Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZB 152/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 655,35 € (569,63 € + 85,72 €) festgesetzt.
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch. Sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht nach teilweiser Klagerücknahme beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 414,59 € nebst Zinsen sowie weiterer 18,76 € zu verurteilen, und im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Erledigungserklärung ist einseitig geblieben. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Kläger einen Schriftsatz eingereicht, durch den sie im Wege der Klageerhöhung eine Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von weiteren 85,72 € beantragt haben. Die- sen Schriftsatz hat das Amtsgericht der Beklagten formlos mit dem Hinweis übermittelt , dass ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht gegeben sei.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger 321,29 € nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
II.
- 3
- Das Landgericht hat ausgeführt, die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht. Die Beschwer der Kläger belaufe sich bei günstigster Berechnung unter Einbeziehung der Kosten für den erledigten Teil auf höchstens 569,63 €. Bei der Bemessung der Beschwer bleibe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageerhöhung um 85,72 € außer Betracht, weil sie in dem angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden sei und daher keine Beschwer zu Lasten der Kläger begründe.
III.
- 4
- Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschwerdegegenstand von über 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht ist.
- 5
- 1. Fehlt es - wie im Streitfall - an einer Zulassung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes unterscheidet sich begrifflich sowohl von dem erstinstanzlichen Streitwert als auch der Beschwer: Der Streitwert bestimmt die Grenzen der Beschwer, die im Falle einer Teilstattgabe den Streitwert unterschreiten, ihn aber selbst bei einer uneingeschränkten Verurteilung oder Klageabweisung nicht überschreiten kann. In Übereinstimmung mit dem Verhältnis von Streitwert zu Beschwer begrenzt der Wert der Beschwer seinerseits den Wert des mit einem Rechtsmittel zu verfolgenden Beschwerdegegenstandes , der - wenn der Rechtsmittelführer die ihm nachteilige Entscheidung teils hinnimmt - geringer, aber selbst bei einem unbeschränkten Rechtsmittel keinesfalls höher als die Beschwer sein kann (Jauernig NJW 2001, 3027 f). Mit dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist darum der Wert der Beschwer gemeint, den der Rechtsmittelführer mit dem Ziel ihrer Beseitigung zur Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht stellt (RGZ 160, 204, 213; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 511 Rn. 46; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 511 Rn. 18). Aus diesen Erwägungen muss der Rechtsmittelführer mit der Berufung die Beseitigung einer Beschwer von mehr als 600 € verfolgen.
- 6
- 2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Klägers ist grundsätzlich von der "formellen Beschwer" auszugehen. Danach ist der Kläger insoweit beschwert, als das angefochtene Urteil von seinen Anträgen abweicht (BGHZ 50, 261, 263; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990 - VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704). Im Blick auf den Teilerfolg der Klage beträgt die Beschwer der Kläger bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhand- lung nach den rechtlich zutreffenden und von den Klägern unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts höchstens 569,63 €. Angesichts dieser Beschwer kann der Beschwerdegegenstand von 600 € nicht erreicht sein.
- 7
- 3. Die Rechtsbeschwerde meint, wegen der uneingeschränkten Weiterverfolgung des erstinstanzlich abgewiesenen Klagebegehrens erhöhe sich die Beschwer der Kläger um den nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruch über 85,72 € auf 655,35 €. Dem kann nicht beigetreten werden.
- 8
- a) Gemäß § 296a ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Da die Vorschrift lediglich Angriffsmittel, aber nicht den Angriff und damit die Klage selbst betrifft, werden zwar neue Sachanträge von ihrem Regelungsbereich nicht erfasst (vgl. nur Musielak/Huber aaO § 296a Rn. 3). Wie sich jedoch aus § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2, § 297 ZPO ergibt, ist die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (BGH, Urt. v. 2. Juni 1966 - VII ZR 41/64, WM 1966, 863, 864; Beschl. v. 9. Juli 1997 - IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486; Musielak/Huber, aaO; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 22. Aufl. § 296a Rn. 26; Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 296a Rn. 2a; HK-ZPO/Saenger, 2. Aufl. § 296a Rn. 3; Frank O. Fischer NJW 1994, 1315, 1316; vgl. zur Unzulässigkeit einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Widerklage: BGH, Beschl. v. 12. Mai 1992 – XI ZR 251/91, NJW-RR 1992, 1085; Urt. v. 19. April 2000 - XII ZR 334/97, NJW 2000, 2512, 2513).
- 9
- b) Mangels einer Antragstellung in mündlicher Verhandlung darf über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO; OLG München ZIP 1981, 321, 322; Stein/Jonas/Leipold, aaO). In Einklang damit hat das Amtsgericht von einer Entscheidung über die Klageerweiterung abgesehen. Da die Klageerweiterung mithin nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung wurde, ist ihr Wert bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstandes außer Betracht zu lassen (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO).
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 21.11.2007 - 118 C 474/06 -
LG Bonn, Entscheidung vom 13.06.2008 - 8 S 247/07 -
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Annotations
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge zu Protokoll erklärt werden.
(2) Die Verlesung kann dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.
(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.
(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:
(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge zu Protokoll erklärt werden.
(2) Die Verlesung kann dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten.