Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu je ¼ zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen polizeiliche Maßnahmen bei der Rückreise mit der Regionalbahn von einem Fußballspiel.

Am ... Februar 2014 fand um 18.30 Uhr die Begegnung zwischen den Fußballmannschaften der 2. Bundesliga FC Ingolstadt 04 und TSV 1860 München im Stadion in Ingolstadt statt. Aufgrund der guten Bahnverbindung rechnete die Bundespolizei mit einer hohen Anzahl bahnreisender Gästefans. Hinsichtlich des Gefährdungspotenzials der Fans des TSV 1860 München ging sie von einem hohen Alkoholkonsum der Fans und damit einhergehenden Störungen und Verunreinigungen in der An- und Abreisephase aus. In der Vergangenheit war es hier insbesondere zu Sachbeschädigungen und anlassbezogenen Beleidigungen zum Nachteil von Zugbegleitkräften gekommen. Die Bundespolizei stellte daher sowohl für die Anreise wie für die Rückreise polizeiliche Zugbegleitkräfte. Nach den Stellungnahmen der Einsatzkräfte kam es bereits auf der Hinreise im Zug zu massiven Ordnungsstörungen, welche sich als Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz, als Verunreinigungen, als Sachbeschädigungen und als Beleidigungen darstellten. Bei der Ankunft in Ingolstadt kam es zu einem massiven Einsatz von Pyrotechnik durch die Fans von 1860 München. Auf der Fahrt der Fans zum Stadion wurden in drei Bussen Scheiben mit dem Nothammer eingeschlagen. Auch während der Spielphase kam es zu Ausschreitungen der Fans des TSV 1860, wobei das Spiel aufgrund des Einsatzes von Pyrotechnik und dem Werfen von mehreren Gegenständen auf das Spielfeld - darunter kleine gläserne Schnapsflaschen und Feuerzeuge - zweimal unterbrochen wurde. Nach dem Spiel war die Stimmung der Fans aufgrund Alkoholkonsums und der Niederlage gereizt. Etwa 600 Fans traten die Rückreise von Ingolstadt mit dem bereitgestellten Zug RB 59107 an, der um 21.32 Uhr abfuhr. Als die eingesetzten Kräfte der Bundespolizei mit Gefährderansprachen gegen rauchende und gegen die Deckenverkleidung schlagende Fans tätig werden wollten, wurde ein Polizeibeamter von einem Fan (S. R.) tätlich angegriffen. Die Polizeibeamten entschieden, eine Feststellung seiner Personalien erst zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, um nicht zu einer weiteren Eskalation der Situation beizutragen. Als S. R. nach ca. einer halben Stunde seinen Sitz kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Petershausen verlassen wollte, kam es in der Folge zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten, die von den Beteiligten jeweils unterschiedlich geschildert werden. Dabei wurde von der Polizei im Zug Pfefferspray eingesetzt. Danach verließen die Polizeibeamten den Zug. Als es aus dem stehenden Zug heraus zu Glasflaschenwürfen auf Polizeikräfte kam, wurde erneut Pfefferspray eingesetzt. Der verantwortliche Einsatzleiter ordnete an, dass der Zug bis zur Freigabe in Petershausen stehen bleibt. Bundespolizeibeamte, die sich im nachfolgenden Zug befanden, erhielten den Auftrag, kurz vor Petershausen den Zug zu verlassen, und wurden mit Einsatzfahrzeugen zum Bahnhof Petershausen gefahren, um die Polizeikräfte für die Fahrt nach München zu verstärken. Es wurde von der Einsatzleitung beschlossen, die Personalien der beteiligten Fans nicht am Bahnhof Petershausen festzustellen, sondern den Zug zum Hauptbahnhof München weiterfahren zu lassen und dort die Personalien mit Hilfe einer Bearbeitungsstraße festzustellen. Da die in München gebildete Polizeikette aufgrund des großen Drucks der Fans nicht zu halten war, wurden lediglich selektiv Kontrollen durch die Polizei durchgeführt.

Nachfolgend kam es zu einer Reihe von Strafverfahren. Das Gericht hat einige Strafakten zum Verfahren beigezogen. S. R. wurde wegen versuchter vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verteilt (AG Pfaffenhofen, U. v. 1.7.2014 - 1 Ds 24 Js 5364/14), die zur Bewährung ausgesetzt wurde (LG Ingolstadt, U. v. 11.12.2014 - 3 Ns 24 Js 5364/14). Nach den Feststellungen des Strafgerichts schlug er auf Höhe des Bahnstreckenpunktes Rohrbach den uniformierten Polizeibeamten M. R. ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund mit der Faust gegen den Brustkorb und anschließend nochmals mit der Faust in den Bereich der Gürtellinie. Nachdem die uniformierten Polizeibeamten, etwa eine halbe Stunde später, wegen des Vorfalls die Identität des Fans feststellen wollten, wehrte er sich gegen die polizeiliche Feststellung seiner Personalien und es kam zu einer Rangelei zwischen ihm und dem Polizeibeamten B.. Der Fan versuchte sodann, den Polizeibeamten S. zu verletzen, indem er ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund in Richtung von dessen Kopf schlug. Ein weiterer Fan (S.H.) wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt (AG Dachau, Strafbefehl vom 14.5.2014, 5 Cs 24 Js 12458/14). Ihm wurde zur Last gelegt, drei Polizeibeamten, die ihren Kollegen in Folge der genannten zweiten tätlichen Auseinandersetzung helfen wollten, mit zwei anderen Fußballfans den Weg durch den Mittelgang des Zuges versperrt zu haben, indem er sich in den Mittelgang stellte, die Sitzlehnen rechts und links ergriff und sich mit seinem Körpergewicht gegen die Sitzlehnen stemmte. Auch verbal brachte er zum Ausdruck, dass er die Polizeibeamten nicht passieren lassen wollte. T. H. wurde mit Urteil des Amtsgerichts Dachau vom 25. September 2014 (5 Ds 37 Js 15776/14) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts kam es während der Fahrt vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den Fußballfans und den eingesetzten Polizeibeamten, bei denen die Polizisten auch körperlich angegriffen wurden. Am regulären Haltepunkt in Petershausen versuchten die eingesetzten Polizeibeamten die Fußballfans am Verlassen des Zugs zu hindern, um eine Verlagerung der Ausschreitungen auf den schmalen Bahnsteig zu verhindern. T. H. stand im Zug an einer Tür und warf eine gläserne Bierflasche in voller Wucht in Richtung des Kopfes des die Tür sichernden Polizeibeamten. Die Klägerin zu 2. wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Ingolstadt vom 26. März 2014 (Az. 23 Js 3701/14) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen zeigte sie am Bahnhof Ingolstadt mit dem Finger auf den Polizeibeamten V. und äußerte: „Das sind die Schweine aus Berlin“. Weiter wurde gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Polizeibeamte (Az. 245 Js 147070/14) geführt, das gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde. Das aufgrund einer Strafanzeige der Klägerin zu 2. eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Polizeibeamten H. wegen Körperverletzung im Amt (Az. 11 Js 21422/14) wurde von der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 7. Juli 2014 wegen erwiesener Unschuld gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass der Einsatz des Pfeffersprays im Zug als unmittelbarer Zwang rechtmäßig war. Eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung blieb erfolglos.

Am 15. Mai 2014 erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten:

Es wird festgestellt, dass die am ... Februar 2014 durch die Bundespolizei München gegenüber den Klägern zu 2. und 3. angewendete körperliche Gewalt durch Einsatz von Reizstoff, Einsatzmehrzweckstöcken und die gegen sämtliche Kläger durchgeführten Gewahrsamnahmen rechtswidrig waren.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass die Stimmung am Bahnsteig des Ingolstädter Bahnhofs entspannt gewesen sei. Eine angeblich verbotenerweise gerauchte Zigarette habe zu einem massiven Polizeieinsatz geführt, durch den die Kläger geschädigt worden seien. Die Beamten hätten ohne erkennbaren Anlass und ohne Rechtfertigung Schlagstöcke eingesetzt und zahlreichen Personen aus kürzester Distanz große Mengen Reizstoff ins Gesicht gesprüht. Allein die Klägerin zu 2. sei zweimal derart massiv durch die Polizeibeamten mit Reizstoff besprüht worden, dass ihr die Flüssigkeit triefend die Haare heruntergelaufen sei. Der Zug sei kurz darauf in Petershausen eingefahren und stehengeblieben. Alle Türen seien verriegelt worden, so dass es keine Möglichkeit gegeben habe, dem Reizstoff zu entrinnen. Sämtliche Kläger seien in dem Zug eingesperrt worden und hätten diesen nicht verlassen dürfen. Dadurch seien Gesundheitsschäden für sämtliche Kläger in Kauf genommen worden. Der Reizstoff habe sich überall in der Luft befunden. Auch von außerhalb des Waggons sei willkürlich Reizgas in den Waggon gesprüht worden. Auch die Klägerin zu 2. sei hiervon getroffen worden. Als der Zug nach ca. zwei Stunden nach München weitergefahren sei, sei dieser zum Starnberger Flügelbahnhof umgeleitet worden. Das gesamte Areal sei von Polizeibeamten und Polizeihunden ohne Maulkorb umstellt gewesen. Die gesamte Personengruppe sei eingekesselt worden; dies habe mindestens 30 Minuten gedauert. Die Polizeibeamten hätten sofort Schlagstock und Pfefferspray gezückt. Die Maßnahmen der Bundespolizei seien rechtswidrig gewesen. Der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray im Zug sei rechtswidrig gewesen. Weder habe ein Anlass für körperliche Gewalt bestanden noch sei diese angedroht worden. Es habe schon gar keine Aufgabeneröffnung vorgelegen, polizeilich einzuschreiten, nur weil angeblich gegen ein privatrechtliches Hausverbot verstoßen worden sei. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei jedenfalls unverhältnismäßig gewesen. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, eine große Zahl von Menschen willkürlich in einem geschlossenen Raum (Waggon) mit Pfefferspray einzusprühen. Bereits aus der Art und Weise des Vorgehens folge, dass der unmittelbare Zwang nicht allen Personen angedroht worden sein könne. Das Spray sei von oben in den Waggon eingebracht worden. Eine Entfernungsmöglichkeit für die Personen habe nicht bestanden. Auch der Schlagstockeinsatz dürfe nicht willkürlich gegen eine unbestimmte Zahl von Personen, von denen überhaupt keine Gefahr ausgehe, angewandt werden. Bei dem ca. zweistündigen Anhalt des Zuges handle es sich um eine Gewahrsamnahme. Diese sei nicht richterlich angeordnet worden. Ebenso verhalte es sich mit der Gewahrsamnahme nach Ausstieg aus dem Zug in München. Die Polizei habe hier Panikreaktionen der Menschen riskiert. Es sei unmenschlich gewesen, die Personen, die zuvor stundenlang im Zug hätten ausharren müssen und teilweise durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt worden seien, noch einmal zusammenzudrängen und festzuhalten.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 6. August 2014,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei verfristet. Die Kläger begehrten die Feststellung der Rechtswidrigkeit von polizeilichen Maßnahmen durch die Bundespolizei. Aus der klägerischen Sachverhaltsschilderung ergebe sich jedoch, dass auch eingesetzte Kräfte der Bayerischen Landespolizei gemeint sein könnten. Ein besonderes Feststellungsinteresse sei von den Klägern weder dargelegt worden noch sei ein solches ersichtlich. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, da mit einem zukünftigen rechtswidrigen Verhalten der Kläger nicht zu rechnen sei. Auch sei bereits die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Einsatzes von einigen Strafgerichten festgestellt worden. Weiter fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes sei bereits mehrfach strafgerichtlich festgestellt worden. Die Klage wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Bundespolizei habe bei der Rückreise bereits aufgrund der vorausgegangenen Lage versucht, eine Trennung von Normalreisenden und Fußballfans zu erreichen. Die Gefährdung von Unbeteiligten sollte auf ein Minimum reduziert werden. Im oberen Teil des vorletzten Doppelstockwagens seien von den Beamten dann Rauchentwicklung und Schläge gegen die Deckenverkleidung bemerkt worden. Die Beamten hätten die Lage aufklären und ggf. Gefährderansprachen durchführen wollen. Bereits auf dem Weg zum Ort des Geschehens seien die Beamten massiv behindert worden durch Verstellen der Durchgänge, Anfassen der Einsatzausrüstung und sogar Handgreiflichkeiten. In diesem Zusammenhang sei ein Polizeibeamter von einem Fan (später identifiziert als S. R.) mit der Faust zweimal in den Bauch geschlagen worden. Aufgrund der zwischenzeitlich aufgeheizten Stimmung hätten die Polizeibeamten auf die notwendige Identitätsfeststellung verzichtet und diese bei Ankunft des Zuges in München durchführen wollen. Die eingesetzten Kräfte seien zum Teil weiter massiv bedrängt und angegriffen worden. Ein Beamter (PK V.) sei von einem Fan gegen das Schienbein getreten und in den Bauch geschlagen worden. Hier sei einmal der Schlagstock angedroht worden, um weitere Angriffe auf den Kollegen zu unterbinden; ein Einsatz des Schlagstocks sei jedoch nicht erfolgt. Kurze Zeit später habe S. R. angegeben, dass er auf die Toilette müsse. Es habe der Verdacht nahe gelegen, dass er sich durch Flucht den polizeilichen Maßnahmen habe entziehen wollen. Die Beamten hätten daraufhin den Entschluss gefasst, S. R. zur Toilette zu begleiten, um zu verhindern, dass er sich einer Identitätsfeststellung entziehe. Darauf seien Fanrufe „jetzt geht’s los“ erfolgt und 10 bis 15 der anwesenden Fans hätten sich plötzlich vermummt. Sie hätten sich den Polizeibeamten in den Weg gestellt und somit eine polizeiliche Maßnahme behindert. Die vermummten Personen seien aufgefordert worden, den Platz zu räumen. Dem seien sie jedoch nicht nachgekommen. Sie hätten vielmehr mit eindeutigen Gesten (mit geballten Fäusten in die flache Hand schlagen; mit dem Daumen entlang des Halses streichen) darauf aufmerksam gemacht, dass sie der Platzverweisung nicht Folge leisten werden. Daher sei durch die Polizeibeamten der unmittelbar Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises durch Vorhalten des RSG 8 angedroht worden. Die mündliche Androhung sei durch POM H. erfolgt. Die vermummten Personen hätten sich daraufhin gezielt in Richtung der Polizeikräfte bewegt. Im Rücken der Polizeibeamten, die sich auf der Treppe befunden hätten, seien ebenfalls Fans in aggressiver Stimmung gestanden, die ihnen den Rückweg versperrt hätten. Die Polizeibeamten hätten dies als Angriff gewertet und hätten einmal das RSG 8 gegen die Personen eingesetzt. Gleichzeitig sei der Einsatzmehrzweckstock zum „Wegdrücken“ der Personen durch PM M. eingesetzt worden, jedoch nicht im Sinne des UZwG. Die Klägerin zu 2. habe ebenfalls den Platzverweis ignoriert und hierbei, u. a. durch Festhalten am Geländer, massiven Widerstand geleistet. Die eingesetzten Polizeikräfte seien im gesamten Verlauf nicht nur durch In-den-Weg-Stellen von mehreren Fans an ihrer Dienstausübung gehindert worden, sondern auch körperlich mit Schlägen und Anrempeln angegriffen worden. Nachdem S. R. im Handgemenge verschwunden gewesen sei und polizeiliche Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen in diesem Tumult ohnehin nicht mehr ohne erhebliche Eigengefährdung der Beamten durchführbar gewesen seien, habe der Zugführer zur Deeskalation das Verlassen des Zuges in Petershausen angeordnet. Bei dem Halt in Petershausen seien die am Bahnsteig befindlichen Polizeibeamten aus dem hinteren Teil des Zugs heraus massiv beschimpft worden, sofort mit Flaschen beworfen und mit Fußtritten gegen den Körper attackiert worden. Einem Polizeivollzugsbeamten sei durch einen Wurf mit einer vollen Glasflasche an den Oberkörper das Handy zerstört worden. Als er auf die Plattform gesprungen sei, um den Werfer zu identifizieren, habe er das Gefühl gehabt, jemand versuche ihm die Dienstwaffe zu entreißen. Da der Flaschenbewurf durch die Fans nicht beendet worden sei, hätten die Polizeikräfte nach Androhung Pfefferspray und Schlagstock (gezielt zur Abwehr beim mehrfachen Angriff eines Fans mit Fußtritten gegen den Kopf eines Beamten) gegen die Fans eingesetzt. Der Einsatz des Pfeffersprays sei von außen in den Zug (Eingangsbereich) erfolgt und gezielt gegen Fans gerichtet gewesen, die Flaschen aus den Türbereichen heraus geworfen hätten. Die Zugtüren seien nicht verriegelt gewesen und seien von den Fans auch immer wieder geöffnet worden, um Flaschen in Richtung der Polizeibeamten zu werfen. Die Kippfenster in den Waggons hätten ebenfalls geöffnet werden können. Aufgrund der unübersichtlichen Lage am Zug und da Fans aus dem hinteren Wagen versucht hätten, über die benachbarten Gleise zu flüchten, habe der Zugführer angeordnet, dass die drei letzten Türen des Zuges verschlossen würden, um eine Verlagerung der Auseinandersetzung auf den Bahnsteig zu verhindern. Es habe die Gefahr bestanden, dass Personen von durchfahrenden Zügen erfasst und überrollt würden. Die drei verschlossenen Türen seien nach Lagebereinigung wieder geöffnet worden. Die Bundespolizei habe den Rettungsdienst alarmiert, um die Versorgung von Personen zu gewährleisten, die dem Pfefferspray ausgesetzt gewesen seien. Die Bundespolizei habe nicht zur Durchsetzung privater Rechte gehandelt. Rauchen im öffentlichen Personenverkehr sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BNichtrSchG verboten. Die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten im Zug seien auch berechtigt gewesen, hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit Maßnahmen zu treffen. Ermächtigungsgrundlage für den ersten Einsatz des Pfeffersprays sei § 38 BPolG gewesen. Der Einsatz des RSG 8 sei ein geeignetes und erforderliches Mittel gewesen, um die Platzverweisung durchzusetzen. Die vermummten aggressionsbereiten Personen, die die polizeilichen Maßnahmen (Begleitung und Identitätsfeststellung von S. R.) hätten verhindern wollen, seien eindeutig die Adressaten des unmittelbaren Zwangs gewesen. Die Anwendung des RSG 8 sei auch erforderlich gewesen, da die Personen gezielt eine Maßnahme behindert hätten und durch ihre Vermummung bzw. durch das aktive Zugehen auf die Polizeivollzugsbeamten die unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf die Beamten bestanden habe. Der Einsatz einfacher körperlicher Gewalt (z. B. Abdrängen) sei nicht ausreichend gewesen. Der Einsatz von Pfefferspray vom Bahnsteig aus sei ein geeignetes und erforderliches Mittel gewesen, um den Bewurf mit Flaschen zu unterbinden. Ein gezieltes „Schlüsseln“ aller Türen hätte einer (verbotenen) Einkesselung entsprochen. Ein sukzessives Herausgreifen und Verbringen der angreifenden Fans sei aufgrund der Kräftelage nicht möglich gewesen; zudem hätten sich die Problemfans im Zug unter die Unbeteiligten gemischt. Unbeteiligte wären somit bei der Durchführung von Maßnahmen gefährdet worden. Nach ca. 20 Minuten habe sich die Lage am Bahnsteig auch beruhigt; die Fans hätten den Flaschenbewurf eingestellt. Dem hervorgerufenen Nachteil durch den Einsatz des Pfeffersprays wie Reizung der Augen, Haut und Atemwege habe die körperliche Unversehrtheit der eingesetzten Beamten gegenüber gestanden. Ein Missverhältnis in der Güterabwägung liege nicht vor. Den Fans sei durch die Einsatzkräfte mehrfach die Möglichkeit angeboten worden, die Hilfe der drei sich vor Ort befindlichen Rettungswagenbesatzungen in Anspruch zu nehmen. Dies sei stets abgelehnt worden. Ziel des Anhaltens des Zuges in Petershausen sei kein Gewahrsam gewesen, sondern die Identitätsfeststellung. Da es sich hierbei um eine größere Personengruppe gehandelt habe (ca. 100 Problemfans), hätten zuerst die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen getroffen werden müssen. Als Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung komme § 23 BPolG in Betracht. Die Fans hätten bereits auf der Hinfahrt Straftaten begangen und es habe die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden, dass weitere Straftaten begangen würden. Da es im Zug tatsächlich aufgrund der aggressiven Stimmung und tätlichen Angriffe nicht möglich gewesen sei, die Identitäten ohne Gefährdung der Beamten durchzuführen, habe sich der Polizeiführer entschieden, diese im Bahnhof München Hbf durchzuführen. Weiter komme als Rechtsgrundlage für die Identitätsfeststellung §§ 163b, c StPO in Betracht. Da bereits ab der Hinfahrt eine Reihe von Straftaten begangen worden sei (Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Widerstand, versuchte Körperverletzung, Verdacht Landfriedensbruch), hätten gemäß § 163b StPO die erforderlichen Maßnahmen zur Feststellung der Identität getroffen werden können. Bei der Ankunft in München hätten sich die Gefahrenverursacher wieder mit den Unbeteiligten vermischt und sich teilweise vermummt. Die abgesperrte Fläche habe ca. 800 m² betroffen. Da es zu Durchbrechungen in den Absperrungen gekommen, die Stimmung immer aggressiver geworden sei und sich immer noch Unbeteiligte in der Absperrung befunden hätten, habe sich der Polizeiführer, um eine Gefährdung der Unbeteiligten zu verhindern, entschlossen, von der Identitätsfeststellung abzusehen und habe in Abstimmung mit den Entscheidungsbeamten des Landes die Absperrung geöffnet. Im Bereich des Münchner Bahnhofs sei es nicht zum Einsatz von Pfefferspray gekommen.

Zu dem umfangreichen Vortrag der Beklagten äußerte sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit weiteren Schriftsätzen. Es wird geltend gemacht, dass das Feststellungsinteresse aus den erheblichen Grundrechtseingriffen der geschilderten Maßnahmen folge. Es bestehe auch Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr würde nur dann nicht vorliegen, wenn die Beklagte darlegen würde, dass künftig bahnreisende Fußballfans nicht mehr von der Bundespolizei begleitet würden. Das Verfahren gegen POM H. sei zwar eingestellt worden, dagegen sei jedoch Beschwerde erhoben worden. Dass in den Verfahren die Rechtmäßigkeit des gesamten Polizeieinsatzes gerichtlich festgestellt worden sei, werde bestritten. An den Maßnahmen in der Regionalbahn seien keine Beamten der Landespolizei beteiligt gewesen. Die Bundespolizei habe sich ohne Rücksicht auf die überfüllten Waggons durch die Reihen gedrängt, so dass es hierdurch zu Berührungen mit den Einsatzausrüstungen der Beamten gekommen sei. Eine erhebliche Rauchentwicklung habe es nicht gegeben, vielmehr sei einem Fan vorgeworfen worden, geraucht zu haben. Dieser sei körperbehindert. Als er zur Toilette habe müssen, hätten sich die Beamten durch den völlig überfüllten Zug gedrängt. Personen, die auf der Treppe gestanden hätten, seien dabei überrannt und schreiend zum Weggehen aufgefordert worden, was aber mangels Platz überhaupt nicht möglich gewesen sei. Daraufhin seien die Beamten aggressiv geworden und hätten versucht, mit körperlichem Zwang sich Platz zu verschaffen. Nachdem kein Zurückweichen möglich gewesen sei, sei der Schlagstock eingesetzt und daraufhin auch massiv das Pfefferspray in die Gruppe und auch gezielt auf einzelne Personen gerichtet worden. Auch nachdem alle zurückgewichen gewesen seien, sei weiter Pfefferspray gesprüht worden. Das angebliche „Schlagen“ an die Decke sei Klopfen zu den Fangesängen gewesen, wie dies auf vergleichbaren Fahrten festzustellen sei und keinesfalls Anlass für Polizeimaßnahmen darstelle. Zum Zeitpunkt des außerplanmäßigen Halts in Petershausen sei beim Verlassen des Zuges weiterhin Pfefferspray gesprüht worden, die Türen seien verriegelt und den Passagieren frische Luft verwehrt worden. Die Toiletten seien durch die Bundespolizei vorher verriegelt worden, so dass es keinem möglich gewesen sei, diese zu benutzen, oder sich das Pfefferspray aus dem Gesicht zu waschen. Es werde bestritten, dass durch einen angeblichen Flaschenwurf das Mobiltelefon des POM H. kaputtgegangen sein solle. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass angeblich die Dienstwaffe entrissen werden sollte. Ebenso wenig sei es möglich gewesen, aus dem Zug heraus die Beamten zu treten, da diese sich in entsprechendem Abstand postiert hätten. Ob der Rettungsdienst verständigt worden sei, könnten die Kläger nicht sagen. Ihnen sei davon jedenfalls nichts bekannt gewesen. Die von der Bundespolizei genannten Sachverhalte wie „demonstratives Rauchen“, „Beschädigung der Deckenverkleidung und Verunreinigungen“ rechtfertigten die polizeilichen Maßnahmen nicht. Die Anhaltung des Zuges in Petershausen unter gleichzeitiger Unterbindung des Aussteigens sei nicht nachvollziehbar, insbesondere da zuvor Pfefferspray innerhalb des Zuges eingesetzt worden sei. Das gelte auch, wenn einzelne Personen angeblich vermummt gewesen seien, da eine große Anzahl von Personen betroffen gewesen sei und in dem Waggon sich auch Kinder aufgehalten hätten. Die Berichte würden auch Unklarheiten dahingehend aufweisen, an welchem Waggon die Tür geöffnet gewesen sein solle. Dass Fans das Aussteigen von Personen verhindert haben sollten, die sich wegen des Pfeffersprayeinsatzes aus dem Waggon bewegen wollten, erscheine lebensfremd und werde bestritten. Das Verlassen des Zuges sei jedenfalls an den fraglichen Waggontüren untersagt gewesen.

Zu dem Hinweis des Gerichts, dass im Hinblick auf das Aufhalten von Personen zur Identitätsfeststellung eine Verweisung des Rechtsstreits an die ordentliche Gerichtsbarkeit in Betracht komme, äußerte sich die Beklagte mit Schreiben vom 19. Mai 2016. Ziel und Schwerpunkt der angefochtenen polizeilichen Maßnahmen habe im repressiven Bereich gelegen. Die behaupteten Gewahrsamnahmen durch Anhalten des Zuges in Petershausen und durch die Absperrungen am Münchner Hauptbahnhof, die tatsächlich nur kurzfristige Freiheitsbeschränkungen dargestellt hätten, hätten dem Ziel gedient, die zuvor bereits durch Straftaten aufgefallenen Personen zu identifizieren. Weiter wird ausgeführt, dass es an einer Darlegung der persönlichen Betroffenheit der Kläger durch die polizeilichen Maßnahmen fehle.

Der Klägerbevollmächtigte machte geltend, dass zum Feststellungsinteresse ausreichend vorgetragen worden sei. Die Kläger hätten aufgrund des verwendeten Reizstoffes Brennen verspürt und darüber hinaus nicht den Zug verlassen können. Bei dem Einsatz des Pfeffersprays handle es sich um einen grundrechtsrelevanten Eingriff, so dass auch ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung bestehe. Durch das Einsprühen des Sprays in einen abgeschlossenen Raum bei Anwesenheit einer Vielzahl von Personen werde die Verletzung der dort befindlichen Personen in Kauf genommen, da der Beamte gar nicht „im Griff“ habe, wen er treffe und wen nicht. Es bestehe auch eine entsprechende Wiederholungsgefahr, da im Fall gleichgelagerter Maßnahmenausführung erneut Gesundheitsschäden und körperlich unangemessene Behandlungen drohten. Nicht anders verhalte es sich mit dem Schlagstockeinsatz. Es komme insoweit nicht darauf an, ob jeder einzelne der Kläger auch getroffen worden sei. Denn diese hätten sich alle im Zuge befunden und seien daher konkret gefährdet gewesen, von entsprechenden Schlagstöcken getroffen zu werden. Die ca. zweistündige Anhaltung des Zuges unter Fortwirkung der brennenden Wirkung des Pfeffersprays habe ebenfalls alle Kläger betroffen und stelle einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Soweit die Beklagte behaupte, die Maßnahme am Bahnhof sei repressive Identitätsfeststellung gewesen, könne dies schon deshalb nicht zutreffen, da überhaupt nur neun ID-Feststellungen erfolgt seien, wie sich aus den Behördenakten ergebe. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich und dargelegt, weshalb diese dann nicht bereits während des zweistündigen Anhaltens des Zuges hätten durchgeführt werden können.

Das Gericht hat am 10. August und 12. Oktober 2016 mündlich zur Sache verhandelt. Für die Aussagen der Kläger und der Zeugen wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Mit Beschluss vom 10. August 2016 hat das Gericht das Verfahren, soweit von den Klägern polizeiliche Maßnahmen am Münchner Hauptbahnhof/Starnberger Flügelbahnhof angegriffen werden, an das Amtsgericht München verwiesen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte zuletzt:

Es wird festgestellt, dass die am ... Februar 2014 durch die Bundespolizei München gegenüber den Klägern zu 2. und 4. angewendete körperliche Gewalt durch den Einsatz von Einsatzmehrzweckstöcken, der gegenüber allen Klägern erfolgte Einsatz von Pfefferspray und die gegen sämtliche Kläger durchgeführten „Gewahrsamnahmen“ in Petershausen rechtswidrig waren.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakte mit dem vorhandenen Einsatzvideo sowie die beigezogenen Strafakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Verwaltungsrechtsweg ist für den beim Verwaltungsgericht verbliebenen Rechtsstreit eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Das gilt auch, soweit sich die Kläger gegen das polizeilich angeordnete Stehenbleiben des Zuges in Petershausen mit dem Verbot, den Zug dort zu verlassen, wenden. Für diese polizeiliche Maßnahme wurden von der Beklagten sowie den vom Gericht einvernommenen Einsatzleitern mehrere Einsatzziele genannt. Sie sei erforderlich gewesen, um die im Zug eskalierte Lage unter Kontrolle zu bringen. Die Fans sollten im Zug bleiben, um eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Fans und Polizeibeamten auf dem Bahnsteig zu verhindern. Personen sollten aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht auf die Gleise gelangen. Es seien einsatztaktische Absprachen erforderlich gewesen; die Zeit sei genutzt worden, um Einsatzkräfte zur Verstärkung zum Bahnhof Petershausen zu bringen und ausreichende Kräfte am Zielbahnhof in München bereitzustellen. Weiter habe der Halt in Petershausen dazu gedient, die zuvor durch Straftaten aufgefallenen Personen zu identifizieren. Dieses Ziel sei aber letztlich wegen der Ungeeignetheit der Örtlichkeit und der zu geringen Einsatzstärke der Polizei aufgegeben worden. Die Identitätsfeststellungen sollten am Münchner Hauptbahnhof bzw. Starnberger Flügelbahnhof mit Hilfe einer Bearbeitungsstraße erfolgen. Verfolgt eine polizeiliche Maßnahme sowohl präventive als auch repressive Zwecke, ist anhand des erkennbaren Schwerpunkts der Maßnahme zu bestimmen, ob die Maßnahme der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung gedient hat (vgl. BVerwG, U. v. 3.12.1974 - I C 11.73 - juris Rn. 24; VGH BW, U. v. 27.9.2004 - 1 S 2206/03 - juris Rn. 28; BayVGH, B. v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - juris Rn. 12). Die von der Bundespolizei genannten Einsatzziele am Bahnhof Petershausen hatten mehrheitlich den Zweck der Gefahrenabwehr, es sollte ein störungsfreier Betriebsablauf gewährleistet werden. Dafür sollte insbesondere die polizeiliche Kontrolle über die gewaltbereiten Fans im Zug wiederhergestellt werden und eine Auseinandersetzung auf dem engen Bahnsteig verhindert werden. Der zunächst auch verfolgte Zweck von Identitätsfeststellungen, um begangene Straftaten ahnden zu können, und das Ziel zu verhindern, dass sich potentielle Straftäter entfernen können, war gegenüber dem Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nachrangig. Weiter haben die Kläger nachvollziehbar geltend gemacht, dass nach dem Geschehensablauf am Halt in Petershausen für sie erkennbar keine Strafverfolgung im Vordergrund stand. Strafverfolgungsmaßnahmen und Identitätsfeststellungen sind, wie die Beklagte vorgetragen hat, bewusst nicht angekündigt worden, damit sich Betroffene diesen Maßnahmen nicht gezielt entziehen konnten.

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Es bedarf keiner Einstufung der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen als polizeiliche Verwaltungsakte oder als auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtete Realakte, da in beiden Fällen ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz der vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen gewährleistet ist (vgl. BayVGH, U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 24, 25). Das von den Klägern geltend gemachte Feststellungsinteresse besteht aber nur teilweise.

Für eine auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage muss in besonderer Weise schutzwürdig sein. Dies ist der Fall bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen - vornehmlich solchen Eingriffen, die schon das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat - besteht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse in den Fällen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, B. v. 13.12.2005 - 2 BvR 447/05 - juris Rn. 54; B. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36).

Kurzfristig sich erledigende polizeiliche Maßnahmen liegen hier vor. Soweit die Kläger geltend machen, vom Einsatz des Pfeffersprays im Zug (Kläger zu 2., 3. und 4.) oder vom Bahnsteig aus (Kläger zu 3.) in größerem Umfang betroffen gewesen sein, besteht ein Feststellungsinteresse aufgrund eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs. So haben die Kläger zu 2. und 4. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sich bei dem Einsatz von Pfefferspray im Zug in unmittelbarer Nähe des Polizeieinsatzes aufgehalten zu haben und von einem Sprühstoß in beachtlicher Weise getroffen worden zu sein (Schwellungen im Gesicht, nasse Haare, gerötete Augen, brennende Haut). Ob bei dem Kläger zu 4. eine tatsächliche Betroffenheit vorliegt, was die Beklagte unter Hinweis auf das Einsatzvideo verneint, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Der Kläger zu 3. hat angegeben, von dem im Zug eingesetzten Pfefferspray betroffen gewesen zu sein (feuchte Kleidung) und auch von dem Pfefferspray, das in den Zug gesprüht worden sei, etwas abbekommen zu haben, da er sich zunächst im Eingangsbereich aufgehalten habe. Danach habe er sich entfernt.

Soweit die Kläger darüber hinaus die Überprüfung des Einsatzes von Pfefferspray geltend machen, fehlt ihnen das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Der Vortrag, dass der Reizstoff sich überall in der Luft befunden habe, reicht hierfür nicht aus. Der Einsatz des Pfeffersprays, der im Eingangsbereich und in den Eingangsbereich des vorletzten Waggons (vordere Tür) hinein erfolgt ist, reicht für eine allgemeine Betroffenheit der Personen, die sich in dem vorletzten Zug aufgehalten haben, nicht aus. Wie oben ausgeführt, bedarf es eines schwerwiegenden Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit. Dies ist grundsätzlich bei einem zielgerichteten Einsatz von Pfefferspray gegenüber Personen zu bejahen. Auch soweit geltend gemacht wurde, dass die Kläger sich in unmittelbarer Nähe des Einsatzes aufgehalten hätten und damit ebenfalls stark betroffen gewesen wären, besteht ein berechtigtes Interesse an der Überprüfung der polizeilichen Maßnahme. Geringfügigere Beeinträchtigungen aufgrund einer polizeilichen Maßnahme, die nicht unmittelbar gegen sie gerichtet war, reichen jedoch nicht aus. Die Klägerin zu 1. hat vorgetragen, sich im unteren Teil des Waggons und damit nicht in Einsatznähe aufgehalten zu haben. Sie sei selbst vom Pfeffersprayeinsatz nicht so stark betroffen gewesen, sie habe u. a. der Klägerin zu 2. geholfen, die Augen auszuwaschen. Die Klägerin zu 2. hat sich wie die Klägerin zu 1. bei dem Einsatz von Pfefferspray vom Bahnsteig aus im unteren Teil des Waggons aufgehalten. Der Kläger zu 4. hat selbst angegeben, beim Anhalt in Petershausen kein Pfefferspray mehr abbekommen zu haben.

Die gleiche Erheblichkeitsschwelle gilt für das Rechtsschutzinteresse hinsichtlich des geltend gemachten Einsatzes des Einsatzmehrzweckstockes. Soweit der Kläger zu 4. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass er damit geschlagen worden sei, besteht ein Feststellungsinteresse. Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff liegt aber nicht vor, soweit die Klägerin zu 2. ein Wegdrücken mit dem Einsatzmehrzweckstock angegeben hat. Damit ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass sie in erheblichem Maße in ihrer körperlichen Unversehrtheit betroffen war. Mit ihrem Strafantrag vom 19. Februar 2014 und dem eingereichten ärztlichen Attest hat sie eine Körperverletzung aufgrund des Einsatzes von Pfefferspray, aber keine Schlagverletzung geltend gemacht.

Weiter geht das Gericht von einem Feststellungsinteresse aufgrund eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffes aus, soweit die Kläger die Rechtswidrigkeit des polizeilich verfügten Anhaltens des Zuges in Petershausen und des Verbots, den Zug zu verlassen, geltend machen. Zwar handelt es sich hier im Gegensatz zu der von den Klägern vertretenen Rechtsansicht nicht um eine Gewahrsamnahme. Gewahrsam bedeutet, dass die Polizei einer Person ihre Freiheit entzieht, sie in Verwahrung nimmt und sie daran hindert, sich zu entfernen. Die Freiheitsentziehung ist abzugrenzen von der Freiheitsbeschränkung, bei der die Bewegungsfreiheit des Betroffenen vorübergehend eingeschränkt ist. Beide Begriffe sind ihrer Intensität nach abzugrenzen, kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen keine Freiheitsentziehung dar. Zu berücksichtigen ist auch der Zweck der polizeilichen Maßnahme (vgl. zum Ganzen BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 114; BVerfG, B. v. 21.5.2004 - 2 BvR 715/04 - juris Rn. 20; BVerfG, B. v. 8.3.2011 - 1 BvR 47/05 - juris Rn. 26, BVerwG, U. v. 23.6.1981 - I C 78.77 - juris Rn. 11 ff.). Bei einer wertenden, auf die Intensität des Eingriffs abstellenden Beurteilung handelt es sich bei den ergriffenen Maßnahmen um eine kurzfristige Behinderung der Bewegungsfreiheit der Kläger, die Ausfluss der von der Polizei zur Gefahrenabwehr ergriffenen Maßnahmen war und in diesem Rahmen zu überprüfen ist. Dabei begründet die Dauer des polizeilich angeordneten Anhaltens des Zuges (etwas mehr als eine Stunde, die Zeit für bahnbetriebliche Maßnahmen kann nicht eingerechnet werden) und das Verbot des Aussteigens allein kein Feststellungsinteresse aus Art. 2 Abs. 1 GG. In Zusammenschau mit den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten am vorletzten Zug, in dem sich die Kläger aufgehalten haben, und ihrer geltend gemachten Betroffenheit von vorhergehenden Pfeffersprayeinsätzen bzw. der Angst (Klägerin zu 1.), hiervon selbst mehr betroffen zu werden, bejaht das Gericht das notwendige Rechtsschutzinteresse.

Soweit das Rechtsschutzinteresse für die Überprüfung der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen wegen eines fehlenden tiefgreifenden Grundrechtseingriffs bei einzelnen Klägern abgelehnt wurde, kann dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr bejaht werden. Ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12/04 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 12.5.2015 - 10 ZB 13.629 - juris Rn. 8). Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass sich die am ... Februar 2014 ergriffenen polizeilichen Maßnahmen wiederholen werden. Allein die Tatsache, dass die Kläger auch in Zukunft mit der Bahn zu Auswärtsspielen des TSV 1860 reisen und Bundespolizisten dabei die Fans begleiten werden, reicht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht aus. Bei der Vielzahl von Bahnreisen von Fußballfans zu einem Spiel handelte es sich am ... Februar 2014 um eine besondere Situation, die aufgrund von Straftaten und dem Verhalten von Fans im Zug eskalierte und die Polizeikräfte veranlasste, Zwangsmittel einzusetzen.

