Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2009 - IX ZB 152/08

bei uns veröffentlicht am19.03.2009
vorgehend
Amtsgericht Siegburg, 118 C 474/06, 21.11.2007
Landgericht Bonn, 8 S 247/07, 13.06.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 152/08
vom
19. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstands bleibt eine nach Schluss der
mündlichen Verhandlung geltend gemachte Klageerweiterung grundsätzlich außer
Ansatz.
BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZB 152/08 - LG Bonn
AGSiegburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 19. März 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13. Juni 2008 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Streitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 655,35 € (569,63 € + 85,72 €) festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Rechtsanwaltshonorar in Anspruch. Sie haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht nach teilweiser Klagerücknahme beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 414,59 € nebst Zinsen sowie weiterer 18,76 € zu verurteilen, und im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Die Erledigungserklärung ist einseitig geblieben. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben die Kläger einen Schriftsatz eingereicht, durch den sie im Wege der Klageerhöhung eine Verurteilung der Beklagten auf Zahlung von weiteren 85,72 € beantragt haben. Die- sen Schriftsatz hat das Amtsgericht der Beklagten formlos mit dem Hinweis übermittelt , dass ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht gegeben sei.
2
Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger 321,29 € nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

II.


3
Das Landgericht hat ausgeführt, die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht. Die Beschwer der Kläger belaufe sich bei günstigster Berechnung unter Einbeziehung der Kosten für den erledigten Teil auf höchstens 569,63 €. Bei der Bemessung der Beschwer bleibe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageerhöhung um 85,72 € außer Betracht, weil sie in dem angefochtenen Urteil nicht berücksichtigt worden sei und daher keine Beschwer zu Lasten der Kläger begründe.

III.


4
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Beschwerdegegenstand von über 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht erreicht ist.

5
1. Fehlt es - wie im Streitfall - an einer Zulassung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes unterscheidet sich begrifflich sowohl von dem erstinstanzlichen Streitwert als auch der Beschwer: Der Streitwert bestimmt die Grenzen der Beschwer, die im Falle einer Teilstattgabe den Streitwert unterschreiten, ihn aber selbst bei einer uneingeschränkten Verurteilung oder Klageabweisung nicht überschreiten kann. In Übereinstimmung mit dem Verhältnis von Streitwert zu Beschwer begrenzt der Wert der Beschwer seinerseits den Wert des mit einem Rechtsmittel zu verfolgenden Beschwerdegegenstandes , der - wenn der Rechtsmittelführer die ihm nachteilige Entscheidung teils hinnimmt - geringer, aber selbst bei einem unbeschränkten Rechtsmittel keinesfalls höher als die Beschwer sein kann (Jauernig NJW 2001, 3027 f). Mit dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist darum der Wert der Beschwer gemeint, den der Rechtsmittelführer mit dem Ziel ihrer Beseitigung zur Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht stellt (RGZ 160, 204, 213; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl. § 511 Rn. 46; Musielak/Ball, ZPO 6. Aufl. § 511 Rn. 18). Aus diesen Erwägungen muss der Rechtsmittelführer mit der Berufung die Beseitigung einer Beschwer von mehr als 600 € verfolgen.
6
2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Klägers ist grundsätzlich von der "formellen Beschwer" auszugehen. Danach ist der Kläger insoweit beschwert, als das angefochtene Urteil von seinen Anträgen abweicht (BGHZ 50, 261, 263; BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990 - VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704). Im Blick auf den Teilerfolg der Klage beträgt die Beschwer der Kläger bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhand- lung nach den rechtlich zutreffenden und von den Klägern unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts höchstens 569,63 €. Angesichts dieser Beschwer kann der Beschwerdegegenstand von 600 € nicht erreicht sein.
7
3. Die Rechtsbeschwerde meint, wegen der uneingeschränkten Weiterverfolgung des erstinstanzlich abgewiesenen Klagebegehrens erhöhe sich die Beschwer der Kläger um den nach Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachten weiteren Zahlungsanspruch über 85,72 € auf 655,35 €. Dem kann nicht beigetreten werden.
8
a) Gemäß § 296a ZPO können nach Schluss der mündlichen Verhandlung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. Da die Vorschrift lediglich Angriffsmittel, aber nicht den Angriff und damit die Klage selbst betrifft, werden zwar neue Sachanträge von ihrem Regelungsbereich nicht erfasst (vgl. nur Musielak/Huber aaO § 296a Rn. 3). Wie sich jedoch aus § 256 Abs. 2, § 261 Abs. 2, § 297 ZPO ergibt, ist die Erhebung einer neuen Klageforderung oder einer Klageerweiterung durch einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz unzulässig, weil Sachanträge spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen (BGH, Urt. v. 2. Juni 1966 - VII ZR 41/64, WM 1966, 863, 864; Beschl. v. 9. Juli 1997 - IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486; Musielak/Huber, aaO; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 22. Aufl. § 296a Rn. 26; Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 296a Rn. 2a; HK-ZPO/Saenger, 2. Aufl. § 296a Rn. 3; Frank O. Fischer NJW 1994, 1315, 1316; vgl. zur Unzulässigkeit einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Widerklage: BGH, Beschl. v. 12. Mai 1992 – XI ZR 251/91, NJW-RR 1992, 1085; Urt. v. 19. April 2000 - XII ZR 334/97, NJW 2000, 2512, 2513).
9
b) Mangels einer Antragstellung in mündlicher Verhandlung darf über eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Klageerweiterung nicht entschieden werden (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO; OLG München ZIP 1981, 321, 322; Stein/Jonas/Leipold, aaO). In Einklang damit hat das Amtsgericht von einer Entscheidung über die Klageerweiterung abgesehen. Da die Klageerweiterung mithin nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung wurde, ist ihr Wert bei der Bestimmung des Beschwerdegegenstandes außer Betracht zu lassen (BGH, Beschl. v. 9. Juli 1997, aaO).
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp

Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 21.11.2007 - 118 C 474/06 -
LG Bonn, Entscheidung vom 13.06.2008 - 8 S 247/07 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung


Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 261 Rechtshängigkeit


(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. (2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung ge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 297 Form der Antragstellung


(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge z

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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge zu Protokoll erklärt werden.

(2) Die Verlesung kann dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge zu Protokoll erklärt werden.

(2) Die Verlesung kann dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 334/97 Verkündet am:
19. April 2000
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 296 a, 297, 301 Abs. 1
Zur Behandlung einer nach Schluß der mündlichen Verhandlung zugestellten Widerklage.
BGH, Urteil vom 19. April 2000 - XII ZR 334/97 - Thüringer OLG in Jena
LG Erfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Hahne, Gerber, Sprick und Prof. Dr. Wagenitz

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 18. November 1997 und das Teilurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 26. November 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Mietzins. Mit Vertrag vom 28. Februar/24. März 1992 vermietete die Klägerin der Beklagten Geschäftsräume in einem der Klägerin gehörenden Haus in E.. Das Mietverhältnis begann am 1. März 1992 und war auf zehn Jahre befristet.
Mit Schreiben vom 28. August 1994 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31. März 1995. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, die Klägerin habe ihr vor Abschluß des Mietvertrags anläßlich einer gemeinsamen Begehung des Hauses zugesagt, das Haus werde noch im Jahre 1992, spätestens jedoch Anfang 1993 saniert, umgebaut und unter anderem mit einer Bankfiliale sowie mit einer Augenarztpraxis belegt. Diese Zusagen seien nicht eingehalten worden. Im Hinblick auf - im Januar 1995 beginnende - Renovierungsmaßnahmen der Klägerin vereinbarten die Parteien am 1. November 1994, daß der Mietzins für die Dauer der Einrüstung des Hauses um monatlich 2.000 DM gemindert werde. In einer Abrede vom 6. April 1995 kamen die Parteien überein, daß für die Monate April und Mai 1995 keine "Grundmiete" zu zahlen sei und mit Bauarbeiten in den Geschäftsräumen der Beklagten "erst Ende April/Anfang Mai" begonnen werde. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, sie habe Mitte März 1995 absehen können, daß sich die Renovierung der von ihr neu angemieteten Geschäftsräume und damit auch ihr Auszug aus den von der Klägerin gemieteten Räumen bis in den Mai 1995 verzögern werde; dies habe sie der Klägerin auch mitgeteilt. Die Beklagte zahlte Mietzins für die Zeit bis einschließlich März 1995 und räumte die Geschäftsräume im April 1995. Im Oktober 1995 kündigte die Klägerin das - nach ihrer Auffassung fortbestehende - Mietverhältnis mit der Beklagten fristlos. Außerdem nahm sie eine für die Verbindlichkeiten der Beklagten aus dem Mietvertrag gestellte Bankbürgschaft über einen Betrag von 15.000 DM in Anspruch, der bei ihr im November 1995 einging. Die Klägerin hat Mietzins für die Zeit von Juli 1995 bis einschließlich Oktober 1996 nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte hat nach der mündlichen
Verhandlung am 15. Oktober 1996 mit einem der Klägerin am 18. November 1996 zugestellten Schriftsatz vom 5. November 1996 Widerklage auf Zahlung von 15.000 DM nebst Zinsen wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Bürgschaft erhoben. Das Landgericht hat einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung abgelehnt. Es hat der Klage durch Teilurteil vom 26. November 1996 - und zwar hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang - stattgegeben. Hinsichtlich der Widerklage hat es mit Beschluß vom 27. Januar 1997 das Ruhen des Verfahrens "bis zur Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz" angeordnet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den der Klägerin zugesprochenen Betrag um den Mietzins für die Monate Juli bis Oktober 1995 herabgesetzt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage auch im übrigen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des vom Landgericht erlassenen Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht zu Recht zunächst ein Teilurteil über die Klagforderung erlassen, da nur die Klage zur Entscheidung reif gewesen sei. Die Widerklage sei zwar unzulässig, da sie erst
