Arbeitsgericht Stuttgart Urteil, 15. Apr. 2015 - 26 Ca 947/14

bei uns veröffentlicht am15.04.2015

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2014 nicht zum 30. November 2014 aufgelöst wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 74% und die Beklagte 26% zu tragen.

5. Der Streitwert wird auf 41.503,71 Euro festgesetzt.

6. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

 
Die Parteien streiten zuletzt noch über eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers bezüglich gezahlter Urlaubsvergütung.
Die am ...19... geborene, geschiedene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Klägerin trat zum 25. November 2013 in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten am Standort K. als „Sachbearbeiterin Vertrieb“ ein. Das Arbeitsentgelt betrug zuletzt 2.406,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.
Für den Betrieb der Beklagten in K. ist ein Betriebsrat gewählt; nach der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Vom 3. bis 5. März 2014 nahm die Klägerin an einer Schulungsveranstaltung der Beklagten im Werk eines Lieferanten teil. Zu den Teilnehmern gehörte ua. auch der Kollege der Klägerin, Herr R. Am Abend des 4. März 2014 fand ein gemeinsames Abendessen mit mehreren Kollegen statt. Auf dem Weg zum Lokal führten die Klägerin und deren Kolleginnen bzw. Kollegen Gespräche, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Jedenfalls äußerte der Kollege Herr R gegenüber der Klägerin „Hast Du eigentlich einen Freund? Weil: Dich muss man mal wieder richtig durchvögeln (Beklagte: ‚durchschrubben‘), damit Du mal wieder entspannter bist“. Für diese Äußerung entschuldigte sich Herr R später bei der Klägerin. Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 mahnte die Beklagte Herrn R wegen des Vorfalls vom 4. März 2014 ab.
Am 15. April 2014 führte der Vorgesetzte der Klägerin, Herr E, mit dieser ein Gespräch, wobei streitig ist, welche weiteren Personen in welchem zeitlichen Umfang an diesem Gespräch beteiligt waren. Gegenstand des Gesprächs waren die bisherigen Leistungen der Klägerin. Ob Herr E im Laufe des Gesprächs Verständnis für Herrn R zum Ausdruck brachte, ist zwischen den Parteien streitig.
Am 20. Mai 2014 führte Herr E erneut ein Gespräch mit der Klägerin, in dessen Verlauf er der Klägerin eröffnete, die Beklagte habe sich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin entschlossen. Am Ende des Gesprächs übergab Herr E der Klägerin eine Kopie eines Kündigungsschreibens vom 20. Mai 2014, mit der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2014 erklärt wurde. Nach dem 20. Mai 2014 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Das Originalkündigungsschreiben gab die Beklagte am Folgetag als Abholeinschreiben zur Post. Ob die Klägerin durch eine Benachrichtigung der Post AG von der Lagerung eines an sie adressierten Schreibens unterrichtet wurde ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem die Klägerin das Schreiben nicht abgeholt hatte, ging das Kündigungsschreiben als Rückläufer am 23. Juni 2014 bei der Beklagten ein, die daraufhin die Kündigung an die Klägerin erneut versendete. Das Originalkündigungsschreiben ging der Klägerin am 26. Juni 2014 zu.
Bereits am 10. Juni 2014 machte die Klägerin den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der an das Arbeitsgericht Stuttgart gerichteten Klage geltend.
Nachdem der Gütetermin vom 2. Juli 2014 ohne vergleichsweise Einigung geendet hatte, forderte die Beklagte die Klägerin „zur Vermeidung von Verzugsfolgen“ auf, die Arbeit ab Freitag, den 4. Juli 2014 aufzunehmen (Schreiben vom 3. Juli 2014). Die Klägerin arbeitete daraufhin im Zeitraum 7. bis 14. Juli 2014. Ab dem 15. Juli 2014 erkrankte die Klägerin erneut arbeitsunfähig.
Im Zeitraum 4. bis 22. August 2014 zahlte die Beklagte an die Klägerin Urlaubsentgelt, nachdem die Klägerin bereits lange zuvor für diesen Zeitraum Urlaub beantragt hatte. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen liegen für diesen Zeitraum nicht vor.
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Nachdem die Klägerin mit Bescheid vom 1. Juli 2014 (rückwirkend zum 9. Mai 2014) einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden ist, beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 1. August 2014 beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2014 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 zum 30. November 2014.
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Die Klägerin meint zunächst, die Kündigung vom 20. Mai 2014 sei am Maßstab des Kündigungsschutzgesetztes zu messen, da sich die Klägerin keinen vor dem 26. Juni 2014 liegenden Zugangszeitpunkt für das Kündigungsschreiben entgegenhalten lassen müsse. In jedem Fall sei die Kündigung vom 20. Mai 2014 deshalb unwirksam, weil die Kündigung die Klägerin wegen ihres Geschlechts mittelbar benachteilige. Die Benachteiligung ergebe sich daraus, dass Herr R nach seiner Äußerung vom 4. März 2014 die Klägerin - auch gegenüber Herrn E - schlecht gemacht habe. Herr E seinerseits habe sich am 15. April 2014 gegenüber der Klägerin in der Weise geäußert, dass sie sich in Herrn R hineinversetzen solle; dieser habe schließlich keine Freundin; wie sie sich denn fühlen würde, wenn sie jemand abweise. Sie solle Herrn R verstehen und einfach einen lockeren Umgang an den Tag legen. Er erwarte ohnehin von ihr, dass sie an sich arbeite und Kunden und Kollegen einfach ein bisschen mehr um den Finger wickle. Die Klägerin trägt daher vor, Kündigungsgrund seien nicht - wie die Beklagte behaupte - Leistungsmängel, sondern letztlich die Zurückweisung des Kollegen R und die Beschwerden der Klägerin über dessen Verhalten. Das Arbeitsverhältnis bestehe ohnehin fort, nachdem die Klägerin - ohne Abschluss einer wirksamen Vereinbarung zur Prozessbeschäftigung - tatsächlich wieder gearbeitet habe. Was die Kündigung vom 29. Oktober 2014 anbelange, so sei diese Kündigung sozial nicht gerechtfertigt.
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Die Beklagte meint im Wesentlichen, die Kündigung vom 20. Mai 2014 sei nicht am Kündigungsschutzgesetz zu messen, da ein früherer Zugang des Schreibens wegen Zugangsvereitelung anzunehmen sei. Insbesondere im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014, auf dessen gesamten Inhalt Bezug genommen wird, führt die Beklagte aus, Grund für die Kündigung vom 20. Mai 2014 seien ausschließlich Fehlleistungen der Klägerin, zunehmende Kundenbeschwerden und Probleme in der Teamarbeit. Im Gespräch vom 15. April 2014 sei der Vorfall vom 4. März 2014 nicht thematisiert worden, insb. nachdem Herr R in einem Telefonat vom 7. März 2014 sein Verhalten gegenüber Herrn E offenbart und mitgeteilt habe, sich bei der Klägerin entschuldigt zu haben und Herr E Herrn R schon wegen dessen Äußerung gerügt habe. Keinesfalls habe Herr E Verständnis für Herrn R bzw. dessen Verhältnis gezeigt. Im Gespräch vom 15. April 2014 habe dieser lediglich im geschäftlichen Zusammenhang geäußert, er erwarte von der Klägerin, dass sie Kunden besser „um den Finger wickle“. Die Klägerin stelle Äußerungen von Herrn E in einem völlig falschen Zusammenhang dar; ein irgendwie diskriminierendes Verhalten sei Herrn E nicht vorzuwerfen.
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Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 32.500,00 Euro wegen der im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 zu den Vorfällen am 4. März und 15. April 2014 aufgestellten Behauptungen geltend, die sie mit der am 13. Februar 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung auch gerichtlich gegenüber der Beklagten verfolgt.
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Die Klägerin behauptet, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 diskriminierten die Klägerin mittelbar. Insbesondere mit dem Sachvortrag, das Gespräch am 15. April 2014 habe nicht mit dem laut Klageschrift behaupteten Inhalt stattgefunden, die Klägerin erfinde das Gespräch, habe sich die Beklagte unangemessen mit der Thematik vom 4. März und 15. April 2014 auseinandergesetzt und die Klägerin diskriminiert. Anstatt die Vorgänge zu prüfen, habe sich die Beklagte dem prozessualen Vorbringen der Klägerin verschlossen und sei lediglich den Sachverhaltsdarstellungen der Herren R und E gefolgt. Durch dieses Vorgehen und unter Missachtung der Verpflichtungen aus §§ 12, 13 AGG habe sich die Beklagte selbst mittelbar diskriminierend verhalten. Die Beklagte dränge die Klägerin von der Opfer- in die Täterrolle; der Klägerin stehe daher eine angemessene Entschädigung in Höhe einer Bruttojahresvergütung zu.
15 
Im Kammertermin vom 20. Februar 2015 haben die Parteien einen Teilvergleich mit dem folgenden Inhalt geschlossen:
16 
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Mai 2014 zum 30. Juni 2014 aufgelöst wird. Die Parteien sind sich vielmehr darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt über den 30. Juni 2014 hinaus fortbesteht.
17 
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich, an die klagende Partei als Arbeitsentgelt für den Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 4. Juli 2014 einen Betrag in Höhe von 217,39 EUR brutto zu bezahlen.
18 
3. Damit sind Entgeltansprüche der klagenden Partei im Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 4. Juli 2014 erledigt.
19 
Die Klägerin beantragt daraufhin:
20 
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 nicht zum 30. November 2014 aufgelöst wird.
21 
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung nach Rechtsauffassung des Gerichts, mindestens jedoch 32.500,00 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit Klagezustellung zu bezahlen.
22 
Die Beklagte beantragt:
23 
1. Die Klage abzuweisen.
24 
2. Die Klägerin zur Rückzahlung des für die Zeit vom 4. August bis 22. August 2014 erhaltenen Urlaubsentgelts in Höhe von 1.785,71 Euro brutto zu verurteilen.
25 
Die Klägerin beantragt,
26 
die Widerklage abzuweisen.
27 
Die Beklagte behauptet im Wesentlichen, Grund für die Kündigung vom 29. Oktober 2014, zu der der Betriebsrat am 28. Oktober 2014 angehört worden sei, seien Leistungsmängel der Klägerin im Zeitraum 7. bis 14. Juli 2014, die Diskriminierungsvorwürfe der Klägerin gegenüber Herrn E und Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Klägerin. Was Fehlleistungen im Zeitraum 7. bis 14. Juli 2014 anbelange, so habe die Klägerin beispielsweise zu einem Vorgang (Auftrags-Nr. 30824174, Fa. S) zu einer Position des Lieferauftrags eine falsche Artikel-Nr. ermittelt, beim Lieferanten statt „ab Lager“ bestellt und eine falsche Stückzahl angegeben; der Retourenauftrag sei ebenfalls falsch bearbeitet worden (an „Industrie“ statt „ans Lager“ zurückgesandt und die Retoure „mit Abholschein“ statt „Retouren-Auftrag über SAP“). In einer Email vom 29. April 2014 an Herrn Kx von der Fa. Si zeige die Klägerin unstreitig einen Erfassungsfehler an; nicht nachvollziehen könne die Beklagte, weshalb die Klägerin Herrn Kx in der Email duze. Beim Auftrag der Fa. Br vom 7. Juli 2014 habe die Klägerin den Auftrag falsch erfasst, weshalb eine Kollegin und ein Lagerarbeiter viel Zeit investiert hätten, um eine korrekte Lieferung zu gewährleisten. Am 9. Juli 2014 habe die Klägerin auf die Bitte einer Kollegin, bei der Auftragserfassung zu helfen, geantwortet, keine Zeit zu haben, obwohl die Auftragserfassung hohe Priorität habe. Zudem habe die Klägerin die Anweisung „Erfassung des Angebots wie gespeichert“ nicht befolgt; beim Angebot 10115712 HN habe die Klägerin entgegen dieser Anweisung den Kunden angerufen und einen eigenen Kalkulationsrabatt bestimmt. Im Übrigen stelle die Klägerin Behauptungen zum Gespräch vom 15. April 2014 auf, die nicht stimmten. Auch halte die Klägerin an ihrem Vortrag fest, von Herrn E - trotz Aufklärung und Stellungnahme durch diesen - diskriminiert worden zu sein. Was die Widerklage betreffe, so sei die Klägerin mit Ausnahme des Zeitraums vom 7. bis 14. Juli 2014 arbeitsunfähig erkrankt gewesen, wenn auch die Klägerin für den Zeitraum 4. bis 22. August 2014 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe. Die Beklagte gehe davon aus, dass durchgehend Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Probleme als Grunderkrankung bestanden habe, wie die Diagnose aus der Erstbescheinigung vom 15. Juli 2014 nahelege. Wenn die Klägerin aber arbeitsunfähig gewesen sei, habe sie keinen Entgeltanspruch, insb. keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Überschreitung des 6-Wochen-Zeitraums.
28 
Im Kammertermin vom 20. Februar 2015 haben die Parteien einen widerruflichen Vergleich geschlossen, den die Klägerin innerhalb der vereinbarten Frist widerrufen hat. Für den Fall des Widerrufs hat das Gericht die Bestimmung eines Verkündungstermins von Amts wegen angeordnet, der mit Verfügung vom 26. März 2015 auf den 15. April 2015 bestimmt wurde.
29 
Mit Schriftsatz vom 26. März 2015 beantragt die Klägerin erweiternd,
30 
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine weitere angemessene Entschädigung nach Rechtsauffassung des Gerichts, mindestens jedoch 48.750,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über Basiszins seit Klagezustellung zu bezahlen.
31 
Die Klägerin behauptet insoweit im Wesentlichen, sie sei durch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 mittelbar diskriminiert worden, weil die Beklagte ihre Kündigung vom 29. Oktober 2014 ua. mit dem Vorwurf, sie habe ihrem Vorgesetzten - zu Unrecht - diskriminierendes Verhalten vorgeworfen, begründet wurde. Durch den unangemessenen Umgang mit der Thematik und unter Verstoß gegen die Pflichten aus §§ 12, 13 AGG habe die Beklagte die Klägerin mittelbar diskriminiert.
32 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 2. Juli 2014 und 20. Februar 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
A.
33 
Die Klage hat nur hinsichtlich des Bestandsschutzantrags Erfolg. Die Widerklage war insgesamt abzuweisen.
I.
34 
Die Klage ist nur hinsichtlich des Feststellungsbegehrens begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet nicht durch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 zum 30. November 2014. Der Klägerin steht die geforderte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 32.500,00 Euro nicht zu. Die Klageerweiterung um eineweitere Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist unzulässig.
35 
1. Die allein noch im Streit stehende Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2014 ist nicht sozial gerechtfertigt und daher unwirksam.
36 
a) Die Kündigung gilt zunächst nicht bereits nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, denn die Klägerin hat die Kündigung rechtzeitig innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen. Die Klägerin hat insbesondere bereits mit der ursprünglichen Klageschrift einen sog. „Schleppnetzantrag“, dh. allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt, der auch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 erfasste. Die Klägerin hat darüber hinaus gesondert innerhalb der 3-Wochenfrist einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG in Bezug auf die Kündigung vom 29. Oktober 2014 gestellt.
37 
b) Die Kündigung vom 29. Oktober 2014 ist am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen, welches nach seinen persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen Anwendung findet (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG); die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, insb. nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt.
38 
aa) Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 81).
39 
(1) Für eine verhaltensbedingte (ordentliche wie außerordentlich) Kündigung gilt dabei das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen (vgl. BAG 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5). Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227 ff.; Schlachter, NZA 2005, 433, 436). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung, d.h. aufgrund objektiver Umstände geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragsverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO.; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - AP BGB § 174 Nr. 20; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB, Rn. 266; vHH/L/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 498, 512). Die Abmahnung ist zugleich aber auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - NZA 2006, 917 ff; Schlachter, NZA 2005, 433 ff.). Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16, aaO). Dieser Aspekt, der durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren hat, ist auch bei Störungen des Vertrauensbereichs zu beachten. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 160/06 - aaO) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des - auch entsprechenden einmaligen - Verhaltens durch den Arbeitgeber offenkundig ausgeschlossen ist (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - BAGE 99, 331). Eine frühere, unwirksame Kündigung kann die Funktion einer Abmahnung dann erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen - zB wegen fehlender Abmahnung - für unwirksam erachtet worden ist (vgl. BAG 31. August 1989 - 2 AZR 13/89 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 23 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27; ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
40 
(2) Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Die Vertragsverletzung ist vom Arbeitgeber anhand von Tatsachen konkret darzulegen. Pauschale Erklärungen und Tatsachenwertungen, wie "schludrige Arbeitsweise", "häufiges Zuspätkommen", reichen nicht aus (vgl. KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 412; ErfK/Oetker § 1 KSchG Rn. 207). Sofern Abmahnungen erfolgt sind, hat der Arbeitgeber diese vorzutragen und im Falle des Bestreitens durch den Arbeitnehmer zu beweisen, dass diese Abmahnungen wirksam, dh. insbesondere berechtigt waren (vgl. vHH/L/Krause KSchG § 1 Rn. 560). Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30).
41 
bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Beklagte die Kündigung weder erfolgreich auf Leistungsmängel noch den Umstand, die Klägerin werfe Herrn E ein tatsächlich nicht vorliegendes diskriminierendes Verhalten vor, stützen. Soweit die Beklagte Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Klägerin angibt, liegt jedenfalls kein Pflichtenverstoß im Arbeitsverhältnis vor.
42 
(1) Nach vorheriger Abmahnung kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Qualität oder Quantität erfüllt (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 14, BAGE 125, 257; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 278; ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 128; HaKo-KSchR/Zimmermann 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 387; KR-Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 448; HWK/Quecke 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 239; AR/Kaiser 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 50).
43 
(a) Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen. Dem Arbeitnehmer ist es allerdings nicht gestattet, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach freiem Belieben zu bestimmen. Er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15, aaO; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - Rn. 90, BAGE 109, 87; APS/Dörner/Vossen § 1 KSchG Rn. 278a; KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 448; Friemel/Walk NJW 2005, S. 3669 ff.; Maschmann NZA-Beilage 1/2006, S. 13, 15; aA vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 KSchG Rn. 684; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 131 Rn. 48).
44 
(b) Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen von Leistungsmängeln sowie für eine zuvor erfolgte Abmahnung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber. Die einzelnen Leistungsmängel hat er dabei so konkret wie möglich zu bezeichnen, und zwar unter Aufzeigung der jeweiligen Pflichtwidrigkeiten sowie unter Darlegung der einzelnen Fehler. Durch pauschale Werturteile über die von einem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung genügt der Arbeitgeber der ihm obliegenden Darlegungslast grundsätzlich nicht. Zu einem schlüssigen Vortrag gehört vielmehr die Darlegung, worin das Versagen des Arbeitnehmers im Einzelnen besteht, welche Minder-, Fehl- oder Schlechtleistungen ihm zur Last zu legen sind und welche Mängel in der fachlichen oder persönlichen Qualifikation vorliegen (vgl. BAG 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 46, 163; KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 449). Dabei ist auch der herangezogene Vergleichsmaßstab substantiiert vorzutragen. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, selbständig feststellen zu können, ob bzw. dass eine nicht mehr zu tolerierende Fehlerquote vorliegt. Die lediglich allgemeine Beschreibung fehlerhafter Arbeitsleistungen genügt diesen prozessualen Anforderungen nicht (vgl. APS/Dörner/Vossen § 1 KSchG Rn. 281).
45 
(aa) Es ist daher zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt der Arbeitgeber aber lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Da der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 546/06 - Rn. 22, aaO). Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber bei vorgeworfener qualitativer Minderleistung näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 22, aaO; LAG Schleswig-Holstein 24. Februar 2010 - 6 Sa 399/09 - NZA-RR 2010, 466 ff.; LAG Köln 07. August 2009 - 4 Sa 1394/08 -; Friemel/Walk NJW 2010, 1557 ff.). In diesem Zusammenhang muss der Arbeitgeber die Vergleichsgruppe transparent, d.h. nachvollziehbar darlegen. Die dabei einbezogenen Mitarbeiter müssen hinsichtlich ihrer Qualifikation, Berufserfahrung und hinsichtlich der Bedingungen, unter denen sie ihre Arbeit erbringen, vergleichbar sein. Schließlich kann ein längerfristiges Überschreiten der durchschnittlichen Fehlerquote nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber seinen Angaben einen längeren Referenzzeitraum nachvollziehbar zugrunde legt (vgl. Friemel/Walk NJW 2010, 1557, 1559 f.).
46 
(bb) Genügt der Arbeitgeber diesen Maßstäben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Trägt der Arbeitnehmer derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO(vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - Rn. 92, aaO; HaKo-KSchR/Zimmermann § 1 KSchG Rn. 389; Maschmann NZA-Beilage 1/2006, S. 13, 18).
47 
(c) Unabhängig davon, dass die Beklagte nach diesen Maßstäben schon ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, als sie teilweise auch nur vorgetragen hat, die Klägerin habe einen „Auftrag falsch erfasst“, was für eine substantiierte Darlegung von Schlechtleistungen nicht genügt und nicht im Ansatz aufgezeigt, dass die Fehler der Klägerin zu einer nicht mehr tolerierbaren Fehlerquote geführt haben, fehlt es in jedem Fall an einer der Kündigung vorausgehenden Abmahnung. Die der Klägerin vorgeworfenen Schlechtleistungen stellen ein typisches Verhalten dar, bei dem grundsätzlich davon auszugehen ist, dass bereits der Ausspruch einer Abmahnung ausgereicht hätte, um dem Risiko künftiger gleichgelagerter Pflichtverletzungen zu begegnen. Dies gilt auch, soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe mit dem Hinweis auf „keine Zeit“ die Übernahme von Tätigkeiten abgelehnt bzw. sich unangemessen gegenüber Kunden (duzen) verhalten. Eine Abmahnung war vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte bereits zuvor eine unwirksame Kündigung (vom 20. Mai 2014) ausgesprochen hätte und diese mit Leistungsmängeln in der gerichtlichen Auseinandersetzung begründet hat. Zum Einen ging die Beklagte bei der Kündigung vom 20. Mai 2014 davon aus, keine Gründe - mangels Erfüllung der Wartezeit - angeben zu müssen. Der Kündigungssachverhalt stand daher - für die Klägerin erkennbar - nicht fest, sondern war lediglich Gegenstand des Beklagtenvortrags. Zum Anderen ist die Kündigung vom 20. Mai 2014 auch nicht unwirksam. Vielmehr haben sich die Parteien auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2014 hinaus im Teilvergleich vom 20. Februar 2014 verständigt. Die Kündigung vom 20. Mai 2014 kann daher nicht - als unwirksame Kündigung - die Funktion einer Abmahnung erfüllen. Mit anderen Worten: durch die Kündigung vom 20. Mai 2014 war die Klägerin nicht hinsichtlich ihres Leistungsverhaltens abmahnungsgleich gewarnt.