Soweit das Gericht ein Feststellungsinteresse bejaht hat, scheitert die Zulässigkeit der Klage nicht daran, dass mehrere Strafgerichte die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Einsatzes bejaht haben. Soweit es zu Verurteilungen von Fans kam, waren polizeiliche Maßnahmen nur inzident zu prüfen. Bei dem Ermittlungsverfahren gegen POM H. kam es nicht zu einer Anklage. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren mit Beschluss vom 7. Juli 2014 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, da der Einsatz des Pfeffersprays rechtmäßig gewesen sei. Zwar spricht viel dafür, dass man ein Feststellungsinteresse oder Rechtsschutzbedürfnis für ein weiteres verwaltungsgerichtliches Verfahren verneinen muss, wenn in einem strafgerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Pfefferspray geprüft wird (kein Anspruch auf den angeblich „sachnäheren“ Richter, vgl. BVerwG, U. v. 20.1.1989 - 8 C 30/87 - juris Rn. 9). Es können auch rechtskräftige Feststellungen eines Strafgerichts einem verwaltungsgerichtlichen Urteil zugrunde gelegt werden. Ein anhängiges strafrechtliches Ermittlungsverfahren hindert aber nicht die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage.

Die Klage ist auch nicht verfristet. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, bei der sich der Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft erledigt hat, und für eine Feststellungsklage gelten nicht die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, U. v. 14.7.1999 - 6 C 7 /98 - juris Rn. 20 ff.). Auch wenn man den Rechtsgedanken aus § 58 Abs. 2 VwGO berücksichtigt, da die Klage nicht zeitlich unbeschränkt erhoben werden kann (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn. 72), wurde die Klage rechtzeitig erhoben.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Die vom Kläger zu 4. geltend gemachten Schläge mit einem Einsatzmehrzweckstock der Polizei haben nach Überzeugung des Gerichts nicht stattgefunden (1.). Der Einsatz von Pfefferspray im Zug durch POM H. zur Durchsetzung eines Platzverweises war gemäß § 38 BPolG, §§ 6, 12 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig und verletzte die Kläger zu 2., 3. und 4. nicht in ihren Rechten (2.). Der Einsatz von Pfefferspray durch Bundespolizisten vom Bahnsteig aus, um sich vor Angriffen von Fans zu schützen, war gemäß § 6 Abs. 2 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig und verletzte den Kläger zu 3. nicht in seinen Rechten (3.). Die Bundespolizei konnte gemäß § 14 i. V. m. § 3 Abs. 1 BPolG den Regionalzug am Bahnhof Petershausen anhalten und den Klägern das Aussteigen verbieten (4.).

1. Der Kläger zu 4. hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2016 geltend gemacht, dass er mit einem Einsatzmehrzweckstock der Polizei zweimal geschlagen worden sei, als er bei dem Einsatz der Polizei - Verlassen des Platzes durch S. R. - beschwichtigend habe eingreifen wollen. Dieser Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Klägers spricht zunächst, dass der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal vorgetragen hat. Nach dem ursprünglichen Klageantrag sollte die Rechtswidrigkeit der gegenüber den Klägern zu 2. und 3. angewendeten körperlichen Gewalt durch Einsatz von Reizstoff, Einsatzmehrzweckstöcken festgestellt werden. In dem umfangreichen Klagevortrag fehlt jeglicher konkrete Vortrag zu dem Einsatz eines Einsatzmehrzweckstockes. Vielmehr wurde vorgetragen, dass es nicht darauf ankäme, ob jeder einzelne der Kläger auch getroffen worden sei; sie hätten sich alle im Zug befunden und seien daher konkret gefährdet gewesen, von entsprechenden Schlagstöcken getroffen zu werden (Schriftsatz vom 3. Juni 2016). Für den erstmaligen Vortrag in der mündlichen Verhandlung wurde auch keine plausible Erklärung gegeben. So hat der Prozessbevollmächtigte lediglich ausgeführt, dass der Tatsachenvortrag Sinn der mündlichen Verhandlung sei. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass es im Zug zu keinem Schlagstockeinsatz gekommen sei; der Einsatzmehrzweckstock sei lediglich zum „Wegdrücken“ durch PM M. eingesetzt worden, als die Beamten auf der Plattform von Fans bedrängt worden seien. Letzteres hat auch der Zeuge M. mit seiner Aussage bestätigt. Gegen die Aussage des Klägers zu 4., bei dem polizeilichen Einsatz gegen S. R. zweimal geschlagen worden sei, spricht auch das polizeiliche Einsatzvideo. Zwar sieht man den Vorgang dort nur ganz kurz, da dem Videobeamten von den Fans die Sicht versperrt wurde, man hört aber die jeweiligen Kommentare der Fans. Dabei werden der Toilettengang von S. R. und der Einsatz von Pfefferspray kommentiert, nicht aber, dass es zu Schlägen gegen einen Fan gekommen ist. Weiter spricht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage, dass der Kläger zu 4. auch bei seiner Aussage, wie stark er von dem Pfeffersprayeinsatz betroffen gewesen sei, offensichtlich übertrieben hat. Denn man sieht ihn kurz darauf auf dem Video ohne körperliche Anzeichen (keine tränende Augen).

2. Der Einsatz von Pfefferspray durch POM H. im Zug war rechtmäßig. Es lagen sowohl die gesetzlichen Voraussetzungen für den ausgesprochenen Platzverweis als auch für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu seiner Durchsetzung vor.

Nach § 38 BPolG kann die Bundespolizei zur Abwehr einer Gefahr Personen vorübergehend von einem Ort verweisen. Eine Platzverweisung setzt eine konkrete Gefahr voraus, d. h. eine Sachlage, die im Einzelfall tatsächlich oder jedenfalls aus der (ex-ante-)Sicht des für die Polizei handelnden Amtswalters bei verständiger Würdigung der Sachlage in absehbarer Zeit die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf ein polizeirechtlich geschütztes Rechtsgut in sich birgt (vgl. Schenke in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 38 BPolG Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind gegeben. POM Hempel hat den Platzverweis ausgesprochen, um eine polizeiliche Maßnahme - Begleitung des straftatverdächtigen S. R. zur Toilette - durchzuführen und, um sich und seine Kollegen vor (weiteren) Angriffen durch Fans zu schützen.

Nach der Zeugeneinvernahme der Polizeibeamten, den Aussagen der Kläger, soweit ihnen gefolgt werden kann, dem polizeilichen Einsatzvideo, soweit Aufnahmen vorliegen, und den Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils gegen S. R. (AG Pfaffenhofen, U. v. 1.7.2014, 1 Ds 24 Js 5364/14) sowie des Strafbefehls gegen S.H. (AG Dachau vom 14.5.2014, 5 Cs 24 Js 12458/14) geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus: S. R., der im oberen Bereich des vorletzten Waggons saß, hatte zuvor einen Polizeibeamten mit der Faust gegen den Brustkorb und anschließend nochmals mit der Faust in den Bereich der Gürtellinie geschlagen. Dieser Vorfall ergibt sich auch aus dem polizeilichen Video über die Begleitung der Fußballfans (00027.MTS, etwa 21.45 Uhr - die angegebene Zeit der Videoaufnahme ist noch Sommerzeit, weiter ist die Videozeit offensichtlich nicht minutengenau - von der Polizei angegebene Tatzeit im Strafverfahren 21.40 Uhr). Eine Identitätsfeststellung unterblieb zunächst, um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Als S. R. etwa eine halbe Stunde später, kurz vor dem Halt in Petershausen, seinen Platz verlassen wollte, gingen die Polizeibeamten davon aus, dass er sich einer polizeilichen Maßnahme entziehen will. Es kam zu einer Rangelei, wobei S. R. erneut versuchte, einen Polizeibeamten zu verletzen. Aus dem polizeilichen Video (00028.MTS) ergibt sich eine aggressive Stimmung der Fans mit Rufen „jetzt knallts“, „jetzt schepperts“. Weiter sieht man auf dem Video, dass Fans den Polizeibeamten, die sich im oberen hinteren Teil des Waggons befanden, den Weg zu ihren Kollegen versperrten. Der Fan S.H. wurde deswegen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Nachdem S. R. angegeben hatte, dass er auf die Toilette müsse, beschlossen die Polizeibeamten, ihn dahin zu begleiten. Sie bahnten sich einen Weg durch den Waggon, gefolgt von Fans. Als sie zu der Treppe kamen, die nach unten zum Eingangsbereich führte, sahen sie dort ihre Kollegen, die unten auf bzw. an der Treppe standen. Auf der Plattform standen 10 bis 15 Personen, die vermummt waren und Bierflaschen in der Hand hatten. Sie machten „Halsabschneider“-Gesten und schlugen mit der geballten Faust in die Hand. POM H. forderte die Fans auf, Platz zu machen. Dieser Aufforderung kamen diese aber nicht nach.

Die Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten H., M., B. und C., die eine bedrohliche Situation schilderten, waren glaubhaft. Sie waren im Wesentlichen deckungsgleich mit den Aussagen (Aussagen von H., M. und C.), die sie im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 2. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Az. 245 Js 147070/14) gemacht hatten. Soweit es dabei teilweise noch zu detailreicheren Schilderungen kam, spricht es für die Glaubwürdigkeit der Zeugen, dass sie vor Gericht nur das geschildert haben, woran sie sich erinnert haben. Der Kläger zu 4. hat eingeräumt, dass er Leute gesehen habe, die sich vermummt hätten. Die Klägerin zu 2. hat ausgesagt, dass sie von den Polizeibeamten aufgefordert worden sei, wegzugehen. Von dem Geschehen auf der Plattform gibt es keine Videoaufzeichnungen, da sich der Videobeamte B., den das Gericht ebenfalls als Zeugen vernommen hat, im hinteren Teil des oberen Waggons aufhielt, ihm der Weg zu seinen Kollegen durch Fans versperrt wurde und er sich auch nicht in eine gefährliche Situation begeben wollte. Die aufgeheizte Stimmung im oberen Teil des Waggons und die dort ersichtliche Gewaltbereitschaft von Fans stützen aber die Schilderungen der Polizeibeamten über das Geschehen auf der Plattform. Der klägerische Vortrag, dass die Fans ruhig gewesen seien und die Beamten sich ohne Grund aggressiv verhalten hätten, ist nach den vorliegenden Videoaufnahmen unrichtig.

Der ausgesprochene Platzverweis war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar und konnte nach § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Buchstabe c, § 12 VwVG mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Der Einsatz von Pfefferspray als Zwangsmittel war gemäß §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig, insbesondere auch verhältnismäßig. Die Androhung des Gebrauchs von Reizstoffen ist nach den Regelungen des UZwG nicht erforderlich. § 13 VwVG ist nicht einschlägig, da der sofortige Vollzug des Platzverweises nach § 6 Abs. 2 VwVG zur Abwehr einer drohenden Gefahr notwendig war. Über den Wortlaut des § 6 Abs. 2 VwVG hinaus ist der sofortige Vollzug auch dann zulässig, wenn der Grundverwaltungsakt bereits erlassen wurde, aber die weiteren Voraussetzungen des gestuften Vollstreckungsverfahrens wegen auftretender Eilbedürftigkeit nicht eingehalten werden können (vgl. Deusch/Burr, Beck-Online-Kommentar VwVfG, VwVG, § 6 Rn. 25). Allerdings sieht die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministers des Innern zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 18. Januar 1974 (UZwVwV-BMI) vor, dass der unmittelbare Zwang in diesen Fällen mündlich oder auf andere nach der Lage gebotene Weise angedroht werden soll, soweit es die Umstände nicht unmöglich machen (X. Abs. 1 Satz 2). Eine mündliche Androhung des Einsatzes von Pfefferspray ist nach der glaubhaften Aussage des POM H. erfolgt. Dies wird auch durch die zeugenschaftliche Äußerung der Kollegin J. und des Polizeibeamten C., die sich in seiner unmittelbaren Nähe befanden, im Ermittlungsverfahren 245 Js 147070/14 bestätigt. Zwar war diese Androhung möglicherweise nicht für jeden verständlich. Der Beamte hat dies selbst eingeräumt, indem er angab, dass er einen Helm aufgehabt habe, in dem ein Mundschutz integriert sei. Er hat aber weiter das Pfeffersprühgerät sichtbar vor sich gehalten, was auch der Kläger zu 3. mit seiner Aussage bestätigt hat. Damit sind jedenfalls die Anforderungen, die angesichts der bedrohlichen Situation von einer Androhung des unmittelbaren Zwangs erwartet werden konnten, erfüllt.

Die Verhältnismäßigkeit der Anwendung unmittelbaren Zwanges ist aus der ex-ante-Sicht der handelnden Polizeibeamten zu beurteilen. Ein anderes geeignetes, den Einzelnen weniger belastendes Zwangsmittel (§ 4 Abs. 1 UZwG) stand nicht zur Verfügung. Wie die Polizeibeamten H., B. und M. glaubhaft ausgesagt haben, hatten sie zunächst versucht, sich mit einfacher körperlicher Gewalt einen Weg frei zu machen bzw. die Fans auf Abstand zu halten. Dies führte aber nicht zu dem gewünschten Erfolg. Es ist nachvollziehbar, dass die Beamten, die auf und unten an der Treppe standen, gegen die Fans auf der Plattform nur jeweils in geringer Mannstärke auftreten und sich damit nicht mit Erfolg durchsetzen konnten.

Der Einsatz von Pfefferspray im Zug stand auch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg (§ 4 Abs. 2 UZwG). Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Polizeibeamten, wie die Kläger teilweise vorgetragen haben, wahllos und mehrfach Pfefferspray gesprüht haben. POM H. hat widerspruchsfrei zu seinen Angaben im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 2. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (245 Js 147070/14) angegeben, dass er oben auf der Treppe einen Sprühstoß abgegeben hat. Dies haben die Polizeibeamten M., B. und C. („ich bin mir nicht ganz sicher“) bestätigt. Dass sich der Zeuge C. nicht mehr ganz sicher war, ist aufgrund des länger zurückliegenden Zeitpunkts verständlich und spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Soweit die Kläger vorgetragen haben, dass auch auf der Plattform Pfefferspray gesprüht worden sei, der Reizstoff auch seitlich in die Waggons gesprüht worden sei, und sich hierfür auf vorgelegte Fotos berufen, konnten die Kläger damit den Nachweis nicht erbringen. Einen genauen Ort kann man aus den unscharfen, kleinen Bildausschnitten nicht erkennen. Der Klägerbevollmächtige, der die Fotovorlage in der mündlichen Verhandlung in seinem Schriftsatz vom 11. März 2015 ankündigte, hat auch nicht vorgetragen, wer die Fotos gefertigt hat. Der Sprühstoß von unten nach oben spricht dafür, dass die Fotos Pfeffersprayeinsätze zeigen, bei denen vom Bahnsteig aus Pfefferspray in den Zug gesprüht wurde. Allein die Tatsache, dass auf dem Foto wohl ein behelmter Polizeibeamter zu sehen ist, beweist nicht, dass der Sprühstoß auf der Plattform abgegeben wurde. Gegen einen mehrfachen Einsatz von Pfefferspray von der Treppe oder der Plattform aus spricht auch die auf dem Video zu sehende geringe Beeinträchtigung des Klägers zu 4. vom Pfeffersprayeinsatz, der sich nach seinem Vortrag und der Skizze auf der Plattform befand. Auf dem Video ist auch sein relativ unaufgeregter Kommentar zu hören „... dass ihr stärker seid, mit diesem Spray“ (00028.MTS). Der vom POM H. abgegebene Spraystoß ging offensichtlich in Richtung der Klägerin zu 2., die sich an anderer Stelle auf der Plattform aufhielt.

Der durch die Abgabe eines Sprühstoßes zu erwartende Schaden stand auch nicht deshalb außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg, weil seine Abgabe im Zug erfolgte. Zwar ist grundsätzlich beim Einsatz von Pfefferspray in geschlossenen Räumen Zurückhaltung geboten. Soweit die Verwaltungsvorschrift von 1974 (UZwVwV-BMI IV. Abs. 5 Satz 3) noch vorsieht, dass Reizstoffe in geschlossenen Räumen nur gegen Personen eingesetzt werden dürfen, die sich gegen eine Festnahme gewaltsam zur Wehr setzen, ist diese Regelung im Hinblick auf das bei der Bundespolizei in neuerer Zeit verwendete Pfefferspray (vgl. Ruthig in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 UZwG Rn. 13) und der möglichen, unterschiedlichen Reizstoffwurfkörper obsolet geworden. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2016 auf die geltenden Regelungen in der Ausbildung der Polizei hingewiesen. Weicht eine Behörde generell von Richtlinien ab, so verlieren sie ihre ermessensbindende Wirkung (vgl. BVerwG, U. v. 25.4.2012 - 8 C 18/11 - juris Rn. 32). Das bei der Bundespolizei eingeführte und in den Reizstoffsprühgeräten verwendete Pfefferspray PAVA verbreitet sich erheblich weniger in der Raumluft als der in anderen Geräten verwendete Wirkstoff CN/CS, es kann mit den eingeführten Reizstoffsprühgeräten zielgenauer eingesetzt werden und ist deshalb auch für den Einsatz in geschlossenen Räumen geeignet (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 6. Juli 2015 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE zu einem Polizeieinsatz im Regionalexpress 3666 am 12. April 2015, Drucksache 18/5474 S. 4). Mit der Abgabe eines Sprühstoßes kurz vor Öffnen der Türen am regulären Haltepunkt in Petershausen hat die Bundespolizei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin zu 2. damit erheblich, vor allem auch im Gesicht, getroffen wurde. Gerade die Klägerin zu 2. ist von den Polizeibeamten aber mehrfach aufgefordert worden ist, wegzugehen, sich nicht einzumischen (auch POM M. und PHM C.). Sie hat sich trotzdem weiterhin bewusst in der Mitte des Geschehens aufgehalten. Ihr Vortrag, dass sie aus Platzgründen nicht habe weggehen können, hält das Gericht für einen Schutzvortrag.

3. Der Einsatz vom Pfefferspray vom Bahnsteig aus ist vom Gericht nur zu überprüfen, soweit der Kläger zu 3. eine erhebliche Betroffenheit geltend gemacht hat. Der Kläger zu 3. hat angegeben, dass er am Anfang der Auseinandersetzungen zwischen Fans im Zug und Polizeibeamten am Bahnsteig von dem Einsatz von Pfefferspray betroffen war und sich danach entfernt hat. Von dem Einsatzgeschehen am Anfang gibt es keine Videoaufzeichnungen, da sich der Videobeamte der Bundespolizei zunächst noch im oberen Teil des vorletzten Waggons aufgehalten hat. Der Kläger zu 3. hat selbst kein konkretes Einsatzgeschehen geschildert. Das Gericht geht aufgrund der Zeugeneinnahme der Polizeibeamten (PHK G., POM H., POM M., PHM C., POK B.), den späteren Videoaufzeichnungen und der rechtskräftigen Verurteilung von T. H. (AG Dachau, U. v. 25.9.2014, 5 Ds 37 Js 15776/14) davon aus, dass die Polizeibeamten mit dem Sprühen von Pfefferspray auf das Werfen von Flaschen und Gegenständen durch die Fans reagierten.

Dieser Einsatz von Pfefferspray war gemäß § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Buchst. c, § 12 VwVG, §§ 2, 4 UZwG rechtmäßig. Der Verwaltungszwang konnte ohne vorausgehenden Verwaltungsakt zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Polizeibeamten angewendet werden. Besonders in der Anfangsphase der Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizeibeamten, die vom Gericht nur zu überprüfen ist, standen den Polizeibeamten gleich geeignete Einsatzmittel, um die Situation unter Kontrolle zu bringen, nicht zur Verfügung. Auf die von der Beklagten getroffene Bewertung möglicher Handlungsoptionen muss daher nicht eingegangen werden. Der Einsatz von Pfefferspray erfolgte hier zielgerichtet gegen Fans, die zum Werfen von Gegenständen ansetzten. Die Verhältnismäßigkeit gemäß § 4 Abs. 2 UZwG war damit gewahrt.

4. Für das angeordnete Stehenbleiben des Zuges am Bahnhof Petershausen und das Verbot für die Kläger, den Waggon zu verlassen, konnte sich die Polizei auf die allgemeine Befugnisnorm des § 14 Abs. 1 BPolG stützen. Danach kann die Bundespolizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Gemäß § 3 Abs. 1 BPolG hat die Bundespolizei die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen. Dies bedeutet insbesondere die Verhütung von Straftaten in den Bahnhöfen, Zügen, auf den Bahnanlagen und umfasst auch die Begleitung von gewaltbereiten Gruppen bei Großveranstaltungen (vgl. Graulich in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 3 Rn. 6). Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn im Einzelfall tatsächlich oder jedenfalls aus der (ex-ante-)Sicht des für die Polizei handelnden Amtswalters bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage in absehbarer Zeit die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (§ 14 Abs. 2 Satz 1 BPolG). Die von den zuständigen Einsatzleitern angestellte Gefahrenprognose ist nicht zu beanstanden.

Es bestand die konkrete Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei auf den engen Bahnsteig verlagerten und damit auch im Hinblick auf den laufenden Bahnbetrieb Einsatzkräfte und Fans geschädigt würden. Wie die Videoaufnahmen zeigen, war die Stimmung der Fans an der vorderen Türe des vorletzten Waggons aufgeheizt, die Polizeibeamten wurden beleidigt („Wichser“), es flogen Flaschen. Auch unbeteiligte Bahnreisende hätten bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung auf dem Bahnsteig diesen nicht ohne Gefahr für ihre Sicherheit benutzen können. Weiter konnte die Polizei davon ausgehen, dass sich einzelne Fans einer Polizeikontrolle entziehen und über die Bahngleise flüchten würden, was nicht erlaubt (Ordnungswidrigkeit nach § 64b Abs. 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung - EBO) und im Hinblick auf durchfahrende Züge auch äußerst gefährlich ist. So sieht man auf dem Video (00029.MTS), dass insgesamt vier Personen vom Bahnsteig aus auf die Gleise steigen, zwei Gleise überqueren und sich dann entfernen. PHK G. hat daher zu Recht angeordnet, dass die drei letzten Türen Richtung Bahnsteig von außen mit dem Vierkant verschlossen werden. Die Türe, an der Pfefferspray eingesetzt wurde, konnte immer geöffnet worden, ebenso die davor liegenden Türen des Zuges. Die verschlossenen Türen wurden, nachdem sich die Situation im hinteren Bereich des Zuges beruhigt hatte, wieder geöffnet. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Zug war es erforderlich, dass der Regionalzug weiter von Beamten der Bahnpolizei begleitet wurde. Während des Aufenthalts des Zugs am Bahnhof Petershausen konnten die Polizeikräfte für die Weiterfahrt verstärkt werden.

Die polizeilichen Maßnahmen wurden von der Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen und waren verhältnismäßig (§§ 15, 16 BPolG).

Soweit der Prozessbevollmächtigte vorgetragen hat, dass es in Petershausen keinen Grund gegeben habe, den Zug anzuhalten, da die Identitätsfeststellungen in München getroffen werden sollten, verkennt er, dass die Gründe für das Anhalten des Zuges in Petershausen mehrheitlich im präventiven Bereich lagen. Vor einer Weiterfahrt des Zuges musste die Sicherheit und Ordnung im Zug wiederhergestellt werden. Eine Weiterfahrt des Zuges ohne Polizeikräfte kam im Hinblick auf den Schutz unbeteiligter Personen sowie der Gefahr von weiteren Sachbeschädigungen im Zug nicht in Betracht. Zum Schluss der Videoaufzeichnungen wird eindrucksvoll ein Überblick über die Schmierereien, sonstige Beschädigungen wie z. B. Herausreißen eines Feuerlöschers und massiven Verunreinigungen im Zug gegeben (000.55 MTS - 00061.MTS). Die Anordnung für die Personen im vorletzten Zug und damit auch für die Kläger, im Zug zu bleiben, ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil es zuvor zu einem Einsatz von Pfefferspray an der vorderen Türe gekommen ist und es im Anschluss daran aufgrund des gewaltsamen Verhaltens von Fans nochmals zu Sprühstößen im Türenbereich kam. Aus den Videoaufzeichnungen ergibt sich, dass bereits nach etwa 10 Minuten die hintere Tür im vorletzten Waggon wieder offen stand und sich dort Fans an der offenen Türe bzw. auf dem Bahnsteig aufhielten (00030.MTS, 22.30 Uhr). Etwas später hielt sich sogar eine Vielzahl von Personen aus dem hinteren Zugteil auf dem Bahnsteig auf (00034.MTS, 22.38 Uhr). Weiter ergibt sich aus den letzten Videoaufnahmen im Zug, dass die Belastung durch Pfefferspray jedenfalls im oberen Bereich des hinteren Teils offensichtlich nicht spürbar war (00028.MTS). Dort hatte sich der Kläger zu 4. aufgehalten. Die Klägerin zu 1., die sich im unteren Teil des Waggons aufgehalten hat, hat angegeben, dass sie durch das Pfefferspray nicht wesentlich beeinträchtigt war. Soweit sie Angst gehabt hat, ist das verständlich, führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme. Die Klägerin zu 2., die von dem Einsatz von Pfefferspray im Zug stark betroffen war, hätte medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können. Die Polizeibeamten haben Rettungswagen zum Bahnhof Petershausen beordert, offensichtlich legten die Fans aber keinen Wert auf ärztliche Betreuung. So sieht man auf dem Video, dass ein Polizeibeamter einem Fan helfen will, der von einem Sprühstoß getroffen wurde, ihm aus dem Waggon hilft, dieser aber sofort wieder von seinen Kollegen hineingezogen wird (00029.MTS). Die Polizei hat den Regionalzug etwa 1 ¼ Stunden angehalten. Diese Zeitdauer war im Hinblick auf die verfolgten polizeilichen Zwecke nicht unangemessen. Nachdem die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Fans und Polizeibeamten beendet war und alle Türen im vorletzten Waggon geöffnet werden konnten, reduzierte sich die Belastung für die Kläger im Wesentlichen auf eine Zeitverzögerung. Nach der polizeilichen Freigabe bedurfte es noch bahnbetrieblicher Maßnahmen, bevor der Zug tatsächlich abfahren konnte.

Die Maßnahmen konnten gegen die Klägerin zu 2. gem. § 17 Abs. 1 BPolG, wenn man sie im Hinblick auf die begangene Beleidigung sowie des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte als Störerin ansieht, ansonsten wie bei den Klägern zu 1., 3. und 4. nach § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2 BPolG angeordnet werden. Danach können auch nicht verantwortliche Personen in Anspruch genommen werden, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist oder Maßnahmen gegen die Verantwortlichen keinen Erfolg versprechen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Wie die Beklagtenvertreterin nachvollziehbar vorgetragen hat, ist ein sukzessives Herausgreifen der angreifenden Fans aufgrund der Kräftelage nicht möglich und auch nicht erfolgversprechend gewesen, da sich diese jedenfalls teilweise unter Unbeteiligte im Zug gemischt hatten. Weiter mussten die Polizeibeamten bei einem Eingreifen im Zug damit rechnen, dass auch Unbeteiligte gefährdet würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 20.000,-- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Okt. 2016 - M 7 K 14.2128 zitiert 42 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich: 1. § 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 58


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende F

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Strafprozeßordnung - StPO | § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung


(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. (2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren

Gesetz über die Bundespolizei


Bundespolizeigesetz - BPolG

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 6 Zulässigkeit des Verwaltungszwanges


(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit den Zwangsmitteln nach § 9 durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein soforti

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 23 Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen


(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen 1. zur Abwehr einer Gefahr,2. zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,3. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbind

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 13 Androhung der Zwangsmittel


(1) Die Zwangsmittel müssen, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2), schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise z

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 17 Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen


(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten. (2) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, so können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist. Ist für

Strafprozeßordnung - StPO | § 163b Maßnahmen zur Identitätsfeststellung


(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festge

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 15 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. (2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg er

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 14 Allgemeine Befugnisse


(1) Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt. (2) Gefahr im Sinne dieses Abschn

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 3 Bahnpolizei


(1) Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die 1. den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder2. beim Betrieb d

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 12 Unmittelbarer Zwang


Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Vollzugsbehörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen.

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 38 Platzverweisung


Die Bundespolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung - EBO | § 64b Ordnungswidrigkeiten


(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 28 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes handelt, wer vorsätzlich 1. (weggefallen)2. an einer nicht dazu bestimmten Seite eines Fahrzeugs oder an einer nicht dazu bestimmten Stelle einsteigt oder aussteigt,3. einsteigt o

Bundesnichtraucherschutzgesetz - BNichtrSchG | § 1 Rauchverbot


(1) Das Rauchen ist nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 verboten 1. in Einrichtungen des Bundes sowie der Verfassungsorgane des Bundes,2. in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenverkehrs,3. in Personenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahnen. (2)

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes - UZwG | § 4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. (2) Ein durch eine Maßnahme des unmi

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 16 Ermessen, Wahl der Mittel


(1) Die Bundespolizei trifft ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen. (2) Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wi

Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes - UZwG | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. (2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. (3) Hilfsmittel der körpe

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 06. Sept. 2017 - 5 K 783/16.NW

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Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswi

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Das Rauchen ist nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 verboten

1.
in Einrichtungen des Bundes sowie der Verfassungsorgane des Bundes,
2.
in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenverkehrs,
3.
in Personenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahnen.

(2) Das Rauchverbot nach Absatz 1 gilt in Gebäuden und sonstigen vollständig umschlossenen Räumen; es gilt nicht für Räume, die Wohn- oder Übernachtungszwecken dienen und den Bewohnerinnen und Bewohnern zur alleinigen Nutzung überlassen sind.

(3) Abweichend von Absatz 1 und 2 erster Halbsatz können in den dort genannten Einrichtungen, Verkehrsmitteln und Personenbahnhöfen gesonderte und entsprechend gekennzeichnete Räume vorgehalten werden, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn insgesamt eine ausreichende Anzahl von Räumen zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für die in § 2 Nr. 2 Buchstabe b genannten Verkehrsmittel.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates nähere Bestimmungen zur Einrichtung und Kennzeichnung von Raucherräumen nach Absatz 3, insbesondere zu den baulichen Anforderungen an die Größe, Lage, Gestaltung sowie zur Art und Weise ihrer Belüftung, zu erlassen.

Die Bundespolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2002 - 12 K 179/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme durch Beamte des Polizeivollzugsdienstes des beklagten Landes.
Mit Telefax vom 17.10.2000 meldete xxx für Mittwoch, den 18.10.2000, bei der zuständigen Versammlungsbehörde, dem Landratsamt xxx, eine Demonstration gegen den für diesen Tag erwarteten Transport von Brennelementen (Castor-Transport) vom Gelände des Kernkraftwerks xxx zur Wiederaufbereitungsanlage xxx an. Die Demonstration sollte von 7.00 bis 15.00 Uhr „vom Marktplatz zur AKW-Haupteinfahrt mit anschließender Mahnwache und Abschlusskundgebung“ stattfinden. Der Versammlungsleiter und die Versammlungsteilnehmer gingen dabei davon aus, dass der Demonstrationszug zunächst in östlicher Richtung zum sogenannten „Kreisel“ und von dort über die sogenannte Rheinschanzinsel zum Haupteingang des Kernkraftwerks xxx verlaufen sollte. Nachdem allerdings am frühen Morgen des 18.10.2000 gegen 6.15 Uhr eine andere Demonstrationsgruppe mit etwa 150 Teilnehmern die am Zufahrtsweg des Kernkraftwerks postierte Polizei überrannt und eine sogenannte „Schichtwechsel-Blockade“ durchgeführt hatte und dadurch der ursprünglich geplante Weg zum Kernkraftwerk durch Polizeikräfte und Demonstranten versperrt war, entschlossen sich der Versammlungsleiter und die Versammlungsteilnehmer - darunter auch der Kläger - kurzfristig, über die L 555 zur Straße am Zufahrtsgleis zum Kernkraftwerk zu gehen, um dann auf dieser Straße entlang dem Gleis zum Kernkraftwerkstor zu gelangen. Der Demonstrationszug begab sich mit 150 Teilnehmern - darunter auch der Kläger - gegen 7.20 Uhr in westlicher Richtung auf die L 555 in Richtung Industriegleis. An der Straßenbrücke über den Pfinzkanal wurde der Demonstrationszug von Polizeikräften aufgehalten, woraufhin sich die Teilnehmer - darunter auch der Kläger - auf die Fahrbahn der L 555 setzten und diese blockierten. Ein Vertreter der Versammlungsbehörde teilte dem Versammlungsleiter sodann mit, dass ein Aufzugsweg zum Kernkraftwerk über das Anschlussgleis nicht zugelassen werde, die Fahrbahn freigehalten werden müsse und beabsichtigt sei, die Demonstration zu untersagen. Um 8.20 Uhr erklärte der Versammlungsleiter daraufhin die Demonstration für beendet. Nachdem die Versammlungsteilnehmer sich trotz mehrfacher Aufforderung durch die Polizei nicht von der Fahrbahn entfernten, wurde die Versammlung durch mündliche Verfügung des Vertreters der Versammlungsbehörde aufgelöst und die auf der Fahrbahn verbliebenen Versammlungsteilnehmer - darunter auch der Kläger - von polizeilichen Einsatzkräften auf das angrenzende Wiesengelände abgedrängt. Die Räumung der L 555 war um ca. 8.37 Uhr beendet.
Etwa um 9.15 Uhr beschlossen die abgedrängten Versammlungsteilnehmer ohne Mitwirkung des bisherigen Versammlungsleiters nun doch, über die Altrheinbrücke zur Rheinschanzinsel zum Werkstor des Kernkraftwerks zu marschieren, um dort - wie ursprünglich vorgesehen - zu demonstrieren. Die etwa 150 Personen gingen daraufhin nach xxx zurück, um auf direktem Wege zur Hauptzufahrtstraße zum Kernkraftwerk zu gelangen. An der Altrheinbrücke zur Rheinschanzinsel wurden die Demonstranten etwa um 9.35 Uhr durch eine Polizeisperre am Weitergehen gehindert. Daraufhin setzten sich die Teilnehmer - darunter auch der Kläger - wiederum auf die Straße, um gegen die Vorgehensweise der Polizei zu protestieren. Um 9.54 Uhr löste der Vertreter der Versammlungsbehörde auch diese Versammlung auf. Während sich etwa 40 Teilnehmer freiwillig von der Fahrbahn entfernten, verblieben über 110 Personen - darunter auch der Kläger - auf der Straße zum Kernkraftwerk sitzen. Nachdem diese seitens der Polizei mehrfach zur Räumung der Straße aufgefordert worden waren, wurden sie etwa ab 10.10 Uhr von den Polizeikräften unter Anwendung unmittelbaren Zwangs weggetragen und in Gewahrsam genommen. Alle in Gewahrsam genommenen Demonstranten wurden sodann mit Polizeifahrzeugen in die xxxx-Kaserne nach xxx verbracht, wo sie gegen 11.00 Uhr eintrafen. Dort erfolgte die erkennungsdienstliche Behandlung und die Anfertigung von Ordnungswidrigkeitenanzeigen. Der Kläger, dessen Personalien etwa um 13.30 Uhr festgestellt wurden, verweigerte die Aussage zu der ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit, legte schriftlich Widerspruch gegen die Ingewahrsamnahme ein und beantragte eine sofortige richterliche Entscheidung.
Bereits um die Mittagszeit war seitens der Polizei erfolglos versucht worden, bezüglich der Ingewahrsamnahmen mit einem Richter des Amtsgerichts xxx-xxx Kontakt aufzunehmen. Um Rückruf wurde gebeten. Nachdem ein Rückruf nicht erfolgte, telefonierte um 15.15 Uhr Kriminaloberrat xxx mit dem Amtsgericht xxx und erhielt die Auskunft, dass ein Richter bereits nach Hause gegangen sei und der Direktor des Amtsgerichts gerade einen Sitzungstermin wahrnehme. Um 15.38 Uhr gelang es, Amtsgerichtsdirektor xxx telefonisch über die Gewahrsamnahmen in Kenntnis zu setzen. Dieser erklärte, dass er „nach § 28 Abs. 3 PolG durch den Anruf unverzüglich über die freiheitsentziehenden Maßnahmen der Personen unterrichtet“ sei. Weiter führte er aus, dass eine richterliche Bestätigung eine Einzelanhörung der inhaftierten Personen voraussetze. Nach seiner Auffassung habe die Polizei die rechtliche Möglichkeit, die Personen bis zum Ende des darauffolgenden Tages in Gewahrsam zu nehmen. Sollte der Gewahrsam im Laufe des nächsten Tages aufrechterhalten werden, so sei er hierüber zu verständigen, worauf er mit einer Einzelanhörung beginnen werde.
Um 16.45 Uhr wurde der Gewahrsam aufgehoben und der Kläger auf freien Fuß gesetzt.
Am 27.12.2000 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt festzustellen, dass die Gewahrsamnahme vom 18.10.2000 rechtswidrig gewesen sei. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 10.6.2002 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Gewahrsamnahme sei sowohl für den Zeitraum zwischen 11.00 Uhr bis 13.30 Uhr als auch für den Zeitraum zwischen 13.30 Uhr bis 16.45 Uhr rechtmäßig gewesen. Hinsichtlich des ersten Zeitraums sei die Maßnahme durch §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gerechtfertigt. Rechtsgrundlage für das weitere Festhalten des Klägers nach Abschluss der Personenfeststellung um ca. 13.30 Uhr sei § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der weitere Gewahrsam des Klägers zum Zwecke der Verhinderung einer bevorstehenden Straftat unter dem Gesichtspunkt der Nötigung, § 240 StGB, gerechtfertigt gewesen sei. Denn eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit könne auch bei bevorstehenden Ordnungswidrigkeiten angenommen werden, sofern diese zu umfangreichen und intensiven Störungen führen könnten. Dies sei hier der Fall gewesen. Die wiederholte Nichtbeachtung des sich aus § 13 Abs. 2 VersG ergebenden Gebots, sich nach der Auflösung der Versammlung zu entfernen, stelle eine Ordnungswidrigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG dar. Zudem habe zugleich auch ein Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2, 25 Abs. 1 StVO und eine nicht erlaubte Sondernutzung einer öffentlichen Straße gemäß § 16 Abs. 1 LStrG vorgelegen. Diese Störungen seien nach Umfang und Intensität erheblich gewesen. Die Störung habe auch unmittelbar bevorgestanden, da der Beklagte aufgrund des der Gewahrsamnahme vorangegangenen Verhaltens des Klägers sowie der polizeibekannten Strategie der Versammlungsteilnehmer davon habe ausgehen dürfen, dass der Kläger nach der Räumung der Straße erneut die Fahrbahn an einer anderen Stelle blockieren würde. Die Gefahr weiterer erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit habe auch bei der Aufrechterhaltung des Gewahrsams nach Abschluss der Personenfeststellung um 13.30 Uhr unmittelbar bevorgestanden. Eine Freilassung des Klägers um 13.30 Uhr hätte die Gefahr einer erneuten Blockadeaktion in sich geborgen. Der Beklagte habe auch nicht gegen die Pflicht verstoßen, unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Bei Beginn des Gewahrsams sei eine solche entbehrlich gewesen, da der Beklagte geplant habe, die in Gewahrsam genommenen Personen unmittelbar nach Abschluss der Personenfeststellung im Laufe der nächsten Stunde freizulassen, da man von Seiten der Polizei davon ausgegangen sei, dass die Demonstranten alsdann die Heimreise antreten würden. Bei dieser Sachlage sei die Einholung einer richterlichen Entscheidung schon deshalb entbehrlich gewesen, weil diese nur zu einer Verzögerung der Freilassung geführt hätte. Ihre Absicht, die in Gewahrsam genommenen Demonstranten bis spätestens 15.00 Uhr freizulassen, habe die Polizei in der Folgezeit jedoch nicht umsetzen können, nachdem sich die Gesamtsituation bis zu der tatsächlich erfolgten Kontaktaufnahme mit dem Amtsgericht xxx (um 15.15 Uhr) zum Unklaren hin entwickelt habe. Zwar seien schon vereinzelt Abreiseaktivitäten außerhalb der xxx-Kaserne feststellbar gewesen, andererseits habe aber insbesondere bei den in Gewahrsam genommenen Personen keine Bereitschaft bestanden, die umgehende Abreise zuzusichern. Wenn sich die Polizei in dieser Phase der Unsicherheit nunmehr dazu entschlossen habe, jetzt doch eine richterliche Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG herbeizuführen, so sei dieses Verhalten noch unverzüglich. Die Tatsache, dass das Amtsgericht erst um 15.38 Uhr über den Sachstand in Kenntnis gesetzt werden konnte, könne der Polizei nicht angelastet werden. Der Begriff des „Herbeiführens“ umfasse lediglich das Anhängigmachen der Sache beim zuständigen Amtsgericht. Nicht in die Verantwortungssphäre der Polizei falle die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht xxx, nachdem dieses von dem Gewahrsam polizeilicherseits in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Entscheidung des Amtsgerichts, von einer richterlichen Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams vorerst abzusehen, sei im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, zumal dem erkennenden Gericht insoweit eine Überprüfungskompetenz nicht zustehe. Die Freiheitsentziehung habe auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EMRK verstoßen. Der Begriff der „strafbaren Handlung“ im Sinne dieser Bestimmung sei weit auszulegen, so dass die Vorschrift die Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit nicht verbiete.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung vertieft der Kläger seine bisherigen Ausführungen: Es sei zweifelhaft, ob die Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme in der Zeit von 11.00 Uhr bis 13.30 Uhr tatsächlich § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gewesen sei. Nach ihrem eigenen Vortrag habe die Polizei die Demonstranten aus Gründen der Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen und nicht, um ihre Personalien festzustellen. Aus Gründen der Gefahrenabwehr sei die Ingewahrsamnahme seinerzeit aber nicht erforderlich gewesen. Er, der Kläger, habe sich an Blockadeaktionen zu keinem Zeitpunkt beteiligt, eine Blockade des AKW sei von ihm nicht beabsichtigt gewesen. Auf die Straße habe er sich allein deshalb gesetzt, weil die Polizei ein Weitergehen der Demonstrationsteilnehmer verhindert habe. Im Übrigen verstoße die Ingewahrsamnahme gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EMRK. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtfertige die Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten eine Freiheitsentziehung nicht. Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme hätten auch im weiteren Verlauf nicht vorgelegen. Ausreichende Tatsachen für eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit hätten nicht vorgelegen. Insoweit könne insbesondere nicht ausreichend sein, dass die in Gewahrsam genommenen Demonstranten keine Zusicherung abgegeben hätten, unmittelbar die Abreise anzutreten. Die Ingewahrsamnahme sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Polizei es unterlassen habe, unverzüglich die erforderliche richterliche Entscheidung herbeizuführen. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten sei eine Entlassung des Klägers erst eine Stunde nach Beendigung der Personalienfeststellung vorgesehen gewesen. Insoweit hätte ohne weiteres bereits vor der Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung beim Amtsgericht herbeigeführt werden können und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen. Die Polizei habe aber auch nach der Ingewahrsamnahme nicht unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeigeführt. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, dass dem Gericht der wesentliche Sachverhalt mit der Bitte um Entscheidung vorgelegt worden wäre, wozu es eines auf die Person des Klägers bezogenen Antrags bedurft hätte. Wie der Direktor des Amtsgerichts xxx in seiner Stellungnahme mitgeteilt habe, sei ein formeller Antrag auf richterliche Entscheidung seitens der Polizei nicht gestellt worden. Ein bloßes Telefonat könne insoweit nicht ausreichen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2002 - 12 K 179/01 - zu ändern und festzustellen, dass die Ingewahrsamnahme am 18.10.2000 rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt noch vor: Die Festnahme des Klägers habe zunächst der Personenfeststellung und der Anfertigung von Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG gedient. Erst gegen 13.40 Uhr sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass er nunmehr polizeirechtlich in Gewahrsam genommen werde. Bei den bis zur Eröffnung der polizeirechtlichen Ingewahrsamnahme getroffenen Maßnahmen handle es sich somit nicht um Akte, für die gemäß § 40 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Soweit sich die Klage auch auf das Verbringen in die xxx-Kaserne und das Festhalten bis zur Eröffnung der polizeilichen Ingewahrsamnahme erstrecke, sei sie deshalb unzulässig. Zum Zeitpunkt der polizeirechtlichen Ingewahrsamnahme hätten die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG vorgelegen. Ursprünglich sei beabsichtigt gewesen, den Kläger nach Beendigung der Maßnahmen im Rahmen des ordnungswidrigkeitsrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus dem Gewahrsam zu entlassen, da man davon ausgegangen sei, dass die in xxx verbliebenen Demonstranten in absehbarer Zeit die Heimreise antreten würden. In der Folgezeit hätten sich jedoch veränderte Gesamtumstände ergeben. In Gesprächen zwischen den Kundgebungsteilnehmern und dem polizeilichen Einsatzleiter sei deutlich geworden, dass im Grunde nur auf die Freilassung der festgehaltenen Personen gewartet worden sei und dass für die Nachmittags- bzw. Abendstunden noch eine weitere Kundgebung geplant sei. Unter diesen Umständen sei es äußerst wahrscheinlich gewesen, dass es bei einer sofortigen Freilassung zeitnah zu neuen Blockadeaktionen gekommen wäre. Dies habe auch aus den Erfahrungen mit den Blockadeaktionen am Vormittag und aus der von der Kampagne „X-tausendmal quer - überall“ generell im Zusammenhang mit dem Castortransport verfolgten Strategie geschlossen werden können.
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Es sei auch nicht gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung verstoßen worden. Schon im Hinblick auf die §§ 46 OWiG, 163 c Abs. 1 StPO sei noch vor 12.00 Uhr erfolglos versucht worden, einen zuständigen Richter beim Amtsgericht xxx zu erreichen. Wegen der zwischenzeitlich erfolgten Ingewahrsamnahme nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG sei um 15.15 Uhr erneut Kontakt mit dem Amtsgericht xxx-xxx aufgenommen worden. Der im Amtsgericht noch anwesende Amtsgerichtsdirektor xxx habe aber letztlich erst um 15.38 Uhr umfassend über die Ingewahrsamnahme informiert werden können, weil er zuvor noch einen Sitzungstermin wahrgenommen habe. Währenddessen habe sich die Situation entspannt. Ab etwa 15.00 Uhr seien erste Abwanderungsbewegungen festgestellt worden. In weiteren Gesprächen sei unverkennbar eine vorherrschende Aufbruchstimmung wahrnehmbar gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe bei den in Gewahrsam genommenen Personen keine Bereitschaft bestanden, die umgehende Abreise zuzusichern. Dies habe sich erst nach Einschaltung einer Aktivistin (xxx xxx) als Vermittlerin geändert. Nachdem ihr eine Kontaktaufnahme mit den in Gewahrsam Genommenen gestattet worden sei, habe sie gegenüber dem Polizeiführer erklärt, dass man nach der Entlassung aus dem Gewahrsam lediglich noch eine Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz von xxx durchzuführen beabsichtige. Der Gewahrsam sei dann um 16.45 Uhr aufgehoben worden. Dass ein Richter beim Amtsgericht xxx wegen anderer Dienstgeschäfte nicht sofort greifbar gewesen sei, liege in der Natur der Aufgabenstellung des Richters und sei unvermeidbar. Auch der Umstand, dass Amtsgerichtsdirektor xxx letztendlich bewusst keine Entscheidung über die Ingewahrsamnahme des Klägers getroffen habe, sei nicht zu beanstanden. Die von dem zuständigen Richter nach Unterrichtung durch die Polizei getroffene Prognose, dass insbesondere aufgrund des Erfordernisses der Anhörung eine richterliche Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Ingewahrsamnahme ergehen würde, sei nachvollziehbar und vertretbar gewesen. Soweit sich die Klage auf die vom Richter getroffene formlose „Verfahrensentscheidung“ erstrecke, mit Rücksicht auf das absehbare Ende der Gewahrsamnahme keine förmliche Sachentscheidung zu treffen, sei auch insoweit der Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen, weil eine Entscheidung des Gerichts im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG ergangen sei.
16 
Dem Senat liegen die einschlägigen Behörden- und Gerichtsakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die - nach Zulassung statthafte und auch sonst zulässige - Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige (I.) Klage zu Recht abgewiesen. Denn der am 18.10.2000 angeordnete Gewahrsam des Klägers war rechtmäßig und verletzte diesen nicht in seinen Rechten (II.).
I.
19 
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO hat der Senat nicht mehr zu prüfen. Hat das erstinstanzliche Gericht - wie im vorliegenden Fall - den zu ihm beschrittenen Rechtsweg bejaht und in der Hauptsache entschieden, ist das Berufungsgericht gemäß § 17 a Abs. 5 GVG grundsätzlich gehindert, die Rechtswegfrage inhaltlich zu überprüfen. Zwar ist die Bestimmung des § 17 a Abs. 5 GVG nicht anwendbar, wenn das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs befunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.1994 - 7 B 198.93 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Ergänzungslieferung 2003, § 17 a GVG RdNrn. 46, 28 f.). Hier war eine Vorabentscheidung des Verwaltungsgerichts indes nicht geboten, weil der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs im erstinstanzlichen Verfahren nicht gerügt hatte (vgl. § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG). Bei dieser prozessrechtlichen Lage ist der Senat gehindert, über die vom Beklagten erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Rechtswegrügen zu befinden.
20 
Mit seinem im Berufungsverfahren weiterverfolgten Klagantrag begehrt der Kläger die Feststellung, dass der am 18.10.2000 angeordnete, durch die noch am selben Tage um 16.45 Uhr erfolgte Freilassung erledigte Gewahrsam rechtswidrig war. Dass dieses Begehren in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig ist, hat das Verwaltungsgericht in zutreffender Weise festgestellt (vgl. S. 7 des Entscheidungsabdrucks).
II.
21 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass die Klage unbegründet ist. Denn der am 28.10.2000 erfolgte Gewahrsam des Klägers war rechtmäßig und verletzte diesen daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Dies hat das Verwaltungsgericht mit im Wesentlichen zutreffender Begründung festgestellt. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 7 bis 15 des Entscheidungsabdrucks; vgl. § 130 b Satz 2 VwGO). Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
22 
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme in der Zeit von 11.00 bis 13.30 Uhr sei § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gewesen. Er macht geltend, die Demonstranten seien nicht zur Feststellung ihrer Personalien, sondern aus Gründen der Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen worden. Dieser Einwand, dessen Prüfung dem Senat im Hinblick auf § 17 Abs. 2 GVG nicht verwehrt ist, verfängt nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Vertreter des beklagten Landes unwidersprochen angegeben, dass die Ingewahrsamnahme zunächst dem Zweck gedient habe, gegen die Aktivisten Anzeigen wegen des Verstoßes gegen § 29 VersG zu fertigen (S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Bestätigt wird diese Angabe durch die von dem Beklagten vorgelegten Akten aus dem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie die im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des EKHK xxx vom 23.10.2003 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 8.12.2003, S. 109 f. der VGH-Akte). Dort heißt es u.a.:
23 
„1. Am 18.10.2000 war ich innerhalb des Abschnittes „Strafverfolgung“ als Leiter des Unterabschnittes (UA) „Ermittlungen“ eingesetzt. In der Zeit zwischen 10.45 und 11.45 Uhr wurden dem Abschnitt „Strafverfolgung“ sukzessive mehr als 100 Demonstranten überstellt. Sämtliche Personen gelangten zunächst zum UA „Gefangenensammelstelle“, wo ihre Identität festgestellt und in Einzelfällen überprüft wurde. Gleichzeitig wurden den Personen mitgeführte Gegenstände abgenommen und in gesonderten Räumen verwahrt. Hierzu war es notwendig, sämtliche Gegenstände im Detail in einem Verzeichnis zu erfassen. Nach Erledigung dieses äußerst zeitaufwendigen Prozedere wurde den Personen von Beamten des UA „Ermittlungen“ die Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit, derer sie verdächtig waren, eröffnet.
24 
Nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen wurde den Personen ihre polizeirechtliche Gewahrsamnahme eröffnet und sie wurden in die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten verbracht.
25 
2. Den teilweise noch vorhandenen Listen des UA „Gefangenensammelstelle“ ist zu entnehmen, dass xxx xxx mit einer Gruppe von mindestens 17 Personen beim UA „Gefangenensammelstelle“ gegen 11.00 Uhr eintraf und um 13.40 Uhr belehrt wurde. Demnach erfolgte seine polizeirechtliche Gewahrsamnahme kurz nach 13.40 Uhr.“
26 
Diese konkrete und detaillierte Darstellung ist vom Kläger im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt worden. Für ihre Richtigkeit sprechen die Ausführungen des Klägers in seinem Gedächtnisprotokoll vom 21.10.2002 (S. 121 ff. der VG-Akte). Dort heißt es u.a.:
27 
„Um ca. 13.30 Uhr erfolgt die Ankündigung, dass die Behandlung der einzelnen Personen ab sofort verkürzt stattfindet. Kurz danach bin ich an der Reihe. Ich darf mein Gepäck wieder an mich nehmen, werde im Flur des Gebäudes mit einer Polaroid-Kamera fotografiert und anschließend in ein Büro geführt. Dort erfolgt eine Belehrung über die Ordnungswidrigkeit „Teilnahme an einer nicht angemeldeten Demonstration“. Ich mache keine Aussage, sondern gebe nur meine Personalien an. ...“
28 
Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Gewahrsam des Klägers bis etwa 13.40 Uhr der Durchführung des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens diente und deshalb durch § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gedeckt war. Selbst wenn mit dem Gewahrsam bereits am Vormittag zugleich auch präventive Zwecke verfolgt worden sein sollten, könnte der Kläger hieraus für sein Begehren nichts herleiten. Denn für die Qualifizierung einer sogenannten doppelfunktionalen Maßnahme der Polizei kommt es zum einen auf das Schwergewicht des polizeilichen Handelns und zum anderen auf den damit verbundenen Zweck an (Senatsurteil vom  16.5.1988, VBlBW 1989, 16, 17; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 189 ff.). Soweit der Grund des polizeilichen Handelns dabei dem Betroffenen nicht bereits unmittelbar selbst von der Polizei genannt wurde, ist für die Abgrenzung der Aufgabengebiete maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (Senatsurteil vom 16.5.1988, a.a.O.). Auch hieran gemessen greift der Einwand des Klägers nicht durch. Auf der Grundlage der oben erwähnten Unterlagen geht der Senat davon aus, dass sich der Gewahrsam bis 13.40 Uhr jedenfalls seinem Schwerpunkt nach für einen verständigen Bürger in der Lage des Klägers als Maßnahme zur Aufklärung und Ahndung der zuvor begangenen Ordnungswidrigkeiten darstellte.
29 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass im Hinblick auf den nach Abschluss der Personenfeststellung aufrechterhaltenen Gewahrsam des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG vorlagen (S. 8 ff. des Entscheidungsabdrucks). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann.
30 
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung sei nicht allein anzunehmen, wenn die Gefahr der Begehung von Straftaten drohe. Vielmehr könne auch das Bevorstehen von Ordnungswidrigkeiten eine Ingewahrsamnahme nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG rechtfertigen, wenn diese zu umfangreichen und intensiven Störungen führen könnten. Diese Auffassung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ihr steht insbesondere Bundesrecht nicht entgegen. Die Regelungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes, die insbesondere eine Verhaftung und vorläufige Festnahme zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ausschließen (vgl. § 46 Abs. 3 S. 1 OWiG), hindern diese Interpretation nicht. Denn durch das bundesrechtliche Absehen von repressiven Maßnahmen im Rahmen der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wird die Möglichkeit der Anordnung präventiv-polizeilichen Gewahrsams zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 2.8.1990, NVwZ 1991, 664, 665).
31 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist in dieser Auslegung auch kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der kraft gesetzlicher Übernahme im Range eines Bundesgesetzes geltenden (vgl. BVerfGE 74, 358, 370) Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II S. 685) in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 17.5.2002 (BGBl. II S. 1055) zu sehen. Nach dieser Bestimmung ist eine Freiheitsentziehung u.a. dann zulässig, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer „strafbaren Handlung“ zu hindern. Aus dem Umstand, dass Ordnungswidrigkeiten nicht erwähnt sind, kann nicht der Schluss gezogen werden, die Vorschrift lasse die Ingewahrsamnahme nur zur Verhinderung von mit Kriminalstrafe bedrohten Handlungen zu (so aber Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., Abschnitt F RdNr. 501 m.w.N.). Dafür, den Begriff der „strafbaren Handlung“ in einem umfassenden, auch Ordnungswidrigkeiten einschließenden Sinne zu verstehen, spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung in der authentischen englischen und französischen Vertragssprache (vgl. die Schlussklausel nach Art. 59 EMRK). Denn die dort verwendeten Begriffe „offence“ und „infraction“ sind den in diesem Zusammenhang naheliegenden Begriffen „crime“ und „délite“ vorgezogen worden, was darauf hindeutet, dass sie als Oberbegriffe Tatbestände sowohl des Kriminalstraf- wie des Ordnungswidrigkeitenrechts umfassen sollten (vgl. Herzog, AöR 1961, 86. Band , S. 194, 221 f.; SächsVerfGH, Urteil vom 14.5.1996, LKV 1996, 273, 276). Auch vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, die Vertragsstaaten hätten sich so weit binden wollen, dass in einem Staat präventiv-polizeilicher Gewahrsam ausgeschlossen sein sollte, wenn dieser das zu verhindernde Unrecht nur unter die Sanktion einer Geldbuße und nicht einer Kriminalstrafe gestellt hat. Denn zum einen kann diese Einordnung in den einzelnen Staaten für dasselbe Unrecht unterschiedlich sein (vgl. BayVerfGH, a.a.O., S. 665; VG Schleswig, Urteil vom 15.6.1999, NJW 2000, 970, 971). Vor allem aber ist in Rechnung zu stellen, dass der Staat das Mittel des Gewahrsams hier zum Zwecke wirksamer Gefahrenabwehr einsetzt. Für die Erfüllung dieses Zwecks ist es nicht von entscheidender Bedeutung, welche Sanktion das Gesetz für denjenigen vorsieht, der einen Gesetzesverstoß begangen hat, zumal sich dies aus rechtspolitischen Gründen ändern kann (vgl. VG Schleswig, a.a.O.). Maßgeblich ist vielmehr, welche Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut aufgrund dieser Handlung droht. Im Einklang mit der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum geht der Senat deshalb davon aus, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EMRK auch die Freiheitsentziehung zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten zulässt, wenn diese mit erheblichen Gefahren für ein geschütztes Rechtsgut verbunden sind (vgl. SächsVerfGH, a.a.O., S. 276; BayVerfGH, a.a.O., S. 665; VG Schleswig, a.a.O., S. 971; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 28 RdNr. 10; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 358; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., RdNr. 295; vgl. auch Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Art. 5 RdNr. 72 m.w.N.). Dass dieser Auslegung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entgegenstünde, ist weder vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich.
32 
Ob die Auffassung, dass präventiv-polizeilicher Gewahrsam bundesrechtlich zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten der genannten Art nicht verboten sei, auch auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. b EMRK gestützt werden könnte (vgl.   BayVerfGH, a.a.O.), kann deshalb dahinstehen.
33 
Vor diesem Hintergrund kann der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht auch offen lassen, ob die vom Kläger durchgeführten Blockadeaktionen den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB erfüllt haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, BVerfGE 104, 92) und die Ingewahrsamnahme somit auch zur Verhinderung einer Straftat im Sinne des Strafgesetzbuchs erfolgte.
34 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ferner festgestellt, dass die Prognose der polizeilichen Einsatzleitung, dass die Begehung von Ordnungswidrigkeiten, die zu umfangreichen und intensiven Störungen hätten führen können, unmittelbar bevorgestanden habe, aufgrund des vorherigen Verhaltens des Klägers gerechtfertigt war.
35 
Der Kläger hatte durch die Teilnahme an den Sitzblockaden auf der L 555 in Richtung Industriegleis in der Zeit von 7.30 bis 8.40 Uhr und später (9.35 Uhr) auf der Brücke zur Rheinschanzinsel innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholt Ordnungswidrigkeiten nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG begangen, da er sich nach der Auflösung der Demonstrationen durch die Versammlungsbehörde nicht unverzüglich entfernt hat. In seinem Verhalten ist ferner ein wiederholter Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Verhaltenspflichten (vgl. §§ 1 Abs. 2, 25 Abs. 1 StVO) sowie eine wiederholte unerlaubte Sondernutzung einer öffentlichen Straße gemäß § 16 Abs. 1 StrG zu sehen, was beides ebenfalls den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit begründet (§ 49 Abs. 1 Nr. 24 Buchst. a StVO sowie § 54 Abs. 1 Nr. 1 StrG). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Erheblichkeit dieser Störungen im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG bejaht. Denn da mit der Blockade der Hauptzufahrtswege zum Kernkraftwerk xxx in einem Stör- bzw. Notfall etwa auch Rettungsfahrzeuge bzw. Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, der Polizei oder des Technischen Hilfswerks nicht mehr zum Kernkraftwerk hätten gelangen können, wurden insoweit Gefahren für hochrangige Rechtsgüter (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) heraufbeschworen.
36 
Angesichts des konkreten Verhaltens des Klägers einschließlich der gesamten Umstände der am 28.10.2000 durchgeführten Aktionen der Kernkraftgegner - die Blockade der L 555 auf der Brücke zur Rheinschanzinsel war bereits die dritte Aktion dieser Art an diesem Vormittag - durfte der Polizeivollzugsdienst auch davon ausgehen, der Kläger würde im Anschluss an die Räumung der Straße bei der Brücke zur Rheinschanzinsel erneut an anderer Stelle die Fahrbahn blockieren und damit würde eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG unmittelbar bevorstehen.
37 
Nicht einmal ansatzweise in Frage gestellt wird diese Beurteilung durch die im Berufungsverfahren erhobenen Einwände des Klägers. Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Unterlagen bestehen keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger sowohl an der Sitzblockade der L 555 an der Straßenbrücke über den Pfinzkanal als auch an der Sitzblockade im Bereich der Brücke zur Rheinschanzinsel teilgenommen hat und beide Male seiner Entfernungspflicht aus § 13 Abs. 2 VersG nicht nachgekommen ist. In beiden Fällen wurden die auf der Fahrbahn sitzenden Personen mehrfach zum Verlassen der Fahrbahn aufgefordert und auf die Rechtsfolgen hingewiesen, die eine Nichtbeachtung nach sich ziehen würde (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender des Polizeipräsidiums xxx, S. 65 ff. der VG-Akte). Während ein (kleiner) Teil der Demonstranten den Aufforderungen offenbar nachkam (Auszug aus dem Einsatzkalender, S. 67, 69 der VG-Akte), weigerte sich der größere Teil, zu dem auch der Kläger gehörte, die Fahrbahn zu verlassen. Im ersten Fall ist der Kläger von Polizeikräften auf das angrenzende Wiesengelände abgedrängt worden, im zweiten Fall musste er unter Anwendung unmittelbaren Zwangs von der Fahrbahn getragen werden. Letzteres wird durch die von der Polizei hergestellten und in den Akten dokumentierten Videoaufnahmen eindeutig belegt. Bereits durch dieses konkrete Verhalten hat der Kläger gezeigt, dass er die Fahrbahn der L 555 blockieren wollte und sich dabei bewusst war, damit auch das Kernkraftwerk xxx zu blockieren. Hierfür spricht insbesondere auch, dass sich das Verhalten des Klägers ohne weiteres in die allgemeine Strategie der Kernkraftgegner eingefügt hat. Nach den vom Beklagten gesammelten, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnismitteln war es Teil der Strategie der Kernkraftgegner, die Zufahrtsstraßen zum Kernkraftwerk zu blockieren (vgl. hierzu die Darstellungen im Schriftsatz des Beklagten vom 8.12.2003, S. 6 bis 10, VGH-Akte S. 83 - 91, sowie in dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 20.2.2002, S. 2 und 3, S. 135 f. der VG-Akte). Besonders deutlich zum Ausdruck kommt diese Strategie in einer Nachbetrachtung, die die „SprecherInnenrats-Moderatorin“ xxx xxx in dem Rundbrief Nr. 10 der Anti-Atomkraftgruppierung „X-tausendmal quer - überall“ angestellt hat. Dort heißt es:
38 
„Der legendär kürzeste Rat war dann am Mittwochmorgen (Anmerkung: 18.10.2000) um 7.00 Uhr, als es hieß, dass eine Gruppe, die auf der Straße, die wir für unsere Blockade ausgewählt hatten, eingekesselt sei und damit auch blockiere. Es war klar, alle wollten jetzt was machen und nicht mehr ewig Bedenken austauschen und so wurde einfach der naheliegendste Vorschlag angenommen: Die andere Straße zu blockieren. Gesagt, getan und so lief es auch den Tag über weiter ...“
39 
Auch das Amtsgericht Bruchsal hat in dem in erster Instanz vorgelegten Urteil vom 7.9.2001 in einer Bußgeldsache gegen einen Teilnehmer der Blockadeaktion keinerlei Zweifel daran gelassen, dass die Demonstranten zur Erreichung ihres Ziels die Zufahrtswege zum Kernkraftwerk xxx blockieren wollten (S. 7 des Entscheidungsabdrucks, S. 163 der VG-Akte). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einlassung des Klägers, eine Blockade des Kernkraftwerks sei von ihm nicht beabsichtigt gewesen, als nicht nachvollziehbar und unglaubhaft.
40 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Polizeivollzugsdienst auch für den Zeitraum von 13.40 Uhr bis zur Freilassung um 16.45 Uhr zu Recht von der Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung des polizeilichen Gewahrsams ausgegangen. Denn auch noch in diesem Zeitraum konnte der Polizeivollzugsdienst bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung davon ausgehen, dass es sehr wahrscheinlich war, dass es bei einer Freilassung der in der xxx-Kaserne festgehaltenen Personen - und damit auch des Klägers - alsbald zu erneuten Blockadeaktionen kommen würde. Hierfür spricht zunächst die Darstellung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der sich am Nachmittag des 18.10.2000 bietenden Gefahrenlage. Danach hätte eine Freilassung der festgehaltenen Personen die Gefahr in sich geborgen, dass sich die freigelassenen mit den vor der Kaserne befindlichen Personen verbünden und es erneut zu Blockadeaktionen kommen würde (wird weiter ausgeführt, S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, S. 175 der VG-Akte). Dieser Darstellung ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Im Kern bestätigt wird sie durch einen im Internet veröffentlichten Bericht der Aktivistin xxx xxx über die Situation an diesem Nachmittag. Diese hatte sich als Vermittlerin zwischen der Polizeiführung und den in Gewahrsam genommenen Aktivisten zur Verfügung gestellt. Ihr Bericht enthält deutliche Hinweise darauf, dass die Inhaftierten den Vorschlag der Polizei, sie gruppenweise freizulassen gegen die Zusicherung, ohne weitere Aktionen abzureisen, jedenfalls zunächst nicht akzeptieren wollten. So heißt es dort hinsichtlich der festgehaltenen Aktivisten:
41 
„Die meisten wollten wirklich bald nach Hause, aber die Forderung “keine weiteren Aktionen“ will die Gruppe dann doch so pauschal nicht annehmen“ (vgl. S. 115 der VG-Akte; vgl. auch S. 3 des Gedächtnisprotokolls des Klägers vom 21.10.2000, S. 125 der VG-Akte: „Die Gruppe, die bereits vor uns da war, berichtet uns über einen „Kuhhandel“, den uns die Polizei anbietet: ... “).
42 
Bei dieser Sachlage und unter Einbeziehung der wiederholten Blockadeaktionen am Vormittag konnte der Polizeivollzugsdienst auch noch am Nachmittag des 18.10.2000 bis gegen 16.45 Uhr von einer hohen Wahrscheinlichkeit weiterer Blockadeaktionen jedenfalls der in Gewahrsam Genommenen und damit auch des Klägers im Falle der Freilassung ausgehen.
43 
Nach alledem kann die Gefahrenprognose des Beklagten nicht beanstandet werden. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte diese nicht allein darauf gestützt, dass die in Gewahrsam genommenen Demonstranten keine Zusicherung abgegeben hätten, unmittelbar die Abreise anzutreten. Dies zeigt im Übrigen auch die weitere Vorgehensweise des polizeilichen Einsatzleiters. Dieser hatte der Aktivistin xxx den notwendigen Freiraum für Vermittlungsgespräche mit den in Gewahrsam Genommenen eingeräumt und - nachdem sich diese jedenfalls der Sache nach mit dem Verzicht auf weitere Blockadeaktionen einverstanden erklärt hatten - dem Kompromiss zugestimmt, dass der Gewahrsam aufgehoben wird und die Freigelassenen erst nach Durchführung einer Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz in xxx die Heimreise antreten.
44 
Der Gewahrsam des Klägers war auch nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
45 
Gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden. Die Freiheitsentziehung setzt danach grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert dann, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 15.5.2002, BVerfGE 105, 239, 248 f. m.w.N.). Diese Verpflichtung wird in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG für die Festhaltung zu Zwecken der Identitätsfeststellung im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens und in § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG für die polizeirechtliche Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr einfachrechtlich nachvollzogen.
46 
Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfGE 105, 239, 249 m.w.N.). Nicht vermeidbar sind z.B. die Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind. Die fehlende Möglichkeit, einen Richter zu erreichen, kann angesichts der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates, der Bedeutung des Richtervorbehalts durch geeignete organisatorische Maßnahmen Rechnung zu tragen, nicht ohne weiteres als unvermeidbares Hindernis für die unverzügliche Nachholung der richterlichen Entscheidung gelten (vgl. BVerfGE 105, 239, 249; 103, 142, 151 ff., 156).
47 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist; andernfalls würde die Regelung zu einer mit ihrem Rechtsschutzzweck nicht zu vereinbarenden Verlängerung der Freiheitsentziehung führen (vgl. Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, 4. Aufl., Art. 104 RdNr. 55; Rüping, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 4. Aufl., Art. 104 RdNr. 63; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 104 RdNr. 36). Demgemäß sieht § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, § 46 Abs. Abs. 1 OWiG eine Ausnahme von der Pflicht zur Vorführung vor, wenn die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur Feststellung der Identität notwendig wäre. Entsprechendes gilt für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 28 RdNr. 36; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 28 RdNr. 21; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 363). Diese Einschränkung der Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; das Bundesverfassungsgericht hebt allerdings die an die in diesem Zusammenhang gebotene Prognose zu stellenden Anforderungen hervor (vgl. BVerfGE 105, 239, 251; Rabe v. Kühlewein, DVBl. 2002, 1545, 1546).
48 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen.
49 
Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, es hätte ohne weiteres bereits vor der Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung des Amtsgerichts herbeigeführt werden können und müssen. Die Festnahme und Verbringung der Demonstranten und damit des Klägers zur xxx-Kaserne um 11.00 Uhr erfolgte unmittelbar im Anschluss an die wiederholte Begehung von Ordnungswidrigkeiten, die mit erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter verbunden waren (siehe oben S. 16 f.). Wie dargelegt, diente die Ingewahrsamnahme jedenfalls ihrem Schwerpunkt nach zunächst der Durchführung von Maßnahmen zur Identitätsfeststellung im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Insoweit musste die vorherige Einschaltung eines Richters bereits aus tatsächlichen Gründen ausscheiden. Hätte die Polizei die unmittelbar im Zusammenhang mit der Sitzblockade der L 555 im Bereich der Brücke zur Rheinschanzinsel festgenommenen über 110 Personen nicht in Gewahrsam genommen, sondern diese bis zur Entscheidung eines Richters zunächst auf freiem Fuß gelassen, hätte eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, dass sich diese Personen einer Identitätsfeststellung entzogen hätten und somit der Zweck der Maßnahme vereitelt worden wäre. Dies rechtfertigte den Verzicht auf eine vorherige richterliche Anordnung.
50 
Aber auch soweit von der Herbeiführung einer nachträglichen richterlichen Entscheidung abgesehen wurde, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war von Seiten der polizeilichen Einsatzleitung zunächst beabsichtigt gewesen, die in Gewahrsam genommenen Personen nach Abschluss der Personenfeststellung (d.h. nach 14.00 Uhr) im Laufe der nächsten Stunde freizulassen, da man davon ausgegangen war, dass die Demonstranten alsdann die Heimreise antreten würden (S. 13 des Entscheidungsabdrucks). Diese Feststellung ist vom Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden. Bei dieser Sachlage erweist sich der Verzicht auf eine richterliche Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt durch die Prognose gerechtfertigt, dass die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung die Dauer des Gewahrsams aller Voraussicht nach verlängert hätte (§ 163 c Abs. 1 Satz 2, § 46 OWiG). Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher (über 110) im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auf., § 163 c RdNr. 11), konnte die Polizei davon ausgehen, dass eine richterliche Entscheidung erst nach der im Anschluss an die Maßnahmen zur Identitätsfeststellung vorgesehene Freilassung ergehen könnte. Dies würde entgegen der Auffassung des Klägers selbst dann gelten, wenn die polizeiliche Einsatzleitung die Freilassung tatsächlich erst eine Stunde nach Abschluss der Personalienfeststellung beabsichtigt gehabt hätte. Denn auch in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können.
51 
Die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung (§ 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG) wurde auch nicht verletzt, als es im weiteren Verlauf des Nachmittags nicht zu einer richterlichen Entscheidung über die Aufrechterhaltung des nunmehr ausschließlich nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG zu beurteilenden Gewahrsams kam. Insoweit hatte sich nach den überzeugenden, im Berufungsverfahren nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Situation entscheidend verändert, als sich die polizeiliche Einsatzleitung auf der Grundlage von Gesprächen mit den in Gewahrsam Genommenen entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nunmehr an einer Freilassung gehindert sah, weil trotz vereinzelt festgestellter Abreiseaktivitäten außerhalb der xxx-Kaserne bei den in Gewahrsam genommenen Personen Anhaltspunkte für die Bereitschaft zu erneuten Sitzblockaden bestand (vgl. bereits oben S. 18 f.). Damit war die Frage, ob das Gebot nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG und Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt wurde, nach der sich zu diesem Zeitpunkt ergebenden Erkenntnislage zu beurteilen.
52 
Ausgehend hiervon haben die Beamten des Polizeivollzugsdienstes des Beklagten durch die nunmehr unternommenen Anstrengungen, eine richterliche Entscheidung des Amtsgerichts xxx herbeizuführen, insbesondere durch die um 15.38 Uhr erfolgte telefonische Information des Direktors des Amtsgerichts xxx, noch unverzüglich im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG gehandelt.
53 
Nach Auffassung des Senats genügt die Polizei dem Gebot zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung grundsätzlich dadurch, dass sie die Sache beim zuständigen Amtsgericht anhängig macht, d.h. dem Gericht den Sachverhalt vorträgt mit der Bitte um Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.11.1989, NJW 1990, S. 3224 f.). Mit Blick auf die in diesen Fällen regelmäßig gegebene besondere Eilbedürftigkeit erscheint dem Senat ein formeller schriftlicher Antrag entbehrlich, soweit das Anhängigmachen des Begehrens in den Akten in verlässlicher Weise dokumentiert ist und die Identität der in Gewahrsam Genommenen jedenfalls anhand der Akten festgestellt werden kann. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass es dem Gericht obliegt, von Amts wegen die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermitteln (§ 28 Abs. 4 Satz 2 PolG i.V.m. § 12 FGG; vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 28 RdNr. 41).
54 