nach Schluß der mündlichen Verhandlung erhoben worden sei. Dennoch sei die Widerklage noch nicht entscheidungsreif, da über sie zunächst mündlich verhandelt werden müsse. Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht: Die Widerklage ist aus den zutreffenden Gründen des Berufungsurteils unzulässig. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Gericht zunächst über die Widerklage mündlich verhandeln müsse und diese sodann als unzulässig abweisen könne. Die Unzulässigkeit der Widerklage ergibt sich nämlich gerade aus dem Umstand, daß die Widerklage erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangen ist, das Gericht eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat und deshalb über die Widerklage nicht mehr mündlich verhandelt werden konnte. Würde über die unzulässige Widerklage mündlich verhandelt, würde die bis dahin unzulässige Widerklage nachträglich zulässig. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat es deshalb gebilligt, eine erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung erhobene Widerklage ohne mündliche Verhandlung als unzulässig abzuweisen (Beschluß vom 12. Mai 1992 - XI ZR 251/91 - NJW-RR 1992, 1085). Folgt man dem, war der vorliegende Rechtsstreit nicht nur hinsichtlich der Klage, sondern auch in Ansehung der Widerklage entscheidungsreif: Das Landgericht hätte dann - zugleich mit der Entscheidung über die Klage - die unzulässige Widerklage abweisen müssen ; für den Erlaß eines nur auf die Klage beschränkten Teilurteils nach § 301 Abs. 1 ZPO wäre kein Raum gewesen.
Die Frage, ob die Widerklage ohne mündliche Verhandlung beschieden werden kann, bedarf hier indessen keiner Entscheidung; denn das Teilurteil hätte bereits aus anderem Grunde nicht ergehen dürfen. Ein Teilurteil ist nur dann zulässig, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlußurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlußurteil also ausgeschlossen ist (st.Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 - IVb ZR 88/85 - BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Unterhaltsabänderung 1). Das ist hier nicht der Fall: Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Mietbürgschaft setzt voraus, daß die Beklagte der Klägerin im Zeitpunkt dieser Inanspruchnahme nicht länger Mietzins schuldete, weil die von der Beklagten zum 31. März 1995 erklärte Kündigung wirksam war. Andererseits hängt von der Unwirksamkeit dieser Kündigung die Begründetheit der Klage ab; denn bei Beendigung des Mietverhältnisses zum 31. März 1995 konnte ein - erst für die Zeit ab Juli 1995 geltend gemachter - Mietzins- und Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht mehr bestehen. Damit ist die Wirksamkeit der Kündigung für die Klage und die Widerklage erheblich. Diese doppelte Erheblichkeit birgt bei Erlaß eines auf die Klage beschränkten Teilurteils die Gefahr, daß das Teilurteil der Klage stattgibt, weil die Kündigung der Beklagten das Mietverhältnis nicht wirksam beendet habe, im Schlußurteil aber auch der Widerklage entsprochen wird, wenn das Gericht diese Kündigung nunmehr für wirksam erachtet. Die Unzulässigkeit der Widerklage hindert die Gefahr eines solchen Widerspruchs nicht; denn das Gericht könnte bei der Entscheidung über die Widerklage deren Zulässigkeit anders beurteilen oder durch Widereröffnung der mündlichen Verhandlung deren Zulässigkeit bewirken. Die Unzu-
lässigkeit eines Teilurteils beugt dem vor. Damit hätte das Teilurteil nicht erlassen werden dürfen. Wegen dieses Verfahrensmangels muß das Berufungsurteil, soweit das landgerichtliche Teilurteil bestätigt worden ist, aufgehoben werden. Insoweit hat der Senat zugleich das verfahrensfehlerhaft ergangene Teilurteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Landgericht folgendes zu berücksichtigen haben: 1. Die Klägerin kann von der Beklagten für die Zeit von November 1995 bis einschließlich Oktober 1996 nur dann Mietzins verlangen, wenn die Beklagte das Mietverhältnis nicht zum 31. März 1995 wirksam gekündigt hat. Eine solche Kündigung kann sich aus § 542 BGB oder aus § 564 Abs. 2, § 566 Satz 2 BGB rechtfertigen, wenn die Klägerin der