Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 25. Feb. 2015 - 8 B 20/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2015:0225.8B20.14.0A
bei uns veröffentlicht am25.02.2015

Gründe

1

I.) Die Antragstellerin ist Polizeivollzugsbeamtin im Rang einer Kriminalkommissarin und wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2014 ausgesprochene teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 31 %. Zuvor wurde die Beamtin mit Bescheid vom 11.08.2014 vorläufig des Dienstes enthoben. Den dagegen bei dem Disziplinargericht gestellten Antrag nach § 61 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt - DG LSA - (8 B 17/14) hat sie zurückgenommen. Die vorläufige Dienstenthebung führt aus, dass die Beamtin ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Denn aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung durch das Landgericht A-Stadt vom 12.11.2013 wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung sei damit zu rechnen, dass die Beamtin im Fortgang des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werde. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die Berechnung und die Höhe des Kürzungsteils.

2

II.) Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

3

Nach § 38 Abs. 2 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Einbehaltung von 31 % der Dienstbezüge nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

5

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die Einbehaltung von Dienstbezügen dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungsanteils nicht an dem Grundsatz der angemessenen Alimentation des Beamten ausrichtet, aber auch dann, wenn der Dienstherr die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, nicht oder nicht hinreichend stellt.

6

1.) Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid aus, dass die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben wurde und bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich sei, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen werde. In der Antragserwiderung vom 01.12.2014 verweist die Antragstellerin auf die Begründung der vorläufigen Dienstenthebung.

7

Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass die notwendige Prüfung und Prognoseentscheidung zum voraussichtlichen Ausgang des anhängigen Disziplinarverfahrens als Tatbestandsvoraussetzung der Rechtmäßigkeit der Kürzung nach § 38 Abs. 2 DG LSA genauso sorgfältig zu erfolgen hat, wie in der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DG LSA selbst. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge meistens gleichzeitig mit der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung verbunden wird, wie dies auch vom Gesetz als zulässig angesehen wird. Eine Verweisung auf die Gründe der Suspendierungsverfügung muss daher grundsätzlich aus Effektivitätsgründen als zulässig angesehen werden. Dementsprechend sieht das Disziplinargericht die vorliegende Anlehnung an die Gründe der Suspendierung in dem streitbefangenen Bescheid und schließlich die Verweisung darauf in der Antragserwiderung als noch ausreichend an.

8

Diese Ausführungen zum Dienstvergehen und insbesondere zur Schwere des Dienstvergehens tragen die von der Antragsgegnerin angestellte Prognoseentscheidung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Letztendlich wendet sich die Antragstellerin auch nicht gegen diese Prognoseentscheidung.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

Vorliegend wird die Schwere des Dienstvergehens zutreffend darin gesehen, dass die Beamtin rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Zutreffend wertet die Antragsgegnerin diese außerdienstlich begangene Straftat als in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen und welche zu einem schweren Ansehensverlust in der Öffentlichkeit führt. Von einer Polizeibeamtin muss und darf erwartet werden, dass sie Straftaten verhindert und nicht selbst begeht. Dies gilt gerade für solche der vorliegenden Art. Denn wie auch das Strafgericht ausgeführt hat, war der Antragstellerin als Polizeibeamtin bekannt, dass Zeugenaussagen dieser Personen- und Berufsgruppe vor Gericht eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Landgericht den Strafausspruch verschärfte.

12

2.) Die Berechnung und Festlegung des Kürzungsteils ist nicht zu beanstanden. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; alle juris).

13

Gemessen daran, ist das Ermessen der Einleitungsbehörde fehlerfrei ausgeübt worden. Denn bei der Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin als Grundlage für den prozentualen Kürzungsanteil durfte sich die Behörde zu Recht an den Sozialhilfegrundsätzen orientieren. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Regelsatz der Sozialhilfe aufgrund des Alimentationsgrundsatzes angemessen zu erhöhen ist. Diese pauschale Erhöhung von 10 % ist nicht zu beanstanden. Zudem wurde ihr als Alleinerziehende mit zwei Kindern ein 36%iger Mehrbedarf zugesprochen. Dementsprechend ist das Kindergeld zutreffend als Einkommen berücksichtigt worden. Denn auch dieses gilt als Einkommen der Beamtin und nicht etwa als Einkommen Dritter oder einer Bedarfsgemeinschaft (Sächs. OVG, Beschluss v. 02.02.2013, D 6 B 147/12 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil v. 17.06.2004,2 C 34.02; juris). Dem weiteren Vortrag der Antragstellerin, dass die Kürzungen es ihr nicht ermöglichen, notwendige Ausgaben für die Kinder zu tätigen, kann deshalb nicht gefolgt werden. Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass der Sozialhilfesatz zuzüglich der Zuschläge die notwendigen Ausgaben gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin nicht anerkannten Ausgaben werden nicht bestritten. Das Gericht folgt demnach der Berechnung der Antragsgegnerin in dem Bescheid und der Antragserwiderung vom 01.12.2014 und darf zur weiteren Begründung darauf verweisen (§ 3 DG LSA; 117 Abs. 5 VwGO).

14

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.

(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. März 2009 - 7 L 23/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

Die gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. § 146, 147 VwGO statthafte Beschwerde, die fristgerecht erhoben und begründet wurde (§ 67 Abs. 3 SDG i.V.m. § 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG zulässigen Antrag auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung der Antragstellerin mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides (§ 63 Abs. 2 SDG) zurückgewiesen.

Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass im konkreten Disziplinarverfahren und nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigt, dass gegenüber der Antragstellerin die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist.

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwendungen führen nicht zu einer abweichenden Einschätzung. Bei dem aktuell erkennbaren Sach- und Streitstand

zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.11.2008 - 16b DS 08.704 - zitiert nach Juris

ist davon auszugehen, dass der hinreichende Verdacht besteht, dass die Antragstellerin ein - innerdienstliches - Dienstvergehen begangen hat, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird (§ 38 Abs. 1 SDG). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen nach wie vor nicht.

Zunächst ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass nach Aktenlage derzeit alles dafür spricht, dass die Antragstellerin ein schweres Dienstvergehen begangen hat, indem sie ab März 2008 zu einem Strafgefangenen eine persönliche Beziehung unterhielt und indem sie die insoweit bestehenden Melde- und Offenbarungspflichten gegenüber der Anstaltsleitung nicht erfüllte.

Die Antragstellerin bestreitet das Vorliegen einer persönlichen Beziehung nicht, hält der Argumentation des Verwaltungsgerichts aber entgegen, es stelle schon einen Fehler dar, bei dieser Beurteilung die objektiv in der Vergangenheit vorhanden gewesene Beziehung zu dem Strafgefangenen in zwei Abschnitte zu unterteilen, ohne Aussagen zu den vorgetragenen subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu machen.

Der Einwand ist nicht gerechtfertigt. Weder ist die vorgenommene Strukturierung des Sachverhalts zu beanstanden, noch liegt eine nicht ausreichende Berücksichtigung der vorgetragenen subjektiven Umstände vor.

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene zeitliche Abschnittsbildung knüpft im Gegenteil gerade an die von der Antragstellerin geltend gemachten subjektiven Umstände an. Entsprechend den von der Antragstellerin vorgetragenen unterschiedlichen subjektiven Merkmalen der unstreitig von Februar/März 2008 bis Ende Oktober 2008 existent gewesenen Beziehung zwischen ihr und dem Strafgefangenen unterscheidet das Verwaltungsgericht einen ersten Abschnitt der Beziehung von Februar/März 2008 bis etwa Juni/Juli 2008, bei dem es sich um ein einvernehmliches (freiwilliges) Verhältnis mit Merkmalen von Verliebtheit gehandelt habe, und einen zweiten Abschnitt von etwa Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008, bei dem es sich um ein unfreiwilliges Verhältnis gehandelt habe, welches die Antragstellerin nur fortgeführt habe, weil sie von dem Strafgefangenen unter Druck gesetzt worden sei.

Zugunsten der Antragstellerin wird damit - ebenso wie in dem Bescheid des Antragsgegners vom 17.12.2008 - bei einem hinsichtlich der subjektiven Merkmale der Beziehung im zweiten Abschnitt noch nicht abschließend geklärten Sachverhalt nur deren eigene Sachverhaltsdarstellung als entscheidungsrelevant zugrunde gelegt.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auf dieser Sachverhaltsgrundlage - differenziert nach den Zeitabschnitten - sowohl einen vorsätzlichen Verstoß gegen die sogenannte Wohlverhaltenspflicht gemäß § 68 Satz 3 des Saarländischen Beamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Dezember 1996 (Amtsbl. 1997 S. 301), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. November 2008 (Amtsbl. S. 1930) - gültig bis zum 31.3.2009 - (SBG a.F.), als auch vorsätzliche Verstöße gegen die Pflicht zur Zurückhaltung gegenüber einem Strafgefangenen und gegen die Meldepflicht gemäß § 69 Satz 2 SBG a.F. i.V.m. Nr.1, Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 9 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) angenommen und das Vorliegen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen - auch hier differenziert nach den beiden Zeitabschnitten - verneint.

Insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren thematisierten subjektiven Umstände ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass auch eine tatsächliche Verliebtheit in dem ersten, nach ihrer eigenen Darstellung von Freiwilligkeit und Zuwendung seitens der Antragstellerin geprägten ersten Abschnitt der Beziehung keine Rechtfertigung oder Entschuldigung der Verletzung der Dienstpflichten zur Wahrung der Distanz und zur Meldung und Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung zur Folge haben konnte. Gerade für den ersten Abschnitt der Beziehung in der Zeit von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008 ist derzeit kein Grund ersichtlich, welcher es der Antragstellerin unmöglich gemacht oder unzumutbar erschwert haben könnte, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Wahrung des Distanzgebotes gegenüber dem Gefangenen zu wählen. Ebenso war es weder unmöglich noch unzumutbar, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Meldung und Offenbarung der Vorgänge gegenüber ihren Vorgesetzten zu wählen.

Zwar hat die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung ausgeführt, sie habe „zu Beginn der Beziehung unter einem hohen psychischen Druck“ gestanden. Auch hat sie in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 vorgelegt. Es ist aber weder nach dem Vortrag der Antragstellerin noch nach der Aktenlage im Übrigen noch nach der psychologisch-psychotherapeutischen Stellungnahme vom 12.1.2009 auch nur ansatzweise nachvollziehbar, inwieweit die Antragstellerin bereits „zu Beginn der Beziehung“, d.h. im Februar/März 2008 unter einem hohen, erst recht unter einem ihre Wahl- und Willensfreiheit ausschließenden psychischen Druck gestanden haben könnte. Nach der eigenen Darstellung der Antragstellerin gestaltete sich vielmehr gerade der erste Abschnitt ihrer Beziehung zu dem Strafgefangenen über einen Zeitraum von immerhin drei bis vier Monaten positiv im Sinne von Zuwendung und Verliebtheit („mit dem Austausch von Zärtlichkeiten und Briefen“).

Die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 hat aus der Sicht des Senats zunächst für die Beurteilung des psychischen Zustandes der Antragstellerin „zu Beginn der Beziehung“ keinen hinreichenden Erkenntniswert. Zum einen lassen die inhaltlichen Ausführungen zu dem psychischen Zustand der Antragstellerin eine zeitliche Zuordnung desselben nicht zu. Und zum anderen bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass der Stellungnahme eine annähernd realistische Sachverhaltsschilderung im Therapiekontext zugrunde lag.

Im Rahmen seiner Ausführungen thematisiert der Psychologe zunächst die Vorbehandlung der Antragstellerin, die wegen außerdienstlicher Ereignisse im Jahre 2005 zu einem nicht genannten Zeitpunkt aufgenommen wurde. Hierzu sind - ebenfalls ohne zeitlichen Bezug - verschiedene Diagnosen genannt. Von einer Psychotherapie wird berichtet, die aber „im Frühjahr 2008“ unterbrochen wurde. Zur Einschätzung der hier relevanten Geschehnisse ist ohne Hinweis darauf, wann die Behandlung wieder aufgenommen wurde, und damit, aus welcher zeitlichen Perspektive der hier relevante Zeitraum vom Februar/März bis Oktober 2008 therapeutisch bearbeitet wurde, ausgeführt, im „letzten Frühjahr“ sei die Antragstellerin „von einem Gefangenen missbräuchlich in eine nähere Beziehung manipuliert worden“. Wegen der vorhandenen psychischen Defizite sei die Antragstellerin „den Manipulationen und Erpressungen, die das Ziel der psychischen und dann auch körperlichen Vergewaltigung gehabt hätten, hilflos ausgeliefert gewesen“. Es sei „von Anfang an zu Retraumatisierungen“ gekommen, weshalb die Antragstellerin für ihr Verhalten nicht verantwortlich zu machen sei.

Diese Darstellung lässt jede Differenzierung nach den von der Antragstellerin selbst gegenüber der Anstaltsleiterin Ende Oktober 2008 dargestellten unterschiedlichen Zeitabschnitten der Beziehung zu dem Strafgefangenen vermissen und legt die Einschätzung nahe, dass - im therapeutischen Kontext verständlich und nachvollziehbar - Grundlage der Stellungnahme eine aus der Ex-post-Perspektive der Antragstellerin Ende 2008/Anfang 2009 erfolgte Sachverhaltsdarstellung war, in der nur noch die Umstände gegen Ende des zweiten Abschnitts der Beziehung, als diese - nach den Angaben der Antragstellerin - durch Druck und Zwang geprägt war, thematisiert wurden.

Danach spricht weiterhin gerade die Betrachtung des ersten Abschnitts der Beziehung dafür, dass die Antragstellerin ohne Einschränkung ihrer Wahl- und Willensfreiheit eine bewusste Entscheidung gegen die Erfüllung der oben genannten Dienstpflichten durch Eingehung, Aufrechterhaltung und Verheimlichung der Beziehung zu dem Strafgefangenen getroffen hat.