48 
(2) Die Klägerin hat durch ihren prozessualen Vortrag, der die Behauptung einschließt, von Herrn E diskriminiert worden zu sein, nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.
49 
(a) Einen die ordentliche bzw. - je nach den Umständen des Einzelfalls - fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. (grobe) Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 240 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 43). Die Meinungsfreiheit muss regelmäßig dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist. Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 15, NJW 2013, 3021; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36, EzA KSchG § 9 nF Nr. 65; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312). Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig. Vielmehr sind auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 15, aaO mwN). Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1).
50 
(b) Danach liegt im prozessualen Vortrag der Klägerin keine die Kündigung rechtfertigende üble Nachrede oder aber eine Beleidigung ihres Vorgesetzten Herrn E.
51 
(aa) Zu berücksichtigen ist, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren - etwa dem Kündigungsschutzprozess selbst - durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 64 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 60). Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 24, NZA 2014, 1258 mit Hinweis auf BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - aaO). Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren überschreiten nur in Ausnahmefällen die Grenzen des aufgrund der Meinungsfreiheit Zulässigen. Gegen Prozessbehauptungen kann nur dann rechtlich vorgegangen werden, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich die Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 20, NJW 2013, 3021; BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 20; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 67 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 62). Die bloße "Unangemessenheit" und "Unnötigkeit" der Äußerung reichen dafür nicht aus (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - aaO). Im Übrigen gilt: wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Vertragspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit seinen Gegner zum Einlenken veranlassen will (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 29, aaO). Eine Schmähkritik liegt erst dann vor, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 15, aaO; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36, EzA KSchG § 9 nF Nr. 65; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).
52 
(bb) Bei dem prozessualen Vorbringen der Klägerin, mit dem sie - für den Fall der Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf die Kündigung vom 20. Mai 2014 - die Unwirksamkeit der Kündigung nach §§ 7 Abs. 1, 3, 1 AGG darzulegen suchte, handelt es sich weder um einen Vortrag, dessen Unhaltbarkeit auf der Hand LAG, was auch die Beklagte nicht behauptet, noch um eine Schmähkritik des Vorgesetzten. Die Klägerin hat - nach ihrem Erleben - die Vorgänge vom 4. März, 15. April und das Kündigungsgespräch vom 20. Mai 2014 geschildert. Ob sich diese Schilderung - ggf. im Wege einer Beweisaufnahme - als zutreffend erwiesen hätten, ist unerheblich, jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin - erkennbar - völlig unhaltbare Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Die Äußerungen in den klägerischen Schriftsätzen stellen auch keine Schmähkritik dar, vielmehr eine an der Sache „Unwirksamkeit der Kündigung“ orientierte Schilderung des von der Klägerin wahrgenommenen Sachverhalts.
53 
2. Keinen Erfolg hat die Klage aber hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Entschädigung iHv. mindestens 32.500,00 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG.
54 
a) Die Klage ist allerdings insoweit zulässig.
55 
aa) Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§ 15 Abs. 2 AGG) wegen einer behaupteten Benachteiligung durch den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014, nicht ein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung durch die Kündigung vom 20. Mai 2014 (ein solcher wäre nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen).
56 
bb) Der Antrag ist auch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt. Insbesondere durfte die Klägerin die Höhe der Forderung in das Ermessen des Gerichts stellen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG). Erforderlich ist allein, dass der Kläger - wie vorliegend durch die Klägerin geschehen - Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).
57 
b) Die Klage ist aber unbegründet. Der Klägerin steht keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.
58 
aa) Für die Klägerin als Arbeitnehmerin der Beklagten ist der persönliche Anwendungsbereich des AGG (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG) eröffnet. Die Beklagte ist als Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 AGG passivlegitimiert und der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig iSv. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
59 
bb) Ein Entschädigungsanspruch steht der Klägerin aber deshalb nicht zu, weil der Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot iSv. § 7 AGG im sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 AGG) voraussetzt, an dem es vorliegend fehlt. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung. Für die Voraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen
60 
(1) Bereits der sachliche Anwendungsbereich des AGG ist im Falle von Aufstellen von Tatsachenbehauptungen und dem Äußern von Rechtsansichten in einem gerichtlichen Verfahren nicht eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn über Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis gestritten wird.
61 
(a) Nach § 2 Abs. 1 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg (Nr. 1) und die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg (Nr. 2).
62 
(aa) Nach Nr. 1 wird der vorvertragliche Kontakt wie auch die Vertragsschlusssituation in den Geltungsbereich des Benachteiligungsverbots einbezogen, also die Vertragsanbahnungsphase, die dem Zugang zu jeder Form von selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit vorausgeht (vgl. ErfK/Schlachter § 2 AGG Rn. 4). Auch die Stellen(neu)besetzung nach Auslauf einer Befristung gehört zum „Zugang“ (vgl. BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 20, BGHZ 193, 110).
63 
(bb) Unter den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist(vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73). Entlassungsbedingungen im Sinne der Norm sind alle Bedingungen, die das „Ob“ und „Wie“ der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses regeln (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 14, AP AGG § 10 Nr. 1). § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG umfasst damit den gesamten Inhalt des Arbeitsverhältnisses einschließlich dessen Beendigung(vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 9). Als „Maßnahmen“ sind sämtliche Anordnungen des Arbeitgebers, also beispielsweise Weisungen, einseitige Leistungsbestimmungen, Versetzungen und Umsetzungen zu betrachten (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 32, BAGE 129, 181).
64 
(b) Die Klägerin macht eine Benachteiligung durch einen prozessualen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 geltend. Hierbei handelt es sich nicht um Bedingungen für den Zugang zu einem Beschäftigungsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) oder um Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Durch den Vortrag in einem Schriftsatz zu einem geführten Prozess beeinflusst die Beklagte die Bedingungen der Prozessführung und die Umstände, die das Gericht für die Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat, nicht aber die Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (eine Kündigung wird mit ihrem Zugang wirksam; für die gerichtliche Entscheidung kommt es auf diesen Zeitpunkt an) oder die Umstände, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Durch die Erhebung der Klage ist zwischen den Parteien vielmehr ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden, welches die Beziehungen der Parteien untereinander, aber auch zum Gericht verknüpft und aus dem sich Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten, eine allgemeine Prozessförderungspflicht, Wahrheits- und Vollständigkeitspflichten, eine allgemeine Redlichkeitspflicht und ein prozessuales Missbrauchsverbot ergeben (vgl. Zöller/Vollkommer 30. Aufl. Einleitung Rn. 52 ff.). Macht eine Partei unzutreffende oder nicht vollständige Ausführungen etc., so knüpft das Prozessrecht hieran Folgen. Das Prozessrechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur und von der Privatrechtsbeziehung, über die gestritten wird, zu trennen (vgl. HK-ZPO/Saenger 5. Aufl. Einführung Rn. 90; Musielak ZPO 11. Aufl. Einleitung Rn. 56; MüKo-ZPO/Rauscher 4. Aufl. Einleitung Rn. 30). Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 betreffen insb. den über die Kündigung vom 20. Mai 2014 geführten Rechtsstreit. Die Beklagte stellt hierin Tatsachenbehauptungen auf und äußert Rechtsansichten. Es geht mithin nicht um Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen oder Entlassbedingungen, sondern um Ausführungen zur Rechtsverteidigung in einem geführten Prozess; nur das Prozessrechtsverhältnis, nicht aber das Arbeitsverhältnis ist insoweit betroffen. Das AGG soll nicht das geltende Prozessrecht verändern, weil die Parteien über ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis im Anwendungsbereich des AGG streiten.
65 
(2) Aber selbst wenn man annehmen wollte, das Arbeitsverhältnis strahle über die in ihm statuierten Nebenpflichten auch in das Prozessrechtsverhältnis hinein, mit der Folge, dass auch für Äußerungen in einem Arbeitsgerichtsprozess der sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet sei, muss das Begehren der Klägerin scheitern, weil ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§§ 7 Abs. 1, 3 AGG) nicht vorliegt. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 stellen keine Benachteiligung iSv. § 3 AGG dar.
66 
(a) Die Klägerin hat weder eine unmittelbar noch eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG durch die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 erfahren.
67 
(aa) Eine verbotene (§ 7 AGG) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er objektiv anders als ein anderer, das Merkmal nach § 1 AGG tragender Arbeitnehmer behandelt wird (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 25, BAGE 133, 265). Ob eine Benachteiligung vorliegt oder nicht, bestimmt sich objektiv aus der Sicht eines verständigen Dritten (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 29). Die „weniger günstige Behandlung“ kann in der Versagung einer Chance im Bewerbungsverfahren (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 22, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2), der Ablehnung eines Vertragsschlusses, im Diktieren ungünstiger Vertragsbedingungen oder einer Kündigung (vgl. BAG 12. Dezember 20132 - 8 AZR 838/12 - Rn. 21, NZA 2014, 722), aber auch in rein faktischen Vorgängen, wie bspw. dem Ausschluss von der Internetnutzung, liegen. Insgesamt geht es um ein negatives Betroffensein (vgl. Däubler/Betzbach-Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 16). Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28, ZTR 2014, 731).
68 
(bb) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung ist letztlich ein Hilfsmittel zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots der unmittelbaren Diskriminierung, weshalb auch eine konkrete Betroffenheit vorausgesetzt ist (vgl. BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 37, AP AGG § 15 Nr. 16 = EzA AGG § 7 Nr. 3). Die Benachteiligten müssen von der mittelbaren Benachteiligung konkret betroffen sein bzw. es muss eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass den Betroffenen im Vergleich zu Angehörigen anderer Personengruppen ein besonderer Nachteil droht (vgl. Adomeit/Mohr § 3 Rn. 125; Däubler/Bertzbach-Schrader-Schubert § 3 Rn. 51).
69 
(cc) Danach hat die Klägerin keinen Nachteil im vorgenannten Sinne durch die Ausführungen der Beklagten in deren Schriftsatz erfahren. Die Ausführungen der Beklagten, dh. der „Streit um das Recht“ - konkret: über die Frage, ob die Kündigung der Beklagten vom 20. Mai 2014 die Klägerin iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligte, stellen nicht ihrerseits Benachteiligungen iSv. § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 AGG dar.
70 
(aaa) In ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 stellt die Beklagte Tatsachenbehauptungen auf und äußert Rechtsansichten, die ihrerseits Grundlage für eine Entscheidung durch das Gericht bilden sollen. Hierdurch wird auf die Rechtsposition der Klägerin im Arbeitsverhältnis nicht eingewirkt. Weder entsteht ein Nachteil hierdurch noch droht ein solcher. Die Ausführungen sollen lediglich die Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung bilden, wobei das Gericht für eine Entscheidung an die Prozessordnung und die (Justiz-)Grundrechte gebunden ist und die Entscheidung unter Würdigung aller Umstände (§ 286 ZPO) zu treffen hat. Eine Benachteiligung kann nur in dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis, etwa im Ausspruch einer diskriminierenden Kündigung, liegen, nicht aber in den Ausführungen beim gerichtlichen Streit über das Arbeitgeberhandeln. Mit anderen Worten: diskriminierend kann allenfalls die Kündigung vom 20. Mai 2014 gewesen sein, nicht das Vorbringen der Beklagten im Prozess, dass dem nicht so gewesen ist.
71 
(bbb) Für das gefundene Ergebnis spricht ganz klar auch die gesetzgeberische Konzeption, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche mit einer Ausschlussfrist (§ 15 Abs. 4 AGG) zu verknüpfen, die zu laufen beginnt, wenn der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Die Ausschlussfrist könnte ihren Zweck, schnell Rechtssicherheit über das Bestehen von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche herbeizuführen, nicht erfüllen, läge in der Rechtsverteidigung zu einem bestimmten, als diskriminierend beschriebenen Verhalten bzw. Sachverhalt wiederum seinerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG, mit der Folge, dass erneut eine Ausschlussfrist zu laufen begönne. Die Negierung eines Verhaltens als „diskriminierend“ würde so zu einer immer neue Ausschlussfristen auslösenden Kaskade, mit der Folge der „Unverfallbarkeit“ eines Entschädigungsbegehrens wegen eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts. Dies widerspricht der gesetzgeberischen Konzeption und zeigt, dass ein Negieren einer Diskriminierung nicht seinerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG darstellen kann.
72 
(ccc) Schließlich spricht auch die gesetzgeberische Konzeption, in § 16 AGG ein Maßregelungsverbot zu schaffen, der es dem Arbeitgeber verbietet, Beschäftigte wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem 2. Abschnitt des AGG oder der Weigerung, eine gegen den 2. Abschnitt des AGG verstoßende Anweisung auszuführen, zu benachteiligen, gegen die Annahme, Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten über die Frage einer Benachteiligung könnten ihrerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG sein. An § 16 AGG wird deutlich, dass der Gesetzgeber zwar „Benachteiligungen“ wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG verbietet, gleichzeitig aber die „Benachteiligung“ iSv. § 16 AGG eine andere Qualität hat, als eine Benachteiligung iSv. § 3 AGG und nicht bedeutungsgleich(vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 16 AGG Rn. 2), sondern wie in § 612a BGB zu verstehen ist(vgl. Voigt in: Scheusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 16 Rn. 4). Dementsprechend ist auch das Rechtsfolgensystem von § 16 AGG ausgestaltet. Benachteiligungen iSv. § 16 AGG sind unwirksam, können aber keine Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG auslösen(vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert § 16 Rn. 36; AR/Kappenhagen § 17 AGG Rn. 4; MüKo-BGB/Thüsing 6. Aufl. § 16 AGG Rn. 16). Ein Vorbringen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über eine Benachteiligung iSv. § 3 AGG (insb. Tatsachenbehauptungen) kann folglich allenfalls eine Maßregelung iSv. § 16 AGG, nicht aber eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG sein.
73 
(b) Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 sind schließlich auch keine Belästigung iSv. § 3 Abs. 3 bzw. keine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG.
74 
(aa) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG liegt auch dann vor, wenn von einer Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG auszugehen ist. Dabei ist die Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Die Würdeverletzung und ein „feindliches Umfeld“ - als Synonym für „ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld“ - müssen für die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 AGG kumulativ vorliegen(vgl. BAG 17. Oktober 2013 - 8 AZR 742/12 - Rn. 41, AP AGG § 15 Nr. 15 = EzA AGG § 3 Nr. 8). Weder behauptet die Klägerin, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 beinhalteten eine Würdeverletzung und dienten der Schaffung eines „feindlichen Umfelds“. Selbiges ist auch nicht ansatzweise ersichtlich. Die Tatsachenbehauptungen gehen nicht über das zur Rechtsverteidigung notwendige Maß hinaus, ein Belästigung iSv. § 3 Abs. 3 AGG ist nicht gegeben.
75 
(bb) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 17; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18, aaO; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 150); einer Wiederholungsgefahr bedarf es nicht (vgl. Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert § 3 Rn. 77). Ob ein Verhalten sexuell bestimmt ist, beurteilt sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters (vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 151; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 3 AGG Rn. 21). Auch die Klägerin behauptet nicht ansatzweise, der Schriftsatz der Beklagten vom 6. Oktober 2014 enthalte Ausführungen, die eine sexuelle Belästigung darstellten. Ein sexuell bestimmtes Verhalten, dh. sexuell bestimmte Ausführungen sind dem Schriftsatz nicht zu entnehmen.
76 
3. Nicht zu entscheiden war über die Klageerweiterung vom 26. März 2015, mit der die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.7500,00 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG erstrebt. Die Klageerweiterung ist unzulässig.
77 
a) Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Beklagte zur Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro zu verurteilen, ist deshalb unzulässig, weil Sachanträge, wie sich aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2 und § 297 ZPO ergibt, spätestens in der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen(vgl. BGH 27. Oktober 2011 - III ZR 235/10 - Rn. 2; 19. März 2009 - IX ZB 152/08 - Rn. 8 mwN, NJW-RR 2009, 853; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 296a Rn. 2a). Mangels Antragstellung in mündlicher Verhandlung durfte über die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden (vgl. BGH 19. März 2009 - IX 152/08 - Rn. 9, aaO; aA BGH 12. Mai 1992 - XI ZR 251/91 - NJW-RR 1992, 1085: Klageabweisung möglich).
78 
b) Das Gericht hatte die mündliche Verhandlung auch nicht wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO). Die Kammer hat geprüft, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO gegeben sind oder ob nach dem Ermessen des Gerichts (§ 156 Abs. 1 ZPO) die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen ist. Gründe iSv. § 156 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, insb. unter Berücksichtigung der Konzentrationsmaxime hat die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen iSd. Nichteröffnung iSv. § 156 Abs. 1 ZPO ausgeübt.
II.
79 
Die Widerklage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass die Beklagte Zahlung an sich verlangt. Der Widerklageantrag ist jedoch unbegründet. Der Beklagten steht ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützter Anspruch zur Rückzahlung der gewährten Urlaubsvergütung iHv. 1.785,71 Euro wegen ungerechtfertigter Bereicherung nicht zu. Vielmehr bildet der der Klägerin unstreitig für den Zeitraum 4. bis 22. August 2014 gewährte Urlaub den Rechtsgrund (§§ 11, 7 BUrlG) für das Behaltendürfen iSv. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist irrelevant, ob die Klägerin im Zeitraum 4. bis 22. August 2014 arbeitsunfähig war oder nicht; auch § 9 BUrlG ändert hieran nichts.
80 
1. § 9 BUrlG will verhindern, dass der Arbeitnehmer durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaubsanspruch verliert. Allerdings besteht ohne ärztliches Attest kein Nachgewährungsanspruch, wie sich eindeutig aus dem Wortlaut von § 9 BUrlG ergibt. Einerseits wird so ein Missbrauch zulasten des Arbeitgebers verhindert, andererseits wird dem Arbeitnehmer ermöglicht, auf eine Nachgewährung zu verzichten, indem kein Attest vorgelegt wird. Verlangt der Arbeitnehmer keine Nachgewährung durch Vorlage eines Attests, behält er für die Dauer des Urlaubs seine (Urlaubs-)Vergütung als Arbeitsentgelt, während ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ggf. nicht bestünde (vgl. ErfK/Gallner § 9 BUrlG Rn. 5; Powietzka/Rolf BUrlG § 9 Rn. 23).
81 
2. Die Klägerin hat für den Zeitraum 4. bis 22. August 2014 kein ärztliches Attest vorgelegt und klargestellt, keine Nachgewährung zu begehren. Damit verbleibt es bei dem der Klägerin gewährten Urlaub und der ihr gewährten Vergütung, auch wenn sie im Zeitraum 4. bis 22. August 2014 arbeitsunfähig gewesen sein sollte.
B.
82 
Nachdem die Klägerin und Beklagte jeweils nur zum Teil obsiegt haben, waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen, § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495, 92 Abs. 1 ZPO.
C.
83 
Die Festsetzung des Urteilsstreitwerts beruht auf § 61 Abs. ArbGG, für den Bestandsschutzantrag liegen drei Bruttomonatsvergütungen (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) und im Übrigen die bezifferten Zahlungsanträge der Klage (Entschädigungsbegehren iHv. 32.500,00 Euro) bzw. Widerklage zugrunde. Nicht zu addieren war der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Antrag auf Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro (vgl. Zöller/Greger § 296a Rn. 2a aE).
D.
84 
Nachdem Gründe iSv. § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen, ist noch ausgesprochen, dass eine gesonderte Berufungszulassung nicht erfolgt (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

