Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. März 2015 - 10 B 12.2280

bei uns veröffentlicht am20.03.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht München, 7 K 10.2352, 20.04.2011
nachgehend
Bundesverwaltungsgericht, 6 B 41/15, 06.11.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 12.2280

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 20. März 2015

(VG München, Entscheidung vom 20. April 2011, Az.: M 7 K 10.2352)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 510

Hauptpunkte: Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage - polizeiliche Maßnahmen - Einsatz wegen Ruhestörung - Nachschau nach verletzten Personen - Betreten und Verweilen in der klägerischen Wohnung - Fesselung der Kläger - Durchsuchung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch die Landesanwaltschaft B., L.-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen polizeilicher Maßnahmen;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. und 18. März 2015 am 20. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung der Nr. I des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird festgestellt, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Unter Abänderung der Nr. II des angefochtenen Urteils tragen die Kläger jeweils 3/8, der Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen Polizeieinsätze in ihrer früheren gemeinsamen Wohnung.

Die Kläger wohnten zusammen mit ihren drei Kindern von Oktober 2008 bis zum Jahr 2011 in M., T. Straße 214a. In dieser Wohnung kam es des Öfteren zu Polizeieinsätzen wegen Streitigkeiten innerhalb der Familie und Lärmbelästigungen der Nachbarn durch Familienmitglieder.

Am 11. Januar 2010 gegen 23.30 Uhr erging erneut ein Einsatzauftrag an die Polizei wegen eines lauten Familienstreits bei den Klägern. Dabei kam auch ein Unterstützungskommando (USK) zum Einsatz. Im Laufe der polizeilichen Maßnahme drangen die Polizeibeamten in die klägerische Wohnung ein. Im Wohnzimmer warf der Sohn M. L. der Kläger dann mit Gegenständen nach den Polizeibeamten und beleidigte sie. Daraufhin wurden die Kläger und der Sohn M. L. von der Polizei fixiert und gefesselt. Um eine Behinderung des M. L. nachzuweisen, wurden in einem Leitzordner Atteste gesucht. Schließlich wurden bei den Klägern und M. L. Atemalkoholtests durchgeführt. Der Sohn J. L. wurde in Gewahrsam genommen, auf die Polizeiinspektion gebracht und dort bis zum 12. Januar 2010 festgehalten. Der Einsatz in der Wohnung war am 12. Januar 2010 gegen 1.00 Uhr beendet.

Am 16. Mai 2010 erfolgte ein weiterer Polizeieinsatz in der Wohnung der Kläger. Grund hierfür waren erneut Beschwerden von Nachbarn, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, weil ihren Angaben zufolge bei der Familie der Kläger bereits den ganzen Tag geschrien und randaliert worden sei. Auch bei diesem Einsatz drangen Polizeibeamte in die Wohnung der Kläger ein.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 ließen die Kläger Klage erheben und beantragten festzustellen, dass das Eindringen in die Wohnung der Kläger, die Fesselung der Kläger und ihrer Kinder, die Durchsuchung ihrer Privatunterlagen sowie die Gewaltanwendung in ihrer Wohnung am „10. Januar 2010“ (gemeint ist offensichtlich der 11. Januar 2010) sowie das Eindringen und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 durch die Polizei rechtswidrig gewesen seien. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Kläger bewohnten eine Wohnung ohne ausreichende Lärmdämmung. Bereits seit längerem werde versucht, sie unter Mitwirkung der Polizei aus der Wohnung „herauszumobben“. Aufgrund der zunehmenden Häufung von Übergriffen durch Polizeibeamte und einer Androhung von weiteren Übergriffen sei es erforderlich, Feststellungsklage zu erheben, weil es keinen rechtfertigenden Grund gegeben habe, in die Wohnung einzudringen und sich darin aufzuhalten. Das Eindringen der Polizei in die Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen und stelle einen Hausfriedensbruch durch die Polizei dar. Zudem seien die Kläger und die Söhne der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund gefesselt worden. Auf den blinden Kläger sei mit einem Schlagstock eingeprügelt worden. Die Polizei habe ohne rechtliche Grundlage in den Privatunterlagen der Betroffenen „geschnüffelt“ und die Klägerin gewaltsam zu einem Alkoholtest gezwungen. Es habe sich insgesamt um einen klassischen Fall eines Überfalls durch Polizeibeamte außerhalb von rechtsstaatlichen Grenzen gehandelt. Die Kläger hätten Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben und Strafanzeigen gestellt. Am 16. Mai 2010 seien die Polizeibeamten wiederum gewaltsam in die klägerische Wohnung eingedrungen. Auch hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Die Rechtswidrigkeit des Einsatzes am 11. Januar 2010 und die Gewaltexzesse seien durch das beim Einsatz gefertigte Video der Polizei belegt. Allerdings sei es trotz der erheblich belastenden Aufnahmen nicht vollständig. Es seien nämlich mehr als zwei Minuten herausgeschnitten worden. Damit sei ein Beweismittel verfälscht worden.

Das Polizeipräsidium M. äußerte sich zur Klage wie folgt: Bei der Familie der Kläger habe es in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Einsätze gegeben. Die Familienmitglieder seien den Beamten als äußerst aggressiv bekannt. Aufgrund der gesammelten Erfahrungswerte bei vorausgegangenen Einsätzen (aufgelistet im Schreiben des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 [Bl. 92 der VG-Akte]), sei die Polizei von einem erhöhten Gefahrenpotential bei der Familie der Kläger ausgegangen und habe deshalb um Unterstützung durch Teilkräfte des USK gebeten, zumal nicht bekannt gewesen sei, wie viele Personen sich in der Wohnung aufhielten. Die Kläger seien zunächst gesprächsbereit gewesen und hätten die Polizeibeamten freiwillig in die Wohnung zur Nachschau gelassen. Anlass für die Nachschau sei gewesen, dass Handgreiflichkeiten beim Streit und die Verletzung von Personen nicht auszuschließen gewesen seien. Im Wohnungsflur habe es eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen mehreren Familienmitgliedern gegeben, deren Stimmung gegenüber den Beamten immer aggressiver geworden sei. Der Sohn J. L. sei zur Eigensicherung in das Schlafzimmer gebracht, dann aber wegen Bedrohungen gegen die Mitteiler in Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Im Wohnzimmer habe der Sohn M. L. die Polizeibeamten massiv beleidigt und bedroht. Nachdem er mit Gegenständen auf die Polizisten geworfen habe, habe man ihn und die Kläger, die sich dazwischen geworfen hätten, zu Boden gebracht und gefesselt. Die Klägerin habe dann die Polizeibeamten darauf hingewiesen, dass M. L. aufgrund einer geistigen Krankheit in Behandlung sei und POM Ri. gebeten, ein Gutachten über den Gesundheitszustand von M. L. zu suchen und durchzulesen. Der Beamte habe aber das Dokument nicht selbst gesucht, sondern den gesamten Ordner der Klägerin übergeben, die ihn dann durchsucht habe. Auch der Alkoholtest bei der Klägerin sei freiwillig erfolgt. Die gesamte Maßnahme sei rechtmäßig gewesen.

Der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 gegen 18.33 Uhr sei ebenfalls wegen Lärmbelästigung der Nachbarn erfolgt. Zwei Polizeibeamte seien zwar ohne Zustimmung der Kläger, aber auch ohne Gewaltanwendung in die Wohnung eingedrungen und hätten die Familienmitglieder gebeten, sich leiser zu verhalten. Dies habe jedoch keinen Erfolg gehabt; vielmehr seien die Polizeibeamten vom Sohn J. L. beleidigt worden. Nach Feststellung der Personalien der beteiligten Personen und nochmaligem Hinweis auf die Ruhestörung hätten die Polizeibeamten die Wohnung verlassen.

Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die an den streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen beteiligten Polizeibeamten seien allesamt gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 20. April 2011 ab. Diese sei zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, aber hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. unzulässig und bleibe im Übrigen in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 sowie am 16. Mai 2010 seien rechtmäßig gewesen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 (Az. 10 ZB 11.2277) ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß die Berufung zu.

Die zugelassene Berufung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verfahren weise mehrere Begleiterscheinungen auf, die ungeachtet der Rechtswidrigkeit der angefochtenen polizeilichen Maßnahmen bemerkenswert seien. So sei es ein besonderes Merkmal des Falles, dass ein Polizeibeamter, der persönlichen Kontakt zum USK habe, bereits mit Polizeieinsätzen gedroht habe. Zudem würden die Kläger und ihre Familienangehörigen regelmäßig nach Übergriffen von Polizeibeamten mit Strafanzeigen überzogen. Besonders gravierend sei, dass die Aussagen der USK-Beamten in den strafrechtlichen Verfahren in weiten Bereichen falsch seien. Dies werde durch das von der Polizei anlässlich des Einsatzes am 11. Januar 2010 gefertigte Einsatzvideo belegt, das keine Widerstandshandlungen der Kläger gegen Vollzugsbeamte zeige.

Der Polizeieinsatz vom 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen für einen USK-Einsatz nicht vorgelegen hätten und die Polizeibeamten die Wohnung der Kläger nicht hätten betreten dürfen. Sie seien weder zum Betreten aufgefordert worden noch habe es einen Grund für das Eindringen gegeben. Nach Art. 23 PAG bestehe nur ein eingeschränktes Recht, in der Nacht in eine Wohnung einzudringen. Der laut Einsatzvideo alleinige Einsatzgrund „Ruhestörung“ erlaube eine Einschränkung des durch Art. 13 GG besonders geschützten Rechts auf Unverletztlichkeit der Wohnung nicht. Spätestens nach der Aufforderung durch die Klägerin, die Wohnung zu verlassen, und dem Hinweis auf die Behinderung von M. L. hätten sich die Polizeibeamten zurückziehen müssen. Rechtswidrig seien auch die Angriffe der USK-Beamten auf die Kläger und deren Fesselung gewesen. Hierfür habe jeweils keine Rechtsgrundlage vorgelegen, zumal von der Klägerin und dem blinden Kläger keinerlei Gefahr ausgegangen sei. Sie hätten sich lediglich schützend vor ihren Sohn M. L. gestellt. Hätten die Polizeibeamten die Wohnung nach Aufforderung durch die Klägerin verlassen, wäre eine mögliche Gefährdung durch M. L. beseitigt gewesen und ein rechtmäßiger Zustand hergestellt worden. Auch die Fesselung des Sohnes M. L. sei nicht nachvollziehbar. Von dem behinderten und erkennbar überforderten Sohn M. L. sei ebenfalls keine Gefahr ausgegangen. Nach der Fesselung habe sich ein USK-Beamter auf die Klägerin gesetzt und deren Kopf in eine Matratze gedrückt. Ein anderer Beamter habe den Kläger auf den Kopf geschlagen. Für diese körperverletzenden Maßnahmen habe es ebenfalls keine Rechtfertigung gegeben. Schließlich hätten die Polizeibeamten die rechtswidrige Fesselung der Kläger ausgenutzt, um die Wohnung zu durchsuchen. Dies sei auf dem Einsatzvideo festgehalten. Die Passagen auf dem Einsatzvideo, die die rechtswidrige, wenn nicht sogar kriminelle Intention des Einsatzes belegen könnten, seien nachträglich herausgeschnitten worden. Hierin liege eine strafbare Urkundenfälschung bzw. Urkundenvernichtung.

Auch der Einsatz am 16. Mai 2010 sei rechtswidrig gewesen, da keine über Stunden anhaltende Lärmbelästigung vorgelegen habe. Man habe sich lediglich laut unterhalten. Aber auch eine Ruhestörung rechtfertige grundsätzlich nicht das Betreten einer Wohnung. Hinzu komme, dass die Beamten auch bei diesem Einsatz trotz des Abschlusses ihrer Ermittlungen in der Wohnung verblieben seien und diese nicht unverzüglich wieder verlassen hätten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wies er vorweg darauf hin, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anlässlich der streitgegenständlichen Maßnahme am 11. Januar 2010 zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Das Verfahren gegen die Klägerin sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Bei der Familie der Kläger handle es sich um eine polizeibekannte Familie, die durch aggressives Verhalten untereinander sowie gegen Mitbürger und Polizeibeamte auffalle und gegen die zahlreiche Strafverfahren gelaufen seien bzw. liefen. Mit dem in der Nachbarschaft lebenden Polizeibeamten hätten die Einsätze nichts zu tun. Vielmehr sei es bereits kurz nach dem Einzug der Kläger zu ersten Konflikten mit Nachbarn und deshalb zu Polizeieinsätzen gekommen. Beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 sei das USK zur Unterstützung angefordert worden, wie dies auch ansonsten in vergleichbaren Fällen gehandhabt werde. Die Beamten hätten die Wohnung auch rechtmäßig betreten. Da den Beamten bekannt gewesen sei, dass es in der Vergangenheit zu gegenseitigen körperlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie gekommen sei, habe die Gefahr bestanden, dass sich erneut eine Person in der Wohnung befinde, die Hilfe benötige. Bereits anlässlich eines Polizeieinsatzes am 23. Mai 2009 habe man eine unbekannte Person mit Verletzungen in der Wohnung gefunden, nachdem die Brüder M. L. und J. L. mit der Klägerin und dieser Person in Streit geraten seien und sich geschlagen hätten. Die Fesselung des Sohnes M. L. sei erfolgt, weil dieser die Beamten auf übelste Weise beschimpft habe und diese eine Eskalation hätten verhindern wollen. M. L. habe zudem nach einem Beamten getreten und einen anderen mit Gegenständen beworfen. Die Kläger, die versucht hätten, die Polizei daran zu hindern, gegen M. L. einzuschreiten, hätten damit rechtmäßige Vollstreckungshandlungen erschwert, sich dadurch strafbar gemacht und zudem ihrem Sohn M. L. einen weiteren Handlungsspielraum verschafft, um erneut Gegenstände in Richtung der Polizeibeamten zu werfen. Dass der blinde Kläger angeblich lediglich mit den Armen gerudert habe, sei durch die Aussagen der Polizeibeamten im Strafverfahren gegen den Kläger widerlegt. Die Beamten hätten auch weder gewusst noch bemerkt, dass der Kläger blind ist. Körperverletzende Maßnahmen hätten die Beamten nicht ergriffen. Wegen der Erforderlichkeit eines schnellen Handelns sei die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich gewesen. Es sei abzusehen gewesen, dass die Kläger einem Verwaltungsakt in Form einer Unterlassungsverfügung keine Folge geleistet hätten. Entgegen der Ansicht der Kläger habe weder eine Wohnungsdurchsuchung noch eine Durchsuchung der privaten Unterlagen der Klägerin stattgefunden. Vielmehr habe diese in dem ihr übergebenen Ordner selbst nach einem bestimmten Dokument gesucht.