Im zweiten Abschnitt der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen dürfte sich - ausgehend von der Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin - der psychische Druck auf sie zwar kontinuierlich erhöht haben. Nachvollziehbar wurde es für sie immer schwieriger, das Distanzgebot in Ansehung des von dem Strafgefangenen aufgebauten Druckes einzuhalten und die ursprünglichen wie die laufenden Dienstpflichtverletzungen und deren Folgen ihren Vorgesetzten zu offenbaren. Gleichwohl bestehen - jedenfalls nach den nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - keine ernstlichen Zweifel daran, dass ein die Wahl- und Willensfreiheit ausschließender Zustand nicht gegeben war. Letztlich hat sich gezeigt, dass die Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin selbst im Endstadium des Abschnitts 2 der Beziehung nach der (erzwungenen) Ausführung des Geschlechtsverkehrs noch so weit erhalten war, dass eine letzte Grenzziehung und schließlich auch die Offenbarung gegenüber der Anstaltsleitung möglich war.

Auch für diesen zweiten Zeitabschnitt führt die vorgelegte psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009 derzeit nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin.

Zwar hat es den Anschein, als ob die darin getroffenen Aussagen dem zweiten Abschnitt, insbesondere der Endphase des zweiten Abschnitts der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen zugeordnet werden könnten. Die mangelnde Differenziertheit, die fragliche zeitliche Einordnung der Aussagen und Diagnosen, insbesondere aber die bereits dargelegte Ungewissheit im Hinblick auf den im therapeutischen Kontext geschilderten und demgemäß zugrunde gelegten Sachverhalt führen jedoch dazu, dass ernstliche Zweifel mit Blick auf das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes aufgrund mangelnder Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin allein damit nicht begründet werden.

Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im vorliegenden Verfahren beigezogenen amtsärztlichen Stellungnahme vom 6.3.2009, welche aufgrund des Antrages der Antragstellerin nach § 53 SBG a.F. vom 20.11.2008 angefordert worden war.

Auf der Basis einer am 13.1.2009 durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vorgenommenen Untersuchung wurde die am 3.12.2008 von der Leiterin der JVA angeforderte amtsärztliche Stellungnahme zur Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin durch die Amtsärztin Dr. L. am 6.3.2009 erstellt. Die darin getroffenen Aussagen beziehen sich - antragsgemäß - allerdings nur auf die Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin. Die Amtsärztin hat diese in einer größeren zeitlichen Perspektive („längerfristig“) bejaht, während zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ demgegenüber „aufgrund des unabgeschlossenen Disziplinarverfahrens und der dadurch bedingten erhöhten psychovegetativen Anspannung“ die Attestierung der Dienstunfähigkeit gerechtfertigt sei. Aussagen über die Schuld- und Steuerungsfähigkeit der Antragstellerin im Zeitraum der Begehung der streitgegenständlichen Dienstpflichtverletzungen sind in der Stellungnahme vom 6.3.2009 nicht enthalten und lassen sich daraus auch nicht ableiten.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass weder der Antragsgegner vor Erlass seiner Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung der Antragstellerin vom 17.12.2008 noch das Verwaltungsgericht vor seiner Entscheidung im Verfahren nach § 63 SDG gehalten waren, die Vorlage der am 6.3.2009 erstellten amtsärztlichen Stellungnahme abzuwarten. Sowohl der Antragsgegner als auch das Verwaltungsgericht durften die gemäß § 38 Abs. 1 SDG zu treffende Prognose auf den bis dahin ermittelten Sach- und Streitstand stützen.

Des weiteren erweisen sich auch die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 zu der Frage, ob - bei Bestätigung des danach bestehenden Verdachts eines schweren Dienstvergehens - im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden würde, als nicht durchgreifend.

Die Antragstellerin hat insoweit geltend gemacht, die nach § 13 SDG erforderliche „Interessenabwägung“ halte einer Überprüfung nicht stand. Zum einen sei die Schwere des Dienstvergehens nicht nur nach objektiven, sondern auch nach subjektiven Kriterien zu beurteilen. Hier fehle es an einer Berücksichtigung des „mit Schriftsatz vom 20.1.2009 zur Kenntnis gebrachten ärztlichen Befundberichtes zur psychischen Lage der Antragstellerin“ (womit nur die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten vom 12.1.2009 gemeint sein kann). Zum anderen habe das Verwaltungsgericht bei der Bewertung des Persönlichkeitsbildes der Antragstellerin die entlastenden Momente der freiwilligen Selbstanzeige der Antragstellerin und der organisatorischen Verfehlungen auf Seiten „des Beschwerdegegners“ (gemeint ist die Leitung der JVA) nicht ordnungsgemäß berücksichtigt.

Dies trifft nicht zu.

Eine gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 SDG verfügte vorläufige Dienstenthebung setzt voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Im konkreten Disziplinarverfahren muss eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen, dass auf die Höchstmaßnahme erkannt werden wird

vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.10.2002 - 1 DB 10/02 - zitiert nach Juris; BayVGH, Beschluss vom 15.3.2007 - 16 DS 06.3292 - zitiert nach Juris und OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.9.2007 - 7 B 346/07 -.

Eine „Interessenabwägung“ findet insoweit nicht statt.

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 SDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte

vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG: BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124 252ff., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 2 C 9/06 -, zitiert nach Juris.

Nach den genannten Kriterien und nach dem derzeitigen, im vorliegenden - als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgestalteten - Verfahren nur möglichen Erkenntnisstand stellen die von der Antragstellerin begangenen Verstöße gegen die ihr als Strafvollzugsbeamtin obliegenden Dienstpflichten ein äußerst schweres Dienstvergehen dar, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten im Kontext des Strafvollzuges. Die Eingehung und Verheimlichung der Beziehung zu einem Strafgefangenen (Abschnitt 1 der Beziehung von Februar/März 2008 bis Juni/Juli 2008) sowie die Aufrechterhaltung und weitere Verheimlichung der Beziehung auf Druck des Strafgefangenen (Abschnitt 2 von Juni/Juli 2008 bis Ende Oktober 2008) stellen einen dauerhaft schweren Verstoß gegen die Kernpflichten von Bediensteten im Strafvollzug dar. Betroffen waren die Grundpflichten nach Nr. 1 DSVollz, das Distanzgebot nach Nr. 2 Abs.1 DSVollz und die Meldepflicht nach Nr. 9 DSVollz. Hierbei handelte es sich um den Kernbereich der ihr obliegenden Dienstpflichten

vgl. dazu allgemein BVerwG, Urteil vom 22.10.2005, a.a.O.,

die im Mittelpunkt ihres konkreten Amtes im Strafvollzug standen und die zur Gewährleistung von Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges unabdingbar sind.