Gründe

 
A.
33 
Die Klage hat nur hinsichtlich des Bestandsschutzantrags Erfolg. Die Widerklage war insgesamt abzuweisen.
I.
34 
Die Klage ist nur hinsichtlich des Feststellungsbegehrens begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet nicht durch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 zum 30. November 2014. Der Klägerin steht die geforderte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 32.500,00 Euro nicht zu. Die Klageerweiterung um eine weitere Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist unzulässig.
35 
1. Die allein noch im Streit stehende Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2014 ist nicht sozial gerechtfertigt und daher unwirksam.
36 
a) Die Kündigung gilt zunächst nicht bereits nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, denn die Klägerin hat die Kündigung rechtzeitig innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen. Die Klägerin hat insbesondere bereits mit der ursprünglichen Klageschrift einen sog. „Schleppnetzantrag“, dh. allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO gestellt, der auch die Kündigung vom 29. Oktober 2014 erfasste. Die Klägerin hat darüber hinaus gesondert innerhalb der 3-Wochenfrist einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG in Bezug auf die Kündigung vom 29. Oktober 2014 gestellt.
37 
b) Die Kündigung vom 29. Oktober 2014 ist am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen, welches nach seinen persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen Anwendung findet (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG); die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, insb. nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt.
38 
aa) Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 81).
39 
(1) Für eine verhaltensbedingte (ordentliche wie außerordentlich) Kündigung gilt dabei das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen (vgl. BAG 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5). Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - NZA 2010, 1227 ff.; Schlachter, NZA 2005, 433, 436). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung, d.h. aufgrund objektiver Umstände geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragsverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO.; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - AP BGB § 174 Nr. 20; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB, Rn. 266; vHH/L/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 498, 512). Die Abmahnung ist zugleich aber auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - NZA 2006, 917 ff; Schlachter, NZA 2005, 433 ff.). Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 16, aaO). Dieser Aspekt, der durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren hat, ist auch bei Störungen des Vertrauensbereichs zu beachten. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 160/06 - aaO) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des - auch entsprechenden einmaligen - Verhaltens durch den Arbeitgeber offenkundig ausgeschlossen ist (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 15, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - BAGE 99, 331). Eine frühere, unwirksame Kündigung kann die Funktion einer Abmahnung dann erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen - zB wegen fehlender Abmahnung - für unwirksam erachtet worden ist (vgl. BAG 31. August 1989 - 2 AZR 13/89 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 23 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27; ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).
40 
(2) Im Kündigungsschutzprozess trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Die Vertragsverletzung ist vom Arbeitgeber anhand von Tatsachen konkret darzulegen. Pauschale Erklärungen und Tatsachenwertungen, wie "schludrige Arbeitsweise", "häufiges Zuspätkommen", reichen nicht aus (vgl. KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 412; ErfK/Oetker § 1 KSchG Rn. 207). Sofern Abmahnungen erfolgt sind, hat der Arbeitgeber diese vorzutragen und im Falle des Bestreitens durch den Arbeitnehmer zu beweisen, dass diese Abmahnungen wirksam, dh. insbesondere berechtigt waren (vgl. vHH/L/Krause KSchG § 1 Rn. 560). Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30).
41 
bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Beklagte die Kündigung weder erfolgreich auf Leistungsmängel noch den Umstand, die Klägerin werfe Herrn E ein tatsächlich nicht vorliegendes diskriminierendes Verhalten vor, stützen. Soweit die Beklagte Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Klägerin angibt, liegt jedenfalls kein Pflichtenverstoß im Arbeitsverhältnis vor.
42 
(1) Nach vorheriger Abmahnung kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Qualität oder Quantität erfüllt (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 14, BAGE 125, 257; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 278; ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 128; HaKo-KSchR/Zimmermann 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 387; KR-Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 448; HWK/Quecke 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 239; AR/Kaiser 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 50).
43 
(a) Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen. Dem Arbeitnehmer ist es allerdings nicht gestattet, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig nach freiem Belieben zu bestimmen. Er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15, aaO; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - Rn. 90, BAGE 109, 87; APS/Dörner/Vossen § 1 KSchG Rn. 278a; KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 448; Friemel/Walk NJW 2005, S. 3669 ff.; Maschmann NZA-Beilage 1/2006, S. 13, 15; aA vHH/L/Krause 15. Aufl. § 1 KSchG Rn. 684; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 131 Rn. 48).
44 
(b) Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen von Leistungsmängeln sowie für eine zuvor erfolgte Abmahnung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber. Die einzelnen Leistungsmängel hat er dabei so konkret wie möglich zu bezeichnen, und zwar unter Aufzeigung der jeweiligen Pflichtwidrigkeiten sowie unter Darlegung der einzelnen Fehler. Durch pauschale Werturteile über die von einem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung genügt der Arbeitgeber der ihm obliegenden Darlegungslast grundsätzlich nicht. Zu einem schlüssigen Vortrag gehört vielmehr die Darlegung, worin das Versagen des Arbeitnehmers im Einzelnen besteht, welche Minder-, Fehl- oder Schlechtleistungen ihm zur Last zu legen sind und welche Mängel in der fachlichen oder persönlichen Qualifikation vorliegen (vgl. BAG 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 46, 163; KR-Griebeling § 1 KSchG Rn. 449). Dabei ist auch der herangezogene Vergleichsmaßstab substantiiert vorzutragen. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, selbständig feststellen zu können, ob bzw. dass eine nicht mehr zu tolerierende Fehlerquote vorliegt. Die lediglich allgemeine Beschreibung fehlerhafter Arbeitsleistungen genügt diesen prozessualen Anforderungen nicht (vgl. APS/Dörner/Vossen § 1 KSchG Rn. 281).
45 
(aa) Es ist daher zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt der Arbeitgeber aber lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Da der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 546/06 - Rn. 22, aaO). Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber bei vorgeworfener qualitativer Minderleistung näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt (vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 22, aaO; LAG Schleswig-Holstein 24. Februar 2010 - 6 Sa 399/09 - NZA-RR 2010, 466 ff.; LAG Köln 07. August 2009 - 4 Sa 1394/08 -; Friemel/Walk NJW 2010, 1557 ff.). In diesem Zusammenhang muss der Arbeitgeber die Vergleichsgruppe transparent, d.h. nachvollziehbar darlegen. Die dabei einbezogenen Mitarbeiter müssen hinsichtlich ihrer Qualifikation, Berufserfahrung und hinsichtlich der Bedingungen, unter denen sie ihre Arbeit erbringen, vergleichbar sein. Schließlich kann ein längerfristiges Überschreiten der durchschnittlichen Fehlerquote nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber seinen Angaben einen längeren Referenzzeitraum nachvollziehbar zugrunde legt (vgl. Friemel/Walk NJW 2010, 1557, 1559 f.).
46 
(bb) Genügt der Arbeitgeber diesen Maßstäben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Trägt der Arbeitnehmer derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO(vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - Rn. 92, aaO; HaKo-KSchR/Zimmermann § 1 KSchG Rn. 389; Maschmann NZA-Beilage 1/2006, S. 13, 18).
47 
(c) Unabhängig davon, dass die Beklagte nach diesen Maßstäben schon ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen ist, als sie teilweise auch nur vorgetragen hat, die Klägerin habe einen „Auftrag falsch erfasst“, was für eine substantiierte Darlegung von Schlechtleistungen nicht genügt und nicht im Ansatz aufgezeigt, dass die Fehler der Klägerin zu einer nicht mehr tolerierbaren Fehlerquote geführt haben, fehlt es in jedem Fall an einer der Kündigung vorausgehenden Abmahnung. Die der Klägerin vorgeworfenen Schlechtleistungen stellen ein typisches Verhalten dar, bei dem grundsätzlich davon auszugehen ist, dass bereits der Ausspruch einer Abmahnung ausgereicht hätte, um dem Risiko künftiger gleichgelagerter Pflichtverletzungen zu begegnen. Dies gilt auch, soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe mit dem Hinweis auf „keine Zeit“ die Übernahme von Tätigkeiten abgelehnt bzw. sich unangemessen gegenüber Kunden (duzen) verhalten. Eine Abmahnung war vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte bereits zuvor eine unwirksame Kündigung (vom 20. Mai 2014) ausgesprochen hätte und diese mit Leistungsmängeln in der gerichtlichen Auseinandersetzung begründet hat. Zum Einen ging die Beklagte bei der Kündigung vom 20. Mai 2014 davon aus, keine Gründe - mangels Erfüllung der Wartezeit - angeben zu müssen. Der Kündigungssachverhalt stand daher - für die Klägerin erkennbar - nicht fest, sondern war lediglich Gegenstand des Beklagtenvortrags. Zum Anderen ist die Kündigung vom 20. Mai 2014 auch nicht unwirksam. Vielmehr haben sich die Parteien auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2014 hinaus im Teilvergleich vom 20. Februar 2014 verständigt. Die Kündigung vom 20. Mai 2014 kann daher nicht - als unwirksame Kündigung - die Funktion einer Abmahnung erfüllen. Mit anderen Worten: durch die Kündigung vom 20. Mai 2014 war die Klägerin nicht hinsichtlich ihres Leistungsverhaltens abmahnungsgleich gewarnt.
48 
(2) Die Klägerin hat durch ihren prozessualen Vortrag, der die Behauptung einschließt, von Herrn E diskriminiert worden zu sein, nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.
49 
(a) Einen die ordentliche bzw. - je nach den Umständen des Einzelfalls - fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. (grobe) Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 240 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 43). Die Meinungsfreiheit muss regelmäßig dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist. Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 15, NJW 2013, 3021; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36, EzA KSchG § 9 nF Nr. 65; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312). Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig. Vielmehr sind auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 15, aaO mwN). Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1).
50 
(b) Danach liegt im prozessualen Vortrag der Klägerin keine die Kündigung rechtfertigende üble Nachrede oder aber eine Beleidigung ihres Vorgesetzten Herrn E.
51 
(aa) Zu berücksichtigen ist, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren - etwa dem Kündigungsschutzprozess selbst - durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12 mwN, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 64 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 60). Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 24, NZA 2014, 1258 mit Hinweis auf BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - aaO). Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren überschreiten nur in Ausnahmefällen die Grenzen des aufgrund der Meinungsfreiheit Zulässigen. Gegen Prozessbehauptungen kann nur dann rechtlich vorgegangen werden, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich die Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 20, NJW 2013, 3021; BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 434/13 - Rn. 20; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 67 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 62). Die bloße "Unangemessenheit" und "Unnötigkeit" der Äußerung reichen dafür nicht aus (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - aaO). Im Übrigen gilt: wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Vertragspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit seinen Gegner zum Einlenken veranlassen will (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 29, aaO). Eine Schmähkritik liegt erst dann vor, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfG 2. Juli 2013 - 1 BvR 1751/12 - Rn. 15, aaO; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36, EzA KSchG § 9 nF Nr. 65; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312).
52 
(bb) Bei dem prozessualen Vorbringen der Klägerin, mit dem sie - für den Fall der Unanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf die Kündigung vom 20. Mai 2014 - die Unwirksamkeit der Kündigung nach §§ 7 Abs. 1, 3, 1 AGG darzulegen suchte, handelt es sich weder um einen Vortrag, dessen Unhaltbarkeit auf der Hand LAG, was auch die Beklagte nicht behauptet, noch um eine Schmähkritik des Vorgesetzten. Die Klägerin hat - nach ihrem Erleben - die Vorgänge vom 4. März, 15. April und das Kündigungsgespräch vom 20. Mai 2014 geschildert. Ob sich diese Schilderung - ggf. im Wege einer Beweisaufnahme - als zutreffend erwiesen hätten, ist unerheblich, jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin - erkennbar - völlig unhaltbare Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Die Äußerungen in den klägerischen Schriftsätzen stellen auch keine Schmähkritik dar, vielmehr eine an der Sache „Unwirksamkeit der Kündigung“ orientierte Schilderung des von der Klägerin wahrgenommenen Sachverhalts.
53 
2. Keinen Erfolg hat die Klage aber hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Entschädigung iHv. mindestens 32.500,00 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG.
54 
a) Die Klage ist allerdings insoweit zulässig.
55 
aa) Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§ 15 Abs. 2 AGG) wegen einer behaupteten Benachteiligung durch den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014, nicht ein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung durch die Kündigung vom 20. Mai 2014 (ein solcher wäre nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen).
56 
bb) Der Antrag ist auch nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt. Insbesondere durfte die Klägerin die Höhe der Forderung in das Ermessen des Gerichts stellen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG). Erforderlich ist allein, dass der Kläger - wie vorliegend durch die Klägerin geschehen - Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16 mwN, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).
57 
b) Die Klage ist aber unbegründet. Der Klägerin steht keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu.
58 
aa) Für die Klägerin als Arbeitnehmerin der Beklagten ist der persönliche Anwendungsbereich des AGG (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG) eröffnet. Die Beklagte ist als Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 AGG passivlegitimiert und der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig iSv. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.
59 
bb) Ein Entschädigungsanspruch steht der Klägerin aber deshalb nicht zu, weil der Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot iSv. § 7 AGG im sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 AGG) voraussetzt, an dem es vorliegend fehlt. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung. Für die Voraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen
60 
(1) Bereits der sachliche Anwendungsbereich des AGG ist im Falle von Aufstellen von Tatsachenbehauptungen und dem Äußern von Rechtsansichten in einem gerichtlichen Verfahren nicht eröffnet. Dies gilt auch dann, wenn über Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis gestritten wird.
61 
(a) Nach § 2 Abs. 1 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg (Nr. 1) und die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg (Nr. 2).
62 
(aa) Nach Nr. 1 wird der vorvertragliche Kontakt wie auch die Vertragsschlusssituation in den Geltungsbereich des Benachteiligungsverbots einbezogen, also die Vertragsanbahnungsphase, die dem Zugang zu jeder Form von selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit vorausgeht (vgl. ErfK/Schlachter § 2 AGG Rn. 4). Auch die Stellen(neu)besetzung nach Auslauf einer Befristung gehört zum „Zugang“ (vgl. BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 20, BGHZ 193, 110).
63 
(bb) Unter den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist(vgl. BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, BAGE 141, 73). Entlassungsbedingungen im Sinne der Norm sind alle Bedingungen, die das „Ob“ und „Wie“ der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses regeln (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 14, AP AGG § 10 Nr. 1). § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG umfasst damit den gesamten Inhalt des Arbeitsverhältnisses einschließlich dessen Beendigung(vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 2 Rn. 9). Als „Maßnahmen“ sind sämtliche Anordnungen des Arbeitgebers, also beispielsweise Weisungen, einseitige Leistungsbestimmungen, Versetzungen und Umsetzungen zu betrachten (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 32, BAGE 129, 181).
64 
(b) Die Klägerin macht eine Benachteiligung durch einen prozessualen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 geltend. Hierbei handelt es sich nicht um Bedingungen für den Zugang zu einem Beschäftigungsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) oder um Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Durch den Vortrag in einem Schriftsatz zu einem geführten Prozess beeinflusst die Beklagte die Bedingungen der Prozessführung und die Umstände, die das Gericht für die Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat, nicht aber die Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (eine Kündigung wird mit ihrem Zugang wirksam; für die gerichtliche Entscheidung kommt es auf diesen Zeitpunkt an) oder die Umstände, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG). Durch die Erhebung der Klage ist zwischen den Parteien vielmehr ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden, welches die Beziehungen der Parteien untereinander, aber auch zum Gericht verknüpft und aus dem sich Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten, eine allgemeine Prozessförderungspflicht, Wahrheits- und Vollständigkeitspflichten, eine allgemeine Redlichkeitspflicht und ein prozessuales Missbrauchsverbot ergeben (vgl. Zöller/Vollkommer 30. Aufl. Einleitung Rn. 52 ff.). Macht eine Partei unzutreffende oder nicht vollständige Ausführungen etc., so knüpft das Prozessrecht hieran Folgen. Das Prozessrechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur und von der Privatrechtsbeziehung, über die gestritten wird, zu trennen (vgl. HK-ZPO/Saenger 5. Aufl. Einführung Rn. 90; Musielak ZPO 11. Aufl. Einleitung Rn. 56; MüKo-ZPO/Rauscher 4. Aufl. Einleitung Rn. 30). Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 betreffen insb. den über die Kündigung vom 20. Mai 2014 geführten Rechtsstreit. Die Beklagte stellt hierin Tatsachenbehauptungen auf und äußert Rechtsansichten. Es geht mithin nicht um Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen oder Entlassbedingungen, sondern um Ausführungen zur Rechtsverteidigung in einem geführten Prozess; nur das Prozessrechtsverhältnis, nicht aber das Arbeitsverhältnis ist insoweit betroffen. Das AGG soll nicht das geltende Prozessrecht verändern, weil die Parteien über ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis im Anwendungsbereich des AGG streiten.
65 
(2) Aber selbst wenn man annehmen wollte, das Arbeitsverhältnis strahle über die in ihm statuierten Nebenpflichten auch in das Prozessrechtsverhältnis hinein, mit der Folge, dass auch für Äußerungen in einem Arbeitsgerichtsprozess der sachliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet sei, muss das Begehren der Klägerin scheitern, weil ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (§§ 7 Abs. 1, 3 AGG) nicht vorliegt. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 stellen keine Benachteiligung iSv. § 3 AGG dar.
66 
(a) Die Klägerin hat weder eine unmittelbar noch eine mittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG durch die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 erfahren.
67 
(aa) Eine verbotene (§ 7 AGG) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Ein Arbeitnehmer erfährt nicht bereits dann eine „weniger günstige Behandlung“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn er objektiv anders als ein anderer, das Merkmal nach § 1 AGG tragender Arbeitnehmer behandelt wird (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 25, BAGE 133, 265). Ob eine Benachteiligung vorliegt oder nicht, bestimmt sich objektiv aus der Sicht eines verständigen Dritten (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 29). Die „weniger günstige Behandlung“ kann in der Versagung einer Chance im Bewerbungsverfahren (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 22, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2), der Ablehnung eines Vertragsschlusses, im Diktieren ungünstiger Vertragsbedingungen oder einer Kündigung (vgl. BAG 12. Dezember 20132 - 8 AZR 838/12 - Rn. 21, NZA 2014, 722), aber auch in rein faktischen Vorgängen, wie bspw. dem Ausschluss von der Internetnutzung, liegen. Insgesamt geht es um ein negatives Betroffensein (vgl. Däubler/Betzbach-Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 16). Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28, ZTR 2014, 731).
68 
(bb) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung ist letztlich ein Hilfsmittel zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots der unmittelbaren Diskriminierung, weshalb auch eine konkrete Betroffenheit vorausgesetzt ist (vgl. BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 37, AP AGG § 15 Nr. 16 = EzA AGG § 7 Nr. 3). Die Benachteiligten müssen von der mittelbaren Benachteiligung konkret betroffen sein bzw. es muss eine hinreichend konkrete Gefahr bestehen, dass den Betroffenen im Vergleich zu Angehörigen anderer Personengruppen ein besonderer Nachteil droht (vgl. Adomeit/Mohr § 3 Rn. 125; Däubler/Bertzbach-Schrader-Schubert § 3 Rn. 51).
69 
(cc) Danach hat die Klägerin keinen Nachteil im vorgenannten Sinne durch die Ausführungen der Beklagten in deren Schriftsatz erfahren. Die Ausführungen der Beklagten, dh. der „Streit um das Recht“ - konkret: über die Frage, ob die Kündigung der Beklagten vom 20. Mai 2014 die Klägerin iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligte, stellen nicht ihrerseits Benachteiligungen iSv. § 3 Abs. 1 oder § 3 Abs. 2 AGG dar.
70 
(aaa) In ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 stellt die Beklagte Tatsachenbehauptungen auf und äußert Rechtsansichten, die ihrerseits Grundlage für eine Entscheidung durch das Gericht bilden sollen. Hierdurch wird auf die Rechtsposition der Klägerin im Arbeitsverhältnis nicht eingewirkt. Weder entsteht ein Nachteil hierdurch noch droht ein solcher. Die Ausführungen sollen lediglich die Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung bilden, wobei das Gericht für eine Entscheidung an die Prozessordnung und die (Justiz-)Grundrechte gebunden ist und die Entscheidung unter Würdigung aller Umstände (§ 286 ZPO) zu treffen hat. Eine Benachteiligung kann nur in dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis, etwa im Ausspruch einer diskriminierenden Kündigung, liegen, nicht aber in den Ausführungen beim gerichtlichen Streit über das Arbeitgeberhandeln. Mit anderen Worten: diskriminierend kann allenfalls die Kündigung vom 20. Mai 2014 gewesen sein, nicht das Vorbringen der Beklagten im Prozess, dass dem nicht so gewesen ist.
71 
(bbb) Für das gefundene Ergebnis spricht ganz klar auch die gesetzgeberische Konzeption, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche mit einer Ausschlussfrist (§ 15 Abs. 4 AGG) zu verknüpfen, die zu laufen beginnt, wenn der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Die Ausschlussfrist könnte ihren Zweck, schnell Rechtssicherheit über das Bestehen von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche herbeizuführen, nicht erfüllen, läge in der Rechtsverteidigung zu einem bestimmten, als diskriminierend beschriebenen Verhalten bzw. Sachverhalt wiederum seinerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG, mit der Folge, dass erneut eine Ausschlussfrist zu laufen begönne. Die Negierung eines Verhaltens als „diskriminierend“ würde so zu einer immer neue Ausschlussfristen auslösenden Kaskade, mit der Folge der „Unverfallbarkeit“ eines Entschädigungsbegehrens wegen eines in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts. Dies widerspricht der gesetzgeberischen Konzeption und zeigt, dass ein Negieren einer Diskriminierung nicht seinerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG darstellen kann.
72 
(ccc) Schließlich spricht auch die gesetzgeberische Konzeption, in § 16 AGG ein Maßregelungsverbot zu schaffen, der es dem Arbeitgeber verbietet, Beschäftigte wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem 2. Abschnitt des AGG oder der Weigerung, eine gegen den 2. Abschnitt des AGG verstoßende Anweisung auszuführen, zu benachteiligen, gegen die Annahme, Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten über die Frage einer Benachteiligung könnten ihrerseits eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG sein. An § 16 AGG wird deutlich, dass der Gesetzgeber zwar „Benachteiligungen“ wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG verbietet, gleichzeitig aber die „Benachteiligung“ iSv. § 16 AGG eine andere Qualität hat, als eine Benachteiligung iSv. § 3 AGG und nicht bedeutungsgleich(vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 16 AGG Rn. 2), sondern wie in § 612a BGB zu verstehen ist(vgl. Voigt in: Scheusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 16 Rn. 4). Dementsprechend ist auch das Rechtsfolgensystem von § 16 AGG ausgestaltet. Benachteiligungen iSv. § 16 AGG sind unwirksam, können aber keine Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG auslösen(vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert § 16 Rn. 36; AR/Kappenhagen § 17 AGG Rn. 4; MüKo-BGB/Thüsing 6. Aufl. § 16 AGG Rn. 16). Ein Vorbringen bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über eine Benachteiligung iSv. § 3 AGG (insb. Tatsachenbehauptungen) kann folglich allenfalls eine Maßregelung iSv. § 16 AGG, nicht aber eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG sein.
73 
(b) Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 sind schließlich auch keine Belästigung iSv. § 3 Abs. 3 bzw. keine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG.
74 
(aa) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG liegt auch dann vor, wenn von einer Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG auszugehen ist. Dabei ist die Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Die Würdeverletzung und ein „feindliches Umfeld“ - als Synonym für „ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld“ - müssen für die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 3 AGG kumulativ vorliegen(vgl. BAG 17. Oktober 2013 - 8 AZR 742/12 - Rn. 41, AP AGG § 15 Nr. 15 = EzA AGG § 3 Nr. 8). Weder behauptet die Klägerin, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 beinhalteten eine Würdeverletzung und dienten der Schaffung eines „feindlichen Umfelds“. Selbiges ist auch nicht ansatzweise ersichtlich. Die Tatsachenbehauptungen gehen nicht über das zur Rechtsverteidigung notwendige Maß hinaus, ein Belästigung iSv. § 3 Abs. 3 AGG ist nicht gegeben.
75 
(bb) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 17; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18, aaO; Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 150); einer Wiederholungsgefahr bedarf es nicht (vgl. Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert § 3 Rn. 77). Ob ein Verhalten sexuell bestimmt ist, beurteilt sich aus der Sicht eines objektiven Beobachters (vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 151; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 3 AGG Rn. 21). Auch die Klägerin behauptet nicht ansatzweise, der Schriftsatz der Beklagten vom 6. Oktober 2014 enthalte Ausführungen, die eine sexuelle Belästigung darstellten. Ein sexuell bestimmtes Verhalten, dh. sexuell bestimmte Ausführungen sind dem Schriftsatz nicht zu entnehmen.
76 
3. Nicht zu entscheiden war über die Klageerweiterung vom 26. März 2015, mit der die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.7500,00 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG erstrebt. Die Klageerweiterung ist unzulässig.
77 
a) Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Beklagte zur Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro zu verurteilen, ist deshalb unzulässig, weil Sachanträge, wie sich aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2 und § 297 ZPO ergibt, spätestens in der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen(vgl. BGH 27. Oktober 2011 - III ZR 235/10 - Rn. 2; 19. März 2009 - IX ZB 152/08 - Rn. 8 mwN, NJW-RR 2009, 853; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 296a Rn. 2a). Mangels Antragstellung in mündlicher Verhandlung durfte über die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden (vgl. BGH 19. März 2009 - IX 152/08 - Rn. 9, aaO; aA BGH 12. Mai 1992 - XI ZR 251/91 - NJW-RR 1992, 1085: Klageabweisung möglich).
78 
b) Das Gericht hatte die mündliche Verhandlung auch nicht wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO). Die Kammer hat geprüft, ob Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 2 ZPO gegeben sind oder ob nach dem Ermessen des Gerichts (§ 156 Abs. 1 ZPO) die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen ist. Gründe iSv. § 156 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, insb. unter Berücksichtigung der Konzentrationsmaxime hat die Kammer das ihr eingeräumte Ermessen iSd. Nichteröffnung iSv. § 156 Abs. 1 ZPO ausgeübt.
II.
79 
Die Widerklage ist zulässig, insbesondere ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass die Beklagte Zahlung an sich verlangt. Der Widerklageantrag ist jedoch unbegründet. Der Beklagten steht ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützter Anspruch zur Rückzahlung der gewährten Urlaubsvergütung iHv. 1.785,71 Euro wegen ungerechtfertigter Bereicherung nicht zu. Vielmehr bildet der der Klägerin unstreitig für den Zeitraum 4. bis 22. August 2014 gewährte Urlaub den Rechtsgrund (§§ 11, 7 BUrlG) für das Behaltendürfen iSv. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist irrelevant, ob die Klägerin im Zeitraum 4. bis 22. August 2014 arbeitsunfähig war oder nicht; auch § 9 BUrlG ändert hieran nichts.
80 
1. § 9 BUrlG will verhindern, dass der Arbeitnehmer durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaubsanspruch verliert. Allerdings besteht ohne ärztliches Attest kein Nachgewährungsanspruch, wie sich eindeutig aus dem Wortlaut von § 9 BUrlG ergibt. Einerseits wird so ein Missbrauch zulasten des Arbeitgebers verhindert, andererseits wird dem Arbeitnehmer ermöglicht, auf eine Nachgewährung zu verzichten, indem kein Attest vorgelegt wird. Verlangt der Arbeitnehmer keine Nachgewährung durch Vorlage eines Attests, behält er für die Dauer des Urlaubs seine (Urlaubs-)Vergütung als Arbeitsentgelt, während ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung ggf. nicht bestünde (vgl. ErfK/Gallner § 9 BUrlG Rn. 5; Powietzka/Rolf BUrlG § 9 Rn. 23).
81 
2. Die Klägerin hat für den Zeitraum 4. bis 22. August 2014 kein ärztliches Attest vorgelegt und klargestellt, keine Nachgewährung zu begehren. Damit verbleibt es bei dem der Klägerin gewährten Urlaub und der ihr gewährten Vergütung, auch wenn sie im Zeitraum 4. bis 22. August 2014 arbeitsunfähig gewesen sein sollte.
B.
82 
Nachdem die Klägerin und Beklagte jeweils nur zum Teil obsiegt haben, waren die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens verhältnismäßig zu teilen, § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 495, 92 Abs. 1 ZPO.
C.
83 
Die Festsetzung des Urteilsstreitwerts beruht auf § 61 Abs. ArbGG, für den Bestandsschutzantrag liegen drei Bruttomonatsvergütungen (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG) und im Übrigen die bezifferten Zahlungsanträge der Klage (Entschädigungsbegehren iHv. 32.500,00 Euro) bzw. Widerklage zugrunde. Nicht zu addieren war der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Antrag auf Zahlung einer weiteren Entschädigung iHv. 48.750,00 Euro (vgl. Zöller/Greger § 296a Rn. 2a aE).
D.
84 
Nachdem Gründe iSv. § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vorliegen, ist noch ausgesprochen, dass eine gesonderte Berufungszulassung nicht erfolgt (§ 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG).