Nach diesen Grundsätzen kann die Vorgehensweise der polizeilichen Einsatzleitung nicht beanstandet werden. Insbesondere haben die Beamten des Polizeivollzugsdienstes ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten den zuständigen Richter im Rahmen des um 15.38 Uhr erfolgten Telefonats in hinreichender Weise über die Umstände der Gewahrsamnahme informiert und um richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams ersucht (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender des Polizeipräsidiums xxx, S. 72 der VG-Akte, sowie die Stellungnahme des KOR xxx vom 31.10.2003, Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 8.12.2003, S. 103 f. der VGH-Akte).
55 
Dass Amtsgerichtsdirektor xxx nicht bereits bei dem Telefonat um 15.11 Uhr erreicht werden konnte, stellt die Unverzüglichkeit der Bemühungen des Polizeivollzugsdienstes nicht in Frage. Denn Grund dafür war, dass der allein noch am Amtsgericht xxx im Dienst befindliche Richter sich in einer Sitzung befand. Mithin handelte es sich um eine sachlich gerechtfertigte Verzögerung, die durch die Wahrnehmung anderweitiger, nicht ohne weiteres zu unterbrechender dienstlicher Verpflichtungen verursacht worden ist und deshalb nach den oben dargestellten Grundsätzen als „unvermeidbares Hindernis“ anzusehen ist. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass es sich lediglich um eine kurzfristige Verzögerung (ca. 1/2 Stunde) gehandelt hat, der fragliche Richter sich noch im Dienst befand und auch grundsätzlich erreichbar war. Es war somit kein Fall gegeben, in dem die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters bereits wegen Fehlens der gerichtsorganisatorischen Voraussetzungen nicht gewährleistet war (vgl. hierzu BVerfGE 105, 239, 249; 103, 142, 151 ff., 156).
56 
Die Tatsache, dass der Polizeivollzugsdienst die Sache noch unverzüglich beim Amtsgericht anhängig gemacht hat, bedeutet indes noch nicht, dass der Gewahrsam ab diesem Zeitpunkt keinen rechtlichen Bedenken mehr begegnete. Denn auch die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht muss den Anforderungen des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügen, insbesondere muss dessen Entscheidung grundsätzlich unverzüglich ergehen (vgl. Gusy, a.a.O., Art. 104 RdNr. 54; Rüping, a.a.O., RdNr. 69). Dass die Polizei nach dem Anhängigmachen der Sache beim Amtsgericht keine Einflussmöglichkeiten mehr auf das weitere Verfahren hat, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gewahrsams ohne Belang.
57 
Der Senat teilt nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, diesem habe insoweit bereits die Überprüfungskompetenz gefehlt. Nach der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG ist eine Anwendbarkeit der Rechtsbehelfe der VwGO und damit eine Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte erst ausgeschlossen, wenn eine Entscheidung des Amtsgerichts im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG „ergangen“ ist (vgl. Senatsurteil vom 13.5.2004 - 1 S 2052/03 - m.w.N.). Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich hierbei um eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams handeln muss und deshalb in der bloßen Ablehnung einer richterlichen Entscheidung durch den Richter des Amtsgerichts noch kein „Ergehen“ einer richterlichen Entscheidung im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG gesehen werden kann (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3.11.1989, NJW 1990, 3224, 3225, mit Blick auf § 14 NRWPG a.F.). Vor dem Zeitpunkt des „Ergehens“ ist aber insbesondere auch mit Blick auf die Gewährleistung aus Art. 19 Abs. 4 GG eine umfassende Überprüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte anzunehmen.
58 
Im vorliegenden Fall hat der zuständige Richter des Amtsgerichts xx-xxx zwar telefonisch mit einem Beamten der Einsatzleitung gesprochen, eine richterliche Entscheidung ist dabei aber nicht im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG ergangen. Er hat vielmehr ausdrücklich derzeit von einer richterlichen Entscheidung abgesehen. Auch damit ist jedoch nicht gegen die Verpflichtung aus § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verstoßen worden.
59 
Soweit der Direktor des Amtsgerichts xxx das Absehen von einer richterlichen Entscheidung allerdings damit begründet haben sollte, dass die Polizei die rechtliche Möglichkeit habe, die betreffenden Personen bis zum Ende des 19.10.2000, 24.00 Uhr, in Gewahrsam zu halten, und er deshalb (erst) mit einer Einzelanhörung beginnen werde, wenn die Polizei im Laufe des nächsten Tages die Absicht äußere, den Gewahrsam aufrechtzuerhalten (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender, S. 72 der VG-Akte, sowie die Stellungnahme des KOR xxxxx, S. 103 der VGH-Akte), wäre diese Auffassung verfassungsrechtlich nicht haltbar. Denn die Nachholung der richterlichen Entscheidung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Freiheitsentzug vor Ablauf der Frist des Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG endet. Diese Vorschrift setzt dem Festhalten einer Person ohne richterliche Entscheidung mit dem Ende des auf das Ergreifen folgenden Tages lediglich eine äußerste Grenze, befreit aber nicht von der Verpflichtung, eine solche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen (BVerfG, Beschluss vom 15.5.2002, BVerfGE 105, 239, 249 m.w.N.).
60 
Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Unterlagen ist jedoch davon auszugehen, dass Amtsgerichtsdirektor xxx seinen Entschluss, von einer richterlichen Entscheidung über den Gewahrsam noch am Nachmittag des 18.10.2000 abzusehen, jedenfalls auch auf die Einschätzung gestützt hat, dass dann, wenn die Inhaftierten noch am selben Tage in absehbarer Zeit freigelassen würden, die richterliche Entscheidung erst nach der Freilassung würde ergehen können. Diese Prognose ist geeignet, das Absehen von einer richterlichen Entscheidung und damit die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams zu tragen.
61 
Wie dargelegt, kann die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung unterbleiben, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes für den Polizeigewahrsam ergehen kann (oben S. 21 f.). Die insoweit gebotene Prognose erfordert einen Zeitvergleich hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer des polizeilichen Gewahrsams und des Zeitraums, der voraussichtlich für die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung benötigt wird (vgl. Rachor, a.a.O., RdNr. 536). Grundlage der Prognose war die dem Richter von der Polizei um 15.38 Uhr im Rahmen des Telefonats vermittelte Lagebeurteilung (vgl. hierzu bereits oben S. 19 f.). Dabei wurde der Richter auch dahingehend unterrichtet, dass die Ingewahrsamnahme nach Einschätzung der Polizei vermutlich um 17.00 Uhr beendet sein würde, ein Ende also absehbar sei (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Für eine Freilassung in absehbarer Zukunft sprachen dabei insbesondere ab 15.00 Uhr festgestellte Abreiseaktivitäten der Kernkraftgegner außerhalb der Kaserne und die Tatsache, dass nach Einschätzung der Polizei die Wahrscheinlichkeit von Folgeaktionen „von Stunde zu Stunde geringer“ geworden sei (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Bei der Einschätzung des für die richterliche Entscheidung zu veranschlagenden Zeitaufwands war von entscheidender Bedeutung, dass der zuständige Richter die rechtlich nicht zu beanstandende Auffassung vertrat, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Gewahrsams könne nur nach vorheriger persönlicher Anhörung der in Gewahrsam Genommenen ergehen (vgl. nur Gusy, a.a.O., Art. 104 RdNr. 50 m.w.N.; Degenhardt, a.a.O., Art. 104 RdNr. 38; vgl. auch Wolf/Stephan, a.a. O., § 28 RdNr. 41). Legt man zugrunde, dass hier über 110 Personen in Gewahrsam genommen waren und diese entweder dem im Gebäude des Amtsgerichts in xxx anwesenden Richter hätten vorgeführt werden müssen oder dieser sich noch in die - außerhalb von xxx-xxx gelegene - xxx-Kaserne hätte begeben müssen, erweist sich die Einschätzung des Richters, die Freilassung werde vor einer richterlichen Entscheidung erfolgen, jedenfalls als vertretbar. Diese Beurteilung wird durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt. Denn die Freilassung des Klägers erfolgte bereits etwa eine Stunde nach dem Telefonat mit dem Direktor des Amtsgerichts.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
63 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die - nach Zulassung statthafte und auch sonst zulässige - Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige (I.) Klage zu Recht abgewiesen. Denn der am 18.10.2000 angeordnete Gewahrsam des Klägers war rechtmäßig und verletzte diesen nicht in seinen Rechten (II.).
I.
19 
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO hat der Senat nicht mehr zu prüfen. Hat das erstinstanzliche Gericht - wie im vorliegenden Fall - den zu ihm beschrittenen Rechtsweg bejaht und in der Hauptsache entschieden, ist das Berufungsgericht gemäß § 17 a Abs. 5 GVG grundsätzlich gehindert, die Rechtswegfrage inhaltlich zu überprüfen. Zwar ist die Bestimmung des § 17 a Abs. 5 GVG nicht anwendbar, wenn das Verwaltungsgericht unter Verstoß gegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs befunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.1.1994 - 7 B 198.93 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 268; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Ergänzungslieferung 2003, § 17 a GVG RdNrn. 46, 28 f.). Hier war eine Vorabentscheidung des Verwaltungsgerichts indes nicht geboten, weil der Beklagte die Zulässigkeit des Rechtswegs im erstinstanzlichen Verfahren nicht gerügt hatte (vgl. § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG). Bei dieser prozessrechtlichen Lage ist der Senat gehindert, über die vom Beklagten erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Rechtswegrügen zu befinden.
20 
Mit seinem im Berufungsverfahren weiterverfolgten Klagantrag begehrt der Kläger die Feststellung, dass der am 18.10.2000 angeordnete, durch die noch am selben Tage um 16.45 Uhr erfolgte Freilassung erledigte Gewahrsam rechtswidrig war. Dass dieses Begehren in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig ist, hat das Verwaltungsgericht in zutreffender Weise festgestellt (vgl. S. 7 des Entscheidungsabdrucks).
II.
21 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass die Klage unbegründet ist. Denn der am 28.10.2000 erfolgte Gewahrsam des Klägers war rechtmäßig und verletzte diesen daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Dies hat das Verwaltungsgericht mit im Wesentlichen zutreffender Begründung festgestellt. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 7 bis 15 des Entscheidungsabdrucks; vgl. § 130 b Satz 2 VwGO). Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
22 
Der Kläger wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme in der Zeit von 11.00 bis 13.30 Uhr sei § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gewesen. Er macht geltend, die Demonstranten seien nicht zur Feststellung ihrer Personalien, sondern aus Gründen der Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen worden. Dieser Einwand, dessen Prüfung dem Senat im Hinblick auf § 17 Abs. 2 GVG nicht verwehrt ist, verfängt nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Vertreter des beklagten Landes unwidersprochen angegeben, dass die Ingewahrsamnahme zunächst dem Zweck gedient habe, gegen die Aktivisten Anzeigen wegen des Verstoßes gegen § 29 VersG zu fertigen (S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Bestätigt wird diese Angabe durch die von dem Beklagten vorgelegten Akten aus dem ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie die im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des EKHK xxx vom 23.10.2003 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 8.12.2003, S. 109 f. der VGH-Akte). Dort heißt es u.a.:
23 
„1. Am 18.10.2000 war ich innerhalb des Abschnittes „Strafverfolgung“ als Leiter des Unterabschnittes (UA) „Ermittlungen“ eingesetzt. In der Zeit zwischen 10.45 und 11.45 Uhr wurden dem Abschnitt „Strafverfolgung“ sukzessive mehr als 100 Demonstranten überstellt. Sämtliche Personen gelangten zunächst zum UA „Gefangenensammelstelle“, wo ihre Identität festgestellt und in Einzelfällen überprüft wurde. Gleichzeitig wurden den Personen mitgeführte Gegenstände abgenommen und in gesonderten Räumen verwahrt. Hierzu war es notwendig, sämtliche Gegenstände im Detail in einem Verzeichnis zu erfassen. Nach Erledigung dieses äußerst zeitaufwendigen Prozedere wurde den Personen von Beamten des UA „Ermittlungen“ die Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit, derer sie verdächtig waren, eröffnet.
24 
Nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen wurde den Personen ihre polizeirechtliche Gewahrsamnahme eröffnet und sie wurden in die dafür vorgesehenen Räumlichkeiten verbracht.
25 
2. Den teilweise noch vorhandenen Listen des UA „Gefangenensammelstelle“ ist zu entnehmen, dass xxx xxx mit einer Gruppe von mindestens 17 Personen beim UA „Gefangenensammelstelle“ gegen 11.00 Uhr eintraf und um 13.40 Uhr belehrt wurde. Demnach erfolgte seine polizeirechtliche Gewahrsamnahme kurz nach 13.40 Uhr.“
26 
Diese konkrete und detaillierte Darstellung ist vom Kläger im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellt worden. Für ihre Richtigkeit sprechen die Ausführungen des Klägers in seinem Gedächtnisprotokoll vom 21.10.2002 (S. 121 ff. der VG-Akte). Dort heißt es u.a.:
27 
„Um ca. 13.30 Uhr erfolgt die Ankündigung, dass die Behandlung der einzelnen Personen ab sofort verkürzt stattfindet. Kurz danach bin ich an der Reihe. Ich darf mein Gepäck wieder an mich nehmen, werde im Flur des Gebäudes mit einer Polaroid-Kamera fotografiert und anschließend in ein Büro geführt. Dort erfolgt eine Belehrung über die Ordnungswidrigkeit „Teilnahme an einer nicht angemeldeten Demonstration“. Ich mache keine Aussage, sondern gebe nur meine Personalien an. ...“
28 
Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Gewahrsam des Klägers bis etwa 13.40 Uhr der Durchführung des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens diente und deshalb durch § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO gedeckt war. Selbst wenn mit dem Gewahrsam bereits am Vormittag zugleich auch präventive Zwecke verfolgt worden sein sollten, könnte der Kläger hieraus für sein Begehren nichts herleiten. Denn für die Qualifizierung einer sogenannten doppelfunktionalen Maßnahme der Polizei kommt es zum einen auf das Schwergewicht des polizeilichen Handelns und zum anderen auf den damit verbundenen Zweck an (Senatsurteil vom  16.5.1988, VBlBW 1989, 16, 17; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 189 ff.). Soweit der Grund des polizeilichen Handelns dabei dem Betroffenen nicht bereits unmittelbar selbst von der Polizei genannt wurde, ist für die Abgrenzung der Aufgabengebiete maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (Senatsurteil vom 16.5.1988, a.a.O.). Auch hieran gemessen greift der Einwand des Klägers nicht durch. Auf der Grundlage der oben erwähnten Unterlagen geht der Senat davon aus, dass sich der Gewahrsam bis 13.40 Uhr jedenfalls seinem Schwerpunkt nach für einen verständigen Bürger in der Lage des Klägers als Maßnahme zur Aufklärung und Ahndung der zuvor begangenen Ordnungswidrigkeiten darstellte.
29 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch festgestellt, dass im Hinblick auf den nach Abschluss der Personenfeststellung aufrechterhaltenen Gewahrsam des Klägers die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG vorlagen (S. 8 ff. des Entscheidungsabdrucks). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann.
30 
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung sei nicht allein anzunehmen, wenn die Gefahr der Begehung von Straftaten drohe. Vielmehr könne auch das Bevorstehen von Ordnungswidrigkeiten eine Ingewahrsamnahme nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG rechtfertigen, wenn diese zu umfangreichen und intensiven Störungen führen könnten. Diese Auffassung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ihr steht insbesondere Bundesrecht nicht entgegen. Die Regelungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes, die insbesondere eine Verhaftung und vorläufige Festnahme zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ausschließen (vgl. § 46 Abs. 3 S. 1 OWiG), hindern diese Interpretation nicht. Denn durch das bundesrechtliche Absehen von repressiven Maßnahmen im Rahmen der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wird die Möglichkeit der Anordnung präventiv-polizeilichen Gewahrsams zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 2.8.1990, NVwZ 1991, 664, 665).
31 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist in dieser Auslegung auch kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der kraft gesetzlicher Übernahme im Range eines Bundesgesetzes geltenden (vgl. BVerfGE 74, 358, 370) Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II S. 685) in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 17.5.2002 (BGBl. II S. 1055) zu sehen. Nach dieser Bestimmung ist eine Freiheitsentziehung u.a. dann zulässig, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, den Betreffenden an der Begehung einer „strafbaren Handlung“ zu hindern. Aus dem Umstand, dass Ordnungswidrigkeiten nicht erwähnt sind, kann nicht der Schluss gezogen werden, die Vorschrift lasse die Ingewahrsamnahme nur zur Verhinderung von mit Kriminalstrafe bedrohten Handlungen zu (so aber Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., Abschnitt F RdNr. 501 m.w.N.). Dafür, den Begriff der „strafbaren Handlung“ in einem umfassenden, auch Ordnungswidrigkeiten einschließenden Sinne zu verstehen, spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung in der authentischen englischen und französischen Vertragssprache (vgl. die Schlussklausel nach Art. 59 EMRK). Denn die dort verwendeten Begriffe „offence“ und „infraction“ sind den in diesem Zusammenhang naheliegenden Begriffen „crime“ und „délite“ vorgezogen worden, was darauf hindeutet, dass sie als Oberbegriffe Tatbestände sowohl des Kriminalstraf- wie des Ordnungswidrigkeitenrechts umfassen sollten (vgl. Herzog, AöR 1961, 86. Band , S. 194, 221 f.; SächsVerfGH, Urteil vom 14.5.1996, LKV 1996, 273, 276). Auch vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, die Vertragsstaaten hätten sich so weit binden wollen, dass in einem Staat präventiv-polizeilicher Gewahrsam ausgeschlossen sein sollte, wenn dieser das zu verhindernde Unrecht nur unter die Sanktion einer Geldbuße und nicht einer Kriminalstrafe gestellt hat. Denn zum einen kann diese Einordnung in den einzelnen Staaten für dasselbe Unrecht unterschiedlich sein (vgl. BayVerfGH, a.a.O., S. 665; VG Schleswig, Urteil vom 15.6.1999, NJW 2000, 970, 971). Vor allem aber ist in Rechnung zu stellen, dass der Staat das Mittel des Gewahrsams hier zum Zwecke wirksamer Gefahrenabwehr einsetzt. Für die Erfüllung dieses Zwecks ist es nicht von entscheidender Bedeutung, welche Sanktion das Gesetz für denjenigen vorsieht, der einen Gesetzesverstoß begangen hat, zumal sich dies aus rechtspolitischen Gründen ändern kann (vgl. VG Schleswig, a.a.O.). Maßgeblich ist vielmehr, welche Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut aufgrund dieser Handlung droht. Im Einklang mit der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum geht der Senat deshalb davon aus, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c EMRK auch die Freiheitsentziehung zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten zulässt, wenn diese mit erheblichen Gefahren für ein geschütztes Rechtsgut verbunden sind (vgl. SächsVerfGH, a.a.O., S. 276; BayVerfGH, a.a.O., S. 665; VG Schleswig, a.a.O., S. 971; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl., § 28 RdNr. 10; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 358; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., RdNr. 295; vgl. auch Frowein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Art. 5 RdNr. 72 m.w.N.). Dass dieser Auslegung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entgegenstünde, ist weder vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich.
32 
Ob die Auffassung, dass präventiv-polizeilicher Gewahrsam bundesrechtlich zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten der genannten Art nicht verboten sei, auch auf Art. 5 Abs. 1 Buchst. b EMRK gestützt werden könnte (vgl.   BayVerfGH, a.a.O.), kann deshalb dahinstehen.
33 
Vor diesem Hintergrund kann der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht auch offen lassen, ob die vom Kläger durchgeführten Blockadeaktionen den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB erfüllt haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 24.10.2001, BVerfGE 104, 92) und die Ingewahrsamnahme somit auch zur Verhinderung einer Straftat im Sinne des Strafgesetzbuchs erfolgte.
34 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ferner festgestellt, dass die Prognose der polizeilichen Einsatzleitung, dass die Begehung von Ordnungswidrigkeiten, die zu umfangreichen und intensiven Störungen hätten führen können, unmittelbar bevorgestanden habe, aufgrund des vorherigen Verhaltens des Klägers gerechtfertigt war.
35 
Der Kläger hatte durch die Teilnahme an den Sitzblockaden auf der L 555 in Richtung Industriegleis in der Zeit von 7.30 bis 8.40 Uhr und später (9.35 Uhr) auf der Brücke zur Rheinschanzinsel innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholt Ordnungswidrigkeiten nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 VersG begangen, da er sich nach der Auflösung der Demonstrationen durch die Versammlungsbehörde nicht unverzüglich entfernt hat. In seinem Verhalten ist ferner ein wiederholter Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Verhaltenspflichten (vgl. §§ 1 Abs. 2, 25 Abs. 1 StVO) sowie eine wiederholte unerlaubte Sondernutzung einer öffentlichen Straße gemäß § 16 Abs. 1 StrG zu sehen, was beides ebenfalls den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit begründet (§ 49 Abs. 1 Nr. 24 Buchst. a StVO sowie § 54 Abs. 1 Nr. 1 StrG). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch die Erheblichkeit dieser Störungen im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG bejaht. Denn da mit der Blockade der Hauptzufahrtswege zum Kernkraftwerk xxx in einem Stör- bzw. Notfall etwa auch Rettungsfahrzeuge bzw. Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, der Polizei oder des Technischen Hilfswerks nicht mehr zum Kernkraftwerk hätten gelangen können, wurden insoweit Gefahren für hochrangige Rechtsgüter (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) heraufbeschworen.
36 
Angesichts des konkreten Verhaltens des Klägers einschließlich der gesamten Umstände der am 28.10.2000 durchgeführten Aktionen der Kernkraftgegner - die Blockade der L 555 auf der Brücke zur Rheinschanzinsel war bereits die dritte Aktion dieser Art an diesem Vormittag - durfte der Polizeivollzugsdienst auch davon ausgehen, der Kläger würde im Anschluss an die Räumung der Straße bei der Brücke zur Rheinschanzinsel erneut an anderer Stelle die Fahrbahn blockieren und damit würde eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG unmittelbar bevorstehen.
37 
Nicht einmal ansatzweise in Frage gestellt wird diese Beurteilung durch die im Berufungsverfahren erhobenen Einwände des Klägers. Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Unterlagen bestehen keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger sowohl an der Sitzblockade der L 555 an der Straßenbrücke über den Pfinzkanal als auch an der Sitzblockade im Bereich der Brücke zur Rheinschanzinsel teilgenommen hat und beide Male seiner Entfernungspflicht aus § 13 Abs. 2 VersG nicht nachgekommen ist. In beiden Fällen wurden die auf der Fahrbahn sitzenden Personen mehrfach zum Verlassen der Fahrbahn aufgefordert und auf die Rechtsfolgen hingewiesen, die eine Nichtbeachtung nach sich ziehen würde (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender des Polizeipräsidiums xxx, S. 65 ff. der VG-Akte). Während ein (kleiner) Teil der Demonstranten den Aufforderungen offenbar nachkam (Auszug aus dem Einsatzkalender, S. 67, 69 der VG-Akte), weigerte sich der größere Teil, zu dem auch der Kläger gehörte, die Fahrbahn zu verlassen. Im ersten Fall ist der Kläger von Polizeikräften auf das angrenzende Wiesengelände abgedrängt worden, im zweiten Fall musste er unter Anwendung unmittelbaren Zwangs von der Fahrbahn getragen werden. Letzteres wird durch die von der Polizei hergestellten und in den Akten dokumentierten Videoaufnahmen eindeutig belegt. Bereits durch dieses konkrete Verhalten hat der Kläger gezeigt, dass er die Fahrbahn der L 555 blockieren wollte und sich dabei bewusst war, damit auch das Kernkraftwerk xxx zu blockieren. Hierfür spricht insbesondere auch, dass sich das Verhalten des Klägers ohne weiteres in die allgemeine Strategie der Kernkraftgegner eingefügt hat. Nach den vom Beklagten gesammelten, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnismitteln war es Teil der Strategie der Kernkraftgegner, die Zufahrtsstraßen zum Kernkraftwerk zu blockieren (vgl. hierzu die Darstellungen im Schriftsatz des Beklagten vom 8.12.2003, S. 6 bis 10, VGH-Akte S. 83 - 91, sowie in dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 20.2.2002, S. 2 und 3, S. 135 f. der VG-Akte). Besonders deutlich zum Ausdruck kommt diese Strategie in einer Nachbetrachtung, die die „SprecherInnenrats-Moderatorin“ xxx xxx in dem Rundbrief Nr. 10 der Anti-Atomkraftgruppierung „X-tausendmal quer - überall“ angestellt hat. Dort heißt es:
38 
„Der legendär kürzeste Rat war dann am Mittwochmorgen (Anmerkung: 18.10.2000) um 7.00 Uhr, als es hieß, dass eine Gruppe, die auf der Straße, die wir für unsere Blockade ausgewählt hatten, eingekesselt sei und damit auch blockiere. Es war klar, alle wollten jetzt was machen und nicht mehr ewig Bedenken austauschen und so wurde einfach der naheliegendste Vorschlag angenommen: Die andere Straße zu blockieren. Gesagt, getan und so lief es auch den Tag über weiter ...“
39 
Auch das Amtsgericht Bruchsal hat in dem in erster Instanz vorgelegten Urteil vom 7.9.2001 in einer Bußgeldsache gegen einen Teilnehmer der Blockadeaktion keinerlei Zweifel daran gelassen, dass die Demonstranten zur Erreichung ihres Ziels die Zufahrtswege zum Kernkraftwerk xxx blockieren wollten (S. 7 des Entscheidungsabdrucks, S. 163 der VG-Akte). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einlassung des Klägers, eine Blockade des Kernkraftwerks sei von ihm nicht beabsichtigt gewesen, als nicht nachvollziehbar und unglaubhaft.
40 
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Polizeivollzugsdienst auch für den Zeitraum von 13.40 Uhr bis zur Freilassung um 16.45 Uhr zu Recht von der Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung des polizeilichen Gewahrsams ausgegangen. Denn auch noch in diesem Zeitraum konnte der Polizeivollzugsdienst bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung davon ausgehen, dass es sehr wahrscheinlich war, dass es bei einer Freilassung der in der xxx-Kaserne festgehaltenen Personen - und damit auch des Klägers - alsbald zu erneuten Blockadeaktionen kommen würde. Hierfür spricht zunächst die Darstellung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der sich am Nachmittag des 18.10.2000 bietenden Gefahrenlage. Danach hätte eine Freilassung der festgehaltenen Personen die Gefahr in sich geborgen, dass sich die freigelassenen mit den vor der Kaserne befindlichen Personen verbünden und es erneut zu Blockadeaktionen kommen würde (wird weiter ausgeführt, S. 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, S. 175 der VG-Akte). Dieser Darstellung ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Im Kern bestätigt wird sie durch einen im Internet veröffentlichten Bericht der Aktivistin xxx xxx über die Situation an diesem Nachmittag. Diese hatte sich als Vermittlerin zwischen der Polizeiführung und den in Gewahrsam genommenen Aktivisten zur Verfügung gestellt. Ihr Bericht enthält deutliche Hinweise darauf, dass die Inhaftierten den Vorschlag der Polizei, sie gruppenweise freizulassen gegen die Zusicherung, ohne weitere Aktionen abzureisen, jedenfalls zunächst nicht akzeptieren wollten. So heißt es dort hinsichtlich der festgehaltenen Aktivisten:
41 
„Die meisten wollten wirklich bald nach Hause, aber die Forderung “keine weiteren Aktionen“ will die Gruppe dann doch so pauschal nicht annehmen“ (vgl. S. 115 der VG-Akte; vgl. auch S. 3 des Gedächtnisprotokolls des Klägers vom 21.10.2000, S. 125 der VG-Akte: „Die Gruppe, die bereits vor uns da war, berichtet uns über einen „Kuhhandel“, den uns die Polizei anbietet: ... “).
42 
Bei dieser Sachlage und unter Einbeziehung der wiederholten Blockadeaktionen am Vormittag konnte der Polizeivollzugsdienst auch noch am Nachmittag des 18.10.2000 bis gegen 16.45 Uhr von einer hohen Wahrscheinlichkeit weiterer Blockadeaktionen jedenfalls der in Gewahrsam Genommenen und damit auch des Klägers im Falle der Freilassung ausgehen.
43 
Nach alledem kann die Gefahrenprognose des Beklagten nicht beanstandet werden. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte diese nicht allein darauf gestützt, dass die in Gewahrsam genommenen Demonstranten keine Zusicherung abgegeben hätten, unmittelbar die Abreise anzutreten. Dies zeigt im Übrigen auch die weitere Vorgehensweise des polizeilichen Einsatzleiters. Dieser hatte der Aktivistin xxx den notwendigen Freiraum für Vermittlungsgespräche mit den in Gewahrsam Genommenen eingeräumt und - nachdem sich diese jedenfalls der Sache nach mit dem Verzicht auf weitere Blockadeaktionen einverstanden erklärt hatten - dem Kompromiss zugestimmt, dass der Gewahrsam aufgehoben wird und die Freigelassenen erst nach Durchführung einer Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz in xxx die Heimreise antreten.
44 
Der Gewahrsam des Klägers war auch nicht wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung rechtswidrig.
45 
Gemäß Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden. Die Freiheitsentziehung setzt danach grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung voraus. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert dann, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 15.5.2002, BVerfGE 105, 239, 248 f. m.w.N.). Diese Verpflichtung wird in § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG für die Festhaltung zu Zwecken der Identitätsfeststellung im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens und in § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG für die polizeirechtliche Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Gefahrenabwehr einfachrechtlich nachvollzogen.
46 
Das Merkmal der „Unverzüglichkeit“ im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfGE 105, 239, 249 m.w.N.). Nicht vermeidbar sind z.B. die Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind. Die fehlende Möglichkeit, einen Richter zu erreichen, kann angesichts der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates, der Bedeutung des Richtervorbehalts durch geeignete organisatorische Maßnahmen Rechnung zu tragen, nicht ohne weiteres als unvermeidbares Hindernis für die unverzügliche Nachholung der richterlichen Entscheidung gelten (vgl. BVerfGE 105, 239, 249; 103, 142, 151 ff., 156).
47 
Eine Ausnahme von der in Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung wird allgemein angenommen, wenn eine Prognose ergibt, dass eine richterliche Entscheidung erst ergehen kann, wenn der Grund für den Gewahrsam wieder weggefallen ist; andernfalls würde die Regelung zu einer mit ihrem Rechtsschutzzweck nicht zu vereinbarenden Verlängerung der Freiheitsentziehung führen (vgl. Gusy, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 3, 4. Aufl., Art. 104 RdNr. 55; Rüping, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 4. Aufl., Art. 104 RdNr. 63; Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 104 RdNr. 36). Demgemäß sieht § 163 c Abs. 1 Satz 2 StPO, § 46 Abs. Abs. 1 OWiG eine Ausnahme von der Pflicht zur Vorführung vor, wenn die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen würde, als zur Feststellung der Identität notwendig wäre. Entsprechendes gilt für den polizeirechtlichen Gewahrsam: Mit Blick auf § 28 Abs. 3 Satz 1 PolG, wonach der Gewahrsam aufzuheben ist, sobald sein Zweck erreicht ist, ist eine richterliche Entscheidung nicht einzuholen oder abzuwarten, wenn dadurch die Dauer des Gewahrsams verlängert würde (vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 28 RdNr. 36; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 28 RdNr. 21; Würtenberger/Heckmann/Riggert, a.a.O., RdNr. 363). Diese Einschränkung der Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; das Bundesverfassungsgericht hebt allerdings die an die in diesem Zusammenhang gebotene Prognose zu stellenden Anforderungen hervor (vgl. BVerfGE 105, 239, 251; Rabe v. Kühlewein, DVBl. 2002, 1545, 1546).
48 
An diesem Maßstab gemessen lässt sich hier ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung nicht feststellen.
49 
Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, es hätte ohne weiteres bereits vor der Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung des Amtsgerichts herbeigeführt werden können und müssen. Die Festnahme und Verbringung der Demonstranten und damit des Klägers zur xxx-Kaserne um 11.00 Uhr erfolgte unmittelbar im Anschluss an die wiederholte Begehung von Ordnungswidrigkeiten, die mit erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter verbunden waren (siehe oben S. 16 f.). Wie dargelegt, diente die Ingewahrsamnahme jedenfalls ihrem Schwerpunkt nach zunächst der Durchführung von Maßnahmen zur Identitätsfeststellung im Rahmen des ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Insoweit musste die vorherige Einschaltung eines Richters bereits aus tatsächlichen Gründen ausscheiden. Hätte die Polizei die unmittelbar im Zusammenhang mit der Sitzblockade der L 555 im Bereich der Brücke zur Rheinschanzinsel festgenommenen über 110 Personen nicht in Gewahrsam genommen, sondern diese bis zur Entscheidung eines Richters zunächst auf freiem Fuß gelassen, hätte eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, dass sich diese Personen einer Identitätsfeststellung entzogen hätten und somit der Zweck der Maßnahme vereitelt worden wäre. Dies rechtfertigte den Verzicht auf eine vorherige richterliche Anordnung.
50 
Aber auch soweit von der Herbeiführung einer nachträglichen richterlichen Entscheidung abgesehen wurde, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war von Seiten der polizeilichen Einsatzleitung zunächst beabsichtigt gewesen, die in Gewahrsam genommenen Personen nach Abschluss der Personenfeststellung (d.h. nach 14.00 Uhr) im Laufe der nächsten Stunde freizulassen, da man davon ausgegangen war, dass die Demonstranten alsdann die Heimreise antreten würden (S. 13 des Entscheidungsabdrucks). Diese Feststellung ist vom Kläger im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen worden. Bei dieser Sachlage erweist sich der Verzicht auf eine richterliche Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt durch die Prognose gerechtfertigt, dass die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung die Dauer des Gewahrsams aller Voraussicht nach verlängert hätte (§ 163 c Abs. 1 Satz 2, § 46 OWiG). Insbesondere mit Blick darauf, dass die herbeizuführende richterliche Entscheidung zur Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich die Anhörung sämtlicher (über 110) im Gewahrsam befindlicher Personen vorausgesetzt hätte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auf., § 163 c RdNr. 11), konnte die Polizei davon ausgehen, dass eine richterliche Entscheidung erst nach der im Anschluss an die Maßnahmen zur Identitätsfeststellung vorgesehene Freilassung ergehen könnte. Dies würde entgegen der Auffassung des Klägers selbst dann gelten, wenn die polizeiliche Einsatzleitung die Freilassung tatsächlich erst eine Stunde nach Abschluss der Personalienfeststellung beabsichtigt gehabt hätte. Denn auch in diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine richterliche Entscheidung hinsichtlich aller festgehaltenen Personen vor dem für die Freilassung vorgesehenen Zeitpunkt hätte ergehen können.
51 
Die Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung (§ 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG) wurde auch nicht verletzt, als es im weiteren Verlauf des Nachmittags nicht zu einer richterlichen Entscheidung über die Aufrechterhaltung des nunmehr ausschließlich nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG zu beurteilenden Gewahrsams kam. Insoweit hatte sich nach den überzeugenden, im Berufungsverfahren nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Situation entscheidend verändert, als sich die polizeiliche Einsatzleitung auf der Grundlage von Gesprächen mit den in Gewahrsam Genommenen entgegen ihrer ursprünglichen Absicht nunmehr an einer Freilassung gehindert sah, weil trotz vereinzelt festgestellter Abreiseaktivitäten außerhalb der xxx-Kaserne bei den in Gewahrsam genommenen Personen Anhaltspunkte für die Bereitschaft zu erneuten Sitzblockaden bestand (vgl. bereits oben S. 18 f.). Damit war die Frage, ob das Gebot nach § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG und Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt wurde, nach der sich zu diesem Zeitpunkt ergebenden Erkenntnislage zu beurteilen.
52 
Ausgehend hiervon haben die Beamten des Polizeivollzugsdienstes des Beklagten durch die nunmehr unternommenen Anstrengungen, eine richterliche Entscheidung des Amtsgerichts xxx herbeizuführen, insbesondere durch die um 15.38 Uhr erfolgte telefonische Information des Direktors des Amtsgerichts xxx, noch unverzüglich im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG gehandelt.
53 
Nach Auffassung des Senats genügt die Polizei dem Gebot zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung grundsätzlich dadurch, dass sie die Sache beim zuständigen Amtsgericht anhängig macht, d.h. dem Gericht den Sachverhalt vorträgt mit der Bitte um Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3.11.1989, NJW 1990, S. 3224 f.). Mit Blick auf die in diesen Fällen regelmäßig gegebene besondere Eilbedürftigkeit erscheint dem Senat ein formeller schriftlicher Antrag entbehrlich, soweit das Anhängigmachen des Begehrens in den Akten in verlässlicher Weise dokumentiert ist und die Identität der in Gewahrsam Genommenen jedenfalls anhand der Akten festgestellt werden kann. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass es dem Gericht obliegt, von Amts wegen die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermitteln (§ 28 Abs. 4 Satz 2 PolG i.V.m. § 12 FGG; vgl. Wolf/Stephan, a.a.O., § 28 RdNr. 41).
54 
Nach diesen Grundsätzen kann die Vorgehensweise der polizeilichen Einsatzleitung nicht beanstandet werden. Insbesondere haben die Beamten des Polizeivollzugsdienstes ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten den zuständigen Richter im Rahmen des um 15.38 Uhr erfolgten Telefonats in hinreichender Weise über die Umstände der Gewahrsamnahme informiert und um richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams ersucht (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender des Polizeipräsidiums xxx, S. 72 der VG-Akte, sowie die Stellungnahme des KOR xxx vom 31.10.2003, Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 8.12.2003, S. 103 f. der VGH-Akte).
55 
Dass Amtsgerichtsdirektor xxx nicht bereits bei dem Telefonat um 15.11 Uhr erreicht werden konnte, stellt die Unverzüglichkeit der Bemühungen des Polizeivollzugsdienstes nicht in Frage. Denn Grund dafür war, dass der allein noch am Amtsgericht xxx im Dienst befindliche Richter sich in einer Sitzung befand. Mithin handelte es sich um eine sachlich gerechtfertigte Verzögerung, die durch die Wahrnehmung anderweitiger, nicht ohne weiteres zu unterbrechender dienstlicher Verpflichtungen verursacht worden ist und deshalb nach den oben dargestellten Grundsätzen als „unvermeidbares Hindernis“ anzusehen ist. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass es sich lediglich um eine kurzfristige Verzögerung (ca. 1/2 Stunde) gehandelt hat, der fragliche Richter sich noch im Dienst befand und auch grundsätzlich erreichbar war. Es war somit kein Fall gegeben, in dem die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters bereits wegen Fehlens der gerichtsorganisatorischen Voraussetzungen nicht gewährleistet war (vgl. hierzu BVerfGE 105, 239, 249; 103, 142, 151 ff., 156).
56 
Die Tatsache, dass der Polizeivollzugsdienst die Sache noch unverzüglich beim Amtsgericht anhängig gemacht hat, bedeutet indes noch nicht, dass der Gewahrsam ab diesem Zeitpunkt keinen rechtlichen Bedenken mehr begegnete. Denn auch die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht muss den Anforderungen des § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügen, insbesondere muss dessen Entscheidung grundsätzlich unverzüglich ergehen (vgl. Gusy, a.a.O., Art. 104 RdNr. 54; Rüping, a.a.O., RdNr. 69). Dass die Polizei nach dem Anhängigmachen der Sache beim Amtsgericht keine Einflussmöglichkeiten mehr auf das weitere Verfahren hat, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gewahrsams ohne Belang.
57 
Der Senat teilt nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, diesem habe insoweit bereits die Überprüfungskompetenz gefehlt. Nach der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG ist eine Anwendbarkeit der Rechtsbehelfe der VwGO und damit eine Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte erst ausgeschlossen, wenn eine Entscheidung des Amtsgerichts im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG „ergangen“ ist (vgl. Senatsurteil vom 13.5.2004 - 1 S 2052/03 - m.w.N.). Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich hierbei um eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams handeln muss und deshalb in der bloßen Ablehnung einer richterlichen Entscheidung durch den Richter des Amtsgerichts noch kein „Ergehen“ einer richterlichen Entscheidung im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG gesehen werden kann (a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3.11.1989, NJW 1990, 3224, 3225, mit Blick auf § 14 NRWPG a.F.). Vor dem Zeitpunkt des „Ergehens“ ist aber insbesondere auch mit Blick auf die Gewährleistung aus Art. 19 Abs. 4 GG eine umfassende Überprüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte anzunehmen.
58 
Im vorliegenden Fall hat der zuständige Richter des Amtsgerichts xx-xxx zwar telefonisch mit einem Beamten der Einsatzleitung gesprochen, eine richterliche Entscheidung ist dabei aber nicht im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 4 PolG ergangen. Er hat vielmehr ausdrücklich derzeit von einer richterlichen Entscheidung abgesehen. Auch damit ist jedoch nicht gegen die Verpflichtung aus § 28 Abs. 3 Satz 3 PolG, Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verstoßen worden.
59 
Soweit der Direktor des Amtsgerichts xxx das Absehen von einer richterlichen Entscheidung allerdings damit begründet haben sollte, dass die Polizei die rechtliche Möglichkeit habe, die betreffenden Personen bis zum Ende des 19.10.2000, 24.00 Uhr, in Gewahrsam zu halten, und er deshalb (erst) mit einer Einzelanhörung beginnen werde, wenn die Polizei im Laufe des nächsten Tages die Absicht äußere, den Gewahrsam aufrechtzuerhalten (vgl. den Auszug aus dem Einsatzkalender, S. 72 der VG-Akte, sowie die Stellungnahme des KOR xxxxx, S. 103 der VGH-Akte), wäre diese Auffassung verfassungsrechtlich nicht haltbar. Denn die Nachholung der richterlichen Entscheidung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Freiheitsentzug vor Ablauf der Frist des Art. 104 Abs. 2 Satz 3 GG endet. Diese Vorschrift setzt dem Festhalten einer Person ohne richterliche Entscheidung mit dem Ende des auf das Ergreifen folgenden Tages lediglich eine äußerste Grenze, befreit aber nicht von der Verpflichtung, eine solche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen (BVerfG, Beschluss vom 15.5.2002, BVerfGE 105, 239, 249 m.w.N.).
60 
Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Unterlagen ist jedoch davon auszugehen, dass Amtsgerichtsdirektor xxx seinen Entschluss, von einer richterlichen Entscheidung über den Gewahrsam noch am Nachmittag des 18.10.2000 abzusehen, jedenfalls auch auf die Einschätzung gestützt hat, dass dann, wenn die Inhaftierten noch am selben Tage in absehbarer Zeit freigelassen würden, die richterliche Entscheidung erst nach der Freilassung würde ergehen können. Diese Prognose ist geeignet, das Absehen von einer richterlichen Entscheidung und damit die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams zu tragen.
61 
Wie dargelegt, kann die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung unterbleiben, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes für den Polizeigewahrsam ergehen kann (oben S. 21 f.). Die insoweit gebotene Prognose erfordert einen Zeitvergleich hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer des polizeilichen Gewahrsams und des Zeitraums, der voraussichtlich für die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung benötigt wird (vgl. Rachor, a.a.O., RdNr. 536). Grundlage der Prognose war die dem Richter von der Polizei um 15.38 Uhr im Rahmen des Telefonats vermittelte Lagebeurteilung (vgl. hierzu bereits oben S. 19 f.). Dabei wurde der Richter auch dahingehend unterrichtet, dass die Ingewahrsamnahme nach Einschätzung der Polizei vermutlich um 17.00 Uhr beendet sein würde, ein Ende also absehbar sei (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Für eine Freilassung in absehbarer Zukunft sprachen dabei insbesondere ab 15.00 Uhr festgestellte Abreiseaktivitäten der Kernkraftgegner außerhalb der Kaserne und die Tatsache, dass nach Einschätzung der Polizei die Wahrscheinlichkeit von Folgeaktionen „von Stunde zu Stunde geringer“ geworden sei (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.6.2002, S. 175 der VG-Akte). Bei der Einschätzung des für die richterliche Entscheidung zu veranschlagenden Zeitaufwands war von entscheidender Bedeutung, dass der zuständige Richter die rechtlich nicht zu beanstandende Auffassung vertrat, eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Gewahrsams könne nur nach vorheriger persönlicher Anhörung der in Gewahrsam Genommenen ergehen (vgl. nur Gusy, a.a.O., Art. 104 RdNr. 50 m.w.N.; Degenhardt, a.a.O., Art. 104 RdNr. 38; vgl. auch Wolf/Stephan, a.a. O., § 28 RdNr. 41). Legt man zugrunde, dass hier über 110 Personen in Gewahrsam genommen waren und diese entweder dem im Gebäude des Amtsgerichts in xxx anwesenden Richter hätten vorgeführt werden müssen oder dieser sich noch in die - außerhalb von xxx-xxx gelegene - xxx-Kaserne hätte begeben müssen, erweist sich die Einschätzung des Richters, die Freilassung werde vor einer richterlichen Entscheidung erfolgen, jedenfalls als vertretbar. Diese Beurteilung wird durch den tatsächlichen Ablauf bestätigt. Denn die Freilassung des Klägers erfolgte bereits etwa eine Stunde nach dem Telefonat mit dem Direktor des Amtsgerichts.
62 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
63 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 12.2280

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 20. März 2015

(VG München, Entscheidung vom 20. April 2011, Az.: M 7 K 10.2352)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 510

Hauptpunkte: Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage - polizeiliche Maßnahmen - Einsatz wegen Ruhestörung - Nachschau nach verletzten Personen - Betreten und Verweilen in der klägerischen Wohnung - Fesselung der Kläger - Durchsuchung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch die Landesanwaltschaft B., L.-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen polizeilicher Maßnahmen;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. und 18. März 2015 am 20. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung der Nr. I des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird festgestellt, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Unter Abänderung der Nr. II des angefochtenen Urteils tragen die Kläger jeweils 3/8, der Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen Polizeieinsätze in ihrer früheren gemeinsamen Wohnung.

Die Kläger wohnten zusammen mit ihren drei Kindern von Oktober 2008 bis zum Jahr 2011 in M., T. Straße 214a. In dieser Wohnung kam es des Öfteren zu Polizeieinsätzen wegen Streitigkeiten innerhalb der Familie und Lärmbelästigungen der Nachbarn durch Familienmitglieder.

Am 11. Januar 2010 gegen 23.30 Uhr erging erneut ein Einsatzauftrag an die Polizei wegen eines lauten Familienstreits bei den Klägern. Dabei kam auch ein Unterstützungskommando (USK) zum Einsatz. Im Laufe der polizeilichen Maßnahme drangen die Polizeibeamten in die klägerische Wohnung ein. Im Wohnzimmer warf der Sohn M. L. der Kläger dann mit Gegenständen nach den Polizeibeamten und beleidigte sie. Daraufhin wurden die Kläger und der Sohn M. L. von der Polizei fixiert und gefesselt. Um eine Behinderung des M. L. nachzuweisen, wurden in einem Leitzordner Atteste gesucht. Schließlich wurden bei den Klägern und M. L. Atemalkoholtests durchgeführt. Der Sohn J. L. wurde in Gewahrsam genommen, auf die Polizeiinspektion gebracht und dort bis zum 12. Januar 2010 festgehalten. Der Einsatz in der Wohnung war am 12. Januar 2010 gegen 1.00 Uhr beendet.

Am 16. Mai 2010 erfolgte ein weiterer Polizeieinsatz in der Wohnung der Kläger. Grund hierfür waren erneut Beschwerden von Nachbarn, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, weil ihren Angaben zufolge bei der Familie der Kläger bereits den ganzen Tag geschrien und randaliert worden sei. Auch bei diesem Einsatz drangen Polizeibeamte in die Wohnung der Kläger ein.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 ließen die Kläger Klage erheben und beantragten festzustellen, dass das Eindringen in die Wohnung der Kläger, die Fesselung der Kläger und ihrer Kinder, die Durchsuchung ihrer Privatunterlagen sowie die Gewaltanwendung in ihrer Wohnung am „10. Januar 2010“ (gemeint ist offensichtlich der 11. Januar 2010) sowie das Eindringen und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 durch die Polizei rechtswidrig gewesen seien. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Kläger bewohnten eine Wohnung ohne ausreichende Lärmdämmung. Bereits seit längerem werde versucht, sie unter Mitwirkung der Polizei aus der Wohnung „herauszumobben“. Aufgrund der zunehmenden Häufung von Übergriffen durch Polizeibeamte und einer Androhung von weiteren Übergriffen sei es erforderlich, Feststellungsklage zu erheben, weil es keinen rechtfertigenden Grund gegeben habe, in die Wohnung einzudringen und sich darin aufzuhalten. Das Eindringen der Polizei in die Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen und stelle einen Hausfriedensbruch durch die Polizei dar. Zudem seien die Kläger und die Söhne der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund gefesselt worden. Auf den blinden Kläger sei mit einem Schlagstock eingeprügelt worden. Die Polizei habe ohne rechtliche Grundlage in den Privatunterlagen der Betroffenen „geschnüffelt“ und die Klägerin gewaltsam zu einem Alkoholtest gezwungen. Es habe sich insgesamt um einen klassischen Fall eines Überfalls durch Polizeibeamte außerhalb von rechtsstaatlichen Grenzen gehandelt. Die Kläger hätten Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben und Strafanzeigen gestellt. Am 16. Mai 2010 seien die Polizeibeamten wiederum gewaltsam in die klägerische Wohnung eingedrungen. Auch hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Die Rechtswidrigkeit des Einsatzes am 11. Januar 2010 und die Gewaltexzesse seien durch das beim Einsatz gefertigte Video der Polizei belegt. Allerdings sei es trotz der erheblich belastenden Aufnahmen nicht vollständig. Es seien nämlich mehr als zwei Minuten herausgeschnitten worden. Damit sei ein Beweismittel verfälscht worden.

Das Polizeipräsidium M. äußerte sich zur Klage wie folgt: Bei der Familie der Kläger habe es in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Einsätze gegeben. Die Familienmitglieder seien den Beamten als äußerst aggressiv bekannt. Aufgrund der gesammelten Erfahrungswerte bei vorausgegangenen Einsätzen (aufgelistet im Schreiben des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 [Bl. 92 der VG-Akte]), sei die Polizei von einem erhöhten Gefahrenpotential bei der Familie der Kläger ausgegangen und habe deshalb um Unterstützung durch Teilkräfte des USK gebeten, zumal nicht bekannt gewesen sei, wie viele Personen sich in der Wohnung aufhielten. Die Kläger seien zunächst gesprächsbereit gewesen und hätten die Polizeibeamten freiwillig in die Wohnung zur Nachschau gelassen. Anlass für die Nachschau sei gewesen, dass Handgreiflichkeiten beim Streit und die Verletzung von Personen nicht auszuschließen gewesen seien. Im Wohnungsflur habe es eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen mehreren Familienmitgliedern gegeben, deren Stimmung gegenüber den Beamten immer aggressiver geworden sei. Der Sohn J. L. sei zur Eigensicherung in das Schlafzimmer gebracht, dann aber wegen Bedrohungen gegen die Mitteiler in Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Im Wohnzimmer habe der Sohn M. L. die Polizeibeamten massiv beleidigt und bedroht. Nachdem er mit Gegenständen auf die Polizisten geworfen habe, habe man ihn und die Kläger, die sich dazwischen geworfen hätten, zu Boden gebracht und gefesselt. Die Klägerin habe dann die Polizeibeamten darauf hingewiesen, dass M. L. aufgrund einer geistigen Krankheit in Behandlung sei und POM Ri. gebeten, ein Gutachten über den Gesundheitszustand von M. L. zu suchen und durchzulesen. Der Beamte habe aber das Dokument nicht selbst gesucht, sondern den gesamten Ordner der Klägerin übergeben, die ihn dann durchsucht habe. Auch der Alkoholtest bei der Klägerin sei freiwillig erfolgt. Die gesamte Maßnahme sei rechtmäßig gewesen.

Der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 gegen 18.33 Uhr sei ebenfalls wegen Lärmbelästigung der Nachbarn erfolgt. Zwei Polizeibeamte seien zwar ohne Zustimmung der Kläger, aber auch ohne Gewaltanwendung in die Wohnung eingedrungen und hätten die Familienmitglieder gebeten, sich leiser zu verhalten. Dies habe jedoch keinen Erfolg gehabt; vielmehr seien die Polizeibeamten vom Sohn J. L. beleidigt worden. Nach Feststellung der Personalien der beteiligten Personen und nochmaligem Hinweis auf die Ruhestörung hätten die Polizeibeamten die Wohnung verlassen.

Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die an den streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen beteiligten Polizeibeamten seien allesamt gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 20. April 2011 ab. Diese sei zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, aber hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. unzulässig und bleibe im Übrigen in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 sowie am 16. Mai 2010 seien rechtmäßig gewesen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 (Az. 10 ZB 11.2277) ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß die Berufung zu.

Die zugelassene Berufung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verfahren weise mehrere Begleiterscheinungen auf, die ungeachtet der Rechtswidrigkeit der angefochtenen polizeilichen Maßnahmen bemerkenswert seien. So sei es ein besonderes Merkmal des Falles, dass ein Polizeibeamter, der persönlichen Kontakt zum USK habe, bereits mit Polizeieinsätzen gedroht habe. Zudem würden die Kläger und ihre Familienangehörigen regelmäßig nach Übergriffen von Polizeibeamten mit Strafanzeigen überzogen. Besonders gravierend sei, dass die Aussagen der USK-Beamten in den strafrechtlichen Verfahren in weiten Bereichen falsch seien. Dies werde durch das von der Polizei anlässlich des Einsatzes am 11. Januar 2010 gefertigte Einsatzvideo belegt, das keine Widerstandshandlungen der Kläger gegen Vollzugsbeamte zeige.

Der Polizeieinsatz vom 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen für einen USK-Einsatz nicht vorgelegen hätten und die Polizeibeamten die Wohnung der Kläger nicht hätten betreten dürfen. Sie seien weder zum Betreten aufgefordert worden noch habe es einen Grund für das Eindringen gegeben. Nach Art. 23 PAG bestehe nur ein eingeschränktes Recht, in der Nacht in eine Wohnung einzudringen. Der laut Einsatzvideo alleinige Einsatzgrund „Ruhestörung“ erlaube eine Einschränkung des durch Art. 13 GG besonders geschützten Rechts auf Unverletztlichkeit der Wohnung nicht. Spätestens nach der Aufforderung durch die Klägerin, die Wohnung zu verlassen, und dem Hinweis auf die Behinderung von M. L. hätten sich die Polizeibeamten zurückziehen müssen. Rechtswidrig seien auch die Angriffe der USK-Beamten auf die Kläger und deren Fesselung gewesen. Hierfür habe jeweils keine Rechtsgrundlage vorgelegen, zumal von der Klägerin und dem blinden Kläger keinerlei Gefahr ausgegangen sei. Sie hätten sich lediglich schützend vor ihren Sohn M. L. gestellt. Hätten die Polizeibeamten die Wohnung nach Aufforderung durch die Klägerin verlassen, wäre eine mögliche Gefährdung durch M. L. beseitigt gewesen und ein rechtmäßiger Zustand hergestellt worden. Auch die Fesselung des Sohnes M. L. sei nicht nachvollziehbar. Von dem behinderten und erkennbar überforderten Sohn M. L. sei ebenfalls keine Gefahr ausgegangen. Nach der Fesselung habe sich ein USK-Beamter auf die Klägerin gesetzt und deren Kopf in eine Matratze gedrückt. Ein anderer Beamter habe den Kläger auf den Kopf geschlagen. Für diese körperverletzenden Maßnahmen habe es ebenfalls keine Rechtfertigung gegeben. Schließlich hätten die Polizeibeamten die rechtswidrige Fesselung der Kläger ausgenutzt, um die Wohnung zu durchsuchen. Dies sei auf dem Einsatzvideo festgehalten. Die Passagen auf dem Einsatzvideo, die die rechtswidrige, wenn nicht sogar kriminelle Intention des Einsatzes belegen könnten, seien nachträglich herausgeschnitten worden. Hierin liege eine strafbare Urkundenfälschung bzw. Urkundenvernichtung.

Auch der Einsatz am 16. Mai 2010 sei rechtswidrig gewesen, da keine über Stunden anhaltende Lärmbelästigung vorgelegen habe. Man habe sich lediglich laut unterhalten. Aber auch eine Ruhestörung rechtfertige grundsätzlich nicht das Betreten einer Wohnung. Hinzu komme, dass die Beamten auch bei diesem Einsatz trotz des Abschlusses ihrer Ermittlungen in der Wohnung verblieben seien und diese nicht unverzüglich wieder verlassen hätten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wies er vorweg darauf hin, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anlässlich der streitgegenständlichen Maßnahme am 11. Januar 2010 zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Das Verfahren gegen die Klägerin sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Bei der Familie der Kläger handle es sich um eine polizeibekannte Familie, die durch aggressives Verhalten untereinander sowie gegen Mitbürger und Polizeibeamte auffalle und gegen die zahlreiche Strafverfahren gelaufen seien bzw. liefen. Mit dem in der Nachbarschaft lebenden Polizeibeamten hätten die Einsätze nichts zu tun. Vielmehr sei es bereits kurz nach dem Einzug der Kläger zu ersten Konflikten mit Nachbarn und deshalb zu Polizeieinsätzen gekommen. Beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 sei das USK zur Unterstützung angefordert worden, wie dies auch ansonsten in vergleichbaren Fällen gehandhabt werde. Die Beamten hätten die Wohnung auch rechtmäßig betreten. Da den Beamten bekannt gewesen sei, dass es in der Vergangenheit zu gegenseitigen körperlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie gekommen sei, habe die Gefahr bestanden, dass sich erneut eine Person in der Wohnung befinde, die Hilfe benötige. Bereits anlässlich eines Polizeieinsatzes am 23. Mai 2009 habe man eine unbekannte Person mit Verletzungen in der Wohnung gefunden, nachdem die Brüder M. L. und J. L. mit der Klägerin und dieser Person in Streit geraten seien und sich geschlagen hätten. Die Fesselung des Sohnes M. L. sei erfolgt, weil dieser die Beamten auf übelste Weise beschimpft habe und diese eine Eskalation hätten verhindern wollen. M. L. habe zudem nach einem Beamten getreten und einen anderen mit Gegenständen beworfen. Die Kläger, die versucht hätten, die Polizei daran zu hindern, gegen M. L. einzuschreiten, hätten damit rechtmäßige Vollstreckungshandlungen erschwert, sich dadurch strafbar gemacht und zudem ihrem Sohn M. L. einen weiteren Handlungsspielraum verschafft, um erneut Gegenstände in Richtung der Polizeibeamten zu werfen. Dass der blinde Kläger angeblich lediglich mit den Armen gerudert habe, sei durch die Aussagen der Polizeibeamten im Strafverfahren gegen den Kläger widerlegt. Die Beamten hätten auch weder gewusst noch bemerkt, dass der Kläger blind ist. Körperverletzende Maßnahmen hätten die Beamten nicht ergriffen. Wegen der Erforderlichkeit eines schnellen Handelns sei die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich gewesen. Es sei abzusehen gewesen, dass die Kläger einem Verwaltungsakt in Form einer Unterlassungsverfügung keine Folge geleistet hätten. Entgegen der Ansicht der Kläger habe weder eine Wohnungsdurchsuchung noch eine Durchsuchung der privaten Unterlagen der Klägerin stattgefunden. Vielmehr habe diese in dem ihr übergebenen Ordner selbst nach einem bestimmten Dokument gesucht.

Auch der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 sei rechtmäßig gewesen, denn aufgrund der belegten anhaltenden Lärmbelästigung der Nachbarn während des ganzen Sonntags habe eine gegenwärtige Gefahr für deren Gesundheit bestanden. Da die Beamten von einer Gefahrenlage in der Wohnung ausgegangen seien, habe die Nachschau auch der Ermittlung gedient, ob verletzte Personen anwesend und Rettungsmaßnahmen zu ergreifen seien. Hierfür hätten objektiv ausreichende Anhaltspunkte vorgelegen. Die Beamten selbst hätten deutliches Geschrei und lautes Gepolter in der Wohnung vernommen. Sobald die Beamten festgestellt hätten, dass keiner der Anwesenden ihre Hilfe benötige, und sie die Familienmitglieder zur Ruhe aufgefordert hätten, hätten die Beamten die Wohnung unverzüglich verlassen.

In der mündlichen Verhandlung am 2. und 18. März 2015 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Niederschriften, insbesondere über die Aussagen der vernommenen Zeugen, wird Bezug genommen, ebenso auf die beigezogenen Strafakten zu Verfahren gegen die Kläger, ihre Söhne und gegen an den Maßnahmen beteiligte Polizeibeamte sowie auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die gegen polizeiliche Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 gerichtete Klage der Kläger (dazu 1.) zu Recht im Wesentlichen als zulässig erachtet (2.). Die Berufung ist insoweit begründet, als antragsgemäß festzustellen ist, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen (3.).

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von den Klägern erhobene Klage, mit der sie die Feststellung begehren, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren. Demgegenüber sind der am 12. Januar 2010 im Zusammenhang mit den oben genannten polizeilichen Maßnahmen bei der Klägerin durchgeführte Alkoholtest einschließlich ihres Verbringens in das Polizeiauto und die Gewahrsamnahme des Sohnes J. L. am selben Tag nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

2. Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der danach streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen gerichtete Klage der Kläger ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, soweit sie eigene Rechte betrifft. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. ist sie, wovon bereits das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, jedoch unzulässig.

2.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Es kann letztlich offen bleiben, ob man die streitbefangenen Maßnahmen, die von den Klägern als polizeiliche „Übergriffe“ beanstandet werden, jeweils als eigenständige polizeiliche Verwaltungsakte mit entsprechendem Regelungsgehalt (etwa des befehlenden Inhalts, diese Maßnahmen oder Beschränkungen zu dulden) im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG oder als (bloße) auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtete Realakte im Rahmen des polizeilichen Handelns einstuft (vgl. Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Auflage 2014, Art. 12 POG Rn. 53 ff.; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, E Rn. 22 ff.).

Denn in jedem Fall, also sowohl mit der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch mit der allgemeinen Feststellungsklage, ist ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) der bereits vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen gewährleistet.

2.2. Die Kläger haben ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen sie selbst gerichteten streitgegenständlichen Maßnahmen dargetan.

2.2.1. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits vollzogener und damit erledigter (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt unabhängig von der hier statthaften Klageart jedenfalls bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B. v. 13.12.2005 -2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36; BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei derart schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B. v. 5.12.2001 a. a. O.).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Während der polizeilichen Maßnahmen in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 konnten sie keinen gerichtlichen Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen erreichen. Eine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung durch die streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen wie insbesondere das Betreten der Wohnung zur Nachtzeit und die Fesselung der Kläger ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kläger berufen sich insoweit auf die Verletzung ihrer Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG wegen der diskriminierenden Wirkung der polizeilichen Maßnahmen, auf ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG hinsichtlich der Fesselung und der behaupteten Gewaltanwendung sowie auf ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Betreten und Verweilen der Polizisten in ihrer Wohnung und die behauptete Durchsuchung.

Dahinstehen kann deshalb, ob daneben eine das berechtigte Interesse für eine allgemeine Feststellungsklage ebenfalls möglicherweise begründende Wiederholungsgefahr anzunehmen ist. Dafür sprach zunächst einiges, da die Kläger in ihrer Wohnung in M. häufig Anlass zu polizeilichen Maßnahmen gegeben haben. Andererseits sind die Kläger inzwischen nach N. verzogen. Dortige Vorfälle sind dem Senat weder bekannt noch wurden solche vom Beklagten vorgetragen.

2.2.2. Auch wenn man die von den Klägern angegriffenen gegen sie gerichteten polizeilichen Maßnahmen nicht als Realakte, sondern als polizeiliche Verwaltungsakte ansehen würde, hätten die Kläger ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für ihr Klagebegehren. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 20.4.1994 - 11 C 60.92 - juris Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Rn. 129 zu § 113 VwGO) genügt dafür jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Im vorliegenden Fall kann den Klägern das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rehabilitationsinteresse nicht abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein schutzwürdiges ideelles Feststellungsinteresse auch in Betracht kommen, wenn die jeweils in Frage stehende Maßnahme die Kläger objektiv in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich tiefgreifend beeinträchtigt hat, die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich aber nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1999 - 1 C 12.97 - juris Rn. 13). Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris Rn. 21).

2.3. Die Klage erweist sich jedoch insoweit als unzulässig, als die Kläger auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. erreichen wollen. Denn ebenso wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist das Bestehen einer Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nach allgemeiner Auffassung Sachurteilsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 125) und auch bei der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist die Betroffenheit einer eigenen Rechtsposition des Klägers erforderlich (zur entspr. Anwendbarkeit von § 42 Abs. 2 VwGO vgl. z. B. BVerwG, NVwZ 2008, 423 Rn. 14). Mit ihrem Klageantrag, die Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. festzustellen, machen die Kläger aber die Rechtsposition des M. L. geltend bzw. die Verletzung von dessen Rechten.

Das Argument der Kläger, sie hätten deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil ihr am 24. Mai 1992 geborener Sohn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen noch nicht volljährig war, greift dagegen nicht. Denn auch ein minderjähriges Kind besitzt eine eigene Klagebefugnis für die Geltendmachung der Verletzung seiner Rechte; es wird in diesen Fällen lediglich durch seine Eltern gesetzlich vertreten. Eine eigene Klage hat M. L. aber nicht erhoben. Der Klageantrag vom 19. Mai 2010 ist insoweit eindeutig (s. § 82 Abs. 1 VwGO). Kläger sind danach nur die Eltern von M. L., nicht aber auch deren Kinder, für die zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung beantragt worden ist, wobei ohnehin nur M. L. tatsächlich gefesselt wurde. M. L. hat auch später keine Klage erhoben. Der Klageantrag ist auch nicht entsprechend erweitert worden.

2.4. Der Klagebefugnis der Kläger hinsichtlich des Betretens und Verweilens der Polizei in der Wohnung steht nicht entgegen, dass sie nicht Eigentümer der von ihnen bewohnten Wohnung waren. Sie sind nämlich auch als Mieter klagebefugt, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eindringens und Verweilens in ihrer Wohnung am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 begehren. Träger des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG, das sie durch die polizeilichen Maßnahmen verletzt sehen, ist nämlich jeder Bewohner oder Inhaber eines Wohnraums ohne Rücksicht darauf, auf welchen Rechtsverhältnissen sein Wohnen oder Wirken in diesem Raum beruht (vgl. Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 2014, Art. 13 Rn. 12). Daher ist auch der Mieter, der berechtigt in der Wohnung wohnt, befugt, eine Verletzung dieses Grundrechts geltend zu machen. Dass die Kläger im Zeitpunkt der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen rechtmäßige Mieter der Wohnung T. Straße 214a in M. waren, ist unstrittig.

3. Die Berufung ist begründet, soweit die Kläger die Aufhebung bzw. Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem Umfang begehren, in dem das Verwaltungsgericht die Klage bezüglich ihrer Fesselung während des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 abgewiesen hat. Im Übrigen hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.

3.1. Das Betreten der Wohnung der Kläger durch die beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 beteiligten Polizeibeamten erfolgte rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese polizeiliche Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397), zuletzt geändert durch § 1 ÄndG vom 24. Juni 2013 (GVBl S. 373).

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 StPO) das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 PAG bestimmt, dass die Wohnung die Wohn- und Nebenräume umfasst.

3.1.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG liegen vor.

3.1.1.1. Die Wohnung der Kläger ist am 11. Januar 2010 von Polizeibeamten betreten worden. Dies steht zweifelsfrei fest und wird auch vom Beklagten nicht bestritten.

Eine Durchsuchung der Wohnung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG ist demgegenüber nicht erfolgt. Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1974 (I C 17.73 - juris) meinen, die Suche nach Verletzten in einer Wohnung sei rechtlich eindeutig als Durchsuchungsmaßnahme zu werten, greift dieser Durchsuchungsbegriff zu kurz. Denn nach dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O. juris Rn. 16) ist kennzeichnend für die Durchsuchung das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, etwas nicht klar zu Tage liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann. Demgemäß macht die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer „Durchsuchung“. Denn die „Durchsuchung“ umfasst als zweites Element neben dem Betreten der Wohnung die Vornahme von Handlungen in den Räumen (vgl. BVerwG, U. v. 25.8.2004 - 6 C 26.03 - juris Rn. 24). Daran fehlt es aber hier. Die Polizisten, die wegen der Lärmentwicklung in der Wohnung befürchteten, dort sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und in der Wohnung befänden sich womöglich verletzte hilfebedürftige Menschen, wollten nicht plangemäß bestimmte Personen aufspüren und dabei Handlungen vornehmen, wie z. B. das Öffnen von Behältnissen oder Wegschieben von Möbeln etc., sondern sie wollten sich lediglich durch eine sogenannte „Nachschau“ vergewissern, dass alle in der Wohnung befindlichen Personen wohlauf sind. Dass sie dabei auch Türen zu Nebenräumen öffneten (vgl. die Aussage des Zeugen T., wonach dieser die Tür zum Badezimmer in der Wohnung geöffnet hat, um dort womöglich befindliche Personen zu kontrollieren), diente lediglich zum Betreten des jeweiligen Raumes und nur zur Nachschau, ob sich dort verletzte Personen befinden. Die Polizei wollte also gerade nicht die Wohnung nach einer Person durchsuchen, sondern nur den (gesundheitlichen) Zustand der in der Wohnung angetroffenen Personen feststellen bzw. überprüfen (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 29). Demgegenüber wäre dann von einer Durchsuchung zu sprechen, wenn die Polizei nach einer bestimmten Person gesucht hätte, von der sie konkrete Anhaltspunkte gehabt hätte, dass sie sich in der Wohnung aufhält und die Wohnungsinhaber dies zu verbergen trachten (vgl. zum funktionalen oder deskriptiven Durchsuchungsbegriff: Zeitler, ZAR 2014, 365 ff.). Beides war aber in der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 nicht der Fall.

3.1.1.2. Ob die Polizeibeamten am 11. Januar 2010 die Wohnung der Kläger zunächst ohne deren Einwilligung betreten haben oder ob die Polizeibeamten zumindest von einem der beiden Kläger in die Wohnung eingelassen worden sind, konnte auch durch die Vernehmung der an diesem Tag vor Ort im Einsatz befindlichen Polizisten nicht geklärt werden.

Da sowohl der Kläger als auch die Klägerin als rechtmäßige Mieter Inhaber der Wohnung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG waren, also die tatsächliche Gewalt über die Wohnung hatten, und jeweils in das Betreten der Wohnung einwilligen oder den Polizisten das Betreten untersagen konnten (vgl. Nr. 23.4 Vollz. B.ek zu Art. 23 PAG), hätte zumindest einer der beiden in das Betreten ihrer Wohnung einwilligen müssen. Jedoch bestreiten sowohl die Klägerin als auch der Kläger vehement, die Polizisten freiwillig in die Wohnung eingelassen zu haben. Demgegenüber sagte nur der Zeuge Ri. aus, die Klägerin hätte ihm und seinen Kollegen das Betreten der Wohnung erlaubt, nachdem sie ihr erklärt hätten, warum sie in die Wohnung wollten. Die anderen in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 hierzu vernommenen Zeugen konnten sich nicht mehr daran erinnern, ob sie von der Klägerin in die Wohnung eingelassen wurden oder nicht.

Letztendlich bedarf es aber keiner endgültigen Klärung der Frage, ob eine Einwilligung eines der Kläger vorlag, denn selbst wenn den Polizisten das Betreten der Wohnung gestattet worden wäre, wurde diese Einwilligung bereits wenig später widerrufen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem über den Einsatz am 11./12. Januar 2010 gefertigten und bei den Gerichtsakten befindlichen Einsatzvideo des Beklagten, das mit Einverständnis der Parteien vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 zu Beweiszwecken herangezogen und angesehen wurde. Auf dem Video ist, kurz nachdem mehrere Einsatzkräfte durch die Wohnungstür in den Flur und in das Wohnzimmer der klägerischen Wohnung eingedrungen sind, die Stimme der Klägerin zu hören, die laut und deutlich ruft: „Raus aus meiner Wohnung.“ Spätestens ab diesem Zeitpunkt erfolgte das Betreten der Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber.

3.1.1.3. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG ist das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Inhaber durch die Polizei dann rechtmäßig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Der Senat ist aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere der umfangreichen Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Polizei im Zeitpunkt des Betretens der klägerischen Wohnung am 11. Januar 2010 um ca. 23.30 Uhr zutreffend von einer solchen Gefahrenlage ausgegangen ist.

Das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber ist nicht bereits bei jeder denkbaren Gefahr zulässig, sondern nur zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG genannten Rechtsgüter. Dabei bedeutet eine Gefahr für „Leib“ einer Person eine Gefahr für die Gesundheit, wobei jeder Gesundheitsschaden genügt. Er braucht weder besonders schwer noch besonders langandauernd sein (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 22). Hinzukommen muss, dass die Gefahr, die abgewehrt werden soll, gegenwärtig ist. Dies ist dann der Fall, wenn das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder doch so unmittelbar bevorsteht, dass mit seinem Eintritt jederzeit zu rechnen ist (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Rn. 21).

Davon ausgehend bestand die gegenwärtige Gefahr, dass sich in der Wohnung der Kläger nach den langandauernden und lauten Streitereien am Abend des 11. Januar 2010 zum einen verletzte und hilfsbedürftige Personen befanden und zum anderen durch die erhebliche Ruhestörung durch die Kläger die Gesundheit der Nachbarn ernsthaft beeinträchtigt und womöglich geschädigt wurde. Maßgeblich für die danach anzustellende Gefahrenprognose sind die konkreten Verhältnisse bzw. Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Maßnahme (ex-ante-Betrachtung).

Den polizeilichen Maßnahmen gingen erhebliche Lärmbelästigungen durch die Familie der Kläger voraus, die einen Mitbewohner veranlasst haben, am späten Abend die Polizei zu informieren und um Hilfe zu bitten. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015 vom Beklagten vorgelegten Ausdruck des „ZEUS-Programms“ über den streitgegenständlichen Polizeieinsatz ist dieser Anruf dokumentiert. In Verbindung mit einer Abfrage bei der polizeilichen Datei „igweb 23“, wonach es bereits ein halbes Jahr zuvor einen Familienstreit gegeben hat und Familienmitglieder Straftaten, unter anderem Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung begangen haben, ist die zuständige Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium München in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass sich womöglich verletzte Personen in der Wohnung befinden und deshalb eine Nachschau erforderlich ist. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2015 glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Zudem ergibt sich aus den beigezogenen Strafakten, dass ein Strafverfahren gegen den Sohn der Kläger, M. L., wegen Beleidigungen und Bedrohung nach § 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG wegen Zweifels an seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit mit Beschluss des Amtsgerichts M. (1022 Ds 462 Js 301781/09) vom 20. Oktober 2009 eingestellt worden ist. Am 24. Oktober 2008 hat die Klägerin im Streit einem Nachbarn angeblich auf den Kopf geschlagen; ein diesbezügliches Strafverfahren wurde auf den Privatklageweg verwiesen (ebenfalls Beschl. des Amtsgerichts M. v. 20.10.2009, 1022 Ds 462 Js 307498/09). Am 23. Mai 2009 kam es in der Wohnung der Kläger zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Brüdern M. L. und J. L. mit gegenseitigen Schlägen. Die Schlägerei konnte erst durch einen Polizeieinsatz beendet werden. Schließlich zeigt auch die Übersicht des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 (Bl. 92 der Akten des VG) ein erhebliches Aggressionspotential bei allen Familienmitgliedern der Kläger auf. Denn daraus sind im Zeitraum 17. Oktober 2008 bis 2. März 2011 insgesamt 23 polizeiliche Einsätze bei den Klägern ersichtlich, die allesamt auf Streitigkeiten sowohl innerhalb der Familie als auch mit dritten Personen beruhten und die den Rahmen üblicher Streitigkeiten erheblich sprengten. Neben der Aufzählung von üblen Beleidigungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen werden die Streitigkeiten als „lautstark“, „heftig“, „sehr laut“ und „eskaliert“ bezeichnet, die Stimmung als „explosiv“. Der Sohn M. L. der Kläger wurde seit dem 16. Februar 2009 zwei Jahre lang wegen verschiedener Delikte, darunter mehrfache (gefährliche) Körperverletzung, polizeilich beobachtet (vgl. Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. v. 9.11.2011 zur Zulassungsbegründung der Kläger, Bl. 47 der VGH-Akte). Frühere Einsätze wegen massiver Lärmbelästigung durch die Kläger bestätigte schließlich der Zeuge P., der die Familie der Kläger von diesen Einsätzen her kennt.

Die Gefahr für Leib und Leben einer Person in der Wohnung der Kläger war auch gegenwärtig und nur durch eine sofortige Nachschau abzuwehren. Denn die Polizei hatte keine gesicherten Angaben über die Anzahl der Personen in der Wohnung, die Art des Streits und über mögliche Verletzte. Es galt, eine etwaige verletzte Person zu bergen und der ärztlichen Betreuung zuzuführen und zugleich die vermuteten Streitigkeiten in der Familie oder mit Dritten zu schlichten.

Der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung der Kläger durch die Polizei steht nicht entgegen, dass in der Wohnung tatsächlich keine verletzten Personen oder Hilfsbedürftige aufgefunden wurden. Denn auch eine solche Anscheinsgefahr rechtfertigt ein Einschreiten der Polizei. Eine Anscheinsgefahr ist nämlich immer dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der polizeilichen Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt. Die Anscheinsgefahr steht einer tatsächlich vorliegenden konkreten Gefahr gleich (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 11 Rn. 41). Aufgrund der aus der Wohnung dringenden Geräusche, die auf Streitigkeiten zwischen den in der Wohnung befindlichen Personen hindeuteten, konnte ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass es aufgrund des Streits womöglich auch zur Begehung von Straftaten wie Körperverletzungsdelikten gekommen war und sich eine hilfsbedürftige Person in der Wohnung befand.

Eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit („Leib“) von Menschen, insbesondere unmittelbare Nachbarn, stellte im Übrigen aber auch der erhebliche Lärm dar, den die Kläger zur Nachtzeit verursachten. Auch wenn nicht jede Ruhestörung und Lärmentwicklung zu einer Gesundheitsgefahr für andere führt, ist ein den üblichen Rahmen erheblich übersteigendes Lärmen geeignet, die Gesundheit der umwohnenden Nachbarn nachhaltig zu beeinträchtigen, wenn diese aufgrund der Störung ihrer Nachtruhe keinen Schlaf finden und dies auch noch häufiger vorkommt (vgl. VG München, U. v. 24.10.2011 - M 17 K 99.5345 - juris Rn. 21; VG Chemnitz, U. v. 30.11.2009 - 3 K 431/09 - juris Rn. 19; vgl. auch Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 654). Dabei spielt es keine Rolle, ob die störenden Mitbewohner sich „nur“ laut unterhalten oder telefonieren oder ob sie streiten. Ebenfalls irrelevant ist, ob die Wohnung wie bei den Klägern hellhörig ist und keine richtige Wohnungstür, sondern nur eine Zimmertür als Zugang zur Wohnung besitzt. Denn von ihnen als den Verursachern des Lärms ging die Gefahr aus, die den Polizeieinsatz erforderlich machte, und nicht von dem Zustand ihrer Wohnung.

Sowohl den Einsatzgrund „verletzte Person in der Wohnung der Kläger“ als auch den Einsatzgrund „erhebliche Ruhestörung“ haben die einvernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt. So hat der für den Einsatz bei den Klägern verantwortliche P. ausgesagt, als Einsatzgrund sei von der Zentrale „Ruhestörung“ angegeben worden. Andere Zeugen geben als Einsatzgrund „überlauten Streit“ bzw. „Streit“ oder „Familienstreit“ an (z. B. die Zeugen W., Ri., Go., Gr.). Der Zeuge P. hat darüber hinaus bei Ankunft vor der Wohnung der Kläger den Eindruck eines lautstarken Streits in der Wohnung gehabt, was für ihn entscheidend dafür war, die Wohnung zum Zwecke der Nachschau und zur eventuellen Feststellung von verletzten Personen zu betreten. Den Einsatzgrund „Feststellung von geschädigten oder verletzten Personen“ hat auch der Zeuge Ro. genannt. Auch der Zeuge Gr. bestätigte ein erhebliches Geschrei der Kläger in ihrem Wohnzimmer. Seiner Erinnerung nach war der Einsatzzweck „Familienstreit“. An den überlauten Lärm in der klägerischen Wohnung konnte sich auch der Zeuge Go. erinnern, der als Einsatzgrund ebenfalls „Streitigkeiten“ angab. In seiner (zeitnahen) Stellungnahme zur Anzeige gegen die Klägerin hatte der Zeuge T. als Einsatzgrund außerdem „randalierende Person“ angegeben (Bl. 255 der Akten des Beklagten).

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass aus der Wohnung der Kläger unmittelbar vor dem Polizeieinsatz tatsächlich erheblicher Lärm in den Hausflur drang und dies ebenso wie die Nachschau nach verletzten Personen ein berechtigter Grund für das Betreten der Wohnung war und dass es sich nicht etwa um eine Verschwörung Dritter gehandelt hat, wie die Kläger mutmaßen.

Als weiterer möglicher Einsatzgrund kommen die gefährliche Körperverletzung durch M. L. (Werfen mit Gegenständen auf die Polizeibeamten) sowie die Drohungen des J. L. gegen den anzeigenden Nachbarn hinzu. Allerdings kam es zu dem Verhalten der Söhne der Kläger erst nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizei. Sie waren nicht von Anfang an ursächlich, sondern führten später zu einem womöglich längeren Verbleiben der Polizei in der Wohnung (dazu 3.2.).

3.1.1.4. Das Betreten der klägerischen Wohnung war trotz der zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahme herrschenden Nachtzeit zulässig.

Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist das Betreten einer Wohnung während der Nachtzeit in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig.

Die Nachtzeit umfasst nach § 104 Abs. 3 StPO, der hier Anwendung findet, im Winterhalbjahr (1.10. bis 31.3.) die Zeit von 9.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens, also auch die Zeit von ca. 23.30 Uhr am 11. Januar bis ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010, in der der streitgegenständliche Polizeieinsatz stattfand. Dass die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 PAG vorlagen und insbesondere das Betreten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich war, wurde oben bereits ausgeführt (vgl. 3.1.1.3.).

3.1.2. Mit dem Betreten der klägerischen Wohnung im Zuge des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 hat die Polizei nicht gegen den für alle staatlichen Maßnahmen geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. Art. 4 PAG) verstoßen. Die mögliche Maßnahme des Betretens der Wohnung gegen den Willen der Kläger war geeignet (dazu 3.1.2.1.), erforderlich (dazu 3.1.2.2.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.1.2.3.).

3.1.2.1. Dass das Betreten der Kläger geeignet war, gegebenenfalls verletzten Personen Hilfe zu leisten und für eine Beilegung der lautstarken Streitigkeiten innerhalb der Familie zu sorgen, versteht sich von selbst und wird auch von den Klägern nicht bestritten.

3.1.2.2. Das Betreten der Wohnung war auch erforderlich (Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 PAG). Danach hat die Polizei von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am Wenigsten beeinträchtigt (Art. 4 Abs. 1 PAG).

3.1.2.2.1. Das Betreten der Wohnung war sowohl zur Nachschau nach verletzten Personen als auch zur Beilegung der Streitigkeiten der Kläger grundsätzlich erforderlich. Das Vorbringen der Kläger, die Polizei dürfe auch bei Ruhestörungen durch Lärm eine Wohnung nicht einfach betreten, sondern sie müsse zunächst einmal zur Ruhe auffordern, was hier nicht geschehen sei, greift nicht, denn die Kläger selbst haben bei ihrer Anhörung durch den Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 ausgesagt, der Kläger sei zunächst vor die Wohnungstür gegangen und sollte dort „die Sache mit der Polizei“ klären. Eine solche Unterredung des Klägers im Hausflur vor der klägerischen Wohnungstür haben verschiedene Zeugen bestätigt (so auch der Zeuge P., der mit dem Kläger gesprochen hat). Dieses Gespräch brachte aber offensichtlich nicht den erwünschten Erfolg, denn während dessen Verlauf ging der lautstarke Streit in der Wohnung weiter (vgl. die Aussage des Zeugen P.). Auch die Antwort des Klägers auf die Frage, ob es Verletzte in der Wohnung gebe, es sei alles in Ordnung, konnte angesichts des im Hintergrund hörbaren lautstarken Streits den Verdacht, in der klägerischen Wohnung befänden sich womöglich verletzte und hilfebedürftige Personen, nicht ausräumen, zumal der Kläger selbst das vom Zeugen P. geschilderte Gespräch nicht bestätigt, sondern erklärt hat, sich an eine solche Frage (nach Verletzten) nicht erinnern zu können. Auch der Lärm, der von den Streitereien der Personen in der Wohnung ausging, war allein durch das Gespräch des Polizeibeamten P. mit dem Kläger vor der Wohnungstüre der Kläger nicht abzustellen. Vielmehr zeigte sich, dass es für die Polizei erforderlich war, direkt mit den lärmenden Personen in der klägerischen Wohnung zu sprechen und sie anzuhalten, ruhiger zu sein.

In Zusammenschau mit den polizeilichen Erkenntnissen über die Familie der Kläger und die früheren Polizeieinsätze war das Betreten der klägerischen Wohnung daher erforderlich. Andere weniger beeinträchtigende Maßnahmen waren tatsächlich nicht möglich oder von vorneherein nicht geeignet (z. B. Beendigung der Ruhestörung durch ein Gespräch nur mit dem Kläger).

3.1.2.2.2. Erforderlich zur polizeilichen Gefahrenabwehr war nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht nur das Betreten der klägerischen Wohnung an sich, sondern auch das Betreten der Wohnung durch eine Polizeistreife zusammen mit einer zur Unterstützung des Einsatzes zum Einsatzort beorderten USK-Einheit.

Das Erforderlichkeitsprinzip, also das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs, erfordert nicht nur, dass die Maßnahme selbst das mildeste wirksame Mittel darstellt, um mögliche Gefahren abzuwehren, sondern auch, dass der Umfang der Maßnahme erforderlich in diesem Sinne ist. Dies war hier der Fall.

Anlässlich des Polizeieinsatzes bei den Klägern am 11./12. Januar 2010 sind nicht nur die zunächst informierten beiden Beamten einer Polizeistreife, sondern eine zusätzlich angeforderte USK-Einheit zur Wohnung der Kläger gefahren und in diese eingedrungen. Während die Kläger der Auffassung sind, die USK-Einsatzkräfte hätten sich für den betreffenden Einsatz am 11. Januar 2010 selbst aufgedrängt, womöglich im Zusammenwirken mit einem ebenfalls einer USK-Einheit angehörenden Nachbarn, mit dem die Kläger Streit hatten, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Teilnahme einer USK-Einheit am streitgegenständlichen Einsatz der Polizei zu Recht und außerdem formal ordnungsgemäß angeordnet worden ist.

