festsetzung bedarf es aber auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981 – 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Zwar kommt bei unterbliebener Festsetzung regelmäßig eine Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der Tagessatzhöhe in Betracht (BGH aaO, BGHSt 30, 93, 97). Allerdings kann das Revisionsgericht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in geeigneten Fällen auch selbst die Festsetzung vornehmen (BGH aaO; siehe auch Fischer, StGB, 61. Aufl., § 53 Rn. 4 mwN) und etwa die Tagessatzhöhe auf das gesetzliche Mindestmaß festsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09, WM 2010, 1957, 1964). Davon macht der Senat Gebrauch.
10
3. Die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung des Landgerichts im Fall III.2. der Urteilsgründe (Nachstellung) bleiben ohne Erfolg. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB liegt im Ergebnis nicht vor. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass dem objektiven Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB mit dem Merkmal „beharrlich“ eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot innewohnt (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 195). Das Tatgericht hat mit der strafschärfenden Berücksichtigung der „besonderen Hartnäckigkeit“ und „Bedenkenlosigkeit“ des Angeklagten je- doch nicht auf die Beharrlichkeit als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes abgestellt, sondern – wie sich aus der Bezugnahme auf die Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, ihm sei das gerichtlich angeordnete Kontaktverbot zu der Nebenklägerin egal – die ablehnende Einstellung des Ange- klagten gegenüber den durch Einzelanordnungen konkretisierten Verhaltensanforderungen der Rechtsordnung berücksichtigt. Soweit zudem auf die rechtsfehlerfrei festgestellten gravierenden Auswirkungen der Tat für die körperliche und psychische Gesundheit der Nebenklägerin abgestellt worden ist, handelt es sich ohnehin nicht um zum Tatbestand von § 238 Abs. 1 StGB gehörende Merkmale, dafür aber um berücksichtigungsfähige, verschuldete Auswirkungen der Tat gemäß § 46 Abs. 2 StGB.
Graf Jäger Cirener
Radtke Mosbacher

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 2 6 / 1 4
vom
8. April 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. November 2013 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der Nachstellung und der versuchten Nötigung schuldig ist. 2. Der Tagessatz der im Fall III.3. der Urteilsgründe verhängten Einzelgeldstrafe wird auf einen Euro festgesetzt. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, Nachstellung sowie Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision führt lediglich zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Im Fall III.1. der Urteilsgründe ändert der Senat den allein auf die Verurteilung wegen sexueller Nötigung lautenden Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. September 2001 – 1 StR 317/01) dahingehend, dass der Angeklagte auch der tat- einheitlich verwirklichten vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist. Die entsprechende Fassung des Urteilstenors ist ersichtlich irrtümlich unterblieben. Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergriff der Angeklagte die Nebenklägerin im Verlauf des zur sexuellen Nötigung führenden Geschehens und trug sie ins Schlafzimmer. Durch die dabei angewendeten Griffe erlitt die Nebenklägerin Schmerzen, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm (UA S. 9). In seiner rechtlichen Würdigung hat das Landgericht dieses Geschehen sowie die anschließende Vornahme sexueller Handlungen als sexuelle Nötigung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Köperverletzung gewertet (UA S. 30). Zudem hat es im Rahmen der konkreten Strafzumessung für diese Tat berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Strafgesetze verletzt hat (UA S. 31).
3
Angesichts der Berücksichtigung der Verwirklichung auch der tateinheitlichen Körperverletzung bei der Strafzumessung für die sexuelle Nötigung schließt der Senat aus, dass das Fassungsversehen im Schuldspruch sich bei der Festsetzung der Einzelstrafe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
4
2. Im Fall III.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen Bedrohung (§ 241 StGB) verurteilt und dafür eine Einzelgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt. Die Höhe des Tagessatzes hat es nicht festgelegt.
5
a) Nach den getroffenen Feststellungen kündigte der Angeklagte während einer Beschuldigtenvernehmung im Rahmen eines gegen ihn wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz geführten Ermittlungsverfahrens den beiden Vernehmungsbeamten an, sie und alle anderen an dem Verfahren gegen ihn beteiligten Personen umzubringen. „Seine Absicht war dabei, auf das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren … Einfluss zu nehmen und die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen ab- zuhalten“ (UA S. 16).
6
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen versuchter Nötigung zu Lasten der zuständigen Polizeibeamten strafbar gemacht. Sein Vorsatz war darauf gerichtet, diese durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel davon abzuhalten, weitere Ermittlungen, mithin Handlungen , vorzunehmen. Durch das Aussprechen der Drohung hat der Angeklagte unmittelbar zu der im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB verwerflichen, weil auf einen rechtswidrigen Zweck gerichteten Tat angesetzt. Hinter dieser versuchten Nötigung tritt die durch dieselbe Nötigungshandlung begangene Bedrohung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück (BGH, Beschluss vom 8. November 2005 – 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342 mwN). Da nach den weiteren Urteilsgründen die Beamten sich in ihrer Ermittlungsarbeit von der Drohung nicht weiter haben beeindrucken lassen, war der Nötigungsversuch fehlgeschlagen. Die Bedrohung kann daher auch nicht im Hinblick auf einen Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Nötigung bestehen bleiben.
7
Der Senat hat dem gesetzeskonkurrierenden Vorrang der Verurteilung wegen versuchter Nötigung entsprechend den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diesen Vorwurf nicht erfolgreicher hätte verteidigen können.
8
b) Der Senat schließt auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB angesichts des gegenüber § 241 StGB höheren Strafrahmens von § 240 StGB aus, dass das Tatgericht im Fall III.3. der Urteilsgründe zu einer geringeren Tagessatzanzahl gelangt wäre, wenn es seiner Strafzumessung eine versuchte Nötigung zugrunde gelegt hätte.
9
c) Das Landgericht hat bezüglich der im Fall III.3. verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen die Höhe des Tagessatzes nicht festgesetzt. Einer solchen Festsetzung bedarf es aber auch dann, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StGB in eine Gesamt(freiheits)strafe einbezogen wird (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981 – 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Zwar kommt bei unterbliebener Festsetzung regelmäßig eine Zurückverweisung zum Zwecke der Nachholung der Bestimmung der Tagessatzhöhe in Betracht (BGH aaO, BGHSt 30, 93, 97). Allerdings kann das Revisionsgericht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in geeigneten Fällen auch selbst die Festsetzung vornehmen (BGH aaO; siehe auch Fischer, StGB, 61. Aufl., § 53 Rn. 4 mwN) und etwa die Tagessatzhöhe auf das gesetzliche Mindestmaß festsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09, WM 2010, 1957, 1964). Davon macht der Senat Gebrauch.
10
3. Die Angriffe der Revision gegen die Strafzumessung des Landgerichts im Fall III.2. der Urteilsgründe (Nachstellung) bleiben ohne Erfolg. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB liegt im Ergebnis nicht vor. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass dem objektiven Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB mit dem Merkmal „beharrlich“ eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit und gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot innewohnt (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189, 195). Das Tatgericht hat mit der strafschärfenden Berücksichtigung der „besonderen Hartnäckigkeit“ und „Bedenkenlosigkeit“ des Angeklagten je- doch nicht auf die Beharrlichkeit als Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes abgestellt, sondern – wie sich aus der Bezugnahme auf die Äußerung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, ihm sei das gerichtlich angeordnete Kontaktverbot zu der Nebenklägerin egal – die ablehnende Einstellung des Ange- klagten gegenüber den durch Einzelanordnungen konkretisierten Verhaltensanforderungen der Rechtsordnung berücksichtigt. Soweit zudem auf die rechtsfehlerfrei festgestellten gravierenden Auswirkungen der Tat für die körperliche und psychische Gesundheit der Nebenklägerin abgestellt worden ist, handelt es sich ohnehin nicht um zum Tatbestand von § 238 Abs. 1 StGB gehörende Merkmale, dafür aber um berücksichtigungsfähige, verschuldete Auswirkungen der Tat gemäß § 46 Abs. 2 StGB.
Graf Jäger Cirener
Radtke Mosbacher

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer ohne die erforderliche Erlaubnis

1.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht,
2.
entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen betreibt oder
3.
entgegen § 27 Abs. 1 explosionsgefährliche Stoffe erwirbt oder mit diesen Stoffen umgeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 explosionsgefährliche Stoffe einführt, durchführt oder verbringt oder durch einen anderen einführen, durchführen oder verbringen lässt, ohne seine Berechtigung zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen oder zu deren Erwerb nachgewiesen zu haben,
2.
ein Lager ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder nach einer wesentlichen Änderung ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 betreibt,
3.
explosionsgefährliche Stoffe
a)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 2 an Personen vertreibt oder Personen überlässt, die mit diesen Stoffen nicht umgehen oder den Verkehr mit diesen Stoffen nicht betreiben dürfen,
b)
entgegen § 22 Abs. 1 Satz 3 innerhalb einer Betriebsstätte einer Person, die nicht unter Aufsicht oder nach Weisung einer verantwortlichen Person handelt oder noch nicht 16 Jahre alt ist, oder einer Person unter 18 Jahren ohne Vorliegen der dort bezeichneten Voraussetzungen überlässt,
c)
entgegen § 22 Abs. 2 einer anderen als dort bezeichneten Person oder Stelle überlässt,
d)
entgegen § 22 Abs. 3 einer Person unter 18 Jahren überlässt oder
e)
entgegen § 22 Abs. 4 Satz 1 vertreibt oder anderen überlässt.

(3) Wer wissentlich durch eine der in den Absätzen 1 oder 2 bezeichneten Handlungen Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 Nummer 3 oder Absatz 2 Nummer 3 strafbar, wenn eine dort bezeichnete Handlung in Bezug auf einen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 konformitätsbewerteten oder nach § 47 Absatz 2 oder Absatz 4 zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand begangen wird. Satz 1 gilt nicht für einen pyrotechnischen Gegenstand nach § 3a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe d.

(1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen.