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz


(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

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Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 42 Wiederkehrende Leistungen


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund


(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts, Abfindung des Arbeitnehmers


(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 261 Rechtshängigkeit


(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. (2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung ge

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 7 Wirksamwerden der Kündigung


Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 10 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 6 Persönlicher Anwendungsbereich


(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu di

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 2 Anwendungsbereich


(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: 1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten


Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die

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(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Be

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 612a Maßregelungsverbot


Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61b Klage wegen Benachteiligung


(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. (2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung b

Zivilprozessordnung - ZPO | § 495 Anzuwendende Vorschriften


(1) Für das Verfahren vor den Amtsgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den allgemeinen Vorschriften des Buches 1, aus den nachfolgenden besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 297 Form der Antragstellung


(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge z

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 12 Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers


(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. (2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 9 Erkrankung während des Urlaubs


Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 13 Beschwerderecht


(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Be

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 16 Maßregelungsverbot


(1) Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Abschnitt oder wegen der Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen. Gleiches gilt für Personen, die den Besch

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 17 Soziale Verantwortung der Beteiligten


(1) Tarifvertragsparteien, Arbeitgeber, Beschäftigte und deren Vertretungen sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten an der Verwirklichung des in § 1 genannten Ziels mitzuwirken. (2) In Betrieben, in denen die Voraus

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Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 21. November 2012 - 8 Sa 627/12 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2013 - 25 Sa 2304/12, 25 Sa 311/13 - wird zurückgewiesen.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - 8 AZR 838/12

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Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Dezember 2009 - 5 Sa 739/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Februar 2009 - 7 Sa 1132/08 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. März 2011 - 2 AZR 674/09

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20. August 2009 - 16 Sa 1644/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das U

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Sept. 2010 - 2 AZR 482/09

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09

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Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Feb. 2010 - 6 AZR 911/08

bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2008 - 9 Sa 525/07 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.

(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.

(2) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen.

(2) Der Arbeitgeber soll in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligung geschult, gilt dies als Erfüllung seiner Pflichten nach Absatz 1.

(3) Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.

(4) Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 benachteiligt, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen.

(5) Dieses Gesetz und § 61b des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen sind im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann durch Aushang oder Auslegung an geeigneter Stelle oder den Einsatz der im Betrieb oder der Dienststelle üblichen Informations- und Kommunikationstechnik erfolgen.

(1) Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.

(2) Die Rechte der Arbeitnehmervertretungen bleiben unberührt.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Juli 2011 - 18 Sa 592/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 - 38 Ca 15552/10 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten und über Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1974 geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad von 70 anerkannt. Er war bei der Beklagten seit dem 31. Juli 2000 als Busfahrer beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug 2.100,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen im Konzernverbund der B (B) - einer Anstalt des öffentlichen Rechts - und führt für diese Fahrdienstleistungen durch, unter anderem im Linienbusverkehr mit Fahrzeugen der B. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

3

Der Kläger war seit dem Jahr 2001 wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt durchgängig seit dem 8. November 2007. In einem vorausgegangenen Rechtsstreit ist rechtskräftig entschieden, dass eine wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 27. März 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

4

Mit Schreiben vom 16. März 2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 19. März 2010 einer Untersuchung bei der Betriebsärztin der B zur Feststellung seiner Fahrdiensttauglichkeit nachzukommen. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr. In einem Personalgespräch erklärte er, seine Tauglichkeit sei bereits am 11. Dezember 2009 durch eine von ihm aufgesuchte Fachärztin festgestellt worden.

5

Mit Schreiben vom 24. März 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung und forderte ihn erneut zu einer Untersuchung zur Feststellung der Betriebsdiensttauglichkeit bei dem betriebsärztlichen Dienst der B am 30. März 2010 auf. Der Kläger nahm auch diesen Termin nicht wahr. Deshalb erteilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 8. April 2010 eine weitere Abmahnung und forderte ihn zur Wahrnehmung eines Termins beim betriebsärztlichen Dienst der B am 13. April 2010 auf. Der Kläger kam auch dieser Aufforderung nicht nach. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst mit Schreiben vom 20. April 2010. Nachdem der Kläger die fortbestehende Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nachgewiesen hatte, hielt sie an dieser Kündigung nicht fest. Sie beantragte beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung, welche dieses am 9. September 2010 erteilte. Mit Zustimmung auch des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 23. September 2010 zum 31. Januar 2011.

6

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben und Vergütungsansprüche für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Er hat gemeint, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe der Aufforderung zur Untersuchung nicht Folge leisten müssen, da es hierfür keine Veranlassung gegeben habe. Aufgrund der fachärztlichen Begutachtung vom 11. Dezember 2009 hätten keine Zweifel an seiner Fahrdiensttauglichkeit bestanden. Er habe auch Bedenken gegen eine Untersuchung durch die Betriebsärzte der B, da diese „im Lager der Beklagten“ stünden. Diese Zweifel habe er stets geäußert und angeboten, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen. Am 1. Juni 2010 habe er sich außerdem zu einer Untersuchung durch den Betriebsarzt bereit erklärt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.329,91 Euro brutto abzüglich 1.635,26 Euro netto nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für wirksam gehalten. Gemäß § 3 Abs. 4 des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin(TV-N) sei sie bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer wahlweise durch den Betriebs- oder den Vertrauensarzt untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sei. Es hätten berechtigte Zweifel bestanden, dass dies bei dem Kläger der Fall gewesen sei. Seiner Mitwirkungspflicht sei dieser trotz mehrfacher Abmahnung schuldhaft nicht nachgekommen. Die Betriebsärztin der B sei jedenfalls als Vertrauensärztin iSd. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen. Während der arbeitsmedizinische Dienst des TÜV für sie die betriebsärztlichen Aufgaben in Bezug auf die Regeluntersuchungen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) wahrnehme, führe der betriebsärztliche Dienst der B für sie die Einstellungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen durch. Zudem sei nach der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BO-Kraft) der Betriebsleiter berechtigt, jeden fachlich geeigneten Arzt mit der Feststellung der Eignung zu beauftragen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung der begehrten Vergütung unzulässig. Im Übrigen ist die Revision begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

A. Die Revision ist unzulässig, soweit mit ihr die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Zahlungsantrag angegriffen ist. Es fehlt an der erforderlichen Begründung.

12

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145). Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - aaO; 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 17, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312). Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, so dass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, worin die Entscheidung über den anderen unrichtig ist ( BAG 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1).

13

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Die Beklagte hat das Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt. Die Revisionsbegründung setzt sich lediglich mit der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 23. September 2010 auseinander. Auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Vergütung geht sie nicht ein und erhebt insoweit auch keine Rügen. Dessen hätte es aber bedurft. Bei dem Zahlungsantrag handelt es sich gegenüber dem Feststellungsbegehren um einen eigenständigen Streitgegenstand. Die Entscheidung über diesen hängt nicht notwendig von derjenigen über die Wirksamkeit der Kündigung ab. Die Kündigung wurde zum 31. Januar 2011 erklärt. Vergütungsansprüche hat der Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2011, mithin ausschließlich für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht.

14

B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann eine Verpflichtung des Klägers, sich der von der Beklagten geforderten Untersuchung bei dem betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, nicht verneint werden. Ob die Kündigung vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, steht noch nicht fest.

15

I. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

16

1. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

17

2. Auch der Verstoß gegen eine tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung auf Wunsch des Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, kann je nach den Umständen geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 103, 277; 6. November 1997 - 2 AZR 801/96  - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 142 = EzA BGB § 626 nF Nr. 171; Lepke NZA 1995, 1084, 1090 ; Bezani Die krankheitsbedingte Kündigung S. 72 f.). Die Beklagte macht hier die Verletzung einer solchen, sich aus § 3 Abs. 4 TV-N(idF vom 9. Mai 2006) ergebenden Mitwirkungspflicht des Klägers geltend. Nach dieser Bestimmung ist der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer durch den Betriebsarzt oder den Vertrauensarzt dahingehend untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.

18

II. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei - bei unterstellter Geltung des TV-N - nicht verpflichtet gewesen, den Aufforderungen der Beklagten zur Untersuchung bei der Betriebsärztin der B Folge zu leisten, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte konnte die betreffende Ärztin grundsätzlich als Vertrauensärztin mit der Begutachtung beauftragen. Die getroffene Wahl widerspricht - ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - nicht Grundsätzen billigen Ermessens.

19

1. Das Landesarbeitsgericht ist von der Anwendbarkeit des TV-N auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ausgegangen, ohne Feststellungen zu einer beiderseitigen Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder einer einzelvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrags getroffen zu haben. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. In der BO-Kraft (in der maßgebenden Fassung vom 16. November 2007) ist - anders als die Beklagte möglicherweise meint - keine Pflicht zur Mitwirkung der Arbeitnehmer an ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit geregelt.

20

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelte es sich bei der von der Beklagten zur Untersuchung des Klägers bestimmten Ärztin nicht um die Betriebsärztin der Beklagten, sondern um die von der B, dh. einem anderen Unternehmen bestellte Betriebsärztin. Die Beklagte hat damit nicht, wovon § 3 Abs. 4 Alt. 1 TV-N ausgeht, ihren eigenen Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt. Das sieht die Revision, die hiergegen keine Einwände erhebt, ersichtlich auch so.

21

3. Als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N kann der Arbeitgeber einen Arzt seines Vertrauens für die Untersuchung bestimmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um einen nach seinem Belieben von Fall zu Fall bestellten Arzt handelt, sondern - zumindest in größeren Unternehmen und Behörden - um einen solchen Arzt oder einen ärztlichen Dienst, der vom Arbeitgeber allgemein für derartige Begutachtungsaufgaben bestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 277). Hierbei kann es sich auch um einen Arzt handeln, der beim Arbeitgeber selbst angestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b cc der Gründe, aaO). § 3 Abs. 4 TV-N enthält insoweit ebenso wenig eine Beschränkung wie § 7 Abs. 2 BAT. Dafür, dass dem Begriff des Vertrauensarztes in § 3 Abs. 4 TV-N ein anderes Verständnis zugrunde läge, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Interessenlage ist grundsätzlich nicht anders als im Anwendungsbereich des BAT. Hinzu kommt, dass gemäß § 3 Abs. 4 TV-N - anders als nach § 7 Abs. 2 BAT - ausdrücklich der eigene Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt werden kann. Danach kann grundsätzlich auch ein Arzt, der bei einem mit dem Arbeitgeber rechtlich verbundenen Unternehmen angestellt oder von diesem als Betriebsarzt iSd. Arbeitssicherheitsgesetzes bestellt ist, Vertrauensarzt iSd. § 3 Abs. 4 Alt. 2 TV-N sein.

22

4. Die in § 3 Abs. 4 TV-N geregelte Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitwirkung an einer vom Arbeitgeber verlangten ärztlichen Untersuchung beeinträchtigt nicht übermäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Dieses schließt zwar die Freiheit der Arztwahl ein. Der Arbeitgeber kann die Mitwirkung des Arbeitnehmers aber zum einen nur aus gegebener Veranlassung, also nur bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters verlangen. Zum anderen steht es mit Blick auf die schutzwürdigen Belange des Arbeitnehmers trotz des Wahlrechts des Arbeitgebers nicht etwa in dessen Belieben, wer die Begutachtung durchführt. Die Auswahl hat vielmehr nach billigem Ermessen ( § 315 Abs. 1 BGB ) zu erfolgen. Macht der Arbeitnehmer rechtzeitig vor oder während der Begutachtung begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des begutachtenden Arztes geltend, so kann es je nach den Umständen allein billigem Ermessen entsprechen, dass der Arbeitgeber einen anderen Arzt mit der Begutachtung beauftragt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Mit dieser Einschränkung ist es zur Gewährleistung gleichmäßiger Untersuchungsstandards grundsätzlich interessengerecht, das Bestimmungsrecht dem Arbeitgeber einzuräumen. Eine übermäßige Beeinträchtigung berechtigter Belange des Arbeitnehmers liegt darin nicht. Dieser muss das Ergebnis nicht hinnehmen, es wäre vielmehr in einem gerichtlichen Verfahren vollumfänglich nachzuprüfen (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - aaO).

23

5. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, soweit es angenommen hat, die Beklagte habe im Grundsatz den betriebsärztlichen Dienst der B als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N bestimmen dürfen. Von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen wird hingegen die Würdigung, die Betriebsärztin der B sei im Streitfall deshalb nicht als Vertrauensärztin iSv. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen, weil der Kläger Bedenken gegen ihre Unvoreingenommenheit erhoben und angeboten habe, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen.

24

a) Das Landesarbeitsgericht meint zu Unrecht, es komme nicht darauf an, ob die Bedenken des Klägers gegen die Unvoreingenommenheit der Betriebsärztin der B berechtigt gewesen seien oder nicht. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht an dem von ihm bestimmten Arzt für die Untersuchung festzuhalten, kann sich nur dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer begründete Einwände gegen ihn erhebt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Aus der Luft gegriffene oder in der Sache unbeachtliche Bedenken gegen den vom Arbeitgeber bestimmten Arzt sind dagegen nicht ausreichend. So liegt gerade kein begründeter Einwand darin, der vom Arbeitgeber bestimmte Arzt stehe „in dessen Lager“, wie der Kläger geltend gemacht hat.

25

b) Ob der Kläger - rechtzeitig - andere, begründete Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder ausreichende Fachkunde der von der Beklagten bestimmten Ärztin geltend gemacht hat, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

26

III. Die angegriffene Entscheidung erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig noch ist die Sache zur Endentscheidung reif. Eine abschließende Beurteilung, ob die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, ist dem Senat - weil es an erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt - nicht möglich.

27

1. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht geprüft, ob für die von der Beklagten geforderte Untersuchung eine Veranlassung iSv. § 3 Abs. 4 TV-N gegeben war. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass eine solche Veranlassung bestand. Der Kläger war seit dem 8. November 2007 arbeitsunfähig erkrankt. Daraus konnten sich Zweifel ergeben, ob er zu der vertraglich geschuldeten Tätigkeit wieder in der Lage war. Diese Zweifel müssen nicht schon durch das vom Kläger vorgelegte fachärztliche Gutachten vom 11. Dezember 2009 ausgeräumt gewesen sein. Zum einen darf nach § 3 Abs. 4 TV-N grundsätzlich der Arbeitgeber den für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers seines Erachtens geeigneten Arzt bestimmen. Zum anderen bezieht sich das vom Kläger beigebrachte Gutachten ausschließlich auf eine Untersuchung des Leistungsvermögens gemäß Anlage 5 Nr. 2 und des Sehvermögens gemäß Anlage 6 Nr. 2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Eine solche verkehrsmedizinische Eignungsfeststellung sagt nichts über die Fähigkeit des Arbeitnehmers aus, die konkrete arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Die Begutachtung nach der FeV dient allein dem Nachweis der geistigen und körperlichen Eignung - einschließlich des Sehvermögens - für das Führen von Fahrzeugen bestimmter Klassen und die Personenbeförderung (vgl. § 48 Abs. 4 iVm. § 11 Abs. 9 und § 12 Abs. 6 FeV). Aus der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eines Busfahrers können sich aber weitere Anforderungen, wie etwa bei besonderen Belastungen aufgrund von Schichtdienst, ergeben.

28

2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. ferner zu prüfen haben, ob der Kläger rechtzeitig berechtigte Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder Fachkunde des betriebsärztlichen Dienstes der B für die Untersuchung nach § 3 Abs. 4 TV-N geltend gemacht hat. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger habe sich pflichtwidrig geweigert, den Aufforderungen der Beklagten nachzukommen, sich zur Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit der Untersuchung durch den betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, wird es unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Streitfalls eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, ob der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zumutbar war oder nicht. Hierbei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob der Kläger sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über seine Mitwirkungspflichten befand (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 103, 277) und ob er sich, wie von ihm behauptet, noch vor Ausspruch der Kündigung bereit erklärt hat, sich „vom Betriebsarzt“ untersuchen zu lassen, wie dieses Angebot ggf. zu verstehen war und ob es - sollte es nicht ihrem Verlangen entsprochen haben - der Beklagten zumutbar gewesen wäre, darauf einzugehen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Juli 2011 - 18 Sa 592/11 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Februar 2011 - 38 Ca 15552/10 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten als unzulässig verworfen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten und über Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1974 geborene Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad von 70 anerkannt. Er war bei der Beklagten seit dem 31. Juli 2000 als Busfahrer beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst betrug 2.100,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen im Konzernverbund der B (B) - einer Anstalt des öffentlichen Rechts - und führt für diese Fahrdienstleistungen durch, unter anderem im Linienbusverkehr mit Fahrzeugen der B. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

3

Der Kläger war seit dem Jahr 2001 wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt durchgängig seit dem 8. November 2007. In einem vorausgegangenen Rechtsstreit ist rechtskräftig entschieden, dass eine wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 27. März 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat.

4

Mit Schreiben vom 16. März 2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, am 19. März 2010 einer Untersuchung bei der Betriebsärztin der B zur Feststellung seiner Fahrdiensttauglichkeit nachzukommen. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr. In einem Personalgespräch erklärte er, seine Tauglichkeit sei bereits am 11. Dezember 2009 durch eine von ihm aufgesuchte Fachärztin festgestellt worden.

