Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 28. Dez. 2017 - AN 13a DS 17.01351

bei uns veröffentlicht am28.12.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der am … 1971 geborene Antragsteller steht als Polizeiobermeister im Dienste der Antragsgegnerin. Er war bis zu dem mit Bescheid der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei vom 31. Januar 2017 ausgesprochenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bei der Bundespolizeiabteilung in … tätig.

Der Antragsteller beantragte am 5. Dezember 2013 beim Landratsamt … die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Im Antragsformular gab er unter der Rubrik „Angaben zu meiner Person (Antragsteller/in)“ als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat jeweils „Königreich Bayern“ an. Unter Ziffer 4 „Angaben zu meinen anderen Staatsangehörigkeiten“ gab der Antragsteller an, er habe durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG 1913 seit der Geburt die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern.

Am 24. Januar 2017 wurde der Antragsteller im Zusammenhang mit einem am selben Tag in der Gaststätte … in … stattfindenden Treffen von Personen, die der Reichsbürgerbewegung zugeordnet werden, einer Personenkontrolle unterzogen, bei welchem er sich mit seinem Dienstausweis auswies. Nach den im Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen gab der Antragsteller an, auf dem Weg zum „Griechen“ zum Treffen einer Gruppe von Leuten aus der Gegend zu sein. Diese Veranstaltung sei auch für Einsatzkräfte sehr interessant. Dadurch würden sich ganz neue Dimensionen eröffnen.

Nach dem Besuch der Gaststätte kehrte der Antragsteller an die Kontrollstelle zurück um mit den eingesetzten Beamten über ein Verwarnungsgeld zu sprechen, das gegenüber einem Teilnehmer an dem Treffen in der Gaststätte … verhängt worden war.

Ausweislich der schriftlichen Stellungnahme des an der Kontrollstelle eingesetzten Polizeihauptkommissars …, Polizeiinspektion …, vom 26. Januar 2017 äußerte der Antragsteller bei einem anschließenden Gespräch unter vier Augen u.a. sinngemäß, dass bei dem Vorfall in …, bei welchem angeblich ein Reichsbürger einen Polizeibeamten erschossen habe, dieser tatsächlich nicht getötet worden sei. Dies sei alles nur vorgetäuscht worden, um die Reichsbürgerbewegung in ein falsches Licht zu rücken. Anschließend habe der Antragsteller begonnen auszuführen, dass die Gesetze und Befugnisse von der Besatzungsmacht eingeführt worden und nicht gültig seien. Daraufhin habe er das Gespräch mit dem Antragsteller höflich aber bestimmt beendet.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2017 verbot der Präsident der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 BBG. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass der Antragsteller Angehöriger der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ sei.

Der Antragsteller legte gegen den genannten Bescheid mit Schreiben vom 21. Februar 2017 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage bisher nicht entschieden worden ist.

Zur Begründung führte er aus, er habe wegen des verhängten Verwarnungsgeldes lediglich einem Mitmenschen helfen wollen. Bei einem privaten Gespräch mit dem Leiter der Kontrollstelle unter vier Augen habe er zu dem genannten Vorfall in … lediglich die Frage gestellt, ob es sich hier um eine Verschwörungstheorie handele. Eine Feststellung habe er nicht getroffen.

Er habe auch nicht an einem „Reichsbürgertreffen“ teilgenommen.

Die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises sei im Grundgesetz und in der Landesverfassung Voraussetzung, um im Polizeidienst arbeiten zu können. Es sei eine gesetzliche Vorgabe, dies zu erfüllen, und bestätige nur die Existenz eines Staatsbürgers.

Dass er an der Kontrollstelle christliche Flyer an Kollegen verteilt habe, sei Ausdruck seiner christlichen Nächstenliebe. Er bete für alle, die ihm in dieser Situation unrecht täten.

Mit Verfügung vom 2. März 2017 leitete die Bundespolizeiabteilung …, 1. Polizeihauptkommissar …, gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren gemäß § 17 Abs. 1 BDG ein.

Auf Grund der Teilnahme bzw. des Antreffens des Antragstellers bei einer Veranstaltung der „Reichsbürger“ in Verbindung mit der gegenüber dem kontrollierenden Beamten der Bayerischen Polizei geäußerten Bemerkung, unsere Gesetze und Befugnisse seien nicht gültig, dem Äußern von Begrifflichkeiten wie „Verschwörungstheorien“, aber auch wegen des Besitzes eines amtlichen Staatsangehörigkeitsnachweises bestünde der offenkundige Verdacht, dass der Antragsteller der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zumindest nahestehe, bzw. deren Gedankengut teile und öffentlich äußere. Somit begründe das vom Antragsteller gezeigte Verhalten den Verdacht, dass er gegen die sich aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG ergebende Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen habe.

Auch bestehe ein zusätzlicher Verdacht, dass der Antragsteller bewusst seine Eigenschaft als Bundespolizeibeamter gegenüber dem kontrollierenden Polizeibeamten habe nutzen wollen, einmal um unkontrolliert, somit konspirativ, an einem Treffen der sogenannten „Reichsbürger“ teilnehmen zu können, aber auch sein Amt zum Vorteil eines Dritten eingesetzt habe, um hier eine bestehende Verwarnung in Höhe von 10,00 EUR für den Dritten doch noch abzuwenden.

Auf Grund des gezeigten Verhaltens bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller gegen die sich aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG ergebende Pflicht, hier zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (Wohlverhaltenspflicht) innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen haben könnte.

Der Antragsteller wurde gemäß § 20 BDG belehrt und ihm gemäß § 20 Abs. 2 BDG eine Frist von einem Monat ab Zustellung des Schreibens für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung gesetzt.

Herr POK … von der Bundespolizeiabteilung … wurde als Ermittlungsführer mit der Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens beauftragt.

Der Antragsteller äußerte sich mit Schreiben vom 18. März 2017. Er habe sich am 24. Januar 2017 auf dem Weg in die Gaststätte befunden, um dort griechisch essen zu gehen. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle habe er seinen Dienstausweis vorgezeigt. Den Vorwurf, er habe dadurch unkontrolliert durchfahren wollen, weise er auf das Schärfste zurück. Auch andere Kollegen würden bei entsprechenden Kontrollen ihren Dienstausweis vorzeigen. Dies sei auch rechtlich zulässig.

Er habe auch nicht an einem „Reichsbürger-/Selbstverwaltertreffen“ teilgenommen. Er sei von einer Peron in der Gaststätte angesprochen worden, dass diese eine Strafanzeige erhalten werde. Auf Grund seiner christlichen Gesinnung habe er dann geholfen.

Er widerspreche auch der Behauptung, eine Verschwörungstheorie aufgestellt zu haben. Er habe vielmehr die Frage nach einer Verschwörungstheorie gestellt. Ebenso habe er nicht erklärt, dass die Reichsbürgerbewegung in ein falsches Licht gerückt werden solle. Er habe mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass die sogenannten „Reichsbürger“ eine private Angelegenheit eines Hobbyisten seien.

Die Staatsangehörigkeitsurkunde besitze er, weil er das Grundgesetz, die Landesverfassung und die Gemeindeordnung kenne.

Da es sich bei der „Reichsbürgerbewegung“ um die Phantasiebewegung eines Hobbyisten handele, könne diese die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht in Frage stellen.

Die „Reichsbürger“, die es früher einmal während des Nationalsozialismus gegeben habe, schienen heute bei diesen hier genannten Vorwürfen als Verwechslung mit Rechtsradikalen gleichgesetzt zu werden. Dem widerspreche er hiermit schärfstens, denn er gehöre, falls es eine solche Organisation geben sollte, dieser nicht an.

Er beachte selbstverständlich die Gesetze und habe nicht gegen den Grundsatz der Verfassungstreue verstoßen.

Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 23. März 2017 ordnete die Kammer mit Beschluss vom 11. April 2017 - AN 13 aDA 17.00571 die Durchsuchung der im Allein- oder Mitgewahrsam des Antragstellers befindlichen Wohnräume einschließlich sämtlicher Nebenräume in der … …, …, nach folgenden Gegenständen, die auf eine Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ schließen lassen können, an:

Schriftverkehr, schriftliche sowie auf Datenträger gespeicherte Unterlagen sowie Computer aller Art mit zugehörigen internen und externen Datenträgern, Fahnen und anderen Symbolen.

Des Weiteren wurde die Öffnung der in den durchsuchten Objekten befindlichen Behältnisse und die Beschlagnahme bei der Durchführung aufgefundener Beweismittel, soweit sie nicht freiwillig herausgegeben werden, angeordnet.

Die Durchsuchung des Anwesens des Antragstellers erfolgte am 4. Mai 2017.

Ausweislich des Durchsuchungsberichts der Polizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung, Flughafen …, vom 17. Mai 2017 wurde der Kläger am 4. Mai 2017 gegen 9:00 Uhr alleine in seinem Anwesen angetroffen. Der Antragsteller habe angegeben, dass die Wohnung zeitweise noch durch seine Lebensgefährtin … … und seinen leiblichen Sohn genutzt werde. Im Flur seien Datenträger (CD-R und DVD) aufgefunden und sichergestellt worden. Diese enthielten u.a. die Aufschrift „Staatsangehörigkeit verstehen“ und „Ausfüllhilfe RuStAG“.

Im Büro sei ein PC-Tower der Marke Asus vorgefunden worden, der nach Aussage des Antragstellers durch seine Lebensgefährtin und ihm gemeinsam genutzt werde. Im Wohnzimmer sei ein MacBook der Marke Apple aufgefunden worden, welches der Antragsteller nutze. Beide Geräte seien sichergestellt worden.

Im gesamten Haushalt verteilt, so auch im VW-Bus des Antragstellers, hätten sich unterschiedliche Flyer oder Abrisskarten, die zumindest von dem Gesamtkontext der Verwaltungsermittlungen von Bedeutung sein könnten, befunden. Dabei habe es sich im Wesentlichen um Werbeflyer für die Publikation „Wenn das die Deutschen wüssten …“ von Daniel Prinz (2014, Herausgeber Jan van Helsing) gehandelt.

Zu dem genannten Werk könne Amazon.de entnommen werden, dass die deutsche Staatangehörigkeit bei bloßem Vorliegen eines Bundespersonalausweises oder Reisepasses in Frage gestellt werde. Die „BRD“ werde als durch die Alliierten installierte Verwaltung mit Firmenstruktur dargestellt, die Bundesrepublik Deutschland als souveräner Stadt negiert.

Ebenfalls in hoher Zahl seien offenbar in Eigenregie gedruckte Abrisskärtchen für das griechische Restaurant … aufgefunden worden. Auf diesen Streukärtchen werde für wöchentliche Treffen des Vereins „… …e.V.“ in dieser Gastronomie geworben.

Vereinzelt seien farbige Infoflyer des „…e.V.“ aufgefunden worden. Dieser Verein werbe um Interesse für Themen wie Selbstverwaltung und Infragestellung der bestehenden gesellschaftspolitischen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller habe erklärt, Mitglied dieses Vereins zu sein. Ein korrespondierender Vereins- oder Mitgliedsausweis sei nicht aufgefunden worden.

Allein im Fahrzeug des Antragstellers seien 46 Flyer für die genannten Publikation des Autors Daniel Prinz und fünf Abrisskärtchen für die Wochentreffen im Restaurant … aufgefunden worden.

Vereinzelt seien noch ungenutzte Aufkleber im Layout der Fahne des „Deutschen Reichs“ oder mit der Aufschrift „Kein Friedensvertrag“ festgestellt worden. Zudem seien zwei einzelne, von amtlichen Kraftfahrzeugkennzeichen abgeschnittene Nationalitätenkennzeichen (blau D mit EU-Emblem) aufgefunden worden.

Darüber hinaus seien weitere schriftliche Unterlagen, teilweise lose, teilweise in Leitz-Ordnern sichergestellt worden, die der weiteren Aus- und Bewertung bedürften. Einzelne Druckexem-plare von Texten hätten Überschriften wie „Fahrplan in die Freiheit“ oder „Übernehmen wir Verantwortung“.

Ausweislich der Anlagen zum Durchsuchungsbericht befanden sich unter den sichergestellten Gegenständen auch eine DVD mit der Beschriftung „…, Urahnenerbe“ und „… …, Holocaust“

Einem „Eindrucksvermerk“, verfasst durch PHK …, Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Flughafen* …, vom 19. Mai 2017 über den Ablauf der Durchsuchung ist zu entnehmen, der Antragsteller sei bemüht gewesen, seine Aktivitäten rund um die „… … e.V.“ als harmlose Vereinigung aktiver Bürger darzustellen. In diesem Verein tausche man sich über die Nutztierhaltung aus und wie ein artgerechter Hühnerstall zu errichten sei.

Im Hinblick auf die bestehenden „Sichtweisen“ zur Frage der deutschen Staatsangehörigkeit habe der Antragsteller mehrfach die anwesenden Durchsuchungskräfte über Art. 116 Abs. 1 GG belehrt, aus dem sich eindeutig ergebe, wer deutscher Staatsbürger sei, und wer nicht. Auf Grund der eindeutigen Regelungen aus dem Grundgesetz verfüge Deutschland derzeit „lediglich über ca. 4 Millionen Staatsangehörige“. Alle übrigen - so auch die Anwesenden - verfügten, nach Auffassung des Antragstellers nicht über die erforderlichen Informationen, daher wüssten so viele „staatenlose Personen in Deutschland“ gar nichts über ihren eigentlichen Status. Dies sei auch der Grund für die wiederholte Beantragung eines Staatsangehörigenausweises bei den Verwaltungsbehörden in … Dort weigere man sich allerdings, als Zusatz zum eigentlichen Geburtsort das Königreich Bayern einzutragen. Dies sei aber unbedingt erforderlich, da der Großvater des Antragstellers bereits im Königreich Bayern geboren sei und er im Zuge seiner direkten Abstammung Anspruch auf die amtliche Erfassung dieser Institution als Geburtsland habe. Den Einwand, zum Zeitpunkt der Geburt des Antragstellers habe das Königreich Bayern nicht mehr existiert, habe der Antragsteller nicht gelten lassen.

Zudem habe der Antragsteller betont, dass er nicht an einem Treffen im Restaurant … teilgenommen habe. Er habe sich lediglich als Gast im Restaurant aufgehalten.

Der Antragsteller habe im Rahmen der Durchsuchung freiwillig zwei auf seinem Handy gespeicherte Fotos gezeigt. Die beiden Bilddateien bezögen sich auf den bayerischen SEK-Beamten …, der am 19. Oktober 2016 in … getötet worden sei. Der Antragsteller habe zu den Bildern geäußert, dass er „nicht sicher sei, ob dieser Kollege tatsächlich, wie in den Medien dargestellt, getötet wurde“.

Mit Schreiben der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei vom 16. Mai 2017 wurde der Antragsteller zu der beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung gemäß § 38 Abs. 1 BDG unter Einbehaltung eines Teiles der Dienstbezüge angehört.

Der Verdacht, der Antragsteller gehöre zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“, habe sich nach der am 4. Mai 2017 durchgeführten Durchsuchung weiter verstärkt. Hierbei seien Beweisstücke wie Visitenkarten von Personen, die der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen seien, Schreiben mit Erläuterungen zur Zurückweisung einer Ordnungswidrigkeit, Aufkleber „Deutsches Reich“ sowie eine Anzahl von Flyern von einschlägigen Vereinen, mindestens in einem Fall sei der Vorsitzende ein bekannter Reichsbürger, aufgefunden und sichergestellt worden.

Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 28. Mai 2017 Stellung. Die Behauptungen seines Dienstherrn seien für ihn nicht zu verstehen und persönlich beschämend. Der Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB, der üble Nachrede nach § 186 StGB, der Verleumdung nach § 187 StGB und der falschen Verdächtigung nach § 164 StGB sei im Schreiben vom 15. Mai von „der Person …, in der Funktion als Regierungsdirektor verfasst“, bereits erfüllt.

Die Beschuldigungen seien haltlos. Es gebe keine Reichsbürger, künftig „RB“ genannt. Somit existiere auch keine „RB“-Bewegung.

Die Bundespolizei, die den Rechtsstaat schützen solle, nehme die private Hobbyisten-Arbeit der politischen Fehlentwicklung von 1933 bis 1945 als Grund, solche Vorwürfe begründen zu wollen. Dies sei ein nachweisbarer Verstoß gegen die einschlägige Rechtsprechung der BRD.

Die Unterstellung, dass ein Besuch einer Gaststätte bereits als Indiz für eine Anhängerschaft zu einer nicht existierenden „RB“-Bewegung gewertet werden solle, sei somit haltlos. Eine Anhängerschaft zu einer nicht existierenden Bewegung könne niemals ein Indiz sein. Es sei auch nicht rechtmäßig, dass aus einem Besuch einer öffentlichen Gaststätte eine Anhängerschaft abgeleitet werden könne. Er widerspreche dem Vorwurf, geäußert zu haben, „Gesetze und Befugnisse der Besatzungsmächte hätten keine Gültigkeit“. Gesetze und Befugnisse seien richtig zu deuten und genau dies sei seine Gesinnung. Die BRD beschütze uns.

Aus objektiver Sicht sei sein Verhalten ein christliches und lobenswertes Verhalten gewesen.

Auch der geäußerte Verdacht eines konspirativen Verhaltens durch das Vorzeigen des Dienstausweises mache ihn fassungslos. Im deutschen Recht würden Vermutungen und Verdachtsmomente nicht gelten. Die Aussage, dass sein Verhalten gegen § 60 Abs. 1 BBG verstoßen habe, sei damit widerlegt. Es gebe auch keine einschlägige Rechtsprechung über „RB“. Er bekenne sich nach wie vor zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nach § 60 BBG. Auf bloße Verdachtsmomente und Vermutungen könne weder eine vorläufige Dienstenthebung noch eine Disziplinarklage gestützt werden.

Der Besitz einer Anleitung, die eine Zurückweisung einer Ordnungswidrigkeit beschreibe, sei eine Aufgabe, mit der er täglich konfrontiert werde und zu tun habe.

Visitenkarten und Flyer von Vereinen, in denen er Mitglied sei oder Interesse an deren Informationen habe, oder Flyer-Mitnahme von Verteilerplätzen hätten nichts mit einer „RB“-Szene zu tun und könnten nicht als Beweisstücke für eine „RB“-Zugehörigkeit sein, die es gar nicht gebe.

Die Aussage, „einer vorläufigen Dienstenthebung ist rechtmäßig … da als überwiegend wahrscheinlich“ gebe es im juristischen nicht und sei somit nichtig. Es würden wohl die Ablehnungsgründe bei einer Waffenbeantragungsablehnung genannt.

Eine persönliche Feststellung, wie „ich stelle fest“ seien juristisch nicht korrekt und hätten in einem Behördenschreiben nichts zu suchen und seien eher als amtlich materieller Fehler der Behörde zu bewerten.

Die Aussage „auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse“ sei ebenfalls als juristisch nicht existent zu bewerten und somit hinfällig. „Überwiegend wahrscheinlich“ gebe es im deutschen Recht nicht.

„Die Person … …“ bitte deshalb um eine ordnungsgemäße Beachtung des Art. 19 GG. Auch habe die Behörde die Verwaltungsrichtlinien und die Verwaltungsordnung zu beachten.

Das Bundesverfassungsgericht habe in Erinnerung gerufen und gewarnt, dass die Behörden ihren Übereifer nicht übertreiben sollten, was die Angelegenheit „RB“ angehe.

Die Frage, wer diese Hexenjagd auf „RB“ in der Behörde in Auftrag gegeben habe, bleibe und sei bei den Behörden wohl immer noch offen.

Mit allen genannten falschen Verdächtigungen würden u.a. nicht nur die Unionsbürger (Bürger der EU) verunglimpft, denn ohne Staatsangehörigkeitsurkunde könne niemand Unionsbürger werden oder sein. Mit den Vorwürfen würden darüber hinaus die Slawen (russische Landsleute) und die Rumänen verunglimpft. Beide Botschaften (russische und rumänische Botschaft) sowie die europäischen Bürgerbeauftragten würden zu gegebener Zeit unterrichtet werden.

Abschließend verwundere und bestätige der bedrohende Tonfall im letzten Satz des Schreibens und lasse daraus schließen, dass eine gesetzliche Grundlage für die hierbei gezogenen Vorwürfe nicht vorhanden sei.

Der Verwaltungsakt, inklusive des oben genannten Schreibens, stelle ein Armutszeugnis für die Polizeibehörde dar.

Die Beamten würden beauftragt, ungesetzliche Ermittlungen mit Verordnungen aus der nationalsozialistischen Periode anzustellen. Dabei seien sie in Unkenntnis gelassen worden, was sie da ermitteln sollen. Dies sei von den ehemaligen Alliierten ausdrücklich verboten worden. Diese Briefe seien nie gültig geworden und heute nehme die BRD diesen verbotenen Entwurf und wende ihn als bestehende Grundlage der Behördenarbeit an. Damit würden die Vorgesetzten gegenüber ihren Beamten dienstlich Rechtsbeugung anordnen. Es stelle sich deshalb die Frage, ob bei allen „RB“-Aktionen bundesweit von allen anweisenden Vorgesetzten und ausführenden Beamten Rechtsverstöße begangen worden seien.

Seine Pflicht als Beamter und Staatsbürger sei es, den Antragsgegner darüber zu informieren und gleichzeitig auf die Remonstrationspflicht nach § 56 BGB zu erinnern. Dies sei ab jetzt zu beachten.

Abschließend weise er darauf hin, dass er sich neben den Mitteilungen an die Botschaften und an die EU dienst- bzw. fachaufsichtliche Beschwerden vorbehalte.

Mit streitgegenständlicher Verfügung vom 4. Juli 2017 enthob der Präsident der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei den Antragsteller gemäß § 38 BDG vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung eines Viertels der Dienstbezüge des Antragstellers gemäß § 38 Abs. 2 BDG an.

Aus der derzeitigen Erkenntnislage folge der dringende Verdacht, dass der Antragsteller Angehöriger der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ sei und somit die aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG folgende politische Treuepflicht verletzt habe. Nach einschlägiger Rechtsprechung (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 - 10 M4/15) sei das der Reichsbürgerbewegung „zu Grunde liegende Gedankengut mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht in Einklang zu bringen“. Sollte sich der gegen den Antragsteller erhobene Vorwurf letztendlich vollumfänglich bestätigen, so wäre die Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Dienstentfernung die einzig logische Konsequenz. Weder den Kollegen und Vorgesetzten noch der Allgemeinheit sei es zuzumuten, dem Antragsteller bei der vorhandenen Erkenntnislage weiterhin im Dienst als Polizeivollzugsbeamter zu belassen, da er nicht die Gewähr dafür biete, jederzeit die bestehende Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu achten und zu verteidigen.

Die Stellungnahme des Antragstellers vom 28. Mai 2017 sei nicht geeignet, von den angeordneten Maßnahmen absehen zu können. So stelle der Antragsteller die Existenz von „Reichsbürgern“ und damit auch der „Reichsbürgerbewegung“ in Frage.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 18. Juli 2017, legte der Antragsteller gegen die Verfügung vom 4. Juli 2017 „Widerspruch“ ein und beantragte die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung, da keine Würdigung auf das Schreiben „des Herrn … …“ vom 28. Mai 2017 erfolgt sei.

Näheres werde sein anwaltlicher Beistand, der sich noch in der Auswahl befinde, mitteilen.

Unter dem 25. Juli 2017 legte der Ermittlungsführer den Ermittlungsbericht im Disziplinarverfahren vor.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. September 2017, den Antrag zurückzuweisen.

Im Rahmen der am 4. Mai 2017 erfolgten Durchsuchung der Räumlichkeiten des Antragstellers seien u.a. Visitenkarten von Personen, die der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen seien, Schreiben mit Erläuterungen zur Zurückweisung einer Ordnungswidrigkeit, Aufkleber „Deutsches Reich“ sowie eine Anzahl von Flyern von einschlägigen Vereinen - mindestens in einem Fall sei der Vorsitzende ein bekannter Reichsbürger - aufgefunden und sichergestellt worden. Neben der Vielzahl an Material, welches der „Reichsbürger-Szene“ zuzuordnen sein dürfte, sei auch eine CD mit der Beschriftung „… …, Urahnenerbe“ und „… …, Holocaust“ vorgefunden worden. Laut Wikipedia handele es sich bei Frau … um eine mehrmals verurteilte Holocaustleugnerin und Rechtsextremistin, … … … sei nach Internetrecherche Begründer einer neopaganen-braun-esotherischen Bewegung aus dem deutschen rechten Milieu der „Selbstversorger“ und „völkischer“ Siedler.

Nachdem bereits zuvor bekannt gewesen sei, dass der Antragsteller auch über einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis verfügt, bei dessen Beantragung er als sein Geburtsland „Bayern“ angegeben habe, hätten die im Rahmen der Durchsuchung vorgefundenen Unterlagen bzw. Datenträger den gegen den Antragsteller bestehenden Verdacht weiter erhärtet, nach hiesiger Bewertung sei der Verdacht bestätigt worden.

Die offenkundige Gesinnung des Antragstellers sei mit der aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BDG folgenden politischen Treuepflicht nicht vereinbar. Dieser biete nicht mehr die Gewähr dafür, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einzutreten. Insofern sei die Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Dienstentfernung beabsichtigt. Gegenwärtig werde der Antragsteller auf der Grundlage des Ermittlungsberichts abschließend angehört. Die weitere Dienstausübung sei - wie bereits dargelegt - nicht zumutbar, der Einbehaltungssatz gemäß § 38 Abs. 2 BDG berücksichtige die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers in ausreichendem Maße.

Mit Schriftsatz vom 14. September 2017 zeigten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers an und vertieften mit weiterem Schriftsatz vom 13. Oktober 2017 den bisherigen Sachvortrag des Antragstellers.

Der Antragsteller lehne weder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ab oder stelle diese in Frage. Aktenkundig habe dieser seine Staats- und Verfassungstreue ausdrücklich und wiederholt gegenüber Vorgesetzten zum Ausdruck gebracht und bekräftigt. Zuletzt sei dies in einem Telefongespräch am 22. Mai 2017 gegenüber dem Präsidenten der Bundespolizei, Herrn …, erfolgt.

Der Antragsteller habe die Gaststätte … am 24. Januar 2017 nach einer etwa dreivierteljährlichen Pause wieder einmal zum Essen besucht. Im Sommer 2016, als der Antragsteller das letzte Mal die Gaststätte aufgesucht habe, hätten sich dort unterschiedlichste Personengruppen getroffen, nämlich bibeltreue Christen, Vereinsmitglieder, Oldtimerfans, Handwerker und andere Personen wie Kleingärtner.