Auch der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 sei rechtmäßig gewesen, denn aufgrund der belegten anhaltenden Lärmbelästigung der Nachbarn während des ganzen Sonntags habe eine gegenwärtige Gefahr für deren Gesundheit bestanden. Da die Beamten von einer Gefahrenlage in der Wohnung ausgegangen seien, habe die Nachschau auch der Ermittlung gedient, ob verletzte Personen anwesend und Rettungsmaßnahmen zu ergreifen seien. Hierfür hätten objektiv ausreichende Anhaltspunkte vorgelegen. Die Beamten selbst hätten deutliches Geschrei und lautes Gepolter in der Wohnung vernommen. Sobald die Beamten festgestellt hätten, dass keiner der Anwesenden ihre Hilfe benötige, und sie die Familienmitglieder zur Ruhe aufgefordert hätten, hätten die Beamten die Wohnung unverzüglich verlassen.

In der mündlichen Verhandlung am 2. und 18. März 2015 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Niederschriften, insbesondere über die Aussagen der vernommenen Zeugen, wird Bezug genommen, ebenso auf die beigezogenen Strafakten zu Verfahren gegen die Kläger, ihre Söhne und gegen an den Maßnahmen beteiligte Polizeibeamte sowie auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die gegen polizeiliche Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 gerichtete Klage der Kläger (dazu 1.) zu Recht im Wesentlichen als zulässig erachtet (2.). Die Berufung ist insoweit begründet, als antragsgemäß festzustellen ist, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen (3.).

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von den Klägern erhobene Klage, mit der sie die Feststellung begehren, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren. Demgegenüber sind der am 12. Januar 2010 im Zusammenhang mit den oben genannten polizeilichen Maßnahmen bei der Klägerin durchgeführte Alkoholtest einschließlich ihres Verbringens in das Polizeiauto und die Gewahrsamnahme des Sohnes J. L. am selben Tag nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

2. Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der danach streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen gerichtete Klage der Kläger ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, soweit sie eigene Rechte betrifft. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. ist sie, wovon bereits das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, jedoch unzulässig.

2.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Es kann letztlich offen bleiben, ob man die streitbefangenen Maßnahmen, die von den Klägern als polizeiliche „Übergriffe“ beanstandet werden, jeweils als eigenständige polizeiliche Verwaltungsakte mit entsprechendem Regelungsgehalt (etwa des befehlenden Inhalts, diese Maßnahmen oder Beschränkungen zu dulden) im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG oder als (bloße) auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtete Realakte im Rahmen des polizeilichen Handelns einstuft (vgl. Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Auflage 2014, Art. 12 POG Rn. 53 ff.; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, E Rn. 22 ff.).

Denn in jedem Fall, also sowohl mit der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch mit der allgemeinen Feststellungsklage, ist ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) der bereits vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen gewährleistet.

2.2. Die Kläger haben ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen sie selbst gerichteten streitgegenständlichen Maßnahmen dargetan.

2.2.1. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits vollzogener und damit erledigter (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt unabhängig von der hier statthaften Klageart jedenfalls bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B. v. 13.12.2005 -2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36; BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei derart schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B. v. 5.12.2001 a. a. O.).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Während der polizeilichen Maßnahmen in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 konnten sie keinen gerichtlichen Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen erreichen. Eine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung durch die streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen wie insbesondere das Betreten der Wohnung zur Nachtzeit und die Fesselung der Kläger ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kläger berufen sich insoweit auf die Verletzung ihrer Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG wegen der diskriminierenden Wirkung der polizeilichen Maßnahmen, auf ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG hinsichtlich der Fesselung und der behaupteten Gewaltanwendung sowie auf ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Betreten und Verweilen der Polizisten in ihrer Wohnung und die behauptete Durchsuchung.

Dahinstehen kann deshalb, ob daneben eine das berechtigte Interesse für eine allgemeine Feststellungsklage ebenfalls möglicherweise begründende Wiederholungsgefahr anzunehmen ist. Dafür sprach zunächst einiges, da die Kläger in ihrer Wohnung in M. häufig Anlass zu polizeilichen Maßnahmen gegeben haben. Andererseits sind die Kläger inzwischen nach N. verzogen. Dortige Vorfälle sind dem Senat weder bekannt noch wurden solche vom Beklagten vorgetragen.

2.2.2. Auch wenn man die von den Klägern angegriffenen gegen sie gerichteten polizeilichen Maßnahmen nicht als Realakte, sondern als polizeiliche Verwaltungsakte ansehen würde, hätten die Kläger ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für ihr Klagebegehren. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 20.4.1994 - 11 C 60.92 - juris Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Rn. 129 zu § 113 VwGO) genügt dafür jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Im vorliegenden Fall kann den Klägern das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rehabilitationsinteresse nicht abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein schutzwürdiges ideelles Feststellungsinteresse auch in Betracht kommen, wenn die jeweils in Frage stehende Maßnahme die Kläger objektiv in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich tiefgreifend beeinträchtigt hat, die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich aber nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1999 - 1 C 12.97 - juris Rn. 13). Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris Rn. 21).

2.3. Die Klage erweist sich jedoch insoweit als unzulässig, als die Kläger auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. erreichen wollen. Denn ebenso wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist das Bestehen einer Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nach allgemeiner Auffassung Sachurteilsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 125) und auch bei der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist die Betroffenheit einer eigenen Rechtsposition des Klägers erforderlich (zur entspr. Anwendbarkeit von § 42 Abs. 2 VwGO vgl. z. B. BVerwG, NVwZ 2008, 423 Rn. 14). Mit ihrem Klageantrag, die Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. festzustellen, machen die Kläger aber die Rechtsposition des M. L. geltend bzw. die Verletzung von dessen Rechten.

Das Argument der Kläger, sie hätten deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil ihr am 24. Mai 1992 geborener Sohn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen noch nicht volljährig war, greift dagegen nicht. Denn auch ein minderjähriges Kind besitzt eine eigene Klagebefugnis für die Geltendmachung der Verletzung seiner Rechte; es wird in diesen Fällen lediglich durch seine Eltern gesetzlich vertreten. Eine eigene Klage hat M. L. aber nicht erhoben. Der Klageantrag vom 19. Mai 2010 ist insoweit eindeutig (s. § 82 Abs. 1 VwGO). Kläger sind danach nur die Eltern von M. L., nicht aber auch deren Kinder, für die zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung beantragt worden ist, wobei ohnehin nur M. L. tatsächlich gefesselt wurde. M. L. hat auch später keine Klage erhoben. Der Klageantrag ist auch nicht entsprechend erweitert worden.

2.4. Der Klagebefugnis der Kläger hinsichtlich des Betretens und Verweilens der Polizei in der Wohnung steht nicht entgegen, dass sie nicht Eigentümer der von ihnen bewohnten Wohnung waren. Sie sind nämlich auch als Mieter klagebefugt, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eindringens und Verweilens in ihrer Wohnung am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 begehren. Träger des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG, das sie durch die polizeilichen Maßnahmen verletzt sehen, ist nämlich jeder Bewohner oder Inhaber eines Wohnraums ohne Rücksicht darauf, auf welchen Rechtsverhältnissen sein Wohnen oder Wirken in diesem Raum beruht (vgl. Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 2014, Art. 13 Rn. 12). Daher ist auch der Mieter, der berechtigt in der Wohnung wohnt, befugt, eine Verletzung dieses Grundrechts geltend zu machen. Dass die Kläger im Zeitpunkt der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen rechtmäßige Mieter der Wohnung T. Straße 214a in M. waren, ist unstrittig.

3. Die Berufung ist begründet, soweit die Kläger die Aufhebung bzw. Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem Umfang begehren, in dem das Verwaltungsgericht die Klage bezüglich ihrer Fesselung während des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 abgewiesen hat. Im Übrigen hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.

3.1. Das Betreten der Wohnung der Kläger durch die beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 beteiligten Polizeibeamten erfolgte rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese polizeiliche Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397), zuletzt geändert durch § 1 ÄndG vom 24. Juni 2013 (GVBl S. 373).

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 StPO) das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 PAG bestimmt, dass die Wohnung die Wohn- und Nebenräume umfasst.

3.1.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG liegen vor.

3.1.1.1. Die Wohnung der Kläger ist am 11. Januar 2010 von Polizeibeamten betreten worden. Dies steht zweifelsfrei fest und wird auch vom Beklagten nicht bestritten.

Eine Durchsuchung der Wohnung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG ist demgegenüber nicht erfolgt. Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1974 (I C 17.73 - juris) meinen, die Suche nach Verletzten in einer Wohnung sei rechtlich eindeutig als Durchsuchungsmaßnahme zu werten, greift dieser Durchsuchungsbegriff zu kurz. Denn nach dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O. juris Rn. 16) ist kennzeichnend für die Durchsuchung das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, etwas nicht klar zu Tage liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann. Demgemäß macht die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer „Durchsuchung“. Denn die „Durchsuchung“ umfasst als zweites Element neben dem Betreten der Wohnung die Vornahme von Handlungen in den Räumen (vgl. BVerwG, U. v. 25.8.2004 - 6 C 26.03 - juris Rn. 24). Daran fehlt es aber hier. Die Polizisten, die wegen der Lärmentwicklung in der Wohnung befürchteten, dort sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und in der Wohnung befänden sich womöglich verletzte hilfebedürftige Menschen, wollten nicht plangemäß bestimmte Personen aufspüren und dabei Handlungen vornehmen, wie z. B. das Öffnen von Behältnissen oder Wegschieben von Möbeln etc., sondern sie wollten sich lediglich durch eine sogenannte „Nachschau“ vergewissern, dass alle in der Wohnung befindlichen Personen wohlauf sind. Dass sie dabei auch Türen zu Nebenräumen öffneten (vgl. die Aussage des Zeugen T., wonach dieser die Tür zum Badezimmer in der Wohnung geöffnet hat, um dort womöglich befindliche Personen zu kontrollieren), diente lediglich zum Betreten des jeweiligen Raumes und nur zur Nachschau, ob sich dort verletzte Personen befinden. Die Polizei wollte also gerade nicht die Wohnung nach einer Person durchsuchen, sondern nur den (gesundheitlichen) Zustand der in der Wohnung angetroffenen Personen feststellen bzw. überprüfen (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 29). Demgegenüber wäre dann von einer Durchsuchung zu sprechen, wenn die Polizei nach einer bestimmten Person gesucht hätte, von der sie konkrete Anhaltspunkte gehabt hätte, dass sie sich in der Wohnung aufhält und die Wohnungsinhaber dies zu verbergen trachten (vgl. zum funktionalen oder deskriptiven Durchsuchungsbegriff: Zeitler, ZAR 2014, 365 ff.). Beides war aber in der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 nicht der Fall.

3.1.1.2. Ob die Polizeibeamten am 11. Januar 2010 die Wohnung der Kläger zunächst ohne deren Einwilligung betreten haben oder ob die Polizeibeamten zumindest von einem der beiden Kläger in die Wohnung eingelassen worden sind, konnte auch durch die Vernehmung der an diesem Tag vor Ort im Einsatz befindlichen Polizisten nicht geklärt werden.

Da sowohl der Kläger als auch die Klägerin als rechtmäßige Mieter Inhaber der Wohnung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG waren, also die tatsächliche Gewalt über die Wohnung hatten, und jeweils in das Betreten der Wohnung einwilligen oder den Polizisten das Betreten untersagen konnten (vgl. Nr. 23.4 Vollz. B.ek zu Art. 23 PAG), hätte zumindest einer der beiden in das Betreten ihrer Wohnung einwilligen müssen. Jedoch bestreiten sowohl die Klägerin als auch der Kläger vehement, die Polizisten freiwillig in die Wohnung eingelassen zu haben. Demgegenüber sagte nur der Zeuge Ri. aus, die Klägerin hätte ihm und seinen Kollegen das Betreten der Wohnung erlaubt, nachdem sie ihr erklärt hätten, warum sie in die Wohnung wollten. Die anderen in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 hierzu vernommenen Zeugen konnten sich nicht mehr daran erinnern, ob sie von der Klägerin in die Wohnung eingelassen wurden oder nicht.