Der für den Einsatz verantwortliche Polizeibeamte P. hat in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 glaubhaft und überzeugend dargelegt, dass er aus nachvollziehbaren Gründen nicht ohne Unterstützung zur Wohnung der Kläger fahren wollte. Dies war zum einen der Umstand, dass der ihn begleitende Kollege seinerzeit lediglich Praktikant war und ihm daher die Erfahrung für einen solchen Einsatz fehlte, und zudem die ihm bekannte örtliche Situation bei den Klägern. Er hat weiter glaubhaft geschildert, dass der Einsatz von Verstärkungskräften auch bei Ruhestörungen oder Streitigkeiten möglich ist und er selbst bereits früher einmal zur Wohnung der Kläger mit (anderweitiger) Verstärkung gefahren ist. Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der Zeuge P. die Verstärkung nicht selbst angefordert hat, weil dies bereits im Rahmen des Einsatzauftrags durch die Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. veranlasst war. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015, in der anhand eines Einsatzprotokolls (ZEUS-Programm-Ausdruck), das dazu dient, den Polizeieinsatz zeitlich nachvollziehbar darzustellen, der Ablauf des Einsatzes von der Benachrichtigung des Nachbarn über die Ruhestörung bei den Klägern bis zum tatsächlichen Beginn des Einsatzes an der Wohnung der Kläger ausführlich geschildert wurde. Danach wurde im Polizeipräsidium nach Eingang des Anrufs des Nachbarn der Kläger über den Streit in deren Wohnung zunächst eine „igweb23“-Abfrage gestartet, die einen Eintrag über den Familienstreit am 26. August 2009 und über mehrere von den Klägern und ihren Söhnen begangene Strafdelikte enthielt. Danach beorderte die Einsatzzentrale zunächst die Polizeistreife und unmittelbar danach die USK-Einheit zur Wohnung der Kläger.

Angesichts der besonderen Umstände, die vor dem tatsächlichen Einsatz in der klägerischen Wohnung bekannt wurden, hat der Beklagte die Hinzuziehung des Unterstützungskommandos zu Recht als erforderlich erachtet. Nachdem bereits mehrere Polizeieinsätze bei der Familie der Kläger wegen Streitigkeiten erfolgt waren, war es nicht zuletzt wegen der im „igweb23“ verzeichneten Daten sachgerecht, nicht nur die beiden Streifenpolizisten in die Wohnung der Kläger zu schicken, zumal einer der beiden als Praktikant nicht die erforderliche Erfahrung hatte, mit mehreren, vermutlich aggressiven Personen in entsprechender Weise umzugehen, sondern eine USK-Einheit zur Unterstützung hinzuziehen. Hinzu kommt, dass vor dem Betreten der Wohnung bereits zu erkennen war, dass es sich bei den Klägern nicht nur um eine „normale“ Ruhestörung handelte, sondern wegen des lauten Geschreis von Streitigkeiten mit womöglich verletzten Personen ausgegangen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt war insbesondere nicht klar, ob und wie viele Personen in der Wohnung waren. Rückschlüsse aus dem Lärmen und Schreien ließen allerdings bereits erkennen, dass sich in der Wohnung nicht nur zwei Leute aufhielten, sondern dass von mehreren womöglich aggressiven Personen ausgegangen werden musste. Die Polizei wusste auch nicht, mit welchen Aggressionen sie zu rechnen hatte. Bei der Anforderung der USK-Einheit gab es noch keine präzisen Angaben zu der Anzahl der Personen in der Wohnung, zur Art des Streits und zu möglichen Verletzten. Es war daher Vorsorge zu treffen, dass ausreichend Beamte für den Einsatzzweck, insbesondere zur Behebung der Streitigkeiten und der Beschwichtigung der aufgeheizten Stimmung in der Wohnung sowie zur Hilfeleistung für womöglich verletzte Personen, vor Ort waren. Aber auch der Gedanke des Eigenschutzes spielt bei der Einsatzstärke im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Polizei ist nicht gezwungen, sich selbst in Gefahr zu begeben. Es waren daher ausreichend Polizeibeamte an der Maßnahme zu beteiligen, um sowohl eine größere Anzahl von Personen - auch im Falle einer Eskalation - notfalls überwältigen zu können - die Polizei geht nach Aussage des Beklagten von zwei Beamten pro Person aus - und auch um gleichzeitig mehrere Räume in der Wohnung überprüfen zu können (vgl. auch die Aussagen der Zeugen W. und Gr. am 2. März 2015). Insofern erwies sich die Anzahl der beteiligten Beamten auch deshalb als erforderlich, denn nach dem Betreten der Wohnung kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus, nämlich das Wohnzimmer, in dem sich die Kläger und M. L. aufhielten, das Zimmer des J. L. mit mehreren Personen und das Zimmer des P. L. Bei Verteilung der Polizeibeamten auf die verschiedenen Zimmer und Zuordnung von je zwei Beamten zu den in der Wohnung befindlichen Personen war damit letztlich auch die Anzahl der beteiligten Polizeikräfte erforderlich und nicht überzogen.

Das USK-Kommando ist des weiteren der aus zwei Beamten bestehenden Polizeistreife ordnungsgemäß von der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums M. zugeordnet worden. Auch dies steht für den Senat aufgrund der Äußerungen des Beklagten und der Zeugeneinvernahme fest. Insbesondere hat sich die USK-Streife für den Einsatz nicht wie die Kläger meinen von selbst aufgedrängt. Dafür, dass der angeblich bei der USK beschäftigte Nachbar der Kläger „hinter der Sache steckt“, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr werden die Aussage des Zeugen P. und die Ausführungen des Beklagten zum Einsatz des USK durch den Zeugen W. bestätigt, der Leiter der USK-Einheit ist und vom Leiter der Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. die Unterstützungsanfrage für den streitgegenständlichen Einsatz erhalten hat. Dem Umstand, dass die vor der Zuordnung der USK-Einheit zwischen den betreffenden Polizeieinheiten und der Einsatzzentrale geführten Gespräche, denen nach Auffassung der Kläger entscheidende Bedeutung zukommt, nicht aufgezeichnet und damit nicht im Wortlaut nachvollziehbar sind, kommt demgegenüber keine relevante Bedeutung zu.

Die USK-Unterstützung beruhte des weiteren formal ordnungsgemäß auf einer entsprechenden Anordnung des Polizeipräsidiums München, weil es sich bei dem am Einsatz in der Wohnung der Kläger beteiligten Unterstützungskommando um die Polizeiinspektion Ergänzungsdienste handelt, d. h. um eine dritte Einsatzhundertschaft, die im Rahmen des täglichen Dienstes innerhalb des Polizeipräsidiums M. auch alle allgemein dienstlichen Aufgaben erfüllt. Das genannte Unterstützungskommando ist mit funktionalen Einsatzaufgaben betraut und in die Organisation des Polizeipräsidiums eingegliedert (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 4 POG Rn. 19). Damit steht fest, dass das Polizeipräsidium M. den Einsatz der USK-Unterstützung in rechtmäßiger Weise anordnen konnte.

Das Betreten der klägerischen Wohnung durch alle anwesenden Polizeibeamten gemeinsam bzw. kurz hintereinander, also der beiden Beamten der Polizeistreife und der Mitglieder der USK-Einheit, war auch insofern erforderlich, als es unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht veranlasst oder geboten war, zunächst nur zu zweit oder zu dritt die Wohnung zu betreten und die übrigen Einsatzkräfte noch vor der Wohnungstüre warten zu lassen. Denn die Entwicklung in der Wohnung, nämlich weiter lautes Streiten, die im Laufe des Betretens festgestellte Anwesenheit von mehreren Personen in der Wohnung sowie die Verteilung der Personen auf mehrere Zimmer und aggressives Verhalten gegenüber den eindringenden Polizisten insbesondere durch den Sohn M. L. der Kläger, machte den Einsatz von allen anwesenden Polizisten erforderlich. Dies hat sich im Übrigen auch im weiteren Verlauf der Einsatzdynamik bestätigt.

3.1.2.3. Das Betreten der klägerischen Wohnung war schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.

Nach Art. 4 Abs. 2 PAG darf eine Maßnahme nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Bei einem polizeilichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeutet dies, dass Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen dürfen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.2012 -6 C 9.11 - juris Rn. 47). Geht man von diesen Vorgaben aus, erweist sich das Betreten der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 ohne deren Zustimmung als verhältnismäßig.

Die Kläger wurden durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletztlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung lag nicht nur darin, dass die Polizei ihre Wohnung zur Nachtzeit betreten hat, sondern erschwerend kommt hinzu, dass an der Maßnahme eine größere Anzahl von Polizeibeamten beteiligt war und die Beeinträchtigungen entsprechend intensiv waren. Demgegenüber waren die lautstarken Streitigkeiten der Kläger Ursache für womöglich bereits erfolgte, jedenfalls aber für drohende Gesundheitsschäden der Nachbarn, die wegen der Lärmbelästigung durch die Kläger zum wiederholten Mal keinen Schlaf finden konnten. Zudem sollte das Betreten der Wohnung, wie oben bereits ausgeführt wurde, auch dazu dienen, möglicherweise verletzten Personen Hilfe zu leisten. Auch insofern diente die Maßnahme zum Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit eines Menschen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Wägt man diese Schutzgüter gegeneinander ab, so ist dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im konkreten Fall ein höherer Wert beizumessen als dem Grundrecht auf Unverletztlichkeit der Wohnung. Denn hätte es tatsächlich in der Wohnung der Kläger Verletzte gegeben und wären diese nicht rechtzeitig entdeckt worden, hätte dies zu möglicherweise gravierenden Gesundheitsschäden der verletzten Personen führen können, wohingegen die Kläger zwar durch das Eindringen in ihre Wohnung in ihrem Privatleben beeinträchtigt wurden, die gesamte Maßnahme aber lediglich eineinhalb Stunden gedauert hat und soweit ersichtlich folgenlos blieb. Die Nachteile für gegebenenfalls verletzte Personen und die durch den Lärm beeinträchtigten Nachbarn wären daher bei einem Unterbleiben der polizeilichen Maßnahme erheblich größer gewesen als es die Nachteile für die Kläger durch das Betreten der Wohnung waren. Damit erweist sich aber die Maßnahme des Betretens der Wohnung als verhältnismäßig im engeren Sinne.

3.1.3. Die polizeiliche Maßnahme des Betretens der klägerischen Wohnung erweist sich auch insofern als rechtmäßig, als auch im Übrigen Ermessensfehler nicht erkennbar sind.

3.2. Das Verbleiben der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung bis zum Ende der Maßnahme um ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

3.2.1. Rechtsgrundlage für das Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger ohne deren Einwilligung ist ebenso wie das Betreten der Wohnung Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG.

Wie unter 3.1.1. bereits dargelegt, waren die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. In der Zeit ab dem Betreten der Wohnung bis zum Verlassen der Wohnung, also während des gesamten Zeitraums des Verbleibens der Polizei in der Wohnung, hat sich am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG auch nichts wesentlich geändert. Insbesondere ist das Verbleiben der Polizei in der Wohnung weiter ohne Einwilligung der Kläger erfolgt, denn die Klägerin hat, wie ebenfalls oben ausgeführt wurde, bereits kurz nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten diese laut aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war eine womöglich erteilte Einwilligung in das Betreten der Wohnung erloschen.

Während der Dauer des Verbleibens der Polizei in der Wohnung bestand durchgehend eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit von Personen, die es mit der Maßnahme abzuwehren galt. Dies war einerseits die übermäßige Lärmverursachung durch die Kläger selbst, die auch nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten anhielt. Zudem bestand nach wie vor die Gefahr, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befanden und der Hilfe bedurften. Dazu kam im Verlauf des Einsatzes sehr bald die Eskalation im Wohnzimmer der Kläger, als deren Sohn M. L. anfing, die Polizisten zu beschimpfen und zu beleidigen und mit Gegenständen nach ihnen zu werfen. Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Beantwortung der Frage, ob die Gefährdung der Gesundheit der Polizeibeamten durch die Würfe des M. L. auch dadurch hätte beseitigt werden können, dass die Beamten die Wohnung verließen. Denn jedenfalls war bis zu diesem Zeitpunkt der Zweck des Einsatzes noch nicht erreicht, weil noch nicht geklärt war, ob sich nicht doch noch verletzte Personen in der Wohnung befinden, wobei es nicht ausreichte festzustellen, dass die Familienmitglieder der Kläger unverletzt waren. Es hätten sich nämlich auch hilfebedürftige Dritte in der Wohnung befinden können. Zwar hatten die Beamten, die nicht in den Wohnraum vorgedrungen waren, die Zimmer in Augenschein genommen, in denen sich J. L. bzw. P. L. aufhielten und auch im Badezimmer Nachschau gehalten, jedoch hatte die Polizei noch nicht das hinter dem Wohnzimmer liegende weitere Zimmer im Wege der Nachschau kontrolliert (vgl. die Aussage des Zeugen Ri.). Denn sobald die Polizisten das Wohnzimmer betreten hatten, mussten sie sich mit M. L. befassen und waren im weiteren Verlauf des Einsatzes mit der Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. beschäftigt. Auch die Kläger haben nicht ausgesagt, dass die Polizei dieses Zimmer hinter dem Wohnzimmer zuvor bereits kontrolliert hätte. Aus dem Einsatzvideo ist hierzu ebenfalls nichts ersichtlich. Vielmehr ist auf dem Videoband lediglich die geschlossene Türe zu dem hinter dem Wohnzimmer liegenden Raum zu sehen. Da somit die Nachschau nach verletzten Personen noch nicht beendet war, ist nicht entscheidungserheblich, ob gegebenenfalls von J. L. eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben anderer Personen ausging, als er erhebliche Drohungen gegen die Nachbarn der Familie aussprach und deshalb letztendlich in Gewahrsam genommen worden ist. Zudem befanden sich die drei Polizisten, die im Zimmer von J. L. waren, auch deshalb dort, weil sie verhindern wollten, dass J. L. zu den anderen Familienmitgliedern in das Wohnzimmer zurückkehrte und dort die Streitigkeiten wieder begannen (vgl. die Aussage der Zeugen P. und K. B.). Auch dies war ein berechtigter Grund, solange in der Wohnung der Kläger zu bleiben, bis eine Deeskalation der Streitigkeiten erreicht worden ist. Dies war frühestens mit der In-Gewahrsamnahme des J. L. der Fall. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber auch die Lage im Wohnzimmer bereits beruhigt und der Einsatz wurde von den Polizisten noch abgewickelt (Aufnahme der Personalien der beteiligten Personen, Sicherstellung von Beweismitteln, Protokollierung etc.), bevor sie dann endgültig die Wohnung verlassen haben (so der Zeuge W.). Bis dahin war aber von einer gegenwärtigen Gefahrenlage im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 PAG auszugehen (Art. 4 Abs. 3 PAG).

3.2.2. Das Verbleiben der Polizei in der Wohnung bis gegen ca. 1.00 Uhr des 12. Januar 2010 war verhältnismäßig.

Es war geeignet und erforderlich, weil eine entsprechende Gefahrenlage weiter bestand (vgl. dazu 3.2.1.). Insoweit kann, auch zur Erforderlichkeit der Anwesenheit der USK-Einheit, auf die Ausführungen zum Betreten der Wohnung verwiesen werden (vgl. 3.1.2.). Schließlich erwies sich das Verbleiben auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch insoweit ergibt sich nichts anderes als bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung.

3.2.3. Schließlich sind auch keine sonstigen Ermessensfehler ersichtlich.

3.3. Soweit sich die Kläger gegen ihre Fesselung am 11./12. Januar 2010 wenden, hat ihre Berufung Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit abzuändern und festzustellen, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei rechtswidrig war und die Kläger durch die Fesselung in ihren Rechten verletzt worden sind.

Rechtsgrundlage für die Fesselung ist Art. 65 Nr. 1 PAG i. V. m. Art. 53 Abs. 2, Art. 58 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1, Art. 61 Abs. 1, 2 und 3 und Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG. Danach darf eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird (Art. 65 Nr. 1 PAG.). Die Fesselung ist ein Mittel der Anwendung von Verwaltungszwang, der nach Art. 53 Abs. 2 PAG ausnahmsweise ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden kann, wenn das zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist. Unmittelbarer Zwang kann angewendet werden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 PAG). Unter unmittelbarem Zwang versteht der Gesetzgeber die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen (Art. 61 Abs. 1 PAG). Dabei ist körperliche Gewalt jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen (Art. 61 Abs. 2 PAG). Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln (Art. 61 Abs. 3 PAG).

Nach Auffassung des Senats führte die Fesselung der Kläger zwar nicht zu einer Freiheitsentziehung, für die der sog. Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG gilt, denn das mit der Fesselung einhergehende Festhalten der Kläger war nur kurzzeitig (allenfalls ca. eine Stunde) und gefesselt waren die Kläger nur an den Händen. Es erfolgte insbesondere keine Gewahrsamnahme im Sinne von Art. 17 PAG, denn die Kläger sind nur kurzfristig und lediglich zur Verhinderung weiterer Straftaten oder Widerstandshandlungen in der eigenen Wohnung gefesselt worden. Eine Freiheitsentziehung liegt nämlich nur dann vor, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 44 unter Hinweis auf BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 114; vgl. auch BVerfG, B. v. 8.3.2011 - 1 BvR 47/05 - juris Rn. 20). Dies war hier nicht der Fall. Der für eine Freiheitsentziehung erforderliche höhere Grad der Eingriffsintensität sowohl in zeitlicher als auch insbesondere räumlicher Hinsicht (vgl. Radtke in BeckOK GG, Stand: 1.3.2015, Art. 104 Rn. 3) lag hier (noch) nicht vor. Denn die Fesselung (und das Festhalten) erfolgten nur zum Zwecke der Sicherung der polizeilichen Maßnahmen (Fixierung und Fesselung) gegenüber M. L. Hätten die Kläger der Polizei nicht „im Wege gestanden“ und wären sie freiwillig zur Seite getreten, hätte die Polizei ohne Fesselung der Kläger zu M. L. vordringen und dessen Angriffe abwehren können. Es war von vornherein nicht beabsichtigt, die Kläger aus anderen Gründen für längere Zeit festzuhalten oder in Gewahrsam zu nehmen. Diese Fesselung erweist sich allerdings gleichwohl als nicht rechtmäßig.

3.3.1. Es ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen einer Fesselung nach dem hier allein in Betracht kommenden Art. 65 Nr. 1 PAG vorliegen. Danach ist erforderlich, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehaltene Person Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird. Das Festhalten der Person muss auf gesetzlicher Grundlage erfolgen.

Ob diese Voraussetzungen bei der Klägerin, die wohl im Wege einer eigenständigen freiheitsbeschränkenden Maßnahme der Polizei nach Art. 11 PAG festgehalten wurde, vorgelegen haben, ist schon zweifelhaft. Es ist nämlich bereits fraglich, ob hinreichende Tatsachen vorlagen, die die Annahme der Polizei, die Klägerin werde Widerstand gegen Polizeibeamte leisten, bestätigen könnten.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass die Klägerin nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizeibeamten im Wohnzimmer ihren behinderten und durch die aufgeheizte Stimmung in der Wohnung aggressiv gewordenen Sohn beruhigen und verhindern wollte, dass dieser mit den Polizeibeamten in Streit gerät. Ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sie habe sich vor ihren Sohn M. L. gestellt und dieser habe dann mit Gegenständen in Richtung der Polizeibeamten geworfen, wird durch die Einvernahme der am Einsatz beteiligten Polizisten insoweit bestätigt, als z. B. der Zeuge Go. ausgesagt hat, dass die Klägerin versucht habe, M. L. zu beruhigen. Sie habe ihn aber nicht in den Griff bekommen. Bestätigt wurde auch, dass die Kläger „gleichsam in der Schusslinie“ vor ihrem Sohn (so der Zeuge Ri.) und damit den Polizeibeamten, die M. L. festnehmen wollten, im Wege standen. Ebenso hat sich der Zeuge T. geäußert, nämlich dass die Klägerin versucht habe, ihren Sohn zu beschwichtigen, sich dann umgedreht und ihm im Weg gestanden habe. „Deshalb habe ich sie dann zur Seite auf die Couch geworfen bzw. wir sind dort hingefallen.“ Letztendlich wird das Geschehen bestätigt durch das Einsatzvideo, das deutlich zeigt, wie die Klägerin ihren Sohn zu beruhigen versucht, dann laut und deutlich den Polizisten zuruft, dass er behindert sei und sich dann erneut in Richtung ihres Sohnes umdreht, während die Polizeibeamten von hinten auf sie zustürmen und sie dann auf das Bett geworfen, fixiert und gefesselt wird. Damit hat die Beweisaufnahme einschließlich der Inaugenscheinnahme des Videos aber ergeben, dass von der Klägerin jedenfalls keine konkreten Widerstandshandlungen ausgegangen sind. Allenfalls die Befürchtung, die Klägerin werde die Polizisten angreifen, wenn diese ihren Sohn festnehmen, könnte die Annahme der Polizei begründen, sie werde demnächst Widerstand leisten. Die Klägerin war sehr erregt und sprach mit lauter Stimme, auch hatte sie zuvor bereits Körperkontakt zu einem Polizisten. Aus dem Video ist allerdings nicht klar zu ersehen, ob sie von der Polizei abgedrängt wurde oder ob sie den Polizeibeamten geschoben hat. Deutlich erkennbar ist hingegen, dass die Klägerin kaum eine Möglichkeit hatte, die Ecke, in der sie stand, zu verlassen, ohne mit dem Polizisten zusammenzustoßen, da vor ihr die Polizeibeamten aufgebaut waren und hinter ihr ganz in der Ecke ihr aggressiver Sohn stand. Letztendlich kann die Frage, ob in der geschilderten Situation die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Fesselung vorlagen, bei der Klägerin offen bleiben.

Beim Kläger spricht dagegen einiges dafür, dass er entweder tatsächlich Widerstand gegen ein Vordringen der Polizeibeamten zu seinem behinderten Sohn geleistet hat, oder dass das auf dem Einsatzvideo erkennbare Rudern des Klägers mit den Armen, das er selbst als ein Tasten wegen seiner Blindheit erklärt, bei den Polizeibeamten zumindest den Anschein von Widerstandshandlungen erweckte, zumal diese offenbar zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatten, dass der Kläger sie nicht sehen konnte. Zwar hat die Klägerin behauptet, sie habe dies den Polizeibeamten gesagt. Auf dem Video, das auch das beim Einsatz Gesprochene klar und deutlich widergibt, ist eine solche Aussage der Klägerin aber nicht zu hören. Auf die Blindheit des Klägers hat sie danach erst später hingewiesen. Jedenfalls hat sich der Kläger sowohl nach den Aussagen der Zeugen als auch nach dem vom Senat eingesehenen Einsatzvideo körperlich gegen die Polizisten „gestemmt“. Ob er sich dabei nur vor dem weiteren Eindringen der Polizeibeamten in die Wohnung schützen oder ob er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leisten wollte, kann dahinstehen. Denn es reicht nach Art. 65 Abs. 1 PAG aus, dass mit Widerstandshandlungen zu rechnen ist. Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht, er sei blind und schon deshalb nicht in der Lage gewesen, gezielt Widerstand zu leisten. Denn gerade das Einsatzvideo zeigt, dass der Kläger direkt in Richtung der beteiligten Polizisten stand und diese - wohl über seinen Hörsinn - wahrnehmen und damit auch attackieren konnte. Seine Arme waren auch gegen die vorrückenden Polizeibeamten gerichtet, wohingegen der vom Zeugen Ri. verspürte Tritt im Fußbereich offensichtlich von M. L. herrührte. Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang allerdings sowohl die Tatsache, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig verurteilt worden ist, als auch die in diesem Urteil enthaltene Bewertung des Polizeieinsatzes und insbesondere der Fesselung des Klägers als rechtmäßig. Denn der Senat ist an diese Entscheidung nicht gebunden. Nicht entscheidend ist auch im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen, ob die Fesselung des Sohnes M. L., die im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht Streitgegenstand ist, rechtmäßig war.

3.3.2. Geht man trotz der dargelegten Bedenken des Senats davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 65 Nr. 1 PAG bei beiden Klägern vorlagen, erweist sich deren Fesselung jedoch nicht als verhältnismäßig im weiteren Sinne.

Die Fesselung mag zwar grundsätzlich geeignet gewesen sein, die Kläger von Widerstandshandlungen abzuhalten und damit die Fesselung des M. L. zu ermöglichen, um diesen wiederum von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, weil er nach seiner eigenen Fesselung keine Gegenstände mehr zielgerichtet auf die Polizeibeamten werfen konnte. Es ist aber fraglich, ob sie erforderlich war. Erforderlich ist eine polizeiliche Maßnahme nämlich nur, wenn nicht eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Maßnahme, ein milderes Mittel also, in Betracht kommt (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 172). Verfassungsrechtlich geboten ist die Anwendung eines milderen Mittels allerdings nur bei dessen voraussichtlich gleicher Eignung für die Erreichung des angestrebten Zwecks (Lisken/Denninger, a. a. O., Rn. 173).

Die Fesselung einer Person bedeutet einen schweren Eingriff in ihre persönliche Freiheit (Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 65 Rn. 13). Sie bedeutet eine Einschränkung der Bewegung der Kläger, auch wenn ihnen nur Handfesseln angelegt worden sind. Bei der Klägerin kommt hinzu, dass sie mit dem Gesicht nach unten auf die Couch geworfen worden ist und sich der die Klägerin fesselnde Polizeibeamte auf sie gesetzt hat. Der Kläger wurde anlässlich seiner Fesselung auf den Boden geworfen und hat sich dabei im Gesicht verletzt. Angesichts dieses schweren Grundrechtseingriffs in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) darf eine Fesselung nur als letztes Mittel zur Erreichung des bestimmten Zwecks eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen.

Das Ziel, die Kläger von Widerstandshandlungen gegen die Polizei im Rahmen der beabsichtigten Festnahme ihres Sohnes, die wiederum der Verhinderung weiterer Straftaten dienen sollte, abzuhalten, hätte aber womöglich schon durch andere mildere Maßnahmen erreicht werden können. Denkbar sind insoweit ein Festhalten der Kläger, ohne sie gleich zu fesseln, ein kurzfristiges Zurückweichen der Polizei aus dem Wohnzimmer und damit aus dem Wurfbereich des M. L., und womöglich hätte schon ein Einreden auf die Eltern, ihren Sohn festzuhalten, zu einer wesentlichen Entspannung des Geschehens geführt. Die Klägerin war ohnehin bereits von Anfang an darum bemüht, ihren Sohn zumindest mit Worten zu bändigen und hätte womöglich einer entsprechenden Aufforderung der Polizei durchaus Folge geleistet. Geht man davon aus, dass die hier angesprochenen anderen Maßnahmen als mildere Mittel ebenso wie die Fesselung der Kläger zum Erreichen des angestrebten Zwecks geführt hätten, stellt sich allenfalls die Frage, ob dieser Zweck genauso schnell erreicht worden wäre wie mit der Fesselung oder ob etwa der Rückzug der Polizeibeamten angesichts der Vielzahl von Beamten, die sich im Wohnzimmer und in dem engen Flur der Kläger befanden, zu lange gedauert hätte und M. L. bis zum endgültigen Rückzug noch weitere Gegenstände auf die Polizisten hätte werfen können. Letztendlich bedarf dies aber keiner abschließenden Bewertung, denn die Fesselung der Kläger erweist sich jedenfalls als unverhältnismäßig im engeren Sinne.

Wie unter 3.1.2.3. bereits ausgeführt wurde, ist eine Maßnahme nur dann nach Art. 4 Abs. 2 PAG verhältnismäßig (im engeren Sinne), wenn der mit der Maßnahme erstrebte Erfolg in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Eingriffen in Grundrechte der Betroffenen steht. Wenn die Intensität des Eingriffs in einem Missverhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht, wenn mit anderen Worten dem Einzelnen die ihm auferlegte Belastung nicht zuzumuten ist, hat die Maßnahme zu unterbleiben (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 180). Danach ist die Verhältnismäßigkeit der Fesselung nicht gegeben.

Im Fall der Kläger ist der mit ihrer Fesselung verbundene Eingriff in ihre Grundrechte in Verhältnis zu setzen zu dem Bestreben der Polizei, von den Klägern nicht an der Festnahme ihres Sohnes gehindert zu werden. Bei der danach gebotenen Abwägung überwiegen die Belange der Kläger das oben aufgezeigte öffentliche Interesse.

Die Kläger sind durch die Fesselung und die damit zusammenhängenden weiteren Beeinträchtigungen in ihren Grundrechten auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit betroffen worden. Sie sind beide ohne jegliche Vorwarnung von Polizeibeamten ergriffen worden, die Klägerin noch dazu, als sie dem Polizisten den Rücken zugekehrt hatte und mit einer Fesselung nicht rechnen musste. Ihnen wurde also entgegen Art. 64 Abs. 1 Satz 1 PAG die Fesselung nicht angedroht. Zwar kann nach Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG von der Androhung abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere, wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist, jedoch ist zweifelhaft, ob ein solcher Fall hier vorlag. Auch angesichts der aufgeheizten Stimmung im Wohnzimmer der Kläger hätte die Androhung der Fesselung womöglich dazu geführt, dass die Kläger die Polizei entweder zu ihrem Sohn vordringen lassen oder diesen selbst festhalten, damit er nicht mehr mit Gegenständen werfen kann. Der geistig behinderte Sohn der Kläger war nämlich bei seinen Aktionen, wie im Einsatzvideo deutlich zu sehen ist, nicht sehr schnell und geschickt. Eine Androhung der Fesselung wäre daher noch vor dem nächsten Wurf durchaus möglich gewesen.

Über die bloße Fesselung hinaus erlitten die Kläger erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen. Der Kläger hatte nachweislich Verletzungen in Form von Schürfwunden im Gesicht. Die Klägerin war dadurch in ihrer Gesundheit beeinträchtigt, dass der sie fesselnde Polizeibeamte zeitweise auf ihr kniete. Dass sie dadurch beim Atmen Probleme hatte, ist glaubhaft und nach der filmischen Darstellung dieser Maßnahme auf dem Einsatzvideo auch nachvollziehbar. Hinzu kommt die psychische Beeinträchtigung in Form der Angst um die eigene Gesundheit ebenso wie um den Zustand des Sohnes, der als Behinderter besonders empfindlich auf die polizeilichen Maßnahmen reagiert hat, wie sich aus dem späteren Verlauf erkennen lässt, als M. L. nur noch jammernd und weinend auf dem Boden saß. Schließlich ist auch die Dauer der Fesselung als weitere Erschwerung der ohnehin erfolgten Beeinträchtigung der Rechte der Kläger in die Abwägung einzustellen, denn die Kläger blieben, wie das Einsatzvideo zeigt, auch dann noch gefesselt, als der Sohn M. L. sich bereits beruhigt hatte, was bereits unmittelbar nach der Fesselung aller drei Personen der Fall war.

Andererseits hätte, wie oben bereits ausgeführt worden ist, das Ziel der Polizeibeamten, die Kläger daran zu hindern, ihren Sohn abzuschirmen, auch auf eine weniger intensive Art und Weise als durch eine Fesselung erreicht werden können. Auch waren die Angriffe durch M. L. nicht derart gefährlich, dass sie die von der Polizei ergriffenen Maßnahmen rechtfertigen konnten. Die Beleidigungen und verbalen Aggressionen des M. L. rechtfertigten ohnehin keine Fesselung seiner Eltern, denn insoweit hätte es ausgereicht, den Kläger zur Anzeige zu bringen. Aber auch die oben (vgl. S. 31) dargelegte Gefahr durch weitere Würfe des M. L. war relativ gering, zumal die Polizeibeamten alle in voller Ausrüstung waren und eventuellen weiteren Würfen hätten ausweichen können. Hinzu kommt, dass die Polizeibeamten leicht hätten erkennen können, dass der Kläger geistig behindert ist. Dies wird auf dem Einsatzvideo sehr deutlich. Sein gesamtes Verhalten, insbesondere sein Gesichtsausdruck, lassen ohne Weiteres auf eine gewisse geistige Retardierung schließen. Auf dem Einsatzvideo ist auch deutlich zu sehen, dass M. L. aufgrund seiner Behinderung sehr langsam reagiert und immer erst nach einem Gegenstand sucht, den er gegebenenfalls werfen kann. Die Gefahrenlage war daher auch in der konkreten Situation ausreichend vorhersehbar und einschätzbar. Zwar steht außer Frage, dass die Polizei Widerstand oder sonstige körperliche Beeinträchtigungen nicht hinnehmen muss und dafür auch härtere Mittel einsetzen kann. Jedoch ist der Senat, auch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, in diesem konkreten Fall angesichts der besonderen Einsatzsituation und der Anzahl der damals in der Wohnung anwesenden besonders ausgebildeten USK-Kräfte der Auffassung, dass die streitgegenständliche Fesselung nicht verhältnismäßig war, zumal im Hinblick auf den den Klägern vorgeworfenen „Widerstand“ in keiner Weise berücksichtigt worden ist, dass Eltern eines behinderten Kindes in der Regel intensiver bemüht sind, dieses in Schutz zu nehmen als dies womöglich bei einem gesunden Kind geschieht.

3.4. Eine Rechtsverletzung der Kläger aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung durch die Polizei liegt nicht vor, denn eine Durchsuchung hat im Rahmen der hier streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 nicht stattgefunden.

Durchsuchungen gehören zu den möglichen Maßnahmen, die die Polizei zur Gefahrenabwehr ergreifen kann. Dazu ist in Art. 23 PAG die Durchsuchung von Wohnungen geregelt und in Art. 22 PAG die Durchsuchung von Sachen (zum Verhältnis zwischen diesen beiden Vorschriften vgl. Nr. 22.2 Vollz. B.ek zu Art. 22 PAG). Am 11. Januar 2010 sind aber weder die Wohnung noch Sachen der Kläger durchsucht worden.

Dass die Wohnung der Kläger nicht nach Personen durchsucht worden ist, wurde bereits oben (vgl. 3.1.1.1.) dargelegt. Über das bisher Ausgeführte hinaus ist aber auch die behauptete „Durchsuchung“ eines Ordners, um den es den Klägern im Wesentlichen geht, keine Durchsuchung der klägerischen Wohnung. Denn die Polizei hat die Wohnung der Kläger nicht mit der Absicht betreten, dort eine Durchsuchung vorzunehmen. Insbesondere hatte sie nicht vor, den Ordner der Klägerin und dort wiederum die im Ordner befindliche Unterlage über den Gesundheitszustand des Sohnes M. L. zu „suchen“. Von dem Ordner und der Unterlage war der Polizei nämlich bis zu dem Augenblick, in dem die Klägerin selbst auf den Ordner hingewiesen hat, nichts bekannt. Es war auch nicht die Polizei, die den Ordner gesucht hat, sondern, wie die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben hat, wollte die Klägerin zum Beweis dafür, dass ihr Sohn M. L. geistig behindert ist, ein bestimmtes Gutachten, das sich in dem fraglichen Ordner befand, vorzeigen. Sie selbst hat in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2015 ausgesagt, sie habe die Unterlagen wegen ihrer Fesselung nicht holen können und deshalb dem Polizisten gesagt, das Gutachten befinde sich in einem Ordner. Da sie nicht gewusst habe, in welchem Ordner das betreffende Attest sei, habe der Polizist einen dicken Ordner genommen und durchgesehen. Der Polizeibeamte Ri., der den beschriebenen Ordner an sich genommen hat, bestätigte im Wesentlichen die Aussage der Klägerin. Allerdings erklärte er, die Klägerin habe einen konkreten Ordner bezeichnet, den er dann ergriffen und kurz nach dem ihm genannten Attest durchgesehen habe. Den Ordner habe er dann der Klägerin vorgelegt, damit diese das gesuchte Attest entnehmen konnte. Selbst wenn die Angaben der Klägerin zutreffen sollten, dass sie auf keinen bestimmten Ordner gezeigt habe, ist das Ergreifen des Ordners durch den Polizisten und die kurze Durchsicht nach dem betreffenden Attest nicht als Durchsuchen der Wohnung zu werten. Es handelt sich aber auch nicht um eine Durchsuchung von Sachen, denn der Polizeibeamte hat den Ordner gerade nicht durchsucht, sondern nur kurz durchblättert und ihn dann der Klägerin weitergereicht. Hier fehlt es bereits an dem eine Durchsuchung kennzeichnenden Merkmal des Aufspürens einer Sache, die der Verfügungsberechtigte nicht herausgeben, sondern vielmehr verbergen möchte. Die Klägerin wollte im Gegenteil das Attest über ihren Sohn übergeben, um damit den Nachweis zu führen, dass M. L. für die zuvor von ihm begangenen Delikte nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Es war ihr Interesse, die Polizei über den Umstand, dass M. L. geistig behindert ist, zu informieren. Hielt sie aber nichts verborgen und war sie mit der Suche nach dem Attest ausdrücklich einverstanden, konnte auch kein Durchsuchen im Sinne der Art. 22 oder 23 PAG stattfinden.

Die Polizei hat zur Überzeugung des Senats auch nicht den Zustand der Klägerin, dass sie wegen der zuvor erfolgten Fesselung den Ordner nicht selbst holen konnte, ausgenutzt und so eine Durchsuchung vorgenommen. Denn die Polizei war an dem Inhalt dieses Ordners überhaupt nicht interessiert. Vielmehr war es die Klägerin selbst, die das Attest dem Polizisten zeigen wollte. Schon gar nicht wurde eine „Durchsuchung“ der „Privatunterlagen der Klägerin“ durch den „Gewalteinsatz“ zuvor „erzwungen“, wie die Kläger meinen. Der Hinweis der Klägerin auf das Gutachten über M. L. erfolgte nämlich erst nach der Fesselung der Kläger und des M. L., so dass der „Gewalteinsatz zuvor“ keinesfalls mehr ursächlich für eine erzwungene Durchsicht des Ordners sein konnte.

Schließlich ist auch die Tatsache, dass die Polizeibeamten vor dem Einsatz Handschuhe angezogen haben, kein Indiz dafür, dass sie rechtswidrige Durchsuchungen durchführen und keine damit verbundenen Fingerabdrücke hinterlassen wollten. Vielmehr wurde vom Beklagten glaubhaft erklärt, dass es zur Ausrüstung eines Polizeibeamten gehört, bei Einsätzen Handschuhe zu tragen, u. a. auch zum Selbstschutz. Dass das Anziehen von Handschuhen beim streitgegenständlichen Einsatz sinnvoll war, ist bereits daraus zu ersehen, dass einer der Beamten einen Gegenstand, den M. L. durch das Zimmer geworfen hat, mit dem Handschuh auffangen konnte. Hätte er keine Handschuhe angehabt, wäre es womöglich zu einer Verletzung des Polizeibeamten gekommen.

3.5. Im Verlauf der polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 in der Wohnung der Kläger kam es auch nicht zu Gewaltanwendungen gegenüber den Klägern, die über die mit der Erzwingung der anderen Maßnahmen verbundenen Zwangsmittel, z. B. beim Betreten der Wohnung und der Fesselung der Kläger, hinausgingen. Für einen derartigen „Gewaltexzess“ durch die Polizei gibt es weder Nachweise noch greifbare Anhaltspunkte.

Das von den Klägern hierzu angeführte Beiseiteschieben des Klägers im Wohnungsflur durch den Polizeibeamten G. ist bereits nicht als „Gewaltanwendung“ anzusehen, weil es hierzu keines über eine leichte Körperberührung hinausgehenden körperlichen Einsatzes bedurfte. Außerdem diente es lediglich der Durchsetzung des Betretens der Wohnung und war damit allenfalls der - rechtmäßige - Vollzug (s. Art. 53 ff PAG) der Maßnahme „Betreten“.

Keine eigenständige Gewaltanwendung ist des weiteren die Durchsetzung der Fesselung des Klägers. Auch wenn er dabei verletzt worden ist, kommt dieser Tatsache keine eigenständige Bedeutung bei, denn diese Gesundheitsbeschädigung ist zweifelsohne im Verlauf der zwangsweisen Fesselung des Klägers erfolgt. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 angegeben, er sei gefesselt und „bei dieser Aktion“ verletzt worden. Auch daraus ergibt sich, dass die Verletzungen des Klägers Folge des mit der Fesselung einhergehenden unmittelbaren Zwangs waren. Von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwangsweisen Fesselung selbst sind deshalb auch die dabei dem Kläger zugefügten Verletzungen (seinen Angaben nach Schürfwunden) erfasst.