5

Mit Schreiben vom 24. März 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung und forderte ihn erneut zu einer Untersuchung zur Feststellung der Betriebsdiensttauglichkeit bei dem betriebsärztlichen Dienst der B am 30. März 2010 auf. Der Kläger nahm auch diesen Termin nicht wahr. Deshalb erteilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 8. April 2010 eine weitere Abmahnung und forderte ihn zur Wahrnehmung eines Termins beim betriebsärztlichen Dienst der B am 13. April 2010 auf. Der Kläger kam auch dieser Aufforderung nicht nach. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst mit Schreiben vom 20. April 2010. Nachdem der Kläger die fortbestehende Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nachgewiesen hatte, hielt sie an dieser Kündigung nicht fest. Sie beantragte beim Integrationsamt die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung, welche dieses am 9. September 2010 erteilte. Mit Zustimmung auch des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut mit Schreiben vom 23. September 2010 zum 31. Januar 2011.

6

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben und Vergütungsansprüche für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Er hat gemeint, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er habe der Aufforderung zur Untersuchung nicht Folge leisten müssen, da es hierfür keine Veranlassung gegeben habe. Aufgrund der fachärztlichen Begutachtung vom 11. Dezember 2009 hätten keine Zweifel an seiner Fahrdiensttauglichkeit bestanden. Er habe auch Bedenken gegen eine Untersuchung durch die Betriebsärzte der B, da diese „im Lager der Beklagten“ stünden. Diese Zweifel habe er stets geäußert und angeboten, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen. Am 1. Juni 2010 habe er sich außerdem zu einer Untersuchung durch den Betriebsarzt bereit erklärt.

7

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. September 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.329,91 Euro brutto abzüglich 1.635,26 Euro netto nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für wirksam gehalten. Gemäß § 3 Abs. 4 des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin(TV-N) sei sie bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer wahlweise durch den Betriebs- oder den Vertrauensarzt untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sei. Es hätten berechtigte Zweifel bestanden, dass dies bei dem Kläger der Fall gewesen sei. Seiner Mitwirkungspflicht sei dieser trotz mehrfacher Abmahnung schuldhaft nicht nachgekommen. Die Betriebsärztin der B sei jedenfalls als Vertrauensärztin iSd. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen. Während der arbeitsmedizinische Dienst des TÜV für sie die betriebsärztlichen Aufgaben in Bezug auf die Regeluntersuchungen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) wahrnehme, führe der betriebsärztliche Dienst der B für sie die Einstellungs- und Tauglichkeitsuntersuchungen durch. Zudem sei nach der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BO-Kraft) der Betriebsleiter berechtigt, jeden fachlich geeigneten Arzt mit der Feststellung der Eignung zu beauftragen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Zahlung der begehrten Vergütung unzulässig. Im Übrigen ist die Revision begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

A. Die Revision ist unzulässig, soweit mit ihr die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Zahlungsantrag angegriffen ist. Es fehlt an der erforderlichen Begründung.

12

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 a der Gründe mwN, BAGE 109, 145). Bei mehreren Streitgegenständen muss bei einer unbeschränkt eingelegten Revision für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig(BAG 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - aaO; 15. März 2006 - 4 AZR 73/05 - Rn. 17, AP ZPO § 551 Nr. 63 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 2; 12. November 2002 - 1 AZR 632/01 - zu B I der Gründe mwN, BAGE 103, 312). Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt, so dass mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand gleichzeitig auch dargelegt ist, worin die Entscheidung über den anderen unrichtig ist ( BAG 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1).

13

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Die Beklagte hat das Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt. Die Revisionsbegründung setzt sich lediglich mit der Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung vom 23. September 2010 auseinander. Auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Vergütung geht sie nicht ein und erhebt insoweit auch keine Rügen. Dessen hätte es aber bedurft. Bei dem Zahlungsantrag handelt es sich gegenüber dem Feststellungsbegehren um einen eigenständigen Streitgegenstand. Die Entscheidung über diesen hängt nicht notwendig von derjenigen über die Wirksamkeit der Kündigung ab. Die Kündigung wurde zum 31. Januar 2011 erklärt. Vergütungsansprüche hat der Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2011, mithin ausschließlich für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist geltend gemacht.

14

B. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann eine Verpflichtung des Klägers, sich der von der Beklagten geforderten Untersuchung bei dem betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, nicht verneint werden. Ob die Kündigung vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, steht noch nicht fest.

15

I. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.

16

1. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen - wie etwa eine Abmahnung - von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).

17

2. Auch der Verstoß gegen eine tarif- oder einzelvertraglich geregelte Pflicht des Arbeitnehmers, bei gegebener Veranlassung auf Wunsch des Arbeitgebers an einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit mitzuwirken, kann je nach den Umständen geeignet sein, eine Kündigung zu rechtfertigen (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 103, 277; 6. November 1997 - 2 AZR 801/96  - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 142 = EzA BGB § 626 nF Nr. 171; Lepke NZA 1995, 1084, 1090 ; Bezani Die krankheitsbedingte Kündigung S. 72 f.). Die Beklagte macht hier die Verletzung einer solchen, sich aus § 3 Abs. 4 TV-N(idF vom 9. Mai 2006) ergebenden Mitwirkungspflicht des Klägers geltend. Nach dieser Bestimmung ist der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung berechtigt, den Arbeitnehmer durch den Betriebsarzt oder den Vertrauensarzt dahingehend untersuchen zu lassen, ob er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist.

18

II. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei - bei unterstellter Geltung des TV-N - nicht verpflichtet gewesen, den Aufforderungen der Beklagten zur Untersuchung bei der Betriebsärztin der B Folge zu leisten, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beklagte konnte die betreffende Ärztin grundsätzlich als Vertrauensärztin mit der Begutachtung beauftragen. Die getroffene Wahl widerspricht - ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts - nicht Grundsätzen billigen Ermessens.

19

1. Das Landesarbeitsgericht ist von der Anwendbarkeit des TV-N auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ausgegangen, ohne Feststellungen zu einer beiderseitigen Tarifbindung iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder einer einzelvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrags getroffen zu haben. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. In der BO-Kraft (in der maßgebenden Fassung vom 16. November 2007) ist - anders als die Beklagte möglicherweise meint - keine Pflicht zur Mitwirkung der Arbeitnehmer an ärztlichen Untersuchungen zur Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit geregelt.

20

2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelte es sich bei der von der Beklagten zur Untersuchung des Klägers bestimmten Ärztin nicht um die Betriebsärztin der Beklagten, sondern um die von der B, dh. einem anderen Unternehmen bestellte Betriebsärztin. Die Beklagte hat damit nicht, wovon § 3 Abs. 4 Alt. 1 TV-N ausgeht, ihren eigenen Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt. Das sieht die Revision, die hiergegen keine Einwände erhebt, ersichtlich auch so.

21

3. Als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N kann der Arbeitgeber einen Arzt seines Vertrauens für die Untersuchung bestimmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um einen nach seinem Belieben von Fall zu Fall bestellten Arzt handelt, sondern - zumindest in größeren Unternehmen und Behörden - um einen solchen Arzt oder einen ärztlichen Dienst, der vom Arbeitgeber allgemein für derartige Begutachtungsaufgaben bestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 277). Hierbei kann es sich auch um einen Arzt handeln, der beim Arbeitgeber selbst angestellt ist (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b cc der Gründe, aaO). § 3 Abs. 4 TV-N enthält insoweit ebenso wenig eine Beschränkung wie § 7 Abs. 2 BAT. Dafür, dass dem Begriff des Vertrauensarztes in § 3 Abs. 4 TV-N ein anderes Verständnis zugrunde läge, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Interessenlage ist grundsätzlich nicht anders als im Anwendungsbereich des BAT. Hinzu kommt, dass gemäß § 3 Abs. 4 TV-N - anders als nach § 7 Abs. 2 BAT - ausdrücklich der eigene Betriebsarzt mit der Untersuchung beauftragt werden kann. Danach kann grundsätzlich auch ein Arzt, der bei einem mit dem Arbeitgeber rechtlich verbundenen Unternehmen angestellt oder von diesem als Betriebsarzt iSd. Arbeitssicherheitsgesetzes bestellt ist, Vertrauensarzt iSd. § 3 Abs. 4 Alt. 2 TV-N sein.

22

4. Die in § 3 Abs. 4 TV-N geregelte Pflicht des Arbeitnehmers zur Mitwirkung an einer vom Arbeitgeber verlangten ärztlichen Untersuchung beeinträchtigt nicht übermäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Dieses schließt zwar die Freiheit der Arztwahl ein. Der Arbeitgeber kann die Mitwirkung des Arbeitnehmers aber zum einen nur aus gegebener Veranlassung, also nur bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters verlangen. Zum anderen steht es mit Blick auf die schutzwürdigen Belange des Arbeitnehmers trotz des Wahlrechts des Arbeitgebers nicht etwa in dessen Belieben, wer die Begutachtung durchführt. Die Auswahl hat vielmehr nach billigem Ermessen ( § 315 Abs. 1 BGB ) zu erfolgen. Macht der Arbeitnehmer rechtzeitig vor oder während der Begutachtung begründete Bedenken etwa gegen die Fachkunde oder Unvoreingenommenheit des begutachtenden Arztes geltend, so kann es je nach den Umständen allein billigem Ermessen entsprechen, dass der Arbeitgeber einen anderen Arzt mit der Begutachtung beauftragt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Mit dieser Einschränkung ist es zur Gewährleistung gleichmäßiger Untersuchungsstandards grundsätzlich interessengerecht, das Bestimmungsrecht dem Arbeitgeber einzuräumen. Eine übermäßige Beeinträchtigung berechtigter Belange des Arbeitnehmers liegt darin nicht. Dieser muss das Ergebnis nicht hinnehmen, es wäre vielmehr in einem gerichtlichen Verfahren vollumfänglich nachzuprüfen (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - aaO).

23

5. Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, soweit es angenommen hat, die Beklagte habe im Grundsatz den betriebsärztlichen Dienst der B als Vertrauensarzt iSv. § 3 Abs. 4 TV-N bestimmen dürfen. Von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen wird hingegen die Würdigung, die Betriebsärztin der B sei im Streitfall deshalb nicht als Vertrauensärztin iSv. § 3 Abs. 4 TV-N anzusehen, weil der Kläger Bedenken gegen ihre Unvoreingenommenheit erhoben und angeboten habe, sich von einem „neutralen“ Arbeitsmediziner untersuchen zu lassen.

24

a) Das Landesarbeitsgericht meint zu Unrecht, es komme nicht darauf an, ob die Bedenken des Klägers gegen die Unvoreingenommenheit der Betriebsärztin der B berechtigt gewesen seien oder nicht. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, nicht an dem von ihm bestimmten Arzt für die Untersuchung festzuhalten, kann sich nur dann ergeben, wenn der Arbeitnehmer begründete Einwände gegen ihn erhebt (vgl. zu § 7 Abs. 2 BAT BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 3 b dd der Gründe, BAGE 103, 277). Aus der Luft gegriffene oder in der Sache unbeachtliche Bedenken gegen den vom Arbeitgeber bestimmten Arzt sind dagegen nicht ausreichend. So liegt gerade kein begründeter Einwand darin, der vom Arbeitgeber bestimmte Arzt stehe „in dessen Lager“, wie der Kläger geltend gemacht hat.

25

b) Ob der Kläger - rechtzeitig - andere, begründete Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder ausreichende Fachkunde der von der Beklagten bestimmten Ärztin geltend gemacht hat, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

26

III. Die angegriffene Entscheidung erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig noch ist die Sache zur Endentscheidung reif. Eine abschließende Beurteilung, ob die Kündigung der Beklagten vom 23. September 2010 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, ist dem Senat - weil es an erforderlichen Tatsachenfeststellungen fehlt - nicht möglich.

27

1. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht geprüft, ob für die von der Beklagten geforderte Untersuchung eine Veranlassung iSv. § 3 Abs. 4 TV-N gegeben war. Dies wird es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung ggf. nachzuholen haben. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass eine solche Veranlassung bestand. Der Kläger war seit dem 8. November 2007 arbeitsunfähig erkrankt. Daraus konnten sich Zweifel ergeben, ob er zu der vertraglich geschuldeten Tätigkeit wieder in der Lage war. Diese Zweifel müssen nicht schon durch das vom Kläger vorgelegte fachärztliche Gutachten vom 11. Dezember 2009 ausgeräumt gewesen sein. Zum einen darf nach § 3 Abs. 4 TV-N grundsätzlich der Arbeitgeber den für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers seines Erachtens geeigneten Arzt bestimmen. Zum anderen bezieht sich das vom Kläger beigebrachte Gutachten ausschließlich auf eine Untersuchung des Leistungsvermögens gemäß Anlage 5 Nr. 2 und des Sehvermögens gemäß Anlage 6 Nr. 2.1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Eine solche verkehrsmedizinische Eignungsfeststellung sagt nichts über die Fähigkeit des Arbeitnehmers aus, die konkrete arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Die Begutachtung nach der FeV dient allein dem Nachweis der geistigen und körperlichen Eignung - einschließlich des Sehvermögens - für das Führen von Fahrzeugen bestimmter Klassen und die Personenbeförderung (vgl. § 48 Abs. 4 iVm. § 11 Abs. 9 und § 12 Abs. 6 FeV). Aus der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit eines Busfahrers können sich aber weitere Anforderungen, wie etwa bei besonderen Belastungen aufgrund von Schichtdienst, ergeben.

28

2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. ferner zu prüfen haben, ob der Kläger rechtzeitig berechtigte Einwände gegen die Unvoreingenommenheit oder Fachkunde des betriebsärztlichen Dienstes der B für die Untersuchung nach § 3 Abs. 4 TV-N geltend gemacht hat. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger habe sich pflichtwidrig geweigert, den Aufforderungen der Beklagten nachzukommen, sich zur Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit der Untersuchung durch den betriebsärztlichen Dienst der B zu unterziehen, wird es unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Streitfalls eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen haben, ob der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zumutbar war oder nicht. Hierbei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob der Kläger sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über seine Mitwirkungspflichten befand (vgl. BAG 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 103, 277) und ob er sich, wie von ihm behauptet, noch vor Ausspruch der Kündigung bereit erklärt hat, sich „vom Betriebsarzt“ untersuchen zu lassen, wie dieses Angebot ggf. zu verstehen war und ob es - sollte es nicht ihrem Verlangen entsprochen haben - der Beklagten zumutbar gewesen wäre, darauf einzugehen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. November 2010 - 2 Sa 979/10 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. März 2010 - 7 Ca 3503/09 - abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

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Der im Jahr 1957 geborene Kläger ist verheiratet, gehbehindert und mit einem Grad von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war beim beklagten Land seit 1989 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seit dem Jahr 2005 war er beim staatlichen Immobilienmanagement, Niederlassung W (im Folgenden: Immobilienmanagement), tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach § 53 BAT war der Kläger ordentlich nicht mehr kündbar.

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Im Jahr 2007 beschwerte sich eine beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin bei der Leitung der Niederlassung über den Kläger. Sie fühlte sich von ihm belästigt. Es kam zu einem Verfahren vor der Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit Schreiben vom 19. April 2007 teilte die Beschwerdestelle dem Kläger mit, dass die Mitarbeiterin weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare dienstliche Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.

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Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wandte sich eine andere, seit Februar 2009 beim Immobilienmanagement als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an dessen Direktor. Dieser leitete das Schreiben am 12. Oktober 2009 an die zuständige Personalabteilung in der Zentrale weiter. In dem Schreiben erklärte die Mitarbeiterin, dass sie sich durch den Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt fühle. Obwohl sie sich ihm gegenüber deutlich abweisend geäußert habe, suche er weiterhin Kontakt zu ihr. In der Zeit von Mitte Juni 2009 bis Anfang Oktober 2009 hatte der Kläger - unstreitig - insgesamt mehr als 120 E-Mails, MMS und SMS an die Mitarbeiterin versandt. Das beklagte Land teilte dem Kläger am 13. Oktober 2009 mit, dass eine Beschwerde gegen ihn vorliege, der Sachverhalt aber noch aufgeklärt werden müsse. Als „Sofortmaßnahme“ ordnete es an, dass der Kläger mit sofortiger Wirkung jeden dienstlichen und privaten Verkehr mit der Beschwerdeführerin zu unterlassen habe und nur in dienstlichen Dingen über Dritte Kontakt zu ihr aufnehmen dürfe. Am 15. Oktober 2009 hörte das beklagte Land die Mitarbeiterin an, die ihm am 16. Oktober 2009 den gesamten E-Mail-Verkehr mit dem Kläger überließ. Noch am selben Tag wurde der Kläger schriftlich über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert. Er erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23. Oktober 2009. Mit Schreiben von diesem Tage, das beim beklagten Land am 26. Oktober 2009 einging, nahm er zu den Vorwürfen Stellung.

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Mit Schreiben vom 29. Oktober 2009 hörte das beklagte Land den Personalrat der Niederlassung W zu einer - nach noch einzuholender Zustimmung des Integrationsamts - beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung, hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist bis zum 30. Juni 2010 an. Der Personalrat stimmte der Kündigung tags darauf zu. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2009 hörte das beklagte Land auch die örtliche Schwerbehindertenvertretung an. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage beantragte es beim Integrationsamt die Zustimmung, die dieses am 13. November 2009 erteilte.

6

Noch mit Schreiben vom 13. November 2009 erklärte das beklagte Land gegenüber dem Kläger die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise die außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30. Juni 2010.

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Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung lägen nicht vor. Das beklagte Land habe die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Im Übrigen fehle es an einem wichtigen Grund. Nachdem die betreffende Mitarbeiterin Anfang September 2009 erklärt habe, keinen privaten Kontakt mehr mit ihm zu wünschen, habe er nur noch wenige Male den Kontakt zu ihr gesucht. Das beklagte Land habe ihn allenfalls abmahnen dürfen. Dass er zu einer Verhaltensänderung in der Lage sei, zeige sein Verhalten nach Erhalt des Schreibens vom 19. April 2007, welches freilich seinerseits gerade keine Abmahnung darstelle. Im Übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

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Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 weder fristlos noch mit Ablauf des 30. Juni 2010 beendet worden ist.

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Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bereits die außerordentliche fristlose Kündigung sei unter allen rechtlichen Gesichtspunkten wirksam. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liege vor. Einer (weiteren) Abmahnung habe es nicht bedurft, nachdem der Kläger sich bereits im Jahr 2007 in vergleichbarer Weise pflichtwidrig verhalten habe.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, steht noch nicht fest.

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I. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es fehle für die außerordentliche Kündigung vom 13. November 2009 an einem wichtigen Grund iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB - und dem inhaltsgleichen § 54 Abs. 1 BAT - kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

14

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO ; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO ). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08  - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO).

15

b) Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09  - Rn. 37, BAGE 134, 349). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich ( BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 18, aaO ; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08  - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31).

16

c) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO).

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2. Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mangels einschlägiger Abmahnung sei die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 wegen Fehlens eines wichtigen Grundes iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, auf der Basis seiner bisher getroffenen Feststellungen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, eine Abmahnung sei im Streitfall nicht entbehrlich gewesen, wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.

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a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, bei dem Schreiben der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 habe es sich nicht um eine Abmahnung gehandelt.

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aa) Dies folgt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings nicht daraus, dass das Schreiben nicht auf die Änderung eines generellen Verhaltens auch gegenüber anderen Beschäftigten des beklagten Landes abzielte. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu unterlassende Pflichtverletzung losgelöst vom konkreten Verstoß generalisierend beschreibt. Der mit einer Abmahnung verbundene Hinweis auf eine Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall erstreckt sich grundsätzlich auch auf vergleichbare Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit gegebene Abmahnungs- und potentielle Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 31, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

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bb) Entgegen der - Teilen des Schrifttums folgenden - Auffassung des Klägers fehlt dem Schreiben vom 19. April 2007 auch nicht deshalb der Abmahnungscharakter, weil die darin für den Wiederholungsfall enthaltene Androhung von „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ zur Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung nicht ausreichend wäre.

21

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion) (BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG 17. Februar 1994 - 2 AZR 616/93 - zu II 1 der Gründe, BAGE 76, 35). Der Senat hat einer „ordnungsgemäßen Abmahnung“ ein „nur als Abmahnung bezeichnetes Schreiben“ gegenübergestellt, in welchem nicht ausdrücklich auf kündigungsrechtliche Konsequenzen hingewiesen, sondern nur „mit weiteren rechtlichen Schritten“ für den Wiederholungsfall gedroht worden war (vgl. BAG 15. März 2001 - 2 AZR 147/00 - EzA BGB § 626 nF Nr. 185; vgl. auch 8. Dezember 1988 - 2 AZR 294/88 - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 60). Die Androhung „arbeitsrechtlicher Schritte“ sei zur Erfüllung der Warnfunktion hingegen ausreichend (BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - zu B I 2 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6 mit zust. Anm. Bemm; vgl. auch 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34: Androhung „individualrechtlicher Konsequenzen“).

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(2) Im Schrifttum wird zumeist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt, dass die Abmahnung einen Hinweis auf die Gefährdung von Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses enthalten muss, um ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion zu erfüllen (Adam AuR 2001, 41; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert 8. Aufl. KSchR § 314 BGB Rn. 56; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 348; HaKo-Fiebig/Zimmermann 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 244; KR-Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 270; v. Hoyningen-Huene RdA 1990, 193, 198; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher KSchG 2. Aufl. § 1 Rn. 389; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 495; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 25; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 8, 1205). Dafür sei zwar nicht unbedingt die ausdrückliche Androhung einer Kündigung notwendig, der Arbeitgeber müsse aber in einer dem Arbeitnehmer deutlich erkennbaren Art und Weise konkret bestimmte Leistungs- oder Verhaltensmängel beanstanden und damit den eindeutigen und unmissverständlichen Hinweis verbinden, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen seien Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; KR-Fischermeier § 626 BGB Rn. 273 mwN ua. auf BAG 15. August 1984 - 7 AZR 228/82 - BAGE 46, 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497). Das Inaussichtstellen konkreter kündigungsrechtlicher Maßnahmen, etwa einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bzw. einer Beendigungs- oder Änderungskündigung, sei hingegen nicht erforderlich (Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert aaO; APS/Dörner/Vossen aaO; HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO); es reiche die Androhung „kündigungsrechtlicher Konsequenzen“ (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO). Zum Teil wird auch der Hinweis auf „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ für ausreichend gehalten (Beckerle Die Abmahnung 10. Aufl. S. 127 ff.; Kittner/Däubler/Zwanziger-Deinert KSchR § 314 BGB Rn. 60) oder, jedenfalls unter besonderen Umständen, die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Schritte“ (v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG § 1 Rn. 497 unter Hinweis auf BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - AP MuSchG 1968 § 8a Nr. 6; Th. Wolf Zur Abmahnung als Voraussetzung der verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber S. 164). Nach anderer Ansicht genügt die Ankündigung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ nicht, da dadurch nicht hinreichend deutlich gemacht werde, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher auf dem Spiel stehe; arbeitsrechtliche Konsequenzen könnten auch Versetzungen, Umsetzungen oder weitere Abmahnungen sein (HaKo-Fiebig/Zimmermann aaO; Thüsing/Laux/Lembke, Liebscher aaO).