(2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 427/12
vom
21. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. November 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. Juli 2012
a) im Schuldspruch zu den Fällen II.1 und II.2 dahingehend geändert, dass der Angeklagte der falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) in den Strafaussprüchen zu den Fällen II.1 und II.2 und im Ausspruch zu der mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) gebildeten Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist nach § 69a StGB verhängt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe nur einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß § 164 Abs. 1, § 52 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
3
1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 14. März 2011 auf offener Straße von dem Zeugen I. J. mit einem Hammer angegriffen und verletzt. Bei seiner noch am selben Tag durchgeführten polizeilichen Vernehmung behauptete er vor Beamten der Kreispolizeibehörde H. bewusst wahrheitswidrig, dass nach der Tat ein Pritschenwagen der FirmaH. herangefahren sei und der Zeuge J. eine Tasche mit der Tatwaffe in das Fahrzeug hineingereicht habe. Fahrer des Fahrzeugs sei der Zeuge A. H. gewesen. Ob es sich bei dem Beifahrer um den Zeugen E. H. gehandelt habe, habe er nicht erkennen können. Er gehe aufgrund seiner Beobachtungen davon aus, dass es sich bei dem Angriff auf ihn um einen Auftragsmord des Zeugen E. H. gehandelt habe (Fall II.1 der Urteilsgründe ). Bei einer am 16. März 2011 von Beamten des Polizeipräsidiums A. durchgeführten zweiten Vernehmung wiederholte und bekräftigte der Angeklagte seine Angaben vom 14. März 2011. Außerdem fügte er hinzu, dass der Beifahrer in seiner Statur dem Zeugen E. H. geglichen habe (Fall II.2 der Urteilsgründe). Bei seinen Aussagen handelte der Angeklagte in der Absicht, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Zeugen A. und E. H. zu bewirken. Tatsächlich leitete die Staatsanwaltschaft Aachen gegen beide ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an der Tat des Zeugen J. ein. Das Verfahren wurde am 9. Juli 2011 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die Ermittlungen ergeben hatten, dass die beiden Zeugen zur Tatzeit nicht in H. waren und auch sonst keine Hinweisefür eine Tatbeteiligung vorlagen. Das Landgericht hat die Aussagen des Angeklagten als falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen gewertet und dafür Einzelstrafen in Höhe von jeweils sieben Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt.
4
2. Der Angeklagte hat bei seiner zweiten polizeilichen Vernehmung am 16. März 2011 die falsche Verdächtigung vom 14. März 2011 lediglich wiederholt. Dabei zielte er auf dasselbe Verfahren ab, dessen Herbeiführung er bereits bei seiner ersten Vernehmung angestrebt hatte. In einem solchen Fall liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 1992 – 3 StR 518/91, BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 1; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Dezember 2010 – 2 Ws 480/10). Der Umstand, dass die zweite Aussage bei einer anderen Polizeidienststelle erfolgte, ändert daran nichts, weil beide Stellen demselben Entscheidungsträger (Staatsanwaltschaft Aachen) zuarbeiteten und kein neues Verfahren in Gang gesetzt wurde (Ruß in LK-StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 34; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 164 Rn. 37). Da die falschen Angaben des Angeklagten aber darauf gerichtet waren , sowohl E. als auch A. H. mit einem Ermittlungsverfahren zu überziehen, ist von einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen auszugehen. § 164 StGB dient nicht nur dem Schutz von Behörden vor Irreführung , sondern will auch den Einzelnen vor Maßnahmen irregeführter Behörden schützen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1961 – 1 StR 326/61, GA 1962, 24; LK/Ruß, aaO).
5
II. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die für die Fälle II.1 und II.2 festgesetzten Einzelstrafen waren aufzuheben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Dadurch hat auch die mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 gebildete Gesamtstrafe ihre Grundlage verloren. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot der Verhängung einer Einzelstrafe von mehr als sieben Monaten nicht entgegensteht. Es ist lediglich geboten, dass die Summe der beiden bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Tz. 11).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 427/12
vom
21. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. November 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. Juli 2012
a) im Schuldspruch zu den Fällen II.1 und II.2 dahingehend geändert, dass der Angeklagte der falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) in den Strafaussprüchen zu den Fällen II.1 und II.2 und im Ausspruch zu der mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) gebildeten Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 (Az. 52 Ks 6/10) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist nach § 69a StGB verhängt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe nur einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß § 164 Abs. 1, § 52 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
3
1. Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte am 14. März 2011 auf offener Straße von dem Zeugen I. J. mit einem Hammer angegriffen und verletzt. Bei seiner noch am selben Tag durchgeführten polizeilichen Vernehmung behauptete er vor Beamten der Kreispolizeibehörde H. bewusst wahrheitswidrig, dass nach der Tat ein Pritschenwagen der FirmaH. herangefahren sei und der Zeuge J. eine Tasche mit der Tatwaffe in das Fahrzeug hineingereicht habe. Fahrer des Fahrzeugs sei der Zeuge A. H. gewesen. Ob es sich bei dem Beifahrer um den Zeugen E. H. gehandelt habe, habe er nicht erkennen können. Er gehe aufgrund seiner Beobachtungen davon aus, dass es sich bei dem Angriff auf ihn um einen Auftragsmord des Zeugen E. H. gehandelt habe (Fall II.1 der Urteilsgründe ). Bei einer am 16. März 2011 von Beamten des Polizeipräsidiums A. durchgeführten zweiten Vernehmung wiederholte und bekräftigte der Angeklagte seine Angaben vom 14. März 2011. Außerdem fügte er hinzu, dass der Beifahrer in seiner Statur dem Zeugen E. H. geglichen habe (Fall II.2 der Urteilsgründe). Bei seinen Aussagen handelte der Angeklagte in der Absicht, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Zeugen A. und E. H. zu bewirken. Tatsächlich leitete die Staatsanwaltschaft Aachen gegen beide ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung an der Tat des Zeugen J. ein. Das Verfahren wurde am 9. Juli 2011 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil die Ermittlungen ergeben hatten, dass die beiden Zeugen zur Tatzeit nicht in H. waren und auch sonst keine Hinweisefür eine Tatbeteiligung vorlagen. Das Landgericht hat die Aussagen des Angeklagten als falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen gewertet und dafür Einzelstrafen in Höhe von jeweils sieben Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt.
4
2. Der Angeklagte hat bei seiner zweiten polizeilichen Vernehmung am 16. März 2011 die falsche Verdächtigung vom 14. März 2011 lediglich wiederholt. Dabei zielte er auf dasselbe Verfahren ab, dessen Herbeiführung er bereits bei seiner ersten Vernehmung angestrebt hatte. In einem solchen Fall liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 1992 – 3 StR 518/91, BGHR StGB § 164 Konkurrenzen 1; OLG Koblenz, Beschluss vom 6. Dezember 2010 – 2 Ws 480/10). Der Umstand, dass die zweite Aussage bei einer anderen Polizeidienststelle erfolgte, ändert daran nichts, weil beide Stellen demselben Entscheidungsträger (Staatsanwaltschaft Aachen) zuarbeiteten und kein neues Verfahren in Gang gesetzt wurde (Ruß in LK-StGB, 12. Aufl., § 164 Rn. 34; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 164 Rn. 37). Da die falschen Angaben des Angeklagten aber darauf gerichtet waren , sowohl E. als auch A. H. mit einem Ermittlungsverfahren zu überziehen, ist von einer falschen Verdächtigung in zwei tateinheitlichen Fällen auszugehen. § 164 StGB dient nicht nur dem Schutz von Behörden vor Irreführung , sondern will auch den Einzelnen vor Maßnahmen irregeführter Behörden schützen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1961 – 1 StR 326/61, GA 1962, 24; LK/Ruß, aaO).
5
II. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die für die Fälle II.1 und II.2 festgesetzten Einzelstrafen waren aufzuheben. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Dadurch hat auch die mit der Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Aachen vom 5. April 2011 gebildete Gesamtstrafe ihre Grundlage verloren. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot der Verhängung einer Einzelstrafe von mehr als sieben Monaten nicht entgegensteht. Es ist lediglich geboten, dass die Summe der beiden bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Tz. 11).
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

2
Die im Fall 2 wegen Diebstahls verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat im Rahmen der Strafzumessung und bei der Prüfung der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte durch unzutreffende Angaben versucht habe, das Gericht über eine berufliche Beschäf- tigung zur Tatzeit „zu täuschen, um sich ein falsches Alibi zu verschaffen“ (UA S. 20). Damit hat der Angeklagte aber die Grenzen prozessual zulässigen Verteidigungsverhaltens (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 53 f. mwN) selbst dann nicht überschritten, wenn er dadurch den Tatverdacht zwangsläufig auf sonstige in Betracht kommende Personen als Alternativtäter lenken wollte. Auch die Formulierung, dass der Angeklagte die Tat nach einer erfolgreich abgeschlossenen Drogenentwöhnungsbehandlung „scheinbar grundlos begangen“ habe, begründet die Besorgnis, dass dem Angeklag- ten die Tatbegehung als solche straferhöhend angelastet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/12
vom
29. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19. Juli 2012 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte am 5. Oktober 2010 dem Zeugen H. ohne nachvollziehbaren äußeren Anlass ein Messer mit einer Klingenlänge von etwa 7,5 cm in den Bereich des linken Brustkorbs. Der Zeuge erlitt eine ca. 7 cm tiefe Stichwunde, die mit einem Faden genäht werden musste. Da weder die Lunge, noch die innere Schicht des Brustkorbs verletzt wurden , bestand keine konkrete Lebensgefahr (Fall II. 2a der Urteilsgründe). Am 20. Oktober 2011 packte der Angeklagte in den Räumlichkeiten einer Buchhandlung seine ehemalige Lebensgefährtin, die Zeugin B. , von hinten an den Haaren und schlug mehrfach mit der Faust auf sie ein. Als die Zeugin am Boden lag, hielt er sie mit der linken Hand fest und fügte ihr mit einem CutterMesser Verletzungen im oberen linken Brustbereich und im Nacken zu. Die Stichverletzung im Brustbereich musste genäht werden. Es ist eine sichtbare Narbe zurückgeblieben. Die Zeugin leidet auch weiterhin an einer posttraumatischen Belastungsstörung (Fall II. 2b der Urteilsgründe).
3
Das Landgericht hat den Angeklagten in beiden Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gesprochen und gegen ihn Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten (Fall II. 2a) und drei Jahren und neun Monaten (Fall II. 2b) verhängt. Aus diesen Einzelfreiheitsstrafen hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten gebildet.

II.


4
Der Strafausspruch hält aus mehreren Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
1. Die beiden verhängten Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht jeweils sowohl im Rahmen der Prüfung eines minderschweren Falls gemäß § 224 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB, als auch bei der konkreten Strafzumessung ein zulässiges Verteidigungsverhalten zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat.
6
a) Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf im Fall II. 2a erklärt, den Zeugen H. geschlagen zu haben, als dieser nach einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung eine Teleskopstange mit einem kleinen Ball an der Spitze in die Hand nehmen wollte (UA 16). Im Fall II. 2b habe ihn die Zeugin B. mit einer Handtasche geschlagen. Er habe gesehen, dass er an der rechten Hand geblutet habe und ein Messer in der linken Hand der Zeugin wahrgenommen. Dieses Messer habe er ihr wegnehmen wollen. Schließlich habe er sie an der linken Schulter ergriffen und „herumgewirbelt“. Auch glaube er um sich geschlagen zu haben, weil er das Gefühl hatte, sich wehren zu müssen (UA 17). Das Landgericht hat in diesen Einlassungen einen schulderhöhenden Umstand gesehen, weil der Angeklagte den Zeugen H. und die Zeugin B. verdächtigt habe, sich ihm gegenüber der versuchten bzw. der vollendeten Körperverletzung schuldig gemacht zu haben (UA 31). Dies ist rechtsfehlerhaft.
7
b) Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692; MükoStGB/Miebach, 2. Aufl., § 46 Rn. 129). Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; Beschluss vom 27. April 1989 – 1 StR 10/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4; SSWStGB /Eschelbach, § 46 Rn. 124). Dies ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte hat sich auf die wahrheitswidrige Behauptung eines drohenden (Fall II. 2a der Urteilsgründe ) bzw. eines bereits eingeleiteten Angriffs (Fall II. 2b der Urteilsgründe ) der Zeugen beschränkt. Darüber hinausgehende Verleumdungen oder Herabwürdigungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1990 – 3 StR 85/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; Beschluss vom 11. Mai 1989 – 1 StR 184/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 5), die eine straferschwerende Bewertung rechtfertigen könnten, sind in seinem Vorbringen nicht enthalten. Auch hat der Angeklagte die Zeugen nicht einer besonders verwerflichen Handlung bezichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1990 – 3 StR 160/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10), sodass nicht angenommen werden kann, dass es ihm darum ging, ihr Ansehen über das verfolgte Verteidigungsziel hinaus zu beschädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 1994 – 1 StR 71/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten

13).