Die Vermutung, dass der Antragsteller bei der Personenkontrolle während der Anfahrt zu der genannten Gaststätte seinen Dienstausweis gezeigt habe, um unkontrolliert durchfahren zu können, entbehre jeglicher Grundlage. Vielmehr sei dies unter Polizeibeamten absolut üblich.

Der Antragsteller widerspreche auch weiterhin der Behauptung, wonach er am 24. Januar 2017 eine Verschwörungstheorie aufgestellt habe.

Zutreffend sei, dass der Antragsteller die Ausstellung eines Staatsangehörigenausweises beantragt habe. Bestreben des Antragstellers sei es gewesen, die deutsche Staatsangehörigkeit im wahrsten Sinne des Wortes zu „besitzen“, indem er ein Dokument in den Händen halten könne, aus dem sich seine deutsche Staatsangehörigkeit ausdrücklich ergebe. Es sei zutreffend, dass er bei der Antragstellung als Geburtsland „Königreich Bayern“ angegeben habe. Der Antragsteller habe im Internet recherchiert, wie der Antrag auszufüllen sei. Auf der Homepage des Bundesverwaltungsamtes gebe es ein Merkblatt hierzu. Dort werde unter Ziffer 4 (S. 3 des Merkblattes) sinngemäß ausgeführt, dass der Antragsteller seine Vorfahren bis zu den vor 1914 Geborenen nachweisen müsse. Die Angaben des Antragstellers hätten auf Kenntnissen basiert, die der Antragsteller aus dem Internet erhalten habe, die aber offensichtlich falsch gewesen oder von ihm falsch verstanden worden seien.

Bei der Wohnungsdurchsuchung am 4. Mai 2017 hätten die teilnehmende Beamtin die Aufforderung des Antragstellers, sich auszuweisen, abgelehnt. POK … habe erklärt, dies sei nicht notwendig, da er die anwesenden Beamten kenne und der Antragsteller wiederum Herrn POK … Der Antragsteller habe mitgeteilt, dass er seinen Rechtsanwalt als Zeugen hinzuziehen wolle. Auf diesen Wunsch des Antragstellers sei nicht eingegangen worden.

Sowohl der PC-Tower Asus wie auch das MacBook stünden nicht im Eigentum des Antragstellers, sondern im Eigentum von Frau … Der PC-Tower Asus sei im Raum „Büro 1.1.1.3“, dem Büro der Lebensgefährtin des Antragstellers beschlagnahmt worden. Die auf dem PC-Tower gespeicherten Dateien bzw. Inhalte seien - so vermute der Antragsteller - aus dem Internet heruntergeladen worden, allerdings nicht vom Antragsteller. Diese Inhalte seien deshalb nicht dem Antragsteller zuzuordnen. Ein gewichtiges Indiz hierfür sei die Tatsache, dass sich die belastenden Dateien ausnahmslos auf dem Dateipfad „Users- …-downloads“ befänden. Lediglich vier Dateien seien dem Antragsteller zuzuordnen. Hierbei handele es sich u.a. um das Asservat 1.1.3.2.7, nämlich ein Widerspruchsschreiben des Antragstellers an das Amtsgericht … vom 10. Oktober 2012. Hier habe der Antragsteller Einspruch gegen ein Schreiben des Regierungspräsidiums … vom 23. Dezember 2011 eingelegt. Durch dieses Handeln habe der Antragsteller allerdings nicht zum Ausdruck gebracht, dass er die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht akzeptiere. Der Antragsteller habe einzig von seiner Möglichkeit einer Anhörung bzw. eines Rechtsmittels Gebrauch gemacht.

Die im Ermittlungsbericht auf den Seiten 19 bis 22 erwähnten Beweismittel bzw. Asservate stünden weder im Eigentum des Antragstellers noch seien sie diesem zuzuordnen. Eine Ausnahme hiervon stelle die Flyerwerbung des Vereins … sowie das Buch „Wenn das die Deutschen wüssten“ dar.

Der gestellte Antrag sei begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Sinne des § 63 Abs. 2 BDG bestünden. Im vorliegenden Fall fehle es beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnislage an dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit für die Verhängung der Höchstmaßnahme. Auszugehen sei hierbei von den Vorwürfen, die Gegenstand des behördlichen Disziplinarverfahrens und der Anordnungen nach § 38 Abs. 1 und 2 BDG geworden seien.

Der Ermittlungsbericht sei in weiten Teilen unstrukturiert. Im Rahmen der beschriebenen Beweiserhebung werde auf Seite 3 des Ermittlungsberichts ein Aktenvermerk von POK … vom 26. Oktober 2016 aufgeführt. Ein Aktenvermerk diesen Datums existiere nicht.

Abgesehen davon enthielten der Ermittlungsbericht, aber auch die zu Grunde liegenden Aktenvermerke, Formulierungen und Wertungen bzw. Bewertungen, die eine fehlende Objektivität nahelegten. So fänden sich sowohl in den Aktenvermerken wie auch im Ermittlungsbericht Worte wie „offensichtlich“ (Ermittlungsbericht S. 1), „offenkundige“ (Ermittlungsbericht auf S. 2), das Zitat „vermutlich in der Absicht unkontrolliert durchfahren zu können“ (S. 4 des Ermittlungsberichts) etc..

Der disziplinarrechtlichen Würdigung des Sachverhalts im Ermittlungsbericht vom 1. August 2017 müsse entschieden widersprochen werden. Der Antragsteller habe kein Dienstvergehen begangen, weil er nicht gegen die Treuepflicht und auch nicht gegen seine Wohlverhaltenspflicht verstoßen habe.

Es stelle sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Weitergabe des Inhalts des Aktenvermerks vom 26. Januar 2016 von der Kriminalinspektion … - K5 - an die Bundespolizeiabteilung … mit Schreiben vom 3. Februar 2017 erfolgen durfte.

Die Vermutung, der Antragsteller habe in der Kontrollstelle am 24. Januar 2017 seinen Dienstausweis gezeigt, um unkontrolliert durchfahren zu können, sei weder belegt noch bewiesen worden. Entsprechendes gelte für die Unterstellung, der Antragsteller habe die Absicht gehabt, eine vorher gegenüber einer dritten Person ausgesprochene gebührenpflichtige Verwarnung in Höhe von 10,00 EUR zurücknehmen zu lassen.

Auch die Würdigung, dass der Antragsteller das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ zumindest verinnerlicht habe, sei nicht haltbar. Der Antragsteller habe sich sowohl schriftlich wie auch mündlich wiederholt von der „Reichsbürgerbewegung“ distanziert.

Auch ergebe sich aus den Ermittlungsberichten nicht, weshalb es bedenklich sei, dass der Antragsteller die These aufgestellt habe, er sei ohne einen Staatsangehörigenausweis kein richtiger Polizist. Die Einstellungsvoraussetzungen in den Polizeidienst seien u.a., dass die Bewerber Deutsche nach Art. 116 Abs. 1 GG sein müssten. Ohne Besitz der Staatsangehörigkeitsurkunde könne die deutsche Staatsbürgerschaft nur schwer nachgewiesen werden. Der Antragsteller habe zwar Fehler bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises eingeräumt. Dieser Umstand allein rechtfertige es jedoch nicht, die Verfassungstreue des Antragstellers in Frage zu stellen.

Hinsichtlich der Wohnungsdurchsuchung sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Wohnung des Antragstellers auch von dessen Sohn und seiner Lebensgefährtin, Frau … …, genutzt werde. Die sichergestellten Asservate könnten deshalb nicht dem Antragsteller zugerechnet werden. Der Antragsteller bestreite, Eigentümer der sichergestellten Visitenkarten und sonstigen fragwürdigen Dokumente zu sein. Der Ermittlungsbericht gehe auf diese Problematik nicht ein.

Bei der Wohnungsdurchsuchung seien alle be- und entlastenden Umstände aufzuführen. Dem sei nicht Rechnung getragen worden. So seien beispielsweise keine der aufgefundenen christlichen Flyer, Bibeln, Grundgesetze (mehr als 10), Landesverfassungen und Bibeln erwähnt worden. Diese Unterlagen seien dem Antragsteller zuzuordnen und stünden in dessen Eigentum.

Im Zusammenhang mit der Anhörung des Regierungspräsidiums … werden dem Antragsteller sein Verhalten in unzulässiger Weise negativ ausgelegt. Der Antragsteller habe im Rahmen der Anhörung wegen eines Verwarnungsgeldes vom 23. Dezember 2011 einen formellen Fehler gerügt. Mit diesem Handeln habe der Antragsteller allein von seinem verfassungsrechtlich garantierten Recht Gebrauch gemacht, das Handeln einer Verwaltungsbehörde im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens überprüfen zu lassen.

Im Ermittlungsbericht würden sämtliche auf den PC’s gefundenen Dateien dem Antragsteller zugeordnet. Der Antragsteller bestreite, dass er diese Dateien auf den Rechnern abgespeichert habe. Hinzu komme, dass die beiden PC’s im Eigentum der Lebensgefährtin des Antragstellers stünden. Die Tatsache, dass sämtliche „problematischen Dateien“ sich auf Dateipfaden befänden, die bereits namentlich der Lebensgefährtin des Antragstellers zugeordnet werden müssten, würdige oder problematisiere der Ermittlungsbericht mit keiner Silbe.

Unberücksichtigt bleibe, dass es sich beim Antragsteller um einen unbescholtenen, ja sogar äußerst pflichtbewussten Polizeivollzugsbeamten handele. Zwar erwähne der Ermittlungsbericht u.a. die diversen Leistungsprämien im Zeitraum zwischen 2005 und 2016. Er versäume es aber, diese sich hieraus ergebende Widersprüchlichkeit aufzulösen. Die Ermittlung des Sachverhalts und die Ausführung im Ermittlungsbericht seien im Ergebnis unzureichend und grob fehlerhaft. Im Rahmen der Ermittlungen sei gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 BDG verstoßen worden, weil mehrfach Entlastendes für den Antragsteller unberücksichtigt, ja sogar unerwähnt geblieben sei. Der Ermittlungsbericht sei einseitig, nämlich zu Lasten des Antragstellers, weil er schlicht den Untersuchungsgrundsatz und die Verpflichtung, entlastende Tatsachen zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, nicht beachte. Auch die im Ermittlungsbericht vorgenommene Beweiswürdigung sei grob fehlerhaft, weil der Ermittlungsführer bereits keine Beweise im prozessualen Sinne erhoben habe.

Unter dem 16. Oktober 2017 übermittelten die Bevollmächtigten des Antragstellers eine „eidesstattliche Versicherung“ des Antragstellers vom 13. Oktober 2017.

Die Antragsgegner erwiderte mit Schriftsatz vom 1. November 2017, die Behauptung, die bei der Durchsuchung am 4. Mai 2017 sichergestellten Gegenstände bzw. Datenträger seien dem Antragsteller nicht zuzuordnen, werde als Schutzbehauptung gewertet. Der Antragsteller habe z.B. auf entsprechenden Schriftstücken „Danke, …“ vermerkt. Vom Mobiltelefon des Antragstellers sei ein Foto des in … getöteten Polizeibeamten abfotografiert worden.

Der Antragsteller räume hingegen ein, dass seine Schreiben im Zusammenhang mit einer durch das Regierungspräsidium … erteilten Verwarnung von ihm stammten. Darin verweise er jeweils auf das Erfordernis einer persönlichen Unterschrift der Sachbearbeiterin bzw. des Richters, was ein durchaus bekanntes Verhaltensmuster bei den sogenannten „Reichsbürgern“ darstelle.

Soweit der Antragsteller bestreite, bei der Kontrolle am 24. Januar 2017 eine Verschwörungstheorie aufgestellt zu haben, dränge sich die Frage auf, weshalb der Antragsteller dieses Ereignis bei der Kontrolle überhaupt thematisiert habe. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller bereits im Jahr 2014 die als Treffpunkt der „Reichsbürger/Selbstverwalter“ polizeibekannten Gaststätte … in … aufgesucht habe.

Der Erklärungsversuch des Antragstellers, weshalb er bei der Beantragung seines Staatsangehörigkeitsausweises als Geburtsland das „Königreich Bayern“ angegeben habe, werde ebenfalls als reine Schutzbehauptung gewertet.

Der Vorwurf, die Ermittlungen seien „tendenziös“ durchgeführt worden und der Ermittlungsbericht lasse „eine fehlende Objektivität“ naheliegen, werde zurückgewiesen. Die Ermittlungsergebnisse erschienen als derart eindeutig, dass der Bericht sich hierauf zu Recht habe stützen können.

Dass die Ermittlungen nicht „tendenziös“ zu Lasten des Antragstellers geführt worden seien, belege im Übrigen bereits der Umstand, dass die von seinem Bevollmächtigten aufgegriffenen Leistungsprämien dort aufgeführt seien.

Der Hinweis auf diese in der Vergangenheit enthaltene Leistungsprämien als Beleg dafür, dass der Antragsteller gerade nicht gegen seine Treuepflicht verstoßen habe, verfange allerdings nicht. Der Antragsteller habe augenscheinlich punktuell im dienstlichen Bereich besondere Leistungen erbracht. Keineswegs sei darin jedoch ein Widerspruch zu einer politischen bzw. gesellschaftspolitischen Grundhaltung zu sehen, die wiederum mit der politischen Treuepflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BDG unvereinbar sei.

Schließlich werde dem Vorbringen, wonach es sich vorliegend um Handlungen handele, „die dem außerdienstlichen Bereich zuzuordnen wären“, widersprochen. Bei Verstößen gegen die politische Treuepflicht handele es sich stets um eine innerdienstliche Pflichtverletzung, da sie unmittelbar das Dienst- und Treueverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten tangiere.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 63 Abs. 1 BDG auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen ist zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 BDG entscheidet der Vorsitzende der Disziplinarkammer über den vorliegenden Antrag nach § 63 Abs. 1 BDG; die Beamtenbeisitzer (§ 46 Abs. 1 Satz 1, §§ 47 ff. BDG) wirken nicht mit, weil es sich vorliegend um einen Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung handelt. § 63 Abs. 3 BDG ist zu entnehmen, dass Entscheidungen über Anträge nach § 63 Abs. 1 BDG durch Beschluss ergehen. Das grundsätzliche Erfordernis einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung nach § 60 Abs. 1 BDG gilt nur für das in §§ 52 bis 61 BDG geregelte Klageverfahren, nicht jedoch für die „besonderen Verfahren“ des Kapitels 2, Abschnitt 2 des Bundesdisziplinargesetzes (§§ 62, 63 BDG; Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. A. 2017, Rn. 11 zu § 63; vgl. zur identischen Rechtslage nach dem BayDG: BayVGH, B.v. 6.11.2007 - 16a CD 07.2007, Rn. 17, VG Ansbach, B.v. 13.11.2007 - AN 13b DS 07.02249 und v. 15.12.2006 - AN 6b DS 06.03774, Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 7 zu Art. 61 BayDG).

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch das Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BDG). Der Beamte kann bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beantragen (§ 63 Abs. 1 BDG). Die vorläufige Dienstenthebung ist auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (Art. 63 Abs. 2 BDG).

Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 16a DS 13.706, juris Rn. 18; B.v. 20.7.2012 - 16a DS 10.2569, juris Rn. 36 ff., B.v. 11.4.2012 - 16b DC 11.985, juris Rn. 24, B.v. 3.11.2010 - 16a DS 10.1010, juris Rn. 6, Urban/Wittkowski, a.a.O., Rn. 14 zu § 63 BDG; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, a.a.O., Rn. 6 zu Art. 61 BayDG).

Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des § 63 Abs. 2 BDG zu bejahen (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013, a.a.O., B.v. 20.7.2012, a.a.O., B.v. 11.4.2012 a.a.O.).

Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (BayVGH, B.v. 11.12.2013, a.a.O. Rn. 18, B.v. 20.7.2012, a.a.O. Rn. 38, B.v. 11.4.2012 a.a.O. Rn. 25, B.v. 16.12.2011 - 16b DS 11.1892 m.w.N., juris Rn. 36).

Da im gerichtlichen Verfahren nach § 63 BDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden. Der Untersuchungsgrundsatz des Gerichts ist dahingehend eingeschränkt, dass regelmäßig nur die Pflicht besteht, auf die vorhandenen Feststellungen zurückgreifen zu müssen (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013, a.a.O. Rn. 18, B.v. 11.4.2012 a.a.O Rn. 25, B.v. 16.12.2011 a.a.O Rn. 36.).

Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, B.v. 22.7.2002 - 2 WDB 1.02, juris; BayVGH, B.v. 11.4.2012 - 16b DC 11.985, juris).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten vorläufigen Dienstenthebung und teilweisen Einbehaltung der Bezüge.

Die Verfügung des Präsidenten der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei vom 4. Juli 2017 ist formell rechtmäßig.

Die Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung trifft die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BDG).

Gemäß § 34 Abs. 2 BDG wird die Disziplinarklage bei Beamten durch die oberste Dienstbehörde, bei Ruhestandsbeamten durch den nach § 84 BDG zur Ausübung der Disziplinarbefugnisse zuständigen Dienstvorgesetzten erhoben. Die oberste Dienstbehörde kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; die Anordnung ist im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen.

Gemäß Ziffer II. 2. der Anordnung zur Durchführung des Bundesdisziplinargesetzes für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vom 31. Januar 2002, BGBl I S. 580, geändert durch Anordnung vom 16. Oktober 2008, BGBl I S. 2015, wird die Zuständigkeit zur Erhebung der Disziplinarklage gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte auf die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 der Verordnung zu § 82 des Bundesdisziplinargesetzes genannten Vorgesetzen im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß der Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Beamtinnen und Beamten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern vom 29. Februar 2008 übertragen.

Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit des Präsidenten der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zu § 82 des Bundesdisziplinargesetzes vom 16. Oktober 2008, BGBl I, S. 2004.

Mit Schreiben vom 2. März 2017 leitete der Dienstvorgesetzte des Antragstellers, EPHK …, gegen den Antragsteller gemäß § 17 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren ein. Der Antragsteller wurde gemäß § 20 BDG belehrt. Unter dem 16. Mai 2017 wurde der Antragsteller zu der beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung angehört.

Die Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung wurde auf Handlungen des Antragstellers gestützt, die ihm im Disziplinarverfahren als Dienstvergehen angelastet worden sind. Auch fehlt es in der Verfügung nicht an einer schlüssigen Darlegung und Einordnung der Vorwürfe gegen den Antragsteller.

Die Verfügung vom 4. Juli 2017 ist auch materiell rechtmäßig.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten vorläufigen Dienstenthebung. Denn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist es im Hinblick auf § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG überwiegend wahrscheinlich, dass gegen den Antragsteller nach Erhebung einer Disziplinarklage die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis verhängt werden wird.

Der Antragsteller hat mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit seine Dienstpflichten verletzt, indem er gegen die politische Treuepflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG, § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen hat. Diese Rechtsnormen fordern, dass Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

Die politische Treuepflicht gebietet, dass der Beamte den Staat und seine Verfassungsordnung bejaht, sie als schützenswert begreift, sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Die Treuepflicht fordert vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, dessen Organe und Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG, B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73, juris).

Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (OVG NW, B.v. 22.3.2017 - 3d 296/17.O, juris; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 - 35 L 2031/17.O. juris; B.v. 23.11.2016 - 35 K 13737/16, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 - 15 A 16/16, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 - M 5 S. 16.1250, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 - 10 M 4/15 u.a., juris)

Nach den im Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen ist der Antragsteller mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit als Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ einzustufen.

Der Antragsteller hat in seinem Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) vom 5. Dezember 2013 beim Landratsamt … als seinen Geburts- und Wohnsitzstaat „Königreich Bayern“ angegeben und zudem erklärt, er besitze die Staatangehörigkeit des Königreichs Bayern. Bereits hieraus lässt sich der dringende Verdacht ableiten, der Antragsgegner könnte vom Fortbestehen des Königreichs Bayern ausgehen und die Gründung des Bundeslandes Bayern sowie der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellen, wie dies bei allen Unterschieden im Detail gemeinsames Charakteristikum des Personenkreises der so genannten „Reichsbürger“ ist (vgl. OVG NW, B.v. 22.3.2017 - 3d 296/17.O, juris).

Die von dem Antragsteller hierfür genannte Begründung rechtfertigt keine andere Bewertung. So bestand bereits für die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises kein sachlicher Grund. Der Antragsteller ist nach seinen eigen Angaben seit dem seit dem 2. April 1990 bei der Bundespolizei tätig. Die Ernennung zum Lebenszeitbeamten erfolgte zum 7. Februar 1998. Seitens des Dienstherrn wurde und wird an der Eigenschaft des Antragstellers als Deutscher im Sinne des Art. 116 GG und § 7 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG nicht gezweifelt, so dass der Antragsteller gerade nicht verpflichtet war, dreizehn Jahre nach seiner Einstellung in den Polizeivollzugsdienst zum Nachweis seiner - nie bestrittenen - Staatsangehörigkeit einen Staatsangehörigkeitsausweis zu beantragen.

Auch die Behauptung des Antragstellers, er habe wegen einer irreführenden Anleitung im Internet bei Ausfüllen des Antragsformulars fehlerhaft mehrfach „Königreich Bayern“ eingetragen, vermag den Antragsteller nicht zu entlasten. Der Vordruck F enthält die eindeutige Formulierung „Angaben zu meiner Person (Antragsteller/in)“. Die Behauptung des Klägers, er habe als Geburts- und Wohnsitzstaat Königreich Bayern angegeben, da er seine Vorfahren habe nachweisen müssen, ist abwegig, da das Formular F eindeutig und völlig zweifelsfrei nur Angaben zur Person des Antragstellers verlangt.

Mit der Nennung des Königreichs Bayern als Geburts- und Wohnsitzstaat sowie der Angabe, Staatsangehöriger des Königreichs Bayern zu sein, stellt der Antragsteller die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßigen Strukturen und Organe sowie ihre Legitimation in Frage und vertritt damit typisches Gedankengut der sog. Reichsbürger (vgl. OVG NW, B.v. 22.3.2017 - 3d 296/17.O, juris; VG Mageburg, B.v. 2.11.2016 – 15 B 32.16, juris).

Nach der Angaben von Herrn PHK …, PI …, vom 26. Januar 2017 hat der Antragsteller am 24. Januar 2017 ihm gegenüber die Berichterstattung über den Vorfall in …, bei welchem ein sog. „Reichsbürger“ einen Polizeibeamten erschossen hat, als nicht zutreffend dargestellt, da es keinen Todesfall gegeben habe und nur die Reichsbürgerbewegung in ein schlechtes Licht gerückt werden sollte. Zudem habe der Antragsteller ihm gegenüber die Gültigkeit der Gesetze der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, da diese auf die Besatzungsmächte zurückgingen. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte, dass PHK den Antragsteller wahrheitswidrig belastet haben könnte.

Auch dieses Verhalten des Antragstellers dokumentiert, dass er eine der Grundlagen unseres Rechtsstaates in Frage stellt.

Die Einschätzung, dass der Antragsteller Anhänger der Reichsbürgerbewegung ist, wird durch die am 4. Mai 2017 im Anwesen des Antragstellers sichergestellten Gegenstände bestätigt.

So fanden sich allein im Fahrzeug (VW Bus) des Antragstellers 46 Flyer zum dem Buch „Wenn das die Deutschen wüssten…“ von Daniel Prinz, sowie weitere 300 derartiger Flyer in der Wohnung.

Unter www.amazon.de findet sich folgende Inhaltsangabe:

„Wussten Sie, dass Ihr Personalausweis oder Ihr Reisepass nicht Ihre deutsche Staatsangehörigkeit bestätigt und fast alle Deutschen in ihrem eigenen Land staatenlos sind? Nein? Es gibt tatsächlich ein Dokument, welches die rechtmäßige Staatsangehörigkeit bescheinigt, aber es ist keines der beiden zuvor genannten. Nur wenige Deutsche sind im Besitz dieser speziellen Urkunde, z.B. viele Staatsanwälte, Notare, Bundespolizisten oder Politiker. Wussten Sie zudem, dass Gerichtsvollzieher in der BRD seit 2012 keine Beamten mehr sind oder dass die BRD selbst gar kein Staat ist - und auch nie war -, sondern eine von den Alliierten installierte Verwaltung, die großteils innerhalb einer „Firmenstruktur“ operiert? War Ihnen geläufig, dass wir bald in die „Vereinigten Staaten von Europa“ übergehen und die Menschen in „handelbare Waren” umfunktioniert werden? Haben Sie sich nicht auch schon gewundert, wieso aus dem Arbeitsamt eine „Agentur für Arbeit“ geworden ist oder warum Sie vor Gericht als „Sache“ behandelt werden und nicht als Mann oder Frau? Und Sie werden wahrscheinlich auch überrascht sein, wenn Daniel Prinz Ihnen die Rolle des Vatikans und der katholischen Kirche darlegt, die darin genauso verwickelt sind wie die City of London. War Ihnen bewusst, dass die Sklaverei in Wirklichkeit nie abgeschafft wurde?

Der Autor beantwortet nicht nur diese Fragen ausführlich, sondern zeigt zudem auf, welche höchst raffinierten und hinterhältigen Mechanismen eingesetzt werden, die uns alle versklavt haben und dafür sorgen sollen, dass wir aus dem gegenwärtigen, riesigen Hamsterrad nie ausbrechen. Im Buch kommt dabei auch ein Insider zu Wort, der mit weiteren brisanten Fakten aus dem Nähkästchen plaudert, z.B. auch, auf wie viele Menschen die Weltbevölkerung von der Elite reduziert werden soll. Wie ein roter Faden wird das gesamte Konstrukt offenbart, auf dem dieses Kontroll- und Machtsystem aufgebaut ist. Sie glauben, Sie wüssten als aufgewachter „Bürger“ tatsächlich bereits über alles Bescheid? Dann werden Sie spätestens hier eines Besseren belehrt.

D. P. bleibt jedoch bei all diesen Informationen nicht stehen. Er präsentiert im zweiten Teil des Buches auch tiefgreifende und fundierte Ideen und Lösungsansätze, die aufzeigen, wie wir uns aus diesem Sklavensystem wieder befreien und eine wirklich gerechte Welt in Frieden und Harmonie erschaffen können. Und bei dem Ganzen spielt Deutschland die Schlüsselrolle.“

Die große Zahl der Flyer für dieses Buch, die allein im Fahrzeug des Antragstellers aufgefunden wurden, zeigt, dass der Antragsteller für das genannte Buch aktiv Werbung betreibt, sich also die Thesen des Herrn Prinz, die BRD sei selbst gar kein Staat - und auch nie gewesen -, sondern eine von den Alliierten installierte Verwaltung, die überwiegend innerhalb einer „Firmenstruktur“ operiere, zu eigen macht.