Auch die weiteren objektiven Handlungsmerkmale von Dauer und Häufigkeit der Dienstpflichtverstöße und die Umstände der Tatbegehung bestärken die Annahme eines schweren Dienstvergehens. Die Pflichtverletzungen in Gestalt von Dauerverstößen erstreckten sich bei stetig zunehmender Intensität und Gefährdung der Sicherheit und der Aufgabenerfüllung des Strafvollzuges über einen Zeitraum von insgesamt sieben bis acht Monaten und erfolgten zudem unter gezielter Ausnutzung der besonderen Vollzugsumstände des betreffenden Strafgefangenen (Wohngruppenvollzug, Einsatz als Hausmaler, Mitglied der Redaktion PRO REO).

Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung vermögen auch subjektive Handlungsmerkmale nach dem im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Erkenntnisstand und vorbehaltlich im Zuge weiterer Ermittlungen möglicherweise noch zutage tretender Erkenntnisse die Schwere des Dienstvergehens nicht maßgeblich zu mindern.

Wie bereits ausgeführt, hat die Antragstellerin sich - zumindest in Abschnitt 1 der Beziehung - bewusst, wissentlich und willentlich gegen die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative der Einhaltung des Distanzgebotes und der Meldepflichten entschieden, weil nur dies ihr die Eingehung und Aufrechterhaltung einer -- vermeintlichen - Liebesbeziehung zu dem Strafgefangenen ermöglichte. Die geltend gemachte Schuld- und Steuerungsunfähigkeit ist demgegenüber weder durch Hinweis auf die psychologisch-psychotherapeutische Stellungnahme vom 12.1.2009, noch auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 6.3.2009 noch auf andere Weise nachvollziehbar dargelegt worden.

Für den Abschnitt 2 der Beziehung mag der Antragstellerin zwar zuzugestehen sein, dass es aufgrund des - nach ihrem Vortrag - von Seiten des Strafgefangenen aufgebauten Drucks für sie subjektiv zunehmend schwieriger wurde, die dienstpflichtgemäße Handlungsalternative zu wählen. Dies führt - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden, als Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes konzipierten Verfahrens - indes nicht zur Annahme einer aufgehobenen Steuerungs- und Schuldfähigkeit. Auch insoweit erweisen sich die Stellungnahmen vom 12.1.2009 und vom 6.3.2009 nicht als valide Basis für die Begründung ernst zu nehmender Zweifel.

Schließlich erlaubt auch der Blick auf die unmittelbaren Folgen der Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin für den dienstlichen Bereich keine mildere Einschätzung bezüglich der Schwere des Dienstvergehens. Hier ist neben den konkret negativen Auswirkungen des Fehlverhaltens der Antragstellerin auf die Funktionsfähigkeit und Sicherheit in dem hochsensiblen Bereich des Strafvollzuges insbesondere auch auf die generell negativen Folgen des maßgeblichen Geschehens für den Einsatz weiblicher Vollzugsbediensteter im Strafvollzug mit männlichen Gefangenen hinzuweisen.

Von der Begehung eines schweren Dienstvergehens durch die Antragstellerin ist und war danach unter Berücksichtigung aller dafür maßgeblichen Kriterien auszugehen. Die Schwere des Dienstvergehens indiziert grundsätzlich die Angemessenheit der Höchstmaßnahme.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für die Angemessenheit der Höchstmaßnahme entfällt allerdings, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren

vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005, a.a.O., BVerwG, Urteil vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, ZBR 2009, 160 f., BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 a.a.O..

Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die sogenannten anerkannten Milderungsgründe dar. Diese tragen zum einen existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch freiwillige Wiedergutmachung eines Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor der Entdeckung der Tat

vgl. BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Entlastungsgründe, die einem endgültigen Vertrauensverlust entgegen stehen, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O. und BVerwG, Urteil vom 3.5.2007, a.a.O..

Zu solchen möglichen, im Gesamtkontext zu würdigenden Umständen gehört auch eine unzureichende Dienstaufsicht zur Tatzeit

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Vorliegend ist zunächst von einer Offenbarung des dienstlichen Fehlverhaltens durch die Antragstellerin vor der Entdeckung ihrer Tat auszugehen. Bis zu ihrer Offenbarung gegenüber ihren Kollegen am 29.10.2008 und der unmittelbar nachfolgenden Offenbarung der Antragstellerin gegenüber der Anstaltsleiterin am 29. und 30.10.2008 waren die Dienstpflichtverstöße der Antragstellerin verborgen geblieben. Bekannt wurden sie erst durch die Offenbarung der Antragstellerin.

Die entlastende Wirkung dieser Selbstoffenbarung ist allerdings eingeschränkt durch den Zeitpunkt und die Begleitumstände derselben. Denn unmittelbar vor der Offenbarung war für die Antragstellerin klar geworden, dass sie nicht mehr damit rechnen konnte, dass die Vorgänge der zurückliegenden 7 bis 8 Monate unentdeckt bleiben könnten. Der Strafgefangene hatte sich - nach der Darstellung der Antragstellerin - von einer entsprechenden Zusage trotz des als „Gegenleistung“ hierfür gewährten Geschlechtsverkehrs distanziert und die Antragstellerin am 29.10.2008 gezielt weiter unter Druck gesetzt. Ihre Selbstoffenbarung rechtfertigt deshalb im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht die Annahme, die Antragstellerin habe das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren.

Eine Entlastung zugunsten der Antragstellerin folgt auch nicht aus den im Rahmen der Beschwerdebegründung geltend gemachten „organisatorischen Verfehlungen auf Seiten des Beschwerdegegners“.

Zwar kann eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht durch Vorgesetzte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des „Mitverschuldens“ als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten, diese aber pflichtwidrig unterblieben sind

BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Eine solche Situation war hier - nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens - indes nicht gegeben. Hierzu ist im Rahmen der Beschwerdebegründung vorgetragen, das Verhalten der Antragstellerin sei bereits zu einem sehr früheren Zeitpunkt auffällig gewesen und vom direkten Vorgesetzten bemerkt und thematisiert worden. Gleichwohl habe „die Leitung der JVA im wahrsten Sinne des Wortes weggeschaut und die Situation bis zum Eklat treiben lassen“.

In der Tat waren die häufigen Kontakte der Antragstellerin mit dem Strafgefangenen auch nach der Darstellung des Antragsgegners bereits im Sommer 2008 aufgefallen und von der zuständigen Vollzugsabteilung mit ihr erörtert worden. Diese Gelegenheit hat die Antragstellerin allerdings nicht im Sinne der dienstpflichtgemäßen Offenbarung genutzt, sondern im Gegenteil ihr dienstpflichtwidriges Verhalten und dessen Hintergründe nicht nur nicht offenbart, sondern aktiv verschleiert, indem sie nachvollziehbare behandlerische Gründe für ihre verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber dem Strafgefangenen darlegte und es ihr so gelang, die Bedenken ihrer Dienstvorgesetzten gezielt zu zerstreuen.

Eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht seitens der Dienstvorgesetzten kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese durften nach dem Ergebnis des Personalgesprächs mit der Antragstellerin davon ausgehen, dass es sich bei den häufigen Kontakten mit dem Strafgefangenen um ein rein berufliches Engagement im Einklang mit den zu beachtenden Dienstpflichten handelte. Seit ihrer Ausbildungszeit (2001 – 2003) hatte die Antragstellerin bis dahin unbeanstandet in der JVA Dienst getan und nach allgemeiner Einschätzung - auch seitens des in der JVA tätigen Dipl.-Psychologen - durch Engagement und Gespräche immer wieder positiv im Sinne des Strafvollzuges auf Gefangene einwirken können. Es konnte daher keine Rede davon sein, dass aus der Sicht der Anstaltsleitung konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorgelegen hätten, die weitere Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen unerlässlich gemacht hätten. Ohne solche Umstände darf der Dienstherr grundsätzlich auf die Erfüllung der Dienstpflichten vertrauen. Denn eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich

vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10.1.2007, a.a.O..

Davon durfte hier auch der Antragsgegner ausgehen.

Gegen die Annahme der in der Beschwerdeschrift geltend gemachte Verletzung der Fürsorgepflicht sprechen auch weitere Anhaltspunkte. Gerade im Hinblick auf die Thematik möglicher Verstöße gegen das Distanzgebot zwischen weiblichen Bediensteten und männlichen Gefangenen ist davon auszugehen, dass eine erhöhte Sensibilisierung seitens der Dienstvorgesetzten vorlag und dies den Bediensteten auch deutlich gemacht wurde. Dies ergibt sich z. B. daraus, dass noch im Januar 2008, d.h. kurz vor Aufnahme der Beziehung der Antragstellerin zu dem Strafgefangenen, die jährliche Frauenversammlung innerhalb der JVA gezielt unter das Thema „Frauen im Männervollzug“ gestellt und auf die daraus sich ergebenden Gefahren, insbesondere bei der Missachtung des gebotenen Nähe/Distanzverhaltens für die Betroffenen und andere, unbeteiligte Bedienstete, hingewiesen wurde. An dieser Veranstaltung hat die Antragstellerin selbst teilgenommen.

Nach alledem rechtfertigt der bislang festgestellte Sachverhalt - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Beschwerdeverfahren - die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung (§ 63 Abs. 2 SDG) bestehen deshalb nicht.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.3.2009 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

1

Der zulässige Antrag ist begründet.

2

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Die Antragsgegnerin stützt sich erkennbar nicht auf letztgenannte Norm, sondern (nur) auf § 38 Abs. 1Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

3

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme (OVG LSA, B. v. 07.05.2010, 10 M 2/10; juris). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.

4

1.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt hier, dass die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung der Dienstbezüge aufzuheben sind, weil ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

5

a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; juris).

6

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden. Diese Prognose kann demnach nur dann gestellt werden, wenn nach dem Kenntnisstand im Eilverfahren die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Diese Prognoseentscheidung beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris). Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Insoweit können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Besch. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Pflichtenverletzungen abgestellt werden. Diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um anhand dessen die Rechtsmäßigkeit der Prognoseentscheidung zu beurteilen.

7

b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernenist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

8

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

9

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

10

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

11

2.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen vermag die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches dazu geführt hat, dass das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren ist.

12

a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass der Antragsteller gegen die ihm obliegende beamtenrechtliche Pflicht zu einem achtungs- und vertrauensvollen Verhalten (§ 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz [BeamtStG]) verstoßen habe. Der Antragsteller habe dem Polizeiarzt gegenüber im Jahr 2008 angegeben, regelmäßig Cannabis geraucht zu haben. Die damals erstellten Laborbefunde hätten diese Aussage bestätigt. Nach der letztmaligen Vorstellung im Polizeiärztlichen Zentrum am 29.12.2008 seien die Laborbefunde des Antragstellers hinsichtlich des Gebrauchs illegaler Drogen nicht mehr auffällig gewesen. Am 15.09.2011 habe es beim Antragsteller dagegen einen positiven Screeningbefund auf Cannabinoide und auf Benzodiazepin gegeben. Dies habe sich unter dem 20.10.2011 bestätigt.

13

Daraus schlussfolgert die Antragsgegnerin, um illegale Drogen zu konsumieren, müssten diese zunächst erworben werden. Der unerlaubte Erwerb von Betäubungsmitteln sei nach § 29 Abs. 1 Ziff. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) strafbar. Ein Polizeibeamter, der unerlaubt Betäubungsmittel erwerbe, um diese zu konsumieren, zerstöre regelmäßig das Vertrauensverhältnis, welches für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unerlässlich sei. Allein die Umstände der Drogenbeschaffung, die ohne Kontakte in die einschlägige Szene nicht möglich seien, begründen den Verdacht, dass das außerdienstliche Verhalten des Antragstellers in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen in eine für das Amt eines Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Polizeibeamte habe für die Einhaltung der Gesetze einzustehen. Ein derartiges Versagen im Kernbereich beamtenrechtlicher Dienstpflichten sei daher geeignet, die für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beamten erforderliche Vertrauensgrundlage völlig zu zerstören. Deshalb bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller aus dem Beamtenverhältnis entfernt werde. Aus diesen Gründen sei der Antragsteller vorläufig des Dienstes zu entheben.

14

Die sodann unter dem 19.03.2012 verfügte teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA wird mit der vorläufigen Dienstenthebung vom 29.02.2012 begründet. Angesichts der bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Antragstellers beschlagnahmten Sachen und Gegenstände sei die Verneinung eines kriminellen Milieus nicht zu begründen. Es folgt sodann eine Berechnung des finanziellen monatlichen Bedarfs. Dafür notwendige Belege habe der Antragsteller nicht vorgelegt.

15

Am 11.08.2011 fand auf den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg am 04.08.2011 die Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers statt. Dabei wurden u. a. eine sog. Indoorplantage mit 8 Cannabispflanzen und diverse Produkte vorgefunden, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Wegen des genauen Umfangs der beschlagnahmten Sachen wird auf den Inhalt der Beiakte A verwiesen. Der Antragsteller weist die darauf beruhenden Vorwürfe von sich; sein Mitbewohner, Herr E., erklärte insoweit bei seiner Beschuldigtenvernehmung, der Antragsteller habe sein Handeln lediglich toleriert. Am 03.04.2012 hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg beim Amtsgericht Quedlinburg die Zulassung und Eröffnung des Hauptverfahrens wegen unerlaubten gemeinschaftlichen Anbau und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln erhoben.