8
2. Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2b der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Zeugin B. ) ist auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass es zum Einsatz eines Messers kam (UA 31). Hierin liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, da die Verwendung des Messers bereits zur Begründung der Strafbarkeit des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB herangezogen worden ist. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass es mit dem Messereinsatz zu einer Steigerung der Übergriffe des Angeklagten auf die Zeugin gekommen ist, wird damit nicht lediglich das Vortatverhalten des Angeklagten gewürdigt, sondern auch die Verwendung des Messers mit negativem Vorzeichen in die Bewertung einbezogen.
9
3. Durch die Aufhebung der Einzelstrafen verliert auch die Bestimmung der Gesamtstrafe ihre Grundlage.
10
Da es sich bei den aufgezeigten Fehlern um bloße Wertungsfehler handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch bestehen bleiben. Ergänzende – hierzu nicht in Widerspruch tretende – Feststellungen sind möglich (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 5 StR 453/12).

Mutzbauer Cierniak Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 219/10
vom
6. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 6. Juli
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 4. März 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über
a) die Einzelstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung sowie
b) die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , Diebstahls in drei Fällen und wegen Hehlerei zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Zwar hat das Landgericht auch aus dem Umstand, dass er sich in der Hauptverhandlung erst eingelassen und eine Notwehrsituation behauptet hat, nachdem wesentliche Teile der Beweisaufnahme bereits durchgeführt worden waren, rechtsfehlerhaft (vgl. Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 261 Rdn. 16) für den Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen (UA S. 24 f.). Der Senat kann jedoch im Hinblick auf die übrigen Teile der ausführlichen Beweiswürdigung ausschließen, dass der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung auf diesem Rechtsfehler beruht.
4
2. Die für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten kann jedoch nicht bestehen bleiben. Dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Gesamtstrafenausspruch.
5
Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und dessen Verletzungen seien bei seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil unter den gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.).
Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer wider besseres Wissen einer Behörde oder einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle vortäuscht,

1.
daß eine rechtswidrige Tat begangen worden sei oder
2.
daß die Verwirklichung einer der in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 164, § 258 oder § 258a mit Strafe bedroht ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen eine der in Absatz 1 bezeichneten Stellen über den Beteiligten

1.
an einer rechtswidrigen Tat oder
2.
an einer bevorstehenden, in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat
zu täuschen sucht.

(3) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Nr. 1 begeht oder
2.
wider besseres Wissen einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen vortäuscht, dass die Verwirklichung einer der in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dieses Gesetzes, in § 31 Satz 1 Nummer 2 des Betäubungsmittelgesetzes oder in § 4a Satz 1 Nummer 2 des Anti-Doping-Gesetzes genannten rechtswidrigen Taten bevorstehe, oder
3.
wider besseres Wissen eine dieser Stellen über den Beteiligten an einer bevorstehenden Tat nach Nummer 2 zu täuschen sucht,
um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

5 StR 328/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2005

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 8. März 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er Verfahrensrügen erhebt und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Angeklagte machte als Geschäftsführer der B und R GmbH in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für 1994 und 1995 unberechtigt Vorsteuern in Höhe von insgesamt etwa 8,5 Millionen DM geltend, indem er behauptete, diese seien bei Geschäften über Computerzubehör mit der in Hamburg ansässigen S GmbH angefallen. Tatsächlich erfolgten die Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 1 lit. b, § 6a UStG) über in Dänemark ansässige Unternehmen des gesondert verfolgten M. Dieser benutzte auf Veranlassung des Angeklagten die S GmbH als Rechnungsstellerin, um jeweils für die B und R GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende Inlands- käufe zu fingieren. Weder durch die S GmbH noch durch M wurden die vereinnahmten Umsatzsteuern angemeldet oder abgeführt, was dem Angeklagten bekannt war.
Am 17. Januar 1996 wurde gegen den Angeklagten ein Strafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehungen in den Jahren 1994 und 1995 eingeleitet , nachdem Unregelmäßigkeiten in bezug auf die S -Rechnungen aufgefallen waren. In der Einleitungsmitteilung, dem Angeklagten am 19. Januar 1996 zugestellt, wurde er über sein strafprozessuales Aussageverweigerungsrecht belehrt, sowie darüber, daß er für Zwecke der Besteuerung – unbeschadet der Einleitung des Ermittlungsverfahrens – zur Mitwirkung verpflichtet sei, seine Mitwirkung insoweit allerdings nicht erzwungen werden kann (§ 393 Abs. 1 AO). Mit Formularschreiben vom 8. November 1996 – überschrieben als „Erinnerung an die Abgabe von Steuererklärungen“ – wurde durch das Finanzamt um die umgehende Abgabe der bisher nicht fristgerecht eingereichten Steuererklärungen, darunter auch die Umsatzsteuerjahreserklärung 1995, „gebeten“. Dieses Schreiben enthielt zudem den Hinweis, daß die Abgabe der Erklärungen durch Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 333 AO erzwungen werden kann; bei Nichtabgabe würden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Der Angeklagte beantragte daraufhin über seinen Steuerberater eine Fristverlängerung, die ihm bis zum 28. Februar 1997 gewährt wurde; die Umsatzsteuerjahreserklärung 1995, in der der Angeklagte die falschen Angaben aus den zugehörigen Umsatzsteuervoranmeldungen wiederholte, ging am 4. Dezember 1996 beim Finanzamt ein.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen der unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuern in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 wegen vollendeter Steuerhinterziehung verurteilt. Die falschen Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 hat es als versuchte Steuerhinterziehung gewertet, da das Finanzamt die damit geltend gemachten Vorsteuern aus den S -Rechnungen – in Übereinstimmung mit inzwischen geänderten Vorsteuerbescheiden – nicht anerkannte. Der hiergegen eingelegte Ein- spruch wurde erst zurückgenommen, nachdem das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 29. Juni 2000 die Klage gegen den Bescheid vom 26. August 1996 betreffend die Umsatzsteuer 1994 abgewiesen hatte.
2. Die Verurteilung des Angeklagten hält revisionsre chtlicher Überprüfung stand. Die Revisionsangriffe bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, die auch durch die Gegenerklärung nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
3. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß die formularmäßige Erinnerung des Finanzamts vom 8. November 1996 kein strafrechtliches Verwertungsverbot hinsichtlich der Verfolgung der falschen Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 nach sich zieht.
Das Erinnerungsschreiben stellt keine bewußte Täuschung de s Angeklagten über seine Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 im Sinne des § 136a StPO dar, denn es war grundsätzlich nicht geeignet, den bei Einleitung des Steuerstrafverfahrens ordnungsgemäß nach § 393 Abs. 1 AO belehrten Angeklagten über seine steuerrechtlichen Pflichten zu täuschen; zudem war er steuerlich beraten. Das Schreiben stellt allenfalls eine unbeabsichtigte Irreführung dar, die nicht unter § 136a StPO fällt (vgl. BGHSt 31, 395, 400; BGHR StPO § 136a Abs. 1 Täuschung 3 m.w.N.; Boujong in KK 5. Aufl. § 136a Rdn. 23 m.w.N.).
Es besteht auch kein Verwertungsverbot nach § 136a StPO w egen der Ausübung unzulässigen Zwangs. Ein solches Verwertungsverbot kommt nur dann in Betracht, wenn der Zwang gezielt als Mittel zur Herbeiführung einer Aussage angewandt wurde (vgl. BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 3 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Durch das Finanzamt wurde im Wege automatisierter Datenverarbeitung nach Fristablauf eine formularmäßige Er- innerung wegen mehrerer nicht fristgerecht abgegebener Steuererklärungen an den Angeklagten versandt. In dem pauschalen Hinweis auf die Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes nach § 333 AO ist zudem noch keine konkrete Zwangsmittelandrohung zu sehen, da sich der Hinweis weder auf eine bestimme Verpflichtung bezieht (§ 332 Abs. 2 Satz 2 AO) noch eine bestimmte Höhe festlegt (§ 332 Abs. 2 Satz 3 AO).

b) Der Verurteilung des Angeklagten wegen der falschen Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 steht auch nicht der Grundsatz entgegen , daß niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst Zeugnis abzulegen (nemo tenetur se ipsum accusare). Aus diesem Grundsatz kann die Straflosigkeit der Wiederholung unrichtiger Angaben aus Umsatzsteuervoranmeldungen in der zugehörigen Jahreserklärung nicht hergeleitet werden.
aa) Dem Steuerpflichtigen werden weitreichende, im H inblick auf die Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkommens für den Staat sachlich gerechtfertigte (vgl. BVerfG – Kammer – wistra 1988, 302; BGHSt 47, 8, 13) Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten auferlegt, die dieser selbst dann zu erfüllen hat, wenn er hierdurch eigene Straftaten aufdeckt.
Nach dem in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten nemotenetur -Grundsatz (vgl. BVerfGE 56, 37, 41 f.), ist es jedoch unzulässig, eine strafrechtliche Verurteilung auf eine zuvor erzwungene Selbstbelastung zu stützen (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352). Dem wird in der Abgabenordnung dadurch Rechnung getragen, daß in § 393 Abs. 1 AO der Einsatz von Zwangsmitteln untersagt wird, soweit der Steuerpflichtige eigene Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten offenbaren müßte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt das Zwangsmittelverbot zudem dazu, daß die Strafbarkeit wegen der Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung entfällt, wenn wegen der Abgabe unrichtiger Umsatzsteu- ervoranmeldungen desselben Jahres ein Strafverfahren anhängig ist (BGHSt 47, 8). Denn aufgrund der engen Verzahnungen zwischen Umsatzsteuervoranmeldungen und zugehöriger Jahreserklärung, die sich auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen beziehen, wäre das Verbot der Anwendung von Zwangsmitteln der Abgabenordnung wirkungslos, wenn der Steuerpflichtige mit der Strafdrohung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zur Abgabe einer selbstbelastenden Umsatzsteuerjahreserklärung gezwungen wäre (vgl. BGHSt 47, 8, 15).
bb) In der Wiederholung der falschen Angaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen in der Umsatzsteuerjahreserklärung liegt indes die Begehung neuen Unrechts, wozu weder das Recht auf Selbstschutz (vgl. BGHSt 3, 18, 19; BGH wistra 1993, 66, 68) noch das Zwangsmittelverbot (vgl. BGHSt 47, 8, 15; BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 2 und 3; BGH, Beschluß vom 12. Januar 2005 – 5 StR 191/04) berechtigen.
Bei der Abgabe falscher Umsatzsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) und der Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung für dasselbe Kalenderjahr (§ 18 Abs. 3 UStG) handelt es sich materiellrechtlich um jeweils selbständige Taten im Sinne von § 53 StGB (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 13; BGH NJW 2005, 836; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Januar 2005 – 5 StR 271/04). Zwar beziehen sich die Erklärungen auf dieselbe Steuerart und auf dasselbe Steueraufkommen des jeweiligen Jahres; sowohl den Umsatzsteuervoranmeldungen als auch der Umsatzsteuerjahreserklärung kommt jedoch jeweils ein eigenständiger Erklärungswert zu. Durch die Wiederholung der falschen Angaben in der Jahreserklärung will der Täter erreichen, daß die durch die falschen Voranmeldungen eingetretene Steuerverkürzung auf Zeit (vgl. BGHR aaO) nunmehr zu einer endgültigen Steuerverkürzung wird. Dies stellt ein neuerliches Unrecht dar. Das hinter § 393 Abs. 1 Satz 2 AO stehende Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung geht zurück auf ein Recht zur Passivität, erlaubt jedoch nicht die neuerliche Vornahme verbotener Handlungen (vgl. Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 393 Rdn. 37 m.w.N.).
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den strafprozessualen Rechten des Beschuldigten. Diesem steht es frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Macht der Beschuldigte Angaben zur Sache, unterliegt er zwar keiner Wahrheitspflicht ; er hat aber auch kein „Recht zur Lüge“ (vgl. Boujong in KK 5. Aufl. § 136 Rdn. 20 m.w.N.). Verletzt der Beschuldigte im Rahmen seiner Vernehmung durch unwahre Angaben die allgemeinen Strafgesetze, kann er deswegen bestraft werden (vgl. BGHSt 18, 204; Boujong aaO).
In der Wiederholung der falschen Angaben ist auch nicht lediglich eine straflose Selbstbegünstigung zu sehen. Denn die Straflosigkeit des § 258 Abs. 5 StGB gilt nur für die Strafvereitelung als solche, nicht auch für andere mit ihr in Tateinheit stehende Delikte (vgl. BGHSt 15, 53, 54), wie die hier durch die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung begangene (erneute) Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO.