Auch die sichergestellte DVD mit der Beschriftung „… …, Urahnenerbe“ und „… …, Holocaust“ enthält Gedankengut der Reichsbürgerbewegung. Laut Wikipedia handele es sich bei Frau … um eine mehrmals verurteilte Holocaust-Leugnerin und Rechtsextremistin, … … … ist Begründer einer neopaganen-braun-esotherischen Bewegung aus dem deutschen rechten Milieu der „Selbstversorger“ und „völkischer“ Siedler.

Bei der Durchsuchung wurden zudem weitere Unterlagen sichergestellt, deren Inhalt dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung zugeordnet werden kann.

So fand sich u.a. eine Visitenkarte mit der Bezeichnung „Die Exil-Regierung Deutsches Reich“ und Flyer mit dem Aufdruck „Kein Friedensvertrag! D seit 1945 besetzt!“.

Die nunmehrige Behauptung des Antragstellers, er sei nicht Eigentümer der sichergestellten Gegenstände, diese stünden im Eigentum seiner Lebensgefährtin, ist nicht glaubhaft.

Ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 17. Mai 2017 gab der Antragsteller lediglich an, dass der sichergestellte PC-Tower Asus von seiner Lebensgefährtin und ihm gemeinsam genutzt werde. Dagegen erfolgte ausweislich des Berichts keine Erklärung des Antragstellers, dass die sichergestellten sonstigen Gegenstände nicht in seinem Eigentum stünden.

Auch in seiner persönlichen Stellungnahme vom 28. Mai 2017 wird dies nicht behauptet. Ein entsprechender Sachvortrag findet sich erst in der Antragsbegründung seines Bevollmächtigten vom 13. Oktober 2017.

Der Antragsteller ist zudem nach eigenen Angaben Mitglied des eingetragenen Vereins „… …“, der nach den im Disziplinarverfahren getroffenen Feststellungen ebenfalls Gedankengut der Reichsbürgerbewegung vertritt. Nach Auskunft der KPI … soll es sich bei dem Mitglied des Vorstands … … um ein bekanntes Mitglied der Reichsbürgerbewegung handeln.

Schließlich belegen die schriftlichen Ausführungen des Klägers im Disziplinarverfahren, dass er Anhänger der Reichsbürgerbewegung ist und deren Gedankengut verinnerlicht hat.

So bestreitet der Antragsteller die Existenz einer Reichsbürgerbewegung. Bei dieser handele es sich um eine „Phantasiebewegung eines Hobbyisten“.

Dies ist nachweislich nicht zutreffend und muss gerade auch dem Antragsteller als einem Beamten im Polizeivollzugsdienst bekannt sein.

Die Reichsbürgerbewegung entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verstärkt in Erscheinung, seit 2013 auch mit Militanz. Der Bundesverfassungsschutz rechnet der Bewegung im September 2017 rund 15.000 Personen zu; davon gelten 900 Personen als Rechtsextremisten. Rund 13.000 Straftaten werden „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ seit deren Erfassung zugerechnet, davon 750 Gewaltdelikte (Quelle: Wikipedia). Die Zahl der der Reichbürgerszene zuzurechnenden Personen ist allein in Bayern inzwischen auf ca. 3.500 Personen angestiegen (Nürnberger Nachrichten vom 27.12.2017).

Es gibt zudem eine Reihe von im Internet abrufbaren Publikationen, die sich mit der Reichbürgerbewegung befassen. So hat beispielsweise das Amt für Verfassungsschutz des Freistaats Thüringen eine Broschüre mit dem Titel „Reichsbürger“ - Querulanten oder Verfassungsfeinde?“, Stand September 2017 herausgegeben.

An der Existenz der Reichsbürgerbewegung bestehen deshalb keine Zweifel.

Die Argumentation des Antragstellers beinhaltet für Anhänger der Reichsbürgerbewegung typische Formulierungen, die sich insbesondere in seinem Schreiben vom 28. Mai 2017 dokumentieren. Dort bezeichnet sich der Antragsteller auf Seite 4 beispielsweise selbst als „die Person … …“ und spricht auf Seite 1 von „der Person … in der Funktion als Regierungsdirektor“. Beide Formulierungen erwecken zumindest den Eindruck, als ob der Antragsteller Zweifel an der Legitimation des Handelns von Herrn RD … hegt und sich selbst als eine außerhalb des Staatssystem der Bundesrepublik Deutschland sehende Person ansieht.

Der Antragsteller bestreitet in dem genannten Schreiben erneut die Existenz der Reichsbürgerbewegung und spricht von einer Hexenjagd auf „Reichsbürger“. Er unterstellt, dass ungesetzliche Ermittlungen auf der Grundlage von Verordnungen durchgeführt würden, die von den Aliierten ausdrücklich verboten worden seien, womit der Antragsteller die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zumindest teilweise in Frage stellt.

Bereits auf der Grundlage der vorstehend unter Ziffer II. dieses Beschlusses genannten Feststellungen durfte die Antragsgegnerin bei summarischer Prüfung ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass der Antragsteller schuldhaft gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen und damit ein innerdienstliches einheitliches Dienstvergehen im Sinne § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen hat. Denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG, U.v. 28.11.2001 - 16 D 00.2077, juris; BayVGH, U.v. 28.11.2001 - 16 D 00.2077, juris; VG Mageburg, U.v. 30.3.2017 – 15 A 16/16, juris).

Es ist deshalb nicht mehr entscheidungserheblich, ob und in welchem Umfang die auf dem sichergestellten PC-Tower Asus aufgefundenen Dateien dem Antragsteller oder seiner Lebensgefährtin zuzurechnen sind und zu Lasten des Antragstellers berücksichtigt werden können.

Nach § 13 Abs. 1 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14, juris; U.v. 29.10.2013 - 1 D 1.12, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 BDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 BDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 2 C 12.04, BVerwGE 124, 252).

Bei summarischer Prüfung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 BDG zur Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis führen wird, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Antragsgegners und auch der Allgemeinheit endgültig verloren haben dürfte (§ 13 Abs. 2 BDG).

Der Antragsteller hat gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Wie bereits ausgeführt handelt es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), da die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unteilbar ist und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte.

Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, U.v. 8.5.2011 - 1 D 20.00, juris; BVerfG, B.v. 5.12.2008 - 1 BvR 1318/07. juris; LAG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2010 - 10 Sa 308/10, juris VG Magdeburg, U.v. 8.6.2011 - 8 A 16/10 MD, juris), wobei vorliegend jedoch eine tatsächliche Beeinträchtigung zu bejahen wäre. Denn von einem Polizeivollzugsbeamten ist als Repräsentant der staatlichen Ordnung zu erwarten, dass er die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der staatlichen Gesetzte respektiert und sein polizeiliches dienstliches und außerdienstliches Handeln danach bestimmt. Die Bürger und damit die Öffentlichkeit begegnen einem Polizeivollzugsbeamten, der sich mit der Reichsbürgerszene identifiziert und deren Gedankengut vertritt, mit Unverständnis, was zu einem Ansehensschaden des Berufs des Polizeivollzugsbeamten, der Polizei und der gesamten staatlichen Ordnung führt.

Durchgreifende Milderungsgründe, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.

Wegen der prognostizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erweist sich auch die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 BDG als rechtmäßig. Bezüglich der Bestimmung der Höhe des Einbehaltungssatzes hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen gesehen und ausgeübt. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen, jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. BVerwG, U.v. 13.8.1979 - 1 DB 14.79, juris; VG Berlin, B.v. 2.2.2007 - 80 Dn 59.06, juris; VG Magdeburg, B.v. 27.11.2006 - 8 A 17/06 und v. 19.5.2009 - 8 B 7/09, juris; B.v. 25.2.2015 - 8 B 20/14 und B.v. 17.9.2015, 8 B 10/15, juris).

Dass diese Voraussetzungen nicht eingehalten worden wären, ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch selbst nicht behauptet.

Der Antrag ist deshalb abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 28. Dez. 2017 - AN 13a DS 17.01351

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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 28. Dez. 2017 - AN 13a DS 17.01351 zitiert 36 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 13 Bemessung der Disziplinarmaßnahme


(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll b

Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 4


(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach d

Strafgesetzbuch - StGB | § 186 Üble Nachrede


Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 77 Kostentragung und erstattungsfähige Kosten


(1) Für die Kostentragungspflicht der Beteiligten und die Erstattungsfähigkeit von Kosten gelten die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, sofern sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. (2) Wird eine Diszip

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 116


(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmlin

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 38 Zulässigkeit


(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 33 Grundpflichten


(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 61 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Strafgesetzbuch - StGB | § 164 Falsche Verdächtigung


(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Abs

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 17 Einleitung von Amts wegen


(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 34 Erhebung der Disziplinarklage


(1) Soll gegen den Beamten auf Zurückstufung, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden, ist gegen ihn Disziplinarklage zu erheben. (2) Die Disziplinarklage wird bei Beamten durch die oberste Dienst

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 60 Mündliche Verhandlung, Entscheidung durch Urteil


(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt. (2) Bei einer Disziplin

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 5 Arten der Disziplinarmaßnahmen


(1) Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte sind: 1. Verweis (§ 6)2. Geldbuße (§ 7)3. Kürzung der Dienstbezüge (§ 8)4. Zurückstufung (§ 9) und5. Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10). (2) Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte sind: 1. Kürzu

Strafgesetzbuch - StGB | § 187 Verleumdung


Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit F

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 7 Voraussetzungen des Beamtenverhältnisses


(1) In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer 1. Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes ist oder die Staatsangehörigkeit a) eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oderb) eines anderen Ve

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 84 Ausübung der Disziplinarbefugnisse bei Ruhestandsbeamten


Bei Ruhestandsbeamten werden die Disziplinarbefugnisse durch die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zuständige oberste Dienstbehörde ausgeübt. Diese kann ihre Befugnisse durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Diens

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 63 Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen


(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei de

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 52 Klageerhebung, Form und Frist der Klage


(1) Die Disziplinarklage ist schriftlich zu erheben. Die Klageschrift muss den persönlichen und beruflichen Werdegang des Beamten, den bisherigen Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 60 Grundpflichten


(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 66 Verbot der Führung der Dienstgeschäfte


Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde kann einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen di

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 20 Unterrichtung, Belehrung und Anhörung des Beamten


(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er i

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 62 Antrag auf gerichtliche Fristsetzung


(1) Ist ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden, kann der Beamte bei dem Geri

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 21 Pflicht zur Durchführung von Ermittlungen, Ausnahmen


(1) Zur Aufklärung des Sachverhalts sind die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dabei sind die belastenden, die entlastenden und die Umstände zu ermitteln, die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsam sind. Der höhere Dienstvorge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 56 Mindestmitgliederzahl des Vereins


Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt.

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 46 Kammer für Disziplinarsachen


(1) Die Kammer für Disziplinarsachen entscheidet in der Besetzung von drei Richtern und zwei Beamtenbeisitzern als ehrenamtlichen Richtern, wenn nicht ein Einzelrichter entscheidet. An Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und an Gerichtsb

Bundesdisziplinargesetz - BDG | § 82 Polizeivollzugsbeamte des Bundes


Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bestimmt durch Rechtsverordnung, welche Vorgesetzten der Polizeivollzugsbeamten des Bundes als Dienstvorgesetzte im Sinne des § 33 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 gelten.

Polizeivollzugsbeamten-Dienstvorgesetztenverordnung - PolVBDVorgV | § 1 Bundespolizei


(1) Dienstvorgesetzte der ihnen nachgeordneten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei im Sinne des § 33 Absatz 2 des Bundesdisziplinargesetzes sind 1. die Bundesministerin oder der Bundesminister des Innern, für Bau un

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Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 28. Dez. 2017 - AN 13a DS 17.01351 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Dez. 2010 - 10 Sa 308/10

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weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22. Februar 2010, Az.: 3 Ca 725/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird

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(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde kann einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde stellen im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher; sie können das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen. Die Einleitung ist aktenkundig zu machen.

(2) Ist zu erwarten, dass nach den §§ 14 und 15 eine Disziplinarmaßnahme nicht in Betracht kommt, wird ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet. Die Gründe sind aktenkundig zu machen und dem Beamten bekannt zu geben.

(3) Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die nicht im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, und beabsichtigt der Dienstvorgesetzte, zu dessen Geschäftsbereich eines dieser Ämter gehört, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, teilt er dies den Dienstvorgesetzten mit, die für die anderen Ämter zuständig sind. Ein weiteres Disziplinarverfahren kann gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts nicht eingeleitet werden. Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, kann nur der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten, der für das Hauptamt zuständig ist.

(4) Die Zuständigkeiten nach den Absätzen 1 bis 3 werden durch eine Beurlaubung, eine Abordnung oder eine Zuweisung nicht berührt. Bei einer Abordnung geht die aus Absatz 1 sich ergebende Pflicht hinsichtlich der während der Abordnung begangenen Dienstvergehen auf den neuen Dienstvorgesetzten über, soweit dieser nicht ihre Ausübung den anderen Dienstvorgesetzten überlässt oder soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben das ihnen übertragene Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesministerium der Finanzen sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz werden ermächtigt, jeweils für ihren Geschäftsbereich die Einzelheiten zu den Sätzen 2 bis 4 durch Rechtsverordnung zu regeln. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(3) Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, an Maßnahmen der dienstlichen Qualifizierung zur Erhaltung oder Fortentwicklung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten teilzunehmen.

(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen.

(2) Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird dem Beamten eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Hat der Beamte rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, eine Frist nach Satz 1 einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder er erneut zu laden. Die Fristsetzungen und Ladungen sind dem Beamten zuzustellen.

(3) Ist die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

(1) Zur Aufklärung des Sachverhalts sind die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dabei sind die belastenden, die entlastenden und die Umstände zu ermitteln, die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsam sind. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde können die Ermittlungen an sich ziehen.

(2) Von Ermittlungen ist abzusehen, soweit der Sachverhalt auf Grund der tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, durch das nach § 9 des Bundesbesoldungsgesetzes über den Verlust der Besoldung bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst entschieden worden ist, feststeht. Von Ermittlungen kann auch abgesehen werden, soweit der Sachverhalt auf sonstige Weise aufgeklärt ist, insbesondere nach der Durchführung eines anderen gesetzlich geordneten Verfahrens.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Die Kammer für Disziplinarsachen entscheidet in der Besetzung von drei Richtern und zwei Beamtenbeisitzern als ehrenamtlichen Richtern, wenn nicht ein Einzelrichter entscheidet. An Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und an Gerichtsbescheiden wirken die Beamtenbeisitzer nicht mit. Einer der Beamtenbeisitzer soll dem Verwaltungszweig und der Laufbahngruppe des Beamten angehören, gegen den sich das Disziplinarverfahren richtet.

(2) Für die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter gilt § 6 der Verwaltungsgerichtsordnung. In dem Verfahren der Disziplinarklage ist eine Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen.

(3) Der Vorsitzende der Kammer für Disziplinarsachen entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
bei Zurücknahme der Klage, des Antrags oder eines Rechtsmittels,
2.
bei Erledigung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens in der Hauptsache und
3.
über die Kosten.
Ist ein Berichterstatter bestellt, entscheidet er anstelle des Vorsitzenden.

(4) Die Landesgesetzgebung kann die Besetzung der Kammer für Disziplinarsachen abweichend von den Absätzen 1 bis 3 regeln. Soweit nach Landesrecht für die Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz eine andere Besetzung der Kammer für Disziplinarsachen vorgesehen ist, gilt diese Besetzung, wenn nichts anderes bestimmt wird, auch für die gerichtlichen Verfahren nach diesem Gesetz.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet über die Klage, wenn das Disziplinarverfahren nicht auf andere Weise abgeschlossen wird, auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil. § 106 der Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewandt.

(2) Bei einer Disziplinarklage dürfen nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsdisziplinarklage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden. Das Gericht kann in dem Urteil

1.
auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme (§ 5) erkennen oder
2.
die Disziplinarklage abweisen.

(3) Bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung prüft das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

(1) Ist ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden, kann der Beamte bei dem Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen. Die Frist des Satzes 1 ist gehemmt, solange das Disziplinarverfahren nach § 22 ausgesetzt ist.

(2) Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vor, bestimmt das Gericht eine Frist, in der es abzuschließen ist. Anderenfalls lehnt es den Antrag ab. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(3) Wird das behördliche Disziplinarverfahren innerhalb der nach Absatz 2 bestimmten Frist nicht abgeschlossen, ist es durch Beschluss des Gerichts einzustellen.

(4) Der rechtskräftige Beschluss nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Der Beamte kann die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen beim Gericht beantragen; Gleiches gilt für den Ruhestandsbeamten bezüglich der Einbehaltung von Ruhegehalt. Der Antrag ist bei dem Oberverwaltungsgericht zu stellen, wenn bei ihm in derselben Sache ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

(2) Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

(3) Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach Absatz 1 gilt § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Soll gegen den Beamten auf Zurückstufung, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden, ist gegen ihn Disziplinarklage zu erheben.

(2) Die Disziplinarklage wird bei Beamten durch die oberste Dienstbehörde, bei Ruhestandsbeamten durch den nach § 84 zur Ausübung der Disziplinarbefugnisse zuständigen Dienstvorgesetzten erhoben. Die oberste Dienstbehörde kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; die Anordnung ist im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. § 17 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz sowie Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

Bei Ruhestandsbeamten werden die Disziplinarbefugnisse durch die zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zuständige oberste Dienstbehörde ausgeübt. Diese kann ihre Befugnisse durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf nachgeordnete Dienstvorgesetzte übertragen; die Anordnung ist im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Besteht die zuständige oberste Dienstbehörde nicht mehr, bestimmt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, welche Behörde zuständig ist.

(1) Dienstvorgesetzte der ihnen nachgeordneten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei im Sinne des § 33 Absatz 2 des Bundesdisziplinargesetzes sind

1.
die Bundesministerin oder der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat,
2.
die Präsidentin oder der Präsident des Bundespolizeipräsidiums,
3.
die Präsidentin oder der Präsident einer Bundespolizeidirektion, die Präsidentin oder der Präsident der Bundespolizeiakademie und die Leiterin oder der Leiter des Fachbereichs Bundespolizei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,
4.
die Führerinnen oder Führer oder Leiterinnen oder Leiter
a)
der Bundespolizeiabteilungen,
b)
der Bundespolizeiinspektionen,
c)
der Bundespolizeiaus- und  -fortbildungszentren,
d)
der Studienorganisation beim Fachbereich Bundespolizei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,
e)
der Bundespolizeisportschulen,
f)
der Bundespolizei See,
g)
der Bundespolizei Flughafen München,
h)
der Bundespolizei-Fliegergruppe,
i)
der GSG 9 der Bundespolizei,
j)
der Dienststelle Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei,
k)
der Dienststelle Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei,
l)
der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei,
m)
der Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten,
5.
die Führerinnen oder Führer oder Leiterinnen oder Leiter
a)
der Bundespolizei-Fliegerstaffeln,
b)
der Einsatzbereiche der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei,
c)
der Hundertschaften.

(2) Dienstvorgesetzte der ihnen nachgeordneten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei im Sinne des § 33 Absatz 3 Nummer 2 und Absatz 5 des Bundesdisziplinargesetzes sind die in Absatz 1 Nummer 2 und 3 genannten Vorgesetzten.

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bestimmt durch Rechtsverordnung, welche Vorgesetzten der Polizeivollzugsbeamten des Bundes als Dienstvorgesetzte im Sinne des § 33 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 gelten.

(1) Dienstvorgesetzte der ihnen nachgeordneten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei im Sinne des § 33 Absatz 2 des Bundesdisziplinargesetzes sind

1.
die Bundesministerin oder der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat,
2.
die Präsidentin oder der Präsident des Bundespolizeipräsidiums,
3.
die Präsidentin oder der Präsident einer Bundespolizeidirektion, die Präsidentin oder der Präsident der Bundespolizeiakademie und die Leiterin oder der Leiter des Fachbereichs Bundespolizei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,
4.
die Führerinnen oder Führer oder Leiterinnen oder Leiter
a)
der Bundespolizeiabteilungen,
b)
der Bundespolizeiinspektionen,
c)
der Bundespolizeiaus- und  -fortbildungszentren,
d)
der Studienorganisation beim Fachbereich Bundespolizei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung,
e)
der Bundespolizeisportschulen,
f)
der Bundespolizei See,
g)
der Bundespolizei Flughafen München,
h)
der Bundespolizei-Fliegergruppe,
i)
der GSG 9 der Bundespolizei,
j)
der Dienststelle Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei,
k)
der Dienststelle Besondere Schutzaufgaben Luftverkehr der Bundespolizei,
l)
der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei,
m)
der Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten,
5.
die Führerinnen oder Führer oder Leiterinnen oder Leiter
a)
der Bundespolizei-Fliegerstaffeln,
b)
der Einsatzbereiche der Einsatz- und Ermittlungsunterstützung der Bundespolizei,
c)
der Hundertschaften.

(2) Dienstvorgesetzte der ihnen nachgeordneten Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizei im Sinne des § 33 Absatz 3 Nummer 2 und Absatz 5 des Bundesdisziplinargesetzes sind die in Absatz 1 Nummer 2 und 3 genannten Vorgesetzten.

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bestimmt durch Rechtsverordnung, welche Vorgesetzten der Polizeivollzugsbeamten des Bundes als Dienstvorgesetzte im Sinne des § 33 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 gelten.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde stellen im Rahmen ihrer Aufsicht die Erfüllung dieser Pflicht sicher; sie können das Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen. Die Einleitung ist aktenkundig zu machen.

(2) Ist zu erwarten, dass nach den §§ 14 und 15 eine Disziplinarmaßnahme nicht in Betracht kommt, wird ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet. Die Gründe sind aktenkundig zu machen und dem Beamten bekannt zu geben.

(3) Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die nicht im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, und beabsichtigt der Dienstvorgesetzte, zu dessen Geschäftsbereich eines dieser Ämter gehört, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, teilt er dies den Dienstvorgesetzten mit, die für die anderen Ämter zuständig sind. Ein weiteres Disziplinarverfahren kann gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts nicht eingeleitet werden. Hat ein Beamter zwei oder mehrere Ämter inne, die im Verhältnis von Haupt- zu Nebenamt stehen, kann nur der Dienstvorgesetzte ein Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten, der für das Hauptamt zuständig ist.

(4) Die Zuständigkeiten nach den Absätzen 1 bis 3 werden durch eine Beurlaubung, eine Abordnung oder eine Zuweisung nicht berührt. Bei einer Abordnung geht die aus Absatz 1 sich ergebende Pflicht hinsichtlich der während der Abordnung begangenen Dienstvergehen auf den neuen Dienstvorgesetzten über, soweit dieser nicht ihre Ausübung den anderen Dienstvorgesetzten überlässt oder soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Hierbei ist ihm zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen.

(2) Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird dem Beamten eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Hat der Beamte rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, eine Frist nach Satz 1 einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder er erneut zu laden. Die Fristsetzungen und Ladungen sind dem Beamten zuzustellen.

(3) Ist die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt die Disziplinarklage gegen die beklagten Polizeivollzugsbeamten im Rang von Polizeikommissaren mit dem Ziel ihrer Entfernung aus dem Dienst.

I.

2

Die Beklagte zu 1), geb. 06.09.1965, absolvierte im Anschluss an ihren Schulabschluss der 10. Klasse (Polytechnische Oberschule) bis 1984 eine Lehre als Polsterin. Danach war sie in unterschiedlichen Berufszweigen tätig. 1993 wurde sie zur Polizeimeisterin zur Anstellung ernannt und 1994 an das Polizeirevier B-Stadt als Sachbearbeiterin Einsatz versetzt. Mit Wirkung vom 24.07.1995 erfolgte die Lebenszeitverbeamtung. Im Jahr 2000 wurde sie zur Polizeiobermeisterin befördert und nach erfolgreichem Abschluss der Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA im Jahre 2011 zur Polizeikommissarin ernannt. Seitdem ist sie im Streifeneinsatzdienst und als Einsatzführerin tätig.

3

Dienstlich beurteilt wurde sie zuletzt im März 2009 mit der Gesamtbewertung "gut" bei 267 Punkten. Eine weitere Beurteilung konnte ihr bisher noch nicht eröffnet werden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsbeurteilung: "C").

4

Die Beklagte zu 1) ist Mutter zweier erwachsener Kinder. Dem jüngsten Kind (D… geb. 20.01.1995) zahlt sie derzeit noch Unterhalt. Seit 1994 ist sie in zweiter Ehe mit dem Beklagten zu 2) verheiratet. Sie hat keine Vorbelastungen/Strafen.

II.

5

Der Beklagte zu 2), geboren am 20.12.1960, absolvierte nach Abschluss der 10. Klasse eine Lehre als Fahrzeugschlosser und verrichtete ab 1979 Dienst bei der Nationalen Volksarmee. Am 01.11.1989 nahm er seinen Dienst im damaligen Polizeikreisamt B-Stadt auf und wurde im Juli 1991 zum Beamten auf Widerruf (Polizeiobermeister) ernannt. 1994 wurde er auf Lebenszeit verbeamtet und 2005 zum Polizeihauptmeister befördert. Nach Absolvierung der sechsmonatigen Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA wurde er 2010 zum Polizeikommissar ernannt und ist seitdem als Sachbearbeiter Einsatz (Einsatzführer) tätig.

6

Die dienstliche Beurteilung vom 23.11.2010 schloss er mit der Gesamtbewertung "befriedigend" mit 248 Punkten ab. Eine weitere Beurteilung ist ihm bisher noch nicht eröffnet worden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsurteil: "B").

7

Der Beklagte zu 2) hat ein 1995 geborenes gemeinsames Kind mit der Beklagten zu 1). In der Personalakte sind zwei weitere Kinder (N…, geb. 19.10.1982; V…, geb. 20.02.1987) vermerkt. Er hat keine Vorbelastungen/Strafen.

III.

8

Mit Schreiben vom 28.04.2014 zog das Sozialamt des Landkreises … die Beklagte zu 1) zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages für ihre Mutter in Höhe von 160,00 EUR einschließlich einer Nachzahlung in Höhe von 960,00 EUR heran. Durch die wiederholten Nachfragen des Sozialamtes sahen sich die Beklagten nach eigenen Angaben in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht und erhoben in einem als "Familie, D… und B." gemeinsam unterzeichneten Schreiben vom 05.05.2015 Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung des Sozialamtes. Dem Widerspruchsschreiben war als Anlage u.a. eine "juristische Aufklärung" beigefügt, bei der es sich um einen Vordruck aus dem Internet handelt. Die "juristische Aufklärung" ist handschriftlich überschrieben mit "Beachte: gültige Rechtsnorm!" und beginnt mit den Worten: "Zuallererst juristische Aufklärung:" Im Folgenden wird u.a. ausgeführt, dass das Grundgesetz zumindest seit 1990 keinen Geltungsbereich mehr habe, Gesetze wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit ungültig und nichtig seien, es keine unabhängigen "BRD-Richter" mehr gebe (zu den weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 36 – 39 d. B.A. verwiesen).

9

Am 21.05.2014 übersandten die Beklagten ein weiteres Schreiben an den Landkreis …, dass als Absender " und aus der Familie B. – Mensch und Natürliche Person entspr. § 1 des staatlichen B" auswies und ebenfalls ein aus dem Internet vorgefertigtes Schreiben darstellt, welches auf die jeweiligen Behörden zugeschnitten werden kann und im Wesentlichen zum Inhalt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend gegründet sei und insbesondere hoheitliche Akte der Verwaltungsbehörden ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage seien. Insbesondere heißt es in dem vorgenannten Schreiben:

10

"Ihre o.g. Forderungen basieren letztlich auf dem Grundgesetz (GG). Weder meine Vorfahren noch ich haben das Grundgesetz (GG) noch die darauf basierenden Gesetze legitimiert. […]. Darüber hinaus ist das GG gemäß seinen eigenen Bestimmungen offenkundig sowieso ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetze etc. sind nichtig".

11

Das Schreiben wurde von jedem Beklagten persönlich auf jeder Seite unterzeichnet. Außerdem ist der Vordruck in Teilen individualisiert. Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 21.05.2015 (Bl. 42 – 46 d. B.A.) verwiesen.

12

Der Landrat des Landkreises … wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 01.08.2014 (Bl. 1 d. B.A.) an den Leiter des Polizeireviers ... und informierte diesen über den Inhalt des Schreibens vom 21.05.2014. Er teilte ferner mit, dass das Schreiben aus seiner Sicht eine schwerwiegende Verletzung beamtenrechtlicher Dienst- und Treuepflichten darstelle.

13

Unter dem 09.09.2014 wurde wegen des Schreibens vom 21.05.2014 ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagten eingeleitet. Das vorhergehende Schreiben vom 05.05.2014 war der Klägerin zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Mit Verfügungen vom 21.10.2014 wurden die Beklagten vorläufig des Dienstes enthoben (§ 38 Abs. 1 DG LSA). Außerdem wurde am 20.01.2015 die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 45 % bei der Beklagten zu 1) und zu 55 % bei dem Beklagten zu 2) angeordnet (§ 38 Abs. 2 DG LSA).

14

Auf Antrag der Beklagten hob das Disziplinargericht mit Beschlüssen vom 16.03.2015 (8 B 2/15 MD; 8 B 4/15 MD; 8 B 3/15 MD; 8 B 5/15 MD) die vorläufigen Dienstenthebungen und den teilweisen Einbehalt der Dienstbezüge auf. Mit Beschluss vom 21.05.2015 (10 M 4/15) lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Anträge der Beamten (10 M 4/15; 10 M 6/15; 10 M 5/15; 10 M 7/1) ab. Die vorläufigen Dienstenthebungen und der jeweils angeordnete teilweise Einbehalt der Dienstbezüge blieben aufrechterhalten. Noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens hatte die Klägerin das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 23.04.2015 u.a. auch auf das Schreiben vom 05.05.2014 ausgedehnt.

15

Mit der Disziplinarklage vom 13.03.2016 (Eingang 16.03.2016) werden die Beklagten angeschuldigt, schuldhaft ein schweres Dienstvergehen begangen zu haben, indem sie ihre beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt hätten. Nach § 33 BeamtStG bestehe die Grundpflicht des Beamten darin, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Die Äußerungen der Beklagten in den Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 seien substanziell geeignet, ihre beamtenrechtlichen Pflichten zur Verfassungstreue und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes zu verletzen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass mit den vorgeworfenen Handlungen eine deutliche inner- und außerdienstliche Ansehensschädigung bereits eingetreten sei. Es sei unstreitig, dass Dritte, denen die Dienstverhältnisse bekannt geworden seien, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Polizeibeamten als erheblich störend empfunden hätten. Beim Sozialamt des Landkreises ... handele es sich zudem um jene Organisationseinheit, für die die Beklagten auch dienstlich zuständig seien. Polizeivollzugsbeamte seien als Teil der staatlichen Gewalt der Rechtsordnung in besonderem Maße verpflichtet und hätten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages entsprechend zu handeln. Dies gelte gerade im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamte in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden seien und ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und mit den Organen der Strafrechtspflege erforderten. Das Vertrauen des Dienstherrn zu den Beklagten sei völlig zerstört. Die Verletzung gewichtiger dienstrechtlicher Pflichten überschreite in qualitativer und quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz erheblich. Die Beklagten hätten gezeigt, dass die Verwaltung sich nicht auf sie verlassen könne, da sie eigene Interessen hinter zwingenden Geboten der Rechtsordnung zurückstehen ließen. Auch das Nachtatverhalten gebe den Anschein, dass die Beklagten zur Reflektion ihres Verhaltens nicht motiviert seien.

16

Anhaltspunkte für verfassungswidrige Bestrebungen seien bei den Beklagten zwar nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Schreiben vom 05.05.2014 und 21.05.2014 könne aber davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten mit den im Internet vorgefundenen Inhalten und deren Rechtsausführungen auseinandergesetzt und unverkennbar identifiziert hätten. Eine Distanzierung im Verhalten sei nicht zu erkennen. Ihre fehlende Reue und Einsicht und das Verhalten nach Einleitung des Disziplinarverfahrens sprächen nicht von der Abkehr der in den Schreiben zum Ausdruck gebrachten Negierung der Geltung des Grundgesetzes.

17

Die Beklagten hätten vorsätzlich gehandelt. Aufgrund ihrer Vertrautheit mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen und dem speziellen Polizeirecht als Teil des Verwaltungsrechts und auch wegen der beruflichen Stellung als Polizeibeamten sei es ihnen möglich gewesen, die besondere Erheblichkeit ihres beamtenunwürdigen Verhaltens in persönlicher und sozialer Angelegenheit einzuschätzen.

18

Milderungs- und Schuldausschließungsgründe seien nicht ersichtlich. Insbesondere hätten die Beklagten die behauptete existenzbedrohende Situation nicht durch Belege nachgewiesen, noch handele es sich um eine einmalige persönlichkeitsfremde Gelegenheitstat oder das Vorliegen einer psychischen Ausnahmesituation. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beklagten auf Grund ihrer Persönlichkeit auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen würden.

19

Die Klägerin beantragt,

20

die Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

21

Die Beklagten beantragen jeweils

22

die Disziplinarklage abzuweisen.

23

Zur Begründung führen die Beklagten aus, dass sie kein Dienstvergehen begangen hätten. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass die Absendung der aus dem Internet entnommenen Schreiben ein Dienstvergehen darstelle. Die Schreiben seien vielmehr nur ein "Trick" gewesen, um den Forderungen des Sozialamtes, die sich nachträglich auch als unberechtigt herausgestellt hätten, zu entgehen. Zudem bestünden keinerlei Zweifel an ihrer Verfassungstreue. Sie seien sich ihrer Verantwortung als Polizeibeamte bewusst. Ihr Dienst sei seit Jahren tadellos. Sie hätten keinerlei Kontakte zur sog. "Reichsbürgerbewegung". Bei dem hier relevanten außerdienstlichen Verhalten fehle sowohl der funktionale Dienstbezug, noch sei das im Rahmen einer Ansehens- und Vertrauensverletzung erforderliche Tatbestandsmerkmal "in besonderem Maße" gegeben.

24

Zudem liege ein Beweisverwertungsverbot vor, da der Landkreis ... die Schreiben nicht an die Klägerin habe weiterleiten dürfen.

25

Die Beklagten rügen ferner, dass eine gemeinsame Disziplinarklagenerhebung gegen mehrere Beamte unzulässig sei. Dies sehe weder das Bundesdisziplinargesetz (BDG) noch das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) vor. Auch sei der Personalrat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz (PersVertrG) weder im Disziplinarverfahren noch im Rahmen der Durchführung des Disziplinarklageverfahrens beteiligt worden.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die gemeinsame Erhebung der Disziplinarklage gegen die Beklagten ist zulässig.

1.

28

Gemäß § 3 DG LSA i.V.m. 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO steht es der Klägerin frei, gegen beide Beklagten nur eine Disziplinarklage zu erheben, da der gegenüber den Beklagten erhobene disziplinarrechtlich relevante Vorwurf gleichartig ist und auf einem gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht. Die Klägerin bestimmt durch ihre Klageerhebung, wer als Beklagter am Verfahren beteiligt ist (vgl. § 3 DG LSA i.V.m. § 63 Nr. 2 VwGO). Insbesondere steht dem nicht § 93 VwGO entgegen, da dieser nur regelt, dass das Gericht – hier das Disziplinargericht - nach Klageerhebung zur Verfahrensverbindung bzw. -trennung befugt ist und im Umkehrschluss die Klägerin die Verfahrensverbindung bzw. –trennung nach einmal erhobener Klage nicht mehr ohne Weiteres bewirken kann.

29

Dass ihm Rahmen des Disziplinarrechts – insbesondere bei Disziplinarklagen – etwas anderes gelten sollte, d.h. die Disziplinarklage nur jeweils gegen einen Beamten erhoben werden dürfe, ist nicht ersichtlich (a.A. Hummel/Köhler/Mayer: BDG Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 4. Aufl. 2010, § 52, Rn. 6). Für das Bestehen besonders schutzbedürftiger Belange der Beamten, die auf eine gesondert erhobene Disziplinarklage gerichtet wären, sieht das Disziplinargericht keine Anhaltspunkte. Es ist daher nicht ersichtlich, warum der Klägerin eine gemeinsame Klageerhebung verwehrt werden sollte, wenn das Disziplinargericht eine Verfahrensverbindung hätte beschließen können. Die Voraussetzungen nach § 93 VwGO liegen hier zudem vor, da beide Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen und eine Verfahrensverbindung auch sachdienlich wäre. So hat auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in den Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebungen und des vorläufigen teilweisen Einbehalts der Dienstbezüge die Verfahren miteinander verbunden (vgl. Beschlüsse vom 21.05.2015 – 10 M 4-7/15).

2.

30

Die von den Beklagten gerügte fehlende Mitwirkung der Personalvertretung greift nicht durch. Nach § 66 PersVG LSA unterliegen die Durchführung von disziplinarrechtlichen Ermittlungen sowie der Erlass der Disziplinarverfügung oder die Erhebung der Disziplinarklage nicht der Mitbestimmung des Personalrats (VG Magdeburg, Urt. v. 13.12.2013, 8 A 17/12 MD; juris; mit Verweis zur anderen Rechtslage im Bund: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; in Baden-Württemberg: VG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2010, DL 20 K 2137/09; juris). § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz des Bundes ist auf Beamte des Landes Sachsen-Anhalt nicht anwendbar.

II.

31

Die Disziplinarklagen sind begründet. Die Beklagten haben ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches für jeden Beklagten die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht.

1.

32

Die Klägerin legt den Beklagten zu Recht ein einheitliches Dienstvergehen in Gestalt zweier schuldhafter Dienstpflichtverletzungen durch das jeweilige Versenden der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 an den Landkreis ... zur Last. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, wobei ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen darstellt, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG).

33

Das Disziplinargericht ist überzeugt, dass die Beklagten schuldhaft gegen ihre beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 47 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG) (a) sowie gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) (b) verstoßen haben. Dabei stellt der Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht eine innerdienstliche Pflichtverletzung dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).

34

a) Die Beamten haben eine außerdienstliche Dienstpflichtverletzung gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG begangen, indem sie das Schreiben vom 05.05.2014 nebst der Anlage "juristische Aufklärung" und das Schreiben vom 21.05.2014 an den Landkreis ... versendet haben. Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, Beschl. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

35

Das Gericht hat keine Zweifel, dass das Versenden der Schreiben, in denen die Beamten u.a. die Bundesrepublik Deutschland für ungültig und nichtig erklären und auch die auf dem Grundgesetz basierenden Gesetze nicht anerkennen, eine eindeutige und eklatante Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG darstellt. Die Verwendung der beiden Schreiben im Rechtsverkehr ist unvereinbar mit der Treuepflicht eines Polizeibeamten. Ein derartiges Verhalten schädigt das Ansehen der Polizei als einer tragenden Institution des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates.

36

(aa) Ohne Erfolg tragen die Beklagten vor, dass eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht als Teil der Ansehensschädigung nicht in Betracht komme, da das Ansehen des Beamtentums jedenfalls in der Öffentlichkeit gar nicht beschädigt worden sei, da beide Schreiben nur an die Mitarbeiterin des Sozialamtes ... versandt worden und diese nur als Funktionsträgerin einer Behörde und nicht als Öffentlichkeit zu betrachten sei.

37

Die Verwendung der beiden vorgenannten Schreiben erfolgte nicht lediglich im geschützten privaten Bereich der Beklagten, etwa der eigenen Wohnung. Die Beklagten haben vielmehr die Schreiben durch Versenden aus ihrem eigenen Zugriffs- und Machtbereich entlassen und ihr Verhalten damit öffentlich gemacht. Die Öffentlichkeit war spätestens hergestellt, als das Schreiben der Mitarbeiterin des Sozialamtes ... als dessen Funktionsträgerin zuging. Das Tatbestandsmerkmal "öffentlich" erfordert nicht, dass das dienstpflichtverletzende Verhalten einer unbestimmten Anzahl / Gruppe von Personen zugänglich ist. Auch ist in diesem Rahmen nicht relevant, dass die Beklagten nach eigenem Vortrag davon ausgegangen seien, dass die Schreiben aufgrund datenschutzrechtlicher Vorschriften nur im Rahmen ihres privaten Behördenverfahrens verwendet würden. Entscheidend ist, dass auch die Kommunikation zwischen einer Privatperson und einer Behörde Teil des Rechtsverkehrs ist, d.h. andere, dritte Parteien (natürliche und juristische Personen) außerhalb des geschützten privaten Bereichs der Beklagten Kenntnis von dem Verhalten nehmen konnten und sollten.

38

(bb) Die Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten stellt sich dem Gericht als außerdienstliches Verhalten dar. Nach der gebotenen materiellen Betrachtung richtet sich die Bewertung eines Verhaltens als inner- oder außerdienstlich danach, ob es dem dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten oder dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist. Außerdienstlich ist ein Verhalten, das sich als dasjenige einer Privatperson darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2011 – 1 D 55.99, juris, Rn. 57). Letzteres ist hier der Fall, weil die Beklagten die Schreiben als Privatpersonen gegenüber dem Sozialamt ... abgesendet haben.

39

(cc) Ein Verhalten außerhalb des Dienstes erfüllt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn es nach den Umständen des Einzelfallesin besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

40

Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; VG Magdeburg, Urt. v. 27.11.2014, 8 A 5/14 MD; alle juris).

41

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

42

Der somit zu fordernde Dienstbezug ist nicht allein in den Fällen gegeben, in denen der Beamte auf seinem Dienstposten mit gerade denjenigen Aufgaben befasst war, die Gegenstand des ihm zur Last gelegten außerdienstlichen Fehlverhaltens sind (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, juris, Rn. 7). Der Bezug zwischen einer außerdienstlichen Pflichtverletzung und dem Dienstposten des Beamten besteht vielmehr, wenn die Pflichtverletzung bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt oder wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ferner ist ein außerdienstliches Verhalten geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, vgl. insbesondere zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16; beide zitiert in juris)

43

Hieran gemessen haben die Beklagten dem für die Tätigkeit der Polizei unabdingbaren Vertrauen der Bevölkerung in ihre Bereitschaft, als Polizeibeamte jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, nachhaltig durch das wiederholte Negieren der Gültigkeit des Grundgesetzes den Boden entzogen und damit unwiderruflich zerstört.

44

Das Leugnen der Existenz der Bundesrepublik als Staat und der davon ausgehenden staatlichen Gewalt schadet dem Ansehen der Polizei und der gesamten staatlichen Ordnung in besonderem Maße und ist mit dem konkret-funktionalen Amt der Beklagten als Polizeivollzugsbeamten nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Dies gilt umso mehr, als dass es sich beim Sozialamt des Landkreises ... um jene Organisationseinheit handelt, in der die Beklagten als Polizeibeamte auch dienstlich zuständig sind. Bei Polizeivollzugsbeamten in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden sind, ist gerade ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und den Organen der Strafrechtspflege erforderlich. Nach dem für das Disziplinargericht nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin haben Dritte, nämlich die Mitarbeiter des Landkreises und der Landrat, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Beklagten als erheblich störend empfunden. Allein der Sprachgebrauch und die Wortwahl der Abhandlungen habe die Mitarbeiter derart schockiert, dass sie im Ausgangsverfahren nicht davon ausgehen durften, mit Vertretern des Staates zu kommunizieren. Auch innerhalb der Kollegenschaft gilt die vertrauensvolle Zusammenarbeit als unmöglich und erheblich geschädigt (vgl. Bl. 260 d.B.A.).

45

b) Die Beklagten haben gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Hierbei handelt es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. Urt. v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, Urt. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, Beschl. v. 05.04.2007, alle juris). Das erkennende Gericht hat bereits in dem Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung (Beschl. v. 16.03.2015 - 8 B 2/15 MD; juris) hierzu ausgeführt:

46

"b. b. b.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Demgegenüber stellt das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte."

47

Nichts anderes gilt auch für das Disziplinarklageverfahren. Das Disziplinargericht hat keinen Zweifel, dass die Beklagten durch das Absenden der beiden Schreiben den deutlichen und eindeutigen Schein dafür gesetzt haben, dass sie sich zu einem Gedankengut bekennen, das der Bundesrepublik Deutschland als freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegensteht.

2.

48

Die Beklagten haben die Dienstvergehen vorsätzlich und schuldhaft begangen, wobei bereits Fahrlässigkeit genügt. Zur Überzeugung des Gerichts muss ihnen bewusst gewesen sein, dass ihr Verhalten, die Negierung der Bundesrepublik Deutschland und der mit ihr einhergehenden staatlichen Ordnung, ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellt. Beide Beklagten haben anlässlich ihrer beamtenrechtlichen Vereidigung folgende Eidesformel nachgesprochen:

49

"Ich schwöre, meine Kraft dem Volk und dem Land Sachsen-Anhalt zu widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren und zu verteidigen …"

50

Beide Beklagte sind Polizeikommissare mit langjähriger Dienst- und Berufserfahrung. Sie haben an der Fachhochschule in Aschersleben breit gefächerte Rechtskenntnisse in einem sechsmonatigen Lehrgang vermittelt bekommen, der insbesondere die Rechtsgebiete Verwaltungs- und Polizeirecht, sowie Staats- und Verfassungsrecht und öffentliches Dienstrecht enthielt. Ihnen muss daher die Verbindlichkeit der staatlichen Ordnung unter der Geltung des Grundgesetzes, und dass ihr Verhalten all dem entgegensteht, in besonderer Weise präsent gewesen sein.

51

Die Beklagten können sich auch nicht erfolgreich auf einen Verbotsirrtum berufen, indem sie im Wesentlichen übereinstimmend vortragen, der Zweck der Schreiben habe allein darin bestanden, den Landkreis ... von seinem rechtswidrigen Verhalten abzubringen, und dass sie sich – tatsächlich - in keiner Form Gedanken darüber gemacht hätten, dass die Versendung der Schreiben sie in den Verdacht bringen könnte, nicht für den Dienstherrn einzustehen ggf. sich nicht verfassungstreu zu verhalten.

52

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Beamte zwar zutreffend den von ihm verursachten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, erkennt, er jedoch glaubt, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben. Ein solcher Rechtsirrtum kann zwar das Unrechtsbewusstsein – und damit die Schuld – ausschließen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er vermeidbar war. Die Vermeidbarkeit bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.04.2014 – OVG 81 D 2.12, juris, Rn. 47).

53

Unter Zugrundelegung dessen befanden sich die Beklagten nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass angesichts des eindeutigen Inhalts der beiden Schreiben bereits für jeden Laien, und erst Recht für die Beklagten als langjährige Polizeivollzugsbeamte mit entsprechender Ausbildung, offensichtlich erkennbar sein musste, dass dieses Verhalten disziplinarrechtlich nicht folgenlos bleiben kann. Nichts anderes gilt im Hinblick auf ihren Vortrag, dass das vorgeworfene Verhalten Privatsache sei und nur ein "Trick", um sich der Inanspruchnahme durch das Sozialamt zu entziehen. Auch insoweit durften die Beklagten bei gehöriger Gewissensanstrengung nicht davon ausgehen, dass dieser "Trick" disziplinarrechtlich bei Entdeckung nicht geahndet werde. Die persönliche Vorstellung, dass das Verhalten und damit das Dienstvergehen nicht vom Dienstherrn entdeckt werde, steht einer schuldhaften Begehung nicht entgegen.

3.

54

Soweit sich die Beklagten auf ein Beweisverwertungsverbot berufen und unter Bezugnahme auf ein an sie gerichtetes Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 17.06.2015 (vgl. Bl. 327 – 330 d. B.A.) vortragen, dass der Landkreis ... die Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 nicht hätte an den Dienstherrn weiterleiten dürfen, folgt das Disziplinargericht dem nicht. Das Disziplinargericht schließt sich insoweit den Ausführungen des OVG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 30.07.2015 (10 M 4/15) an. Darin heißt es:

55

"Soweit es die Weitergabe der Namen der Antragsteller an ihren Dienstherrn betrifft, ist bereits zweifelhaft, ob es sich insoweit um Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelte; selbst wenn man dies aber mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz so sähe und auch eine Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 SGB X ausschlösse, wäre sowohl die Übermittlung der Namen als auch diejenige der streitgegenständlichen Schreiben in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses in Anlehnung an die Vorgaben des § 34 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 2013 -, zit. nach JURIS) gerechtfertigt.

56

Im Gegensatz zur Auffassung des Landesbeauftragten für den Datenschutz begründeten die Schreiben durchaus eine gegenwärtige Gefahr für überragende Rechtsgüter der Allgemeinheit, mithin für solche, welche die im konkreten Fall anzunehmenden Persönlichkeitsinteressen der Antragsteller ganz erheblich überwiegen. Wie der Senat im Beschluss vom 21. Mai 2015 ausgeführt hat, haben beide Antragsteller mit ihren an das Sozialamt des Landkreises ... gerichteten Schreiben massiv gegen die beamtenrechtliche Grundpflicht zur Beachtung und zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Das dadurch gefährdete Rechtsgut der Allgemeinheit, nämlich das Vertrauen in die Integrität von Polizeibeamten und deren jederzeitiges Eintreten für die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes im Sinne des Art. 20 GG, hat deutlichen Vorrang vor dem Singularinteresse einzelner Beamter, dass von ihm an eine Verwaltungsbehörde gerichtete Schreiben mit der Negierung der Geltung des Grundgesetzes sowie der Existenz der Bundesrepublik Deutschland überhaupt der Kenntnisnahme durch seinen Dienstherrn vorenthalten werden.

57

Selbst wenn man aber von einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ausgehen sollte, so würde dieser nicht gleichsam automatisch zu dem von den Antragstellern behaupteten Beweisverwertungsverbot führen. Es ist im Bereich des – hier über § 3 DG LSA anwendbaren – allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannt, dass zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter auch die Verwertung etwa rechtswidrig erhobener Beweise zulässig sein kann. Dabei ist jeweils eine Güterabwägung vorzunehmen, die vor allem dann zu einer Verwertbarkeit der Beweise führen kann, wenn dies aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls geboten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. § 98 Rdn. 3). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist nicht erkennbar, dass die Übermittlung der hier zugrunde liegenden Schreiben der Antragsteller an ihren Dienstherrn angesichts des im Raum stehenden Vorwurfs einer ganz erheblichen Verletzung von beamtenrechtlichen Kernpflichten – Negieren der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der darauf basierenden staatlichen Institutionen – unverhältnismäßig in deren Persönlichkeitsrechte eingegriffen hätten."

4.

58

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

59

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 und Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16, alle juris).

60

Haben die Beklagten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen - bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Eine derartige Abstufung kann im vorliegenden Falle nicht vorgenommen werden, weil die zwei Pflichtenverstöße, d.h. das Schreiben vom 05.05.2014 und das Schreiben vom 21.05.2014 vergleichbar schwer wiegen (vgl. zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017, 15 A 17/16; juris).

61

An diesen Vorgaben gemessen wiegen die von den Beklagten begangenen Dienstvergehen so schwer, dass die disziplinare Höchstmaßnahme jeweils indiziert ist.

62

Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten haben angesichts dessen, dass die Grundfeste der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Beklagten in sprachlich eindeutiger Weise negiert werden, ein immenses Gewicht. Die Beklagten haben mit ihrem Verhalten für einen objektiven Betrachter zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass in ihren Augen das Grundgesetz ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetzte nichtig seien. Mit diesem Verhalten haben sie zur Überzeugung des Gerichts sowohl das Vertrauen der Allgemeinheit als auch das Vertrauen des Dienstherrn in eine künftige ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung ihrerseits vollständig, eklatant und unwiderruflich zerstört. Hierbei ist zu beachten, dass Polizeibeamte – wie die Beklagten – der Öffentlichkeit gegenüber besonders augenfällig als Vertreter des Staates auftreten und insoweit eine Negation der Grundordnung durch diese auch besonders schwer wiegt. Dies gilt umso mehr, als dass es sich nicht um eine einmalige Verfehlung handelt, sondern die Beklagten im Abstand von circa zweieinhalb Wochen in vergleichbar schwerwiegender Weise vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflichten verstoßen haben.

63

Hierbei verkennt das Disziplinargericht keinesfalls, dass bei den Beklagten über den disziplinarrechtlich relevanten Anschein der Verfassungsuntreue hinaus verfassungswidrige Tendenzen tatsächlich nicht festgestellt werden konnten und auch diese von der Klägerin nicht behauptet worden sind. Es ist weder bekannt, dass die Beklagten in den Kreisen der sogenannten "Reichsbürgerbewegung" verkehren, worauf der Inhalt und die Wortwahl der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 zunächst schließen lassen könnten, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagten das in den Schreiben zum Ausdruck kommende verfassungsfeindliche Gedankengut sonst an anderer Stelle geäußert hätten oder dies an anderer Stelle oder zu anderer Zeit verbreitet hätten. Zwar mag es fraglich bleiben, wie die Beklagten im Internet gerade auf die einschlägigen Vordrucke, die das Gericht eindeutig dem Kreis der sog. "Reichsbürgerbewegung" zuordnet, aufmerksam geworden sein wollen, wenn sie diesen Kreisen nach eigenen Angaben nicht angehören und mit diesen vorher – nach eigenen Angaben – auch keine eigenen Erfahrungen gemacht haben wollen. Dass sie hierauf durch schlichtes "googeln" gestoßen seien, wobei sie dem Gericht in der mündlichen Verhandlung weder Suchstichworte noch andere valide Anhaltspunkte für ihre Suche nennen konnten, hält das Gericht zumindest für fraglich. Dessen ungeachtet ist für das Gericht die Zuordnung der Beklagten in die sog. "Reichsbürgerbewegung" aber auch nicht erforderlich, um die Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen.

64

Vielmehr ist für das Disziplinargericht entscheidend, dass die Beklagten als Polizeibeamte, deren Kernaufgabe gerade der Schutz und die Gewähr der freiheitlich demokratischen Grundordnung – insbesondere des Grundgesetzes – ist, diese freiheitlich demokratische Grundordnung in ihr persönliches Belieben gestellt und eigenen, privaten Zwecken (Entziehung der Inanspruchnahme durch das Sozialamtes) untergeordnet haben. Es lässt auf eklatante Persönlichkeitsmängel schließen, wenn – wie hier - gut ausgebildete in der Laufbahngruppe 2 befindliche Polizeikommissare mit einem breiten Maß an Lebens- und Berufserfahrung sich entscheiden, der Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt durch einen unseriösen "Trick" zu entziehen und dies nicht, indem sie ihre verwaltungsrechtlichen Erfahrungen und ihre fachlichen Kompetenzen auf einem geläufigen Rechtsweg beschreiten, sondern freiwillig eine Lösung favorisieren, die unverkennbar außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik liegt.

65

Gewichtige Milderungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sind und den Schluss rechtfertigen, dass das ihnen vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist und daher (noch) eine Disziplinarmaßnahme "unterhalb" der Entfernung gerechtfertigt ist, liegen nicht vor.

66

Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschläge bedingten Lebensphase. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

67

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

68

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht vorliegend nicht zu erkennen.

69

Anders als sich die Situation dem Disziplinargericht im Rahmen des erstinstanzlichen Eilverfahrens darstellte, haben die Beklagten auch nicht lediglich einmalig, sondern wiederholt – nämlich mit Schreiben vom 21.05.2015 und vom 05.05.2014 – ihre verfassungswidrige Auffassung nach außen vertreten. Zur Überzeugung des Gerichts kann daher nicht entlastend von einer einmaligen Kurzschlusshandlung ausgegangen werden oder davon, dass sich die Beklagten nicht auch intensiv (genug) mit den verwendeten Vordrucken beschäftig hätten und daher die Tragweite ihrer Äußerungen nicht vor Augen gehabt hätten. Denn dagegen spricht nicht nur die Absendung zweier entsprechend offenkundig einschlägiger Schreiben, sondern auch, dass dies nicht kurz hintereinander, sondern zeitversetzt über zweieinhalb Wochen erfolgte. Zudem spricht dagegen, dass die Beklagten die im Schreiben vom 05.05.2014 verwendete "juristische Aufklärung" an besonders relevanter Stelle händisch unterstrichen ("verwaltungsrechtlich … gerichtsverfassungsrechtlich NICHT der BRD untersteht") und den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 inhaltlich verändert haben. So haben sie im Vordruck die Adress- und Betreffzeile individualisiert und die Subjekte "ich" durch "wir" ersetzt. Auch wenn es sich hierbei um keine materiellen Änderungen des Inhaltes handelt, ist dennoch zweifelsfrei erkennbar, dass sie – um die Änderungen konsequent durch das gesamte Dokument vorzunehmen – das gesamte Dokument gewissenhaft gelesen, durchdacht und sich damit identifiziert haben mussten. Auch hat der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er beide Schreiben zusammen aus dem Internet "gezogen" habe und nicht etwa zuerst nur den Vordruck aus dem Schreiben vom 05.05.2014 und dann zweieinhalb Wochen später den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014. Die Beklagten mussten daher bereits beim Abfassen des Schreibens vom 05.05.2014 eine Abwägung getroffen haben, welchen Vordruck sie als erstes verwenden würden. Der Beklagte zu 2) gab zudem in der mündlichen Verhandlung an, dass er den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 auch gerade im Hinblick für eine spätere Verwendung abgelegt hatte. Auch insoweit ist daher keinesfalls von einer Kurzschlussreaktion auszugehen.

70

Entlastend kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagten nach eigenen – und unbestrittenen – Angaben wirtschaftlich und psychisch aufgrund der Inanspruchnahme durch das Sozialamt, der Pflege der Mutter der Beklagten zu 1) und auch einer beruflich angespannten Situation der Beklagten zu 1) stark belastet waren und insofern eine psychische Ausnahmesituation vorgelegen hätte. Dieser Milderungsgrund greift dann, wenn für den Betreffenden eine schockartig ausgelöste vorübergehende psychische Ausnahmesituation bestanden hat. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führen kann und der den Beamten so aus der Bahn wirft, dass er nicht mehr in der Lage ist, entsprechend den sonst gegebenen Wertvorstellungen und Hemmschwellen zu handeln (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 10.12.2003 – 14 A 3222/04, juris m.w.N.) Für eine derartige plötzliche Schocksituation sind vorliegend keinerlei Gesichtspunkte erkennbar. Die Heranziehung zur Nachzahlung des Elternunterhaltes war den Beklagten bereits lange vor dem relevanten Schriftverkehr im Mai 2014 bekannt und kam somit nicht plötzlich.

71

Entlastend kann auch nicht das Nachtatverhalten der Beklagten herangezogen werden. Diese haben zwar im Nachgang der Tat vorgetragen, dass sie verfassungstreu seien und ihnen die Verwendung der Formblätter "leid tue". Auch in der mündlichen Verhandlung haben sie geäußert, dass ihr Verhalten ein Fehler gewesen sei. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs haben sie diese Einsicht und Reue jedoch zum einen nicht unmittelbar nach der Tat gezeigt, sondern erst als absehbar war, dass ihr Verhalten disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. So hat die Beklagte zu 1) im Rahmen eines anlassbezogenen Gesprächs mit dem Revierleiter, Herrn POR G…, vom 05.09.2014, d.h. circa ein viertel Jahr später, ausgeführt, dass die Angelegenheit Privatsache sei. Die Ausführungen, welche seit 2006 rechtlich abgesichert seien, habe sie aus dem Internet. Die verwendeten Darstellungen habe sie als "Trick" benutzt, um den Forderungen des Sozialamtes nicht nachkommen zu müssen. Zudem sehe sie nicht ein, dass ihr Mann für die Schulden ihres Vaters aufkommen solle (Bl. 15 f. d. B.A.).

72

Entlastend kann ferner nicht berücksichtigt werden, dass den Beklagten die Tragweite der disziplinarrechtlichen Konsequenzen nicht bewusst gewesen sei. Denn relevant ist insoweit nur, dass ihnen (wie oben ausgeführt) bewusst sein musste, dass sie ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten ausüben. Nicht relevant ist hingegen, dass sie das Ausmaß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst als Höchstmaßnahme) nicht in Betracht gezogen haben.

73

Somit kann entlastend nur berücksichtigt werden, dass die Beklagten disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Dies genügt jedoch nicht, um das zerstörte Vertrauen zum Dienstherrn wiederherzustellen und deshalb von der Höchstmaßnahme abzusehen.

74

In der Gesamtschau ist durch das schwere Dienstvergehen ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten, der die Beklagten im Beamtenverhältnis als untragbar erscheinen lässt.

75

Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, die durch den Dienstherrn sonst nicht lösbaren Dienstverhältnisse einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für die Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihnen zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urt. v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

III.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.

(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

(1) In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer

1.
Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes ist oder die Staatsangehörigkeit
a)
eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder
b)
eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder
c)
eines Drittstaates, dem die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union vertraglich einen entsprechenden Anspruch auf Anerkennung von Berufsqualifikationen eingeräumt haben,
besitzt,
2.
die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten, und
3.
die nach Landesrecht vorgeschriebene Befähigung besitzt.
In das Beamtenverhältnis darf nicht berufen werden, wer unveränderliche Merkmale des Erscheinungsbilds aufweist, die mit der Erfüllung der Pflichten nach § 34 Absatz 2 nicht vereinbar sind.

(2) Wenn die Aufgaben es erfordern, darf nur eine Deutsche oder ein Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes in ein Beamtenverhältnis berufen werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 1 Nr. 1 und Absatz 2 können nur zugelassen werden, wenn

1.
für die Gewinnung der Beamtin oder des Beamten ein dringendes dienstliches Interesse besteht oder
2.
bei der Berufung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals in das Beamtenverhältnis andere wichtige Gründe vorliegen.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt die Disziplinarklage gegen die beklagten Polizeivollzugsbeamten im Rang von Polizeikommissaren mit dem Ziel ihrer Entfernung aus dem Dienst.

I.

2

Die Beklagte zu 1), geb. 06.09.1965, absolvierte im Anschluss an ihren Schulabschluss der 10. Klasse (Polytechnische Oberschule) bis 1984 eine Lehre als Polsterin. Danach war sie in unterschiedlichen Berufszweigen tätig. 1993 wurde sie zur Polizeimeisterin zur Anstellung ernannt und 1994 an das Polizeirevier B-Stadt als Sachbearbeiterin Einsatz versetzt. Mit Wirkung vom 24.07.1995 erfolgte die Lebenszeitverbeamtung. Im Jahr 2000 wurde sie zur Polizeiobermeisterin befördert und nach erfolgreichem Abschluss der Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA im Jahre 2011 zur Polizeikommissarin ernannt. Seitdem ist sie im Streifeneinsatzdienst und als Einsatzführerin tätig.

3

Dienstlich beurteilt wurde sie zuletzt im März 2009 mit der Gesamtbewertung "gut" bei 267 Punkten. Eine weitere Beurteilung konnte ihr bisher noch nicht eröffnet werden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsbeurteilung: "C").

4

Die Beklagte zu 1) ist Mutter zweier erwachsener Kinder. Dem jüngsten Kind (D… geb. 20.01.1995) zahlt sie derzeit noch Unterhalt. Seit 1994 ist sie in zweiter Ehe mit dem Beklagten zu 2) verheiratet. Sie hat keine Vorbelastungen/Strafen.

II.

5

Der Beklagte zu 2), geboren am 20.12.1960, absolvierte nach Abschluss der 10. Klasse eine Lehre als Fahrzeugschlosser und verrichtete ab 1979 Dienst bei der Nationalen Volksarmee. Am 01.11.1989 nahm er seinen Dienst im damaligen Polizeikreisamt B-Stadt auf und wurde im Juli 1991 zum Beamten auf Widerruf (Polizeiobermeister) ernannt. 1994 wurde er auf Lebenszeit verbeamtet und 2005 zum Polizeihauptmeister befördert. Nach Absolvierung der sechsmonatigen Aufstiegsausbildung gemäß § 20 PolLVO LSA wurde er 2010 zum Polizeikommissar ernannt und ist seitdem als Sachbearbeiter Einsatz (Einsatzführer) tätig.

6

Die dienstliche Beurteilung vom 23.11.2010 schloss er mit der Gesamtbewertung "befriedigend" mit 248 Punkten ab. Eine weitere Beurteilung ist ihm bisher noch nicht eröffnet worden (Leistungsbeurteilung: "D" Gesamtbefähigungsurteil: "B").

7

Der Beklagte zu 2) hat ein 1995 geborenes gemeinsames Kind mit der Beklagten zu 1). In der Personalakte sind zwei weitere Kinder (N…, geb. 19.10.1982; V…, geb. 20.02.1987) vermerkt. Er hat keine Vorbelastungen/Strafen.

III.

8

Mit Schreiben vom 28.04.2014 zog das Sozialamt des Landkreises … die Beklagte zu 1) zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages für ihre Mutter in Höhe von 160,00 EUR einschließlich einer Nachzahlung in Höhe von 960,00 EUR heran. Durch die wiederholten Nachfragen des Sozialamtes sahen sich die Beklagten nach eigenen Angaben in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht und erhoben in einem als "Familie, D… und B." gemeinsam unterzeichneten Schreiben vom 05.05.2015 Widerspruch gegen die Zahlungsaufforderung des Sozialamtes. Dem Widerspruchsschreiben war als Anlage u.a. eine "juristische Aufklärung" beigefügt, bei der es sich um einen Vordruck aus dem Internet handelt. Die "juristische Aufklärung" ist handschriftlich überschrieben mit "Beachte: gültige Rechtsnorm!" und beginnt mit den Worten: "Zuallererst juristische Aufklärung:" Im Folgenden wird u.a. ausgeführt, dass das Grundgesetz zumindest seit 1990 keinen Geltungsbereich mehr habe, Gesetze wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rechtssicherheit ungültig und nichtig seien, es keine unabhängigen "BRD-Richter" mehr gebe (zu den weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 36 – 39 d. B.A. verwiesen).

9

Am 21.05.2014 übersandten die Beklagten ein weiteres Schreiben an den Landkreis …, dass als Absender " und aus der Familie B. – Mensch und Natürliche Person entspr. § 1 des staatlichen B" auswies und ebenfalls ein aus dem Internet vorgefertigtes Schreiben darstellt, welches auf die jeweiligen Behörden zugeschnitten werden kann und im Wesentlichen zum Inhalt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht hinreichend gegründet sei und insbesondere hoheitliche Akte der Verwaltungsbehörden ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage seien. Insbesondere heißt es in dem vorgenannten Schreiben:

10

"Ihre o.g. Forderungen basieren letztlich auf dem Grundgesetz (GG). Weder meine Vorfahren noch ich haben das Grundgesetz (GG) noch die darauf basierenden Gesetze legitimiert. […]. Darüber hinaus ist das GG gemäß seinen eigenen Bestimmungen offenkundig sowieso ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetze etc. sind nichtig".

11

Das Schreiben wurde von jedem Beklagten persönlich auf jeder Seite unterzeichnet. Außerdem ist der Vordruck in Teilen individualisiert. Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 21.05.2015 (Bl. 42 – 46 d. B.A.) verwiesen.

12

Der Landrat des Landkreises … wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 01.08.2014 (Bl. 1 d. B.A.) an den Leiter des Polizeireviers ... und informierte diesen über den Inhalt des Schreibens vom 21.05.2014. Er teilte ferner mit, dass das Schreiben aus seiner Sicht eine schwerwiegende Verletzung beamtenrechtlicher Dienst- und Treuepflichten darstelle.

13

Unter dem 09.09.2014 wurde wegen des Schreibens vom 21.05.2014 ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagten eingeleitet. Das vorhergehende Schreiben vom 05.05.2014 war der Klägerin zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Mit Verfügungen vom 21.10.2014 wurden die Beklagten vorläufig des Dienstes enthoben (§ 38 Abs. 1 DG LSA). Außerdem wurde am 20.01.2015 die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 45 % bei der Beklagten zu 1) und zu 55 % bei dem Beklagten zu 2) angeordnet (§ 38 Abs. 2 DG LSA).

14

Auf Antrag der Beklagten hob das Disziplinargericht mit Beschlüssen vom 16.03.2015 (8 B 2/15 MD; 8 B 4/15 MD; 8 B 3/15 MD; 8 B 5/15 MD) die vorläufigen Dienstenthebungen und den teilweisen Einbehalt der Dienstbezüge auf. Mit Beschluss vom 21.05.2015 (10 M 4/15) lehnte das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Anträge der Beamten (10 M 4/15; 10 M 6/15; 10 M 5/15; 10 M 7/1) ab. Die vorläufigen Dienstenthebungen und der jeweils angeordnete teilweise Einbehalt der Dienstbezüge blieben aufrechterhalten. Noch während des laufenden Beschwerdeverfahrens hatte die Klägerin das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 23.04.2015 u.a. auch auf das Schreiben vom 05.05.2014 ausgedehnt.

15

Mit der Disziplinarklage vom 13.03.2016 (Eingang 16.03.2016) werden die Beklagten angeschuldigt, schuldhaft ein schweres Dienstvergehen begangen zu haben, indem sie ihre beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt hätten. Nach § 33 BeamtStG bestehe die Grundpflicht des Beamten darin, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Die Äußerungen der Beklagten in den Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 seien substanziell geeignet, ihre beamtenrechtlichen Pflichten zur Verfassungstreue und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes zu verletzen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass mit den vorgeworfenen Handlungen eine deutliche inner- und außerdienstliche Ansehensschädigung bereits eingetreten sei. Es sei unstreitig, dass Dritte, denen die Dienstverhältnisse bekannt geworden seien, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Polizeibeamten als erheblich störend empfunden hätten. Beim Sozialamt des Landkreises ... handele es sich zudem um jene Organisationseinheit, für die die Beklagten auch dienstlich zuständig seien. Polizeivollzugsbeamte seien als Teil der staatlichen Gewalt der Rechtsordnung in besonderem Maße verpflichtet und hätten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages entsprechend zu handeln. Dies gelte gerade im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamte in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden seien und ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und mit den Organen der Strafrechtspflege erforderten. Das Vertrauen des Dienstherrn zu den Beklagten sei völlig zerstört. Die Verletzung gewichtiger dienstrechtlicher Pflichten überschreite in qualitativer und quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz erheblich. Die Beklagten hätten gezeigt, dass die Verwaltung sich nicht auf sie verlassen könne, da sie eigene Interessen hinter zwingenden Geboten der Rechtsordnung zurückstehen ließen. Auch das Nachtatverhalten gebe den Anschein, dass die Beklagten zur Reflektion ihres Verhaltens nicht motiviert seien.

16

Anhaltspunkte für verfassungswidrige Bestrebungen seien bei den Beklagten zwar nicht ersichtlich. Im Hinblick auf die Schreiben vom 05.05.2014 und 21.05.2014 könne aber davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten mit den im Internet vorgefundenen Inhalten und deren Rechtsausführungen auseinandergesetzt und unverkennbar identifiziert hätten. Eine Distanzierung im Verhalten sei nicht zu erkennen. Ihre fehlende Reue und Einsicht und das Verhalten nach Einleitung des Disziplinarverfahrens sprächen nicht von der Abkehr der in den Schreiben zum Ausdruck gebrachten Negierung der Geltung des Grundgesetzes.

17

Die Beklagten hätten vorsätzlich gehandelt. Aufgrund ihrer Vertrautheit mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen und dem speziellen Polizeirecht als Teil des Verwaltungsrechts und auch wegen der beruflichen Stellung als Polizeibeamten sei es ihnen möglich gewesen, die besondere Erheblichkeit ihres beamtenunwürdigen Verhaltens in persönlicher und sozialer Angelegenheit einzuschätzen.

18

Milderungs- und Schuldausschließungsgründe seien nicht ersichtlich. Insbesondere hätten die Beklagten die behauptete existenzbedrohende Situation nicht durch Belege nachgewiesen, noch handele es sich um eine einmalige persönlichkeitsfremde Gelegenheitstat oder das Vorliegen einer psychischen Ausnahmesituation. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beklagten auf Grund ihrer Persönlichkeit auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen würden.

19

Die Klägerin beantragt,

20

die Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

21

Die Beklagten beantragen jeweils

22

die Disziplinarklage abzuweisen.

23

Zur Begründung führen die Beklagten aus, dass sie kein Dienstvergehen begangen hätten. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass die Absendung der aus dem Internet entnommenen Schreiben ein Dienstvergehen darstelle. Die Schreiben seien vielmehr nur ein "Trick" gewesen, um den Forderungen des Sozialamtes, die sich nachträglich auch als unberechtigt herausgestellt hätten, zu entgehen. Zudem bestünden keinerlei Zweifel an ihrer Verfassungstreue. Sie seien sich ihrer Verantwortung als Polizeibeamte bewusst. Ihr Dienst sei seit Jahren tadellos. Sie hätten keinerlei Kontakte zur sog. "Reichsbürgerbewegung". Bei dem hier relevanten außerdienstlichen Verhalten fehle sowohl der funktionale Dienstbezug, noch sei das im Rahmen einer Ansehens- und Vertrauensverletzung erforderliche Tatbestandsmerkmal "in besonderem Maße" gegeben.

24

Zudem liege ein Beweisverwertungsverbot vor, da der Landkreis ... die Schreiben nicht an die Klägerin habe weiterleiten dürfen.

25

Die Beklagten rügen ferner, dass eine gemeinsame Disziplinarklagenerhebung gegen mehrere Beamte unzulässig sei. Dies sehe weder das Bundesdisziplinargesetz (BDG) noch das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) vor. Auch sei der Personalrat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz (PersVertrG) weder im Disziplinarverfahren noch im Rahmen der Durchführung des Disziplinarklageverfahrens beteiligt worden.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die gemeinsame Erhebung der Disziplinarklage gegen die Beklagten ist zulässig.

1.

28

Gemäß § 3 DG LSA i.V.m. 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO steht es der Klägerin frei, gegen beide Beklagten nur eine Disziplinarklage zu erheben, da der gegenüber den Beklagten erhobene disziplinarrechtlich relevante Vorwurf gleichartig ist und auf einem gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht. Die Klägerin bestimmt durch ihre Klageerhebung, wer als Beklagter am Verfahren beteiligt ist (vgl. § 3 DG LSA i.V.m. § 63 Nr. 2 VwGO). Insbesondere steht dem nicht § 93 VwGO entgegen, da dieser nur regelt, dass das Gericht – hier das Disziplinargericht - nach Klageerhebung zur Verfahrensverbindung bzw. -trennung befugt ist und im Umkehrschluss die Klägerin die Verfahrensverbindung bzw. –trennung nach einmal erhobener Klage nicht mehr ohne Weiteres bewirken kann.

29

Dass ihm Rahmen des Disziplinarrechts – insbesondere bei Disziplinarklagen – etwas anderes gelten sollte, d.h. die Disziplinarklage nur jeweils gegen einen Beamten erhoben werden dürfe, ist nicht ersichtlich (a.A. Hummel/Köhler/Mayer: BDG Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 4. Aufl. 2010, § 52, Rn. 6). Für das Bestehen besonders schutzbedürftiger Belange der Beamten, die auf eine gesondert erhobene Disziplinarklage gerichtet wären, sieht das Disziplinargericht keine Anhaltspunkte. Es ist daher nicht ersichtlich, warum der Klägerin eine gemeinsame Klageerhebung verwehrt werden sollte, wenn das Disziplinargericht eine Verfahrensverbindung hätte beschließen können. Die Voraussetzungen nach § 93 VwGO liegen hier zudem vor, da beide Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen und eine Verfahrensverbindung auch sachdienlich wäre. So hat auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in den Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebungen und des vorläufigen teilweisen Einbehalts der Dienstbezüge die Verfahren miteinander verbunden (vgl. Beschlüsse vom 21.05.2015 – 10 M 4-7/15).

2.

30

Die von den Beklagten gerügte fehlende Mitwirkung der Personalvertretung greift nicht durch. Nach § 66 PersVG LSA unterliegen die Durchführung von disziplinarrechtlichen Ermittlungen sowie der Erlass der Disziplinarverfügung oder die Erhebung der Disziplinarklage nicht der Mitbestimmung des Personalrats (VG Magdeburg, Urt. v. 13.12.2013, 8 A 17/12 MD; juris; mit Verweis zur anderen Rechtslage im Bund: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; in Baden-Württemberg: VG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2010, DL 20 K 2137/09; juris). § 78 Abs. 1 Nr. 3 Personalvertretungsgesetz des Bundes ist auf Beamte des Landes Sachsen-Anhalt nicht anwendbar.

II.

31

Die Disziplinarklagen sind begründet. Die Beklagten haben ein schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, welches für jeden Beklagten die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht.

1.

32

Die Klägerin legt den Beklagten zu Recht ein einheitliches Dienstvergehen in Gestalt zweier schuldhafter Dienstpflichtverletzungen durch das jeweilige Versenden der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 an den Landkreis ... zur Last. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begehen Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, wobei ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen darstellt, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG).

33

Das Disziplinargericht ist überzeugt, dass die Beklagten schuldhaft gegen ihre beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 47 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG) (a) sowie gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) (b) verstoßen haben. Dabei stellt der Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht eine innerdienstliche Pflichtverletzung dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG).

34

a) Die Beamten haben eine außerdienstliche Dienstpflichtverletzung gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Satz 3 BeamtStG begangen, indem sie das Schreiben vom 05.05.2014 nebst der Anlage "juristische Aufklärung" und das Schreiben vom 21.05.2014 an den Landkreis ... versendet haben. Für den Tatbestand der Ansehensschädigung als Teil des Wohlverhaltens ist es ausreichend, wenn ein Verhalten zur Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen geeignet ist, so dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 08.05.2011, 1 D 20.00; BVerfG, Beschl. v. 05.12.2008, 1 BvR 1318/07; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2010, 10 Sa 308/10; VG Magdeburg, Urt. v. 08.06.2011, 8 A 16/10 MD; alle juris).

35

Das Gericht hat keine Zweifel, dass das Versenden der Schreiben, in denen die Beamten u.a. die Bundesrepublik Deutschland für ungültig und nichtig erklären und auch die auf dem Grundgesetz basierenden Gesetze nicht anerkennen, eine eindeutige und eklatante Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauensvollen Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG darstellt. Die Verwendung der beiden Schreiben im Rechtsverkehr ist unvereinbar mit der Treuepflicht eines Polizeibeamten. Ein derartiges Verhalten schädigt das Ansehen der Polizei als einer tragenden Institution des freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates.

36

(aa) Ohne Erfolg tragen die Beklagten vor, dass eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht als Teil der Ansehensschädigung nicht in Betracht komme, da das Ansehen des Beamtentums jedenfalls in der Öffentlichkeit gar nicht beschädigt worden sei, da beide Schreiben nur an die Mitarbeiterin des Sozialamtes ... versandt worden und diese nur als Funktionsträgerin einer Behörde und nicht als Öffentlichkeit zu betrachten sei.

37

Die Verwendung der beiden vorgenannten Schreiben erfolgte nicht lediglich im geschützten privaten Bereich der Beklagten, etwa der eigenen Wohnung. Die Beklagten haben vielmehr die Schreiben durch Versenden aus ihrem eigenen Zugriffs- und Machtbereich entlassen und ihr Verhalten damit öffentlich gemacht. Die Öffentlichkeit war spätestens hergestellt, als das Schreiben der Mitarbeiterin des Sozialamtes ... als dessen Funktionsträgerin zuging. Das Tatbestandsmerkmal "öffentlich" erfordert nicht, dass das dienstpflichtverletzende Verhalten einer unbestimmten Anzahl / Gruppe von Personen zugänglich ist. Auch ist in diesem Rahmen nicht relevant, dass die Beklagten nach eigenem Vortrag davon ausgegangen seien, dass die Schreiben aufgrund datenschutzrechtlicher Vorschriften nur im Rahmen ihres privaten Behördenverfahrens verwendet würden. Entscheidend ist, dass auch die Kommunikation zwischen einer Privatperson und einer Behörde Teil des Rechtsverkehrs ist, d.h. andere, dritte Parteien (natürliche und juristische Personen) außerhalb des geschützten privaten Bereichs der Beklagten Kenntnis von dem Verhalten nehmen konnten und sollten.