16

b.) Im Fall eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geht die disziplinarrechtliche Rechtsprechung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme davon aus, dass der Beamte, der an den staatlichen Zielen, den Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so unabsehbare Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit abzuwehren, zuwiderhandelt, eine grob rücksichtslose Haltung gegenüber der Allgemeinheit offenbart. Angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich wird jedoch das disziplinarrechtliche Gewicht des Dienstvergehens von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht (vgl. BVerwG, U. v. 14.12.2000, 1 D 40.99; Urteile vom 07.05.1996, 1 D 82.95 und vom 29.04.1986, 1 D 141.85; vom 25.10.1983, 1 D 37.83, Urteile vom 24.07.2008, DB 16 S 4.07 und vom 06.08.2009, DL 16 S 2974/08; VGH Baden-Württemberg, U. v. 25.02.2010, DL 16 S 2597/09; VG Berlin, U. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; alle juris). Demnach werden in schweren Fällen durchaus die disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahmen der Degradierung und die Entfernung aus dem Dienst auszusprechen sein, ohne dass diese jedoch Regelmaßnahme für jedwedes strafbares Handeln nach dem Betäubungsmittelgesetzt (§ 29 BtMG) wären.

17

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist jedoch neben dem objektiven Gehalt des Strafvorwurfes auch zu berücksichtigen, dass der Polizeibeamte wegen seines besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung unterliegt. Mit dieser Verpflichtung ist es durchweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter - auch außerhalb des Dienstes - gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und damit einem besonderen staatlichen Anliegen dienen. Das Vertrauen des Dienstherrn in seinen Beamten, der die Aufgabe, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen der genannten Gefahren abzuwenden und zu verhindern, nicht nur nicht erfüllt, sondern im Gegenteil mit seinem Verhalten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz fördert und somit die abzuwehrenden Gefahren steigert, ist empfindlich, wenn nicht gar endgültig zerstört (vgl.: OVG NRW, U. v. 16.12.1998, 6 d 4674/97.O; juris).

18

c.) Der Dienstherr rechtfertigt hier - wie oben dargelegt - die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA allein damit, dass ihm der zur Entfernung führende unerlaubte, weil strafbare,Erwerb von Betäubungsmitteln vorzuhalten sei. Die diesem pauschalen Vorwurf zugrunde liegenden Erkenntnisse vermögen nach den dargestellten Gründen und der Problematik der Vielschichtigkeit der möglichen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bislang die Entfernung aus dem Dienst nicht zwangsläufig zu tragen.

19

Die Antragsgegnerin bezieht ihre Kenntnisse maßgeblich aus den Angaben des Antragstellers gegenüber dem Polizeiarzt, wonach der Antragsteller regelmäßigen Cannabiskonsum im Jahr 2008 angegeben habe und im Jahre 2011 positive Screeningbefunde vorgelegen hätten. Dies allein begründet jedoch für sich genommen nicht perse ein schweres Dienstvergehen, zumal die vom Antragsteller konsumierte Menge, die Konsumdauer und das Konsumverhalten nicht einmal bekannt sind. Zwar ist u. a. der unerlaubte Anbau und Erwerb mit Strafe beschwert (§ 29 Abs. 1 bis 3 BtMG). Der individuelle Unrechts- und Schuldgehalt einer solchen Tat ist jedoch von den Umständen des Einzelfalles abhängig und kann zum Absehen von Strafe bzw. der Verfolgung (§§ 29 Abs. 5, 31a Abs. 1 BtMG) führen (vgl. dazu Richtlinie zur Anwendung des § 31a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetzt und zur Bearbeitung von Ermittlungsverfahren in Strafsachen gegen Betäubungsmittelkonsumenten, JMBl. LSA 2008, S. 245). Der Antragsgegnerin kann auch nicht vollends darin gefolgt werden, dass dem Konsum stets eine illegale Beschaffung der Substanzen im kriminellen Milieu vorangegangen sein muss. Dazu ist bereits das Tatbestandsmerkmal der „Beschaffung“ etwa in § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BtMG zu vielschichtig. So mag - unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz - ein Konsum auch im Freundeskreis oder auf sonstigem Wege möglich sein, woraus sich nicht unmittelbar und unabdingbar ein kriminelles Milieu ergibt. Gerade diese Begleitumstände, also die Variationsbreite der Verstöße gegen das Betäubungsmittelrecht gilt es im Disziplinarverfahren aufzuklären und zu würdigen. Jedenfalls - und das ist entscheidend - lassen sich die diesbezüglichen Vorwürfe auch nicht mit den aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen untermauern. Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung auch nicht darauf. Die beiden streitbefangenen Verfügungen sind insoweit äußerst begründungsarm. So ist die vorläufige Dienstenthebung nicht etwa auf das dem Beamten gegenüber geführte anhängige strafrechtliche Ermittlungsverfahren, welches in der Folgezeit zur Beantragung der Zulassung der Anklage vor dem Amtsgericht Quedlinburg geführt hat, gestützt. Zwar findet sich in der Verfügung zur Einbehaltung der Dienstbezüge vom 19.03.2012 ein Hinweis auf die bei der Durchsuchungsmaßnahme in den Wohnräumen des Beamten beschlagnahmten Sachen und Gegenstände, woraus sich das „kriminelle Milieu“ ergeben würde. Das Disziplinargericht hat zwar keinen Zweifel daran, dass die Feststellungen im Rahmen der Durchsuchung der gemeinsam mit einem weiteren Angeschuldigten genutzten Wohnung disziplinarrechtlich ebenso beachtlich wie die zwischenzeitlich erhobene Anklage sind. Aber auch unter Berücksichtigung dieser, über die Begründung der Verfügung der vorläufigen Dienstenthebung hinausgehenden Erkenntnisse, die eine weitere Qualität im Sinne der Variationsbreite des disziplinarrechtlich zu wertenden Pflichtenverstoßes darstellen, vermag das Disziplinargericht nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszugehen.

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Denn die in der Rechtsprechung zu findenden Fallgestaltungen hinsichtlich der Variationsbreite der Schwere der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtfertigen eine vorläufige Dienstenthebung bzw. die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis etwa (erst) dann, wenn es sich um den Konsum „harter“ Drogen (VG Berlin, Urteil v. 22.11.2011, 85 K 11.10 OB; OVG Berlin, Beschluss v. 16.04.1992, 4 S 11.92; beide juris) handelt und/oder der Beamte eine beachtliche Drogenkarriere zurückgelegt hat, der Beamte etwa in die Beschaffungskriminalität abgleitet oder sich als Dealer betätigt (BVerwG, Urteil v. 13.07.1999, 2 WD 4.99; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil v. 30.06.2003, 3 A 10767/03; VG Berlin, Urteil v. 04.10.2011, 80 K 6.11 OL; alle juris) oder aufgrund der Einheitlichkeit des Dienstvergehens weitere Pflichtenverstöße hinzugetreten sind (OVG Lüneburg, Urteil v. 22.06.2010, 20 LD 7/08; VG Berlin, Urteil v. 13.02.2006, 80 A 27.05; alle juris). Die Vergleichbarkeit mit diesen Fallgestaltungen ist vorliegend nicht gegeben. Es gilt die weiteren Ermittlungen bzw. das Strafverfahren im weiter anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren abzuwarten. Insoweit steht es dem Dienstherrn frei, bei einer veränderten Erkenntnislage eine erneute Suspendierung auszusprechen (vgl. § 122 Abs. 1, 121 VwGO).

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3.) Dementsprechend ist mangels rechtlicher Voraussetzungen nach § 38 Abs. 2 DG LSA auch die Einhaltung der Dienstbezüge abzuheben.

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4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs: 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. März 2011 - 7 L 29/11 - wird die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers und Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge durch den Bescheid vom 20.12.2010 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie ist gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 146, 147 VwGO statthaft und gemäß § 67 Abs. 3 SDG i.V.m. §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 VwGO fristgerecht erhoben und begründet worden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers vom 10.1.2011 als zulässigen Antrag nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SDG auf Aussetzung der mit Bescheid des Antragsgegners vom 20.12.2010 ausgesprochenen vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von 50 % seiner monatlichen Dienstbezüge ausgelegt.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8.3.2011 - 7 L 29/11 - erfolgte Zurückweisung seines Aussetzungsantrages hat auch in der Sache Erfolg. Denn es bestehen im Sinne des § 63 Abs. 2 SDG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Nach § 38 Abs.1 SDG kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten oder eine Beamtin gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten oder der Beamtin bis zu 50 % der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

Nach § 63 Abs. 2 SDG sind die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige Zweifel sind vorliegend gegeben.

Zwar sprechen nach Auffassung des Senats - ebenso wie im Ergebnis nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – überwiegende Gründe dafür, dass nach dem derzeitigen, im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Prognose rechtfertigen dürfte, dass im Rahmen des mit Verfügung vom 26.4.2010 gegen den Antragsteller eingeleiteten Disziplinarverfahrens die Verhängung der Höchstmaßnahme zu erwarten ist. Dabei dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 und Abs. 2 SDG für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers und die zugleich angeordnete Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge aller Voraussicht nach gegeben sein. Jedoch bestehen mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des dem Antragsgegner nach § 38 Abs. 1 SDG eingeräumten Ermessens ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.12.2010.

Aus dem Gesamtergebnis des wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften gegen den Antragsteller geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (24 Js 899/07) und des vor dem Amtsgericht Saarbrücken geführten Strafverfahrens (119 Ds 89/09) ergibt sich aller Voraussicht nach der hinreichende Verdacht, dass der Antragsteller ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das im Rahmen des am 26.4.2010 gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verhängung der Höchstmaßnahme erfordern wird. Zwar haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Antragsteller zu Recht Zweifel daran geltend gemacht, ob sich dieser hinreichende Verdacht allein aus den tatsächlichen Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10.2.2010 (119 Ds 89/09) ableiten lässt, an die die Disziplinarbehörde gemäß § 23 Abs. 1 SDG und die Disziplinargerichte gemäß § 57 SDG - in jeweils unterschiedlicher Intensität - gebunden sind. Diesbezügliche Bedenken ergeben sich insoweit zum einen hinsichtlich der Frage, ob die Anzahl der im Besitz des Antragstellers gewesenen Bilddateien kinderpornografischen Inhalts tatsächlich 781 betragen hat. In dem strafgerichtlichen Urteil vom 10.2.2010 heißt es hierzu lediglich:

„Dem Angeklagten wird in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 28.1.2009 vorgeworfen, am 24.10.2007 in seiner Wohnung, A-Straße, A-Stadt, auf seinem Personalcomputer Fujitsu zu Siemens Scaleo 600 781 Bilddateien mit Darstellungen aufbewahrt zu haben, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden. Der Angeklagte hat den Vorwurf in der Hauptverhandlung glaubhaft eingestanden. Er hat sich damit des Besitzes kinderpornografischer Schriften gemäß § 184 b Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 StGB schuldig gemacht.“

Diese Formulierung lässt zwar den Schluss zu, dass Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs der Besitz von insgesamt 781 Bilddateien war, die zumindest teilweise als kinderpornografisch einzustufen waren. Dem Urteil lässt sich aber keine ausreichende Tatsachenfeststellung entnehmen, aus der sich ableiten lässt, dass alle diese Dateien von ihrem Inhalt her als kinderpornografisch im Sinne des § 184 b StGB einzustufen waren. Entsprechend eingeschränkt ist der Umfang seiner Bindungswirkung nach §§ 23, 57 SDG.

Gleichwohl wird nach Auffassung des Senats nach dem gesamten Inhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller vorsätzlich im Besitz kinderpornografischer Bilddateien war und dass deren Anzahl aller Voraussicht nach deutlich über die – vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung als ausreichend zugrunde gelegte – Zahl von 10 Bilddateien hinausging, die in der Strafakte als „beispielhaft“ dokumentiert sind. Dies ergibt sich neben anderen, hier nicht im Einzelnen darzulegenden Anhaltspunkten schon daraus, dass die genannten 10 Bilddateien, die ihrerseits eindeutig kinderpornografischen Inhalt haben, nach Durchführung der polizeilichen Auswertung der auf dem Personalcomputer des Antragstellers vorhandenen Dateien beispielhaft ausgedruckt und der Ermittlungsakte beigefügt wurden, um den Inhalt der von Seiten der Polizei als kinderpornografisch eingestuften 781 Dateien zu dokumentieren. Hieraus lässt sich schließen, dass jeder der 10 - unterschiedlichen - Darstellungen jeweils eine Mehrzahl vergleichbarer Darstellungen im Rahmen der insgesamt 781 als kinderpornografisch eingestuften Dateien entspricht. Gleichwohl kann beim derzeitigen Erkenntnisstand und insbesondere auf der Grundlage der in dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken von 10.2.2010 getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass sich in der Gesamtzahl von 781 im Ermittlungsverfahren als kinderpornografisch bewerteten Darstellungen z.B. auch sogenannte Posing-Bilder befunden haben, welche nicht im strafrechtlichen Sinne des § 184 b StGB als kinderpornografisch einzuordnen sind. Insofern ist zu beachten, dass sich in den Ermittlungsakten auch mehr als 200 Dateien dieser Art (Posing-Bilder) befinden. Hierzu werden im Disziplinarverfahren noch weitere Ermittlungen anzustellen sein, die nach dem Vortrag des Antragsgegners bereits eingeleitet sind.

Zudem lässt sich allein den Feststellungen des Strafurteils nicht entnehmen, in welchem Zeitraum der Antragsteller derartige Bilddateien im Besitz hatte. In dem Urteil ist lediglich von dem 24.10.2009 als Tatzeitpunkt die Rede. Dies war der Tag der Beschlagnahme des Personalcomputers des Antragstellers. Gleichwohl dürfte nach dem Gesamtinhalt des Straf- und Ermittlungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden können, dass der Antragsteller die kinderpornografischen Darstellungen nur an einem einzigen, dem im strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 genannten Durchsuchungstag am 24.10.2009 in Besitz gehabt hat.