c) Auch die Tatsache, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zur Suspendierung der Strafbarkeit wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen in bestimmten Ausnahmefällen erst nach der Tatzeit im hier zu beurteilenden Fall erging, führt zu keiner abweichenden Beurteilung (vgl. aber LG Frankfurt am Main wistra 2004, 78). Denn der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen des Landgerichts auch der Steuerhinterziehung durch falsche Umsatzsteuervoranmeldungen in elf Fällen schuldig gemacht; durch die Verurteilung allein wegen eines Falles der versuchten Steuerhinterziehung durch falsche Angaben in der zugehörigen Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 ist er nicht beschwert.
Das Landgericht hat ausgeführt, daß die Angaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 in Übereinstimmung mit den (falschen) Angaben in den Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis November 1995 erfolgten (UA S. 16, 17). Der Tatrichter hätte damit den Angeklagten auch – nach Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises gemäß § 265 StPO – wegen vollendeter Steuerhinterziehung durch falsche Angaben in den Voranmeldungen verurteilen können. Denn die Umsatzsteuerhinterziehungen durch falsche Voranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres bilden eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO (BGH NJW 2005, 836, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ). Dies folgt – unbeschadet dessen, daß es sich materiellrechtlich um mehrere Taten im Sinne von § 53 StGB handelt – aus der engen Verzahnung von Umsatzsteuervoranmeldungen und nämlicher Jahreserklärung, die dazu führt, daß eine getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen, von den Besonderheiten des materiellen Umsatzsteuerrechts geprägten Lebensvorgangs erscheinen würde (vgl. BGH aaO).
Daß die Staatsanwaltschaft hier das Verfahren hinsichtlich der Voranmeldungen des Jahres 1995 nach § 154 Abs.1 StPO eingestellt hat, statt die Verfolgung gemäß § 154a StPO auf die Jahreserklärung zu beschränken, ändert an der umfassenden Kognitionspflicht des Tatrichters auch bezüglich der falschen Voranmeldungen nichts (vgl. BGHSt 25, 388, 390).
Die Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung in elf Fällen, begangen durch die falschen Voranmeldungen, hätte hier den Unrechtsgehalt der Steuerverkürzungen durch den Angeklagten sogar besser erfaßt, da die angemeldeten Vorsteuern durch das Finanzamt zunächst – in Unkenntnis des wahren Sachverhalts – anerkannt wurden, der Schaden für den Fiskus somit tatsächlich eingetreten war. In diesem Fall hätte es dann allerdings nahe gelegen, von der Verfolgung der falschen Angaben in der Jahreserklärung 1995 gemäß § 154a StPO abzusehen, denn diese bezogen sich letztlich auf den gleichen Steuerschaden wie die Angaben in den Voranmeldungen.
Durch den Schuldspruch nur wegen eines Falles der versuchten Steuerhinterziehung ist der – allein revidierende – Angeklagte indes nicht beschwert.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.

(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.

5 StR 122/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2010

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. November 2009, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „im besonders schweren Fall“ und wegen „Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision erstrebt der Angeklagte die Aufhebung seiner Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Das mit der Sachrüge geführte Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. In Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt geht der Senat davon aus, dass das Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beschränkt ist. Ausweislich der von ihm gestellten Anträge will der Beschwerdeführer nur diesen Schuldspruch zu Fall bringen, wobei er in seiner Revisionsbegründung die Beweiswürdigung des Landgerichts lediglich in Bezug auf diesen Tatvorwurf beanstandet. Damit hat er die Verurteilung wegen eines Waffendelikts wirksam von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht bei der wegen des Waffendelikts verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen fehlerhaft die Tagessatzhöhe nicht festgesetzt hat. Denn das Urteil ist insoweit auch hinsichtlich des Strafausspruchs in Rechtskraft erwachsen, weswegen eine nachträgliche Abänderung oder Ergänzung der Entscheidung durch das Revisionsgericht nicht mehr möglich ist (BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Bestimmung, unterlassene 2).
3
2. Zum angefochtenen Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „Die Überprüfung des Urteils … hat einen durchgreifenden Rechtsfehler insoweit ergeben, als das Landgericht die für täterschaftliches Handeltreiben nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG unerlässliche Eigennützigkeit des Vorgehens des Beschwerdeführers nicht festgestellt hat. Zwar liegt eine solche bei arbeitsteilig abgewickelten Drogengeschäften der vorliegenden Art (vgl. UA S. 5) durchaus nicht fern, sodass nähere Ausführungen hierzu im Urteil wegen Offenkundigkeit dieses subjektiven Moments der Tathandlung zuweilen entbehrlich sein können. In diese Kategorie von Evidenzfällen ist der abgeurteilte Sachverhalt indessen nicht einzuordnen, weil der Beschwerdeführer ausweislich UA S. 5 in die konkrete Veräußerungsabrede nicht einbezogen war und allein seine Tathandlung eine Beteiligung am Verkaufserlös oder sonstige Form eines Vorteils nicht ohne Weiteres erkennen lässt. Nimmt man hinzu, dass das Landgericht dem Beschwerdeführer auf UA S. 10 im Rahmen der Strafzumessung zugutegehalten hat, aus der abgeurteilten Tat keinen persönlichen Gewinn gezogen zu haben, so erweist sich die Notwendigkeit gesonderter Ausführungen zum Eigennutz des Beschwerdeführers als besonders dringend.“
4
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
5
3. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neu entscheidenden Tatgericht eine stimmige Bewertung des Sachverhalts zu ermöglichen. Zur Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist er auf Folgendes hin:
6
Trotz missverständlicher Ausführungen kann dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch entnommen werden, dass die Überzeugung vom arbeitsteiligen Vorgehen der Angeklagten maßgebend auf die Aussage des nicht revidierenden Mitangeklagten K. gestützt ist und die aus dem Zustand des Vereinslokals und dem regelmäßigen Aufenthalt des Angeklagten gezogenen Schlüsse indiziell der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von dessen Bekundungen dienen (UA S. 8). Die Rolle des Angeklagten bleibt jedoch unklar. Er war in die „Anstellung“ des K. als Drogenhändler eingebunden und überwachte dessen Tätigkeit (UA S. 5), wobei er zur „Verteidigung der Drogengeschäfte“ ein abgesägtes Stuhlbein und ein Einhandmesser griffbereit hielt (UA S. 6). Zudem war er Vorsitzender des Vereins, der nach dem „Eindruck“ der Strafkammer sein Vereinslokal ausschließlich als „Umschlagplatz für Drogen“ nutzte (UA S. 8). Andererseits wird dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugute gehalten, dass „sein Tat- beitrag eher untergeordnet war“ und er aus der Tat „keinen persönlichen Vorteil gezogen hat“ (UA S. 10). Diese Erwägungen sind nur schwer miteinander in Einklang zu bringen.
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(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 33/05
vom
24. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 8. September 2004 dahin geändert, daß der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen der Nötigung, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts A. vom 8. März 2004 (8 Ds ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt ist. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen und Nötigung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts A. vom 8. März 2004 (8 Ds ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit
seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe auch wegen Nötigung der Zeugen H. und S. verurteilt. Jedoch hält die Annahme des Landgerichts, die schwere räuberische Erpressung stünde im Verhältnis der Tatmehrheit zu den danach (in zwei rechtlich selbständigen Fällen) begangenen Nötigungen, rechtlicher Prüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen stehen sämtliche Taten im Verhältnis der Tateinheit. Die schwere räuberische Erpressung war vollendet , als der Angeklagte im Besitz des Geldes, das er von der Zeugin E. erhalten hatte, die Bank verließ. Die Tat war damit jedoch nicht beendet, da die endgültige Sicherung der Beute noch nicht erfolgt war (vgl. Eser in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. vor § 22 Rdn. 8). Um diese zu erreichen, nötigte der Angeklagte seine unabhängig voneinander handelnden Verfolger, die Zeugen H. und S. , jeweils unter Vorhalt der schon zuvor bei dem Überfall verwendeten Signalpistole. Der Einsatz der Pistole hatte den Zweck, daß die Zeugen die Verfolgung einstellen sollten. In einem derartigen Fall stehen die Gesetzesverletzungen, die der Beendigung einer bereits vollendeten räuberischen Erpressung dienen, zu dieser Tat im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 StGB (vgl. BGHSt 26, 24 ff.; BGH NJW 1992, 2103, 2104). Die Nötigung tritt hier nicht aus Gründen der Gesetzeskonkurrenz hinter die §§ 253, 255, 250 StGB zurück (zu einem solchen Fall vgl. BGH NStZ-RR 2000, 106). Der Angeklagte verletzte mit der Nötigung der bisher unbeteiligten, ihn verfolgenden Zeugen, deren Willensbetätigungsfreiheit ein neues Rechtsgut, jedoch um in Besitz der Beute zu bleiben (vgl. Senat 27. August 2002 - 1 StR 287/02). Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern, § 265 StPO steht nicht ent-
gegen, weil der geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Trotz des Wegfalls von zwei Einzelstrafen in Höhe von jeweils zehn Monaten Freiheitsstrafe kann die aus den verbleibenden Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten (Fall II. 1.) und von vier Jahren Freiheitsstrafe (Fall II. 2.) sowie der einbezogenen Geldstrafe gebildete Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleiben, weil hier die Änderung der Konkurrenzve rhältnisse von Tatmehrheit in Tateinheit den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, so wie er in der ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe zum Ausdruck gekommen ist, nicht berührt (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Konkurrenzen 1 m.w.N.; zu § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO nF vgl. Senat, Beschluß vom 8. Dezember 2004 - 1 StR 483/04 -). Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit Graf
3
a) Die Nötigung der beiden Tatopfer durch den Angeklagten ist durch dieselbe Drohung begangen worden. Nach den getroffenen Feststellungen kam der Geschädigte K. nicht nur aus Sorge um sein eigenes Leben, sondern auch deshalb der vom Angeklagten erzwungenen Handlung nach, weil der Angeklagte mit Nötigungsabsicht zeitgleich die Mutter des Geschädigten mit der für schussfähig gehaltenen Waffe bedrohte und der Geschädigte daher auch um das Leben seiner Mutter fürchtete (UA 8; vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 240 Rdn. 37). Der Angeklagte hat deshalb die von den beiden Geschädigten erbrachten Handlungen zumindest auch mittels desselben Nötigungsmittels - der Drohung gegenüber der Geschädigten D. - erzwungen. Dies reicht zur Annahme von (gleichartiger) Tateinheit aus (vgl. Tröndle/Fischer aaO vor § 52 Rdn. 20, 23).
16
1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen , sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten , grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht , wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 427/11
vom
8. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 24. Mai 2011, soweit es den Angeklagten H. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch zum Tatkomplex IV.B.2 der Urteilsgründe unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen,
b) soweit der Angeklagte vom Vorwurf eines Sexualdelikts freigesprochen worden ist, und
c) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht (Jugendkammer) hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen - vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (Tatkomplex B.II der Urteilsgründe) sowie wegen - Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur dreifachen Nötigung, zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung (Tatkomplex B.IV der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch vom Vorwurf eines Sexualdelikts und rügt zudem Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten im Schuld- und Strafausspruch. Erkennbar vom Revisionsangriff ausgenommen sind die Schuldsprüche im Tatkomplex B.II (Betäubungsmitteldelikt und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ) und im Fall B.IV.1 der Urteilsgründe (Körperverletzung), die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe sowie der weitergehende Teilfreispruch von den Vorwürfen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung. Das vom Generalbundesanwalt weitgehend vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
4
a) Tatkomplex B.II der Urteilsgründe
5
Am 20. April 2010 führte der Angeklagte in einem Pkw als Beifahrer mindestens 0,1 Gramm Crystal-Speed mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 30% Metamphetaminbase, das er zuvor in der Tschechischen Republik zum Eigenkonsum erworben hatte, über den Grenzübergang Selb/Asch in die Bundesrepublik Deutschland ein.
6
Als er bei der Einreise einer Kontrolle durch Zollbeamte unterzogen werden sollte, steckte er das in einem kleinen Tütchen mitgeführte Rauschgift in den Mund. Nachdem er von den Beamten aufgefordert worden war, seinen Mundinhalt vorzuzeigen, versuchte er zu fliehen. Als die Beamten ihn festhalten wollten, widersetzte er sich, schlug um sich und versuchte sich loszureißen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es den Beamten, den Angeklagten am Boden zu fixieren und zu fesseln. Dem Angeklagten gelang es allerdings noch während der Auseinandersetzung, das Plastiktütchen zu zerbeißen und das Rauschgift zu schlucken.
7
b) Tatkomplex B.IV der Urteilsgründe
8
Am 28. Juli 2010 befand sich der Angeklagte zusammen mit dem Mitangeklagten Ho. sowie B. und dem Geschädigten S. in der Justizvollzugsanstalt Hof in Strafhaft in einer Gemeinschaftszelle.
9
aa) Fall B.IV.1
10
Gegen 19.45 Uhr kam es zwischen den Insassen zu einer Auseinandersetzung über Radio und Fernsehen in der Zelle, ohne dass der nähere Ablauf festgestellt werden konnte. Nicht ausschließbar bezeichnete dabei der Geschädigte S. den Angeklagten als „Hurensohn“, worauf der Angeklagte ohne Vorwarnung dem Geschädigten mit der Faust ins Gesicht schlug. Hierbei traf er dessen rechte Wange, sodass dieser, wie vom Angeklagten beabsichtigt , erhebliche Schmerzen verspürte.
11
bb) Fall B.IV.2a
12
Der Mitangeklagte Ho. begab sich nun ebenfalls zum Geschädigten und forderte ihn auf, sich körperlich zu wehren, was dieser jedoch ablehnte. Diese Weigerung erregte den Mitangeklagten derart, dass er mit der Aussage „Opfer darf man schlagen“ nun seinerseits plötzlich mindestens zweimal dem Geschä- digten mit der Faust ins Gesicht schlug. Zudem versetzte er ihm einen Kniestoß in die Rippen, sodass der Geschädigte vom Stuhl auf den Boden fiel. Als er am Boden lag, schlugen der Angeklagte und Ho. gleichzeitig mit den Fäusten auf ihn ein, sodass er am Oberkörper weitere Schmerzen erlitt.
13
cc) Fall B.IV.2b
14
Anschließend forderten Ho. und der Angeklagte den Geschädigten unter Androhung weiterer Schläge auf, sich auf die Toilette zu begeben und dort zu bleiben. Während dieser Zeit räumte der Mitangeklagte Ho. den Spind des Geschädigten aus.
15
Nach etwa 15 bis 20 Minuten forderten Ho. und der Angeklagte den Geschädigten auf, aus der Toilette zu kommen und den gesamten Zellenbereich einschließlich Toilette und Waschbecken sofort zu reinigen. Dieser Aufforderung kam der Geschädigte aus Furcht vor weiteren Schlägen des Mitangeklagten Ho. und auch des Angeklagten nach.
16
dd) Fall B.IV.2c
17
Während des nun folgenden, sich über zwei bis drei Stunden hinziehenden Geschehens lief der Angeklagte - soweit er sich nicht unmittelbar an dem Geschehen beteiligte - in der Zelle auf und ab oder hielt sich am Fenster auf. Er nahm das Vorgehen des Mitangeklagten Ho. wahr, griff aber nicht in dieses ein, weil er keinen Anlass sah, dem Geschädigten zu helfen. Insbesondere betätigte er nicht die in der Zelle angebrachte Notrufanlage und drohte auch nicht mit ihrer Betätigung, obwohl ihm klar war, dass er mit seinem Untätigbleiben das Verhalten des Mitangeklagten Ho. begünstigte. Er war sich auch bewusst, dass er durch seine gemeinsam mit Ho. verübten Schläge erheblich dazu beigetragen hatte, dass der Geschädigte eingeschüchtert war und die folgenden Misshandlungen aus Furcht vor weiteren Schlägen über sich ergehen ließ.
18
Der weitere Zelleninsasse B. lag während der folgenden Geschehnisse auf seinem Doppelstockbett und verhielt sich teils aus Desinteresse , teils aus Angst, selbst geschlagen zu werden, völlig passiv.
19
„Irgendwann“ nach der Zellenreinigung erklärte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten, dass dieser jetzt von ihm einen „Opferschnitt“ verpasst bekäme. Der Geschädigte musste sich auf seine Anweisung hin auf einen Stuhl setzen, auf dem ihn Ho. rasierte, um ihn zu demütigen und vor sämtlichen Mit- angeklagten als „Opfer“ bloßzustellen. Ho. rasierte ihm mit einem Einwegrasie- rer die Augenbrauen weg sowie von hinten nach vorn und von Ohr zu Ohr ein mehrere Zentimeter breites Kreuz in die Haare. Dabei erlitt der Geschädigte eine Vielzahl blutender Schürfwunden, die ihm erhebliche Schmerzen bereiteten. Er erduldete dieses Vorgehen, da er - wie von Ho. ausdrücklich angedroht - andernfalls weitere Schläge befürchten musste.
20
ee) Fall B.IV.2d
21
„Einige Zeit“ später fesselte der Mitangeklagte Ho. nochmit einer Paketschnur den linken Arm des Geschädigten an dessen linken Oberschenkel. Sodann musste sich der Geschädigte mit einer mit Seife gefüllten Socke selbst schlagen. Als er nach Ansicht des Ho. nicht fest genug zuschlug, versetzte dieser ihm noch weitere starke und schmerzvolle Schläge auf den Oberkörper.
22
ff) Fall B.IV.2e
23
Wiederum „einige Zeit” später geriet der Mitangeklagte Ho. erneut in Wut. Er forderte den Geschädigten auf, sich zu entkleiden, und zog über den Zellenbesen eine Plastiktüte, die mit Duschgel oder Handcreme eingerieben wurde. Den so präparierten Besen reichte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten unter Androhung weiterer Schläge mit der Aufforderung, sich diesen rektal einzuführen. Der Geschädigte, der erhebliche Angst hatte, kam dem nach und führte sich den Besenstiel mindestens einmal in gebückter Stellung für wenige Sekunden in seinen After ein.
24
Anschließend musste er sich auf Geheiß des Mitangeklagten Ho. auf den Boden legen und den Vorgang wiederholen. Hierbei ergriff der Mitangeklagte Ho. unvermittelt selbst den Besen und versuchte, diesen kräftig in den After des Geschädigten nachzudrücken. Dem Geschädigten gelang es jedoch, das Ende des Stiels so zu führen, dass der Besenstiel dabei nicht in seinen After eindrang, sondern daneben vorbei auf den Boden rutschte. Auch hiermit wollte der Mitangeklagte Ho. dem Geschädigten seine Hilflosigkeit und seine Opferrolle demonstrieren und ihn gegenüber den Zellengenossen als minderwertig darstellen.
25
gg) Fall B.IV.2f
26
Danach griff der Angeklagte, der sich am vorherigen Geschehen nicht aktiv oder kommunikativ beteiligt hatte, den Geschädigten mit dem Zellenschrubber an und schlug ihm mehrfach mit dem Stiel derart heftig auf den Rücken , dass der Stiel schließlich durchbrach. Der Geschädigte erlitt heftige Schmerzen und einige mehrere Zentimeter lange Hämatome am Rücken, auf denen sich die Form des Schrubberstiels abzeichnete.
27
hh) Fall B.IV.2g
28
Nachdem der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. zunächst aufgehört hatten, den Geschädigten zu misshandeln, zwang ihn der Mitangeklagte Ho. unter Androhung weiterer Schläge, den Inhalt des Zigarettenaschenbechers in den Mund zu schütten und herunterzuschlucken.
29
ii) Fall B.IV.2h
30
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Laufe der Ereignisse versetzten die Angeklagten dem vor dem Zellenspiegel stehenden Geschädigten gemeinsam weitere schmerzhafte Faustschläge gegen den Oberkörper und bespuckten ihn.
31
jj) Fall B.IV.2i
32
Schließlich musste sich der Geschädigte auf Weisung des Mitangeklagten Ho. zu einem ebenfalls nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt auf eine Wäschekiste setzen und musste – zur weiteren Demütigung – unter Androhung weiterer Schläge auf Familienfotos, seinen Verlobungsring und andere persönliche Gegenstände spucken.
33
Erst gegen 23.00 Uhr ließen der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. von dem Geschädigten ab, forderten ihn aber nachdrücklich unter Hinweis auf drohende Nachteile für seine Familie auf, über das Geschehene Stillschweigen zu wahren. Im Laufe dieses Geschehens war es immer wieder zu Pausen gekommen , in denen sich nichts ereignete. Der Entschluss, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen, wurde erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Infolge der Misshandlungen befand sich der Geschädigte vier Wochen auf der Krankenstation des Gefängnisses.
34
Das Landgericht konnte sich keine Überzeugung dahingehend bilden, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. - als sich der Geschädigte auf der Toilette befand - eine Absprache getroffen haben, den Geschädigten weiter zu misshandeln und zu demütigen. Das gilt insbesondere auch für die Misshandlung des Geschädigten mit dem Zellenbesen.
35
2. Im Tatkomplex B.IV hat das Landgericht den Angeklagten wegen Körperverletzung (Fall B.IV.1) in Tatmehrheit mit drei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung (Fälle B.IV.2a, 2f, 2h) in Tateinheit mit Nötigung (Fall B.IV.2b) in Tateinheit mit Beihilfe durch Unterlassen zur dreifachen Nötigung , zur zweifachen gefährlichen Körperverletzung und zur Körperverletzung (Fälle B.IV.2c, 2d, 2e, 1. Geschehensabschnitt, 2g, 2i) schuldig gesprochen.
36
a) Eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten an den vom Mitangeklagten Ho. ausgeführten Handlungen hat das Landgericht verneint. Der Angeklagte habe sich an weiten Teilen des Geschehens weder aktiv beteiligt noch dieses durch Anfeuerung oder verbales Bestärken des Mitangeklagten gefördert. Er habe keinerlei Tatherrschaft bei der Ausführung der Delikte gehabt , die vom Mitangeklagten Ho. eigenständig vorgenommen worden seien. Eine Absprache oder ein eigenes Interesse an den Taten des Mitangeklagten konnte das Landgericht ebenfalls nicht feststellen (UA S. 28, 31).
37
b) Das Landgericht hat aber hinsichtlich der Taten, bei denen der Angeklagte nicht selbst aktiv wurde, eine psychische Beihilfe durch Unterlassen angenommen. Es ist davon überzeugt, dass der Angeklagte mit seinem Untätigbleiben das Verhalten des Mitangeklagten psychisch unterstützen wollte. Aus der Gesamtschau der Ereignisse hat es geschlossen, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er durch seine Beteiligung am Anfang des Geschehens dem Mitangeklagten und dem Geschädigten das Gefühl vermittelt habe, es stünden zwei Mann gegen einen, und dass der Geschädigte deshalb aus Angst vor weiteren Schlägen auch vom Angeklagten die ihm zugefügten Demütigungen dulden würde (UA S. 28). Damit habe der Angeklagte durch sein eigenes Zuschlagen zu Beginn des Geschehens dem Geschädigten zu erkennen gegeben, dass er das Verhalten des Mitangeklagten billige und dass der Geschädigte sich nicht nur einem Gegner gegenüber sehe. Mit diesem Verhalten habe der Angeklagte eine Garantenstellung im Sinne einesvorangegangenen gefährlichen Tuns begründet.
38
c) Im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht ein einheitliches Geschehen im Sinne einer Tateinheit (§ 52 StGB) angenommen. Auch wenn das Tatgeschehen von Phasen vorübergehend fehlender Aktivität gekennzeichnet gewesen sei, habe der Mitangeklagte zu keinem Zeitpunkt seinen Plan, den Geschädigten zu demütigen, aufgegeben. Auch dem Angeklagten sei es von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte den Geschädigten weiter traktieren würde.
39
3. Abgesehen von den vom Revisionsangriff ausgenommenen Vorwürfen des Diebstahls und der räuberischen Erpressung im Hinblick auf persönliche Habe des Geschädigten hat das Landgericht den Angeklagten auchvom Vorwurf der Beteiligung an dem vom Mitangeklagten Ho. mit einem Besenstiel begangenen Sexualdelikt (Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dieses Geschehen sei schon nach Sekunden wieder beendet gewesen, sodass der Angeklagte keine Möglichkeit zum Eingreifen gehabt habe. Er habe damit diese Tat des Mitangeklagten Ho. schon objektiv nicht gefördert (UA S. 29, 37).

II.

40
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Teilfreispruchs vom Vorwurf der Beteiligung am Sexualdelikt des Mitangeklagten Ho. , des Schuldspruchs im Tatkomplex B.IV.2 sowie im gesamten Strafausspruch. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Tatkomplex B.IV.2 sind vom Revisionsangriff ausgenommen und bleiben deshalb bestehen. Rechtsfehler zum Nachteil (§ 301 StPO) des Angeklagten sind nicht vorhanden.
41
1. Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht die von dem Angeklagten im Tatkomplex B.IV.2 der Urteilsgründe zum Nachteil des Geschädigten begangenen Taten als einheitliches Geschehen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit bewertet.
42
Eine natürliche Handlungseinheit setzt voraus, dass zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden, ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen „objektiven“ Dritten als ein einheitliches Tun erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1991 - 2 StR 321/90, BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 4; BGH, Urteil vom 19. November 2009 - 3 StR 87/09; BGH, Urteil vom 25. September 1997 - 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 3).
43
Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen durfte das Landgericht hier ausgehen , denn der erforderliche zeitliche Zusammenhang wurde nicht dadurch beseitigt, dass die einzelnen strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen in einem gewissen zeitlichen Abstand erfolgten. Vielmehr war das mehraktige Geschehen zum einen von einem einheitlichen Willen, den Geschädigten zu demütigen (UA S. 32), getragen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 - 4 StR 401/95; BGH, Urteil vom 30. Januar 1991 - 2 StR 321/90, BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit Entschluss, einheitlicher 4), zum anderen befand sich der Geschädigte in einer fortdauernden Zwangslage und konnte sich als in einer Gemeinschaftszelle untergebrachter Strafgefangener auch nicht frei bewegen, was der Angeklagte und der Mitangeklagte Ho. bei den Verletzungshandlungen ausnutzten (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01, StV 2002, 21 mwN). Die mehrfachen Pausen aktiver Einwirkung auf den Geschädigten stellten - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft - keine Zäsuren dar, zumal sich der Geschädigte unter der fortwirkenden Androhung weiterer Schläge in der abgeschlossenen Gefängniszelle dem Geschehen zu keinem Zeitpunkt entziehen konnte. Selbst die (theoretische) Möglichkeit , zu versuchen, durch Drücken des Notrufknopfes weitere Gewalt gegen ihn zu unterbinden, konnte angesichts der Einschüchterung des Geschädigten durch die vorangegangenen Gewalthandlungen die das Geschehen verbindende Zwangssituation nicht beseitigen. Das einheitliche Geschehen zum Nachteil des Geschädigten fand erst dann seinen Abschluss, als der Mitangeklagte Ho. und mit ihm auch der Angeklagte gegen 23.00 Uhr den Entschluss fassten, den Geschädigten nun nicht mehr weiter anzugehen (UA S. 23).
44
2. Gleichwohl kann der Schuldspruch im Tatkomplex B.IV.2 keinen Bestand haben, denn das Landgericht hat in den Fällen, in denen sich der Angeklagte nicht aktiv am Geschehen beteiligte, sondern in der Zelle umherlief oder zum Zellenfenster hinaussah, rechtsfehlerhaft eine mittäterschaftliche Tatbegehung verneint.
45
a) Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe gesehen und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 2005 - 5 StR 12/05, wistra 2005, 380, 381).
46
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe zwar erkannt; es hat aber den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt, weil es die erforderliche Gesamtbetrachtung der Tathandlungen nicht vorgenommen hat.
47
Dadurch hat sich das Landgericht den Blick dafür verstellt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen durch seine Beteiligung am Anfang des Geschehens bewusst sowohl dem Geschädigten als auch dem Mitangeklagten Ho. das Gefühl vermittelt hatte, zwei Mann stünden gegen einen. Ihm war von Anfang an auch bewusst, dass der Geschädigte aus Angst vor weiteren Schlägen auch von dem Angeklagten die ihm zugefügten Demütigungen dulden würde (UA S. 28). Damit hat er aktiv an der Schaffung einer Bedrohungssituation mitgewirkt, welche die Tathandlungen des Mitangeklagten Ho. ermöglichte, zumindest aber förderte. Diese von ihm mitgeschaffene Bedrohungssituation bestand auch dann fort, wenn der Angeklagte lediglich in der Zelle auf- und abging oder sich am Fenster aufhielt (UA S. 17, 28).
48
Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe bei den Tathandlungen des Mitangeklagten Ho. lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt, blendet rechtsfehlerhaft das Zusammenspiel der jeweiligen Handlungen des Angeklagten und des Mitangeklagten Ho. im Gesamtgeschehen aus. Der Angeklagte hat nicht nur die Situation, dass der Geschädigte sich zwei Gegnern gegenüber sah, bewusst geschaffen, er hat auch jeweils nach Gewalthandlungen des Mitangeklagten Ho. wieder selbst den Geschädigten geschlagen und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Handlungen des Ho. billigt. Auch wenn es „immer wieder zu Pausen“ kam, wurde der Entschluss, den Geschädigten nun nicht mehr anzugehen, erst gegen 23.00 Uhr gefasst. Erst zu diesem Zeitpunkt endete die von dem Angeklagten geschaffene und bis dahin fortbestehende Bedrohungssituation.
49
Die Feststellungen zu den über drei Stunden andauernden und teils gemeinsam , teils einzeln vorgenommenen Einwirkungen des Angeklagten und des Mitangeklagten Ho. auf den Geschädigten belegen damit ein so enges Verhältnis des Angeklagten zu den Taten des Ho., dass sich seine Verurteilung insoweit lediglich als Gehilfe durch Unterlassen als rechtsfehlerhaft erweist. Seine Tatbeiträge fügen sich derart in eine gemeinschaftliche Tat ein, dass der Beitrag des Angeklagten als Teil der Tätigkeit des Mitangeklagten und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten ist. Dass der Angeklagte sich von den Handlungen des Mitangeklagten Ho. distanziert habe, hat das Landgericht nicht festgestellt und wäre mit dem übrigen Tatbild auch nicht vereinbar.
50
3. Angesichts der unrichtigen Bewertung des Gesamtgeschehens im Tatkomplex B.IV.2 kann auch der Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem vom Mitangeklagten Ho. mit einem Besenstiel begangenen Sexualdelikt (Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt der Urteilsgründe) keinen Bestand haben. Denn das insoweit festgestellte Tatgeschehen kann nur im Lichte der übrigen Taten zutreffend bewertet werden.
51
Waren die übrigen gegen den Geschädigten gerichteten Gewalthandlungen aber von einem Täterwillen des Angeklagten umfasst, lag es fern, dass gerade der Einsatz des Besenstiels gegen den After des Geschädigten nicht vom Willen des Angeklagten getragen sein sollte, zumal der Besenstiel schon vorher zum Einsatz kam und der Angeklagte im Anschluss daran selbst mit dem Zellenschrubber auf den Geschädigten einschlug.
52
Mit dem unzutreffenden Ansatz, es liege lediglich ein Unterlassen des Angeklagten vor, hat sich das Landgericht den Blick für die Frage verstellt, ob eine Handlung wie das Nachschieben des Besenstiels in Richtung des Afters des Geschädigten durch den Mitangeklagten Ho. bereits vorher, als der Angeklagte selbst zuschlug und damit zur Einschüchterung des Geschädigten beitrug , vom Vorsatz des Angeklagten grundsätzlich umfasst war. Für einen Tatvorsatz spricht, dass der Angeklagte während des Tatgeschehens selbst mehrfach heftige Schläge gegen den Geschädigten austeilte, billigte, dass der Geschädigte von dem Mitangeklagten Ho. gezwungen wurde, den Besenstiel in seinen After einzuführen, und sogar noch nach dem „Nachdrücken des Besenstiels“ durch den Mitangeklagten Ho. mit dem Stiel des Zellenschrubbers derart heftig auf den Rücken des Geschädigten einschlug, dass der Zellenschrubber durchbrach (Fall B.IV.2f).
53
Vor diesem Hintergrund ist auch die Wertung des Landgerichts nicht tragfähig, bei diesem Geschehen handele es sich um eine Eskalation, die einem plötzlichen Impuls des Mitangeklagten Ho. entsprang, und mit dem nicht zu rechnen war (UA S. 31).
54
Jedenfalls liegt ein durch den unrichtigen Ansatz des Landgerichts bedingter , durchgreifender Erörterungsmangel zur Frage vor, ob ein vom Vorsatz des Angeklagten nicht umfasster Exzess des Mitangeklagten Ho. gegeben war oder ob - was näher liegt - der Angeklagte von vornherein auch mit einem solchen Vorgehen des Mitangeklagten einverstanden war. Dies gilt zumal angesichts der Erwägung des Landgerichts, dem Angeklagten sei es - soweit er nicht selbst aktiv tätig wurde - von Anfang an gleichgültig gewesen, ob und in welcher Form der Mitangeklagte Ho. den Geschädigten weiter traktieren würde (UA S. 32). Die Jugendkammer hätte daher jedenfalls den Umstand näher erörtern müssen, dass der Angeklagte trotz des nach ihrer Wertung für den Angeklagten unvorhersehbaren Übergriffs des Mitangeklagten auf den Geschädigten im Fall B.IV.2e, 2. Geschehensabschnitt heftig mit eigenen Schlägen in das Geschehen eingegriffen hat, statt sich zu distanzieren.
55
4. Die Teilaufhebung zieht hinsichtlich der betroffenen Taten die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Der Senat hebt auch die von den Rechtsfehlern nicht betroffenen Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatgericht eine einheitliche und bruchlose Strafzumessung zu ermöglichen.
56
5. Im Hinblick darauf, dass das Urteil gegen den Mitangeklagten Ho. rechtskräftig ist, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück. Nack Wahl Graf Jäger Sander
16
1. Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt eine Tat im sachlichrechtlichen Sinne vor, wenn mehrere, im Wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; s. etwa BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; § 52 Abs. 1 Entschluss, einheitlicher 1). Richten sich die Handlungen des Täters gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen , sie liegt jedoch bereits nicht nahe (Fischer aaO Vor § 52 Rdn. 7). Denn höchstpersönliche Rechtsgüter sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Personen richten , grundsätzlich weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht , wenn die Aufspaltung des Tatgeschehens in Einzelhandlungen wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhanges, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss, einheitlicher 9; BGH NStZ 2005, 262, 263; NStZ-RR 1998, 233; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. Vor § 52 Rdn. 14 m. w. N.).