38

(bb) Die Verletzung ihrer Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten stellt sich dem Gericht als außerdienstliches Verhalten dar. Nach der gebotenen materiellen Betrachtung richtet sich die Bewertung eines Verhaltens als inner- oder außerdienstlich danach, ob es dem dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten oder dem Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist. Außerdienstlich ist ein Verhalten, das sich als dasjenige einer Privatperson darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2011 – 1 D 55.99, juris, Rn. 57). Letzteres ist hier der Fall, weil die Beklagten die Schreiben als Privatpersonen gegenüber dem Sozialamt ... abgesendet haben.

39

(cc) Ein Verhalten außerhalb des Dienstes erfüllt gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn es nach den Umständen des Einzelfallesin besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

40

Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das über eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.05.2001, 1 D 20.00; juris). Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 12.12.2001, 1 D 4.01; Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; Urt. v. 28.07.2011, 2 C 16.10; VG Magdeburg, Urt. v. 27.11.2014, 8 A 5/14 MD; alle juris).

41

Mit der Neuregelung der tatbestandlichen Voraussetzungen des außerdienstlichen Dienstvergehens wollte der Gesetzgeber den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen. Demnach werden Beamte nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris). In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Die Vorstellung, dass der Beamte „niemals Privatmann“ sei, sondern auch außerhalb des Dienstes Beamter, der stets auf seine Amtsstellung Rücksicht zu nehmen habe, hat der Gesetzgeber zum Schutz der Privatsphäre des Beamten bewusst aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte durch die gesetzliche Regelung zum Ausdruck bringen, dass von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstvergehens im außerdienstlichen Bereich sollten durch besondere tatbestandliche Merkmale verschärft werden. Dies sollte in erster Linie für eine Vielzahl von Straßenverkehrsdelikten gelten (z. B. Trunkenheit im Verkehr; vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache V/1693, zu Art. 2 § 2 Seite 10; BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; Urt. v. 25.03.2010, 2 C 83.08; Urt. v. 19.08.2010, 2 C 5.10 und 13.10; juris). In der Gesetzesbegründung wird hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien „immer im Dienst“, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2009, 1 D 1.08 mit Verweis auf BT-Drs. 16/4027, S. 34 zu § 48 des Entwurfs; juris). Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass der Beamte diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 30.08.2000, 1 D 37.99; juris).

42

Der somit zu fordernde Dienstbezug ist nicht allein in den Fällen gegeben, in denen der Beamte auf seinem Dienstposten mit gerade denjenigen Aufgaben befasst war, die Gegenstand des ihm zur Last gelegten außerdienstlichen Fehlverhaltens sind (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, juris, Rn. 7). Der Bezug zwischen einer außerdienstlichen Pflichtverletzung und dem Dienstposten des Beamten besteht vielmehr, wenn die Pflichtverletzung bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt oder wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ferner ist ein außerdienstliches Verhalten geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 – 2 B 29.10, vgl. insbesondere zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16; beide zitiert in juris)

43

Hieran gemessen haben die Beklagten dem für die Tätigkeit der Polizei unabdingbaren Vertrauen der Bevölkerung in ihre Bereitschaft, als Polizeibeamte jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, nachhaltig durch das wiederholte Negieren der Gültigkeit des Grundgesetzes den Boden entzogen und damit unwiderruflich zerstört.

44

Das Leugnen der Existenz der Bundesrepublik als Staat und der davon ausgehenden staatlichen Gewalt schadet dem Ansehen der Polizei und der gesamten staatlichen Ordnung in besonderem Maße und ist mit dem konkret-funktionalen Amt der Beklagten als Polizeivollzugsbeamten nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Dies gilt umso mehr, als dass es sich beim Sozialamt des Landkreises ... um jene Organisationseinheit handelt, in der die Beklagten als Polizeibeamte auch dienstlich zuständig sind. Bei Polizeivollzugsbeamten in der Laufbahngruppe 2., deren Dienstposten regelmäßig mit verantwortungsvollen und Außenwirkung entfaltenden Aufgaben verbunden sind, ist gerade ein Höchstmaß an Integrität und vertrauensvoller Zusammenarbeit in Kooperation mit Behörden und den Organen der Strafrechtspflege erforderlich. Nach dem für das Disziplinargericht nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin haben Dritte, nämlich die Mitarbeiter des Landkreises und der Landrat, das beamtenrechtlich relevante Verhalten der Beklagten als erheblich störend empfunden. Allein der Sprachgebrauch und die Wortwahl der Abhandlungen habe die Mitarbeiter derart schockiert, dass sie im Ausgangsverfahren nicht davon ausgehen durften, mit Vertretern des Staates zu kommunizieren. Auch innerhalb der Kollegenschaft gilt die vertrauensvolle Zusammenarbeit als unmöglich und erheblich geschädigt (vgl. Bl. 260 d.B.A.).

45

b) Die Beklagten haben gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Hierbei handelt es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), denn die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist unteilbar und nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt (BVerwG. Urt. v. 12.03.1986, 1 D 103.84; Bayr. VGH, Urt. v. 28.11.2001, 16 D 00.2077; VG Berlin, Beschl. v. 05.04.2007, alle juris). Das erkennende Gericht hat bereits in dem Verfahren über die vorläufige Dienstenthebung (Beschl. v. 16.03.2015 - 8 B 2/15 MD; juris) hierzu ausgeführt:

46

"b. b. b.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 22.05.1975, 2 BvL 13/73; juris) setzt die - für jede Art von Beamtenverhältnis geltende - Verfassungstreue bei Beamten mehr als nur eine formal-korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle sowie innerlich distanzierte Haltung gegenüber den wesentlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes voraus. Vielmehr ist der Beamte zur Aktivität verpflichtet, wie sich aus den Worten „bekennen“ und „eintreten“ ergebe. Demgegenüber stellt das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (BVerwG, Beschluss v. 17.05.2001, 1 DB 15/01; VG Münster, Urteil v. 19.02.2013, 13 J 1160/12.O; beide juris). Die daraus resultierende Pflicht umfasst auch die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern. Dabei darf sich der Beamte nicht passiv verhalten, da dies als stillschweigende Billigung des verfassungsfeindlichen Verhaltens gewertet werden könnte."

47

Nichts anderes gilt auch für das Disziplinarklageverfahren. Das Disziplinargericht hat keinen Zweifel, dass die Beklagten durch das Absenden der beiden Schreiben den deutlichen und eindeutigen Schein dafür gesetzt haben, dass sie sich zu einem Gedankengut bekennen, das der Bundesrepublik Deutschland als freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegensteht.

2.

48

Die Beklagten haben die Dienstvergehen vorsätzlich und schuldhaft begangen, wobei bereits Fahrlässigkeit genügt. Zur Überzeugung des Gerichts muss ihnen bewusst gewesen sein, dass ihr Verhalten, die Negierung der Bundesrepublik Deutschland und der mit ihr einhergehenden staatlichen Ordnung, ein schwerwiegendes Dienstvergehen darstellt. Beide Beklagten haben anlässlich ihrer beamtenrechtlichen Vereidigung folgende Eidesformel nachgesprochen:

49

"Ich schwöre, meine Kraft dem Volk und dem Land Sachsen-Anhalt zu widmen, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu wahren und zu verteidigen …"

50

Beide Beklagte sind Polizeikommissare mit langjähriger Dienst- und Berufserfahrung. Sie haben an der Fachhochschule in Aschersleben breit gefächerte Rechtskenntnisse in einem sechsmonatigen Lehrgang vermittelt bekommen, der insbesondere die Rechtsgebiete Verwaltungs- und Polizeirecht, sowie Staats- und Verfassungsrecht und öffentliches Dienstrecht enthielt. Ihnen muss daher die Verbindlichkeit der staatlichen Ordnung unter der Geltung des Grundgesetzes, und dass ihr Verhalten all dem entgegensteht, in besonderer Weise präsent gewesen sein.

51

Die Beklagten können sich auch nicht erfolgreich auf einen Verbotsirrtum berufen, indem sie im Wesentlichen übereinstimmend vortragen, der Zweck der Schreiben habe allein darin bestanden, den Landkreis ... von seinem rechtswidrigen Verhalten abzubringen, und dass sie sich – tatsächlich - in keiner Form Gedanken darüber gemacht hätten, dass die Versendung der Schreiben sie in den Verdacht bringen könnte, nicht für den Dienstherrn einzustehen ggf. sich nicht verfassungstreu zu verhalten.

52

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Beamte zwar zutreffend den von ihm verursachten Geschehensablauf, der objektiv einen Dienstvergehenstatbestand erfüllt, erkennt, er jedoch glaubt, nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben. Ein solcher Rechtsirrtum kann zwar das Unrechtsbewusstsein – und damit die Schuld – ausschließen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er vermeidbar war. Die Vermeidbarkeit bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung (Status, Dienstposten) und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten (Vorbildung, dienstlicher Werdegang) zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt in der Regel keine juristisch genaue Kenntnis der verletzten Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 01.04.2014 – OVG 81 D 2.12, juris, Rn. 47).

53

Unter Zugrundelegung dessen befanden sich die Beklagten nicht in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass angesichts des eindeutigen Inhalts der beiden Schreiben bereits für jeden Laien, und erst Recht für die Beklagten als langjährige Polizeivollzugsbeamte mit entsprechender Ausbildung, offensichtlich erkennbar sein musste, dass dieses Verhalten disziplinarrechtlich nicht folgenlos bleiben kann. Nichts anderes gilt im Hinblick auf ihren Vortrag, dass das vorgeworfene Verhalten Privatsache sei und nur ein "Trick", um sich der Inanspruchnahme durch das Sozialamt zu entziehen. Auch insoweit durften die Beklagten bei gehöriger Gewissensanstrengung nicht davon ausgehen, dass dieser "Trick" disziplinarrechtlich bei Entdeckung nicht geahndet werde. Die persönliche Vorstellung, dass das Verhalten und damit das Dienstvergehen nicht vom Dienstherrn entdeckt werde, steht einer schuldhaften Begehung nicht entgegen.

3.

54

Soweit sich die Beklagten auf ein Beweisverwertungsverbot berufen und unter Bezugnahme auf ein an sie gerichtetes Schreiben des Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 17.06.2015 (vgl. Bl. 327 – 330 d. B.A.) vortragen, dass der Landkreis ... die Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 nicht hätte an den Dienstherrn weiterleiten dürfen, folgt das Disziplinargericht dem nicht. Das Disziplinargericht schließt sich insoweit den Ausführungen des OVG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 30.07.2015 (10 M 4/15) an. Darin heißt es:

55

"Soweit es die Weitergabe der Namen der Antragsteller an ihren Dienstherrn betrifft, ist bereits zweifelhaft, ob es sich insoweit um Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelte; selbst wenn man dies aber mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz so sähe und auch eine Anwendbarkeit des § 68 Abs. 1 SGB X ausschlösse, wäre sowohl die Übermittlung der Namen als auch diejenige der streitgegenständlichen Schreiben in Wahrnehmung eines berechtigten Interesses in Anlehnung an die Vorgaben des § 34 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 2013 -, zit. nach JURIS) gerechtfertigt.

56

Im Gegensatz zur Auffassung des Landesbeauftragten für den Datenschutz begründeten die Schreiben durchaus eine gegenwärtige Gefahr für überragende Rechtsgüter der Allgemeinheit, mithin für solche, welche die im konkreten Fall anzunehmenden Persönlichkeitsinteressen der Antragsteller ganz erheblich überwiegen. Wie der Senat im Beschluss vom 21. Mai 2015 ausgeführt hat, haben beide Antragsteller mit ihren an das Sozialamt des Landkreises ... gerichteten Schreiben massiv gegen die beamtenrechtliche Grundpflicht zur Beachtung und zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Das dadurch gefährdete Rechtsgut der Allgemeinheit, nämlich das Vertrauen in die Integrität von Polizeibeamten und deren jederzeitiges Eintreten für die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes im Sinne des Art. 20 GG, hat deutlichen Vorrang vor dem Singularinteresse einzelner Beamter, dass von ihm an eine Verwaltungsbehörde gerichtete Schreiben mit der Negierung der Geltung des Grundgesetzes sowie der Existenz der Bundesrepublik Deutschland überhaupt der Kenntnisnahme durch seinen Dienstherrn vorenthalten werden.

57

Selbst wenn man aber von einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen ausgehen sollte, so würde dieser nicht gleichsam automatisch zu dem von den Antragstellern behaupteten Beweisverwertungsverbot führen. Es ist im Bereich des – hier über § 3 DG LSA anwendbaren – allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannt, dass zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter auch die Verwertung etwa rechtswidrig erhobener Beweise zulässig sein kann. Dabei ist jeweils eine Güterabwägung vorzunehmen, die vor allem dann zu einer Verwertbarkeit der Beweise führen kann, wenn dies aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls geboten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. § 98 Rdn. 3). Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist nicht erkennbar, dass die Übermittlung der hier zugrunde liegenden Schreiben der Antragsteller an ihren Dienstherrn angesichts des im Raum stehenden Vorwurfs einer ganz erheblichen Verletzung von beamtenrechtlichen Kernpflichten – Negieren der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der darauf basierenden staatlichen Institutionen – unverhältnismäßig in deren Persönlichkeitsrechte eingegriffen hätten."

4.

58

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten sowie dem Umfang der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist regelmäßig dann auszusprechen, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen, das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aber auch der Allgemeinheit endgültig zerstört hat (vgl. nur: BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04 und Urt. v. 19.08.2010, 2 C 13.10; beide juris).

59

Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist. Eine vollständige und richtige Gesamtwürdigung setzt voraus, dass die Disziplinarkammer die im Einzelfall bemessungsrelevanten, d. h. die für die Schwere des Dienstvergehens und das Persönlichkeitsbild bedeutsamen Tatsachen ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Gesamtbewertung einbezieht. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis des Disziplinargerichts als einem Mittel der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes. Dabei findet der Grundsatz „in dubio pro reo“ Anwendung. Die Disziplinargerichte dürfen nur solche belastenden Tatsachen in die Gesamtwürdigung einstellen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Demgegenüber müssen entlastende (mildernde) Umstände schon dann zu Gunsten des Beamten berücksichtigt werden, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (vgl. nur: VG Magdeburg, Urt. v. 27.10.2011, 8 A 2/11 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 27.01.2011, 2 A 5.09; jüngst BVerwG, Urt. v. 29.03.2012, 2 A 11/10, OVG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2012, 19 LD 4/11; zuletzt ausführlich; VG Magdeburg, Urt. v. 17.10.2013, 8 A 6/13 und Urt. v. 30.03.2017 – 15 A 17/16, alle juris).

60

Haben die Beklagten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen - bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Eine derartige Abstufung kann im vorliegenden Falle nicht vorgenommen werden, weil die zwei Pflichtenverstöße, d.h. das Schreiben vom 05.05.2014 und das Schreiben vom 21.05.2014 vergleichbar schwer wiegen (vgl. zur Abgrenzung: VG Magdeburg, Urt. v. 30.03.2017, 15 A 17/16; juris).

61

An diesen Vorgaben gemessen wiegen die von den Beklagten begangenen Dienstvergehen so schwer, dass die disziplinare Höchstmaßnahme jeweils indiziert ist.

62

Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten haben angesichts dessen, dass die Grundfeste der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Beklagten in sprachlich eindeutiger Weise negiert werden, ein immenses Gewicht. Die Beklagten haben mit ihrem Verhalten für einen objektiven Betrachter zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass in ihren Augen das Grundgesetz ungesetzlich und die darauf basierenden Gesetzte nichtig seien. Mit diesem Verhalten haben sie zur Überzeugung des Gerichts sowohl das Vertrauen der Allgemeinheit als auch das Vertrauen des Dienstherrn in eine künftige ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung ihrerseits vollständig, eklatant und unwiderruflich zerstört. Hierbei ist zu beachten, dass Polizeibeamte – wie die Beklagten – der Öffentlichkeit gegenüber besonders augenfällig als Vertreter des Staates auftreten und insoweit eine Negation der Grundordnung durch diese auch besonders schwer wiegt. Dies gilt umso mehr, als dass es sich nicht um eine einmalige Verfehlung handelt, sondern die Beklagten im Abstand von circa zweieinhalb Wochen in vergleichbar schwerwiegender Weise vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflichten verstoßen haben.

63

Hierbei verkennt das Disziplinargericht keinesfalls, dass bei den Beklagten über den disziplinarrechtlich relevanten Anschein der Verfassungsuntreue hinaus verfassungswidrige Tendenzen tatsächlich nicht festgestellt werden konnten und auch diese von der Klägerin nicht behauptet worden sind. Es ist weder bekannt, dass die Beklagten in den Kreisen der sogenannten "Reichsbürgerbewegung" verkehren, worauf der Inhalt und die Wortwahl der Schreiben vom 05.05.2014 und vom 21.05.2014 zunächst schließen lassen könnten, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagten das in den Schreiben zum Ausdruck kommende verfassungsfeindliche Gedankengut sonst an anderer Stelle geäußert hätten oder dies an anderer Stelle oder zu anderer Zeit verbreitet hätten. Zwar mag es fraglich bleiben, wie die Beklagten im Internet gerade auf die einschlägigen Vordrucke, die das Gericht eindeutig dem Kreis der sog. "Reichsbürgerbewegung" zuordnet, aufmerksam geworden sein wollen, wenn sie diesen Kreisen nach eigenen Angaben nicht angehören und mit diesen vorher – nach eigenen Angaben – auch keine eigenen Erfahrungen gemacht haben wollen. Dass sie hierauf durch schlichtes "googeln" gestoßen seien, wobei sie dem Gericht in der mündlichen Verhandlung weder Suchstichworte noch andere valide Anhaltspunkte für ihre Suche nennen konnten, hält das Gericht zumindest für fraglich. Dessen ungeachtet ist für das Gericht die Zuordnung der Beklagten in die sog. "Reichsbürgerbewegung" aber auch nicht erforderlich, um die Entfernung aus dem Dienst zu rechtfertigen.

64

Vielmehr ist für das Disziplinargericht entscheidend, dass die Beklagten als Polizeibeamte, deren Kernaufgabe gerade der Schutz und die Gewähr der freiheitlich demokratischen Grundordnung – insbesondere des Grundgesetzes – ist, diese freiheitlich demokratische Grundordnung in ihr persönliches Belieben gestellt und eigenen, privaten Zwecken (Entziehung der Inanspruchnahme durch das Sozialamtes) untergeordnet haben. Es lässt auf eklatante Persönlichkeitsmängel schließen, wenn – wie hier - gut ausgebildete in der Laufbahngruppe 2 befindliche Polizeikommissare mit einem breiten Maß an Lebens- und Berufserfahrung sich entscheiden, der Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt durch einen unseriösen "Trick" zu entziehen und dies nicht, indem sie ihre verwaltungsrechtlichen Erfahrungen und ihre fachlichen Kompetenzen auf einem geläufigen Rechtsweg beschreiten, sondern freiwillig eine Lösung favorisieren, die unverkennbar außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik liegt.

65

Gewichtige Milderungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sind und den Schluss rechtfertigen, dass das ihnen vom Dienstherrn und der Allgemeinheit entgegengebrachte Vertrauen noch nicht endgültig verloren ist und daher (noch) eine Disziplinarmaßnahme "unterhalb" der Entfernung gerechtfertigt ist, liegen nicht vor.

66

Solche Gründe stellen zum einen die von der Rechtsprechung bezüglich der sog. Zugriffsdelikte entwickelten und anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere menschliche Konfliktsituationen beschreiben. Hierzu zählen etwa das Handeln in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage oder einer körperlichen oder psychischen Ausnahmesituation oder besonderen Versuchssituationen oder eine persönlichkeitsfremde Einzelverfehlung des Beamten wie auch „Entgleisungen“ während einer negativen, inzwischen überwundenen, durch Alkohol, Drogen oder Schicksalsschläge bedingten Lebensphase. Auch besondere die Dienstpflichtverletzung begünstigende Handlungen und mangelnde Kontrollen des Dienstherrn können im Einzelfall wie ein besonderes Nachtatverhalten die Schwere der Verfehlung mildern. Zeitlich überlange Disziplinarverfahren können wegen des disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebotes und der mit dem Disziplinarverfahren verbundenen persönlichen Belastungen jedenfalls bei Maßnahmen der Pflichtenmahnung berücksichtigt werden. Entlastungsgründe können sich aber zum anderen auch aus allen Besonderheiten ergeben, die es im Einzelfall wegen der persönlichkeitsbedingten an § 13 DG LSA zu orientierenden Prognoseentscheidung gebieten, von der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen Abstand zu nehmen. Auch eine dienstliche Überlastung kann einen Milderungsgrund darstellen (VG Magdeburg, Urteil v. 29.01.2013, 8 A 5/11; juris).

67

Die entlastenden Gründe sind nicht (mehr) allein auf den in der Rechtsprechung entwickelten Kanon der anerkannten Milderungsgründe beschränkt (BVerwG, Urteil v. 29.03.2012, 2 A 11.10, m. w. Nachw.; juris). Diese müssen aber in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Schadenshöhe sowie der Tatumstände, wie Anzahl, Häufigkeit, Zeitraum, Verschiedenartigkeit und Tatausführung wiegt (im Ganzen ausführlich: VG Magdeburg, Urt. v. 29.11.2012, 8 A 12/11, v. 31.03.2011, 8 A 2/10 MD und v. 27.10.2011, 8 A 2/11, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 24.05.2007, 2 C 28.06, Urt. v. 06.06.2007, 1 D 2.06, Urt. v. 29.05.2008, 2 C 59.07; Bayr. VGH, Urt. v. 27.10.2010, 16 aD 09.2470; OVG Lüneburg, Urt. v. 08.02.2011, 6 LD 4/08; alle juris).

68

In diesem Sinne durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigen würden, vermag das Disziplinargericht vorliegend nicht zu erkennen.

69

Anders als sich die Situation dem Disziplinargericht im Rahmen des erstinstanzlichen Eilverfahrens darstellte, haben die Beklagten auch nicht lediglich einmalig, sondern wiederholt – nämlich mit Schreiben vom 21.05.2015 und vom 05.05.2014 – ihre verfassungswidrige Auffassung nach außen vertreten. Zur Überzeugung des Gerichts kann daher nicht entlastend von einer einmaligen Kurzschlusshandlung ausgegangen werden oder davon, dass sich die Beklagten nicht auch intensiv (genug) mit den verwendeten Vordrucken beschäftig hätten und daher die Tragweite ihrer Äußerungen nicht vor Augen gehabt hätten. Denn dagegen spricht nicht nur die Absendung zweier entsprechend offenkundig einschlägiger Schreiben, sondern auch, dass dies nicht kurz hintereinander, sondern zeitversetzt über zweieinhalb Wochen erfolgte. Zudem spricht dagegen, dass die Beklagten die im Schreiben vom 05.05.2014 verwendete "juristische Aufklärung" an besonders relevanter Stelle händisch unterstrichen ("verwaltungsrechtlich … gerichtsverfassungsrechtlich NICHT der BRD untersteht") und den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 inhaltlich verändert haben. So haben sie im Vordruck die Adress- und Betreffzeile individualisiert und die Subjekte "ich" durch "wir" ersetzt. Auch wenn es sich hierbei um keine materiellen Änderungen des Inhaltes handelt, ist dennoch zweifelsfrei erkennbar, dass sie – um die Änderungen konsequent durch das gesamte Dokument vorzunehmen – das gesamte Dokument gewissenhaft gelesen, durchdacht und sich damit identifiziert haben mussten. Auch hat der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er beide Schreiben zusammen aus dem Internet "gezogen" habe und nicht etwa zuerst nur den Vordruck aus dem Schreiben vom 05.05.2014 und dann zweieinhalb Wochen später den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014. Die Beklagten mussten daher bereits beim Abfassen des Schreibens vom 05.05.2014 eine Abwägung getroffen haben, welchen Vordruck sie als erstes verwenden würden. Der Beklagte zu 2) gab zudem in der mündlichen Verhandlung an, dass er den Vordruck für das Schreiben vom 21.05.2014 auch gerade im Hinblick für eine spätere Verwendung abgelegt hatte. Auch insoweit ist daher keinesfalls von einer Kurzschlussreaktion auszugehen.

70

Entlastend kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagten nach eigenen – und unbestrittenen – Angaben wirtschaftlich und psychisch aufgrund der Inanspruchnahme durch das Sozialamt, der Pflege der Mutter der Beklagten zu 1) und auch einer beruflich angespannten Situation der Beklagten zu 1) stark belastet waren und insofern eine psychische Ausnahmesituation vorgelegen hätte. Dieser Milderungsgrund greift dann, wenn für den Betreffenden eine schockartig ausgelöste vorübergehende psychische Ausnahmesituation bestanden hat. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der zu einem für einen derartigen Schockzustand typischen Fehlverhalten des Betroffenen führen kann und der den Beamten so aus der Bahn wirft, dass er nicht mehr in der Lage ist, entsprechend den sonst gegebenen Wertvorstellungen und Hemmschwellen zu handeln (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 10.12.2003 – 14 A 3222/04, juris m.w.N.) Für eine derartige plötzliche Schocksituation sind vorliegend keinerlei Gesichtspunkte erkennbar. Die Heranziehung zur Nachzahlung des Elternunterhaltes war den Beklagten bereits lange vor dem relevanten Schriftverkehr im Mai 2014 bekannt und kam somit nicht plötzlich.

71

Entlastend kann auch nicht das Nachtatverhalten der Beklagten herangezogen werden. Diese haben zwar im Nachgang der Tat vorgetragen, dass sie verfassungstreu seien und ihnen die Verwendung der Formblätter "leid tue". Auch in der mündlichen Verhandlung haben sie geäußert, dass ihr Verhalten ein Fehler gewesen sei. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs haben sie diese Einsicht und Reue jedoch zum einen nicht unmittelbar nach der Tat gezeigt, sondern erst als absehbar war, dass ihr Verhalten disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. So hat die Beklagte zu 1) im Rahmen eines anlassbezogenen Gesprächs mit dem Revierleiter, Herrn POR G…, vom 05.09.2014, d.h. circa ein viertel Jahr später, ausgeführt, dass die Angelegenheit Privatsache sei. Die Ausführungen, welche seit 2006 rechtlich abgesichert seien, habe sie aus dem Internet. Die verwendeten Darstellungen habe sie als "Trick" benutzt, um den Forderungen des Sozialamtes nicht nachkommen zu müssen. Zudem sehe sie nicht ein, dass ihr Mann für die Schulden ihres Vaters aufkommen solle (Bl. 15 f. d. B.A.).

72

Entlastend kann ferner nicht berücksichtigt werden, dass den Beklagten die Tragweite der disziplinarrechtlichen Konsequenzen nicht bewusst gewesen sei. Denn relevant ist insoweit nur, dass ihnen (wie oben ausgeführt) bewusst sein musste, dass sie ein disziplinarrechtlich relevantes Verhalten ausüben. Nicht relevant ist hingegen, dass sie das Ausmaß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst als Höchstmaßnahme) nicht in Betracht gezogen haben.

73

Somit kann entlastend nur berücksichtigt werden, dass die Beklagten disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten sind. Dies genügt jedoch nicht, um das zerstörte Vertrauen zum Dienstherrn wiederherzustellen und deshalb von der Höchstmaßnahme abzusehen.

74

In der Gesamtschau ist durch das schwere Dienstvergehen ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten, der die Beklagten im Beamtenverhältnis als untragbar erscheinen lässt.

75

Die nach alledem dienstrechtlich notwendige Entfernung aus dem Dienst verstößt nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Denn diese disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist die einzige Möglichkeit, die durch den Dienstherrn sonst nicht lösbaren Dienstverhältnisse einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für die Betroffenen ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht vielmehr auf einem ihnen zurechenbaren Verhalten (BVerwG, Urt. v. 21.06.2000, 1 D 49.99; juris).

III.

76

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 1 Satz 1 DG LSA. Das Verfahren ist gem. § 73 Abs. 1 Satz 1 gebührenfrei.


(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte sind:

1.
Verweis (§ 6)
2.
Geldbuße (§ 7)
3.
Kürzung der Dienstbezüge (§ 8)
4.
Zurückstufung (§ 9) und
5.
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10).

(2) Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte sind:

1.
Kürzung des Ruhegehalts (§ 11) und
2.
Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12).

(3) Beamten auf Probe und Beamten auf Widerruf können nur Verweise erteilt und Geldbußen auferlegt werden. Für die Entlassung von Beamten auf Probe und Beamten auf Widerruf wegen eines Dienstvergehens gelten § 34 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 sowie § 37 des Bundesbeamtengesetzes.

(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22. Februar 2010, Az.: 3 Ca 725/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen des Beklagten vom 27.02.2009 und vom 10.03.2009 aufgelöst worden ist, oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.06.2009 bestanden hat.

2

Der Kläger (geb. am … 1957, ledig) war seit dem 01.01.1999 im Betrieb des Beklagten als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt € 2.200,00 beschäftigt. Ob der Beklagte zum Kündigungszeitpunkt mehr als zehn Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigte, war erstinstanzlich zwischen den Parteien streitig.

3

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27.02.2009 und erneut mit Schreiben vom 10.03.2009 fristlos, hilfsweise fristgerecht. Er stützt beide Kündigungen darauf, dass der Kläger am Freitag, dem 27.02.2009 die Fäkalsprache benutzt, die Arbeit verweigert sowie eine Erkrankung angekündigt habe. Der Kläger wendet sich gegen die Kündigungen mit seiner am 23.03.2009 erhobenen Klage.

4

Der Beklagte trägt zur Begründung der Kündigungen vor, seine Büromitarbeiterin W. V. habe den Kläger am 27.02.2009 um die Mittagszeit unterwegs angerufen und ihm mitgeteilt, dass er mit seiner Arbeit noch nicht fertig sei, wenn er gegen 13:00 Uhr von seiner Fahrt zum Betrieb zurückkehre. Er müsse um 18:00 Uhr mit dem Lkw in U-Stadt stehen, und dort eine Teilpartie zuladen. Der Kläger sei bereits am Telefon äußerst ungehalten gewesen und habe in unangemessenem Ton geäußert, dass er das nicht mache, seine Zeit sei um. Frau V. habe erwidert, dass er noch genügend Arbeitszeit habe, er müsse noch nach U-Stadt fahren. Der Kläger habe ihr in unangemessenem Ton geantwortet, er fahre garantiert nicht mehr. Bei seiner Ankunft im Betrieb um 13:00 Uhr habe seine weisungsbefugte Ehefrau dem Kläger erklärt, dass der Lkw im Betrieb angeladen werde, er habe dann mindestens 4 Stunden Freizeit. Gegen 18:00 Uhr könne er in U-Stadt noch eine Teilladung zuladen und dann im Lkw übernachten, um von dort am nächsten Morgen weiterzufahren. Nach Erhalt dieser Arbeitsanweisung habe sich der Kläger im Büro „aufgebaut“ und erklärt, er mache das nicht, seine Arbeitszeit in dieser Woche sei ausgeschöpft. Auch nach einem weiteren Wortwechsel habe sich der Kläger vehement geweigert, die Arbeit zu verrichten. Nachdem seine Ehefrau auf der Anweisung beharrt habe, sei der Kläger laut geworden und habe gesagt: „Ich mache die ganze Scheiße nicht mehr mit, ich gehe jetzt zum Arzt und lasse mich krankschreiben. Vor drei Wochen habe ich mir bei der Arbeit den Fuß verletzt.“ Der Kläger habe sodann den Lkw ausgeräumt, den Schlüssel auf den Tisch gelegt und sei gegangen. Er habe gegen 17:30 Uhr angerufen und erklärt, er sei beim Arzt gewesen und erst einmal bis zum 08.03.2009 krankgeschrieben worden.

5

Der Kläger trägt vor, er sei am 09.02.2009 in Strümpfen in den Lkw eingestiegen und habe sich am Zeh verletzt. Die Wunde habe sich entzündet. Weil die Praxis seiner Hausärztin am Nachmittag des 27.02.2009 bereits geschlossen gewesen sei, habe er die Praxis des Dr. med. T. S. aufgesucht. Der Arzt habe die Wunde sofort chirurgisch behandelt. Aus medizinischer Sicht sei die Behandlung dringend erforderlich gewesen. Der Kläger war -unstreitig- vom 28.02.2009 bis einschließlich 22.03.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft hat den Krankheitszeitraum als Folge eines Arbeitsunfalls vom 10.02.2009 anerkannt.

6

Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.02.2010 (dort Seite 2-8 = Bl. 256-262 d.A.).

7

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.02.2010 der Klage gegen die zwei fristlosen Kündigungen stattgegeben und die weitergehende Klage gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Kläger könne sich gegen die ordentliche Kündigung zum 30.06.2009 nicht wehren, weil der Beklagte nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige. Die zwei fristlosen Kündigungen vom 27.02.2009 und vom 10.03.2009 seien unwirksam. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Zuganges der ersten Kündigung wegen einer Verletzung am Fuß und eines durchgeführten operativen Eingriffs arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er habe am Nachmittag des 27.02.2009 seine Arbeitspflicht deshalb nicht verletzt. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, die Erkrankung des Klägers sowie den dargestellten operativen Eingriff in Zweifel zu ziehen. Unterstelle man die vom Beklagten vorgetragenen Äußerungen des Klägers am 27.02.2009 gegenüber dem Büropersonal als zutreffend, so sei das Arbeitsverhältnis nicht so belastet, dass dem Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre. Die beiden Büromitarbeiterinnen hätten nämlich - trotz der Äußerungen - versucht, den Kläger zur Durchführung der fraglichen Fahrt zu bewegen. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger, hätte er die Fahrt durchgeführt, nicht fristlos gekündigt worden wäre. Die fristlosen Kündigungen seien jedenfalls unverhältnismäßig, weil das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 01.01.1999 bestanden habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.02.2010 (Bl. 267-269 d.A.) Bezug genommen.

8

Gegen dieses Urteil, das ihm am 16.06.2010 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am 21.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 21.07.2010 begründet.

9

Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe das Verhalten und die Äußerungen des Klägers am 27.02.2009 nicht der Schwere des Vergehens entsprechend gewürdigt. Bereits die Äußerungen des Klägers seien so drastisch und verletzend gewesen, dass allein schon deswegen die fristlose Kündigung berechtigt gewesen sei. Außerdem sei in seinen Äußerungen eine massive Arbeitsverweigerung zum Ausdruck gekommen. In der Benutzung der Fäkalsprache liege eine so grundlegende Missachtung des Arbeitgebers und seiner Mitarbeiterinnen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für eine Sekunde unzumutbar sei. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unterstellt, dass er trotz der Äußerungen bereit gewesen wäre, den Kläger weiterzubeschäftigen, wenn er die Fahrt nach U-Stadt durchgeführt hätte. Der Kläger habe versucht, eine Krankheit vorzuschieben. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien Anhaltspunkte erkennbar, die zwar nicht die Erkrankung selbst, wohl aber deren Intensität und die dringende Erforderlichkeit des operativen Eingriffs in Frage stellten. Er habe den Verdacht, dass der Kläger einen nicht dringend erforderlichen Eingriff habe vornehmen lassen, nachdem er gemerkt habe, dass sein Arbeitsplatz in Gefahr sei. Das Arbeitsgericht hätte deshalb seinem Beweisantrag nachgehen müssen, dass der Kläger am fraglichen Tag nicht arbeitsunfähig gewesen sei, eine Operation hätte auch später erfolgen können. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 20.07.2010 (Bl. 284-289 d. A.) und vom 24.08.2010 (Bl. 314-316 d. A.) Bezug genommen.

10

Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

11

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.02.2010, Az.: 3 Ca 725/09, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung im Schriftsatz vom 28.07.2010, auf den Bezug genommen wird (Bl. 304-309 d.A.), als zutreffend. Er habe seine Arbeit am Nachmittag des 27.02.2009 nicht verweigert. Es sei vielmehr dringend erforderlich gewesen, einen Arzt aufzusuchen, der auch sofort einen operativen Eingriff vorgenommen habe. Er habe sich nicht in der vom Beklagten dargestellten Form gegenüber den Mitarbeiterinnen V. und A. geäußert. Er habe Frau V. bereits am Telefon versucht zu erklären, dass er die gesetzlichen Ruhezeiten nicht einhalte, wenn er die Fahrt am Abend durchführe. Unabhängig von seiner Erkrankung hätte er jedenfalls wegen Überschreitung der Lenkzeiten nicht mehr fahren dürfen.

15

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

17

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen des Beklagten vom 27.02.2009 und vom 10.03.2009 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Es endete deshalb erst am 30.06.2009 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.

18

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass es dem Beklagten zuzumuten war, das am 01.01.1999 begründete Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum 30.06.2009 fortzusetzen. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.

19

1. Der Beklagte kann die zwei fristlosen Kündigungen nicht darauf stützen, dass der Kläger am 27.02.2009 im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung mit den Büroangestellten die Fäkalsprache benutzt habe, was der Kläger bestreitet.

20

Selbst wenn sich der Kläger mit den Worten: „Ich mache die ganze Scheiße nicht mehr mit“ geweigert haben sollte, die Fahrt nach U-Stadt durchzuführen, rechtfertigt die Benutzung des Wortes „Scheiße“ im konkreten Kontext nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Die beiden Büroangestellten V. und A. konnten die Verwendung des Wortes „Scheiße“ nach den tatsächlichen Umständen nicht als persönlich diffamierende Schmähung auffassen. Es handelt sich erkennbar nicht um eine Herabwürdigung der beiden Angestellten als Person, sondern um eine - ausfällige - Kritik an den Arbeitsbedingungen.

21

2. Soweit der Beklagte die fristlosen Kündigungen darauf zu stützen sucht, dass der Kläger am 27.02.2009 „ungehalten“ gewesen sei, und sich „in unangemessenem Ton“ geäußert habe, ist dieses Vorbringen völlig unsubstantiiert. Das gleiche gilt für das Berufungsvorbringen, die Äußerungen des Klägers seien „so drastisch“ und „verletzend“ gewesen, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gewesen sei. Was der Kläger konkret gesagt haben soll, hat der Beklagte nicht ansatzweise vorgetragen.

22

3. Die fristlosen Kündigungen vom 27.02.2009 und vom 10.03.2009 sind auch nicht wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung gerechtfertigt.

23

Dies folgt bereits daraus, dass der Beklagte die Voraussetzungen einer rechtswidrigen und schuldhaften Arbeitsverweigerung am 27.02.2009 nicht dargelegt hat. Der Kläger hätte die Arbeit nicht - wie vom Beklagten behauptet - rechtswidrig verweigert, wenn er das angeordnete Fahrtziel in U-Stadt nur unter Überschreitung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit hätte erreichen können.

24

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe am 27.02.2009 die Weiterfahrt verweigert, weil er ansonsten die zulässige Höchstarbeitszeit für Kraftfahrer überschritten hätte. Zum Nachweis hat er sich auf seine handschriftlichen Eintragungen im Fahrtenbuch vom Februar 2009 (Bl. 99 d.A.) berufen und ausgeführt, er habe am 27.02.2009 seine Arbeit bereits um 6:00 Uhr angetreten. Wenn er die angeordnete Fahrt nach U-Stadt noch durchgeführt hätte, wären seit Schichtbeginn 12 Stunden vergangen. Er hätte mindestens 9 Stunden Pause machen müssen, statt der 3 Stunden, die ihm beklagtenseits zugestanden worden seien. Aus dem Fahrtenbuch für Februar 2009 ergebe sich, dass er in der 6. KW 60 Stunden, in der 7. KW 64,5 Stunden, in der 8. KW 56,5 Stunden und in der 9. KW 54 Stunden, mithin insgesamt 235 Stunden, gearbeitet habe.

25

Es war Sache des Beklagten dieses Rechtfertigungsvorbringen des Klägers zu widerlegen. Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Ihn trifft daher die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (st. Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. Urteil vom 17.06.2003 - 2 AZR 123/02 - NZA 2004, 564 - Juris, Rn. 24, m.w.N.).

26

Tatsächlich hat der Beklagte das Fahrtenbuch des Klägers lediglich für 2 Tage (26. und 27.02.2009) vorgelegt und vorgetragen, diesen Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger am 26.02.2009 „völlig normal“ gearbeitet habe. Am 27.02.2009 habe er eine Fahrtzeit von 3,53 Stunden und eine Schichtzeit von 7 Stunden aufzuweisen gehabt, als er sich im Büro gemeldet habe. Die maximal mögliche Schichtzeit hätte 12 Stunden betragen. Dem Kläger sei angeboten worden, „einige Stunden“ nach Hause zu gehen und dann in U-Stadt zu laden. Die Übernachtung hätte dann dort erfolgen können. Es habe somit keinerlei Grund bestanden, die Arbeit zu verweigern.

27

Dieser Vortrag genügt angesichts der komplexen Arbeitszeitvorschriften im Straßengüterverkehr nicht ansatzweise, um darzulegen, dass der Kläger die angeordnete Fahrt nach U-Stadt ohne Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit hätte durchführen können. Die Vorschrift des § 21 a ArbZG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 über Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten enthält spezifische Arbeitszeitregelungen für die Beschäftigung von Kraftfahrern im Straßengüterverkehr. Kernpunkt des § 21 a ArbZG ist die Beschränkung der Wochenarbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden sowie auf maximal 60 Stunden Höchstarbeitszeit in der Spitze. Die Woche ist nach § 21 a Abs. 2 ArbZG definiert als der Zeitraum von Montag 0 Uhr bis Sonntag 24 Uhr, also als Kalenderwoche. Nach Art. 6 der VO Nr. 561/2006 darf die tägliche Lenkzeit 9 Stunden nicht überschreiten; sie darf höchstens zweimal in der Woche auf höchstens 10 Stunden verlängert werden (Abs. 1). Die wöchentliche Lenkzeit darf höchstens 56 Stunden betragen (Abs. 2). Die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen darf 90 Stunden nicht überschreiten (Abs. 3).

28

Der Beklagte hat vorliegend noch nicht einmal die Wochenarbeitszeit des Klägers in der Kündigungswoche ab Montag, dem 23.02.2009 konkret dargelegt, sondern sich auf lediglich 2 Tage beschränkt. Es fehlt jedweder Vortrag zur konkreten Wochenlenkzeit und zur Doppelwochenlenkzeit. Aus dem vorgelegten Fahrtenbuch für den 26.02.2009, an dem der Kläger „völlig normal“ gearbeitet haben soll, ergibt sich, dass er für 12 Fahrten mit einer Wegstrecke von 517,72 km eine Fahrtzeit von 08:15:43 Stunden und eine Gesamtschichtzeit von 11:46:56 Stunden absolviert hat. Am 27.02.2009 ist er laut Fahrtenbuch des Beklagten um 06:33 Uhr gestartet und um 13:38 Uhr nach einer Wegstrecke von 241,39 km im Betrieb angekommen. Er hat an diesem Freitag eine Fahrtzeit von 03:55:17 Stunden und eine Gesamtschichtzeit von 07:05:06 Stunden absolviert. Zwar hätte der Kläger bei einer Weiterfahrt nach U-Stadt die Tageslenkzeit nicht überschritten, ob er allerdings die Wochenarbeitszeit, die Wochenlenkzeit oder die Doppelwochenlenkzeit nicht überschritten hätte, kann mangels substantiiertem Vortrag des Beklagten nicht überprüft werden. Es ist ebenfalls nicht feststellbar, ob der Kläger bei einer Weiterfahrt nach U-Stadt die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten hätte einhalten können. Nach seiner Ankunft im Betrieb des Beklagten um 13:38 Uhr hätte er jedenfalls nicht „mindestens 4 Stunden Freizeit gehabt“, wenn er um 18:00 Uhr in U-Stadt (Entfernung 35 km über B 39) eintreffen sollte.

29

Der Vortrag des Beklagten im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10.09.2009 (dort Seite 5) erschöpft sich in der schlagwortartigen Nennung von Durchschnittswerten. So hat der Beklagte vorgetragen, im Februar 2009 habe die wöchentliche Gesamtarbeitszeit des Klägers im Durchschnitt 47,53 Stunden betragen, die durchschnittliche reine Lenkzeit 29,53 Stunden und die durchschnittliche wöchentliche Pausenzeit 115,13 Stunden. „Alleine in der letzten Woche“ hätten sich folgende Zeiten ergeben: „Gesamtzeit 45 Stunden 42 Minuten, reine Lenkzeit 30 Stunden 17 Minuten, Pausen 141 Stunden 24 Minuten. Im Hinblick darauf, dass in der letzten Arbeitswoche des Klägers von Montag, 23.02.2009, 0 Uhr bis Freitag, 27.02.2009, 13:38 Uhr (Ankunft) auf der Zeitschiene nur 109,63 Stunden vergangen sind, ist diese Rechnung nicht nachvollziehbar. Wegen der Unsubstantiiertheit des gesamten Vortrages zu den Durchschnittszeiten wäre die Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens oder die Vernehmung der hierfür benannten Zeugin im Übrigen auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinausgelaufen.

30

4. Der Beklagte kann die fristlosen Kündigungen schließlich auch nicht darauf stützen, dass der Kläger am 27.02.2009 eine Erkrankung nur vorgeschoben habe, um die Fahrt nach U-Stadt nicht durchführen zu müssen.

31

Die Berufungskammer geht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, dass die Androhung, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verschaffen, um dem Arbeitgeber durch diese Androhung eine bestimmte gewünschte Vergünstigung abzupressen, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darstellt. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde krank, wenn der Arbeitgeber einem bestimmten Begehren nicht nachgibt, obwohl er im Zeitpunkt der Ankündigung nicht krank war und sich aufgrund bestimmter Beschwerden auch noch nicht fühlen konnte, so ist ein solches Verhalten ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitnehmer tatsächlich erkrankt, an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (vgl. BAG Urteil vom 12.03.2009 - 2 AZR 251/07 - AP Nr. 15 zu § 626 BGB Krankheit, m.w.N.).

32

Dagegen ist der krankheitsbedingt arbeitsunfähige Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet und der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, diese zu verlangen. Dies gilt auch wenn der Arbeitnehmer bislang trotz bestehender Erkrankung -insoweit ggf. überobligatorisch- dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung angeboten haben sollte. War der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ankündigung eines künftigen, krankheitsbedingten Fehlens aber bereits objektiv erkrankt und durfte er davon ausgehen, auch (weiterhin) wegen Krankheit arbeitsunfähig zu sein, kann nicht mehr angenommen werden, sein fehlender Arbeitswille und nicht die bestehende Arbeitsunfähigkeit sei Grund für das spätere Fehlen am Arbeitsplatz. Ebenso wenig kann dem Arbeitnehmer dann zum Vorwurf gemacht werden, er nehme notfalls eine wirtschaftliche Schädigung des Arbeitgebers in Kauf, um die von ihm erstrebte Befreiung von der Arbeitspflicht zu erreichen (vgl. BAG Urteil vom 12.03.2009 - 2 AZR 251/07 - a.a.O.).

33

So liegen die Dinge hier. Der Kläger hat unstreitig am Nachmittag des 27.02.2009 den Durchgangsarzt Dr. med. S. aufgesucht, weil sich eine Wunde an seinem Fußzeh entzündet hatte. Der Arzt hat die Wunde sofort chirurgisch behandelt. Der Kläger war wegen dieser Verletzung, die die zuständige Berufsgenossenschaft als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt hat, bis einschließlich 22.03.2009 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hat keine Umstände dargelegt, die zu ernsthaften Zweifeln an einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers Anlass geben. Er bestreitet zweitinstanzlich nicht das Vorliegen einer Erkrankung, wohl aber deren Intensität und die dringende Erforderlichkeit des operativen Eingriffs am Freitagnachmittag. Diese Erwägungen des Beklagten sind nicht geeignet, den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. Nach § 34 Abs. 1 SGB VII ist ein Durchgangsarzt verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische Behandlung gewährleistet wird. Wenn der von den Berufsgenossenschaften zugelassene Durchgangsarzt Dr. S. noch am Nachmittag des 27.02.2009 die Wunde des Klägers chirurgisch behandelt hat, kann der Beklagte die Dringlichkeit dieses Eingriffs nicht einfach bestreiten. Der Kläger war insbesondere nicht verpflichtet, diesen Eingriff zu verschieben, um die angeordnete Fahrt nach U-Stadt durchzuführen. Deshalb bestand für das Arbeitsgericht kein Anlass, Beweis darüber zu erheben, dass die Operation auch später hätte erfolgen können.

III.

34

Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

35

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

Gründe

1

I.) Die Antragstellerin ist Polizeivollzugsbeamtin im Rang einer Kriminalkommissarin und wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2014 ausgesprochene teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 31 %. Zuvor wurde die Beamtin mit Bescheid vom 11.08.2014 vorläufig des Dienstes enthoben. Den dagegen bei dem Disziplinargericht gestellten Antrag nach § 61 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt - DG LSA - (8 B 17/14) hat sie zurückgenommen. Die vorläufige Dienstenthebung führt aus, dass die Beamtin ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Denn aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung durch das Landgericht A-Stadt vom 12.11.2013 wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung sei damit zu rechnen, dass die Beamtin im Fortgang des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werde. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die Berechnung und die Höhe des Kürzungsteils.

2

II.) Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

3

Nach § 38 Abs. 2 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Einbehaltung von 31 % der Dienstbezüge nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

5

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die Einbehaltung von Dienstbezügen dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungsanteils nicht an dem Grundsatz der angemessenen Alimentation des Beamten ausrichtet, aber auch dann, wenn der Dienstherr die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, nicht oder nicht hinreichend stellt.

6

1.) Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid aus, dass die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben wurde und bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich sei, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen werde. In der Antragserwiderung vom 01.12.2014 verweist die Antragstellerin auf die Begründung der vorläufigen Dienstenthebung.

7

Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass die notwendige Prüfung und Prognoseentscheidung zum voraussichtlichen Ausgang des anhängigen Disziplinarverfahrens als Tatbestandsvoraussetzung der Rechtmäßigkeit der Kürzung nach § 38 Abs. 2 DG LSA genauso sorgfältig zu erfolgen hat, wie in der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DG LSA selbst. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge meistens gleichzeitig mit der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung verbunden wird, wie dies auch vom Gesetz als zulässig angesehen wird. Eine Verweisung auf die Gründe der Suspendierungsverfügung muss daher grundsätzlich aus Effektivitätsgründen als zulässig angesehen werden. Dementsprechend sieht das Disziplinargericht die vorliegende Anlehnung an die Gründe der Suspendierung in dem streitbefangenen Bescheid und schließlich die Verweisung darauf in der Antragserwiderung als noch ausreichend an.

8

Diese Ausführungen zum Dienstvergehen und insbesondere zur Schwere des Dienstvergehens tragen die von der Antragsgegnerin angestellte Prognoseentscheidung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Letztendlich wendet sich die Antragstellerin auch nicht gegen diese Prognoseentscheidung.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

Vorliegend wird die Schwere des Dienstvergehens zutreffend darin gesehen, dass die Beamtin rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Zutreffend wertet die Antragsgegnerin diese außerdienstlich begangene Straftat als in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen und welche zu einem schweren Ansehensverlust in der Öffentlichkeit führt. Von einer Polizeibeamtin muss und darf erwartet werden, dass sie Straftaten verhindert und nicht selbst begeht. Dies gilt gerade für solche der vorliegenden Art. Denn wie auch das Strafgericht ausgeführt hat, war der Antragstellerin als Polizeibeamtin bekannt, dass Zeugenaussagen dieser Personen- und Berufsgruppe vor Gericht eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Landgericht den Strafausspruch verschärfte.

12

2.) Die Berechnung und Festlegung des Kürzungsteils ist nicht zu beanstanden. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; alle juris).

13

Gemessen daran, ist das Ermessen der Einleitungsbehörde fehlerfrei ausgeübt worden. Denn bei der Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin als Grundlage für den prozentualen Kürzungsanteil durfte sich die Behörde zu Recht an den Sozialhilfegrundsätzen orientieren. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Regelsatz der Sozialhilfe aufgrund des Alimentationsgrundsatzes angemessen zu erhöhen ist. Diese pauschale Erhöhung von 10 % ist nicht zu beanstanden. Zudem wurde ihr als Alleinerziehende mit zwei Kindern ein 36%iger Mehrbedarf zugesprochen. Dementsprechend ist das Kindergeld zutreffend als Einkommen berücksichtigt worden. Denn auch dieses gilt als Einkommen der Beamtin und nicht etwa als Einkommen Dritter oder einer Bedarfsgemeinschaft (Sächs. OVG, Beschluss v. 02.02.2013, D 6 B 147/12 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil v. 17.06.2004,2 C 34.02; juris). Dem weiteren Vortrag der Antragstellerin, dass die Kürzungen es ihr nicht ermöglichen, notwendige Ausgaben für die Kinder zu tätigen, kann deshalb nicht gefolgt werden. Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass der Sozialhilfesatz zuzüglich der Zuschläge die notwendigen Ausgaben gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin nicht anerkannten Ausgaben werden nicht bestritten. Das Gericht folgt demnach der Berechnung der Antragsgegnerin in dem Bescheid und der Antragserwiderung vom 01.12.2014 und darf zur weiteren Begründung darauf verweisen (§ 3 DG LSA; 117 Abs. 5 VwGO).