Letztendlich bedarf es aber keiner endgültigen Klärung der Frage, ob eine Einwilligung eines der Kläger vorlag, denn selbst wenn den Polizisten das Betreten der Wohnung gestattet worden wäre, wurde diese Einwilligung bereits wenig später widerrufen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem über den Einsatz am 11./12. Januar 2010 gefertigten und bei den Gerichtsakten befindlichen Einsatzvideo des Beklagten, das mit Einverständnis der Parteien vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 zu Beweiszwecken herangezogen und angesehen wurde. Auf dem Video ist, kurz nachdem mehrere Einsatzkräfte durch die Wohnungstür in den Flur und in das Wohnzimmer der klägerischen Wohnung eingedrungen sind, die Stimme der Klägerin zu hören, die laut und deutlich ruft: „Raus aus meiner Wohnung.“ Spätestens ab diesem Zeitpunkt erfolgte das Betreten der Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber.

3.1.1.3. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG ist das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Inhaber durch die Polizei dann rechtmäßig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Der Senat ist aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere der umfangreichen Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Polizei im Zeitpunkt des Betretens der klägerischen Wohnung am 11. Januar 2010 um ca. 23.30 Uhr zutreffend von einer solchen Gefahrenlage ausgegangen ist.

Das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber ist nicht bereits bei jeder denkbaren Gefahr zulässig, sondern nur zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG genannten Rechtsgüter. Dabei bedeutet eine Gefahr für „Leib“ einer Person eine Gefahr für die Gesundheit, wobei jeder Gesundheitsschaden genügt. Er braucht weder besonders schwer noch besonders langandauernd sein (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 22). Hinzukommen muss, dass die Gefahr, die abgewehrt werden soll, gegenwärtig ist. Dies ist dann der Fall, wenn das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder doch so unmittelbar bevorsteht, dass mit seinem Eintritt jederzeit zu rechnen ist (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Rn. 21).

Davon ausgehend bestand die gegenwärtige Gefahr, dass sich in der Wohnung der Kläger nach den langandauernden und lauten Streitereien am Abend des 11. Januar 2010 zum einen verletzte und hilfsbedürftige Personen befanden und zum anderen durch die erhebliche Ruhestörung durch die Kläger die Gesundheit der Nachbarn ernsthaft beeinträchtigt und womöglich geschädigt wurde. Maßgeblich für die danach anzustellende Gefahrenprognose sind die konkreten Verhältnisse bzw. Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Maßnahme (ex-ante-Betrachtung).

Den polizeilichen Maßnahmen gingen erhebliche Lärmbelästigungen durch die Familie der Kläger voraus, die einen Mitbewohner veranlasst haben, am späten Abend die Polizei zu informieren und um Hilfe zu bitten. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015 vom Beklagten vorgelegten Ausdruck des „ZEUS-Programms“ über den streitgegenständlichen Polizeieinsatz ist dieser Anruf dokumentiert. In Verbindung mit einer Abfrage bei der polizeilichen Datei „igweb 23“, wonach es bereits ein halbes Jahr zuvor einen Familienstreit gegeben hat und Familienmitglieder Straftaten, unter anderem Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung begangen haben, ist die zuständige Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium München in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass sich womöglich verletzte Personen in der Wohnung befinden und deshalb eine Nachschau erforderlich ist. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2015 glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Zudem ergibt sich aus den beigezogenen Strafakten, dass ein Strafverfahren gegen den Sohn der Kläger, M. L., wegen Beleidigungen und Bedrohung nach § 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG wegen Zweifels an seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit mit Beschluss des Amtsgerichts M. (1022 Ds 462 Js 301781/09) vom 20. Oktober 2009 eingestellt worden ist. Am 24. Oktober 2008 hat die Klägerin im Streit einem Nachbarn angeblich auf den Kopf geschlagen; ein diesbezügliches Strafverfahren wurde auf den Privatklageweg verwiesen (ebenfalls Beschl. des Amtsgerichts M. v. 20.10.2009, 1022 Ds 462 Js 307498/09). Am 23. Mai 2009 kam es in der Wohnung der Kläger zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Brüdern M. L. und J. L. mit gegenseitigen Schlägen. Die Schlägerei konnte erst durch einen Polizeieinsatz beendet werden. Schließlich zeigt auch die Übersicht des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 (Bl. 92 der Akten des VG) ein erhebliches Aggressionspotential bei allen Familienmitgliedern der Kläger auf. Denn daraus sind im Zeitraum 17. Oktober 2008 bis 2. März 2011 insgesamt 23 polizeiliche Einsätze bei den Klägern ersichtlich, die allesamt auf Streitigkeiten sowohl innerhalb der Familie als auch mit dritten Personen beruhten und die den Rahmen üblicher Streitigkeiten erheblich sprengten. Neben der Aufzählung von üblen Beleidigungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen werden die Streitigkeiten als „lautstark“, „heftig“, „sehr laut“ und „eskaliert“ bezeichnet, die Stimmung als „explosiv“. Der Sohn M. L. der Kläger wurde seit dem 16. Februar 2009 zwei Jahre lang wegen verschiedener Delikte, darunter mehrfache (gefährliche) Körperverletzung, polizeilich beobachtet (vgl. Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. v. 9.11.2011 zur Zulassungsbegründung der Kläger, Bl. 47 der VGH-Akte). Frühere Einsätze wegen massiver Lärmbelästigung durch die Kläger bestätigte schließlich der Zeuge P., der die Familie der Kläger von diesen Einsätzen her kennt.

Die Gefahr für Leib und Leben einer Person in der Wohnung der Kläger war auch gegenwärtig und nur durch eine sofortige Nachschau abzuwehren. Denn die Polizei hatte keine gesicherten Angaben über die Anzahl der Personen in der Wohnung, die Art des Streits und über mögliche Verletzte. Es galt, eine etwaige verletzte Person zu bergen und der ärztlichen Betreuung zuzuführen und zugleich die vermuteten Streitigkeiten in der Familie oder mit Dritten zu schlichten.

Der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung der Kläger durch die Polizei steht nicht entgegen, dass in der Wohnung tatsächlich keine verletzten Personen oder Hilfsbedürftige aufgefunden wurden. Denn auch eine solche Anscheinsgefahr rechtfertigt ein Einschreiten der Polizei. Eine Anscheinsgefahr ist nämlich immer dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der polizeilichen Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt. Die Anscheinsgefahr steht einer tatsächlich vorliegenden konkreten Gefahr gleich (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 11 Rn. 41). Aufgrund der aus der Wohnung dringenden Geräusche, die auf Streitigkeiten zwischen den in der Wohnung befindlichen Personen hindeuteten, konnte ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass es aufgrund des Streits womöglich auch zur Begehung von Straftaten wie Körperverletzungsdelikten gekommen war und sich eine hilfsbedürftige Person in der Wohnung befand.

Eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit („Leib“) von Menschen, insbesondere unmittelbare Nachbarn, stellte im Übrigen aber auch der erhebliche Lärm dar, den die Kläger zur Nachtzeit verursachten. Auch wenn nicht jede Ruhestörung und Lärmentwicklung zu einer Gesundheitsgefahr für andere führt, ist ein den üblichen Rahmen erheblich übersteigendes Lärmen geeignet, die Gesundheit der umwohnenden Nachbarn nachhaltig zu beeinträchtigen, wenn diese aufgrund der Störung ihrer Nachtruhe keinen Schlaf finden und dies auch noch häufiger vorkommt (vgl. VG München, U. v. 24.10.2011 - M 17 K 99.5345 - juris Rn. 21; VG Chemnitz, U. v. 30.11.2009 - 3 K 431/09 - juris Rn. 19; vgl. auch Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 654). Dabei spielt es keine Rolle, ob die störenden Mitbewohner sich „nur“ laut unterhalten oder telefonieren oder ob sie streiten. Ebenfalls irrelevant ist, ob die Wohnung wie bei den Klägern hellhörig ist und keine richtige Wohnungstür, sondern nur eine Zimmertür als Zugang zur Wohnung besitzt. Denn von ihnen als den Verursachern des Lärms ging die Gefahr aus, die den Polizeieinsatz erforderlich machte, und nicht von dem Zustand ihrer Wohnung.

Sowohl den Einsatzgrund „verletzte Person in der Wohnung der Kläger“ als auch den Einsatzgrund „erhebliche Ruhestörung“ haben die einvernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt. So hat der für den Einsatz bei den Klägern verantwortliche P. ausgesagt, als Einsatzgrund sei von der Zentrale „Ruhestörung“ angegeben worden. Andere Zeugen geben als Einsatzgrund „überlauten Streit“ bzw. „Streit“ oder „Familienstreit“ an (z. B. die Zeugen W., Ri., Go., Gr.). Der Zeuge P. hat darüber hinaus bei Ankunft vor der Wohnung der Kläger den Eindruck eines lautstarken Streits in der Wohnung gehabt, was für ihn entscheidend dafür war, die Wohnung zum Zwecke der Nachschau und zur eventuellen Feststellung von verletzten Personen zu betreten. Den Einsatzgrund „Feststellung von geschädigten oder verletzten Personen“ hat auch der Zeuge Ro. genannt. Auch der Zeuge Gr. bestätigte ein erhebliches Geschrei der Kläger in ihrem Wohnzimmer. Seiner Erinnerung nach war der Einsatzzweck „Familienstreit“. An den überlauten Lärm in der klägerischen Wohnung konnte sich auch der Zeuge Go. erinnern, der als Einsatzgrund ebenfalls „Streitigkeiten“ angab. In seiner (zeitnahen) Stellungnahme zur Anzeige gegen die Klägerin hatte der Zeuge T. als Einsatzgrund außerdem „randalierende Person“ angegeben (Bl. 255 der Akten des Beklagten).

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass aus der Wohnung der Kläger unmittelbar vor dem Polizeieinsatz tatsächlich erheblicher Lärm in den Hausflur drang und dies ebenso wie die Nachschau nach verletzten Personen ein berechtigter Grund für das Betreten der Wohnung war und dass es sich nicht etwa um eine Verschwörung Dritter gehandelt hat, wie die Kläger mutmaßen.

Als weiterer möglicher Einsatzgrund kommen die gefährliche Körperverletzung durch M. L. (Werfen mit Gegenständen auf die Polizeibeamten) sowie die Drohungen des J. L. gegen den anzeigenden Nachbarn hinzu. Allerdings kam es zu dem Verhalten der Söhne der Kläger erst nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizei. Sie waren nicht von Anfang an ursächlich, sondern führten später zu einem womöglich längeren Verbleiben der Polizei in der Wohnung (dazu 3.2.).

3.1.1.4. Das Betreten der klägerischen Wohnung war trotz der zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahme herrschenden Nachtzeit zulässig.

Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist das Betreten einer Wohnung während der Nachtzeit in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig.

Die Nachtzeit umfasst nach § 104 Abs. 3 StPO, der hier Anwendung findet, im Winterhalbjahr (1.10. bis 31.3.) die Zeit von 9.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens, also auch die Zeit von ca. 23.30 Uhr am 11. Januar bis ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010, in der der streitgegenständliche Polizeieinsatz stattfand. Dass die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 PAG vorlagen und insbesondere das Betreten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich war, wurde oben bereits ausgeführt (vgl. 3.1.1.3.).

3.1.2. Mit dem Betreten der klägerischen Wohnung im Zuge des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 hat die Polizei nicht gegen den für alle staatlichen Maßnahmen geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. Art. 4 PAG) verstoßen. Die mögliche Maßnahme des Betretens der Wohnung gegen den Willen der Kläger war geeignet (dazu 3.1.2.1.), erforderlich (dazu 3.1.2.2.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.1.2.3.).

3.1.2.1. Dass das Betreten der Kläger geeignet war, gegebenenfalls verletzten Personen Hilfe zu leisten und für eine Beilegung der lautstarken Streitigkeiten innerhalb der Familie zu sorgen, versteht sich von selbst und wird auch von den Klägern nicht bestritten.

3.1.2.2. Das Betreten der Wohnung war auch erforderlich (Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 PAG). Danach hat die Polizei von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am Wenigsten beeinträchtigt (Art. 4 Abs. 1 PAG).

3.1.2.2.1. Das Betreten der Wohnung war sowohl zur Nachschau nach verletzten Personen als auch zur Beilegung der Streitigkeiten der Kläger grundsätzlich erforderlich. Das Vorbringen der Kläger, die Polizei dürfe auch bei Ruhestörungen durch Lärm eine Wohnung nicht einfach betreten, sondern sie müsse zunächst einmal zur Ruhe auffordern, was hier nicht geschehen sei, greift nicht, denn die Kläger selbst haben bei ihrer Anhörung durch den Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 ausgesagt, der Kläger sei zunächst vor die Wohnungstür gegangen und sollte dort „die Sache mit der Polizei“ klären. Eine solche Unterredung des Klägers im Hausflur vor der klägerischen Wohnungstür haben verschiedene Zeugen bestätigt (so auch der Zeuge P., der mit dem Kläger gesprochen hat). Dieses Gespräch brachte aber offensichtlich nicht den erwünschten Erfolg, denn während dessen Verlauf ging der lautstarke Streit in der Wohnung weiter (vgl. die Aussage des Zeugen P.). Auch die Antwort des Klägers auf die Frage, ob es Verletzte in der Wohnung gebe, es sei alles in Ordnung, konnte angesichts des im Hintergrund hörbaren lautstarken Streits den Verdacht, in der klägerischen Wohnung befänden sich womöglich verletzte und hilfebedürftige Personen, nicht ausräumen, zumal der Kläger selbst das vom Zeugen P. geschilderte Gespräch nicht bestätigt, sondern erklärt hat, sich an eine solche Frage (nach Verletzten) nicht erinnern zu können. Auch der Lärm, der von den Streitereien der Personen in der Wohnung ausging, war allein durch das Gespräch des Polizeibeamten P. mit dem Kläger vor der Wohnungstüre der Kläger nicht abzustellen. Vielmehr zeigte sich, dass es für die Polizei erforderlich war, direkt mit den lärmenden Personen in der klägerischen Wohnung zu sprechen und sie anzuhalten, ruhiger zu sein.

In Zusammenschau mit den polizeilichen Erkenntnissen über die Familie der Kläger und die früheren Polizeieinsätze war das Betreten der klägerischen Wohnung daher erforderlich. Andere weniger beeinträchtigende Maßnahmen waren tatsächlich nicht möglich oder von vorneherein nicht geeignet (z. B. Beendigung der Ruhestörung durch ein Gespräch nur mit dem Kläger).

3.1.2.2.2. Erforderlich zur polizeilichen Gefahrenabwehr war nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht nur das Betreten der klägerischen Wohnung an sich, sondern auch das Betreten der Wohnung durch eine Polizeistreife zusammen mit einer zur Unterstützung des Einsatzes zum Einsatzort beorderten USK-Einheit.

Das Erforderlichkeitsprinzip, also das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs, erfordert nicht nur, dass die Maßnahme selbst das mildeste wirksame Mittel darstellt, um mögliche Gefahren abzuwehren, sondern auch, dass der Umfang der Maßnahme erforderlich in diesem Sinne ist. Dies war hier der Fall.

Anlässlich des Polizeieinsatzes bei den Klägern am 11./12. Januar 2010 sind nicht nur die zunächst informierten beiden Beamten einer Polizeistreife, sondern eine zusätzlich angeforderte USK-Einheit zur Wohnung der Kläger gefahren und in diese eingedrungen. Während die Kläger der Auffassung sind, die USK-Einsatzkräfte hätten sich für den betreffenden Einsatz am 11. Januar 2010 selbst aufgedrängt, womöglich im Zusammenwirken mit einem ebenfalls einer USK-Einheit angehörenden Nachbarn, mit dem die Kläger Streit hatten, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Teilnahme einer USK-Einheit am streitgegenständlichen Einsatz der Polizei zu Recht und außerdem formal ordnungsgemäß angeordnet worden ist.

Der für den Einsatz verantwortliche Polizeibeamte P. hat in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 glaubhaft und überzeugend dargelegt, dass er aus nachvollziehbaren Gründen nicht ohne Unterstützung zur Wohnung der Kläger fahren wollte. Dies war zum einen der Umstand, dass der ihn begleitende Kollege seinerzeit lediglich Praktikant war und ihm daher die Erfahrung für einen solchen Einsatz fehlte, und zudem die ihm bekannte örtliche Situation bei den Klägern. Er hat weiter glaubhaft geschildert, dass der Einsatz von Verstärkungskräften auch bei Ruhestörungen oder Streitigkeiten möglich ist und er selbst bereits früher einmal zur Wohnung der Kläger mit (anderweitiger) Verstärkung gefahren ist. Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der Zeuge P. die Verstärkung nicht selbst angefordert hat, weil dies bereits im Rahmen des Einsatzauftrags durch die Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. veranlasst war. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015, in der anhand eines Einsatzprotokolls (ZEUS-Programm-Ausdruck), das dazu dient, den Polizeieinsatz zeitlich nachvollziehbar darzustellen, der Ablauf des Einsatzes von der Benachrichtigung des Nachbarn über die Ruhestörung bei den Klägern bis zum tatsächlichen Beginn des Einsatzes an der Wohnung der Kläger ausführlich geschildert wurde. Danach wurde im Polizeipräsidium nach Eingang des Anrufs des Nachbarn der Kläger über den Streit in deren Wohnung zunächst eine „igweb23“-Abfrage gestartet, die einen Eintrag über den Familienstreit am 26. August 2009 und über mehrere von den Klägern und ihren Söhnen begangene Strafdelikte enthielt. Danach beorderte die Einsatzzentrale zunächst die Polizeistreife und unmittelbar danach die USK-Einheit zur Wohnung der Kläger.

Angesichts der besonderen Umstände, die vor dem tatsächlichen Einsatz in der klägerischen Wohnung bekannt wurden, hat der Beklagte die Hinzuziehung des Unterstützungskommandos zu Recht als erforderlich erachtet. Nachdem bereits mehrere Polizeieinsätze bei der Familie der Kläger wegen Streitigkeiten erfolgt waren, war es nicht zuletzt wegen der im „igweb23“ verzeichneten Daten sachgerecht, nicht nur die beiden Streifenpolizisten in die Wohnung der Kläger zu schicken, zumal einer der beiden als Praktikant nicht die erforderliche Erfahrung hatte, mit mehreren, vermutlich aggressiven Personen in entsprechender Weise umzugehen, sondern eine USK-Einheit zur Unterstützung hinzuziehen. Hinzu kommt, dass vor dem Betreten der Wohnung bereits zu erkennen war, dass es sich bei den Klägern nicht nur um eine „normale“ Ruhestörung handelte, sondern wegen des lauten Geschreis von Streitigkeiten mit womöglich verletzten Personen ausgegangen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt war insbesondere nicht klar, ob und wie viele Personen in der Wohnung waren. Rückschlüsse aus dem Lärmen und Schreien ließen allerdings bereits erkennen, dass sich in der Wohnung nicht nur zwei Leute aufhielten, sondern dass von mehreren womöglich aggressiven Personen ausgegangen werden musste. Die Polizei wusste auch nicht, mit welchen Aggressionen sie zu rechnen hatte. Bei der Anforderung der USK-Einheit gab es noch keine präzisen Angaben zu der Anzahl der Personen in der Wohnung, zur Art des Streits und zu möglichen Verletzten. Es war daher Vorsorge zu treffen, dass ausreichend Beamte für den Einsatzzweck, insbesondere zur Behebung der Streitigkeiten und der Beschwichtigung der aufgeheizten Stimmung in der Wohnung sowie zur Hilfeleistung für womöglich verletzte Personen, vor Ort waren. Aber auch der Gedanke des Eigenschutzes spielt bei der Einsatzstärke im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Polizei ist nicht gezwungen, sich selbst in Gefahr zu begeben. Es waren daher ausreichend Polizeibeamte an der Maßnahme zu beteiligen, um sowohl eine größere Anzahl von Personen - auch im Falle einer Eskalation - notfalls überwältigen zu können - die Polizei geht nach Aussage des Beklagten von zwei Beamten pro Person aus - und auch um gleichzeitig mehrere Räume in der Wohnung überprüfen zu können (vgl. auch die Aussagen der Zeugen W. und Gr. am 2. März 2015). Insofern erwies sich die Anzahl der beteiligten Beamten auch deshalb als erforderlich, denn nach dem Betreten der Wohnung kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus, nämlich das Wohnzimmer, in dem sich die Kläger und M. L. aufhielten, das Zimmer des J. L. mit mehreren Personen und das Zimmer des P. L. Bei Verteilung der Polizeibeamten auf die verschiedenen Zimmer und Zuordnung von je zwei Beamten zu den in der Wohnung befindlichen Personen war damit letztlich auch die Anzahl der beteiligten Polizeikräfte erforderlich und nicht überzogen.

Das USK-Kommando ist des weiteren der aus zwei Beamten bestehenden Polizeistreife ordnungsgemäß von der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums M. zugeordnet worden. Auch dies steht für den Senat aufgrund der Äußerungen des Beklagten und der Zeugeneinvernahme fest. Insbesondere hat sich die USK-Streife für den Einsatz nicht wie die Kläger meinen von selbst aufgedrängt. Dafür, dass der angeblich bei der USK beschäftigte Nachbar der Kläger „hinter der Sache steckt“, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr werden die Aussage des Zeugen P. und die Ausführungen des Beklagten zum Einsatz des USK durch den Zeugen W. bestätigt, der Leiter der USK-Einheit ist und vom Leiter der Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. die Unterstützungsanfrage für den streitgegenständlichen Einsatz erhalten hat. Dem Umstand, dass die vor der Zuordnung der USK-Einheit zwischen den betreffenden Polizeieinheiten und der Einsatzzentrale geführten Gespräche, denen nach Auffassung der Kläger entscheidende Bedeutung zukommt, nicht aufgezeichnet und damit nicht im Wortlaut nachvollziehbar sind, kommt demgegenüber keine relevante Bedeutung zu.

Die USK-Unterstützung beruhte des weiteren formal ordnungsgemäß auf einer entsprechenden Anordnung des Polizeipräsidiums München, weil es sich bei dem am Einsatz in der Wohnung der Kläger beteiligten Unterstützungskommando um die Polizeiinspektion Ergänzungsdienste handelt, d. h. um eine dritte Einsatzhundertschaft, die im Rahmen des täglichen Dienstes innerhalb des Polizeipräsidiums M. auch alle allgemein dienstlichen Aufgaben erfüllt. Das genannte Unterstützungskommando ist mit funktionalen Einsatzaufgaben betraut und in die Organisation des Polizeipräsidiums eingegliedert (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 4 POG Rn. 19). Damit steht fest, dass das Polizeipräsidium M. den Einsatz der USK-Unterstützung in rechtmäßiger Weise anordnen konnte.

Das Betreten der klägerischen Wohnung durch alle anwesenden Polizeibeamten gemeinsam bzw. kurz hintereinander, also der beiden Beamten der Polizeistreife und der Mitglieder der USK-Einheit, war auch insofern erforderlich, als es unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht veranlasst oder geboten war, zunächst nur zu zweit oder zu dritt die Wohnung zu betreten und die übrigen Einsatzkräfte noch vor der Wohnungstüre warten zu lassen. Denn die Entwicklung in der Wohnung, nämlich weiter lautes Streiten, die im Laufe des Betretens festgestellte Anwesenheit von mehreren Personen in der Wohnung sowie die Verteilung der Personen auf mehrere Zimmer und aggressives Verhalten gegenüber den eindringenden Polizisten insbesondere durch den Sohn M. L. der Kläger, machte den Einsatz von allen anwesenden Polizisten erforderlich. Dies hat sich im Übrigen auch im weiteren Verlauf der Einsatzdynamik bestätigt.

3.1.2.3. Das Betreten der klägerischen Wohnung war schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.

Nach Art. 4 Abs. 2 PAG darf eine Maßnahme nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Bei einem polizeilichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeutet dies, dass Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen dürfen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.2012 -6 C 9.11 - juris Rn. 47). Geht man von diesen Vorgaben aus, erweist sich das Betreten der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 ohne deren Zustimmung als verhältnismäßig.

Die Kläger wurden durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletztlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung lag nicht nur darin, dass die Polizei ihre Wohnung zur Nachtzeit betreten hat, sondern erschwerend kommt hinzu, dass an der Maßnahme eine größere Anzahl von Polizeibeamten beteiligt war und die Beeinträchtigungen entsprechend intensiv waren. Demgegenüber waren die lautstarken Streitigkeiten der Kläger Ursache für womöglich bereits erfolgte, jedenfalls aber für drohende Gesundheitsschäden der Nachbarn, die wegen der Lärmbelästigung durch die Kläger zum wiederholten Mal keinen Schlaf finden konnten. Zudem sollte das Betreten der Wohnung, wie oben bereits ausgeführt wurde, auch dazu dienen, möglicherweise verletzten Personen Hilfe zu leisten. Auch insofern diente die Maßnahme zum Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit eines Menschen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Wägt man diese Schutzgüter gegeneinander ab, so ist dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im konkreten Fall ein höherer Wert beizumessen als dem Grundrecht auf Unverletztlichkeit der Wohnung. Denn hätte es tatsächlich in der Wohnung der Kläger Verletzte gegeben und wären diese nicht rechtzeitig entdeckt worden, hätte dies zu möglicherweise gravierenden Gesundheitsschäden der verletzten Personen führen können, wohingegen die Kläger zwar durch das Eindringen in ihre Wohnung in ihrem Privatleben beeinträchtigt wurden, die gesamte Maßnahme aber lediglich eineinhalb Stunden gedauert hat und soweit ersichtlich folgenlos blieb. Die Nachteile für gegebenenfalls verletzte Personen und die durch den Lärm beeinträchtigten Nachbarn wären daher bei einem Unterbleiben der polizeilichen Maßnahme erheblich größer gewesen als es die Nachteile für die Kläger durch das Betreten der Wohnung waren. Damit erweist sich aber die Maßnahme des Betretens der Wohnung als verhältnismäßig im engeren Sinne.