Eine über diesen unmittelbaren Zwang hinausgehende Gewaltanwendung gegen den Kläger, insbesondere ein Schlagen mit einem Schlagstock, ist demgegenüber weder belegt noch gibt es dafür greifbare Anhaltspunkte. Schon die Art der Verletzungen, nämlich die dokumentierten Schürfwunden im Gesicht des Klägers (vgl. Bl. 31 und 32 der Akten der Staatsanwaltschaft München I in der Strafsache 457 Js 311699/10) deuten darauf hin, dass sich der Kläger die Verletzungen zugezogen hat, als er gefesselt und auf den Boden geworfen worden ist. Soweit er einen Schlag verspürt hat, dürfte dies vom Tumult bei der Fesselung herrühren. Da der Kläger blind ist, konnte er nicht erkennen, wodurch die von ihm als Schlag mit einem Schlagstock wahrgenommene Einwirkung auf seinen Kopf herrührte. Aber auch auf dem Einsatzvideo ist keine zielgerichtete Gewaltanwendung gegen ihn erkennbar. Der auf dem Video deutlich zu sehende fortlaufende Vorgang der Fesselung des Klägers dokumentiert zwar die zwangsweise Fesselung des Klägers, zeigt aber kein Einschlagen auf den Kläger mit einem Schlagstock. Vielmehr sind die an der Maßnahme beteiligten Polizeibeamten zwar mit einem Schlagstock ausgerüstet, was auf dem Video gut zu erkennen ist, jedoch hat keiner der beteiligten Polizeibeamten diesen Schlagstock eingesetzt.

Nicht nachvollziehbar ist insoweit auch der Verdacht der Kläger, das vom Einsatz gefertigte Video sei manipuliert und es seien Sequenzen herausgeschnitten worden, um die von ihnen behauptete Gewaltanwendung, nämlich das Einprügeln auf den Kläger mit einem Schlagstock, zu vertuschen. Zwar lässt die Videoaufnahme erkennen, dass während des Vorgangs der Fesselung ein Wechsel in der Kameraführung stattgefunden hat, was auch von den Zeugen Ri. und Ro. bestätigt wurde, jedoch ist auch zu sehen, dass die Videoaufzeichnung weiterläuft. Im Fortgang des Geschehens sind keine Unterbrechungen zu erkennen. Auch spätere Manipulationen sind nicht feststellbar. Das Video ist zwar, wie der Zeuge Go. ausgesagt hat, bearbeitet worden, indem er „die Straftaten geschnitten und hervorgehoben“ hat. Das Originalvideo ist aber in ungeschnittener Länge auf der bei den Akten befindlichen und vom Senat im Rahmen der Beweisaufnahme eingesehenen DVD enthalten. Davon konnte sich der Verwaltungsgerichtshof hinreichend überzeugen. Das weitere Video, das sich auf der DVD befindet, enthält tatsächlich nur einzelne ausgeschnittene Sequenzen (zum Teil in Zeitlupe), die durch Untertitel und hörbare Kommentare erläutert werden, dient aber erkennbar nur der Verdeutlichung einzelner Szenen und ist unabhängig vom Originalvideo. Dass auf dem dokumentierten Teil nicht alle Szenen enthalten sind, steht fest und wird vom Beklagten auch nicht bestritten. Ebenso steht fest, dass das Originalvideo in voller Länge ungeschnitten auf der DVD enthalten ist.

3.6. Schließlich war auch das Betreten und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger anlässlich des Einsatzes am 16. Mai 2010 um ca. 18.30 Uhr rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für das Betreten und den Aufenthalt in der klägerischen Wohnung ist ebenso wie für das Betreten und Verweilen in der Wohnung am 11./12. Januar 2010 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG, wobei im Gegensatz zum Einsatz im Januar 2010 das Betreten und Verweilen in der Wohnung nicht zur Nachtzeit erfolgte.

3.6.1. Auch am 16. Mai 2010 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG vor.

So fand auch an diesem Tag keine Durchsuchung der Wohnung statt, sondern die Polizeibeamten haben die Wohnung lediglich betreten, um nachzusehen, ob sich dort verletzte Personen befanden und um die bereits seit langem anhaltende massive Ruhestörung durch die Kläger zu beenden. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Durchsuchung und Betreten einer Wohnung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter 3.1.1.1. verwiesen werden. Für den 16. Mai 2010 ist der Einsatzgrund Ruhestörung durch die vor dem Verwaltungsgerichtshof am 2. März 2015 vernommenen Zeugen ebenso belegt wie der Einsatzgrund Nachschau nach Verletzten. So hat der Zeuge H. glaubhaft ausgesagt, Anlass für den Einsatz sei die Mitteilung eines Hausbewohners gewesen, der vom Randalieren der Kläger und Ruhestörung gesprochen habe. Es seien bereits im Treppenhaus Schreie und „ein Gerumpel von oben“ zu hören gewesen. Die Nachschau nach Verletzten habe sich daraus ergeben, dass der Nachbar sich sinngemäß dahingehend geäußert habe, „dass da oben möglicherweise etwas passiert sei“. Auch der Zeuge D. hat überzeugend ausgeführt, dass Geschrei und Getrampel aus der Wohnung gekommen sei. Er und seine Kollegen hätten sich in der Wohnung umgesehen, aber keine Feststellung von verletzten Personen treffen können. Auch der Zeuge Ga. hat aus der Wohnung Schreie gehört, die ihn veranlasst haben nachzusehen, ob alle Personen in der Wohnung unversehrt waren.

Dass die Polizeibeamten ohne Einwilligung im Wege des Verwaltungszwangs (s. Art. 53 ff. PAG) in die Wohnung eingedrungen sind, ist für den 16. Mai 2010 unstreitig. Auch die am Einsatz beteiligten Polizisten haben ausgesagt, dass die Klägerin den Zutritt zur Wohnung verweigert hat und die Türe schließen wollte, jedoch der Zeuge D. seinen Fuß in die Tür gesetzt und die Wohnungstür gegen den Willen der Klägerin geöffnet und die Wohnung betreten habe. Dahinstehen kann, ob als Einsatzgrund auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG in Betracht kam, wonach eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach Art. 17 in Gewahrsam genommen werden darf. In Gewahrsam genommen werden darf eine Person nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG dann, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Eine solche Ordnungswidrigkeit könnten die Kläger oder ihre Söhne dadurch begangen haben, dass sie am 16. Mai 2010 die sonntägliche Ruhe ihrer Mitbewohner erheblich gestört und dadurch deren Gesundheit geschädigt haben. Damit hätten sie eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG begangen, wonach ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.

3.6.2. Das Betreten und Verbleiben in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne. Die Maßnahmen waren geeignet (dazu 3.6.2.1.), erforderlich (dazu 3.6.2.3.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.6.2.3.).

3.6.2.1. Dass das Betreten und Verweilen in der Wohnung der Kläger geeignet war, die übermäßige Lärmbelästigung durch die Kläger, die zum Zeitpunkt des Einsatzes vor allem von Streitigkeiten oder Schreien der beiden Brüder J. L. und M. L. herrührten, zu beenden und um zugleich nachzusehen, ob sich in der Wohnung verletzte Personen befinden, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung.

3.6.2.2. Das Betreten und Verweilen in der Wohnung war erforderlich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 PAG, denn nur durch eine Inaugenscheinnahme der Räume in der klägerischen Wohnung, zumindest durch einen kurzen Blick in die Räumlichkeiten, konnte die Polizei feststellen, ob sich eventuell verletzte Personen in der Wohnung befinden. Dies war vom Hausflur aus ohne durch die Wohnungstür zu treten nicht möglich. Auch das Geschrei und Gerumpel in der Wohnung konnte ohne Betreten der Wohnung nicht abgestellt werden. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Klägerin die Beamten nicht nur am Betreten der Wohnung hindern, sondern auch nicht mit ihnen sprechen wollte, denn sie hat versucht, sofort nachdem sie die Polizeibeamten gesehen hatte, die Wohnungstüre wieder zu schließen. Angesichts der Erkenntnisse der Polizeibeamten, die sie über die Kläger und ihre Familie hatten - der Zeuge Ga. wusste, dass es in der Vergangenheit bereits Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger gegeben hatte - war das Betreten der Wohnung jedenfalls erforderlich.

Erforderlich war auch die Anzahl der am Einsatz am 16. Mai 2010 beteiligten Polizeibeamten. Dazu hat der Zeuge H. anlässlich seiner Vernehmung am 2. März 2015 ausgesagt, dass er und sein Kollege sich entschlossen hätten, zwei weitere Kollegen zur Unterstützung heranzuziehen, „weil die Verhältnisse dieser Familie bei uns bekannt waren“. Auch der Zeuge Ga. konnte sich erinnern, dass Unterstützung angefordert wurde, weil aus der Vergangenheit Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger bekannt gewesen seien. Angesichts des von allen Zeugen bestätigten Lärmens in der Wohnung und der bekannten früheren Einsätze bei den Klägern hält auch der Verwaltungsgerichtshof eine Einsatzstärke von vier Polizisten im konkreten Fall für erforderlich. Bestätigt wird die Erforderlichkeit auch durch den Umstand, dass nach Aussage der Zeugen H. und Ga. beim Betreten der Wohnung durch die Polizei sofort der Sohn der Kläger J. L. aus einem Zimmer kam und die Polizisten massiv beleidigte. Auch anlässlich dieses Einsatzes war deshalb mit einer Eskalation durch das Verhalten der Söhne der Kläger zu rechnen, die einen Einsatz von mehreren Polizeibeamten rechtfertigte.

3.6.2.3. Das Betreten und Verweilen der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die polizeiliche Maßnahme führte nicht zu einem Nachteil der Kläger, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis gestanden wäre.

Die Kläger wurden nur geringfügig in ihren Rechten beeinträchtigt. Zwar wurden sie durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Jedoch hat der Zeuge H. erklärt, die Maßnahme sei bald erledigt gewesen. Er und seine Kollegen hätten zwar kurz in die Zimmer der Wohnung gesehen, das Wesentliche hätte sich aber im Gangbereich der Wohnung zugetragen. Nach Aussage des Zeugen D. dauerte der Einsatz keine halbe Stunde.

Demgegenüber wäre in dem Fall, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befunden hätten, mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung dieser Personen zu rechnen gewesen. Deren Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Gesundheit der Nachbarn vor erheblichen Lärmbelästigungen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) galt es mit dem Einsatz zu schützen. Diese Schutzgüter wiegen zweifelsohne schwerer als die geringfügige Beeinträchtigung der Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG durch das kurzfristige Betreten ihrer Wohnung. Damit erweist sich aber auch das Betreten der Wohnung am 16. Mai 2010 als verhältnismäßig und insgesamt rechtmäßig, denn Ermessensfehler sind ebenfalls nicht zu erkennen.

Nach alledem war der Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

...

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 40.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung für beide Instanzen beruht auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG waren folgende Streitgegenstände in Höhe von jeweils 5.000 Euro zusammenzurechnen, weshalb sich ein Gesamtstreitwert von 40.000 Euro ergibt:

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 11. Januar 2010 - wegen

wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Fesseln der Kläger und von M. L. - 3 x 5.000,-€

- Durchsuchen der Privatunterlagen -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Gewaltanwendung gegenüber den Klägern - 2 x 5.000,- €

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 16. Mai 2010 -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern - 5.000,- €.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2004 - 612 Qs 53/04 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 und Artikel 104 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, soweit er die gegenüber dem Beschwerdeführer am 27. und 28. September 2003 ergangenen Maßnahmen der Polizeibehörden der Freien und Hansestadt Hamburg auch nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises für rechtmäßig erklärt. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen gegen einen Beschluss des Landgerichts, mit dem eine mehrstündige Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers durch die Polizei zur Identitätsfeststellung für rechtmäßig erklärt wurde.

I.

2

1. Am Nachmittag des 27. September 2003 betrat der Beschwerdeführer mit einer Gruppe von circa 100 Personen aus dem Umfeld der sogenannten Bauwagenszene in Hamburg ohne entsprechende Erlaubnis oder Billigung der Berechtigten ein Grundstück in der Absicht, das Gelände für sich als neuen Wohnsitz und ständigen Aufenthaltsort sowie als Abstellort für vier mitgeführte Bauwagen zu nutzen. Der Aktion vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen der Stadt und Vertretern der Bauwagenszene über dieses Gelände als Ersatzstandort für einen im Jahre 2002 geschlossenen Bauwagenplatz.

3

Gegen 18 Uhr versperrte die angerückte Polizei die Ausgänge des Geländes, so dass die an der Aktion beteiligten Personen das Gelände nicht mehr verlassen konnten. Um 18.35 Uhr stellte ein Vertreter der Berechtigten Strafantrag gegen die auf dem Gelände befindlichen Personen. Die Polizei stellte die Identität der betreffenden Personen vor Ort fest. Nach seinen Angaben verwehrte die Polizei dem Beschwerdeführer, sich nach Vorlage seines Ausweises zu entfernen. Gegen 19.55 Uhr umstellte die Polizei die sich auf dem Gelände befindlichen Personen. Die Feuerwehr leuchtete den Platz mit Flutlicht aus und die Polizei gab den Eingeschlossenen um 20.12 Uhr über Megaphon bekannt, dass sie wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs vorläufig festgenommen seien. Insgesamt handelte es sich hierbei einschließlich des Beschwerdeführers noch um circa 80 Personen. Die Polizei führte die Personen ab circa 20.20 Uhr nacheinander aus dem Kessel; die Räumung dauerte bis 21.55 Uhr. Der Beschwerdeführer wies sich dabei nach Aufforderung wiederum unter Vorlage eines gültigen Bundespersonalausweises aus. Die Polizei verbrachte ihn zusammen mit anderen Personen zu einer Polizeiwache, wo er gegen 20.30 Uhr eintraf. Ungefähr anderthalb Stunden verbrachte der Beschwerdeführer in einer Zelle, ohne dass die Polizei in der Zwischenzeit ihn betreffende Maßnahmen durchführte. Gegen 23.00 Uhr brachte die Polizei den Beschwerdeführer zum Polizeipräsidium, wobei die Fahrt circa eine Stunde dauerte. Dort verbrachte der Beschwerdeführer eine Stunde in einer Zelle, bis er erkennungsdienstlich behandelt wurde (Anfertigung von drei Lichtbildern). Die Polizei stützte diese Maßnahme auf § 81b Alt. 1 StPO. Sie entließ den Beschwerdeführer am 28. September 2003 gegen 1.30 Uhr.

4

2. Am 27. Oktober 2003 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht die nachträgliche Feststellung, dass die Freiheitsentziehung von 18 Uhr bis 01.30 Uhr von Anfang an dem Grunde und der Dauer nach sowie die Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig waren. Mit Beschluss vom 14. Juni 2004 stellte das Amtsgericht in analoger Anwendung von § 98 Abs. 2 StPO fest, dass die am 27. September 2003 ab 19.55 Uhr bis zum 28. September 2003, 1.30 Uhr zum Nachteil des Beschwerdeführers vollzogene Freiheitsentziehung nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises rechtswidrig gewesen sei und wies den Antrag im Übrigen zurück.

5

3. a) Mit Beschluss vom 5. Oktober 2004 hob das Landgericht auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Amtsgerichts insoweit auf, als in ihm die Feststellung enthalten ist, dass die ab 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr zum Nachteil des Beschwerdeführers vollzogene Freiheitsentziehung nach der Vorlage und Überprüfung seines Personalausweises rechtswidrig gewesen sei, lehnte den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers ab, verwarf seine Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss und lehnte seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zutreffend sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO zur Feststellung seiner Identität jedenfalls bis zur Vorlage seines Bundespersonalausweises rechtmäßig gewesen sei. Die daran anschließende Verbringung des Beschwerdeführers zunächst zur Polizeiwache und sodann ins Polizeipräsidium, um dort bis zu seiner Entlassung Lichtbilder anzufertigen, finde ihre gesetzliche Grundlage in § 81b Alt. 1 StPO. Für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens sei es notwendig gewesen, Lichtbilder vom Beschwerdeführer anzufertigen. Schon angesichts der Vielzahl der Besetzer sei es für eine eindeutige Beweisführung über die tatsächliche Anwesenheit einzelner Personen auf dem Grundstück erforderlich gewesen, das tatsächliche damalige Aussehen des Beschwerdeführers zu dokumentieren. Zu diesem Zweck habe der Beschwerdeführer auch zwangsweise zur Polizeibehörde verbracht und dort bis zur Erledigung festgehalten werden dürfen. Hierin sei weder eine Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO zu sehen, sondern allein eine Maßnahme des unmittelbaren Zwangs zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung. Dass für die Vornahme der Maßnahmen eine Zeit von einigen Stunden benötigt worden sei, sei angesichts der Vielzahl der festgehaltenen und zu erfassenden Personen auch verhältnismäßig gewesen, zumal die Zeitdauer deutlich unter der vom Gesetzgeber in § 163c Abs. 3 StPO (heute: § 163c Abs. 2 StPO) als hinnehmbar festgelegten Höchstdauer von 12 Stunden geblieben sei. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei bereits deshalb abzulehnen, da es dafür im strafprozessualen Beschwerdeverfahren an einer Rechtsgrundlage fehle.

6

b) Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer, mit Ausnahme der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, eine Gegenvorstellung, auf die das Landgericht ihm mitteilte, es gebe keinen Anlass, vom Beschluss abzurücken.

7

c) Soweit der Beschluss des Landgerichts dem Beschwerdeführer die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagte, legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht verwarf.

8

d) Gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer eine Gegenvorstellung, die das Oberlandesgericht zurückwies.

9

4. a) Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit er die Rechtmäßigkeit der gegen ihn gerichteten Maßnahme bestätigt, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG. Es habe sich um eine Freiheitsentziehung gehandelt. Eine Rechtsgrundlage für die Verwahrung habe nicht vorgelegen; jedenfalls sei der Eingriff nicht verhältnismäßig. Das Landgericht habe wegen der Verkennung des Vorliegens einer Freiheitsentziehung auch übersehen, dass das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt sei.

10

b) Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts sowie den Beschluss des Landgerichts betreffend die Versagung von Prozesskostenhilfe rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG.

11

5. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat von der Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.

12

6. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Aus ihnen ergibt sich, dass das Amtsgericht das gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfahren wegen Hausfriedensbruchs gemäß § 153a Abs. 2 StPO nach der Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 150 € endgültig eingestellt hat.

II.

13

Die Verfassungsbeschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist.

14

1. In Bezug auf die angegriffenen Prozesskostenhilfeentscheidungen ist die Verfassungsbeschwerde allerdings unzulässig und ist deshalb insoweit nicht zur Entscheidung anzunehmen.

15

Der Beschwerdeführer hat insoweit den Grundsatz der materiellen Subsidiarität, der aus § 90 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 77, 275 <282>; 85, 80 <86>), nicht eingehalten. Dieser verlangt über die Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Zumutbaren die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 84, 203 <208>; 85, 80 <86>; 112, 50 <60>). Diesen Anforderungen wird der Beschwerdeführer nicht gerecht, denn er legt nicht dar, dass - abgesehen von der Beantragung von Prozesskostenhilfe - keine weitere Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts auf Kosten der öffentlichen Hand bestand. Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers analog § 140 Abs. 2, § 141 StPO stellen können (vgl. LG Karlsruhe, Beschluss vom 27. April 2001 - 6 Qs 18/01 -, StV 2001, S. 390; Laufhütte, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 141 Rn 11; Lüderssen/Jahn, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 140 Rn 117 ff. <131c>).

16

2. Im Übrigen, also in Bezug auf den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt für die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 und 2 GG einschließlich der besonderen Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 10, 302 <322>; 29, 312 <316>; 94, 166 <198>; 105, 239 <249 f.>).

17

a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich bei verständiger Würdigung nur gegen den die polizeilichen Maßnahmen bestätigenden Beschluss des Landgerichts und nicht auch unmittelbar gegen die polizeilichen Maßnahmen selbst richtet, ist insoweit zulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es insbesondere nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzinteresse, weil der Freiheitseingriff beendet ist. Es würde der Bedeutung des Schutzes der persönlichen Freiheit in der im Grundgesetz garantierten Form nicht entsprechen, wenn das Recht auf eine verfassungsgerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs in das Freiheitsrecht bei Wiedergewährung der Freiheit ohne Weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 9, 89 <93 f.>; 10, 302 <308>; stRspr).

18

b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG auch offensichtlich begründet.

19

aa) Der Beschluss des Landgerichts verletzt, insoweit er die gegen den Beschwerdeführer gerichteten polizeilichen Maßnahmen bestätigt, den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

20

(1) Der Schutzbereich des Grundrechts umfasst sowohl freiheitsbeschränkende als auch freiheitsentziehende Maßnahmen. Eine Freiheitsbeschränkung liegt vor, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist. Eine Freiheitsentziehung als schwerste Form der Freiheitsbeschränkung ist nur dann gegeben, wenn die tatsächlich und rechtlich an sich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 <198>).

21

Eingriffe in die Freiheit der Person bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 2, 118 <119>; 29, 183 <195>), wobei die Formvorschriften dieser Gesetze von den Gerichten so auszulegen sind, dass ihnen eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 <322 f.>; 96, 68 <97>). Bei der Beschränkung im Einzelfall muss die Stellung des Grundrechts auch im Rahmen des Abwägungsprozesses angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere ist sorgfältig abzuwägen, ob ein Eingriff in den Grenzen bleibt, die ihm durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden, mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogen werden (vgl. BVerfGE 29, 312 <316>). Diesen zu beachten, ist bei allen Eingriffen durch die öffentliche Gewalt ein zwingendes verfassungsrechtliches Gebot (vgl. BVerfGE 30, 173 <199>). Ein Eingriff ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn er nicht zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist. Dies wiederum ist nicht der Fall, wenn ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreichend ist (vgl. BVerfGE 67, 157 <173>; 81, 156 <192> m.w.N.).

22

(2) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt der Beschluss des Landgerichts nicht, der das Festhalten des Beschwerdeführers und die Aufrechterhaltung der Ingewahrsamnahme bis zur Entlassung durch die Polizei gegen 1.30 Uhr für rechtmäßig erklärt. Es kann im Ergebnis dahin stehen, ob die Polizei den Beschwerdeführer auf der Grundlage von § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO oder aufgrund von § 81b StPO festgehalten hat, denn die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls nicht als erforderlich.

23

Die Vorschrift des § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO lässt ein Festhalten zur Identitätsfeststellung nur zu, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Vorschrift stellt insofern eine gesetzliche Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dar und soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die persönliche Freiheit nur dann erfolgt, wenn er zur Feststellung der Identität unerlässlich ist. Ein solcher Fall lag hier nicht vor. § 163b Abs. 1 Satz 1 StPO ermächtigt Polizeibeamte, gegenüber einem Verdächtigen die notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu treffen, also den Betreffenden nach seinen Personalien zu befragen und diesen aufzufordern, mitgeführte Ausweisdokumente auszuhändigen. Nur dann, wenn die Identität des Betreffenden auch unter Ausschöpfung dieser Maßnahmen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden kann oder dies mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, kommt ein weiteres Festhalten nach Satz 2 in Betracht. Ein weiterer Eingriff in das Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf also nur dann erfolgen, wenn die Polizei auf der Basis der bereits bekannten Daten berechtigte Zweifel an der Identität der Person hat. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat sich gegenüber der Polizei vor Ort mit einem Bundespersonalausweis ausgewiesen. Der Bundespersonalausweis ist dabei in besonderer Weise als Dokument zur Feststellung der Identität geeignet, da er gemäß § 1 PAuswG die erforderlichen Daten für eine Identifikation und strafrechtlich relevante Erfassung der Person enthält und darüber hinaus mit besonderen Fälschungssicherungen versehen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis des Beschwerdeführers gefälscht war oder seine Person nicht mit dem Ausweisinhaber übereinstimmte, etwa, weil das Foto keine oder nur geringe Ähnlichkeit mit ihm aufwies, sind weder von der Polizei noch vom Landgericht benannt worden noch sind sie ansonsten ersichtlich. Daher ist - insbesondere im Hinblick auf das verfassungsrechtlich fundierte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen bloßer Identitätsfeststellung und weiterem Festhalten - davon auszugehen, dass es den Polizeibeamten möglich war, die Identität aufgrund des vorgelegten Bundespersonalausweises vor Ort hinreichend sicher festzustellen. Ein Festhalten aus reinen Praktikabilitätserwägungen vermag schon die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht zu begründen und dürfte im Übrigen auch auf die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme keinen Einfluss haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1992 - 2 BvR 658/90 -, NVwZ 1992, S. 767 <768>).

24

Auch ein Festhalten des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 81b Alt. 2 StPO war jedenfalls unverhältnismäßig, denn es verkannte die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insoweit ist zwischen der Anordnung der Maßnahme und der Durchführung zu unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 1255/04 - NStZ-RR 2006, S. 381 <382>). Selbst wenn man in Bezug auf die Anordnung der Maßnahme mit dem Landgericht davon ausgeht, dass trotz eindeutig festgestellter Identität des Beschwerdeführers und aller anderen Personen die Erinnerung der einzelnen Polizisten als Zeugen vor Gericht aufgrund der Vielzahl an Personen ohne weitere Fotos möglicherweise nicht hinreichend gewährleistet gewesen wäre und es als Erinnerungsstütze noch ein Bedürfnis an weiteren im Strafprozess zu verwertenden Beweismitteln gab, rechtfertigt dies für die Durchführung jedenfalls nicht ein stundenlanges Festhalten und Einsperren des Beschwerdeführers auf verschiedenen Polizeiwachen. Das Landgericht verkennt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass in der Formulierung "soweit (…) notwendig" in § 81b StPO seinen Niederschlag auch in der einfachgesetzlichen Regelung gefunden hat. Es hat insoweit nicht ausgeführt, dass ein stundenlanges Festhalten des Beschwerdeführers für das Anfertigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers notwendig war. Zwar kann die Masse der zu bearbeitenden Fälle eine zeitliche Verzögerung rechtfertigen, jedoch hat das Landgericht keine Ausführungen zum Vorliegen von Erschwernissen gemacht, die die Dauer in dem hier festgestellten Umfang rechtfertigten. Allerdings ist die Polizei als Strafverfolgungsbehörde - soweit nicht ein genereller entsprechender Bedarf besteht - nicht gezwungen, Personal und Material für erkennungsdienstliche Maßnahmen in solchem Maß vorzuhalten, dass eine Bearbeitung in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe erfolgen kann. Vielmehr kann es durchaus verhältnismäßig sein, derartige spezielle Ressourcen insbesondere räumlich zusammenzufassen. Eine Verbringung an diesen Ort und eine organisatorisch nicht zu vermeidende und gemäßigte Wartefrist können jedenfalls bei hinreichend gewichtigen Straftaten angemessene Eingriffe im Verhältnis zur Bedeutung des staatlichen Strafanspruches sein. Ein solcher Fall liegt aber auf der Basis des festgestellten Sachverhalts nicht vor. Der Beschwerdeführer ist im Polizeipräsidium nach mehreren Stunden ausschließlich in der Art erkennungsdienstlich behandelt worden, dass von ihm drei einfache Fotos angefertigt wurden. Weitere Aufnahmen insbesondere solche, die besondere fotografische oder kriminalistische Erfahrung oder Ausrüstung erforderten, sind vom Landgericht weder festgestellt noch Teil seiner Verhältnismäßigkeitserwägungen geworden. Insofern stellt sich die erkennungsdienstliche Behandlung als die Anfertigung von einfachen, alltäglichen Fotoaufnahmen dar. Für die Annahme der Erforderlichkeit in diesem Fall hätte es einer genaueren Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten bedurft, zeitlich früher Aufnahmen des Beschwerdeführers in der gleichen Qualität und Machart anzufertigen, die den Zweck des § 81b StPO nicht schlechter erfüllt hätten. Hierbei hätte das Landgericht insbesondere prüfen müssen, ob die Beamten entsprechende Aufnahmen nicht mit einer verfügbaren oder kurzfristig herbeizuschaffenden Kamera auch vor Ort, als die Personen einzeln aus dem Kessel zur Identitätsfeststellung herausgeführt wurden, hätten machen können oder sonst spätestens auf den einzelnen Polizeiwachen.

25

bb) Der das Festhalten des Beschwerdeführers auf der Polizeiwache sowie dem Polizeipräsidium einschließlich der Verbringung dorthin bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 104 Abs. 2 GG.

26

(1) Das Einsperren des Beschwerdeführers in eine Gewahrsamszelle auf der Polizeiwache beziehungsweise auf dem Polizeipräsidium sowie als Verbindungsglied zwischen beiden das Verbringen dorthin mittels Polizeifahrzeugen stellen eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG und nicht lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Während eine Freiheitsbeschränkung schon dann anzunehmen ist, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der ihm an sich (tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist, liegt eine Freiheitsentziehung erst dann vor, wenn die tatsächlich und rechtlich gegebene körperliche Bewegungsfreiheit nach allen Seiten hin aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 94, 166 <198>). Die Freiheitsentziehung ist der schwerste Fall der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 10, 302 <323>). Beide Begriffe sind entsprechend ihrer Intensität abzugrenzen (vgl. BVerfGE 105, 239 <248>). Jedenfalls muss die Unterbringung einer Person gegen ihren Willen in einem Haftraum als Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG angesehen werden (vgl. BGHZ 82, 261 <264> und BVerwGE 62, 317 <318>). Nur kurzfristige Aufhebungen der Bewegungsfreiheit stellen dagegen keine Freiheitsentziehung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Mai 2004 - 2 BvR 715/04 -, NJW 2004, S. 3697).

27

Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 2, 3 GG ist die Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung allein dem Richter vorbehalten, wobei bei nicht vorgelagerter richterlicher Entscheidung diese unverzüglich nach Beginn der Freiheitsentziehung zu bewirken ist.

28

(2) Die Polizei hat den Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls von 19.55 Uhr bis 1.30 Uhr festgehalten und von dem Ort der Festsetzung zunächst zur Polizeiwache und dann zum Polizeipräsidium verbracht, wobei er zweimal für jeweils zumindest eine Stunde in eine Gewahrsamszelle eingesperrt und einmal circa eine Stunde lang in einem Polizeifahrzeug untergebracht wurde. Das Festhalten des Beschwerdeführers in Gewahrsamszellen auf der Polizeiwache und im Polizeipräsidium sowie die jeweilige Verbringung dahin stellen eine vollständige Aufhebung seiner Bewegungsfreiheit dar. Dabei stellt der Einschluss in Zellen den typischen Fall der hoheitlichen Freiheitsentziehung dar, den das Grundgesetz unter die besonderen Voraussetzungen des Art. 104 Abs. 2 GG stellen wollte (vgl. BVerwGE 62, 317 <318>). Anders als im Regelfall von § 81b StPO wurde der Beschwerdeführer nicht allein zur Dienststelle verbracht und im Weiteren umgehend erkennungsdienstlich behandelt, sondern über eine Dauer von mehreren Stunden allein verwahrt für eine nachfolgende erkennungsdienstliche Behandlung. Dies hat aber - umso mehr im Vergleich zu dem verfolgten Ziel, nämlich der Anfertigung von drei Fotos - eigenes Gewicht. Insbesondere ist die Gesamtdauer der Freiheitsentziehung nicht nur als kurzfristig anzusehen, denn sie umfasst jedenfalls einen Zeitraum, der nicht mehr unbedeutend ist.

29

Das Landgericht hat in dem angegriffenen Beschluss festgestellt, dass das Festhalten des Beschwerdeführers weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO dargestellt habe, sondern allein eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs. Damit hat es die Auswirkungen des Festhaltens des Beschwerdeführers in tatsächlicher und in der Folge auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verkannt und sich nicht mit den Anforderungen des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auseinandergesetzt. Bei der gebotenen Qualifikation der Maßnahme als Freiheitsentziehung hätte sich das Landgericht mit der Frage der Notwendigkeit der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung sowie den hierzu getroffenen organisatorischen Voraussetzungen sowie den Maßnahmen im Einzelfall befassen müssen.

30

c) Soweit die Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, ist die Sache zur erneuten Rechtsprüfung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

31

d) Ob die angegriffene Entscheidung zugleich gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG verstößt, kann dahinstehen.

32

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG. Der erfolglose Teil der Verfassungsbeschwerde ist von untergeordneter Bedeutung, so dass trotz teilweisen Unterliegens des Beschwerdeführers die vollständige Erstattung seiner Auslagen anzuordnen ist.

33

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter, mit der er die Feststellung begehrt, dass die am 4. Mai 2011 am Flughafen München ihm gegenüber getroffenen Maßnahmen der Bundespolizei rechtswidrig waren.

Der Kläger, der gemeinsam mit seinem Vater am 4. Mai 2011 nach Manchester fliegen wollte, wurde im Hinblick darauf einer intensiven Ausreisekontrolle unterzogen, dass er selbst als „Gewalttäter Sport“ erfasst war, dass sein Vater im Jahr 1998 wegen Landfriedensbruchs erkennungsdienstlich behandelt worden war und dass am 4. Mai 2011 in Manchester ein Champions-League-Spiel zwischen Manchester United und dem FC Schalke 04 stattfinden sollte, bei dem mit Ausschreitungen gerechnet wurde. Die im Rahmen der Kontrolle getroffenen polizeilichen Maßnahmen dienten der Entscheidung über eine mögliche Untersagung der Ausreise. Die Dauer der Kontrolle führte dazu, dass der Kläger und sein Vater ihren Flug nach Manchester nicht mehr rechtzeitig antreten konnten.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.) noch wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; II.) zuzulassen.

I.

Die Berufung ist zunächst nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Dies gilt zunächst, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Klage mangels des in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen und in diesem Zusammenhang ein auf einer Wiederholungsgefahr beruhendes Feststellungsinteresse verneint hat.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den polizeilichen Maßnahmen, auf die sich die Klage bezieht, jeweils um Verwaltungsakte handelt und deshalb die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist, wovon das Verwaltungsgericht offenbar ausgegangen ist, oder ob die betreffenden Maßnahmen sich nicht als Verwaltungsakte darstellen und daher nur eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht kommt. Denn die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erfordert ebenso wie die der Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (vgl. BVerwG, U. v. 10.2.2000 - 2 A 3.99 - juris Rn. 11; B. v. 18.7.2000 - 1 WB 34.00 - juris Rn. 2).

Dieses Feststellungsinteresse setzt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12.04 - juris Rn. 8; U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 21; U. v. 20.6.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 20). Dabei hat der Kläger die Umstände darzulegen, aus denen sich sein Feststellungsinteresse ergibt (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/137 f.; U. v. 15.11.1990 - 3 C 49.87 - juris Rn. 25). Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt der betreffenden Maßnahme, so kann ein Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BVerwG, U. v. 12.10.2006 - 4 C 12.04 - juris Rn. 8).

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr verneint. Der Kläger habe seiner Darlegungslast nicht genügt. Ohne Angaben von Einzelheiten und ohne jeden Beleg habe er lediglich pauschal behauptet, er und sein Vater hätten den Flughafen München mehrmals im Jahr für Urlaubsreisen und die Anreise zu ausländischen Fußballspielen benutzt. Aus diesen Angaben sei aber nicht erkennbar, dass in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen mit gleichartigen Maßnahmen zulasten des Klägers zu rechnen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass es sich bei sämtlichen Auslandsspielen deutscher Fußballvereine um Risikospiele handele, die zu vergleichbaren Lageerkenntnissen wie bei der Begegnung in Manchester am 4. Mai 2011 und zu aufgrund solcher Erkenntnisse über die sonst üblichen Stichproben hinausgehenden Ausreisekontrollen führten. Bei Ausreisen im Rahmen von Urlaubsreisen könne im Hinblick auf die Kontrolldichte und die besondere Zielsetzung der Kontrollen am 4. Mai 2011 ebenfalls nicht von einer hinreichend konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Da der Kläger zudem trotz der von ihm behaupteten Reisehäufigkeit bislang offenbar nicht von einer weiteren vergleichbaren Ausreisekontrolle betroffen gewesen sei, sei ungewiss, ob in Zukunft noch einmal vergleichbare tatsächliche Verhältnisse eintreten könnten.

Dagegen wendet der Kläger lediglich ein, das Verwaltungsgericht verneine die Wiederholungsgefahr zu Unrecht. Es habe nicht davon ausgehen dürfen, dass ihn über den Vortrag hinaus, er nutze den Flughafen München mehrmals im Jahr zu Flugreisen, eine gesteigerte Darlegungslast treffe. Es sei Urlaubsreisen eigen, dass sie nicht mit stringenter Regelmäßigkeit stattfänden. Soweit das Gericht den Vortrag des Klägers für zu allgemein gehalten habe, habe es den Kläger im Rahmen seiner Aufklärungspflicht darauf hinweisen und ihn zu detaillierteren Schilderungen auffordern müssen, um ihm zu ermöglichen, durch die Vorlage „alter“ Belege die regelmäßige Nutzung des Flughafens darzulegen. Da auch dies die Wiederholungsgefahr in der Zukunft nicht belegt hätte, sei es Sache des Gerichts gewesen, dem Kläger zu erläutern, wie er eine regelmäßige Nutzung des Flughafens darlegen könne. Zumindest sei die Frage durch Anhörung des Klägers aufzuklären gewesen.

Diese Ausführungen rechtfertigen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Der Kläger macht lediglich geltend, das Gericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er seiner Darlegungslast insoweit nicht genügt habe, als er die regelmäßige Nutzung des Flughafens nicht ausreichend detailliert dargestellt und belegt habe. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus jedoch unterstellt, dass der Kläger den Flughafen München immer wieder nutze, um in den Urlaub oder zu Fußballspielen im Ausland zu fliegen, und im Einzelnen begründet, warum gleichwohl in absehbarer Zeit unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen nicht mit gleichartigen Maßnahmen gegenüber dem Kläger zu rechnen sei. Mit dieser die Verneinung der Wiederholungsgefahr selbstständig tragenden Begründung hat sich der Kläger aber in seiner Zulassungsbegründung nicht auseinandergesetzt und sie daher auch nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Dies wäre aber zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils erforderlich gewesen. Denn ist dieses wie hier hinsichtlich der Frage der Wiederholungsgefahr auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, so kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn Zulassungsgründe wegen eines jeden die Entscheidung tragenden Grundes dargelegt werden und vorliegen (vgl. etwa BayVGH, B. v. 3.6.2014 - 10 ZB 12.2312 - juris Rn. 16; B. v. 9.10.2013 - 10 ZB 13.1725 - juris Rn. 8; B. v. 10.10.2013 - 10 ZB 11.607 - juris Rn. 22; B. v. 30.10.2013 - 10 ZB 11.1390 - juris Rn. 12; B. v. 6.3.2014 - 10 ZB 11.2854 - juris Rn. 27; B. v. 29.7.2014 - 10 ZB 12.2448 - juris Rn. 9; B. v.16.12.2014 - 10 ZB 14.1741 - juris Rn. 9).

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen schließlich nicht, soweit sich der Zulassungsantrag dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht ein Feststellungsinteresse auch unter dem Gesichtspunkt eines Rehabilitierungsinteresses verneint hat.

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig anzusehen ist (vgl. BVerwG, B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger durch die streitige Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigt ist (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138; B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10), weil diese geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138 f.; U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 25; U. v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 24). Dabei müssen die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigenden Wirkungen noch in der Gegenwart fortbestehen (vgl. BVerwG, U. v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134/138 f.; U. v. 19.3.1992 - 5 C 44.87 - juris Rn. 9; B. v. 4.10.2006 - 6 B 64.06 - juris Rn. 10; U. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - juris Rn. 25; U. v. 20.06.2013 - 8 C 39.12 - juris Rn. 24).

Diese Maßstäbe hat auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es führt aus, dass der Kläger durch die polizeilichen Maßnahmen nicht diskriminiert oder sonst derart in seinem Persönlichkeitsrecht berührt worden sei, dass ihm mit Hilfe der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit Genugtuung verschafft werden müsse. Das bloße Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen fortbestünden, reiche für die Annahme eines Rehabilitationsinteresses nicht aus. Ausreisekontrollen seien ein alltäglicher, Flugreisende massenhaft und ohne Ansehen der Person betreffender Vorgang, von dem bei vernünftiger Würdigung grundsätzlich keine diskriminierende, das Persönlichkeitsrecht objektiv beeinträchtigende Wirkung ausgehe. Dies gelte auch im Fall des Klägers. Die auf die Ansprache und den ersten Datenabgleich folgenden Maßnahmen der Befragung zu den Reiseabsichten, der Kontrolle der mitgeführten Gegenstände, der Oberbekleidung und der Reisedokumente sowie der weiteren telefonischen Ermittlungen seien nicht unter den Augen der Öffentlichkeit, sondern auf der Dienststelle durchgeführt worden. Sie hätten ausschließlich der Abklärung der Frage gedient, ob der Kläger zur Gruppe der Problemfans gehört und die Voraussetzungen für ein Ausreiseverbot erfüllt habe. Ohne ein Mindestmaß an Ermittlungen zum Eintrag des Klägers in der Datei „Gewalttäter Sport“ habe die Prognose, dass vom Kläger keine Gefahr für erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland ausgehe, nicht abgesichert und die Ermessensentscheidung über eine Ausreiseuntersagung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 PassG nicht fehlerfrei getroffen werden können. Der Vorwurf strafbarer Handlungen sei mit den Maßnahmen nicht verbunden gewesen. Auch die fast einstündige Dauer der Ermittlungen habe keinen diskriminierenden Charakter gehabt. Sie habe sich zwangsläufig daraus ergeben, dass sich beim Kläger und seinem Vater mehrere, teilweise unterschiedliche Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit zur Problemfanszene gefunden hätten und beide daher zu Recht zur Abklärung auf die Dienststelle mitgenommen worden seien. Soweit die Dauer der Kontrolle darauf beruhe, dass der Kläger mit seinem Vater gemeinsam gereist sei und daher die diesen betreffenden Ermittlungen habe abwarten müssen, sei dies nicht der Beklagten anzulasten. Seien die Maßnahmen damit insgesamt nicht geeignet gewesen, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen, so habe es auch nicht der Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen bedurft, um den Kläger der Öffentlichkeit gegenüber zu rehabilitieren.

a) Insoweit macht der Kläger zunächst geltend, es stelle sehr wohl eine Diskriminierung dar, wenn die Reise aufgrund der überlangen Dauer der Kontrolle nicht angetreten werden könne, weil sich in einem Flugzeug eine Vielzahl von Personen befinde, die mitbekomme, wenn ein Reisender von der Polizei zur Seite gebeten werde. Dies sei zwar möglicherweise per se nicht diskriminierend. Wenn aber die betreffende Person anschließend nicht im gebuchten Flugzeug erscheine, dränge sich dem durchschnittlichen Bürger der Verdacht auf, dass ein Krimineller gerade noch so eben aussortiert worden sei.

Diese Ausführungen stellen jedoch die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Denn es ist daraus nicht hinreichend substantiiert zu entnehmen, dass das Ansehen des Klägers durch die polizeilichen Maßnahmen in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabgesetzt worden wäre.

Es lässt sich insbesondere aus dem Vorbringen des Klägers nicht hinreichend erkennen, dass andere Passagiere seines Fluges bemerkt hätten, dass er diesen in Folge der polizeilichen Maßnahmen nicht mehr rechtzeitig erreicht hat, und dass deshalb für diese Passagiere Anlass zu Spekulationen über die Gründe bestanden hätte, aus denen die Polizei die Flugteilnahme des Klägers unterbunden hatte. Selbst wenn einzelnen Mitreisenden aufgefallen sein sollte, dass der Kläger intensiver als andere Reisende kontrolliert und - offenbar ohne großes Aufsehen - zur Dienststelle der Bundespolizei mitgenommen wurde, wäre es äußerst unwahrscheinlich, dass diese Fluggäste ohne Weiteres hätten überblicken können, ob sich der ihnen bis dahin unbekannte Kläger an Bord ihres Flugzeugs befand, und dass ihnen daher dessen Fehlen mit der Folge bewusst geworden wäre, dass das Ansehen des Klägers herabgesetzt gewesen wäre. Anders könnte es sich lediglich dann verhalten haben, wenn der Kläger nicht nur gemeinsam mit seinem Vater, sondern in einer größeren Gruppe unterwegs gewesen wäre, deren Mitgliedern sein Fehlen hätte auffallen müssen, oder wenn an dem Flug Personen teilgenommen hätten, die ihn kannten und ihn aus diesem Grund vermisst und sich deshalb Gedanken über seinen Verbleib gemacht hätten. Dies trägt der Kläger jedoch nicht vor.

War der Kläger den übrigen Passagieren aber nicht bekannt, so ist aus dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich, wie sein Ansehen durch die polizeilichen Maßnahmen herabgesetzt worden sein könnte, zumal diese offenbar, soweit sie nicht ohnehin in der Dienststelle der Bundespolizei durchgeführt wurden, kein großes Aufsehen verursacht haben und auch sonst keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andere Reisende den Grund für die Intensität der Kontrolle des Klägers hätten erkennen können.

b) Schließlich stellt der Kläger die Verneinung eines Rehabilitierungsinteresses durch das Verwaltungsgericht auch nicht insoweit mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage, als er geltend macht, die Dauer der Kontrolle habe bereits als solche diskriminierenden Charakter gehabt, weil sie trotz anderweitiger Möglichkeiten bewusst in die Länge gezogen worden sei und weil anders nicht erklärt werden könne, weshalb in Kenntnis der Abflugzeiten die Maßnahmen gegenüber dem Kläger und seinem Vater nicht parallel und damit in einem für die Flugteilnahme unschädlichen Zeitfenster durchgeführt worden seien. Denn das Verwaltungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass die durchgeführten polizeilichen Maßnahmen zur Entscheidung über die Verhängung eines Ausreiseverbots erforderlich gewesen seien und dass sich ihre Dauer zwangsläufig aus den unterschiedlichen Anhaltspunkten für die Zugehörigkeit des Klägers und seines Vaters zur Problemfanszene ergeben habe, denen habe nachgegangen werden müssen. Mit dieser Argumentation hat sich der Kläger aber durch die pauschale Behauptung, die Dauer der Polizeikontrolle sei diskriminierend, weil anders nicht erklärlich sei, weshalb in Kenntnis der Abflugzeiten die Maßnahmen nicht parallel und damit in einem für die Flugteilnahme unschädlichen Zeitfenster durchgeführt worden seien, nicht hinreichend auseinandergesetzt und sie deshalb auch nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

II.

Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

1. Dies gilt zunächst, soweit der Kläger der Sache nach geltend macht, das Verwaltungsgericht habe seine Verpflichtung nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und dabei die Beteiligten heranzuziehen.

Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, das Verwaltungsgericht habe die Wiederholungsgefahr nicht mit der Begründung verneinen dürfen, der Kläger habe seiner Darlegungslast nicht genügt, weil er ohne Angabe von Einzelheiten und ohne jeden Beleg behauptet habe, den Flughafen München mehrmals im Jahr für Urlaubsreisen oder für die Anreise zu Fußballspielen im Ausland zu nutzen. Vielmehr habe es den Kläger im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht zu detaillierteren Schilderungen auffordern und erklären müssen, wie eine regelmäßige Nutzung des Flughafens hätte dargelegt werden sollen. Insbesondere hätte es den Kläger anhören müssen, um die Frage der Nutzung aufzuklären. Mit diesen Ausführungen ist der gerügte Verfahrensmangel aber nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.

Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Dass ein solcher Beweisantrag wie hier nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist dabei nur dann erfolgreich, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zu weiterer Sachaufklärung hätte sehen müssen. Außerdem muss der Kläger darlegen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für ihn günstigen Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerwG, B. v. 16.3.2011 - 6 B 47.10 - juris Rn. 12; BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 10 ZB 10.100 - juris Rn. 22; B. v. 18.10.2013 - 10 ZB 11.618 - juris Rn. 25; B. v. 25.8.2014 - 10 ZB 12.2673 - juris Rn. 16; B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 52).

Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Denn der Kläger hat weder dargelegt, welche tatsächlichen Feststellungen das Verwaltungsgericht getroffen hätte, wenn es ihn unter Erläuterung seiner Erwartungen zu einer detaillierteren Schilderung aufgefordert und zur Aufklärung der regelmäßigen Nutzung angehört hätte, noch inwiefern dies zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung geführt hätte. Insbesondere hat er auch im Zulassungsverfahren weder Angaben dazu gemacht noch Belege dazu vorgelegt, wann der Flughafen München von ihm in der Vergangenheit für Urlaubsreisen oder für Reisen zu Fußballspielen im Ausland genutzt worden ist oder in Zukunft genutzt werden soll.

2. Ein Verfahrensmangel ist schließlich auch nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, soweit der Kläger mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte ihn anhören müssen, um die Frage der Nutzung des Flughafens München durch ihn zu klären, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG rügt.

Zwar kommt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dann in Betracht, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, B. v. 15.2.2011 - 1 BvR 980/10 - juris Rn. 13 m. w. N.). Jedoch erfordert die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, regelmäßig die substantiierte Darlegung, was der Betroffene bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. BVerwG, B. v. 19.8.1997 - 7 B 261/97 - juris Rn. 4). Dazu enthält die Begründung des Zulassungsantrags jedoch keinerlei Ausführungen. Denn der Kläger sieht den Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zwar darin, dass ihn das Verwaltungsgericht nicht angehört hat, um die Nutzung des Flughafens zu klären. Er macht aber, wie dargelegt, gerade keine Angaben dazu, wie er den Flughafen in der Vergangenheit im Einzelnen genutzt hat oder in Zukunft zu nutzen beabsichtigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.

(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Die Bundespolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit den Zwangsmitteln nach § 9 durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.

(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.

Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Vollzugsbehörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen.

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel.

(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Ein durch eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit den Zwangsmitteln nach § 9 durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.

(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel.

(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Ein durch eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(1) Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die

1.
den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder
2.
beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen.

(2) Die durch die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 begünstigten Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, der Bundespolizei für die erlangten Vorteile einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für den zu leistenden Ausgleich einen Prozentsatz festzusetzen, der 50 Prozent des Gesamtaufwandes der Bundespolizei für die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 nicht überschreiten darf. Dabei sind insbesondere die erlangten Vorteile und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verkehrsunternehmens zu berücksichtigen. Sind mehrere Verkehrsunternehmen begünstigt, ist für jedes Unternehmen nach Maßgabe des Satzes 3 gesondert ein Prozentsatz festzusetzen, die Summe dieser Prozentsätze darf 50 Prozent des Gesamtaufwandes nicht überschreiten. Die Ausgleichsbeträge werden durch die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 bestimmte Bundespolizeibehörde erhoben.

Die Bundespolizei kann zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Vollzugsbehörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen.

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel.

(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Ein durch eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(1) Die Zwangsmittel müssen, wenn sie nicht sofort angewendet werden können (§ 6 Abs. 2), schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn der sofortige Vollzug angeordnet oder den Rechtsmitteln keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.

(3) Die Androhung muß sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen. Unzulässig ist die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel und die Androhung, mit der sich die Vollzugsbehörde die Wahl zwischen mehreren Zwangsmitteln vorbehält.

(4) Soll die Handlung auf Kosten des Pflichtigen (Ersatzvornahme) ausgeführt werden, so ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen. Das Recht auf Nachforderung bleibt unberührt, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursacht.

(5) Der Betrag des Zwangsgeldes ist in bestimmter Höhe anzudrohen.

(6) Die Zwangsmittel können auch neben einer Strafe oder Geldbuße angedroht und so oft wiederholt und hierbei jeweils erhöht oder gewechselt werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Eine neue Androhung ist erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist.

(7) Die Androhung ist zuzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist.

(1) Der Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit den Zwangsmitteln nach § 9 durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist.

(2) Der Verwaltungszwang kann ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.

(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Ein durch eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme und Rückforderung von Finanzhilfen für eine Straßenbaumaßnahme der Klägerin, soweit Kosten für die Änderung von Versorgungsleitungen der Beigeladenen als zuwendungsfähig erachtet und gefördert worden sind.

2

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1996 bewilligte das zuständige Ministerium des Beklagten der Klägerin auf ihren Antrag vom 6. Oktober 1995 Zuwendungen für den Bau der verlängerten Industriestraße in Mainz-Mombach in Höhe von 75 % der zuwendungsfähigen Kosten. Die Finanzierung erfolgte als Mischfinanzierung; 45 % der förderfähigen Kosten wurden aus Finanzhilfen des Bundes nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG - und 30 % gemäß dem Landesgesetz über den Finanzausgleich in Rheinland-Pfalz - FAG - getragen. Nach dem geprüften Schlussverwendungsnachweis der Klägerin beliefen sich die zuwendungsfähigen Kosten auf 6 733 311 €. Der Beklagte hatte auch Kosten für die durch die Baumaßnahme bedingte Änderung an Versorgungseinrichtungen der Beigeladenen (Umlegung von Leitungen und Kabeln) von 16 337 € als zuwendungsfähig anerkannt und in Höhe von 75 % gefördert.

3

Die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebene Beigeladene ist 100%ige Tochter der Klägerin, die ihr u. a. die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser übertragen hat. Aufgrund eines Benutzungsvertrages vom 19. Juli 1971 und später eines am 28. November bzw. 19. Dezember 1995 unterzeichneten Konzessionsvertrages ist die Beigeladene berechtigt, für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen das Eigentum der Klägerin an den öffentlichen Verkehrsflächen zu nutzen. Die Kosten von Veränderungen an Versorgungseinrichtungen hat die Beigeladene nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Konzessionsvertrages zu tragen. Etwas anderes gilt gemäß § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages, soweit die Kosten von einem Dritten getragen werden.

4

Im Jahr 2005 beanstandete der Rechnungshof Rheinland-Pfalz die Förderung von Arbeiten an Versorgungsleitungen im Stadtgebiet der Klägerin. Hiergegen wies die Klägerin darauf hin, dass die Frage der Förderung von Folgekosten bereits in den Jahren 1977 bis 1980 auf der Grundlage des inhaltsgleichen früheren Benutzungsvertrages streitig gewesen sei. Zwischen der Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz und dem Rechnungshof sei damals Einigkeit darüber erzielt worden, dass straßenbaubedingte Leitungsverlegungen durch rechtlich selbstständige Versorgungsunternehmen als zuwendungsfähig anerkannt werden könnten, wenn das Versorgungsunternehmen voll im Eigentum der Kommune stehe.

5

Nach Anhörung der Klägerin nahm der Beklagte mit Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 18. Mai 2009 mit Wirkung zum jeweiligen Erlasszeitpunkt die Förderzusage vom 2. August 1996, den Bewilligungsbescheid von 10. Dezember 1996 sowie die Mittelbereitstellungen aus den Jahren 2002 bis 2005 hinsichtlich der Leitungsverlegungskosten zurück (Ziffer 1), forderte Zuwendungen in Höhe von 12 253 € zurück (Ziffer 2) und ordnete die Verzinsung des Rückforderungsbetrages ab dem 22. Dezember 2005 an (Ziffer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen seien zu Unrecht als zuwendungsfähig anerkannt und in die Förderung mit einbezogen worden. Hieraus resultiere eine Überzahlung in Höhe von 12 253 €. Die in den Jahren 1977 bis1980 erzielte Einigung widerspreche der Rechtslage. § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG schließe die Zuwendungsfähigkeit derartiger Kosten aus. Nach § 10 Abs. 1 des Konzessionsvertrages seien der Beigeladenen die Folgekosten grundsätzlich auferlegt worden. Die Voraussetzungen einer Ausnahme von § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages seien schon begrifflich nicht erfüllt. Aus Gründen der Gleichbehandlung könnten die zu Unrecht gewährten Zuwendungen der Klägerin auch im Einzelfall nicht belassen werden.

6

Mit Urteil vom 1. Juli 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid abgewiesen. Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig. Die Rücknahmeentscheidung verstoße trotz der zwischen den Beteiligten und dem Rechnungshof 1980 erzielten Übereinkunft zur Zuwendungsfähigkeit der Aufwendungen kommunaler Eigengesellschaften nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Auch die übrigen Ermessenserwägungen des Beklagten seien nicht zu beanstanden.

7

Mit Urteil vom 11. Februar 2011 hat das Oberverwaltungsgericht Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides aufgehoben, die Berufung der Klägerin im Übrigen aber zurückgewiesen. Rechtsgrundlage sei § 48 Abs. 1 VwVfG. Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG i.V.m. den einschlägigen Verwaltungsvorschriften seien nur solche Kosten zuwendungsfähig, die bei einem anderen als dem Träger des Vorhabens anfielen. Die Beigeladene sei eine Andere im Sinne dieses Gesetzes, weil sie eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweise. Die Folgekosten fielen nicht bei der Kommune als Trägerin der Straßenbaulast an, sondern bei der Beigeladenen. Sie hätten keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt. Die Beigeladene sei nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Konzessionsvertrages verpflichtet, die Kosten für die Verlegung von Versorgungsleitungen zu tragen. Hieran ändere auch § 10 Abs. 3 Satz 1 des Konzessionsvertrages nichts. Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung der getroffenen Regelung widerspreche dem Gesetzeszweck und bewirke eine Umgehung des Gesetzes. Die Klägerin könne sich weder auf Vertrauensschutz noch auf den Ablauf der Jahresfrist berufen. Als Selbstverwaltungskörperschaft übe sie mittelbare Staatsgewalt aus und sei an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Deshalb könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass sich die Beteiligten und der Rechnungshof seit den 1970er Jahren bis November 2006 über die Zuwendungsfähigkeit von Folgekosten einer kommunalen Eigengesellschaft einig gewesen seien. Die Rückforderung nach Ziffer 2 des Bescheides vom 18. Mai 2009 finde ihre Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 1 VwVfG. Zu beanstanden sei aber die angeordnete Verzinsung des Rückforderungsbetrages. Der Beklagte habe die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht angemessen gewichtet. Angesichts der mit dem Rechnungshof abgestimmten praktischen Handhabung der Förderung über mehr als 25 Jahre habe die Klägerin die Umstände, die zur Rücknahme geführt hätten, nicht zu vertreten.

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 48 VwVfG. Die nötigen Änderungen an den Versorgungsleitungen der Beigeladenen seien zuwendungsfähig. Die Beigeladene sei weder eine "andere" im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG noch sei sie zur Tragung der Folgekosten verpflichtet. Von ihrer grundsätzlichen Kostentragungspflicht nach § 10 Abs. 1 des Konzessionsvertrages mache § 10 Abs. 3 des Konzessionsvertrages eine Ausnahme, soweit die Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden. Der Beklagte sei nach dieser Regelung Dritter.

9

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts Mainz vom 1. Juli 2010 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 18. Mai 2009 insgesamt aufzuheben.

10

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und begehrt im Wege der Anschlussrevision die Abweisung der Klage auch bezüglich der Zinsforderung.

Er beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen sowie

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Februar 2011 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 1. Juli 2010 insgesamt zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussrevision des Beklagten zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

12

Die Beigeladene und der Vertreter des Bundesinteresses stellen keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

14

Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung zulässig ist. Der ihm elektronisch übermittelte Berufungsbegründungsschriftsatz vom 28. September 2010 wahrt mangels qualifizierter elektronischer Signatur zwar nicht die Berufungsbegründungsfrist. Der Klägerin war jedoch gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (1.). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Rücknahme der Förderzusage vom 2. August 1996 und des Bewilligungsbescheides vom 10. Dezember 1996 sowie der hierauf beruhenden Mittelbereitstellungen sei gerechtfertigt, weil diese das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und das Landesfinanzausgleichsgesetz verletzten, verstößt jedoch gegen Bundesrecht. Da das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nur das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern regelt, kommt es nicht als Rechtsgrundlage für die Bewilligung einer Subvention und damit nicht als Prüfungsmaßstab für die Gewährung von Fördermitteln an den Zuwendungsempfänger in Betracht (2.). Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (3.).

15

1. a) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen für das Berufungsverfahren gegeben waren. Das Oberverwaltungsgericht hat übersehen, dass die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 28. September 2010 nicht der Schriftform entspricht und eine formgerechte Begründung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. Oktober 2012 nachgeholt worden ist.

16

Gemäß § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Berufung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Als bestimmender Schriftsatz muss die Begründung der Schriftform genügen (vgl. § 125 Abs. 1, §§ 81, 82 VwGO). Eine elektronische Berufungsbegründung verlangt damit die Übersendung eines qualifiziert elektronisch signierten Dokuments nach § 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl Nr. 2 S. 33). Nach der gerichtsinternen Eingangsmitteilung des Oberverwaltungsgerichts zur Berufungsbegründung der Klägerin (vgl. Gerichtsakte II, Bl. 279) war die elektronisch übermittelte Datei nicht signiert.

17

Vom Formerfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur kann auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden, selbst wenn sich aus einer E-mail oder begleitenden Umständen die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (zur Nichtübertragbarkeit der Computerfax-Rechtsprechung: OVG Koblenz, Beschluss vom 21. April 2006 - 10 A 11741/05 - AS RP-SL 33, 182; BFH, Beschluss vom 26. Juli 2011 - VII R 30/10 - BFHE 234, 118 <123 ff.>; BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - VII ZB 112/08 - BGHZ 184, 75 <82 f.> und vom 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08 - NJW-RR 2009, 357 <358>; für das Verwaltungsverfahren: BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2011 - BVerwG 7 B 79.10 - juris). Elektronische Dokumente zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur mittels Datenverarbeitung erstellt werden und auf einem Datenträger gespeichert werden können, sondern ausschließlich in elektronischer Form von einem Computer zum anderen über das Internet übertragen werden (vgl. Geiger, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 55a Rn. 4; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. I, Stand September 2011, § 55a Rn. 21). Während die prozessuale Schriftform allein die Urheberschaft eines Dokuments gewährleisten soll, dienen die hohen Anforderungen an die Signatur elektronischer Dokumente zusätzlich dem Schutz vor nachträglichen Änderungen, also ihrer Integrität (BTDrucks 15/4067 S. 8 f., S. 37; Beschluss vom 30. März 2006 - BVerwG 8 B 8.06 - Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 18; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 55a Rn. 10). Abstriche von den dafür normierten Sicherheitsanforderungen können nicht zugelassen werden.

18

b) Der Klägerin war jedoch nach § 60 Abs. 1 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar trägt auch bei der elektronischen Signatur der Absender das Risiko des form- und fristgerechten Zugangs; allerdings verpflichtet § 55a Abs. 2 Satz 3 VwGO das Gericht zu einer unverzüglichen Mitteilung, wenn das übermittelte Dokument nicht den Anforderungen genügt. Das gilt auch hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur und nicht nur bezüglich technischer Erfordernisse der Übersendung, etwa bei Übermittlung einer Datei in einem nicht zugelassenen Format (zur vergleichbaren Vorschrift des § 52a Abs. 2 Satz 3 FGO: BFH, Beschluss vom 26. Juli 2011 a.a.O. <125>). Da die Klägerin den Berufungsbegründungsschriftsatz am 28. September 2010 übermittelt hatte und dieser bereits am darauf folgenden Tag vom Berufungsgericht sachlich behandelt worden war, hätte eine zeitnahe Information der Klägerin ermöglicht, dem Berufungsgericht innerhalb der noch offenen Frist den Begründungsschriftsatz mit der erforderlichen elektronischen Signatur zukommen zu lassen. Ohne die Verletzung der gerichtlichen Mitteilungspflicht hätte ihr Übermittlungsfehler nicht zur Fristversäumnis geführt. Deshalb ist eine Wiedereinsetzung aus Gründen der Fürsorge geboten (BTDrucks 15/4067 S. 37; OVG Koblenz, Urteil vom 8. März 2007 - 7 A 11548/06 - AS RP-SL 34, 231 <232>).

19

Die Wiedereinsetzung kann auch im Revisionsverfahren rückwirkend gewährt werden. Dem Revisionsgericht obliegt nicht nur die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen, es ist insofern auch entscheidungsbefugt (Bier, in: Schoch/Schmidt/Aßmann a.a.O. § 60 Rn. 71; BGH, Urteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - NJW 1982, 1873). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift wiederholt und bestätigt und damit die versäumte Rechtshandlung nachgeholt.

20

Die Gewährung der Wiedereinsetzung scheitert nicht an der Jahresfrist des § 60 Abs. 3 VwGO. Die Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO findet keine Anwendung in Fällen höherer Gewalt. Dem steht es gleich, wenn die Ursache des verspäteten Antrags in der Sphäre des Gerichts liegt (BVerwG, Beschluss vom 2. April 1992 - BVerwG 5 B 50.92 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 177; Kopp/Schenke a.a.O. § 60 Rn. 28).

21

2. Revisionsrechtlich fehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Bewilligungsbescheid vom 10. Dezember 1996, die vorausgegangene Förderzusage und die nachfolgenden Mittelbereitstellungen seien rechtswidrig und könnten deshalb gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Förderung der Kosten aus der Verlegung der Leitungen der Beigeladenen mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz unvereinbar sei.

22

Das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG) in der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (BGBl I S. 100), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 5. April 2011 (BGBl I S. 554), regelt nur das rechtliche Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Insofern bestimmt es die Voraussetzungen, unter denen ein Land Bundesmittel zur Förderung einer kommunalen Investition erhält und einsetzen darf. Das Gesetz regelt aber nicht das rechtliche Verhältnis eines Landes zu seinen Kommunen. Namentlich begründet es keine Ansprüche der Gemeinden auf Finanzhilfen oder auf ermessensfehlerfreie Bescheidung von Förderanträgen, und zwar auch nicht soweit es um vom Land weitergeleitete Finanzmittel des Bundes geht. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 1 GVFG, wonach der Bund den Ländern Finanzhilfen gewährt, und aus dem Fehlen von Vorschriften über den Vollzug des Gesetzes durch die Länder gegenüber den Kommunen. Auch mit § 2 GVFG wollte der Gesetzgeber nur die Arten der förderfähigen Maßnahmen bestimmen, aber keinen Anspruch der Gemeinden auf Zuwendungen für derartige Maßnahmen begründen (BTDrucks VI/1117 S. 7, 8). Damit respektiert das Gesetz die kompetenzrechtlichen Grenzen, die sich aus seiner verfassungsrechtlichen Grundlage in Art. 104a Abs. 4 GG a.F. ergeben. Danach kann der Bund den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen auch der Gemeinden und Gemeindeverbände gewähren. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Gerade das Letztere zeigt, dass allein an eine "nähere" Regelung im Verhältnis des Bundes zu den Ländern gedacht ist. Eine darüber hinausgehende Einflussnahme auf die Aufgabenerfüllung durch die Länder lässt Art. 104a Abs. 4 GG nicht zu (BVerfG, Urteil vom 4. März 1975 - 2 BvF 1/72 - BVerfGE 39, 96 <107 ff., 111>; Beschluss vom 10. Februar 1976 - 2 BvG 1/74 - BVerfGE 41, 291 <311>).

23

Dementsprechend ist der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 10. Dezember 1996 nicht unmittelbar auf das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gestützt, sondern auf einen Ansatz im Haushaltsgesetz des Landes (Kapitel 0811, Titel 88303) sowie auf "Bewilligungsbedingungen", die ihrerseits auf die einschlägigen Förderrichtlinien des Landes Bezug nehmen, namentlich auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr über die Förderung der Verkehrswege, Verkehrsanlagen und sonstigen verkehrswirtschaftlichen Investitionen kommunaler und privater Bauträger (VV-GVFG/FAG) vom 12. Oktober 1992 (GMinBl 1992 S. 454). Dabei handelt es sich jeweils um irrevisible Regelungen. Soweit sie auf das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz des Bundes oder das Finanzausgleichsgesetz des Landes verweisen, bewirkt dies nicht, dass diese Gesetze unmittelbare Rechtsgrundlage der Förderung kommunaler Investitionen durch das Land werden. Dadurch werden lediglich die Maßstäbe, die das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für die Förderung aufstellt, nach ihrem Inhalt in das Richtlinienrecht übernommen und zugleich auf die Förderung aus eigenen Mitteln des Landes nach dem Finanzausgleichsgesetz des Landes erstreckt. Die Rechtsnatur des Richtlinienrechts ändert sich nicht.

24

3. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar trifft seine Auffassung zu, dass die Kosten für die Verlegung der Leitungen der Beigeladenen nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG nicht förderfähig waren. Die Förderung war daher richtlinienwidrig (a). Sie war jedoch gleichwohl nicht rechtswidrig (b).

25

a) Die Förderung der Kosten der Leitungsverlegung widersprach den erwähnten Förderrichtlinien.

26

Das Vorhaben selbst - der Ausbau der Industriestraße in Mainz-Mombach - war allerdings nach Nummer 2.1 VV-GVFG/FAG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVFG förderungsfähig. Die Förderungsfähigkeit umfasst nach Nummer 6.1 VV-GVFG/FAG sämtliche Kosten des Vorhabens. Gemäß Nummer 6.4.2 VV-GVFG/FAG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinien über den Wertausgleich für Ver- und Entsorgungsanlagen im Zusammenhang mit Vorhaben nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Wertausgleichsrichtlinien - RL-Wertausgleich) vom 6. Mai 1975 (VerkBl S. 332) gehören auch die Aufwendungen, die bei der Durchführung des Vorhabens durch eine notwendige Verlegung oder sonstige Veränderung von Anlagen anfallen (sog. Folgekosten), zu den zuwendungsfähigen Kosten.

27

Nach Nummer 6.3.1 VV-GVFG/FAG nicht zuwendungsfähig sind jedoch Kosten, die "ein anderer als der Träger des Vorhabens" zu tragen verpflichtet ist. Mit dieser Formulierung schließt sich die Verwaltungsvorschrift an § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG an. Der Verweis in Nummer 6.4.2 VV-GVFG/FAG auf § 3 Abs. 1 und 2 RL-Wertausgleich stellt klar, dass dies auch für Folgekosten gilt. Die Kosten aus der infolge des Straßenbauvorhabens notwendigen Verlegung oder Veränderung einer Versorgungsleitung, deren Träger nicht der Vorhabenträger selbst ist, zählen hiernach nicht zu den förderfähigen Kosten, wenn und soweit den Träger der Anlage eine Folgepflicht trifft und wenn er die Kosten der Verlegung oder Veränderung der Anlage zu tragen hat. Eine derartige Folgekostenpflicht kann sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 RL-Wertausgleich aus Gesetz, Vertrag oder Verkehrssitte ergeben.

28

Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, auch eine kommunale Eigengesellschaft sei gegenüber ihrer Muttergemeinde "ein anderer" im Sinne dieser Regelung. Diese Auslegung der Nr. 6.3.1 VV-GVFG/FAG steht im Einklang mit § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG. Dessen Entstehungsgeschichte zeigt, dass der Gesetzgeber die eigene Rechtspersönlichkeit als maßgebliches Kriterium angesehen hat (wie hier BGH, Urteil vom 16. September 1993 - III ZR 136/91 - BGHZ 123, 256 <260>). Auch der Regelungszweck spricht gegen eine wirtschaftliche Betrachtung, die kommunale Eigengesellschaften nicht von der sie tragenden Kommune unterscheidet. Die Zuwendungsfähigkeit soll nach dem Willen des Gesetzgebers - nur - dann nicht entfallen, wenn die Folgekosten bei der Gebietskörperschaft als Vorhabenträger selbst entstanden sind (BTDrucks VI/1117 S. 9 f.). Maßgeblich ist danach eine unmittelbare Haushaltsbelastung des Vorhabenträgers durch die Folgekostenpflicht, nicht seine eventuelle mittelbare Belastung durch den Finanzierungsbedarf einer kommunalen Eigengesellschaft.

29

Die Folge- und die Folgekostenpflicht für die Leitungsverlegung trifft hier die Beigeladene. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 1 ihres Konzessionsvertrages mit der Klägerin. Daran ändert auch § 10 Abs. 3 des Vertrages nichts, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat. Hiernach gilt die Regelung des Absatzes 1 nicht bei Maßnahmen, deren Kosten ganz oder teilweise von einem Dritten getragen werden; die Verpflichtung der Beigeladenen beschränkt sich in diesen Fällen auf den Teil der Kosten, der nicht von Dritten erstattet wird. Diese Klausel regelt keine Ausnahme von der Übertragung der Folgekostenpflicht auf die Beigeladene nach Absatz 1, unterstreicht sie im Gegenteil nur. Zuwendungen Dritter sollen hiernach die Beigeladene und nicht die Klägerin entlasten; ohne die Zuwendung soll aber die Folgekostenpflicht der Beigeladenen unberührt bleiben. Dass die Klägerin die Beigeladene von ihrer Verpflichtung aus Absatz 1 befreit und die Folgekosten selbst übernimmt, ergibt sich daraus gerade nicht.

30

b) Aus der Unvereinbarkeit der Förderung mit den Förderrichtlinien des beklagten Landes folgt jedoch nicht, dass sie auch rechtswidrig war. Die Abweichung von den Förderrichtlinien führt nur dann zur Rechtswidrigkeit des Förderbescheides, wenn darin zugleich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt. Das ist nicht der Fall.

31

Die Förderrichtlinien sind keine Rechtssätze. Sie sind dazu bestimmt, für die Verteilung der Fördermittel Maßstäbe zu setzen, und suchen auf diese Weise die Ausübung des Ermessens durch die Bewilligungsbehörden zu steuern. Deshalb bewirken sie zunächst nur eine interne rechtliche Bindung des Verwaltungsermessens (stRspr, BVerwG, vgl. Urteile vom 26. April 1979 - BVerwG 3 C 111.79 - BVerwGE 58, 45 <49> = Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 4 und vom 8. April 1997 - BVerwG 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220 <222> = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 102; Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2010, § 114 Rn. 28 m.w.N.). Der bloße Verstoß gegen eine derartige Verwaltungsvorschrift macht eine Ermessensausübung daher nicht rechtswidrig (Urteil vom 23. April 2003 - BVerwG 3 C 25.02 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 104), die bloße Beachtung nicht rechtmäßig (vgl. Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 3 C 35.07 - BVerwGE 132, 64 Rn. 17 = Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 16).

32

In ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger ist die Bewilligungsbehörde - abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns - nur durch den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 8 C 48.88 - BVerwGE 85, 163 <167> m.w.N. = Buchholz 454.32 § 25 WoBindG Nr. 13). Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis.

33

Im vorliegenden Fall lag in der Einbeziehung der streitigen Folgekosten in die Bewilligung von Fördermitteln keine gleichheitswidrige Begünstigung der Klägerin. Vielmehr entsprach es jahrelanger Verwaltungspraxis des Beklagten, auch die Folgekosten der Beigeladenen als zuwendungsfähig anzuerkennen. Hierzu hat der Beklagte seine Förderrichtlinien generell dahin ausgelegt und gehandhabt, dass Versorgungsunternehmen wie die Beigeladene, deren Anteile zu 100 % von einer Gemeinde gehalten werden, dieser gegenüber nicht als "andere" im Sinne der Richtlinien und des § 4 Abs. 3 Nr. 1 GVFG gelten sollten. Diese Verwaltungspraxis hatte das zuständige Ministerium des Beklagten in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof 1980 begründet und nahezu 25 Jahre lang beibehalten. Dass hiervon nur die Klägerin begünstigt wurde, findet seinen Grund darin, dass im Land Rheinland-Pfalz nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten allein die Klägerin die Versorgung ihrer Einwohner mit Strom, Gas und Wasser einer Eigengesellschaft übertragen hat; wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet hat, wären auch andere Gemeinden bei gleicher Sachlage in den Genuss dieser Verwaltungspraxis gekommen. Erst 2005 hat der Rechnungshof auf eine Änderung dieser Praxis hingewirkt.

34

Die konsequent praktizierte, generelle Abweichung von den Förderrichtlinien erscheint auch nicht als willkürlich. Der Beklagte konnte die Förderung von Folgekosten kommunaler Eigengesellschaften mit deren wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Muttergemeinde begründen. Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass die Anwendung der Regeln über den Wertausgleich zu einer Anrechnung von Wertzuwächsen aus einer Leitungsverlegung führt, wenn der Träger der Anlage zugleich Träger des Vorhabens ist oder eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, aber nicht folgekostenpflichtig ist (vgl. § 2 Abs. 4 RL-Wertausgleich), was die Begünstigung der Gemeinde reduziert.

35

Die zulässige Anschlussrevision (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 121 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 4 VwGO) erweist sich als unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Zinsforderung in dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Das ergibt sich schon daraus, dass die Hauptforderung nicht besteht.

Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Vollzugsbehörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen.

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde und Dienstfahrzeuge.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel.

(1) Die Vollzugsbeamten haben bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Ein durch eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges zu erwartender Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

(1) Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt.

(2) Gefahr im Sinne dieses Abschnitts ist eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 obliegen. Eine erhebliche Gefahr im Sinne dieses Abschnitts ist eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder andere strafrechtlich geschützte Güter von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit.

(3) Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Bundespolizei durch andere Rechtsvorschriften des Bundes zugewiesen sind, hat sie die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse nicht oder nicht abschließend regeln, hat die Bundespolizei die Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen. Satz 2 gilt auch für die Befugnisse der Bundespolizei im Rahmen der Aufgaben zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs nach § 4, soweit § 5 des Luftsicherheitsgesetzes keine Regelungen enthält.

(1) Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die

1.
den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder
2.
beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen.

(2) Die durch die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 begünstigten Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, der Bundespolizei für die erlangten Vorteile einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für den zu leistenden Ausgleich einen Prozentsatz festzusetzen, der 50 Prozent des Gesamtaufwandes der Bundespolizei für die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 nicht überschreiten darf. Dabei sind insbesondere die erlangten Vorteile und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verkehrsunternehmens zu berücksichtigen. Sind mehrere Verkehrsunternehmen begünstigt, ist für jedes Unternehmen nach Maßgabe des Satzes 3 gesondert ein Prozentsatz festzusetzen, die Summe dieser Prozentsätze darf 50 Prozent des Gesamtaufwandes nicht überschreiten. Die Ausgleichsbeträge werden durch die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 bestimmte Bundespolizeibehörde erhoben.

(1) Die Bundespolizei kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach den §§ 1 bis 7 die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren, soweit nicht dieses Gesetz die Befugnisse der Bundespolizei besonders regelt.

(2) Gefahr im Sinne dieses Abschnitts ist eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Bereich der Aufgaben, die der Bundespolizei nach den §§ 1 bis 7 obliegen. Eine erhebliche Gefahr im Sinne dieses Abschnitts ist eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder andere strafrechtlich geschützte Güter von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit.

(3) Zur Erfüllung der Aufgaben, die der Bundespolizei durch andere Rechtsvorschriften des Bundes zugewiesen sind, hat sie die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse nicht oder nicht abschließend regeln, hat die Bundespolizei die Befugnisse, die ihr nach diesem Gesetz zustehen. Satz 2 gilt auch für die Befugnisse der Bundespolizei im Rahmen der Aufgaben zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs nach § 4, soweit § 5 des Luftsicherheitsgesetzes keine Regelungen enthält.

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 28 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes handelt, wer vorsätzlich

1.
(weggefallen)
2.
an einer nicht dazu bestimmten Seite eines Fahrzeugs oder an einer nicht dazu bestimmten Stelle einsteigt oder aussteigt,
3.
einsteigt oder aussteigt, ein Trittbrett betritt oder sich ohne ausdrückliche Gestattung auf einer Plattform aufhält, solange sich das Fahrzeug bewegt,
4.
eine Bahnanlage, eine Betriebseinrichtung oder ein Fahrzeug verunreinigt oder
5.
bei einem außerplanmäßigen Halt ohne Zustimmung des Zugpersonals aussteigt oder Weisungen des Zugpersonals für das weitere Verhalten nicht Folge leistet.

(2) Ordnungswidrig im Sinne des § 28 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes handelt auch, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.
ohne amtliche Befugnis eine Bahnanlage oder ein Fahrzeug insoweit betritt oder benutzt, als sie nicht dem allgemeinen Verkehrsgebrauch dient oder als kein besonderes Nutzungsverhältnis dazu berechtigt,
2.
sich innerhalb der Gleise aufhält, ohne daß dies zur Erfüllung amtlicher Aufgaben erforderlich oder im Rahmen eines Nutzungsverhältnisses zugelassen ist,
3.
eine Außentür öffnet, solange sich das Fahrzeug bewegt,
4.
eine Sache aus dem Wagen wirft, die geeignet ist, einen anderen zu verletzen oder eine Sache zu beschädigen,
5.
eine Schranke oder eine sonstige Sicherungseinrichtung unerlaubt öffnet, ein Fahrthindernis bereitet oder eine andere betriebsstörende oder betriebsgefährdende Handlung vornimmt oder
6.
den Bahnübergang eines Privatwegs mit öffentlichem Verkehr anlegt und dem öffentlichen Verkehr überläßt, ohne dies mit dem Bahnunternehmer vereinbart oder ihm obliegende Sicherungsmaßnahmen durchgeführt zu haben.

(3) Die Zuständigkeit für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach den Absätzen 1 und 2 wird im Bereich der Eisenbahnen des Bundes auf die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 des Bundespolizeigesetzes bestimmte Bundespolizeibehörde übertragen.

(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

(3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, daß er nicht erreicht werden kann.

(1) Die Bundespolizei trifft ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.

(2) Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.

(1) Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.

(2) Ist die Person noch nicht vierzehn Jahre alt, so können die Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die zur Aufsicht über sie verpflichtet ist. Ist für die Person ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen auch gegen den Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs gerichtet werden.

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Gefahr in Ausführung der Verrichtung, so können Maßnahmen auch gegen die Person gerichtet werden, die andere zu der Verrichtung bestellt hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.