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(3) Nach zutreffender Auffassung kann schon die Androhung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ eine hinreichende Warnung vor einer Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses sein. Mit einer solchen Formulierung wird ausgedrückt, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit allen denkbaren arbeitsrechtlichen Folgen bis hin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist dafür nicht erforderlich. Es ist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, der Arbeitgeber werde im Wiederholungsfall möglicherweise auch mit einer Kündigung reagieren.

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cc) Das Schreiben vom 19. April 2007 stellt gleichwohl keine Abmahnung dar. Es fehlt an einer Rüge vorherigen Fehlverhaltens. In dem Schreiben ist als Ergebnis des Beschwerdeverfahrens lediglich dokumentiert, dass die betroffene Mitarbeiterin keinen Kontakt mehr mit dem Kläger wünsche. Zwar wird außerdem - zur Vermeidung „arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ - die Beachtung dieses Wunsches der Mitarbeiterin für die Zukunft verlangt. Das Schreiben enthält aber nicht die eindeutige Bewertung, dass das vorangegangene Verhalten des Klägers eine Pflichtverletzung dargestellt habe.

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b) Die weitere Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine Abmahnung sei im Streitfall auch nicht entbehrlich gewesen, hält dagegen - auf der Basis der bisher getroffenen Feststellungen - einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

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aa) Es steht nicht fest, welchen Kündigungssachverhalt das Landesarbeitsgericht dieser Würdigung zugrunde gelegt hat. Es hat dahingestellt sein lassen, ob das Verhalten des Klägers gegenüber der betroffenen Mitarbeiterin eine Straftat oder jedenfalls eine schwerwiegende Pflichtverletzung dargestellt oder zumindest einen entsprechenden Verdacht begründet habe. Es hat angenommen, der Kläger habe, selbst wenn nur sein Sachvortrag als wahr unterstellt werde, die ihm aufgrund des Arbeitsvertrags obliegenden Verhaltenspflichten in jedem Fall verletzt. Es hat aber nicht gewürdigt, ob nicht auf Basis des Vorbringens des beklagten Landes von einer erheblich schwerer wiegenden Pflichtverletzung auszugehen wäre. Festgestellt sind nur die mehr als 120 vom Kläger an die betroffene Mitarbeiterin gesandten Nachrichten. Nach dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringen des beklagten Landes hatte sich der Kläger jedoch immer wieder auch auf andere Weise, wie etwa durch unerwünschte persönliche Kontaktaufnahmen, aufgedrängt. Das beklagte Land hat ua. geltend gemacht, der Kläger habe sich gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Mitarbeiterin wiederholt und zunehmend aggressiv und aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr ua. damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine Anstellung beim Land bekomme, und werde ihren Ehemann, der über keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügte, bei der Polizei und der Ausländerbehörde anzeigen. Bei der Mitarbeiterin habe dies massive Angstzustände verursacht.

27

bb) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dem Kläger habe die Distanzlosigkeit seines Verhaltens und die damit einhergehende Pflichtverletzung „aufgrund des schleichenden Prozesses“ entgehen können, steht dies im Widerspruch zu seiner Feststellung, die betroffene Mitarbeiterin habe dem Kläger Anfang September 2009 den „eindeutigen“ Hinweis gegeben, nur noch im unbedingt notwendigen dienstlichen Rahmen mit ihm Kontakt haben zu wollen. Warum dem Kläger die Pflichtwidrigkeit und der bedrängende Charakter seines Verhaltens auch nach diesem Hinweis nicht erkennbar gewesen sein sollen, ist nicht ersichtlich. Nach dem vom Arbeitsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt war aus den dem Hinweis nachfolgenden Nachrichten gerade nicht herauszulesen, der Kläger habe, wie von ihm behauptet, weiterhin lediglich einen rein freundschaftlichen Kontakt gewollt. Die Nachrichten hätten vielmehr einen drohenden Charakter angenommen. Abweichende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.

28

cc) Das Landesarbeitsgericht hat zudem nicht ausreichend geprüft, ob eine Abmahnung im Streitfall deshalb entbehrlich war, weil dem Kläger schon aufgrund des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens und des Schreibens der Beschwerdestelle vom 19. April 2007 bewusst sein musste, dass die Verletzung der Privatsphäre von Mitarbeiterinnen durch beharrliche Kontaktaufnahme gegen deren Willen eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellte, deren abermalige Hinnahme durch das beklagte Land ausgeschlossen wäre. Dem stünde nicht entgegen, dass sich das Schreiben nur mit dem zu respektierenden Wunsch der damals betroffenen Mitarbeiterin befasste. Der Kläger konnte nicht annehmen, das beklagte Land würde den entsprechenden Wunsch einer anderen Mitarbeiterin nicht für gleichermaßen verbindlich halten.

29

c) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Fehlverhalten des Klägers stelle sich nicht als so gravierend dar, dass seine Weiterbeschäftigung dem beklagten Land „unter keinen Umständen zuzumuten“ sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Es ist erneut nicht ersichtlich, welches Fehlverhalten das Landesarbeitsgericht seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers steht jedenfalls nicht notwendig entgegen, dass dieser auf die entsprechende Aufforderung des beklagten Landes vom 13. Oktober 2009 hin jegliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Mitarbeiterin unterlassen hat. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger den Wunsch einer anderen Mitarbeiterin, ihre Privatsphäre zu respektieren, künftig wiederum solange missachten wird, wie ihn das beklagte Land nicht auffordert, ihm nachzukommen.

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II. Die angegriffene Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig oder sonst zur Endentscheidung reif. Ob die Kündigung des beklagten Landes vom 13. November 2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, kann noch nicht beurteilt werden.

31

1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob dem beklagten Land unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Weiterbeschäftigung des Klägers iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar war.

32

a) Der Kündigungssachverhalt ist bisher nicht umfassend festgestellt. Ob eine Abmahnung angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers und des im Jahr 2007 durchgeführten Beschwerdeverfahrens entbehrlich war, kann der Senat daher nicht abschließend würdigen. Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die nachfolgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.

33

b) Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin unter bewusster Missachtung ihres entgegenstehenden Willens im Betrieb oder im Zusammenhang mit der geschuldeten Tätigkeit beharrlich nach, ist dies an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an (vgl. § 238 StGB), sondern auf die mit diesem Verhalten verbundene Störung des Betriebsfriedens. In einem derartigen Verhalten liegt nicht nur eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, sondern zugleich eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Dieser hat die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter zu schützen. Ob das Nachstellen zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere vom Ausmaß und von der Intensität der Pflichtverletzung und deren Folgen - vor allem für die betroffenen Mitarbeiter -, einer etwaigen Wiederholungsgefahr und dem Grad des Verschuldens. Die für diese Würdigung relevanten Umstände sind deshalb festzustellen.

34

2. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - bislang nicht geprüft, ob das beklagte Land die Kündigungserklärungsfrist gemäß § 54 Abs. 2 BAT, § 626 Abs. 2 BGB, § 91 Abs. 5 SGB IX gewahrt und den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt hat. Sollte es bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis kommen, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung iSv. § 54 Abs. 1 BAT, § 626 Abs. 1 BGB bestand, wird es dies nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 2011 - 11 Sa 58/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die 1956 geborene Klägerin war seit Mai 1982 bei der Beklagten - einer Bank für Privatkunden - als Kundenbetreuerin tätig. Seit Dezember 2006 war sie in einer Filiale in R eingesetzt. Die Zweigstelle gehört zum Vertriebsbereich D, für den ein Betriebsrat gewählt ist. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 15 Wochenstunden.

3

Im Jahr 2009 mahnte die Beklagte die Klägerin dreimal ab. Zwei Abmahnungen wurden zwischenzeitlich - in einem Fall nach gerichtlicher Entscheidung, im anderen Fall aufgrund eines Vergleichs - aus deren Personalakte entfernt. Die dritte Abmahnung wurde von der Klägerin nicht gerichtlich angegriffen.

4

Am 17. März 2010 war die Klägerin an der Kasse eingesetzt, als zwei Kunden - wohl ein Ehepaar - die R Filiale betraten. Diese wollten ein aktuelles Festgeldangebot nutzen und wandten sich für eine Beratung an die Kundenbetreuerin K. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu Unstimmigkeiten. Die Kundenbetreuerin hatte wegen einer ungewöhnlichen Farbschattierung Zweifel an der Echtheit eines der beiden Personalausweise, die ihr zu Identifikationszwecken vorgelegt wurden. Gegen 13:00 bis 13:10 Uhr setzte der Filialleiter die Betreuung der Kunden fort und bat diese in sein Büro. Die Mitarbeiterin K trat ihre Mittagspause an und begab sich zunächst in einen angrenzenden Sozialraum. Dort traf sie die Klägerin und eine andere Kollegin an. Nachdem Frau K ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte, übergab ihr der Filialleiter Unterlagen aus dem Kundengespräch zur weiteren Bearbeitung. Beigefügt waren Fotokopien von zwei Ausweisdokumenten, die den Vermerk trugen, das Original habe vorgelegen.

5

Mit Schreiben vom 22. März 2010 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Meldung eines Verstoßes gegen Sicherheitsrichtlinien“ an die „Zentrale Revision“ der Beklagten. Sie teilte - auszugsweise - Folgendes mit:

        

„...   

        

ich zeige Ihnen hiermit einen schweren und vorsätzlichen Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinien der T und ggfls. gegen gesetzliche Richtlinien an.

        

Datum:

Mittwoch, 17.03.2010

        

Ort:   

Filiale R

        

Verursacher:

Filialleiter …

        

Tathergang:

        

... An dem besagten Tage war ich an der Kasse eingesetzt. …

        

… Dabei stellte sich heraus, dass der Kunde statt eines Bundespersonalausweises nur eine Kopie davon mit bei sich hatte. Als die Kollegin dies bemängelte, übernahm der Zweigstellenleiter diesen Fall und bat den Kunden in einen separaten Raum. … Dabei kam es zu dem eklatanten Verstoß gegen die Sicherheitsregel: Der Kunde konnte keinen gültigen Personalausweis vorlegen: Er hatte wohl eine Fotokopie bei der Hand.

        

Der Zweigstellenleiter kopierte die Kopie und soll eigenhändig den Vermerk aufgeschrieben haben, das Original habe vorgelegen.

        

Letzteres durch Aussage der mit dem Fall befassten Kollegin.

        

Es obliegt Ihnen, die Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten.

        

Zeugnis zur möglicherweise notwendigen Befragung: Kollegin … K“

6

Am 7. April 2010 wurde die Klägerin vom Personalreferenten der Beklagten zu dem Vorfall befragt. Sie sollte sich ua. dazu äußern, ob und inwieweit sie von der Kasse aus habe erkennen können, dass es sich um einen „falschen“ Ausweis gehandelt habe. Sie gab an, diese Beobachtung habe ihre Kollegin gemacht. Die gleichfalls befragte Mitarbeiterin K führte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 16. April 2010 aus, der männliche Kunde habe auf ihre Bitte, sich zu legitimieren, verärgert und „offensichtlich ertappt“ reagiert. Auf ihren Versuch, die Ausweise zu kontrollieren, sei sie von beiden Kunden „in lautem, unverschämten Ton“ „angepöbelt“ worden. Dem Filialleiter, der daraufhin das Beratungsgespräch fortgeführt habe, seien die Papiere ebenfalls auffällig vorgekommen.

7

Am 30. April 2010 hörte die Beklagte den Filialleiter, der in der Zeit vom 23. März 2010 bis zum 12. April 2010 urlaubsabwesend war, zu den Vorwürfen an. Dieser erklärte, er habe die Ausweise unter einer im Kassenbereich angebrachten UV-Lampe überprüft. Dabei und bei der Datenaufnahme im Kundensystem habe er keine Unregelmäßigkeiten feststellen können.

8

Am 24. Juni 2010 unterhielten sich zwei Vertreter der Beklagten - darunter der Personalreferent - mit der Klägerin über das sich stetig verschlechternde Arbeitsklima in der Filiale. Dabei kam erneut die Anzeige vom 22. März 2010 zur Sprache. Diesbezüglich wurde ein weiteres Personalgespräch für den 13. Juli 2010 verabredet. Am 25. Juni 2010 fasste die Mitarbeiterin K auf Bitten der Beklagten nochmals die Vorgänge vom 17. März 2010 zusammen. Sie gab an, nach „Übernahme“ der Kunden durch den Filialleiter - „aufgeregt und erschrocken darüber“, dass dieser ihr in einer „so kniffligen Situation“ in den Rücken gefallen sei - „in die Küche“ gelaufen zu sein. Gegenüber ihren dort bereits anwesenden Kolleginnen - darunter die Klägerin - habe sie geäußert, die Kunden seien ihr „auf Anhieb komisch“ vorgekommen. Einer der Ausweise habe „so komisch“ ausgesehen als wäre er nicht echt; sie habe diesen nicht geprüft und wisse auch nicht, ob der Filialleiter, der die Kunden jetzt bediene, „das noch mache“. Sie habe nichts mehr mit dem Fall zu tun.

9

Am 26. Juni 2010 erhielt die Klägerin eine förmliche Einladung mit Tagesordnung zu dem anstehenden Gespräch. Mit E-Mail vom 28. Juni 2010 schrieb sie dem Personalreferenten, die Frage nach ihrer Motivation für die Anzeige vom 22. März 2010 habe in ihr „tiefste Zweifel“ ausgelöst. Das sei doch ihre „heiligste Pflicht“ gewesen. Sie habe eigentlich „Anerkennung für Pflichterfüllung … erwartet“. Sie habe bereits vorgehabt nachzufragen, ob die Sache nicht verfolgt würde oder „im Sande verlaufen sei“. Dies werde sie nunmehr „in Richtung Geschäftsführung/Zentralrevision“ erfragen.

10

Die Beklagte zog daraufhin das Personalgespräch auf den 2. Juli 2010 vor. An ihm nahmen neben einer weiteren Person der Personaldirektor der Beklagten, der Direktor „Human Resources Arbeitsrecht und Mitbestimmung“ und ein Mitglied des Betriebsrats teil. Der Klägerin wurde unter Fristsetzung aufgegeben, sich abschließend schriftlich zu dem Geschehen am 17. März 2010 zu äußern. Nach Eingang der Erklärung wollte die Beklagte über mögliche „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ entscheiden. Die am 4. Juli 2010 verfasste und an die vorgenannten Direktoren der Beklagten adressierte Stellungnahme der Klägerin ging am 5. Juli 2010 auf einem allgemein zugänglichen Faxgerät der Filiale R ein. Parallel leitete die Klägerin die Erklärung allen Gesprächsteilnehmern vom 2. Juli 2010 und der Geschäftsleitung der Beklagten zu. Ihrer Kollegin K und einer weiteren Filialmitarbeiterin überreichte sie jeweils eine Abschrift. Inhaltlich verwahrte sie sich gegen den Vorwurf, in ihrer Anzeige falsche Angaben gemacht zu haben. Sie führte aus, eine bankinterne Überprüfung des verdächtigen Ausweises sei während ihrer Anwesenheit unterblieben. Weiter schrieb sie: „Obwohl Sie die Ankündigung eines Verfahrens wegen ‚übler Nachrede‘ wohl eher als Drohung verstanden wissen wollten, bin ich mit einem Strafverfahren nach § 186 StGB mehr als einverstanden. … Ich bedanke mich für den … vorgeschlagenen Weg der externen Klärungsmöglichkeit und erwarte nunmehr Ihre angekündigte Anzeige wegen übler Nachrede innerhalb eines angemessenen Zeitraums …“

11

Die Beklagte forderte die Klägerin auf, die Behauptung, ihr sei mit einer Strafanzeige gedroht worden, unter Richtigstellung des Sachverhalts zu widerrufen. Mit E-Mail vom 6. Juli 2010 erklärte diese, die Worte „üble Nachrede“ seien von Vertretern der Beklagten in den Raum gestellt worden. In Ermangelung eines gemeinsamen Gesprächsprotokolls sei sie aber bereit, einzelne Darstellungen in der Sache oder der Tendenz nach zu revidieren, falls der Beklagten diese als falsch erschienen.

12

Am Folgetag stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit „sozialer Auslauffrist“ zum 31. März 2011.

13

Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Sie habe nicht bewusst falsche Anschuldigungen gegen den Filialleiter erhoben. Vielmehr habe sie über einen Vorfall berichtet, den die Beklagte bis zuletzt nicht vollständig aufgeklärt habe. Etwas anderes sei auch nicht ihrer im Vorprozess abgegebenen Erklärung zu entnehmen, sie habe „schon einige Filialleiter der Beklagten kommen und gehen sehen“ und werde auch den derzeitigen „aussitzen“. Sie habe sich durch die in kurzer zeitlicher Folge erteilten Abmahnungen unberechtigt angegriffen gefühlt und überreagiert. Ebenso wenig sei die Kündigung wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Stellungnahme vom 4. Juli 2010 gerechtfertigt. Während des Gesprächs am 2. Juli 2010 habe sie den Eindruck gewonnen, die Beklagte beabsichtige, sie wegen vermeintlich übler Nachrede anzuzeigen. Sie sei weiterhin bereit, die Aussage, ihr sei ein Strafverfahren „angedroht“ worden, zu korrigieren.

14

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 31. März 2011 aufgelöst worden ist.

15

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Die Klägerin habe den Filialleiter im Schreiben vom 22. März 2010 sinngemäß eines Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz bezichtigt. Dabei habe sie den Eindruck vermittelt, der beschriebene „Tathergang“ sei Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, obwohl die Anschuldigungen tatsächlich auf reinen Mutmaßungen beruhten. Am 7. April 2010 habe sie erklärt, mit Sicherheit ausschließen zu können, dass der Filialleiter die Ausweise vorschriftsmäßig geprüft habe. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass auch ihre als Zeugin benannte Kollegin den Vorfall nicht durchgängig beobachtet habe. In den nachfolgenden Gesprächen habe sie unverändert an ihrem Standpunkt festgehalten. Erstmals mit ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 habe sie ihre Behauptungen auf die Zeit ihrer Anwesenheit beschränkt. Allerdings habe sie zugleich unzutreffend und wider besseres Wissen behauptet, ihr sei in dem vorausgegangenen Personalgespräch durch Vertreter der Beklagten mit einer Strafanzeige gedroht worden. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten grob verletzt. Ihre falschen Anschuldigungen habe sie gegenüber einem sich stetig vergrößernden Empfängerkreis wiederholt bzw. publik gemacht und keine Einsicht gezeigt. Damit habe sie das Ansehen des Filialleiters beschädigt und nachhaltig den Betriebsfrieden gestört. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis sei ihr - der Beklagten - unzumutbar. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.

16

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

17

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch mit Ablauf einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aufgelöst worden.

18

I. Die fristlose Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV) unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

19

1. Dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien zufolge fanden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken Anwendung. Gemäß § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV (in der maßgebenden, ab 22. April 2009 geltenden Fassung) sind Arbeitnehmer, die ihr 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören - vorbehaltlich im Streitfall nicht einschlägiger Ausnahmetatbestände - nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündbar. Die Regelung, deren persönliche Voraussetzungen die Klägerin im Kündigungszeitpunkt erfüllte, nimmt auf § 626 BGB Bezug(vgl. zu § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV in der ab 1. Oktober 1997 geltenden Fassung: BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 1 der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; allgemein zur Bedeutung des Begriffs „wichtiger Grund“ in Tarifverträgen: bspw. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA KSchG § 2 Nr. 80; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 9).

20

2. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, auf den Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen (BAG 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 34, BAGE 118, 104). Aus § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.

21

3. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

22

4. Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - aaO; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; zur ordentlichen Kündigung: 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).

23

5. Von diesen Grundsätzen geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Seine Auffassung, das Verhalten der Klägerin stelle schon keinen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund „an sich“ dar, ist revisionsrechtlich zumindest insoweit nicht zu beanstanden, wie es davon ausgeht, die Klägerin habe weder im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 22. März 2010 noch im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Personalgespräch vom 2. Juli 2010 bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt.

24

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Schreiben vom 22. März 2010 sei unschwer zu entnehmen, dass die Anschuldigungen nicht durchgängig auf eigener Wahrnehmung der Klägerin beruhten. Das gelte insbesondere für die durch Fettdruck hervorgehobene Behauptung, hinsichtlich derer die Klägerin auf das Zeugnis der „mit dem Fall befassten Kollegin“ verwiesen habe. Spätestens aufgrund der anschließenden Befragungen habe der Beklagten klar sein müssen, dass weder die Klägerin noch die benannte Kollegin aus eigener Wahrnehmung hätten angeben können, der Filialleiter habe die erforderliche Kontrolle nicht vorgenommen. Verbleibende Zweifel habe die Beklagte durch eine persönliche Gegenüberstellung der Klägerin und des Filialleiters ausräumen können, was unterblieben sei. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, dass die Anschuldigungen, was die behaupteten Versäumnisse des Filialleiters im Rahmen der Legitimationsprüfung anbelange, unrichtig seien. Eine mögliche und zumutbare Befragung der Kunden sei nicht erfolgt. Was die Äußerungen der Klägerin im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 betreffe, sei nicht auszuschließen, dass sie die ihr gemachten Vorhaltungen als - konkludente - Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige missverstanden habe.

25

b) Die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind nach § 286 ZPO nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht von den zutreffenden Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Gemessen daran zeigt die Beklagte keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf.