3.1.3. Die polizeiliche Maßnahme des Betretens der klägerischen Wohnung erweist sich auch insofern als rechtmäßig, als auch im Übrigen Ermessensfehler nicht erkennbar sind.

3.2. Das Verbleiben der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung bis zum Ende der Maßnahme um ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

3.2.1. Rechtsgrundlage für das Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger ohne deren Einwilligung ist ebenso wie das Betreten der Wohnung Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG.

Wie unter 3.1.1. bereits dargelegt, waren die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. In der Zeit ab dem Betreten der Wohnung bis zum Verlassen der Wohnung, also während des gesamten Zeitraums des Verbleibens der Polizei in der Wohnung, hat sich am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG auch nichts wesentlich geändert. Insbesondere ist das Verbleiben der Polizei in der Wohnung weiter ohne Einwilligung der Kläger erfolgt, denn die Klägerin hat, wie ebenfalls oben ausgeführt wurde, bereits kurz nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten diese laut aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war eine womöglich erteilte Einwilligung in das Betreten der Wohnung erloschen.

Während der Dauer des Verbleibens der Polizei in der Wohnung bestand durchgehend eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit von Personen, die es mit der Maßnahme abzuwehren galt. Dies war einerseits die übermäßige Lärmverursachung durch die Kläger selbst, die auch nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten anhielt. Zudem bestand nach wie vor die Gefahr, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befanden und der Hilfe bedurften. Dazu kam im Verlauf des Einsatzes sehr bald die Eskalation im Wohnzimmer der Kläger, als deren Sohn M. L. anfing, die Polizisten zu beschimpfen und zu beleidigen und mit Gegenständen nach ihnen zu werfen. Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Beantwortung der Frage, ob die Gefährdung der Gesundheit der Polizeibeamten durch die Würfe des M. L. auch dadurch hätte beseitigt werden können, dass die Beamten die Wohnung verließen. Denn jedenfalls war bis zu diesem Zeitpunkt der Zweck des Einsatzes noch nicht erreicht, weil noch nicht geklärt war, ob sich nicht doch noch verletzte Personen in der Wohnung befinden, wobei es nicht ausreichte festzustellen, dass die Familienmitglieder der Kläger unverletzt waren. Es hätten sich nämlich auch hilfebedürftige Dritte in der Wohnung befinden können. Zwar hatten die Beamten, die nicht in den Wohnraum vorgedrungen waren, die Zimmer in Augenschein genommen, in denen sich J. L. bzw. P. L. aufhielten und auch im Badezimmer Nachschau gehalten, jedoch hatte die Polizei noch nicht das hinter dem Wohnzimmer liegende weitere Zimmer im Wege der Nachschau kontrolliert (vgl. die Aussage des Zeugen Ri.). Denn sobald die Polizisten das Wohnzimmer betreten hatten, mussten sie sich mit M. L. befassen und waren im weiteren Verlauf des Einsatzes mit der Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. beschäftigt. Auch die Kläger haben nicht ausgesagt, dass die Polizei dieses Zimmer hinter dem Wohnzimmer zuvor bereits kontrolliert hätte. Aus dem Einsatzvideo ist hierzu ebenfalls nichts ersichtlich. Vielmehr ist auf dem Videoband lediglich die geschlossene Türe zu dem hinter dem Wohnzimmer liegenden Raum zu sehen. Da somit die Nachschau nach verletzten Personen noch nicht beendet war, ist nicht entscheidungserheblich, ob gegebenenfalls von J. L. eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben anderer Personen ausging, als er erhebliche Drohungen gegen die Nachbarn der Familie aussprach und deshalb letztendlich in Gewahrsam genommen worden ist. Zudem befanden sich die drei Polizisten, die im Zimmer von J. L. waren, auch deshalb dort, weil sie verhindern wollten, dass J. L. zu den anderen Familienmitgliedern in das Wohnzimmer zurückkehrte und dort die Streitigkeiten wieder begannen (vgl. die Aussage der Zeugen P. und K. B.). Auch dies war ein berechtigter Grund, solange in der Wohnung der Kläger zu bleiben, bis eine Deeskalation der Streitigkeiten erreicht worden ist. Dies war frühestens mit der In-Gewahrsamnahme des J. L. der Fall. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber auch die Lage im Wohnzimmer bereits beruhigt und der Einsatz wurde von den Polizisten noch abgewickelt (Aufnahme der Personalien der beteiligten Personen, Sicherstellung von Beweismitteln, Protokollierung etc.), bevor sie dann endgültig die Wohnung verlassen haben (so der Zeuge W.). Bis dahin war aber von einer gegenwärtigen Gefahrenlage im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 PAG auszugehen (Art. 4 Abs. 3 PAG).

3.2.2. Das Verbleiben der Polizei in der Wohnung bis gegen ca. 1.00 Uhr des 12. Januar 2010 war verhältnismäßig.

Es war geeignet und erforderlich, weil eine entsprechende Gefahrenlage weiter bestand (vgl. dazu 3.2.1.). Insoweit kann, auch zur Erforderlichkeit der Anwesenheit der USK-Einheit, auf die Ausführungen zum Betreten der Wohnung verwiesen werden (vgl. 3.1.2.). Schließlich erwies sich das Verbleiben auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch insoweit ergibt sich nichts anderes als bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung.

3.2.3. Schließlich sind auch keine sonstigen Ermessensfehler ersichtlich.

3.3. Soweit sich die Kläger gegen ihre Fesselung am 11./12. Januar 2010 wenden, hat ihre Berufung Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit abzuändern und festzustellen, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei rechtswidrig war und die Kläger durch die Fesselung in ihren Rechten verletzt worden sind.

Rechtsgrundlage für die Fesselung ist Art. 65 Nr. 1 PAG i. V. m. Art. 53 Abs. 2, Art. 58 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1, Art. 61 Abs. 1, 2 und 3 und Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG. Danach darf eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird (Art. 65 Nr. 1 PAG.). Die Fesselung ist ein Mittel der Anwendung von Verwaltungszwang, der nach Art. 53 Abs. 2 PAG ausnahmsweise ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden kann, wenn das zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist. Unmittelbarer Zwang kann angewendet werden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 PAG). Unter unmittelbarem Zwang versteht der Gesetzgeber die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen (Art. 61 Abs. 1 PAG). Dabei ist körperliche Gewalt jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen (Art. 61 Abs. 2 PAG). Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln (Art. 61 Abs. 3 PAG).

Nach Auffassung des Senats führte die Fesselung der Kläger zwar nicht zu einer Freiheitsentziehung, für die der sog. Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG gilt, denn das mit der Fesselung einhergehende Festhalten der Kläger war nur kurzzeitig (allenfalls ca. eine Stunde) und gefesselt waren die Kläger nur an den Händen. Es erfolgte insbesondere keine Gewahrsamnahme im Sinne von Art. 17 PAG, denn die Kläger sind nur kurzfristig und lediglich zur Verhinderung weiterer Straftaten oder Widerstandshandlungen in der eigenen Wohnung gefesselt worden. Eine Freiheitsentziehung liegt nämlich nur dann vor, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 44 unter Hinweis auf BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 114; vgl. auch BVerfG, B. v. 8.3.2011 - 1 BvR 47/05 - juris Rn. 20). Dies war hier nicht der Fall. Der für eine Freiheitsentziehung erforderliche höhere Grad der Eingriffsintensität sowohl in zeitlicher als auch insbesondere räumlicher Hinsicht (vgl. Radtke in BeckOK GG, Stand: 1.3.2015, Art. 104 Rn. 3) lag hier (noch) nicht vor. Denn die Fesselung (und das Festhalten) erfolgten nur zum Zwecke der Sicherung der polizeilichen Maßnahmen (Fixierung und Fesselung) gegenüber M. L. Hätten die Kläger der Polizei nicht „im Wege gestanden“ und wären sie freiwillig zur Seite getreten, hätte die Polizei ohne Fesselung der Kläger zu M. L. vordringen und dessen Angriffe abwehren können. Es war von vornherein nicht beabsichtigt, die Kläger aus anderen Gründen für längere Zeit festzuhalten oder in Gewahrsam zu nehmen. Diese Fesselung erweist sich allerdings gleichwohl als nicht rechtmäßig.

3.3.1. Es ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen einer Fesselung nach dem hier allein in Betracht kommenden Art. 65 Nr. 1 PAG vorliegen. Danach ist erforderlich, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehaltene Person Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird. Das Festhalten der Person muss auf gesetzlicher Grundlage erfolgen.

Ob diese Voraussetzungen bei der Klägerin, die wohl im Wege einer eigenständigen freiheitsbeschränkenden Maßnahme der Polizei nach Art. 11 PAG festgehalten wurde, vorgelegen haben, ist schon zweifelhaft. Es ist nämlich bereits fraglich, ob hinreichende Tatsachen vorlagen, die die Annahme der Polizei, die Klägerin werde Widerstand gegen Polizeibeamte leisten, bestätigen könnten.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass die Klägerin nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizeibeamten im Wohnzimmer ihren behinderten und durch die aufgeheizte Stimmung in der Wohnung aggressiv gewordenen Sohn beruhigen und verhindern wollte, dass dieser mit den Polizeibeamten in Streit gerät. Ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sie habe sich vor ihren Sohn M. L. gestellt und dieser habe dann mit Gegenständen in Richtung der Polizeibeamten geworfen, wird durch die Einvernahme der am Einsatz beteiligten Polizisten insoweit bestätigt, als z. B. der Zeuge Go. ausgesagt hat, dass die Klägerin versucht habe, M. L. zu beruhigen. Sie habe ihn aber nicht in den Griff bekommen. Bestätigt wurde auch, dass die Kläger „gleichsam in der Schusslinie“ vor ihrem Sohn (so der Zeuge Ri.) und damit den Polizeibeamten, die M. L. festnehmen wollten, im Wege standen. Ebenso hat sich der Zeuge T. geäußert, nämlich dass die Klägerin versucht habe, ihren Sohn zu beschwichtigen, sich dann umgedreht und ihm im Weg gestanden habe. „Deshalb habe ich sie dann zur Seite auf die Couch geworfen bzw. wir sind dort hingefallen.“ Letztendlich wird das Geschehen bestätigt durch das Einsatzvideo, das deutlich zeigt, wie die Klägerin ihren Sohn zu beruhigen versucht, dann laut und deutlich den Polizisten zuruft, dass er behindert sei und sich dann erneut in Richtung ihres Sohnes umdreht, während die Polizeibeamten von hinten auf sie zustürmen und sie dann auf das Bett geworfen, fixiert und gefesselt wird. Damit hat die Beweisaufnahme einschließlich der Inaugenscheinnahme des Videos aber ergeben, dass von der Klägerin jedenfalls keine konkreten Widerstandshandlungen ausgegangen sind. Allenfalls die Befürchtung, die Klägerin werde die Polizisten angreifen, wenn diese ihren Sohn festnehmen, könnte die Annahme der Polizei begründen, sie werde demnächst Widerstand leisten. Die Klägerin war sehr erregt und sprach mit lauter Stimme, auch hatte sie zuvor bereits Körperkontakt zu einem Polizisten. Aus dem Video ist allerdings nicht klar zu ersehen, ob sie von der Polizei abgedrängt wurde oder ob sie den Polizeibeamten geschoben hat. Deutlich erkennbar ist hingegen, dass die Klägerin kaum eine Möglichkeit hatte, die Ecke, in der sie stand, zu verlassen, ohne mit dem Polizisten zusammenzustoßen, da vor ihr die Polizeibeamten aufgebaut waren und hinter ihr ganz in der Ecke ihr aggressiver Sohn stand. Letztendlich kann die Frage, ob in der geschilderten Situation die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Fesselung vorlagen, bei der Klägerin offen bleiben.

Beim Kläger spricht dagegen einiges dafür, dass er entweder tatsächlich Widerstand gegen ein Vordringen der Polizeibeamten zu seinem behinderten Sohn geleistet hat, oder dass das auf dem Einsatzvideo erkennbare Rudern des Klägers mit den Armen, das er selbst als ein Tasten wegen seiner Blindheit erklärt, bei den Polizeibeamten zumindest den Anschein von Widerstandshandlungen erweckte, zumal diese offenbar zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatten, dass der Kläger sie nicht sehen konnte. Zwar hat die Klägerin behauptet, sie habe dies den Polizeibeamten gesagt. Auf dem Video, das auch das beim Einsatz Gesprochene klar und deutlich widergibt, ist eine solche Aussage der Klägerin aber nicht zu hören. Auf die Blindheit des Klägers hat sie danach erst später hingewiesen. Jedenfalls hat sich der Kläger sowohl nach den Aussagen der Zeugen als auch nach dem vom Senat eingesehenen Einsatzvideo körperlich gegen die Polizisten „gestemmt“. Ob er sich dabei nur vor dem weiteren Eindringen der Polizeibeamten in die Wohnung schützen oder ob er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leisten wollte, kann dahinstehen. Denn es reicht nach Art. 65 Abs. 1 PAG aus, dass mit Widerstandshandlungen zu rechnen ist. Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht, er sei blind und schon deshalb nicht in der Lage gewesen, gezielt Widerstand zu leisten. Denn gerade das Einsatzvideo zeigt, dass der Kläger direkt in Richtung der beteiligten Polizisten stand und diese - wohl über seinen Hörsinn - wahrnehmen und damit auch attackieren konnte. Seine Arme waren auch gegen die vorrückenden Polizeibeamten gerichtet, wohingegen der vom Zeugen Ri. verspürte Tritt im Fußbereich offensichtlich von M. L. herrührte. Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang allerdings sowohl die Tatsache, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig verurteilt worden ist, als auch die in diesem Urteil enthaltene Bewertung des Polizeieinsatzes und insbesondere der Fesselung des Klägers als rechtmäßig. Denn der Senat ist an diese Entscheidung nicht gebunden. Nicht entscheidend ist auch im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen, ob die Fesselung des Sohnes M. L., die im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht Streitgegenstand ist, rechtmäßig war.