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 139/12
vom
19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Freiheitsberaubung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 1. Dezember 2011
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit versuchter Nötigung schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung zu der Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung im Strafausspruch; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB kann nicht bestehen bleiben.
3
Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte am Tattag gegen 22.30 Uhr mit der Geschädigten, seiner ehemaligen Freundin, die er zuvor unter einem Vorwand zum Mitfahren veranlasst hatte, in einen Wald. Dort hielt er an und bedrohte die Geschädigte über einen Zeitraum von ca. einer halben Stunde mit einer ihr gegenüber als echte Waffe bezeichneten Softair-Pistole, wobei er mit der Pistole hektisch herumhantierte und sie der Geschädigten auch für wenige Sekunden an die linke Seite ihres Kopfes hielt. Mit seinem Verhalten wollte der Angeklagte der Geschädigten Angst einjagen. Er hatte die Vorstellung, dass dies für ihn das letzte Mittel sei, ihr zu zeigen, dass er es ernst meine und er sich gegenüber seinem vorherigen Verhalten geändert habe. Er wollte sie dadurch bewegen, die Beziehung zu ihm wieder aufzunehmen. Die Geschädigte, die die Pistole für echt hielt und in Todesangst geriet, erzählte dem Angeklagten in ihrer Panik, dass sie ihn noch liebe, ihn zurückhaben wolle und sie es noch einmal miteinander versuchen sollten. Sie schlug ihm auch vor, gemeinsam aus dem Siegerland wegzugehen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und legte die Softair-Pistole wieder in das Handschuhfach seines Autos. Das Ansinnen der Geschädigten, die Pistole wegzuwerfen, lehnte er mit der Bemerkung ab, dass es sein könne, dass sie ihn anlüge und er die Waffe noch brauchen würde.
4
Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte eine vollendete Nötigung begangen hat.
5
§ 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die tatbestandsmäßige Nötigungshandlung des Täters muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, NStZ 2004, 442; Urteile vom 14. Januar 1997 - 1 StR 507/96, NJW 1997, 1082; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 157/07, StV 2008, 249). Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in der Erklärung der Geschädigten, zu dem Angeklagten zurückzukehren, kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg. Das drohende Verhalten des Angeklagten zielte darauf ab, die Geschädigte zur Wiederaufnahme und Fortsetzung der Beziehung mit ihm zu bewegen. Die Tat war damit auf ein Verhalten der Geschädigten in der Zukunft gerichtet. Eine von der Geschädigten abzugebende Erklärung über ihr künftiges Verhalten war dagegen nach den Feststellungen vom Angeklagten nicht gewollt. Die Äußerungen der Geschädigten sind auch nicht als eigenständig bedeutsame Vorstufe des vom Angeklagten erstrebten künftigen Verhaltens der Geschädigten anzusehen. Zum einen entnimmt der Senat den Urteilsgründen, dass die entsprechende Ankündigung von der Geschädigten ersichtlich nicht ernst gemeint war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 421/03, aaO). Zum anderen zeigt die Bemerkung des Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Weigerung, die Softair-Pistole wegzuwerfen, dass der Angeklagte selbst die Erklärung der Geschädigten nicht als verbindlich ansah.
6
Da weitere Feststellungen zum Tatgeschehen in einer neuerlichen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
7
2. Der Strafausspruch hält unabhängig von der Schuldspruchänderung einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil es die Jugendkammer versäumt hat, nach § 105 Abs. 2 JGG i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 JGG über die Einbeziehung des noch nicht erledigten Urteils des Amtsgerichts Siegen vom 22. Dezember 2010 zu entscheiden. Durch dieses seit 30. Dezember 2010 rechtskräftige Urteil wurde der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 105 Abs. 2 JGG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Dabei erfordert ein Absehen von der Einbeziehung Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Strafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 4 StR 208/10, StV 2011, 590 m.w.N.).
8
3. Mit Blick auf das Vorbringen in der Revisionsbegründung weist der Senat darauf hin, dass die Anklageerhebung gegen den Angeklagten in einem anderen Verfahren keinen in die Gesamtabwägung nach § 21 Abs. 1 und 2 JGG einzustellenden Gesichtspunkt darstellt, weil diesem Umstand für sich genommen kein prognoserelevanter Aussagegehalt zukommt. Berücksichtigung finden können dagegen noch nicht rechtskräftig abgeurteilte Straftaten, sofern der Tatrichter hierzu prozessordnungsgemäß eigene Feststellungen trifft (vgl. zu § 56 StGB BGH, Beschluss vom 23. Mai 1995 - 4 StR 184/95, StV 1995, 521 m.w.N.; Mosbacher in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 56 Rn. 16; Stree/ Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 56 Rn. 21).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 157/07
vom
20. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11. September 2006 werden verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer ebenfalls auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, dass der Angeklagte nicht wegen Geiselnahme gemäß § 239b Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Mitangeklagte Ö. , der seine Verurteilung nicht angefochten hat, hatte bei einem nächtlichen Kontrollbesuch in der Wohnung seiner 17-jährigen Schwester T. Ö. den Zeugen E. vorgefunden. Er hatte deshalb seine Schwester und E. geschlagen und mit einem Messer bedroht. Gemeinsam mit dem telefonisch herbeigerufenen Angeklagten und den gesondert Verfolgten K. und Ek. zwang er sodann den verängstigten E. , mit ihnen zu einem abgelegenen Parkplatz zu fahren. Dort erklärte er dem Angeklagten, E. müsse weiter eingeschüchtert werden, damit er seine Schwester nunmehr heirate. Der Angeklagte erwiderte, er werde "dies" nun regeln.
4
Der Angeklagte setzte sich mit E. auf die Rücksitzbank des Kraftfahrzeugs , ergriff eine (ungeladene) Gaspistole, hielt sie so vor das Gesicht des E. , dass dieser sie wegen des nicht verschlossenen Laufs für eine scharfe Waffe hielt, und steckte ihm ihren Lauf gewaltsam in den Mund. Er erweckte den Anschein, die Waffe auslösen zu wollen, woraufhin E. in Todesangst aufschrie. Nunmehr drehte der Angeklagte die Waffe um und schlug mit ihrem metallischen Griff mehrmals kräftig gegen den Kopf des E. . Er zwang ihn, wieder auszusteigen, und forderte ihn auf, sich - wie schon zuvor - bei Ö. nochmals zu entschuldigen und diesem zum Zeichen der Respektbekundung nach türkischer Sitte die Hand zu küssen. Zusätzlich erklärte er, falls Ö. die Geste der Entschuldigung nicht annehme, müsse er damit rechnen, umgebracht zu werden. Ö. seinerseits erließ dem E. den Handkuss, drohte ihm aber an, es werde noch schlimmer kommen, wenn er sich nicht an seine Vorgaben halte, und ließ ihn daraufhin gehen.
5
Der Angeklagte wusste bei seinem Vorgehen gegen E. , dass dieser sich bereits mehrfach bei Ö. entschuldigt hatte und selbst nach weiteren Möglichkeiten zur Entschuldigung und Respektbezeugung suchte. Die Drohungen des Angeklagten dienten nicht dem Zweck, der Aufforderung zur Entschuldigung Nachdruck zu verleihen, sondern sollten die Einschüchterung des E. nochmals steigern, um für die Zukunft sicher zu stellen, dass E. außereheliche Beziehungen zu T. Ö. unterlässt und diese heiratet.
6
2. Das Landgericht hat dieses Geschehen nicht als Geiselnahme gemäß § 239b Abs. 1 StGB gewertet. Der Angeklagte habe dem Geschädigten E. zwar im Rahmen einer zuvor geschaffenen Bemächtigungssituation mit dem Tode gedroht. Die Drohung habe jedoch nicht dazu gedient, E. ein Verhalten noch während der Dauer der Zwangslage abzunötigen.

II.

7
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines Verbrechens der Geiselnahme verneint.
8
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 239b StGB - schon wegen der hohen Mindeststrafe von fünf Jahren - einschränkend auszulegen. Zwischen der Entführung eines Opfers und einer beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang derart bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Entführung nötigen will und die abgenötigte Handlung auch während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (vgl. BGH NJW 1997, 1082; NStZ 2006, 36). Denn der Zweck dieser Strafvorschrift besteht gerade darin, das Sich-Bemächtigen oder die Entführung des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (BGH StV 1997, 302; NStZ 2006, 36). Allerdings kann auch das Erreichen eines Teilerfolges des Täters, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, eine Nötigung darstellen (BGH NJW 1997, 1082; NStZ 2006, 36). Jedenfalls solche Handlungen des Opfers, die eine nach der Vorstellung des Täters eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellen, führen zur Vollendung der mit der qualifizierten Drohung erstrebten Nötigung (BGH aaO).
9
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Angeklagte wollte den Geschädigten E. einschüchtern und ihn dadurch dazu bringen, künftig außereheliche Beziehungen zu der Zeugin T. Ö. zu unterlassen und diese zu heiraten. Damit waren seine Ziele auf ein Verhalten des E. in einem Zeitraum gerichtet, zu dem dieser aus der Gewalt der beiden Angeklagten wieder entlassen sein würde. Aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts ergibt sich nicht, dass der Angeklagte erreichen wollte (und erreicht hat), dass E. bereits während der Bemächtigungssituation sich verbindlich zu seinem künftigen Verhalten gegenüber T. Ö. festlegt.
10
Auch soweit der Angeklagte dem E. eine nochmalige Entschuldigung für dessen bisheriges Verhalten und einen Handkuss als Respektbezeugung abverlangte, ist keine hinreichende Vorstufe des gewollten Enderfolgs - zukünftige Beziehungen zu T. Ö. - gegeben. Es fehlt insoweit bereits die erforderliche finale Verknüpfung zwischen der Bemächtigungslage und ihrer Ausnutzung zum Zwecke der Nötigung. Dem Angeklagten war nach den ausdrücklichen Feststellungen des Landgerichts bewusst, "dass dem Geschädigten E. die Aufforderung zur nochmaligen Entschuldigung und Respektbezeugung als Gelegenheit zur Besänftigung des Angeklagten Ö. willkommen war und dass E. ihr auch ohne zusätzliche Drohungen nachkommen würde." Insoweit wollte der Angeklagte daher schon nicht - was eine Nötigung voraussetzt - einen entgegenstehenden Willen des Geschädigten überwinden.
11
Damit erfüllt das Verhalten des Angeklagten nur die Tatbestände der tateinheitlich begangenen Freiheitsberaubung, Bedrohung und gefährlichen Körperverletzung.

III.

12
Die Revision des Angeklagten ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend genannten Gründen unbegründet. Herr VRiBGH Nack ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Kolz Hebenstreit Graf

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten (§ 330d Absatz 1 Nummer 4, 5, Absatz 2)

1.
ionisierende Strahlen freisetzt oder
2.
Kernspaltungsvorgänge bewirkt,
die geeignet sind, Leib oder Leben eines anderen Menschen, fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen oder erhebliche Schäden an Tieren oder Pflanzen, Gewässern, der Luft oder dem Boden herbeizuführen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Wer fahrlässig

1.
beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte, eine Handlung im Sinne des Absatzes 1 in einer Weise begeht, die geeignet ist, eine Schädigung außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs herbeizuführen oder
2.
in sonstigen Fällen des Absatzes 1 unter grober Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten handelt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 22/11
vom
12. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. August 2010 1. aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen 1, 3, 7 und 15 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, mit den zur Gefährdung anderer Personen, zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten Fahrzeuge und den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen ; die übrigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle durch den Angeklagten bleiben aufrecht erhalten;
b) mit den Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen 6 und 18 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; 2. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in den Fällen 10 und 11 einerseits sowie den Fällen 13 und 14 andererseits jeweils eines versuchten Betruges schuldig ist; 3. aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen 10, 11, 13 und 14 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in acht Fällen, Betruges in drei Fällen und versuchten Betruges in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und wegen überlanger Verfahrensdauer sechs Monate dieser Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen 1, 3, 7 und 15 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte zwar die Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs durch einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteile vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, und vom 22. Juli 1999 – 4 StR 90/99, NJW 1999, 3132). Der Straftatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt aber darüber hinaus voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Eine solche Gefährdung belegen die Urteilsgründe nicht.
4
aa) Die zu den einzelnen Unfällen getroffenen Feststellungen geben keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass in den genannten Fällen Leib und Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind. Das Urteil enthält insbesondere keine Angaben zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollision (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216), die Intensität des Aufpralls wird nicht mitgeteilt bzw. – im Fall 3 – als gering bezeichnet (UA 26: "leichter Anstoß“), und Verletzungen bei unfallbeteiligten Dritten sind ersichtlich nicht eingetreten.
5
bb) Auch die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist nicht hinreichend belegt. Hierbei ist über den Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich , dass der Sache von – im Urteil bereits nicht eindeutig festgestelltem – bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, StV 2008, 580; vgl. auch Fischer, StGB, 58. Aufl., § 315b Rn. 16), dessen Höhe nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215). Der maßgebliche Grenzwert lag im Tatzeitraum bei 1.500 DM (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BHGSt 48, 119; Beschluss vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83).
6
Der Senat kann weder anhand der mitgeteilten Schadensbilder noch aufgrund der Feststellungen zu den einzelnen Unfallabläufen beurteilen, ob den Fahrzeugen der Geschädigten in den vier Fällen infolge der vom Angeklagten provozierten Verkehrsunfälle ein Schaden von mindestens 1.500 DM drohte. Im Fall 1 liegt der tatsächlich entstandene Schaden mit 300 DM deutlich unter dieser Grenze, in den übrigen Fällen ist er nicht beziffert, wird aber vom Landgericht jeweils als "sehr gering“ (UA 61) bezeichnet und dürfte die Wertgrenze damit ebenfalls nicht erreichen. Zwar kann der tatsächlich eingetretene Schaden geringer sein als der für die Tatbestandsverwirklichung maßgebliche Gefährdungsschaden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, StV 2008, 580). Nach den mitgeteilten Schadensbildern (Fall 3: "geringfügiger Farbabrieb“, UA 27; Fall 7: "Lackabschürfungen und kleine Blechverformungen“ , UA 13; Fall 15: "Schaden am Kotflügel und der Stoßstange“, UA 20) liegt es indes eher fern, versteht sich aber jedenfalls nicht von selbst, dass ein bedeutender Schaden drohte (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83); auch die Feststellungen zum jeweiligen Unfallhergang geben hierfür nichts her. Insbesondere kann auf einen bedeutenden Schaden an den Fahrzeugen der Geschädigten nicht aus der Höhe der vom Angeklagten bei den gegnerischen Haftpflichtversicherungen für die Beschädigung der von ihm geführten Fahrzeuge betrügerisch erlangten oder geforderten Beträge geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, StV 2008, 580).
7
b) Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den genannten vier Fällen zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen, zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert und der insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen nach sich. Im Übrigen sind die Feststellun- gen zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle mit dem Ziel der Geltendmachung unberechtigter Schadenersatzansprüche und zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten frei von Rechtsfehlern ; sie können deshalb bestehen bleiben.
8
2. Die Annahme jeweils zweier (selbständiger) Taten des versuchten Betruges in den Fällen 10 und 11 einerseits sowie 13 und 14 andererseits hält rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand.
9
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte die gegnerische Haftpflichtversicherung in den Fällen 10 und 13 eine Regulierung des von dem Vater des Angeklagten als Halter des Unfallfahrzeugs jeweils geltend gemachten Schadens abgelehnt. Daraufhin brachte der Angeklagte "in weiterer Fortführung seines Tatplans“ (UA 16 bzw. 19) seinen Vater dazu, die gegen die Versicherung erhobenen Ansprüche im Klagewege geltend zu machen, was jedoch ebenfalls erfolglos blieb. Das Landgericht hat die außergerichtliche und die gerichtliche Geltendmachung jeweils als selbständige Taten des versuchten Betruges gewürdigt. Da aber beide Handlungen auf die Erlangung derselben Schadensersatzzahlung abzielten und der Angeklagte mit dem Betreiben des Zivilverfahrens seinen ursprünglichen Tatplan weiter verfolgte, liegt jeweils ein tateinheitlicher Betrugsversuch vor (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110; OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. Juli 2001 - 2 Ss 345/01, Justiz 2002, 132).
10
b) Die danach erforderliche Änderung des Schuldspruchs kann der Senat auch unter Berücksichtigung von § 265 StPO selbst vornehmen, da der Angeklagte sich gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
11
c) Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung der Einzelstrafen für die Fälle 10 und 11 sowie 13 und 14, da der Schuldumfang , der den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen zugrunde zu legen ist, jeweils neu zu bestimmen ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegenden Rechtsfehler dagegen nicht. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung von sechs Monate Freiheitsstrafe übersteigenden Einzelstrafen für die beiden Taten des versuchten Betruges wegen der sich ergebenden Erhöhung des Unrechtsgehalts nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 24. März 1999 – 3 StR 636/98, NStZ-RR 1999, 218; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 30). Es ist lediglich geboten, dass jeweils die Summe der beiden bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 – 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168).
12
3. Schließlich tragen die Feststellungen auch die Verurteilung wegen versuchten Betruges in den Fällen 6 und 18 der Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat – offenbar in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes – angenommen, dass eine Schadensregulierung durch die Versicherung nicht erfolgt ist, und die Taten deshalb nur als versuchten Betrug gewürdigt. Es hat nicht geprüft, ob der Angeklagte von diesem Versuch jeweils strafbefreiend zurückgetreten ist. Hierzu bestand jedoch nach den getroffenen Feststellungen Anlass. Anders als bei der erfolglosen gerichtlichen Geltendmachung in den Fällen 10/11 und 13/14 und bei der endgültigen Ablehnung der Zahl ung durch die Versicherung im Fall 16 liegt ein Fehlschlag des Versuchs, der die Möglichkeit eines Rücktritts ausschließt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690 m.w.N.), in diesen Fällen nicht auf der Hand. Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, ob es dem Angeklagten nach seiner Vorstellung noch möglich war, eine Schadensregulierung zu erreichen, er aber von sich aus von der weiteren Verfolgung seines Ziels Abstand genommen hat.
13
4. Als Folge der Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen entfällt auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten (§ 330d Absatz 1 Nummer 4, 5, Absatz 2)

1.
ionisierende Strahlen freisetzt oder
2.
Kernspaltungsvorgänge bewirkt,
die geeignet sind, Leib oder Leben eines anderen Menschen, fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen oder erhebliche Schäden an Tieren oder Pflanzen, Gewässern, der Luft oder dem Boden herbeizuführen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Wer fahrlässig

1.
beim Betrieb einer Anlage, insbesondere einer Betriebsstätte, eine Handlung im Sinne des Absatzes 1 in einer Weise begeht, die geeignet ist, eine Schädigung außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs herbeizuführen oder
2.
in sonstigen Fällen des Absatzes 1 unter grober Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten handelt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

7
b) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Ernemann in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 315b Rn. 5, 17). Eine solche über die abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausgehende konkrete Gefährdung wird von den bisherigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Strafkammer hat zwar festgestellt, dass der nicht angeschnallte Beifahrer M. sich infolge des Anstoßes von hinten mit den Händen am Armaturenbrett abstützen musste, um nicht gegen die Windschutzscheibe geschleudert zu werden. Diese Feststellung steht jedoch in einem nicht ohne weiteres auflösbaren Widerspruch zu der Wertung des Landgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung, wonach der Angeklagte B. das Fahrzeug des G. „zumindest einmal leicht von hinten“ gerammt habe. Nähere Feststellungen zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der verschiedenen Kollisionen und der jeweiligen Intensität der Anstöße zwischen den beteiligten Fahrzeugen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 667/11, NStZ 2012, 700, 701) hat die Strafkammer nicht getroffen. Auch das Schadensbild, das aus den durch Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Bestandteil der Urteilsgründe gewordenen Lichtbildern vom Fahrzeug des Zeugen G. ersichtlich ist, erlaubt keinen sicheren Schluss auf eine konkrete Leibesgefahr. Schließlich ist den Urteilsausführungen ein drohender, die Wertgrenze von 750 € (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215) erreichender Sachschaden ebenfalls nicht zu entnehmen, weil sich das Landgericht zum Wert des für den Gefahrenerfolg allein maßgeblichen Fahrzeugs des Zeugen G. – etwa zu Modell, Baujahr, Laufleistung oder Zustand – nicht verhält (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 4 StR 507/11, NZV 2012, 393).

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.