26

aa) Soweit die Wertung des Landesarbeitsgerichts auf einer Auslegung der Erklärungen im Schreiben vom 22. März 2010 beruht, ist diese möglich. Die Klägerin beschrieb in ihrer „Anzeige“ einen Sachverhalt, für den sie sich im maßgebenden Punkt - dem behaupteten Verstoß gegen Sicherheitsrichtlinien bei der Legitimationsprüfung von Ausweispapieren - auf die Aussage einer Arbeitskollegin berief. Außerdem überließ sie es ausdrücklich weiteren Ermittlungen der Beklagten, die „Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten“. Das lässt nicht - schon gar nicht zwingend - den Schluss zu, die Klägerin habe behaupten wollen, ihre Angaben beruhten insgesamt auf eigener Wahrnehmung. Ebenso wenig ist dem Schreiben mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, die Klägerin habe bewusst den - falschen - Eindruck erweckt oder erwecken wollen, unmittelbare Wahrnehmungen ihrer Kollegin K wiederzugeben. Gegen eine solche Interpretation als einzig mögliche Deutung spricht, dass die Klägerin für eine „möglicherweise notwendige“ Befragung auf das Zeugnis der betreffenden Mitarbeiterin verwies. Ein verständiger Empfänger der „Anzeige“ musste angesichts dieser Angaben in Rechnung stellen, dass die Klägerin lediglich Umstände beschrieb, die sie zwar nicht selbst kannte, von denen sie aber annahm, sie aufgrund greifbarer Anhaltspunkte vermuten zu dürfen.

27

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einschließlich der ihr zugrunde liegenden Auslegung lässt, anders als die Revision meint, nicht den Inhalt der nachfolgend geführten Personalgespräche außer Acht. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin bei den Unterredungen am 7. April 2010, am 24. Juni 2010 und am 2. Juli 2010 jeweils an ihrer Anschuldigung festgehalten hat, der Filialleiter habe die Ausweise nicht wie vorgeschrieben überprüft. Auch dies ist kein evidentes, vernünftige Zweifel ausschließendes Indiz dafür, dass die Klägerin behaupten wollte, sie selbst habe dies beobachtet. Trotz der allgemein gehaltenen Formulierung kann den Umständen nach nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihre Aussage in der Annahme, dies sei der Beklagten klar, stillschweigend auf Zeiten ihrer Anwesenheit im Verkaufsraum der Filiale bezogen hat. Dafür sprechen jedenfalls ihre klarstellenden Ausführungen in der Stellungnahme vom 4. Juli 2010. Überdies konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagten ihr zeitweiliger Aufenthalt im Sozialraum bzw. der Küche bekannt war. Selbst wenn die Erklärung so zu verstehen sein sollte, die Klägerin habe behaupten wollen, der Filialleiter habe die fragliche Prüfung zu keiner Zeit, auch nicht während der Zeit ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz vorgenommen, folgte daraus nicht - zumindest nicht zwingend -, dass sie bewusst über den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung oder den der Beobachtungen ihrer Kollegin zu täuschen versucht hätte. Ebenso gut kann es sein, dass sie - im Sinne einer wertenden Schlussfolgerung - auf der Grundlage der Angaben ihrer Kollegin zum äußeren Erscheinungsbild der Ausweise und dem Verhalten der Kunden zu dem Ergebnis gelangt ist, die vorgeschriebene Überprüfung der Ausweise könne nicht wirklich stattgefunden haben.

28

cc) Die Beklagte zeigt keinen materiellen Rechtsfehler auf, soweit sie sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, sie habe den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen nicht hinreichend aufgeklärt, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, die Behauptungen der Klägerin seien unwahr. Damit hat das Landesarbeitsgericht weder grundlegend die Darlegungs- und Beweislast verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an den Vortrag der Beklagten gestellt. Diese ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (zur Darlegungslast bezüglich behaupteter Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe: BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13). Es war somit grundsätzlich Sache der Beklagten, die Unwahrheit der Behauptungen der Klägerin darzutun, dh. aufzuzeigen, dass eine hinreichende Legitimationsprüfung stattgefunden hat. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es an Anhaltspunkten für ein - mögliches - pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters gänzlich gefehlt hätte, kann dahinstehen. So liegt der vorliegende Fall nicht. Die Klägerin hat ihre Vorwürfe nicht vollkommen „aus der Luft gegriffen“. Vielmehr stritten gewisse, wenngleich nicht zwingende Verdachtsmomente dafür, dass es sich bei einem der beiden Ausweispapiere nicht um ein echtes Dokument handelte. Wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, die Erklärung des Filialleiters, er habe die Ausweise unter der UV-Lampe im Kassenbereich geprüft, sei für sich genommen noch kein ausreichendes Indiz für die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien, ist dies jedenfalls vertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte es unterlassen hat, ihre Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine solche Möglichkeit bestand objektiv in der Befragung der Kunden, von denen die Papiere stammten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch bei vorsichtig formulierter Nachfrage mit einer konkreten Gefährdung der Geschäftsbeziehung hätte rechnen müssen und ihr deshalb eine weitere Aufklärung unzumutbar gewesen wäre, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Da sich schon aus dem Unterlassen einer Nachfrage bei den Kunden ergibt, dass die Beklagte ihre Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, kann dahinstehen, ob überdies eine persönliche „Gegenüberstellung“ der Klägerin und des Filialleiters angezeigt war, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat.

29

dd) Die Beklagte bringt vor, das Landesarbeitsgericht habe auf der Grundlage seiner Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, die Behauptung der Klägerin, ihr sei im Personalgespräch am 2. Juli 2010 mit einer Strafanzeige gedroht worden, beruhe auf einem Missverständnis. Insbesondere böten die Erklärungen der Klägerin in der E-Mail vom 6. Juli 2010 dafür keinen genügenden Anhaltspunkt. Damit zeigt die Beklagte keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Sie will nur ihre eigene Bewertung der fraglichen individuellen Äußerungen an die Stelle einer zumindest vertretbaren Würdigung des Landesarbeitsgerichts setzen.

30

ee) Mit ihren Verfahrensrügen dringt die Revision nicht durch.

31

(1) Soweit die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es von der Zumutbarkeit einer Befragung des Kundenehepaars ausgehe, ist ihr Angriff unzulässig. Wird gerügt, das Berufungsgericht sei seiner richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO)nicht nachgekommen, muss der Rechtsmittelführer ua. im Einzelnen angeben, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss nachgeholt werden. Mit der Verfahrensrüge muss er für die erforderliche Schlüssigkeit bzw. Substantiierung seines Vortrags sorgen (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 39, AP BetrAVG § 7 Nr. 111 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 27). Darüber hinaus muss er die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung der Hinweispflicht dartun (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen - erheblichen - Vortrag sie im Hinblick auf den vermissten Hinweis hin geleistet und zu welchem entscheidungserheblichen Gesichtspunkt sie die Kunden als Zeugen benannt hätte.

32

(2) Die Beklagte beanstandet weiter, das Landesarbeitsgericht habe es ohne Begründung unterlassen, ihren unter I 2.1 bis 2.4 der Revisionsbegründung näher bezeichneten Beweisangeboten nachzugehen. Dadurch habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßen. Das trifft nicht zu.

33

(a) Die Rüge ist unzulässig, soweit die Beklagte meint, die Vernehmung einer weiteren namentlich genannten Filialmitarbeiterin hätte „zur Widerlegung der falschen Behauptungen der Klägerin beitragen können“. Es fehlt an der Darlegung, im Hinblick auf welche Tatsachen sie sich in welchem Schriftsatz auf das Zeugnis der betreffenden Arbeitnehmerin berufen hatte (zu den Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines Beweisantritts: vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 20, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Entsprechendes gilt für die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe es versäumt, die Teilnehmer des Gesprächs vom 2. Juli 2010 (nicht: 2011) zum Inhalt der Äußerungen ihrer Vertreter zu hören. Die Beklagte zeigt nicht auf, wo genau ihr vermeintlich übergangener Beweisantritt in den vorinstanzlichen Schriftsätzen zu finden sein soll und auf welchen dort gehaltenen Vortrag er sich bezieht.

34

(b) Die weiteren Angriffe der Revision sind - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, dass die Klägerin noch im Gespräch vom 2. Juli 2010 an ihren Anschuldigungen gegenüber dem Filialleiter festgehalten hat. Den Inhalt der Stellungnahmen der Mitarbeiterin K hat es für unstreitig erachtet. Es brauchte deshalb den vermeintlich übergangenen Beweisantritten nicht nachzugehen.

35

(3) Dem Berufungsurteil sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wäre, die Klägerin habe objektiv die Möglichkeit gehabt zu beobachten, ob der Filialleiter eine Überprüfung der Echtheit der Personalausweise mittels UV-Lampe vorgenommen habe. Ebenso wenig enthält es tatbestandliche Feststellungen, die den Ausführungen der Beklagten zu einem Aufenthalt der Klägerin und ihrer Kolleginnen im Sozialraum während der Mittagspause widersprechen. Soweit die Beklagte beanstandet, entgegen den Feststellungen im Berufungsurteil habe ihr Filialleiter seinen Urlaub nicht am 23. März 2010, sondern bereits am 22. März 2010 angetreten, fehlt es an der Darlegung, wo genau der betreffende Vortrag zu finden sein soll. Darüber hinaus fehlt es - auch unter Berücksichtigung der offenbar postalisch erfolgten Übermittlung der „Anzeige“ der Klägerin vom 22. März 2010 - an der Darlegung, inwieweit der Zeitpunkt des Urlaubsantritts entscheidungserheblich war. Aus diesen Gründen greift auch die Erwägung der Beklagten nicht, bei Urteilszustellung binnen der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO wäre ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung möglich gewesen.

36

6. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Klägerin, auch wenn sie nicht bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben mag, ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB)dadurch verletzt hat, dass sie ihre Anschuldigungen nicht vorsichtiger vorgebracht, sondern ohne weitere Prüfung die rechtliche Schlussfolgerung eines „schweren und vorsätzlichen Verstoßes“ gegen Sicherheitsrichtlinien und ggf. „gesetzliche Richtlinien“ gezogen hat. Ebenso wenig hat es sich auf der ersten Prüfungsstufe des wichtigen Grundes mit der Frage befasst, ob die Klägerin ihre „Anzeige“ in der vorrangigen Absicht erstattet hat, ihrem Vorgesetzten zu schaden oder sich an diesem für die aus ihrer Sicht unberechtigten Abmahnungen zu rächen. Für eine solche Motivation könnte der Umstand sprechen, dass sie nicht das Gespräch mit dem Filialleiter gesucht hat. Überdies lassen ihre Ausführungen in der E-Mail vom 28. Juni 2010 eine erhebliche Belastungstendenz erkennen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, in einem solchen Verhalten „an sich“ einen wichtigen Grund zur Kündigung zu erkennen.

37

a) Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 107, 36). Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen(EGMR 21. Juli 2011 - 28274/08 - [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus.

38

b) Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher „Anzeigen“ zu übertragen. Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss ein Arbeitnehmer bei der Mitteilung vermeintlicher Missstände im Betrieb angemessen auf Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitskollegen und Vorgesetzten Rücksicht nehmen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens.

39

c) Die damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen bedürfen im Streitfall keiner vertieften Erörterung. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung erweise sich zumindest im Rahmen einer ggf. vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung und Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

40

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., zuletzt bspw. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 43, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

41

bb) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind - neben der hier ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung - auch Abmahnung und Versetzung anzusehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309). Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung künftiger Störungen - zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37).

42

cc) Dem Berufungsgericht kommt bei der Einzelfallprüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO). Daran gemessen liegt kein Abwägungsfehler des Landesarbeitsgerichts vor. Es hat die Kündigung - hinsichtlich beider Kündigungssachverhalte - als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin vorrangig abzumahnen. Damit hat das Landesarbeitsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht verletzt. Die in Rede stehenden Pflichtverletzungen der Klägerin wiegen nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Ebenso wenig liegen Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, auch ohne Abmahnung sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.

43

(1) Den Nachweis falscher Tatsachenbehauptungen hat die Beklagte nicht geführt. Die Anschuldigungen der Klägerin betreffend ein pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters mögen auf „dürftigen“ Verdachtsmomenten beruht haben. Gleichwohl hat die Klägerin sie nicht „ins Blaue hinein“ erhoben. Ihre Pflicht zur Diskretion hat sie zumindest insofern gewahrt, als sie sich an die „Zentrale Revision“ der Beklagten gewandt hat. Selbst wenn die Klägerin - weil sie eine Pflichtverletzung allenfalls vermuten konnte - lediglich einen Verdacht hätte äußern dürfen, musste sie doch ihre Bedenken gegen ein ordnungsgemäßes Verhalten des Filialleiters nicht vollkommen zurückstellen. Einer damit möglicherweise verbundenen Pflichtverletzung der Klägerin hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive der Klägerin zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass sie sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen und ggf. genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Dies vermag der Senat, sollte das Landesarbeitsgericht diesen Aspekt bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht genügend berücksichtigt haben, selbst zu entscheiden.

44

(2) Eine Abmahnung war auch nicht mit Blick auf die Behauptung der Klägerin entbehrlich, ihr sei im Personalgespräch vom 2. Juli 2010 eine Strafanzeige wegen übler Nachrede angedroht worden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin das ihr von den Vorinstanzen zugutegehaltene Missverständnis bei genauerer Prüfung hätte vermeiden können. Ihr Irrtum wäre auch dann nicht bedeutungslos (vgl. dazu BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160). Überdies hat die Klägerin mit ihrer E-Mail vom 6. Juli 2010 eine gewisse Einsicht gezeigt. Dass das Arbeitsverhältnis vor diesem Hintergrund durch das in Rede stehende Fehlverhalten so stark belastet wäre, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens in ein künftig redliches Vorgehen der Klägerin selbst nach einer Abmahnung ausgeschlossen erschiene, ist nicht erkennbar.

45

(3) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Stellungnahme vom 4. Juli 2010 Personen zugänglich gemacht hat, die an dem vorhergehenden Personalgespräch nicht beteiligt waren. Unabhängig davon, ob darin eine Pflichtverletzung liegt, steht auch dies einem Abmahnungserfordernis nicht entgegen. Die Beklagte beruft sich auf eine tiefgreifende Störung des Betriebsfriedens. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge hat sie es aber versäumt aufzuzeigen, dass eine entsprechende Störung tatsächlich eingetreten wäre. Dessen hätte es bedurft, da die Darlegung der bloßen Möglichkeit einer Störung eine verhaltensbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe Vorbringen übergangen, zeigt sie nicht auf, wo genau sie welchen entscheidungserheblichen Vortrag zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geleistet haben will. Soweit sie einen richterlichen Hinweis vermisst, fehlt es an der Darlegung, was sie hierauf Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Schon aus diesen Gründen bleiben ihre Verfahrensrügen erfolglos.

46

(4) Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor. Die in der Personalakte verbliebene Abmahnung aus dem Jahr 2009 hatte - soweit ersichtlich - ein verspätetes Erscheinen der Klägerin zu einem Personalgespräch zum Gegenstand.

47

(5) Erweist sich die Kündigung wegen Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig, kann offenbleiben, ob die Beklagte vorrangig auch eine Versetzung der Klägerin hätte in Betracht ziehen müssen, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Einer Auseinandersetzung mit den hiergegen gerichteten Revisionsrügen bedarf es nicht.

48

II. Die hilfsweise zum 31. März 2011 erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gleichfalls unwirksam. Auch insoweit fehlt es an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV. Das Landesarbeitsgericht geht fehlerfrei davon aus, dass es dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte, die Klägerin vor Ausspruch einer Kündigung abzumahnen. Ohne eine solche Warnung war es der Beklagten nicht - weder bis zum Ablauf einer (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist noch auf Dauer - unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen. Schon aus diesem Grund kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Bestand haben (zur Problematik: vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18, 20, NZA 2013, 224).

49

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Gründe

1

Die Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts im Beschluss vom 2. Juli 2013 ist zurückzuweisen, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf, ob diese statthaft ist (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Oktober 2011 - 2 BvR 2674/10 -, juris, Rn. 17). Sie ist jedenfalls unbegründet. Die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 25.000 € ist angesichts der hohen Anforderungen an die Substantiierung einer Verfassungsbeschwerde nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG und auch angesichts der objektiven Bedeutung, die einem stattgebenden Beschluss im Regelfall zukommt, nicht zu beanstanden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. Juli 2011 - 9 Sa 1174/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. Juli 2010 - 14 Ca 17608/09 - als unbegründet zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Auflösungsantrag der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen im Bereich IT-Beratung und Systemintegration. Der Kläger ist bei ihr seit 2006 als Diplominformatiker/Softwareentwickler tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. In ihrem Betrieb besteht ein Betriebsrat.

3

Am 13. Mai 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, nachdem dieser die Teilnahme an einer Veranstaltung, die der Überprüfung seines Kenntnisstands in der Programmiersprache Java dienen sollte, verweigert hatte. Dagegen hat sich der Kläger - erfolglos - mit einer in einem Vorprozess erhobenen Klage gewandt.

4

Am 2. November 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung und Schlechterfüllung seiner Arbeitspflicht an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung. Mit Schreiben vom 12. November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich verhaltensbedingt zum 31. Dezember 2009.

5

Am 2. Dezember 2009 mahnte die Beklagte den Kläger ab, weil ein am 20. November 2009 übergebenes Programmierergebnis trotz Nachbearbeitung zahlreiche Fehler aufgewiesen habe. Am 11. Dezember 2009 erteilte sie ihm eine weitere Abmahnung wegen Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen.

6

Am 7. Dezember 2009 hörte sie den Kläger zum dringenden Verdacht des Arbeitszeitbetrugs an, nachdem dieser für den 4. Dezember 2009 unterschiedliche Angaben zu seinen Arbeitszeiten gemacht hatte.

7

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen Schlechtleistung außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010. Gleichzeitig stellte sie den Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit zwei Schreiben vom 28. Dezember 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - ebenfalls nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats - wegen Schlechtleistung und Arbeitszeitbetrugs außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010.

8

Am 1. Februar 2010 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte ein. Dem Gesuch, mit dem er die vorläufige Zahlung von Arbeitsentgelt begehrte, fügte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung bei. Dort heißt es:

        

„Seit 12.11.2009 werde ich mit insgesamt 7 (!) Arbeitgeberkündigungen bombardiert, denen der Betriebsrat jeweils widersprochen hat, soweit er angehört wurde.“

9

Im Termin übergab der Kläger eine weitere eidesstattliche Versicherung. Darin berichtigte er seine früheren Angaben dahingehend, dass der Betriebsrat den Kündigungen vom 28. Dezember 2009 nicht widersprochen habe.

10

Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 und vom 26. Februar 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos, hilfsweise ordentlich. Unter dem 22. März 2010 kündigte sie ein weiteres Mal fristlos.

11

Der Kläger bewarb sich als Kandidat für die Betriebsratswahl am 23. April 2010. Zusammen mit den übrigen Bewerbern seiner Liste verfasste und veröffentlichte er einen Wahlaufruf folgenden Inhalts:

        

„Wir danken

        

zunächst allen, die es uns mit ihrer Unterschrift möglich gemacht haben, zu dieser Wahl anzutreten. Lange war nicht klar, ob wir die nötige Zahl an Stützunterschriften zusammenbekommen würden, weil die Geschäftsführung versucht hat, uns mit Hausverboten am Sammeln der Unterschriften zu hindern und viele angesprochene Kolleginnen und Kollegen aus Angst vor persönlichen Nachteilen nicht unterschreiben wollten.

        

…       

        

Wir fordern,

        

dass die Einschüchterungen unverzüglich aufhören.

        

…       

        

Die Mobbing-Praxis, mit Hilfe von erfundenen Sachverhalten, willkürlichen Abmahnungen, und mit deren Hilfe ebensolche Kündigungen vorzubereiten und auszusprechen, muss endlich ein Ende finden! Bei der Neuorganisation des Bereichs T wurde mehrfach so vorgegangen, das ist völlig inakzeptabel! Wer sich weigert, einen Auflösungsvertrag zu unterschreiben, wird nach dem Prinzip ‚Wer nicht hört, muss fühlen‘ bestraft.

        

…       

        

Wir fordern deshalb,

        

…       

        

Schluss mit der Demütigung von Mitarbeiter/innen durch vertragsfremde Beschäftigung und untergeordnete Hilfstätigkeiten!“

12

Das Ergebnis der Betriebsratswahl wurde am 29. April 2010 bekannt gegeben. Der Kläger wurde nicht in den Betriebsrat gewählt.

13

Gegen die im Jahr 2009 erklärten Kündigungen hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Klage gewandt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, jedoch 7.667,00 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 31. Dezember 2009 aufzulösen.

14

Die Beklagte hat zur Begründung ihres - sich auf die ordentliche Kündigung vom 12. November 2009 beziehenden - Auflösungsantrags vorgebracht, aufgrund zahlreicher Pflichtverletzungen des Klägers sei eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien in Zukunft nicht mehr zu erwarten. Dessen falscher Vortrag im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die unzutreffende eidesstattliche Versicherung stellten einen Versuch des Prozessbetrugs dar. Der Kläger habe die Unrichtigkeit seiner Angaben zumindest billigend in Kauf genommen und dadurch das in seine Integrität gesetzte Vertrauen erheblich erschüttert. Ein weiterer Auflösungsgrund liege in den betriebsöffentlichen Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, die in dem Aufruf zur Betriebsratswahl 2010 enthalten seien. Der Kläger habe sich von den Aussagen trotz entsprechender Aufforderung nicht distanziert. Er verfüge auch nicht über die für eine gedeihliche Zusammenarbeit notwendige kritische Rollendistanz. Er werfe ihr grundlos „Mobbing“ vor, sehe selbst in einem von ihr in zweiter Instanz - erfolgreich - angebrachten Antrag auf Fristverlängerung und Verlegung eines Kammertermins einen Angriff auf seine wirtschaftliche Existenz und akzeptiere nicht einmal Weisungen, deren Berechtigung - wie im Fall der Weisung, die der Abmahnung vom 13. Mai 2009 zugrunde gelegen habe - rechtskräftig festgestellt sei.