3.3.2. Geht man trotz der dargelegten Bedenken des Senats davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 65 Nr. 1 PAG bei beiden Klägern vorlagen, erweist sich deren Fesselung jedoch nicht als verhältnismäßig im weiteren Sinne.

Die Fesselung mag zwar grundsätzlich geeignet gewesen sein, die Kläger von Widerstandshandlungen abzuhalten und damit die Fesselung des M. L. zu ermöglichen, um diesen wiederum von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, weil er nach seiner eigenen Fesselung keine Gegenstände mehr zielgerichtet auf die Polizeibeamten werfen konnte. Es ist aber fraglich, ob sie erforderlich war. Erforderlich ist eine polizeiliche Maßnahme nämlich nur, wenn nicht eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Maßnahme, ein milderes Mittel also, in Betracht kommt (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 172). Verfassungsrechtlich geboten ist die Anwendung eines milderen Mittels allerdings nur bei dessen voraussichtlich gleicher Eignung für die Erreichung des angestrebten Zwecks (Lisken/Denninger, a. a. O., Rn. 173).

Die Fesselung einer Person bedeutet einen schweren Eingriff in ihre persönliche Freiheit (Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 65 Rn. 13). Sie bedeutet eine Einschränkung der Bewegung der Kläger, auch wenn ihnen nur Handfesseln angelegt worden sind. Bei der Klägerin kommt hinzu, dass sie mit dem Gesicht nach unten auf die Couch geworfen worden ist und sich der die Klägerin fesselnde Polizeibeamte auf sie gesetzt hat. Der Kläger wurde anlässlich seiner Fesselung auf den Boden geworfen und hat sich dabei im Gesicht verletzt. Angesichts dieses schweren Grundrechtseingriffs in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) darf eine Fesselung nur als letztes Mittel zur Erreichung des bestimmten Zwecks eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen.

Das Ziel, die Kläger von Widerstandshandlungen gegen die Polizei im Rahmen der beabsichtigten Festnahme ihres Sohnes, die wiederum der Verhinderung weiterer Straftaten dienen sollte, abzuhalten, hätte aber womöglich schon durch andere mildere Maßnahmen erreicht werden können. Denkbar sind insoweit ein Festhalten der Kläger, ohne sie gleich zu fesseln, ein kurzfristiges Zurückweichen der Polizei aus dem Wohnzimmer und damit aus dem Wurfbereich des M. L., und womöglich hätte schon ein Einreden auf die Eltern, ihren Sohn festzuhalten, zu einer wesentlichen Entspannung des Geschehens geführt. Die Klägerin war ohnehin bereits von Anfang an darum bemüht, ihren Sohn zumindest mit Worten zu bändigen und hätte womöglich einer entsprechenden Aufforderung der Polizei durchaus Folge geleistet. Geht man davon aus, dass die hier angesprochenen anderen Maßnahmen als mildere Mittel ebenso wie die Fesselung der Kläger zum Erreichen des angestrebten Zwecks geführt hätten, stellt sich allenfalls die Frage, ob dieser Zweck genauso schnell erreicht worden wäre wie mit der Fesselung oder ob etwa der Rückzug der Polizeibeamten angesichts der Vielzahl von Beamten, die sich im Wohnzimmer und in dem engen Flur der Kläger befanden, zu lange gedauert hätte und M. L. bis zum endgültigen Rückzug noch weitere Gegenstände auf die Polizisten hätte werfen können. Letztendlich bedarf dies aber keiner abschließenden Bewertung, denn die Fesselung der Kläger erweist sich jedenfalls als unverhältnismäßig im engeren Sinne.

Wie unter 3.1.2.3. bereits ausgeführt wurde, ist eine Maßnahme nur dann nach Art. 4 Abs. 2 PAG verhältnismäßig (im engeren Sinne), wenn der mit der Maßnahme erstrebte Erfolg in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Eingriffen in Grundrechte der Betroffenen steht. Wenn die Intensität des Eingriffs in einem Missverhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht, wenn mit anderen Worten dem Einzelnen die ihm auferlegte Belastung nicht zuzumuten ist, hat die Maßnahme zu unterbleiben (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 180). Danach ist die Verhältnismäßigkeit der Fesselung nicht gegeben.

Im Fall der Kläger ist der mit ihrer Fesselung verbundene Eingriff in ihre Grundrechte in Verhältnis zu setzen zu dem Bestreben der Polizei, von den Klägern nicht an der Festnahme ihres Sohnes gehindert zu werden. Bei der danach gebotenen Abwägung überwiegen die Belange der Kläger das oben aufgezeigte öffentliche Interesse.

Die Kläger sind durch die Fesselung und die damit zusammenhängenden weiteren Beeinträchtigungen in ihren Grundrechten auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit betroffen worden. Sie sind beide ohne jegliche Vorwarnung von Polizeibeamten ergriffen worden, die Klägerin noch dazu, als sie dem Polizisten den Rücken zugekehrt hatte und mit einer Fesselung nicht rechnen musste. Ihnen wurde also entgegen Art. 64 Abs. 1 Satz 1 PAG die Fesselung nicht angedroht. Zwar kann nach Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG von der Androhung abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere, wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist, jedoch ist zweifelhaft, ob ein solcher Fall hier vorlag. Auch angesichts der aufgeheizten Stimmung im Wohnzimmer der Kläger hätte die Androhung der Fesselung womöglich dazu geführt, dass die Kläger die Polizei entweder zu ihrem Sohn vordringen lassen oder diesen selbst festhalten, damit er nicht mehr mit Gegenständen werfen kann. Der geistig behinderte Sohn der Kläger war nämlich bei seinen Aktionen, wie im Einsatzvideo deutlich zu sehen ist, nicht sehr schnell und geschickt. Eine Androhung der Fesselung wäre daher noch vor dem nächsten Wurf durchaus möglich gewesen.

Über die bloße Fesselung hinaus erlitten die Kläger erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen. Der Kläger hatte nachweislich Verletzungen in Form von Schürfwunden im Gesicht. Die Klägerin war dadurch in ihrer Gesundheit beeinträchtigt, dass der sie fesselnde Polizeibeamte zeitweise auf ihr kniete. Dass sie dadurch beim Atmen Probleme hatte, ist glaubhaft und nach der filmischen Darstellung dieser Maßnahme auf dem Einsatzvideo auch nachvollziehbar. Hinzu kommt die psychische Beeinträchtigung in Form der Angst um die eigene Gesundheit ebenso wie um den Zustand des Sohnes, der als Behinderter besonders empfindlich auf die polizeilichen Maßnahmen reagiert hat, wie sich aus dem späteren Verlauf erkennen lässt, als M. L. nur noch jammernd und weinend auf dem Boden saß. Schließlich ist auch die Dauer der Fesselung als weitere Erschwerung der ohnehin erfolgten Beeinträchtigung der Rechte der Kläger in die Abwägung einzustellen, denn die Kläger blieben, wie das Einsatzvideo zeigt, auch dann noch gefesselt, als der Sohn M. L. sich bereits beruhigt hatte, was bereits unmittelbar nach der Fesselung aller drei Personen der Fall war.

Andererseits hätte, wie oben bereits ausgeführt worden ist, das Ziel der Polizeibeamten, die Kläger daran zu hindern, ihren Sohn abzuschirmen, auch auf eine weniger intensive Art und Weise als durch eine Fesselung erreicht werden können. Auch waren die Angriffe durch M. L. nicht derart gefährlich, dass sie die von der Polizei ergriffenen Maßnahmen rechtfertigen konnten. Die Beleidigungen und verbalen Aggressionen des M. L. rechtfertigten ohnehin keine Fesselung seiner Eltern, denn insoweit hätte es ausgereicht, den Kläger zur Anzeige zu bringen. Aber auch die oben (vgl. S. 31) dargelegte Gefahr durch weitere Würfe des M. L. war relativ gering, zumal die Polizeibeamten alle in voller Ausrüstung waren und eventuellen weiteren Würfen hätten ausweichen können. Hinzu kommt, dass die Polizeibeamten leicht hätten erkennen können, dass der Kläger geistig behindert ist. Dies wird auf dem Einsatzvideo sehr deutlich. Sein gesamtes Verhalten, insbesondere sein Gesichtsausdruck, lassen ohne Weiteres auf eine gewisse geistige Retardierung schließen. Auf dem Einsatzvideo ist auch deutlich zu sehen, dass M. L. aufgrund seiner Behinderung sehr langsam reagiert und immer erst nach einem Gegenstand sucht, den er gegebenenfalls werfen kann. Die Gefahrenlage war daher auch in der konkreten Situation ausreichend vorhersehbar und einschätzbar. Zwar steht außer Frage, dass die Polizei Widerstand oder sonstige körperliche Beeinträchtigungen nicht hinnehmen muss und dafür auch härtere Mittel einsetzen kann. Jedoch ist der Senat, auch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, in diesem konkreten Fall angesichts der besonderen Einsatzsituation und der Anzahl der damals in der Wohnung anwesenden besonders ausgebildeten USK-Kräfte der Auffassung, dass die streitgegenständliche Fesselung nicht verhältnismäßig war, zumal im Hinblick auf den den Klägern vorgeworfenen „Widerstand“ in keiner Weise berücksichtigt worden ist, dass Eltern eines behinderten Kindes in der Regel intensiver bemüht sind, dieses in Schutz zu nehmen als dies womöglich bei einem gesunden Kind geschieht.

3.4. Eine Rechtsverletzung der Kläger aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung durch die Polizei liegt nicht vor, denn eine Durchsuchung hat im Rahmen der hier streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 nicht stattgefunden.

Durchsuchungen gehören zu den möglichen Maßnahmen, die die Polizei zur Gefahrenabwehr ergreifen kann. Dazu ist in Art. 23 PAG die Durchsuchung von Wohnungen geregelt und in Art. 22 PAG die Durchsuchung von Sachen (zum Verhältnis zwischen diesen beiden Vorschriften vgl. Nr. 22.2 Vollz. B.ek zu Art. 22 PAG). Am 11. Januar 2010 sind aber weder die Wohnung noch Sachen der Kläger durchsucht worden.

Dass die Wohnung der Kläger nicht nach Personen durchsucht worden ist, wurde bereits oben (vgl. 3.1.1.1.) dargelegt. Über das bisher Ausgeführte hinaus ist aber auch die behauptete „Durchsuchung“ eines Ordners, um den es den Klägern im Wesentlichen geht, keine Durchsuchung der klägerischen Wohnung. Denn die Polizei hat die Wohnung der Kläger nicht mit der Absicht betreten, dort eine Durchsuchung vorzunehmen. Insbesondere hatte sie nicht vor, den Ordner der Klägerin und dort wiederum die im Ordner befindliche Unterlage über den Gesundheitszustand des Sohnes M. L. zu „suchen“. Von dem Ordner und der Unterlage war der Polizei nämlich bis zu dem Augenblick, in dem die Klägerin selbst auf den Ordner hingewiesen hat, nichts bekannt. Es war auch nicht die Polizei, die den Ordner gesucht hat, sondern, wie die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben hat, wollte die Klägerin zum Beweis dafür, dass ihr Sohn M. L. geistig behindert ist, ein bestimmtes Gutachten, das sich in dem fraglichen Ordner befand, vorzeigen. Sie selbst hat in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2015 ausgesagt, sie habe die Unterlagen wegen ihrer Fesselung nicht holen können und deshalb dem Polizisten gesagt, das Gutachten befinde sich in einem Ordner. Da sie nicht gewusst habe, in welchem Ordner das betreffende Attest sei, habe der Polizist einen dicken Ordner genommen und durchgesehen. Der Polizeibeamte Ri., der den beschriebenen Ordner an sich genommen hat, bestätigte im Wesentlichen die Aussage der Klägerin. Allerdings erklärte er, die Klägerin habe einen konkreten Ordner bezeichnet, den er dann ergriffen und kurz nach dem ihm genannten Attest durchgesehen habe. Den Ordner habe er dann der Klägerin vorgelegt, damit diese das gesuchte Attest entnehmen konnte. Selbst wenn die Angaben der Klägerin zutreffen sollten, dass sie auf keinen bestimmten Ordner gezeigt habe, ist das Ergreifen des Ordners durch den Polizisten und die kurze Durchsicht nach dem betreffenden Attest nicht als Durchsuchen der Wohnung zu werten. Es handelt sich aber auch nicht um eine Durchsuchung von Sachen, denn der Polizeibeamte hat den Ordner gerade nicht durchsucht, sondern nur kurz durchblättert und ihn dann der Klägerin weitergereicht. Hier fehlt es bereits an dem eine Durchsuchung kennzeichnenden Merkmal des Aufspürens einer Sache, die der Verfügungsberechtigte nicht herausgeben, sondern vielmehr verbergen möchte. Die Klägerin wollte im Gegenteil das Attest über ihren Sohn übergeben, um damit den Nachweis zu führen, dass M. L. für die zuvor von ihm begangenen Delikte nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Es war ihr Interesse, die Polizei über den Umstand, dass M. L. geistig behindert ist, zu informieren. Hielt sie aber nichts verborgen und war sie mit der Suche nach dem Attest ausdrücklich einverstanden, konnte auch kein Durchsuchen im Sinne der Art. 22 oder 23 PAG stattfinden.

Die Polizei hat zur Überzeugung des Senats auch nicht den Zustand der Klägerin, dass sie wegen der zuvor erfolgten Fesselung den Ordner nicht selbst holen konnte, ausgenutzt und so eine Durchsuchung vorgenommen. Denn die Polizei war an dem Inhalt dieses Ordners überhaupt nicht interessiert. Vielmehr war es die Klägerin selbst, die das Attest dem Polizisten zeigen wollte. Schon gar nicht wurde eine „Durchsuchung“ der „Privatunterlagen der Klägerin“ durch den „Gewalteinsatz“ zuvor „erzwungen“, wie die Kläger meinen. Der Hinweis der Klägerin auf das Gutachten über M. L. erfolgte nämlich erst nach der Fesselung der Kläger und des M. L., so dass der „Gewalteinsatz zuvor“ keinesfalls mehr ursächlich für eine erzwungene Durchsicht des Ordners sein konnte.

Schließlich ist auch die Tatsache, dass die Polizeibeamten vor dem Einsatz Handschuhe angezogen haben, kein Indiz dafür, dass sie rechtswidrige Durchsuchungen durchführen und keine damit verbundenen Fingerabdrücke hinterlassen wollten. Vielmehr wurde vom Beklagten glaubhaft erklärt, dass es zur Ausrüstung eines Polizeibeamten gehört, bei Einsätzen Handschuhe zu tragen, u. a. auch zum Selbstschutz. Dass das Anziehen von Handschuhen beim streitgegenständlichen Einsatz sinnvoll war, ist bereits daraus zu ersehen, dass einer der Beamten einen Gegenstand, den M. L. durch das Zimmer geworfen hat, mit dem Handschuh auffangen konnte. Hätte er keine Handschuhe angehabt, wäre es womöglich zu einer Verletzung des Polizeibeamten gekommen.

3.5. Im Verlauf der polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 in der Wohnung der Kläger kam es auch nicht zu Gewaltanwendungen gegenüber den Klägern, die über die mit der Erzwingung der anderen Maßnahmen verbundenen Zwangsmittel, z. B. beim Betreten der Wohnung und der Fesselung der Kläger, hinausgingen. Für einen derartigen „Gewaltexzess“ durch die Polizei gibt es weder Nachweise noch greifbare Anhaltspunkte.

Das von den Klägern hierzu angeführte Beiseiteschieben des Klägers im Wohnungsflur durch den Polizeibeamten G. ist bereits nicht als „Gewaltanwendung“ anzusehen, weil es hierzu keines über eine leichte Körperberührung hinausgehenden körperlichen Einsatzes bedurfte. Außerdem diente es lediglich der Durchsetzung des Betretens der Wohnung und war damit allenfalls der - rechtmäßige - Vollzug (s. Art. 53 ff PAG) der Maßnahme „Betreten“.

Keine eigenständige Gewaltanwendung ist des weiteren die Durchsetzung der Fesselung des Klägers. Auch wenn er dabei verletzt worden ist, kommt dieser Tatsache keine eigenständige Bedeutung bei, denn diese Gesundheitsbeschädigung ist zweifelsohne im Verlauf der zwangsweisen Fesselung des Klägers erfolgt. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 angegeben, er sei gefesselt und „bei dieser Aktion“ verletzt worden. Auch daraus ergibt sich, dass die Verletzungen des Klägers Folge des mit der Fesselung einhergehenden unmittelbaren Zwangs waren. Von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwangsweisen Fesselung selbst sind deshalb auch die dabei dem Kläger zugefügten Verletzungen (seinen Angaben nach Schürfwunden) erfasst.

Eine über diesen unmittelbaren Zwang hinausgehende Gewaltanwendung gegen den Kläger, insbesondere ein Schlagen mit einem Schlagstock, ist demgegenüber weder belegt noch gibt es dafür greifbare Anhaltspunkte. Schon die Art der Verletzungen, nämlich die dokumentierten Schürfwunden im Gesicht des Klägers (vgl. Bl. 31 und 32 der Akten der Staatsanwaltschaft München I in der Strafsache 457 Js 311699/10) deuten darauf hin, dass sich der Kläger die Verletzungen zugezogen hat, als er gefesselt und auf den Boden geworfen worden ist. Soweit er einen Schlag verspürt hat, dürfte dies vom Tumult bei der Fesselung herrühren. Da der Kläger blind ist, konnte er nicht erkennen, wodurch die von ihm als Schlag mit einem Schlagstock wahrgenommene Einwirkung auf seinen Kopf herrührte. Aber auch auf dem Einsatzvideo ist keine zielgerichtete Gewaltanwendung gegen ihn erkennbar. Der auf dem Video deutlich zu sehende fortlaufende Vorgang der Fesselung des Klägers dokumentiert zwar die zwangsweise Fesselung des Klägers, zeigt aber kein Einschlagen auf den Kläger mit einem Schlagstock. Vielmehr sind die an der Maßnahme beteiligten Polizeibeamten zwar mit einem Schlagstock ausgerüstet, was auf dem Video gut zu erkennen ist, jedoch hat keiner der beteiligten Polizeibeamten diesen Schlagstock eingesetzt.

Nicht nachvollziehbar ist insoweit auch der Verdacht der Kläger, das vom Einsatz gefertigte Video sei manipuliert und es seien Sequenzen herausgeschnitten worden, um die von ihnen behauptete Gewaltanwendung, nämlich das Einprügeln auf den Kläger mit einem Schlagstock, zu vertuschen. Zwar lässt die Videoaufnahme erkennen, dass während des Vorgangs der Fesselung ein Wechsel in der Kameraführung stattgefunden hat, was auch von den Zeugen Ri. und Ro. bestätigt wurde, jedoch ist auch zu sehen, dass die Videoaufzeichnung weiterläuft. Im Fortgang des Geschehens sind keine Unterbrechungen zu erkennen. Auch spätere Manipulationen sind nicht feststellbar. Das Video ist zwar, wie der Zeuge Go. ausgesagt hat, bearbeitet worden, indem er „die Straftaten geschnitten und hervorgehoben“ hat. Das Originalvideo ist aber in ungeschnittener Länge auf der bei den Akten befindlichen und vom Senat im Rahmen der Beweisaufnahme eingesehenen DVD enthalten. Davon konnte sich der Verwaltungsgerichtshof hinreichend überzeugen. Das weitere Video, das sich auf der DVD befindet, enthält tatsächlich nur einzelne ausgeschnittene Sequenzen (zum Teil in Zeitlupe), die durch Untertitel und hörbare Kommentare erläutert werden, dient aber erkennbar nur der Verdeutlichung einzelner Szenen und ist unabhängig vom Originalvideo. Dass auf dem dokumentierten Teil nicht alle Szenen enthalten sind, steht fest und wird vom Beklagten auch nicht bestritten. Ebenso steht fest, dass das Originalvideo in voller Länge ungeschnitten auf der DVD enthalten ist.

3.6. Schließlich war auch das Betreten und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger anlässlich des Einsatzes am 16. Mai 2010 um ca. 18.30 Uhr rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für das Betreten und den Aufenthalt in der klägerischen Wohnung ist ebenso wie für das Betreten und Verweilen in der Wohnung am 11./12. Januar 2010 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG, wobei im Gegensatz zum Einsatz im Januar 2010 das Betreten und Verweilen in der Wohnung nicht zur Nachtzeit erfolgte.

3.6.1. Auch am 16. Mai 2010 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG vor.

So fand auch an diesem Tag keine Durchsuchung der Wohnung statt, sondern die Polizeibeamten haben die Wohnung lediglich betreten, um nachzusehen, ob sich dort verletzte Personen befanden und um die bereits seit langem anhaltende massive Ruhestörung durch die Kläger zu beenden. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Durchsuchung und Betreten einer Wohnung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter 3.1.1.1. verwiesen werden. Für den 16. Mai 2010 ist der Einsatzgrund Ruhestörung durch die vor dem Verwaltungsgerichtshof am 2. März 2015 vernommenen Zeugen ebenso belegt wie der Einsatzgrund Nachschau nach Verletzten. So hat der Zeuge H. glaubhaft ausgesagt, Anlass für den Einsatz sei die Mitteilung eines Hausbewohners gewesen, der vom Randalieren der Kläger und Ruhestörung gesprochen habe. Es seien bereits im Treppenhaus Schreie und „ein Gerumpel von oben“ zu hören gewesen. Die Nachschau nach Verletzten habe sich daraus ergeben, dass der Nachbar sich sinngemäß dahingehend geäußert habe, „dass da oben möglicherweise etwas passiert sei“. Auch der Zeuge D. hat überzeugend ausgeführt, dass Geschrei und Getrampel aus der Wohnung gekommen sei. Er und seine Kollegen hätten sich in der Wohnung umgesehen, aber keine Feststellung von verletzten Personen treffen können. Auch der Zeuge Ga. hat aus der Wohnung Schreie gehört, die ihn veranlasst haben nachzusehen, ob alle Personen in der Wohnung unversehrt waren.

Dass die Polizeibeamten ohne Einwilligung im Wege des Verwaltungszwangs (s. Art. 53 ff. PAG) in die Wohnung eingedrungen sind, ist für den 16. Mai 2010 unstreitig. Auch die am Einsatz beteiligten Polizisten haben ausgesagt, dass die Klägerin den Zutritt zur Wohnung verweigert hat und die Türe schließen wollte, jedoch der Zeuge D. seinen Fuß in die Tür gesetzt und die Wohnungstür gegen den Willen der Klägerin geöffnet und die Wohnung betreten habe. Dahinstehen kann, ob als Einsatzgrund auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG in Betracht kam, wonach eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach Art. 17 in Gewahrsam genommen werden darf. In Gewahrsam genommen werden darf eine Person nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG dann, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Eine solche Ordnungswidrigkeit könnten die Kläger oder ihre Söhne dadurch begangen haben, dass sie am 16. Mai 2010 die sonntägliche Ruhe ihrer Mitbewohner erheblich gestört und dadurch deren Gesundheit geschädigt haben. Damit hätten sie eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG begangen, wonach ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.

3.6.2. Das Betreten und Verbleiben in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne. Die Maßnahmen waren geeignet (dazu 3.6.2.1.), erforderlich (dazu 3.6.2.3.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.6.2.3.).

3.6.2.1. Dass das Betreten und Verweilen in der Wohnung der Kläger geeignet war, die übermäßige Lärmbelästigung durch die Kläger, die zum Zeitpunkt des Einsatzes vor allem von Streitigkeiten oder Schreien der beiden Brüder J. L. und M. L. herrührten, zu beenden und um zugleich nachzusehen, ob sich in der Wohnung verletzte Personen befinden, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung.

3.6.2.2. Das Betreten und Verweilen in der Wohnung war erforderlich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 PAG, denn nur durch eine Inaugenscheinnahme der Räume in der klägerischen Wohnung, zumindest durch einen kurzen Blick in die Räumlichkeiten, konnte die Polizei feststellen, ob sich eventuell verletzte Personen in der Wohnung befinden. Dies war vom Hausflur aus ohne durch die Wohnungstür zu treten nicht möglich. Auch das Geschrei und Gerumpel in der Wohnung konnte ohne Betreten der Wohnung nicht abgestellt werden. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Klägerin die Beamten nicht nur am Betreten der Wohnung hindern, sondern auch nicht mit ihnen sprechen wollte, denn sie hat versucht, sofort nachdem sie die Polizeibeamten gesehen hatte, die Wohnungstüre wieder zu schließen. Angesichts der Erkenntnisse der Polizeibeamten, die sie über die Kläger und ihre Familie hatten - der Zeuge Ga. wusste, dass es in der Vergangenheit bereits Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger gegeben hatte - war das Betreten der Wohnung jedenfalls erforderlich.

Erforderlich war auch die Anzahl der am Einsatz am 16. Mai 2010 beteiligten Polizeibeamten. Dazu hat der Zeuge H. anlässlich seiner Vernehmung am 2. März 2015 ausgesagt, dass er und sein Kollege sich entschlossen hätten, zwei weitere Kollegen zur Unterstützung heranzuziehen, „weil die Verhältnisse dieser Familie bei uns bekannt waren“. Auch der Zeuge Ga. konnte sich erinnern, dass Unterstützung angefordert wurde, weil aus der Vergangenheit Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger bekannt gewesen seien. Angesichts des von allen Zeugen bestätigten Lärmens in der Wohnung und der bekannten früheren Einsätze bei den Klägern hält auch der Verwaltungsgerichtshof eine Einsatzstärke von vier Polizisten im konkreten Fall für erforderlich. Bestätigt wird die Erforderlichkeit auch durch den Umstand, dass nach Aussage der Zeugen H. und Ga. beim Betreten der Wohnung durch die Polizei sofort der Sohn der Kläger J. L. aus einem Zimmer kam und die Polizisten massiv beleidigte. Auch anlässlich dieses Einsatzes war deshalb mit einer Eskalation durch das Verhalten der Söhne der Kläger zu rechnen, die einen Einsatz von mehreren Polizeibeamten rechtfertigte.