14

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung. Das Regierungspräsidium Karlsruhe untersagte ihr mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 4. Juli 2006 unter Androhung eines Zwangsgeldes, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln und dafür zu werben. Das Zwangsgeld wurde festgesetzt, aber nicht mehr beigetrieben, nachdem die im Eilverfahren unterlegene Klägerin die Sportwettenvermittlung eingestellt hatte. Ihre Klage gegen die Untersagungsverfügung hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe abgewiesen. Ein Staatshaftungsprozess vor dem Landgericht Karlsruhe wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verwaltungsrechtsstreit ausgesetzt. Soweit dieser den Zeitraum seit Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrages zum 1. Juli 2012, die beidseits für erledigt erklärte Anfechtung der Untersagungsverfügung in Ansehung ihrer Vollziehung sowie eine Gebührenfestsetzung betraf, hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren unter dem Aktenzeichen 6 S 397/14 abgetrennt. Bezüglich des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens betreffend die Untersagung in der Zeit vom 4. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2012 hat er die Berufung zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene, allein auf Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

3

1. Das angegriffene Urteil verletzt nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO. Ein Verstoß gegen diese Gewährleistung ist teils nicht prozessordnungsgemäß nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan und liegt im Übrigen nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder klägerisches Vorbringen verfahrensfehlerhaft übergangen noch gerichtliche Erörterungs- oder Hinweispflichten verletzt; er hat auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen.

4

a) Der Vorwurf, das Berufungsurteil lasse den Kern des klägerischen Vortrags außer Acht, ist nicht berechtigt. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs gebietet, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen. Daraus folgt allerdings nicht, dass in der Entscheidung sämtliche von den Beteiligten vorgetragenen oder für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkte zu behandeln wären. Nur wenn nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserhebliches tatsächliches oder rechtliches Vorbringen unerwähnt bleibt, lässt das darauf schließen, dass dieses Vorbringen nicht berücksichtigt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133; BVerwG, Urteil vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22 f.; Beschluss vom 29. Juli 2010 - 8 B 106.09 - juris Rn. 33 § 3 vermg nr. 77 nicht abgedruckt> m.w.N.). Ein Übergehen solchen Vorbringens ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

5

Auf den Vortrag zur fiskalischen Zielsetzung des Sportwettenmonopols und seiner exekutiven Durchsetzung sowie auf den Vortrag zur Erkennbarkeit dieser Zielsetzung für die im Untersagungsverfahren tätig gewordenen Amtswalter musste die Vorinstanz nicht ausdrücklich eingehen, weil es darauf nach ihrer materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht ankam. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, für die Zeit vor Ergehen der einschlägigen Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2010 sei das in § 839 BGB vorausgesetzte Verschulden unabhängig von den geltend gemachten rechtswidrigen Zielen des Monopols und seiner Durchsetzung zu verneinen, da rechtskundige Kollegialgerichte seinerzeit das Monopol und dessen Durchsetzung mit Untersagungsverfügungen für rechtmäßig gehalten hätten und ihre Urteile - auch in Ansehung der bis zu diesem Zeitpunkt ergangenen unionsgerichtlichen Rechtsprechung - nicht bereits im Ansatz verfehlt gewesen seien. Für den genannten Zeitraum fehle es mangels eindeutiger Rechtsprechung auch an einem hinreichend qualifizierten Unionsrechtsverstoß. Legt man diese materiell-rechtliche Sicht zugrunde, kam es weder auf die Zielsetzung des Monopols oder seiner Durchsetzung im betreffenden Zeitraum noch darauf an, ob die Amtswalter von ihr Kenntnis hatten oder hätten haben müssen. Für den übrigen verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 waren diese Umstände nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls nicht erheblich, weil danach jedenfalls eine Kausalität der möglichen schuldhaften Rechtsverletzung für einen etwa entstandenen Schaden fehlte. Die Richtigkeit der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung kann nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden. Das gilt auch für die berufungsgerichtliche Interpretation der in der unionsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an glücksspielrechtliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, die unter dem Stichwort der "Zenatti-Bemerkung" kritisiert wird.

6

Der Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof gehe auf den detaillierten Vortrag der Klägerin zur Sportwettenvermittlung insbesondere im Schriftsatz vom 16. Januar 2015 (S. 20 bis 28) mit keinem Wort ein, genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil er die Entscheidungserheblichkeit des Vortrags aus der materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts nicht darlegt.

7

Mit dem Vortrag, ein Staatshaftungsanspruch der Klägerin könne sich aus direkter oder entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 1 des Polizeigesetzes des Landes Baden-Württemberg (PolG BW) ergeben, und den wesentlichen dafür angeführten Argumenten der Klägerin setzt sich das Berufungsurteil auf Seite 19 f. auseinander. Sein Hinweis, die Klägerin sei nicht als Nichtstörerin, sondern gegebenenfalls rechtswidrig als Störerin in Anspruch genommen worden, lässt deutlich erkennen, dass es für die Inanspruchnahme "als" Nichtstörer allein auf die Zielrichtung der Maßnahme abstellt und die Auffassung der Klägerin, rechtswidrig "als" Störer in Anspruch genommene Personen seien ebenfalls Nichtstörer oder jedenfalls wie diese zu behandeln, nicht teilt. Dazu verweist es auf den Zusammenhang von § 55 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 PolG BW, der einen polizeilichen Notstand voraussetzt. Dass die Klägerin bei Erlass der Untersagungsverfügung als Störerin angesehen wurde, ergab sich schon aus dem angegriffenen Bescheid. Das Berufungsurteil verneint auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Analogie.

8

b) Die geltend gemachten Verstöße gegen Hinweis- oder Erörterungspflichten aus Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Der Vorwurf einer Überraschungsentscheidung ist ebenfalls nicht begründet.

9

Das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Er verbietet, eine Gerichtsentscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Das Gericht ist danach nicht grundsätzlich verpflichtet, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Ein Hinweis ist nur erforderlich, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Das ist nicht der Fall, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>; Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189 <204> und Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 [ECLI:DE:BVerfG:2003:up20030430.1pbvu000102] - BVerfGE 107, 395 <409>; BVerwG, Beschluss vom 1. März 2010 - 8 C 48.09 <8 C 12.08> - ZOV 2010, 148). Erübrigt sich danach ein Hinweis, besteht auch keine Pflicht, unabhängig vom Vortrag der Beteiligten auf eine Erörterung der entsprechenden Gesichtspunkte hinzuwirken oder zur Diskussion einer bestimmten in Betracht zu ziehenden Rechtsauffassung aufzufordern.

10

Danach musste der Verwaltungsgerichtshof nicht auf seine - vorläufige - Rechtsauffassung zu § 55 Abs. 1 PolG BW hinweisen, weil ein kundiger Prozessbeteiligter bei gewissenhafter Vorbereitung auch ohne einen solchen Hinweis damit rechnen musste, dass die Literatur zu § 55 Abs. 1 PolG BW herangezogen und die dort vertretene Auffassung der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden könnte.

11

Es konnte einen solchen Prozessbeteiligten auch nicht überraschen, dass der Verwaltungsgerichtshof sich wegen der in seinem Urteil (S. 11 f.) zitierten, zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr durch die vorherige Aussetzung des zivilgerichtlichen Verfahrens gehindert sah, ein Präjudizinteresse der Klägerin zu verneinen. Die von ihm zitierte Rechtsprechung klärte Grundsatzfragen zur Staatshaftung für glücksspielrechtliche Untersagungen unter dem Lotteriestaatsvertrag und dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 sowie zu den Voraussetzungen eines Präjudizinteresses für entsprechende Fortsetzungsfeststellungsklagen. Daher war nicht auszuschließen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Aussetzung für überholt halten und davon ausgehen könnte, sie stehe einer Entscheidung auf der Grundlage der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entgegen (zur Rüge des Verstoßes gegen § 148 ZPO, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sogleich unten Rn. 14 f.). Eine gegenteilige Einschätzung ist nicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1965 - 2 C 226.62 - (Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 23 S. 42) zu stützen. Dieses Urteil betrifft einen Fall, in dem die Prozesslage unverändert geblieben war. Zur Frage, ob die Aussetzung dem Verneinen eines Präjudizinteresses auch bei nachträglicher Klärung dafür höchstrichterlicher erheblicher Rechtsfragen entgegensteht, ist ihm nichts zu entnehmen. Daher liegt auch die von der Klägerin sinngemäß gerügte, wenngleich nicht substantiiert dargelegte Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vor.

12

Ein Verstoß gegen Hinweis- und Erörterungspflichten ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof sei überraschend und trotz ihres Bestreitens davon ausgegangen, in der Zeit nach Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile vom 8. September 2010 sei in Baden-Württemberg ein Erlaubnisverfahren eröffnet worden und die Erteilung einer Erlaubnis sowie effektiver Rechtsschutz zur Durchsetzung der Erlaubniserteilung möglich gewesen. Diese Tatsachen waren nach der Darstellung der Klägerin umstritten; ihre Erheblichkeit ergab sich bereits aus der zwischenzeitlich ergangenen, im Verfahren diskutierten Rechtsprechung. Die Klägerin hatte daher Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und gegebenenfalls weitere Sachaufklärung einzufordern; andernfalls musste sie damit rechnen, dass die Vorinstanz die umstrittenen Tatsachen aufgrund der Aktenlage, des Ergebnisses der Berufungsverhandlung, sonstiger gerichtskundiger Tatsachen oder allgemeinkundiger Tatsachen feststellen könnte. Außerdem übersieht die Klägerin, dass die Vorinstanz nicht maßgeblich auf eine damalige Bereitschaft des Beklagten abstellt, antragsgemäß Erlaubnisse zu erteilen, sondern, unter Hinweis auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 57), auf die gerichtliche Durchsetzbarkeit etwaiger Erlaubnisansprüche. Da die zitierte Entscheidung unter anderem darauf abstellte, dass gegen rechtswidrige Ablehnungsentscheidungen effektiver Rechtsschutz zur Verfügung stand, hatte die Klägerin auch ohne gerichtlichen Hinweis Anlass, Bedenken gegen die Effektivität wegen der Aussetzung des Hauptsacheverfahrens vorzutragen. Auf die damalige berufungsgerichtliche Rechtsprechung musste nicht hingewiesen werden, weil sie jedem kundigen Prozessbeteiligten bekannt war. Im Übrigen war der Rechtsweg mit ihr noch nicht erschöpft. Eine Umdeutung der Einwände in eine Aufklärungsrüge (§ 86 VwGO) oder eine Rüge der Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) kann nicht zur Revisionszulassung führen, weil die Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht erfüllt sind. Der Beschwerdebegründung ist weder zu entnehmen, welche Aufklärungsmaßnahmen sich der Vorinstanz auch ohne förmlichen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen, noch legt sie einen Verstoß gegen Denkgesetze substantiiert dar.

13

Ein kundiger Beteiligter musste schließlich damit rechnen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit der von ihm zitierten, zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung annehmen würde, eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Klägerin setze die offensichtlich materielle Erlaubnisfähigkeit ihrer Tätigkeit voraus, und dass er die Klägerin insoweit für darlegungs- und beweisbelastet halten würde. Die berufungsgerichtliche Feststellung, der Beklagte sei nicht zur Duldung rechtswidriger Sportwettenvermittlung bereit gewesen, konnte ebenfalls nicht überraschen, weil die Klägerin selbst die strenge Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts beklagte.

14

2. Unbegründet ist auch die weitere Rüge, das Berufungsurteil verletze § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, weil es völlig überzogene Anforderungen an ein Präjudizinteresse stelle und die fortbestehende Aussetzung des Staatshaftungsprozesses nach § 148 ZPO missachte.

15

Der Verwaltungsgerichtshof hat weder verkannt, dass ein Präjudizinteresse bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Geltendmachung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche zu verneinen ist, noch hat er das Kriterium offensichtlicher Aussichtslosigkeit fehlerhaft konkretisiert. Er ist zutreffend davon ausgegangen, dass es nur erfüllt ist, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Januar 1980 - 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom 29. April 1992 - 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90, vom 8. Dezember 1995 - 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> und vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 44). Das bejaht das Berufungsurteil unter Heranziehung der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Staatshaftung für glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen unter dem Lotteriestaatsvertrag und unter dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012. Die Beschwerdebegründung erhebt keine Einwände gegen die berufungsgerichtliche Definition eines Präjudizinteresses oder gegen die Konkretisierung seiner Voraussetzungen. Sie wendet sich vielmehr gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die anhängige Staatshaftungsklage sei offensichtlich aussichtslos. Einerseits macht sie geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei schon wegen der fortdauernden Aussetzung des zivilgerichtlichen Verfahrens gemäß § 148 ZPO gehindert gewesen, ein Präjudizinteresse zu verneinen. Andererseits wendet sie sich gegen die Annahme, die von der Klägerin geltend gemachten Staatshaftungsansprüche seien nach jeder denkbaren rechtlichen Betrachtung offensichtlich unbegründet. Der erste Einwand trifft nicht zu; der zweite zeigt keinen Verfahrensmangel auf.

16

a) Der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 11. August 2011 - 2 O 51/11 - hinderte den Verwaltungsgerichtshof nicht, unter Berufung auf die zwischenzeitliche höchstrichterliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen der Staatshaftung für glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen unter dem Lotteriestaatsvertrag und dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 von der offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Staatshaftungsprozesses auszugehen. Die Aussetzung gemäß § 148 ZPO ist eine prozessleitende Maßnahme, die der Prozessökonomie und dem Vermeiden einander widersprechender Entscheidungen dient. Ihre Rechtsfolge ist der Stillstand des ausgesetzten Verfahrens nach Maßgabe des § 249 Abs. 1 und 2 ZPO (Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 148 Rn. 2 und 12; § 249 Rn. 1 und 9). Eine materielle Bindungswirkung des Aussetzungsbeschlusses für die Entscheidung im vorgreiflichen Verfahren ist den zivilprozessrechtlichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Sie ist hier auch nicht aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO herzuleiten. Allerdings darf ein Präjudizinteresse, wenn der Staatshaftungsprozess wegen Vorgreiflichkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der staatlichen Maßnahme ausgesetzt wurde, nicht pauschal mit der Begründung verneint werden, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung sei für den Ausgang des zivilgerichtlichen Verfahrens unter jedem verständigerweise zu berücksichtigenden Gesichtspunkt unerheblich (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1965 - 2 C 226.62 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 23 S. 42). Ob es danach bei unveränderten Bedingungen stets ausgeschlossen ist, den ausgesetzten Staatshaftungsprozess für offensichtlich aussichtslos zu halten, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist das Verwaltungsgericht nicht gehindert, für die Erfolgsaussichten relevante zwischenzeitliche Veränderungen der Prozesslage sowie zwischenzeitliche Klärungen seines Erachtens entscheidungserheblicher Rechtsfragen zu berücksichtigen. Das ergibt sich schon aus seiner verwaltungsprozessrechtlichen Pflicht, die Sachentscheidungsvoraussetzungen bezogen auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung - und nicht auf den der zivilgerichtlichen Aussetzungsentscheidung - zu prüfen. Wäre es dagegen verpflichtet, ein Präjudizinteresse allein wegen der früheren Aussetzung zu bejahen oder das Aufnehmen des Zivilprozesses abzuwarten, würde dem Aussetzungsbeschluss wahlweise eine Bindungs- oder Sperrwirkung zugeschrieben, die im Prozessrecht keine Stütze findet.

17

Entgegen der Darstellung der Beschwerdebegründung greift das Verneinen eines Präjudizinteresses nicht in die Sachentscheidungskompetenz des Zivilgerichts ein. Dieses bleibt sowohl in der Prozessgestaltung als auch in seiner Sachentscheidung frei. Es ist insbesondere nicht gehindert, der Staatshaftungsklage aufgrund eigener, von der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abweichender Beurteilung der Erfolgsaussichten stattzugeben. Die Einwände der Klägerin gegen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu bayerischen Untersagungen zeigen keinen Verfahrensmangel auf. Soweit sie die Vergleichbarkeit der rechtlichen Maßstäbe und der landesrechtlichen Staatshaftung zum Gegenstand haben, betreffen sie materiell-rechtliche Annahmen der Vorinstanz, die nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden können. Soweit sie die Verschiedenheit der tatsächlichen Situation geltend machen, wenden sie sich gegen die tatrichterliche Sachverhaltsfeststellung und -würdigung, ohne nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO wirksame Verfahrensrügen zu erheben. Das gilt nicht nur für Gehörsrügen (dazu oben unter 1.), sondern auch für sonst in Betracht kommende Rügen. Aufklärungsmängel (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder als Verfahrensmängel einzuordnende Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) werden nicht substantiiert dargetan. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass sich die weitere Aufklärung bestimmter, aus der Sicht des Berufungsgerichts erheblicher Tatsachen auch ohne förmlichen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen, und legt keinen Verstoß gegen die Denkgesetze dar.

18

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der von der Klägerin geltend gemachte Staatshaftungsanspruch bestehe offensichtlich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt, ist auch im Übrigen nicht verfahrensfehlerhaft. Ein Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nicht mit der Kritik an der Auslegung und Anwendung von Staatshaftungsnormen dargetan. Das gilt für den Vortrag, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die unmittelbare oder analoge Anwendbarkeit des § 55 PolG BW für ausgeschlossen gehalten, ebenso wie für die Rüge, es habe ein Eingreifen des § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Erwägungen zum individuellen Verschulden und zur Kausalität verneint. Damit und mit dem Vortrag zur unionsrechtlichen Unzulässigkeit der Anwendung des glücksspielrechtlichen Erlaubnisvorbehalts bis Ende Juni 2012 sowie zur Unzulässigkeit eines Aufrechterhaltens der Untersagung nach Einstellung der Wettvermittlung unter dem Druck drohender Vollziehung werden jeweils materiell-rechtliche Mängel geltend gemacht, die nicht mit der Verfahrensrüge anzugreifen sind. Bei der Prüfung von Verfahrensmängeln ist stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte. Das gilt auch, soweit materiell-rechtliche Fragen als Vorfragen verfahrensrechtlicher Fragen zu beantworten sind (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 1993 - 4 B 206.92 - NVwZ 1993, 884 <885>, vom 23. Januar 1996 - 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 S. 1 f. und vom 8. Juni 2009 - 4 BN 9.09 - BRS 74, 255 <256 f.>; Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: März 2015, § 132 Rn. 93 m.w.N.). Daher kann das Verneinen eines Präjudizinteresses § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nur verletzen, wenn das Berufungsgericht die prozessrechtliche Norm selbst unzutreffend ausgelegt und ihre Anforderungen überspannt hat. Das ist hier nicht dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Anforderungen und die Voraussetzungen, unter denen danach ein Präjudizinteresse fehlt, zutreffend definiert (vgl. oben Rn. 15). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich auch nicht, dass er diese Voraussetzungen aufgrund seiner für die Prüfung von Verfahrensfehlern maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung unzutreffend angewandt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung zur Überzeugung gelangt, dass der Klägerin die geltend gemachten Staatshaftungsansprüche nach keiner aus seiner Sicht vertretbaren Rechtsauffassung zustehen können. Soweit die Klägerin die Richtigkeit der materiell-rechtlichen Beurteilung - auch der Evidenz- oder der Tatsachengrundlage in Frage stellt, zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf. Dies gilt auch, soweit sie die berufungsgerichtlichen Feststellungen zur Möglichkeit einer Erlaubniserteilung und effektiven Rechtsschutzes seit dem Herbst 2010 und zum Fehlen einer Duldungsbereitschaft des Beklagten angreift. Insoweit hat sie weder eine wirksame Rüge der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör noch sonstige wirksame Verfahrensrügen erhoben (dazu vgl. oben Rn. 10 ff.).

19

Prozessrechtliche Gründe, aus denen es ausnahmsweise nicht auf die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ankäme oder diese als verfahrensfehlerhaftes Überspannen der Zulässigkeitsanforderungen zu beurteilen wäre, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

20

Entgegen ihrer Auffassung folgt aus dem Prozessrecht nicht, dass die Annahme offensichtlicher Aussichtslosigkeit nur dann auf eine materiell-rechtliche Rechtsauffassung gestützt werden dürfte, wenn diese bereits durch eine gefestigte Rechtsprechung zur herangezogenen Norm bestätigt worden wäre. Eine entscheidungserhebliche materiell-rechtliche Frage kann auch ohne einschlägige Rechtsprechung bereits anhand der anerkannten Auslegungsmethoden ohne Weiteres eindeutig aus dem Gesetz zu beantworten sein. Aus den dagegen angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts zur Staatshaftung für rheinland-pfälzische glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen (BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81 Rn. 21 und - 8 C 47.12 - juris) ergibt sich nichts anderes. Sie betonten gerade, dass die allgemein anerkannten Auslegungsmethoden bei § 68 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes des Landes Rheinland-Pfalz (POG RP) nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führten, und lehnten es deshalb ab, diese irrevisible landesrechtliche Norm ohne eine Stütze in der einschlägigen Rechtsprechung revisionsgerichtlich für offensichtlich unanwendbar zu erklären. Ein unbedingtes Erfordernis zivilgerichtlicher Vorklärung ist daraus nicht herzuleiten.

21

Ob ein Verkennen des Offensichtlichkeitsmaßstabs stets vorliegt, wenn einzelne Entscheidungen anderer Instanzgerichte die materiell-rechtliche Frage anders beurteilen als das angegriffene Urteil, kann dahinstehen. Der Hinweis der Klägerin auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart zu § 55 PolG BW zeigt jedenfalls noch keine uneinheitliche Rechtsprechung auf, weil er nicht darlegt, dass diese Entscheidung einen Rechtssatz aufstellt, der den Anwendungsbereich der Vorschrift auf rechtswidrig in Anspruch genommene Störer ausdehnte. Hinweise auf die Rechtsprechung zu anderen Haftungstatbeständen, etwa auf das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. August 2013 - 1 U 551/12 - (ZfWG 2014, 65) zu § 68 POG RP, können keinen Verfahrensmangel wegen möglichen Bestehens eines Anspruchs nach § 55 PolG BW dartun.

22

Die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichts scheidet schließlich nicht etwa deshalb als Grundlage der verfahrensrechtlichen Prüfung aus, weil sie - wie die Klägerin meint - der Stellungnahme der Europäischen Kommission in der Rechtssache Ince - EuGH C-336/14 - vom 6. November 2014 widerspräche. Die Auslegung der unionsrechtlichen Anforderungen an einen mitgliedstaatlichen Erlaubnisvorbehalt und dessen Anwendung kann ebenso wie jede andere materiell-rechtliche Auffassung weder unmittelbar noch mittelbar Gegenstand einer Verfahrensrüge sein. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet keine andere Auslegung des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil materiell-rechtliche Fragen mittels Grundsatz- oder Divergenzrüge einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren zugeführt werden können.

23

Unabhängig davon wäre selbst, wenn sich ein Verfahrensmangel aus einem Verkennen der unionsrechtlichen materiellen Rechtslage ergeben könnte, mit den Ausführungen der Beschwerdebegründung kein solcher Mangel dargetan. Soweit die Stellungnahme der Europäischen Kommission sich (in Rn. 20 ff.) zum hier betroffenen Zeitraum bis zum 30. Juni 2012 äußert, geht sie auf der Grundlage des Vorlagebeschlusses des Amtsgerichts Sonthofen (dazu a.a.O. Rn. 8 ff.) von tatsächlichen Voraussetzungen aus, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat, insbesondere vom rechtlichen oder faktischen Ausschluss jeder Erlaubniserteilung und von einer dauerhaften Untersagung unerlaubter Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten auf der Grundlage unionsrechtswidriger Gesetze. Zum anderen lässt sich den rechtlichen Ausführungen der Kommission nicht entnehmen, dass die Erkenntnis der Unionsrechtswidrigkeit einer Monopolregelung es ausschlösse, eine unerlaubte Sportwettenvermittlung auf der Grundlage eines verfassungs- und unionsrechtskonform interpretierten Erlaubnisvorbehalts im Zeitraum bis zur Ablösung der rechtswidrigen Monopolregelung zu untersagen (zu dieser Möglichkeit vgl. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - C-186/11 [ECLI:EU:C:2013:33] u.a., Stanleybet Int. Ldt. u.a. - NVwZ 2013, 785 Rn. 38 f., 44, 46 ff.; BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 56 f.). Die Kommission hält vielmehr daran fest, dass Mitgliedstaaten die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten grundsätzlich von einer nationalen Erlaubnis abhängig machen dürfen, und betont lediglich, dass dieses System auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen muss (a.a.O. Rn. 21).

24

Das weitere Beschwerdevorbringen mit Schriftsatz vom 6. August 2015 und die mit Schriftsatz vom 12. November 2015 nachgereichten Ausführungen zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar vom 22. Oktober 2015 in der Rechtssache - EuGH C-336/14, Ince - können der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit sie neues Vorbringen enthalten, sind sie wegen des Ablaufs der Beschwerdebegründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) am 7. April 2015 nicht mehr zu berücksichtigen. Soweit sie sich als Vertiefung des früheren Vorbringens darstellen, rechtfertigen sie keine der Klägerin günstigere Beurteilung. Für die Schlussanträge des Generalanwalts gilt ebenso wie für die Stellungnahme der Kommission, dass sie von anderen Tatsachen ausgehen als denen, die der Verwaltungsgerichtshof verfahrensfehlerfrei festgestellt hat. Auch materiell-rechtlich hat er lediglich vertreten, dass Unionsrecht einer übergangsweisen weiteren Anwendung des verfassungs- und unionsrechtskonform interpretierten Erlaubnisvorbehalts bis zur Ablösung der rechtswidrigen Monopolregelung unter dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 nicht entgegenstand. Er rechtfertigt also keine dauerhafte Untersagung einer unerlaubten Wettvermittlung auf der Grundlage unionsrechtswidriger Gesetze. Die Frage der Unionsrechtmäßigkeit der Rechtslage und Praxis seit Inkrafttreten der Neuregelung zum 1. Juli 2012 war nicht Gegenstand der Berufungsentscheidung.

25

Eine Umdeutung der materiell-rechtlichen Einwände der Klägerin in eine Grundsatz- oder Divergenzrüge kann nicht zur Zulassung der Revision führen, da die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und an die Darlegung einer Abweichung im Sinne der Nr. 2 der Vorschrift nicht erfüllt sind.

26

Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

28

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Für die Kostentragungspflicht der Beteiligten und die Erstattungsfähigkeit von Kosten gelten die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, sofern sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt.

(2) Wird eine Disziplinarverfügung trotz Vorliegens eines Dienstvergehens aufgehoben, können die Kosten ganz oder teilweise dem Beamten auferlegt werden.

(3) In Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Fristsetzung (§ 62) hat das Gericht zugleich mit der Entscheidung über den Fristsetzungsantrag über die Kosten des Verfahrens zu befinden.

(4) Kosten im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Kosten des behördlichen Disziplinarverfahrens.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.