Beklagten, wie von dieser unter Beweisantritt vorgetragen, anläßlich einer gemeinsamen Begehung des Hauses und vor Vertragsschluß zugesagt hat, das Haus bis Ende 1992, spätestens Anfang 1993 zu renovieren und die frei werdenden Räume unter anderem mit einer Bankfiliale und einer Augenarztpraxis zu belegen. In der behaupteten Zusage liegt eine vertragliche Bestimmung der Sollbeschaffenheit der von der Beklagten gemieteten Räume, die fehlerhaft werden, wenn - wie hier geltend gemacht - die angebliche Zusage nicht rechtzeitig eingehalten wird. Diese Fehlerhaftigkeit der Mietsache konnte die Beklagte - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 542 BGB - berechtigen, das Mietverhältnis außer-
ordentlich zu kündigen. Außerdem konnte die behauptete mündliche Zusage bewirken, daß der von den Parteien geschlossene Mietvertrag in einem wesentlichen Punkt nicht der von § 566 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Schriftform entspricht, deshalb auf unbefristete Zeit geschlossen war und folglich von der Beklagten ordentlich gekündigt werden konnte. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist - entgegen der Auffassung von Oberlandesgericht und Landgericht - hinreichend substantiiert. Er wird nicht dadurch widerlegt, daß die behauptete Zusage weder Eingang in den Mietvertrag gefunden hat noch sonst schriftlich fixiert worden ist: Die Vermutung der Vollständigkeit des schriftlichen Mietvertrags, auf die das Oberlandesgericht maßgebend abhebt, ist widerlegbar. Zudem hat die Beklagte auf ihre wiederholten Bemühungen verwiesen, von der Klägerin eine schriftliche Bestätigung der von ihr - der Beklagten - behaupteten Zusagen zu erhalten. Die Zusatzvereinbarungen vom 1. November 1994 und 6. April 1995 erlauben, wie auch die Überlegungen der Revision zeigen, keine zwingenden Schlüsse auf eine Unrichtigkeit des Beklagtenvortrags; sie lassen sich vielmehr auch dann plausibel begründen, wenn man mit dem Vortrag der Beklagten von deren berechtigt erklärtem und fortbestehendem Willen, das Mietverhältnis mit der Klägerin zum 31. März 1995 zu beenden, ausgeht. 2. Nimmt man mit der Klägerin an, daß die Beklagte das Mietverhältnis - mangels eines Kündigungsgrundes - nicht bereits wirksam zum 31. März 1995 gekündigt hat, so könnte das Mietverhältnis durch die von der Klägerin im Oktober 1995 erklärte fristlose Kündigung nur aufgelöst worden sein, wenn die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung von mehr als einer Monatsmiete im Rückstand war (§ 2 Nr. 4 Mietvertrag). Das erscheint im Hinblick auf die Feststellungen des Berufungsgerichts zweifelhaft. Danach hat die Beklagte den
Mietzins bis einschließlich März 1995 bezahlt. Für die Monate April und Mai 1995 war nach der Abrede vom 6. April 1995 keine "Grundmiete" zu zahlen. Für die Monate Juli bis Oktober 1995 hat das Berufungsgericht einen Mietzinsanspruch der Klägerin für nicht begründet erachtet. Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß der Klägerin ein Anspruch auf den vertraglich vereinbarten Mietzins nur zusteht, wenn und solange sie die der Beklagten vermieteten Räume in einem vertragsgemäßen Zustand erhält (§§ 536, 537 BGB). Für einen Schadensersatzanspruch, welcher der Klägerin gegen die Beklagte zustehen könnte, wenn ihre im Oktober 1995 erklärte Kündigung wirksam ist, kann nichts anderes gelten; denn nur solange die Klägerin zur Überlassung der Räume in vertragsgemäßem Zustand bereit und in der Lage ist, begründet deren Leerstand einen von der Beklagten zu ersetzenden (Mietausfall-) Schaden. Auch diese Voraussetzungen bedürfen im Hinblick auf die Feststellungen des Berufungsgerichts der Überprüfung. Das Berufungsgericht hat die der Beklagten vermieteten Räume als im September und Oktober 1995 nicht nutzbar angesehen und den Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe bei ihrem Auszug diesen Zustand durch die Wegnahme von ihr selbst eingebauter Heizungen und Decken selbst herbeigeführt, für nicht hinreichend substantiiert erachtet. Die Beklagte hat vorgetragen, daß der auch vom Oberlandesgericht beanstandete Zustand der Mieträume nach der von der Klägerin erklärten fristlosen Kündigung von der Klägerin nicht behoben worden ist und jedenfalls bis zum Oktober 1996 fortbestand. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird erforderlichenfalls auch dieser Vortrag zu würdigen sein. Blumenröhr Hahne Gerber Sprick Wagenitz