3.6.2.3. Das Betreten und Verweilen der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die polizeiliche Maßnahme führte nicht zu einem Nachteil der Kläger, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis gestanden wäre.

Die Kläger wurden nur geringfügig in ihren Rechten beeinträchtigt. Zwar wurden sie durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Jedoch hat der Zeuge H. erklärt, die Maßnahme sei bald erledigt gewesen. Er und seine Kollegen hätten zwar kurz in die Zimmer der Wohnung gesehen, das Wesentliche hätte sich aber im Gangbereich der Wohnung zugetragen. Nach Aussage des Zeugen D. dauerte der Einsatz keine halbe Stunde.

Demgegenüber wäre in dem Fall, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befunden hätten, mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung dieser Personen zu rechnen gewesen. Deren Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Gesundheit der Nachbarn vor erheblichen Lärmbelästigungen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) galt es mit dem Einsatz zu schützen. Diese Schutzgüter wiegen zweifelsohne schwerer als die geringfügige Beeinträchtigung der Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG durch das kurzfristige Betreten ihrer Wohnung. Damit erweist sich aber auch das Betreten der Wohnung am 16. Mai 2010 als verhältnismäßig und insgesamt rechtmäßig, denn Ermessensfehler sind ebenfalls nicht zu erkennen.

Nach alledem war der Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

...

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 40.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung für beide Instanzen beruht auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG waren folgende Streitgegenstände in Höhe von jeweils 5.000 Euro zusammenzurechnen, weshalb sich ein Gesamtstreitwert von 40.000 Euro ergibt:

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 11. Januar 2010 - wegen

wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Fesseln der Kläger und von M. L. - 3 x 5.000,-€

- Durchsuchen der Privatunterlagen -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Gewaltanwendung gegenüber den Klägern - 2 x 5.000,- €

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 16. Mai 2010 -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern - 5.000,- €.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. März 2015 - 10 B 12.2280 zitiert 33 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 133


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen.

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich: 1. § 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 13


(1) Die Wohnung ist unverletzlich. (2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. (3) Begrü

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 39 Grundsatz


(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert be

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 82


(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Wid

Strafprozeßordnung - StPO | § 153 Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit


(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 47 Einstellung des Verfahrens durch den Richter


(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn 1. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,2. eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrl

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 117 Unzulässiger Lärm


(1) Ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines a

Strafprozeßordnung - StPO | § 104 Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit


(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden: 1. bei Verfolgung auf frischer Tat,2. bei Gefahr im Verzug,3. wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass währe

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. März 2015 - 10 B 12.2280 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. März 2015 - 10 B 12.2280

bei uns veröffentlicht am 20.03.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 10 B 12.2280 Im Namen des Volkes Urteil vom 20. März 2015 (VG München, Entscheidung vom 20. April 2011, Az.: M 7 K 10.2352) 10. Senat Sachgebietsschlüssel:

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 08. März 2011 - 1 BvR 47/05

bei uns veröffentlicht am 08.03.2011

Tenor Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2004 - 612 Qs 53/04 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 104 Absatz 2 S
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Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Okt. 2016 - M 7 K 14.2128

bei uns veröffentlicht am 12.10.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu je ¼ zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicher

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2019 - 10 C 18.375

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewil

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Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 10 B 14.2242 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. September 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.382) 10. Senat Sachgebiet

Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Jan. 2016 - M 7 K 14.4966

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ode

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(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden:

1.
bei Verfolgung auf frischer Tat,
2.
bei Gefahr im Verzug,
3.
wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder
4.
zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.

(2) Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels Straftaten erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind.

(3) Die Nachtzeit umfasst den Zeitraum von 21 bis 6 Uhr.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn

1.
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2.
eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3.
der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
4.
der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
In den Fällen von Satz 1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.

(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.

(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.

(1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäftsräume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden:

1.
bei Verfolgung auf frischer Tat,
2.
bei Gefahr im Verzug,
3.
wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder
4.
zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.

(2) Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die zur Nachtzeit jedermann zugänglich oder die der Polizei als Herbergen oder Versammlungsorte bestrafter Personen, als Niederlagen von Sachen, die mittels Straftaten erlangt sind, oder als Schlupfwinkel des Glücksspiels, des unerlaubten Betäubungsmittel- und Waffenhandels oder der Prostitution bekannt sind.

(3) Die Nachtzeit umfasst den Zeitraum von 21 bis 6 Uhr.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2004 - 612 Qs 53/04 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, soweit er die gegenüber dem Beschwerdeführer am 27. und 28. September 2003 ergangenen Maßnahmen der Polizeibehörden der Freien und Hansestadt Hamburg auch nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises für rechtmäßig erklärt. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen gegen einen Beschluss des Landgerichts, mit dem eine mehrstündige Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde.

I.

2

1. Am Nachmittag des 27. September 2003 betrat der Beschwerdeführer mit einer Gruppe von circa 100 Personen aus dem Umfeld der sogenannten Bauwagenszene in Hamburg ohne entsprechende Erlaubnis oder Billigung der Berechtigten ein Grundstück in der Absicht, das Gelände für sich als neuen Wohnsitz und ständigen Aufenthaltsort sowie als Abstellort für vier mitgeführte Bauwagen zu nutzen. Der Aktion vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen der Stadt und Vertretern der Bauwagenszene über dieses Gelände als Ersatzstandort für einen im Jahre 2002 geschlossenen Bauwagenplatz.

3

Gegen 18 Uhr versperrte die angerückte Polizei die Ausgänge des Geländes, so dass die an der Aktion beteiligten Personen das Gelände nicht mehr verlassen konnten. Um 18.35 Uhr stellte ein Vertreter der Berechtigten Strafantrag gegen die auf dem Gelände befindlichen Personen. Die Polizei stellte die Identität der betreffenden Personen vor Ort fest. Nach seinen Angaben verwehrte die Polizei dem Beschwerdeführer, sich nach Vorlage seines Ausweises zu entfernen. Gegen 19.55 Uhr umstellte die Polizei die sich auf dem Gelände befindlichen Personen. Die Feuerwehr leuchtete den Platz mit Flutlicht aus und die Polizei gab den Eingeschlossenen um 20.12 Uhr über Megaphon bekannt, dass sie wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs vorläufig festgenommen seien. Insgesamt handelte es sich hierbei einschließlich des Beschwerdeführers noch um circa 80 Personen. Die Polizei führte die Personen ab circa 20.20 Uhr nacheinander aus dem Kessel; die Räumung dauerte bis 21.55 Uhr. Der Beschwerdeführer wies sich dabei nach Aufforderung wiederum unter Vorlage eines gültigen Bundespersonalausweises aus. Die Polizei verbrachte ihn zusammen mit anderen Personen zu einer Polizeiwache, wo er gegen 20.30 Uhr eintraf. Ungefähr anderthalb Stunden verbrachte der Beschwerdeführer in einer Zelle, ohne dass die Polizei in der Zwischenzeit ihn betreffende Maßnahmen durchführte. Gegen 23.00 Uhr brachte die Polizei den Beschwerdeführer zum Polizeipräsidium, wobei die Fahrt circa eine Stunde dauerte. Dort verbrachte der Beschwerdeführer eine Stunde in einer Zelle, bis er erkennungsdienstlich behandelt wurde (Anfertigung von drei Lichtbildern). Die Polizei stützte diese Maßnahme auf § 81b Alt. 1 StPO. Sie entließ den Beschwerdeführer am 28. September 2003 gegen 1.30 Uhr.

4

2. Am 27. Oktober 2003 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht die nachträgliche Feststellung, dass die Freiheitsentziehung von 18 Uhr bis 01.30 Uhr von Anfang an dem Grunde und der Dauer nach sowie die Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig waren. Mit Beschluss vom 14. Juni 2004 stellte das Amtsgericht in analoger Anwendung von § 98 Abs. 2 StPO fest, dass die am 27. September 2003 ab 19.55 Uhr bis zum 28. September 2003, 1.30 Uhr zum Nachteil des Beschwerdeführers vollzogene Freiheitsentziehung nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises rechtswidrig gewesen sei und wies den Antrag im Übrigen zurück.

5

3. a) Mit Beschluss vom 5. Oktober 2004 hob das Landgericht auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Amtsgerichts insoweit auf, als in ihm die Feststellung enthalten ist, dass die ab 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr zum Nachteil des Beschwerdeführers vollzogene Freiheitsentziehung nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises rechtswidrig gewesen sei, lehnte den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers ab, verwarf seine Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss und lehnte seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zutreffend sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO zur Feststellung seiner Identität jedenfalls bis zur Vorlage seines Bundespersonalausweises rechtmäßig gewesen sei. Die daran anschließende Verbringung des Beschwerdeführers zunächst zur Polizeiwache und sodann ins Polizeipräsidium, um dort bis zu seiner Entlassung Lichtbilder anzufertigen, finde ihre gesetzliche Grundlage in § 81b Alt. 1 StPO. Für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens sei es notwendig gewesen, Lichtbilder vom Beschwerdeführer anzufertigen. Schon angesichts der Vielzahl der Besetzer sei es für eine eindeutige Beweisführung über die tatsächliche Anwesenheit einzelner Personen auf dem Grundstück erforderlich gewesen, das tatsächliche damalige Aussehen des Beschwerdeführers zu dokumentieren. Zu diesem Zweck habe der Beschwerdeführer auch zwangsweise zur Polizeibehörde verbracht und dort bis zur Erledigung festgehalten werden dürfen. Hierin sei weder eine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO zu sehen, sondern allein eine Maßnahme des unmittelbaren Zwangs zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung. Dass für die Vornahme der Maßnahmen eine Zeit von einigen Stunden benötigt worden sei, sei angesichts der Vielzahl der festgehaltenen und zu erfassenden Personen auch verhältnismäßig gewesen, zumal die Zeitdauer deutlich unter der vom Gesetzgeber in § 163c Abs. 3 StPO (heute: § 163c Abs. 2 StPO) als hinnehmbar festgelegten Höchstdauer von 12 Stunden geblieben sei. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei bereits deshalb abzulehnen, da es dafür im strafprozessualen Beschwerdeverfahren an einer Rechtsgrundlage fehle.

6

b) Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer, mit Ausnahme der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, eine Gegenvorstellung, auf die das Landgericht ihm mitteilte, es gebe keinen Anlass, vom Beschluss abzurücken.

7

c) Soweit der Beschluss des Landgerichts dem Beschwerdeführer die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagte, legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht verwarf.

8

d) Gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung, die das Oberlandesgericht zurückwies.

9

4. a) Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die Rechtmäßigkeit der gegen ihn gerichteten Maßnahme bestätigt, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG. Es habe sich um eine Freiheitsentziehung gehandelt. Eine Rechtsgrundlage für die Verwahrung habe nicht vorgelegen; jedenfalls sei der Eingriff nicht verhältnismäßig. Das Landgericht habe wegen der Verkennung des Vorliegens einer Freiheitsentziehung auch übersehen, dass das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt sei.

10

b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts sowie den Beschluss des Landgerichts betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG.

11

5. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat von der Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.

12

6. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Aus ihnen ergibt sich, dass das Amtsgericht das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 153a Abs. 2 StPO nach der Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 150 € endgültig eingestellt hat.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

14

1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.

15

Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 <282>; 85, 80 <86>), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 <208>; 85, 80 <86>; 112, 50 <60>). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. <131c>).

16

2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 29, 312 <316>; 94, 166 <198>; 105, 239 <249 f.>).

17

a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 <93 f.>; 10, 302 <308>; stRspr).

18

b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.

19

aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

20

(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 <198>).

21

Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 <119>; 29, 183 <195>), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 <322 f.>; 96, 68 <97>). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 <316>). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 <199>). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 <173>; 81, 156 <192> m.w.N.).

22

(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.

23

Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 <768>).

24

Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 <382>). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit (…) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.

25

bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.

26

(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 <198>). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 <323>). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 <248>). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 <264> und BVerwGE 62, 317 <318>). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).

27

Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.

28

(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 <318>). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.

29

Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.

30

c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

31

d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen.

32

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Der erfolglose Teil der Verfassungsbeschwerde ist von untergeordneter Bedeutung, so dass trotz teilweisen Unterliegens des Beschwerdeführers die vollständige Erstattung seiner Auslagen anzuordnen ist.

33

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

(2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

(3) Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

(4) Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

(5) Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(6) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag jährlich über den nach Absatz 3 sowie über den im Zuständigkeitsbereich des Bundes nach Absatz 4 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 5 erfolgten Einsatz technischer Mittel. Ein vom Bundestag gewähltes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus. Die Länder gewährleisten eine gleichwertige parlamentarische Kontrolle.

(7) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.