15

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Der Auflösung des Arbeitsverhältnisses stehe bereits sein Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber entgegen. Auch seien keine Auflösungsgründe gegeben. Er sei weiterhin bereit, sich voll und ganz für das Unternehmen und die Belegschaft einzusetzen. Dies komme insbesondere durch seine Kandidatur bei der Betriebsratswahl 2010 zum Ausdruck. Der in diesem Zusammenhang verfasste Wahlaufruf stelle die Personalpolitik der Beklagten lediglich pointiert und wahrheitsgetreu dar. Im einstweiligen Verfügungsverfahren habe er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Unrichtigkeiten in seiner ursprünglichen eidesstattlichen Erklärung seien auf Missverständnisse zurückzuführen, die mit Sprachschwierigkeiten zusammenhingen.

16

Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung vom 12. November 2009, noch durch die fristlosen Kündigungen vom 18. und 28. Dezember 2009 aufgelöst worden ist. Zugleich hat es das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 2009 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 20.051,46 Euro brutto verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, den Auflösungsantrag abzuweisen. Im Übrigen ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht dem Auflösungsantrag der Beklagten nicht stattgeben. Das angefochtene Urteil war in diesem Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

18

I. Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20). An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen.

19

1. Auflösungsgründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 42, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 21, jeweils mwN).

20

2. Die Begründetheit eines Auflösungsantrags ist grundsätzlich nach den Umständen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorlagen. Auf deren Grundlage ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 41, BAGE 140, 47; 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 20). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem gemäß § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Zeitpunkt, jedoch vor Erlass des (Berufungs-)Urteils bereits geendet hat. In einem solchen Fall ist das Gericht zwar nicht an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses gehindert. Für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Zukunftsprognose ist aber nur der Zeitraum bis zum Eintritt der anderweitigen Beendigung zu berücksichtigen(BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 22 ff.).

21

3. Die Würdigung, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann aber nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag zutreffend erkannt und bei Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 43, BAGE 140, 47; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 33).

22

II. Einer solchen Prüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

23

1. Das Landesarbeitsgericht nimmt mit Recht an, die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger zwischenzeitlich besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG erlangt habe. Der Sonderkündigungsschutz führt, anders als die Revision meint, auch nicht dazu, dass Auflösungsgründe, die im geschützten Zeitraum entstanden sind, das Gewicht eines Kündigungsgrundes iSv. § 626 BGB erreichen müssten.

24

a) Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis eines Wahlbewerbers in der Zeit von der Aufstellung des Wahlvorschlags bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses nur aus wichtigem Grund und zudem nur unter Einhaltung des besonderen Verfahrens nach § 103 BetrVG gekündigt werden. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG kann das Arbeitsverhältnis des nicht gewählten Bewerbers bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses weiterhin nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

25

b) Die Regelungen schließen zugleich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers im Zusammenhang mit einer Kündigung aus, die in dem geschützten Zeitraum erklärt wird. Stellt das Gericht fest, dass eine in diesem Zeitraum erklärte außerordentliche Kündigung unwirksam ist, steht die Möglichkeit, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG ohnehin ausschließlich dem Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses lediglich im Zusammenhang mit einer unwirksamen ordentlichen Kündigung und auch insoweit nur beantragen, wenn die Kündigung nicht aus anderen Gründen als der Sozialwidrigkeit unwirksam ist (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 13; 28. August 2008 - 2 AZR 63/07 - Rn. 27, BAGE 127, 329). Das wiederum ist während des Bestehens des Sonderkündigungsschutzes wegen § 15 Abs. 1, Abs. 3 KSchG stets der Fall.

26

c) Hat der Arbeitgeber vor Eintritt des Sonderkündigungsschutzes eine - sozial nicht gerechtfertigte - ordentliche Kündigung erklärt und hierauf bezogen einen Auflösungsantrag gestellt und hat der Sonderkündigungsschutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet, kommt eine - entsprechende - Anwendung von § 15 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 KSchG, § 103 BetrVG nicht in Betracht. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Sonderkündigungsschutz zu dem nach § 9 Abs. 2 KSchG festzusetzenden Auflösungszeitpunkt, also bei Ablauf der Kündigungsfrist - hier dem 31. Dezember 2009 -, schon bestand, bedarf keiner Entscheidung. Dafür gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt. Zwar ist der genaue Zeitpunkt, zu dem der Wahlvorschlag für den Kläger aufgestellt war (zu den Voraussetzungen: vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 12 mwN), nicht festgestellt. Das Landesarbeitsgericht ist aber erkennbar davon ausgegangen, dass der Kläger erst im Jahre 2010 Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber erlangt hat. Etwas anderes hat auch keine der Parteien geltend gemacht.

27

aa) Soweit der Senat für einen Arbeitnehmer, der in den Personalrat gewählt worden war, entschieden hat, einem Auflösungsantrag, der auf einen nach der Wahl entstandenen Sachverhalt gestützt werde, könne nur stattgegeben werden, wenn dieser Sachverhalt geeignet sei, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben (BAG 7. Dezember 1972 - 2 AZR 235/72 - zu IX der Gründe, BAGE 24, 468; ebenso APS/Biebl 4. Aufl. § 9 KSchG Rn. 58; vHH/L/Linck 15. Aufl. § 9 Rn. 61; aA HaKo-KSchG/Fiebig 4. Aufl. § 9 Rn. 85; Hertzfeld NZA-RR 2012, 1), betraf dies - anders als hier - den Fall, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Auflösungsantrag noch Mandatsträger war. Auf eine solche Konstellation bezieht sich auch die im Schrifttum für den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes vertretene Auffassung, dass außerdem der Betriebsrat der Auflösung zugestimmt haben müsse, da andernfalls § 103 BetrVG umgangen werde(ErfK/Kiel 13. Aufl. § 9 KSchG Rn. 18; KR/Spilger 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 62; SES/Schwarze KSchG § 9 Rn. 64).

28

bb) Im Streitfall konnte eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zur Umgehung von § 15 Abs. 3 KSchG und § 103 BetrVG führen. Es bedurfte daher weder eines Sachverhalts, der zugleich geeignet gewesen wäre, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben, noch einer Zustimmung des Betriebsrats. Dies gilt auch, soweit der Auflösungsantrag auf während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte gestützt wird.

29

(1) Der besondere Kündigungsschutz des § 15 KSchG soll die Unabhängigkeit von Funktionsträgern gewährleisten. Er soll sicherstellen, dass sie ihre betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben ohne Furcht vor Repressalien seitens des Arbeitgebers ausführen können. Darüber hinaus dient er der Kontinuität der Arbeit der jeweiligen Arbeitnehmervertretung (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 13; KR/Etzel 10. Aufl. § 15 KSchG Rn. 9, 10; vHH/L/v. Hoyningen-Huene 15. Aufl. § 15 Rn. 1). In diesem Zusammenhang soll § 15 Abs. 3 KSchG die Durchführung der Wahl erleichtern. Insbesondere sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, nicht genehme Arbeitnehmer von der Wahl auszuschließen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 299/11 - Rn. 13; 7. Juli 2011 - 2 AZR 377/10 - Rn. 22). Die - zeitlich befristete - Ausdehnung des Sonderkündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Wahlergebnisses hinaus soll die „Abkühlung“ eventuell während der Wahl aufgetretener Kontroversen ermöglichen(BT-Drucks. VI/1786 S. 60).

30

(2) Hier hatte der Sonderkündigungsschutz des Klägers bei Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet. Er hatte zudem zum Zeitpunkt des möglichen Auflösungstermins noch nicht bestanden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses konnte daher weder die Tätigkeit des Klägers als Wahlbewerber noch die Kontinuität des betriebsverfassungsrechtlichen Organs beeinträchtigen.

31

(3) Der von § 15 Abs. 3 KSchG bezweckte Schutz der Unabhängigkeit des Wahlbewerbers verlangt in Fällen wie dem vorliegenden auch nicht danach, während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte entweder gar nicht oder nur dann als Auflösungsgrund zu berücksichtigen, wenn sie geeignet wären, einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.

32

(a) Der Amts- bzw. Funktionsträger iSd. § 15 KSchG ist außerhalb des Schutzzeitraums in kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht jedem anderen Arbeitnehmer ohne betriebsverfassungsrechtliches Mandat gleichgestellt. Nach Ablauf des Nachwirkungszeitraums kann eine ordentliche Kündigung deshalb auch auf solche Pflichtverletzungen gestützt werden, die der Arbeitnehmer während der Schutzfrist begangen hat. Das gilt uneingeschränkt jedenfalls für Handlungen, die in keinem Zusammenhang zur Wahlbewerbung stehen (vgl. BAG 13. Juni 1996 - 2 AZR 431/95 - zu II 1 e der Gründe). Für die Heranziehung entsprechender Sachverhalte als Auflösungsgrund kann nichts anderes gelten.

33

(b) Stehen die behaupteten Tatsachen, die die Auflösung begründen sollen, mit der Kandidatur in Verbindung, ist der Arbeitnehmer hinreichend geschützt, wenn dieser Aspekt bei der materiellen Bewertung des geltend gemachten Auflösungsgrundes angemessen Berücksichtigung findet. Wirkt sich der fragliche Umstand etwa - wie bei der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten des Wahlbewerbers - ausschließlich im kollektiven Bereich aus, liegt von vornherein kein tragfähiger Auflösungsgrund iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor. Im anderen Fall muss berücksichtigt werden, dass Arbeitnehmer durch die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Funktionen leichter mit ihren arbeitsvertraglichen Pflichten in Konflikt geraten können. Es bedarf deshalb im Rahmen von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG einer genauen Prüfung, welche Bedeutung das im geschützten Zeitraum eingetretene Ereignis nach dem Auslaufen des Sonderkündigungsschutzes für die zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien tatsächlich hat.

34

2. Auch ausgehend von diesem rechtlichen Rahmen durfte das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Das gilt unabhängig von der Frage, ob das Gericht in Anbetracht der zum 31. März 2010 erklärten ordentlichen Kündigungen vom 28. Dezember 2009 und weiterer, dem Kläger nach dem in Rede stehenden Auflösungstermin zugegangener Kündigungen vom richtigen Prognosezeitraum ausgegangen ist.

35

a) Als Auflösungsgrund grundsätzlich geeignet sind Beleidigungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen. Auch bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen können - etwa wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen - die Rechte eines Arbeitgebers in gravierender Weise verletzen und eine gedeihliche künftige Zusammenarbeit in Frage stellen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22). Der Arbeitnehmer kann sich dafür nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Falsche Tatsachenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst(BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19). Äußerungen, die ein Werturteil enthalten, fallen hingegen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 18; 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21). In diesem Fall ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegen die betroffenen Grundrechte des Arbeitgebers abzuwägen und mit diesen in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen. Im Rahmen der Abwägung fällt die Richtigkeit des Tatsachengehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19; 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1). Meinungsäußerungen, die auf einer gesicherten Tatsachenbasis beruhen, hat der Arbeitgeber eher hinzunehmen, als solche, bei denen sich der Arbeitnehmer auf unzutreffende Tatsachen stützt.

36

b) Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich ggf. auch überspitzt oder polemisch äußern (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312). Die Meinungsfreiheit muss jedoch regelmäßig dann zurücktreten, wenn sich das in der Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik erweist (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 23; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 93, 266). Das gilt auch bei der Teilnahme an einer Betriebsratswahl. Der Arbeitgeber muss nicht deshalb Beleidigungen oder Schmähungen hinnehmen, weil ein Arbeitnehmer damit Stimmen für seine Kandidatur gewinnen will (ähnlich BAG 17. Februar 2000 - 2 AZR 927/98 - zu II 3 b der Gründe). Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die den Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - aaO; BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, aaO; BGH 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - zu II 4 a der Gründe).

37

c) Soweit in einem laufenden Gerichtsverfahren - etwa im Kündigungsschutzprozess - Erklärungen abgegeben werden, ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12). Parteien dürfen zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Parteien dürfen nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - aaO mwN).

38

d) Gemessen daran trägt die bisherige Begründung des Berufungsurteils die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe mit dem Wahlaufruf unzutreffende Behauptungen im Betrieb verbreitet, welche das „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ der Beklagten verletzten. Er habe damit seine gegenüber der Beklagten bestehenden Pflichten zur Rücksichtnahme in einem Umfang verletzt, der eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lasse. Bei dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit verkannt.

40

(1) Für die Frage, ob und in welcher Weise in Fällen wie diesem die betroffenen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind, ist maßgebend, ob die fragliche Äußerung als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist. Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert. Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21; 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - zu B II 1 b der Gründe, BVerfGE 90, 241). Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich entscheidend nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht (zum Ganzen: BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 1 BvR 527/13 - Rn. 18).

41

(2) Danach handelt es sich bei der im Wahlaufruf - sinngemäß - enthaltenen Aussage, die Beklagte betreibe „Mobbing“, indem sie auf der Grundlage erfundener Sachverhalte willkürliche Abmahnungen und Kündigungen ausspreche, nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die Vorwürfe des „Mobbings“ und der „Willkür“ als solche sind erkennbar das Ergebnis einer wertenden Betrachtung. Der Hinweis, die Beklagte spreche Abmahnungen und Kündigungen „auf der Basis erfundener Sachverhalte“ aus, stellt keine - isolierte - Tatsachenbehauptung dar. Die Äußerung bildet lediglich die tatsächliche Grundlage für das Werturteil und ist daher mit der Meinungsäußerung untrennbar verbunden. Die im Wahlaufruf enthaltenen Äußerungen fallen damit sämtlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und hätten mit den ggf. betroffenen Grundrechten der Beklagten - insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG(vgl. BVerfG 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25 mwN) - in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden müssen. Dies hat das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - unterlassen.

42

(3) Die Meinungsfreiheit des Klägers muss nicht deshalb zurücktreten, weil die Inhalte des Wahlaufrufs als bloße Diffamierung anzusehen wären. Bei den Äußerungen stand nicht eine Schmähung oder Beleidigung der Beklagten oder ihrer Repräsentanten, sondern die - wenngleich überspitzte und polemische - Darstellung der betrieblichen Verhältnisse zum Zwecke des laufenden Betriebsratswahlkampfs im Vordergrund. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Kläger nach dem Ende des Wahlkampfs an seinen Äußerungen festgehalten hat. Damit hat er - anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht seine Meinungsäußerung in der Betriebsöffentlichkeit aufrechterhalten, sondern im Rahmen des Rechtsstreits seinen Standpunkt - bezogen auf ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten - verteidigt und damit berechtigte eigene Interessen wahrgenommen.

43

bb) Auch die Berücksichtigung der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als Auflösungsgrund ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat den vorgetragenen Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt. Es hat die - unstreitige - Tatsache, dass der Kläger seine Versicherung bereits wenige Tage später korrigierte, nicht in seine Erwägungen einbezogen. Hätte es diesen Umstand berücksichtigt, hätte es nicht ohne Weiteres annehmen können, der Kläger werde es auch in Zukunft „mit der Wahrheit nicht so genau nehmen“.

44

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht einen Auflösungsgrund in der mangelnden Bereitschaft des Klägers erblickt hat zu akzeptieren, dass die Beklagte ihm am 13. Mai 2009 eine - wie durch rechtskräftiges Urteil bestätigt - rechtmäßige Weisung erteilt habe, ist nicht erkennbar, von welchen Tatsachen es dabei ausgegangen ist. Dass der Kläger die entsprechende Weisung auch nach Abschluss des wegen der Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte geführten Rechtsstreits nicht befolgt hätte, hat es nicht festgestellt. Aus einem möglichen Fehlen der inneren Akzeptanz auf Seiten des Klägers ergeben sich - soweit ersichtlich - keine negativen Auswirkungen für die weitere Zusammenarbeit.

45

dd) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien sei deshalb nicht zu erwarten, weil sich der Kläger selbst durch Terminverlegungsanträge des Prozessbevollmächtigten der Beklagten angegriffen fühle und dieser unterstelle, sie dienten nur dazu, ihn auf unzulässige Weise unter Druck zu setzen und ihn existenziell zu ruinieren, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das gilt gleichermaßen für die Annahme, der Kläger sei, wie der wiederholte Vorwurf des „Mobbings“ zeige, nicht in der Lage, „das Handeln des Arbeitgebers in einem auch nur halbwegs objektiven Licht zu sehen“. Das Landesarbeitsgericht hat außer Acht gelassen, dass die Äußerungen im Rahmen eines kontrovers geführten Rechtsstreits gefallen sind. In einem solchen „Kampf um das Recht“ war dem Kläger auch die Behauptung möglicherweise ehrverletzender Tatsachen erlaubt, soweit es aus seiner Sicht darauf ankommen konnte (vgl. BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 29). Das war hier der Fall. Der Kläger wollte auf diese Weise ersichtlich nur seine subjektive Wahrnehmung schildern, um seiner Rechtsauffassung besonderen Nachdruck zu verleihen.

46

III. Ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Es fehlt an den erforderlichen Feststellungen. Die Sache war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

47

1. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Äußerungen im Wahlaufruf keine Abwägung zwischen dem Grundrecht des Klägers auf freie Meinungsäußerung und betroffenen Grundrechten der Beklagten oder ihrer Repräsentanten vorgenommen. Dies hat es nachzuholen. Dabei wird es genau prüfen müssen, in welchen eigenen Rechtspositionen sich die Beklagte als verletzt sieht und ob diese grundrechtlichen Schutz genießen (vgl. dazu BVerfG 8. September 2010 - 1 BvR 1890/08 - Rn. 25). Bei dieser Abwägung wird auch der Wahrheitsgehalt der Tatsachen zu ermitteln sein, die der Meinungsäußerung nach dem Vorbringen des Klägers zugrunde liegen. Dabei sind - anders als das Landesarbeitsgericht bislang angenommen hat - nicht nur ganze „Sachverhaltskomplexe“ zu berücksichtigen. Auch wenn sich - ggf. nach einer Beweisaufnahme - nur einzelne Tatsachen als unzutreffend herausstellen sollten, auf die die Beklagte Abmahnungen und/oder Kündigungen gestützt hat, wäre dies im Rahmen der Gesamtabwägung zugunsten des Klägers zu gewichten.

48

2. Für die Würdigung, ob die Äußerungen im Wahlaufruf geeignet sind, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, wird das Landesarbeitsgericht zudem zu prüfen haben, ob die Gefahr einer Wiederholung besteht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist eine solche nicht erkennbar. Die Betriebsratswahl ist abgeschlossen, der Kläger hat die Funktion des Wahlbewerbers nicht mehr inne. Dass künftig dennoch mit gleichen oder ähnlichen Meinungsäußerungen zu rechnen ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

49

3. Sollte das Landesarbeitsgericht in der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung auch unter Berücksichtigung ihrer nachträglichen Korrektur weiterhin einen möglichen Auflösungsgrund sehen, wird es noch festzustellen haben, ob dem Kläger insoweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Diese Unterscheidung ist entscheidungserheblich. Fahrlässigkeit wird die Beklagte in diesem Zusammenhang eher hinzunehmen haben als Vorsatz.

50

4. Gelangt das Landesarbeitsgericht - ggf. unter Einbeziehung weiteren Sachvortrags der Beklagten - erneut zu dem Ergebnis, es lägen „an sich“ geeignete Auflösungsgründe vor, wird es zu prüfen haben, von welchem Prognosezeitraum auszugehen ist. Zwar steht - soweit ersichtlich - nicht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer der weiteren Kündigungen der Beklagten nach dem 31. Dezember 2009 geendet hat. Darauf kommt es aber nicht an. Ist der Eintritt einer anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar möglich, steht er aber nicht mit Gewissheit fest, muss das zur Entscheidung über den Auflösungsantrag berufene Gericht ggf. eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit eines solchen Eintritts treffen und daran die Prüfung nach § 9 KSchG ausrichten(vgl. BAG 11. Juli 2013 - 2 AZR 241/12 - Rn. 18; 27. April 2006 - 2 AZR 360/05 - Rn. 29, BAGE 118, 95). Stellt sich heraus, dass das Arbeitsverhältnis aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Termin der mündlichen Verhandlung geendet hätte, sind bei der nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorzunehmenden Gesamtabwägung auch nur die Auflösungstatsachen zu berücksichtigen, die im maßgebenden Beurteilungszeitraum eingetreten sind.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Wolf    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Dezember 2009 - 5 Sa 739/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

2

Der im Jahr 1957 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit dem 1. Oktober 1979 als Rettungsassistent bei dem Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 3.110,66 Euro. Er ist mit einem Grad von 70 schwerbehindert.

3

Aufgrund seiner Schwerbehinderung war der Kläger längere Zeit arbeitsunfähig. Seit September 2006 führten die Parteien Gespräche über die Möglichkeit, ihn in anderer Weise einzusetzen. Dabei kam es am 4. Januar 2008 zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Personalleiter. Dessen genauer Verlauf ist streitig. Etwa neun Monate später - am 1. Oktober 2008 - sandte der Kläger an den Beklagten zu Händen des Personalleiters ein Schreiben, in dem es hieß:

        

„ … Des weiteren möchte ich nun noch einmal auf unser oben genanntes Personalgespräch eingehen, insbesondere auf die von Ihnen getätigte Aussage: ‚Wir wollen nur gesunde und voll einsetzbare Mitarbeiter.’ Diese Aussage ist in meinen Augen vergleichbar mit Ansichten und Verfahrensweisen aus dem Dritten Reich und gehört eigentlich auf die Titelseiten der Tageszeitungen sowie in weiteren Medien!“

4

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 hörte der Beklagte die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 beantragte er beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer solchen Kündigung. Am 28. Oktober 2008 stimmte das Integrationsamt einer außerordentlichen Kündigung des Klägers zu. Es teilte dies dem Beklagten mündlich noch am selben Tage sowie mit Schreiben vom selben Tage auch schriftlich mit.

5

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2008, dem Kläger einen Tag später zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

6

Der Kläger wies die Kündigung mit Schreiben vom 4. November 2008 mangels Vollmacht zurück. Zudem hat er rechtzeitig Klage erhoben und die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sei nicht gegeben. Im Übrigen sei der Unterzeichner des Kündigungsschreibens zum Ausspruch der Kündigung nicht berechtigt gewesen.

7

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Oktober 2008 nicht beendet worden ist.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Ansicht vertreten, das Schreiben des Klägers vom 1. Oktober 2008 stelle eine grobe Beleidigung dar. Die darin behauptete Äußerung des Personalleiters habe dieser außerdem nicht von sich gegeben.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Für die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Oktober 2008 fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB(I.). Die unwirksame außerordentliche Kündigung kann nicht nach § 14