Dem Antragsgegner ist im Grundsatz des Weiteren darin zu folgen, dass – auch wenn eine Regeleinstufung insoweit auszuscheiden hat - der Orientierungsrahmen für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme nach § 13 SDG bei außerdienstlichem Besitz kinderpornografischer Schriften durch einen Lehrer unter der Geltung der erhöhten Strafandrohung des § 184 b Abs. 5 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003 (BGBl. Teil I S. 3007) nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur disziplinarrechtlichen Ahndung des Besitzes kinderpornografischer Schriften

BVerwG, Urteil vom 19.8.2010 - 2 C 5/10 -, zitiert nach juris -

die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.

Gleichwohl bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 20.12.2010 mit Blick auf die ordnungsgemäße Ausübung des der Disziplinarbehörde in § 38 SDG eingeräumten Ermessens. Denn der Antragsgegner hat seiner Ermessensentscheidung nach § 38 SDG auf der Tatbestandsseite Tatsachen zugrunde gelegt, die sich zum Teil aus den von ihm zitierten Quellen so nicht entnehmen lassen und zum Teil aller Voraussicht nach einem Verwertungsverbot unterliegen.

Wie dargelegt, lässt sich dem strafrechtlichen Urteil vom 10.2.2010 nicht mit Bestimmtheit die Feststellung entnehmen, dass der Antragsteller 781 Bilddateien kinderpornografischen Inhalts in Besitz hatte. Gleichwohl sind die streitgegenständlichen Maßnahmen der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen im Bescheid des Beklagten vom 20.12.2010 maßgeblich auf den „Ihnen zur Last gelegte(n) Besitz von 781 Bilddateien mit kinderpornografischen Darstellungen, auf denen u.a. Mädchen zu sehen sind, die offensichtlich jünger als 14 Jahre alt sind und mit denen Erwachsene Vaginalverkehr ausüben, die Erwachsene oral stimulieren oder die von Erwachsenen an ihren Geschlechtsteilen berührt werden (zitiert aus dem Ihnen gegenüber ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 10. Februar 2010“ gestützt.

Ferner heißt es in dem Bescheid:

„Milderungsgründe, die die Annahme einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlich machen würden, sind nicht zu erkennen. Bei Ihrem im Strafverfahren wie auch im Rahmen der behördlichen Anhörung vom 22.4.2010 eingestandenen Fehlverhalten handelt es sich nicht um ein einmaliges oder nur ganz kurzfristiges Verhalten und Versagen, sondern um Aktivitäten, die sich über einen längeren Zeitraum - Sie erwähnten als relevante Zeit die Jahre 2006 und 2007 - hingezogen haben und eine Vielzahl einzelner Schritte zur Verschaffung und Abspeicherung von 781 Bilddateien erforderten. In den Fällen, die Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens sind, handelten Sie jeweils vorsätzlich. Dies steht aufgrund ihrer Einlassung in der Anhörung vom 22.4.2010 fest.“

Zum Beleg der von ihm seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen hat der Antragsgegner damit maßgeblich nicht nur auf die – wie oben bereits dargelegt - unscharfen Formulierungen des Strafurteils zurückgegriffen, sondern auch auf Äußerungen des Antragstellers, die dieser in der - vor der mit Verfügung vom 26.4.2010 erfolgten förmlichen Einleitung des Disziplinarverfahrens durchgeführten - Anhörung vom 22.4.2010 getätigt hatte.

Dem über diese Anhörung gefertigten Protokoll kann indes weder entnommen werden, dass der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SDG darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, noch dass er darüber belehrt wurde, dass es ihm freistehe, sich jederzeit eines oder einer Bevollmächtigten oder eines Beistandes zu bedienen. Ob es dem Antragsgegner gelingen wird, seinen Vortrag, der Antragsteller sei zu dem ersten Punkt tatsächlich belehrt worden, auch wenn dies im Protokoll nicht festgehalten wurde, zu beweisen, erscheint derzeit offen. Bezüglich der Belehrung zu dem zweiten Punkt hat der Antragsgegner selbst vorgetragen, es sei nicht erinnerlich, ob insoweit eine Belehrung des Antragstellers stattgefunden habe. Insoweit spricht derzeit alles dafür, dass der Inhalt der Anhörung vom 22.4.2010 einem Verwertungsverbot unterfällt.

Danach hat der Antragsgegner seiner Ermessensentscheidung über die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge einen Sachverhalt zugrunde gelegt, der nach derzeitigem Erkenntnisstand aller Voraussicht nach nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, weil er zum Teil, bezogen auf die Anzahl der kinderpornografischen Darstellungen nicht ordnungsgemäß festgestellt worden war und zum Teil, bezogen auf den Zeitraum des Besitzes dieser kinderpornografischen Darstellungen, aller Voraussicht nach auf eine Erkenntnisquelle gestützt ist, die einem Verwertungsverbot unterliegt. Liegt aber einer Ermessensbetätigung ein unrichtiger oder nicht ordnungsgemäß festgestellter Sachverhalt zugrunde, so erweist sich grundsätzlich auch die darauf gestützte Ermessensausübung als fehlerhaft

vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 114 Rdnr. 12; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage, § 114 Rdnr.13 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 2.7.1992 – 5 C 51/90 -, zitiert nach juris.

Der vorliegende Ermessensfehler ist vorliegend auch nicht unter den Aspekten einer möglichen Ermessensreduzierung auf Null oder eines wirksamen Nachschiebens von Ermessenserwägungen unbeachtlich. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen dafür liegen hier nicht vor.

Es kann vor diesem Hintergrund auch dahinstehen, ob der Auffassung des Verwaltungsgerichts gefolgt werden kann, dass auch schon der zeitlich nicht näher eingegrenzte Besitz von (nur) 10 kinderpornografischen Bilddateien - auf der Tatbestandsseite des § 38 SDG - ausreichend für die Verhängung der Höchstmaßnahme im Disziplinarverfahren gegenüber dem Antragsteller sei. Ebenso kann offen bleiben, ob - wofür aus der Sicht des Senats einiges spricht - aus dem Gesamtergebnis des strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens Feststellungen abgeleitet werden können, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller im Besitz eines Mehrfachen von 10 kinderpornografischen Bilddateien gewesen ist. Denn ungeachtet dessen ist es den Disziplinargerichten verwehrt, ausgehend von ihren eigenen Annahmen zu den auf der Tatbestandsseite relevanten Tatsachen die Ermessensentscheidung des Antragsgegners nach § 38 SDG durch ihre eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Es ist vielmehr allein Sache des Antragsgegners, die von ihm getroffene Ermessensentscheidung nach § 38 SDG, gegen deren Rechtmäßigkeit wegen Ermessensfehlgebrauchs ernstliche Zweifel bestehen, durch eine erneute Ermessensentscheidung, die auf eine ordnungsgemäße Tatsachengrundlage gestützt ist, zu ersetzen

vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.9.2000 - 1 DB 7/00 - sowie vom 16.11.1999 - 1 DB 8/99 -, jeweils zitiert nach juris.

Der Antrag des Antragstellers hatte daher Erfolg. Die begehrte Aussetzung nach § 63 SDG war daher auszusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 SDG, 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.